panorama südtirol
Das Wirtschaftsmagazin
Gerhard Brandstätter, einer der bekanntesten Aufsichtsräte Südtirols
MOB
mit
ILITÄ T & GRE EN E NER GY
Vers. in Post. - 45% - Art. 1 Abs. 1 - Ges. 353/2003 (abg. Ges. 27.02.2004 Nr. 46) - CNS Bozen Poste Italiane SpA - Taxe percue / Tassa pagata - Abo im Inland: 11 Euro - Abo im Ausland: 20 Euro
www.panorama-online.com – Nr. 04/2010 – 1,80 Euro
Juli 2010
BBT am Ende Österreich glaubt nicht mehr an das Projekt – Die „Buhfrau“ Doris Bures im Interview Geschäft mit den Matratzen Was steckt hinter den Millionenumsätzen von Wenatex? Spekulanten und Zocker Wer sie sind, was sie treiben und wer sie bekämpft
RISIKO AUFSICHTSRAT Warum Südtirols Firmenkontrolleure um ihr Vermögen bangen
www.greenenergy.bz.it
Grüner Strom aus Südtirol für Südtirol.
Grüne Energie. Der Strom der SEL. Mit dem RECS-Zertifikat garantiert die SEL Strom aus reiner Südtiroler Wasserkraft.
www.sel.bz.it
INHALT
EDITORIAL
Elitärer Kreis
Foto: Karin Thaler
„Egartner muss gehen“ – die Nachricht hat sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Der Wipptaler BauTycoon muss seinen Landtagssessel räumen – das Kassationsgericht in Rom hat bestätigt, was die Opposition bereits vorher wusste: Christian Egartner war bei der Landtagswahl im Herbst 2009 unwählbar, weil er zum Zeitpunkt der Wahl Vorsitzender des Baukonsortiums „Conbau“ war. Eine herbe Schlappe für den Unternehmer. Eine herbe Schlappe aber auch für Gerhard Brandstätter, seinen Rechtsanwalt. Einen Mann, der selbst in solchen Situationen cool und unnahbar bleibt: „Wir haben das Möglichste unternommen – leider sind wir damit gescheitert.“ Mit seinem Kampf für den Baulöwen wurde er erneut seinem Ruf „als Mann für die harten Fälle“ gerecht. Laut ff ist der Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse und Vorsitzende der SVP-Wirtschaft der derzeit wohl einflussreichste Strippenzieher Südtirols: Einer, auf den selbst Durnwalder hört. Einer, der sich nicht nur als Jurist einen Namen gemacht hat, sondern auch als Aufsichtsrat. Der kühle und im Gespräch doch erstaunlich offen wirkende Brandstätter führt Aufsicht in gleich mehreren renommierten Unternehmen, darunter auch in einer Bank. Er ist damit Teil eines Old-Boys-Netzwerkes. Denn Aufsichtsrat wird in Südtirol nur der, der über gute Kontakte verfügt. Kontakte aus „Fränzi“Zeiten zum Beispiel. Ein kleiner elitärer Kreis, bei dem die jüngere Generation das Nachsehen hat. Wer es in diesen Kreis geschafft hat, wer die meisten Mandate hält und warum die vielfach willkürlich bestellten Räte jetzt um ihr Vermögen bangen, lesen Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 20. Nehmen Sie Einblick in den Olymp der Macht, in dem Geheimhaltung und Stillschweigen das Maß aller Dinge ist.
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News & Trends Titel
20 Harte Zeiten für Aufsichtsräte Seit April gelten in Italien strengere Normen für Aufsichtsräte. Warum der lukrative Nebenjob nun mit höheren Haftungsrisiken verbunden ist und wie die Südtiroler Aufsichtsräte darauf reagieren – Einblick in einen elitären Kreis.
Unternehmer & Märkte 08 Chancen für den Export Der abgeschwächte Euro und seine Auswirkungen auf die Südtiroler Exportunternehmen. Ist ein schwacher Euro wirklich auch ein guter Euro?
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Unternehmen lagern aus Immer mehr Unternehmen greifen zum Outsourcing. Südtirol Panorama erklärt, wann es sich wirklich lohnt.
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Das Geschäft mit den Matratzen Wenatex boomt – Südtirol Panorama war dem Erfolgsgeheimnis auf der Spur.
28 Was darf es sein, Herr Fontanesi? Tischgespräch mit dem Werber über seine Zeit mit Alberto Tomba und die Zukunft mit Lee und Louis Vuitton.
Branchenreport Mobilität 34 Leidensgeschichte BBT Warum in Österreich niemand mehr so recht an das Milliardenprojekt glauben mag.
40 Der Boom der E-Bikes Wie elektrische Fahrräder mit dem Sportmarkt konkurrieren.
44 Pusterer Antrieb
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Ein Gespräch mit Konzernvorstand Johann Hofer über Erfolge, Niederlagen und die Zukunft der Automobilindustrie. Autotest: Mercedes ML 350 BlueTEC
Green Energy 54 Förderungen: Wie geht es weiter? Das Ende der staatlichen Hilfen naht: Prognosen über die Zukunft des Fotovoltaikmarktes.
56 Green Jobs Die grüne Wirtschaft boomt auch in Südtirol. Wir zeigen die Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt.
59 Moderne Wein-Architektur Die neue Kellerei Tramin: Funktionalität trifft Formsprache.
Geld & Finanzen 62 Die Spekulanten Wer sind die Spekulanten, was bewirken sie und wer kann sie stoppen – Finanzexperte Thomas Amonn gibt Antworten.
Luxus & Lifestyle
VERENA PLIGER
68 Dressed for success Der perfekte Anzug für den erfolgreichen Businessman.
Impressum Erscheinungstermin: 23. Juli 2010 Leitung: Verena Pliger Verantwortlicher Direktor: Kurt W. Zimmermann Autoren: Thomas Amonn, Martha Aurich, Judith Innerhofer, Ariane Löbert, Georg Mair, Sylvia Oberrauch, Melanie Ockert, Simon Pliger Schlussredaktion: Claudia Savelli Grafik und Produktionsleitung: Ralf Kohler Marketing und Verkaufsleitung: Michael Maria Disertori Herausgeber: ff-Media GmbH Bozen – Eintrag. Lg. Bozen 20/98 R.P. vom 7.10.98 Südtirol Panorama: Brennerstraße 7a, 39100 Bozen, Tel. 0471 30 45 50, Fax 30 45 11, www.panorama-online.com, panorama@ff-bz.com Druck: Kärntner Druckerei, Klagenfurt (A) Gesamtauflage: 26.000 Stück
70 Up to date: Mobiles Wohnen
Service 64 65 65 72 74
Finanzkolumne: Schattenboxen Finanzkommentar: Weltmacht Euroraum Portfolio: Schweizer Franken Termine des Monats Was macht ... Christoph Kaserer?
Südtirol Panorama Juli | 2010
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NEWS & TRENDS
Foto: www.ferrariworldabudhabi.com
Auch der Klausner Stefano Rossi hat an der gigantischen Ferrari World in Abu Dhabi mitgewirkt. Nun steht das Projekt kurz vor seiner Fertigstellung
Es leuchtet rot in Abu Dhabi Rot wie ein Ferrari, groß wie 40 Fußballfelder. Die kostspielige „Ferrari World“ in Abu Dhabi ist weltweit der größte überdachte Abschnitt in einem Themenpark und gleichzeitig auch das größte zusammenhängende Dach der Welt. Es soll Leidenschaft, Exzellenz, Leistungsfähigkeit und technische Innovationen widerspiegeln. Der gigantische Freizeitpark, in dem sich
alles um die roten Flitzer aus Maranello dreht, beinhaltet über 20 Achterbahnen, Karussells und Attraktionen, die ein internationales Publikum den Atem anhalten lassen. Das Areal umfasst 25 Hektar. Das Highlight bildet die schnellste Achterbahn der Welt, mit 240 Kilometer pro Stunde. An der Entwicklung war unter anderem der gebürtige Klausner Ste-
fano Rossi beteiligt. Er war Projektmanager für das deutsche Unternehmen Interfalz, das auf Dach- und Fassadenbau spezialisiert ist. Für die Ferrari World hat es den Auftrag für das gigantische rote Dach und die gesamte Außenhülle erhalten. Der weltweit erste Ferrari-Themenpark wird am 28. Oktober 2010 in Abu Dhabi eröffnet.
Südtiroler hoffen auf Sieg in Venedig
NOMINIERUNG. Das „Headquarter“, ausge-
führt von den Mailänder Architekten „Cino Zucchi Architetti – Park Associati“, wurde für die 12. Architektur-Biennale in der Kategorie „Work-in-Progress“ nominiert. Das Nominie-
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Südtirol Panorama März | 2010
rungen finden vom 29. August bis 21. November in Venedig statt. 56 Länder stellen ihre Pro-
jekte vor. Aus Italien sind in dieser Kategorie nur drei Projekte nominiert worden.
Foto: Salewa
Die Architektur-Biennale in Venedig zählt zu den bedeutendsten internationalen Architektur-Ausstellungen in Europa. Hier dreht sich alles um die Bereiche Architektur, Ingenieurswesen und Kunst. Sie findet alle zwei Jahre im Wechsel mit der Kunstausstellung Biennale di Venezia statt. In diesem Jahr ist auch ein Projekt aus Südtirol vertreten – genauer gesagt das neue SalewaGebäude in der Bozner Industriezone, das voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2011 fertiggestellt wird.
Das Salewa-Headquarter ist in diesem Jahr für die Architektur-Biennale in Venedig nominiert worden
KURZ NACHGEFRAGT
NEWS & TRENDS
Die günstige Alternative
Jugend: Gute Jobs, gute Löhne
Quelle: Il sole 24 ore
Index für Attraktivität des Arbeitsplatzes 160,6
Venetien
134,3
Emilia Romagna
132,7
Lombardei
129,6
Friaul-Julisch-Venetien
128,7
Toskana
111,3
Piemont
109,2
Aosta
109,2
Jan Josephson, Gründer des Stockholmer Unternehmens op5. Er war Referent der von Würth Phoenix und TIS organisierten „Conference on Open Source Monitoring“ in Bozen
Ligurien
108,8
SÜDTIROL PANORAMA: Wie ist
Marche
102,4
Umbrien
100,7
Abruzzen
93,5
Lazium
90,6
Molise
87,3
Basilicata
84,1
Kampanien
80,1
Apulien
79,1
Sizilien
76,1
Kalabrien
75,9
Sardinien
71,7
Nach wie vor eklatante Unterschiede zwischen Nord- und Süditalien in puncto Gehalt, Joberwerb und Stabilität des Arbeitsplatzes
SÜDTIROL SPITZENREITER. Untersu-
chungen des Forschungsinstituts „Datagiovani“ haben ergeben, dass die Provinz Trentino-Südtirol für junge Arbeitnehmer am attraktivsten ist. Ermittelt wurden die Ergebnisse anhand von drei Kriterien: die Schwierigkeiten in der Aufnahme ins Arbeitsleben, das Gehalt und die Stabilität des Arbeitsplatzes. „Zusammengezählt“ ergeben diese drei Maßstäbe einen Index, den die autonome Provinz mit großem Abstand anführt.
liegt Trentino-Südtirol mehr als sechzig Punkte über dem italienischen Durchschnitt von 100 Punkten. Auch bei dem durchschnittlichen Nettolohn für einen Angestellten unter fünfunddreißig führt unsere Provinz das Feld an. Dieser beträgt 1.188 Euro,
Foto: suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
ÜBERDURCHSCHNITTLICH. Mit 160,6 Punkten
also rund 130 Euro mehr als der italienische Durchschnitt. GUTE BESCHÄFTIGUNG. Eine Vorreiterrol-
le hat Trentino-Südtirol auch was die Arbeitslosigkeit der Gruppe „under 35“ betrifft: Lediglich 5,7 Prozent der 15- bis 35-Jährigen sind hierzulande auf der Suche nach einer Arbeit. VERGLEICH. Stellt man die
Werte der Provinz TrentinoSüdtirol denen der übrigen Regionen Italiens gegenüber, so ergeben sich teils eklatante Unterschiede. Besonders in den südlichen Regionen ist es laut Experten schwierig, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Ist eine Beschäftigung gefunden, kann diese im Süden oft nicht gehalten oder sie muss unterbezahlt ausgeführt werden.
Foto: FWS
Trentino-Südtirol
es möglich, dass Open-Source-Programme* den Softwaregrößen ernste Konkurrenz machen können? JAN JOSEPHSON: Ich sehe einfach,
dass im Bereich Überwachungssoftware große Marktanbieter wie HP und IBM versagt haben. Das Angebot ist zu kompliziert und geht an den wirklichen Bedürfnissen der Unternehmen vorbei. Trotz der hohen Kosten muss der Unternehmer auch bei kleinsten Änderungen eine Heerschar an Beratern hinzuziehen. Was versäumen die großen Anbieter denn konkret?
Ich spreche für den Überwachungsbereich, also für Lösungen zur Sicherstellung einer ausfallsfreien IT-Landschaft. Hier sind die großen Anbieter aus technischer Sicht eine Null, funktional Durchschnitt und politisch Weltmeister. Sie schaffen es aber nach wie vor, Unternehmer dazu zu bringen, unverhältnismäßige Summen in eine Software zu stecken, die sie nur zum Teil benötigen. Der Kunde greift nur zu diesem Produkt, weil er bereits die Jahre zuvor ein sehr hohes Budget dafür ausgegeben hat und nicht zugeben möchte, dass seine bisherige Entscheidung schlecht war. Obwohl Unternehmen im Bereich der Überwachungssoftware mit lizenzfreien OpenSource-Lösungen rund 10 bis 15 Prozent einsparen könnten. Wie reagieren Unternehmen darauf?
Jeder Betrieb, egal ob groß oder klein, muss heute rasch und flexibel auf Marktveränderungen reagieren können. Sind Informationsinstrumente zu komplex und schwerfällig, können sie Betrieben echte Probleme bereiten. Deshalb suchen Firmen nach Alternativen – vielen großen Herstellern wird das natürlich zusetzen. * Software, die jeder nach Belieben studieren, benutzen, verändern und kopieren darf
NEWS & TRENDS PR-INFO
PR-INFO
Bodenständiger Klimaschutz
Fotos: Serisolar
Wer Energie produziert, braucht Unterstützung und Fürsprache. Der Raiffeisen Energieverband (REV) ist Lobbyorganisation und Dienstleister für die Südtiroler Energiewirtschaft. In seinen Büros im Raiffeisenhaus bündelt der Verband Interessen und Initiativen von Energieproduzenten und Energieverteilern. Dabei ist der Raiffeisen Energieverband mittelständischen Energieunternehmen, kommunalen Energieversorgern und Genossenschaften gleichermaßen verpflichtet. Heute vertritt der Verband in Südtirol 141 Mitglieder, darunter sind 55 Genossenschaften, 71 private Unternehmen und 15 Gemeinden. Oberstes Ziel der Verbandsarbeit ist die Förderung der dezentralen Ausbeutung einheimischer erneuerbarer Energien. Schließlich hat Südtirol beste Voraussetzungen für eine nachhaltige Energieproduktion. Seit
Anbringung der Serisolar-Folie zu 75 Micron am Maxxi, dem Museo Nazionale Delle Arti del XXI Secolo in Rom
Sonnenschutz für Museum Kunstwerke im Museumsinneren vor Hitze und UV-Einstrahlung. Der Einsatz wird sich dank geringerer Kosten für den Betrieb von Klimaanlagen bereits in maximal drei bis vier Jahren amortisieren. Serisolar Srl www.serisolar.com info@serisolar.com Vertretung Bozen: 335 6619444
Foto: REV
Nach dem Museum für moderne Kunst Mart in Rovereto und dem Messner Mountain Museum in Bozen hat Serisolar nun auch die Glasflächen des neuen, am 27. Mai 2010 eingeweihten und bereits allseits bekannten Maxxi Museo in Rom bearbeitet. Die innovative Madico-Folie zu 75 Micron ermöglicht den perfekten Schutz der wertvollen
Der Raiffeisen Energieverband wurde 2006 unter der Führung von Rudi Rienzner gegründet
über 100 Jahren wird in Südtirol Wasserkraft zur Stromgewinnung genutzt. Zudem ist das Land mit seinem mediterranen Klima ein idealer Standort für die Versorgung mit Solarenergie. Die dezentrale Nutzung von Energie hat gleich mehrere Vorteile: Wer Energie mit eigenen Ressourcen vor Ort produziert und vertreibt, macht sich von Großverteilern und fossilen Energieträgern unabhängig, Wertschöpfung und Know-how bleiben im Land. Zudem können einheimische Energiegenossenschaften, die Produktion und Verteilung im Land selbst kontrollieren, ihre Energie bis zu 40 Prozent billiger anbieten, als weltweit tätige Energiekonzerne. Mit anderen Worten: Der Raiffeisen Energieverband ist das Südtiroler Kompetenzzentrum für bodenständigen Klimaschutz. www.rev.bz.it
UNTERNEHMER & MÄRKTE 1,80
Wann ist ein Euro ein guter Euro?
1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20 1,10 1,00 0,90 0,80 0,70
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Die Europawährung ist immer noch eher „teuer“. Trotz momentaner Hysterie ist der Euro von seinem Tiefstand im Jahre 2002 noch weit entfernt. Wie sich dies auf die Südtiroler Exportunternehmen auswirkt und wie sie sich gegen diese Schwankungen absichern – ein Branchenreport. VON VERENA PLIGER
W
erfen Sie doch als erstes einen Blick auf die oben dargestellte Grafik: Sie zeigt die Kursausschläge zwischen Euro und Dollar. Was fällt Ihnen auf? Gerade mal 0,9 US-Dollar war der Euro bei der Einführung als Bargeld im Jahre 2002 wert. Die letzten Jahre ist er dann als sehr starke Währung aufgetreten. USA-Reisen wurden so günstig wie nie. 50 Prozent an Tauschwert hat der Euro gegenüber dem US-Dollar in den letzten Jahren gewonnen. Die Schuldenkrise in Südeuropa hat den Euro in den vergangenen Monaten aber kräftig unter Druck gesetzt. Seit Jahresbeginn hat der Euro um mehr als 16 Prozent an Wert eingebüßt. Viele Politiker fürchteten bereits
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Südtirol Panorama Juli | 2010
den Zusammenbruch der Währungsunion. Angela Merkel meinte Mitte Mai gar „Europa steht am Scheideweg“. Jennifer McKeown von Capital Economist befürchtete sogar einen künftigen Gleichstand mit dem Dollar. Dennoch: Wie die Grafik zeigt, ist die Gemeinschaftswährung selbst inmitten dieser momentanen Euro-Hysterie, immer noch um ein Drittel höher als bei ihrer Einführung. Nicht zuletzt weil es mit dem Euro seit Mitte Juni wieder bergauf geht. DIE GEWINNER. Dabei ist der niedrige
Euro alles andere als eine Katastrophe – für die Exportunternehmen jedenfalls. Gibt der Euro gegenüber dem Dollar nach,
wird es im Verhältnis billiger, hierzulande zu produzieren, werden Waren aus den Euroländern wieder billiger, wird die heimische Wirtschaft wettbewerbsfähiger und zieht die Exportindustrie an. Einen besonders großen Vorteil erzielt die deutsche Industrie: Mit einem Exportvolumen von 45 Prozent liegt Deutschland weit höher als der europäische Durchschnitt mit 19 Prozent. Zu den Gewinnern zählen vor allem die Autobauer VW, BMW und Daimler. Aber auch die Technologie-, Pharma- und Chemieindustrie zählen im Moment noch zu den Profiteuren. Der Zeitpunkt des schwächeren Euros könnte nicht idealer sein: Europas Wirtschaftswachstum lässt auf sich warten,
2007
2007
UNTERNEHMER & MÄRKTE Hysterie unbegründet: Mit 1,1874 Euro pro Dollar hatte der Euro im Juni seinen tiefsten Stand seit 2006. Vergleicht man die Grafik aber mit der Einführung des EuroBargelds im Jahre 2002, so fällt auf, dass der Euro damals gerade mal 0,9 US-Dollar wert war
Grafik: Wifo/ff-Grafik
SORGE VOR WIEDERANSTIEG. Der
2008
2009
2010
„Grundsätzlich ist ein niederer Euro für Südtirols Exportindustrie von Vorteil …“ Stefan Perini
während die sogenannten BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China bereits boomen und auch die US-Wirtschaft bereits angezogen hat. „Grundsätzlich kann ein niederer Eurokurs für all jene Unternehmen ein Vorteil sein, die einen hohen Anteil ihrer Exporte in Fremdwährung abgelten. Hauptprofiteure werden jene sein, die in Ländern tätig sind, wo sich die positive Konjunk-
schwächere Euro kennt im Moment jedenfalls Gewinner wie Verlierer. Bei der Mehrzahl der Exportunternehmen dominiert nicht die Sorge vor einem weiteren Verfall des Euros, sondern vielmehr die Sorge vor einem Anstieg des Euros. So jedenfalls schreibt es die Mailander Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore. Der niedrigere Eurokurs kommt der europäischen Exportindustrie wie gerufen. Noch vor ein paar Monaten fürchteten die exportlastigen Nationen um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Schließlich verteuert ein starker Euro die Waren im außereuropäischen Raum. Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy forderte die Europäische Zentralbank (EZB) zum raschen Handeln auf: Nur ein niedriger Kurs könnte noch Arbeitsplätze retten und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen aufrechterhalten. Nun ist der Euro auf dem tiefsten Stand seit 2006. Und das ganz ohne Zutun der EZB. Eigentlich sollten sich darüber alle freuen, stattdessen steht Europa Kopf und befürchtete angesichts der drohenden Staatspleite von Griechenland im Frühjahr dieses Jahres den Untergang des Euro. EURO-HYSTERIE NICHT ANGEBRACHT.
Letztlich stecke hinter der Eurodebatte eine ordentliche Portion Hysterie, sind sich die Südtiroler Unternehmen einig. Es tut uns also gut, dass der Euro auf ein vernünftiges Niveau zurückgekehrt ist? „Ja“, meint Thomas Brandstätter von der Hans Zipperle AG in Lana. Zur Debatte über den Euro schüttelt er nur den Kopf: Der Euro sei lange Zeit völlig überbewertet gewesen und pendle sich nun dort ein, wo er eigentlich hingehöre. Auch wenn sich der niedrige Wechselkurs nicht direkt auf sein Unternehmen auswirkt: „Wir haben weitestgehend sowohl Euro-Kosten
Der EOS-Direktor über die währungsbedingte Chance für Südtiroler Exportleister.
Foto: Helmuth Rier
tur und der vorteilhafte Wechselkurs gegenseitig verstärken“, meint Stefan Perini vom WIFO.
Profiteure
EOS-Direktor Hansjörg Prast
SÜDTIROL PANORAMA: Welche Südtiroler Branchen profitieren vom schwachen Euro? HANSJÖRG PRAST: Ich
habe Schwierigkeiten, bestimmte Branchen als Gewinner hervorzuheben. Vielmehr kann man sagen, dass sich einzelne Betriebe besser profilieren können. Im Grunde profitieren jene Branchen, die kostenmäßig auf dem Euroraum aufgestellt sind und umsatzmäßig im Dollarraum fakturieren. Das ist auf jeden Fall die Lebensmittelbranche, denn die Rohstoffe wachsen bei uns und die Produkte werden vielfach in den Dollar-Raum exportiert. Wie stark sichern sich Südtiroler Unternehmen vor Währungsschwankungen ab?
Früher waren Währungsabsicherungen wesentlich häufiger als heute, wo der Euroraum größer geworden ist. Damals hat man stärker versucht, in der eigenen Währung zu verrechnen. Als die DM etwa eine starke Währung war, hat man versucht, verstärkt in DM zu verrechnen. Erwarten Sie sich währungsbedingt einen Anstieg des Südtiroler Exports?
Ich bin eher skeptisch, dass man mit Währungsschwankungen ein Plus an Exportleistung einfahren kann. In der Regel sind es nur kurzfristige Verbesserungen in der eigenen Margenstruktur. Man kann den betrieblichen Erfolg aber nicht an den Währungsschwankungen festmachen.
Südtirol Panorama Juli | 2010
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Foto: Alexander Alber
UNTERNEHMER & MÄRKTE
„Die bessere Wechselkursrelation hilft uns jetzt sicher wettbewerbsfähiger zu sein“, erzählt Alfred Moser der Karl Pedross AG in Latsch. Der Sockelleistenhersteller exportiert 80 Prozent seiner Exporte in die diversen EU-Länder, rund 20 Prozent gehen in Nicht-EU-Länder wie Argentinien, Kolumbien, Chile oder Russland
als auch Euro-Umsätze. Da aber viele unserer Konkurrenten in Dollar fakturieren, verlieren sie Wettbewerbsvorteile in Europa. Wenn wir also weniger Konkurrenz haben, weil sie teurer verkaufen müssen, dann kann ich für mein Produkt in Euro auch mehr erzielen.“ Alfred Moser von der Karl Pedross AG in Latsch bestätigt die Aussage von Brandstätter: „Wir befinden uns jetzt in einem gesunden Bereich, wir hatten das ganze letzte Jahr eine nicht gerechtfertigte Eurostärke, die sich jetzt stabilisiert hat. Schlimm sind diese abrupten Änderungen innerhalb kurzer Zeit, wo sich die Kursrelation in einem Monat um 10 bis 15 Prozent verändert.“ HEIMISCHE PROFITEURE. Besonders stark profitieren all jene Unternehmen, die ihre Umsätze im Dollar-Raum realisieren. Damit sind nicht nur die USA gemeint, sondern all jene Länder, die sich
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Südtirol Panorama Juli | 2010
„Wir hatten das ganze letzte Jahr eine nicht gerechtfertigte Eurostärke …“ Alfred Moser
währungsmäßig am Dollar orientieren. Während also die in Euro zu bezahlenden Personalkosten sinken, steigen die im Dollar-Raum fakturierten Umsätze. Damit sind nicht nur die USA gemeint, sondern all jene Länder, die sich währungsmäßig am Dollar orientieren. „Der US-Dollar hat einen starken Einfluss in Nord- und Südamerika und in den OPECLändern“, meint Perini.
Noch wenige Auswirkungen spürt das 1952 gegründete Unternehmen Schenk Italia in Auer, das mit 300.000 hl Wein zu den führenden Wein-Exporteuren Italiens zählt. 80 Prozent des Weines werden exportiert. Bisher hat der schwache Euro aber noch keine positiven Signale erbracht. „Wir exportieren vor allem in den Euro-Raum, nur 15 Prozent von unseren über 32 Millionen Flaschen Wein gehen in die USA. Unsere wichtigsten Märkte sind nach wie vor Deutschland und England, gefolgt von den Benelux-Staaten, Österreich und Skandinavien“, meint Marco Canal. Positive Signale erwartet er sich für Schenk Italia erst bei einer möglichen Parität mit dem Dollar. „Aber auch hier wird entscheidend sein, wie sich der Weinkonsum in den USA entwickelt. In den letzten drei Jahren war der Markt sehr stabil.“ VORTEILE ÜBERWIEGEN. Auch wenn
zwei Drittel der Südtiroler Exporte in den
„Wir gehen immer auf Nummer sicher und sichern die Währung in viele Richtungen ab“, erklärt Andreas Rogger von der GKN Driveline-Niederlassung in Bruneck
Euro-Raum gehen und nur ein Drittel außerhalb der EU, überwiegen laut Stefan Perini angesichts der derzeit kritischen konjunkturellen Phase Europas die Vorteile. Schnelle zusätzliche Erlöse seien im Export aber nicht drin, allein schon wegen der langfristigen Lieferverträge, die viele Unternehmen hätten. WÄHRUNGSRISIKEN ABSICHERN. Einen
entscheidenden Einfluss hat die Relation Dollar-Euro auf die Firmenperformance der Karl Pedross AG. Der Sockelleisten-
hersteller hat die letzten zwei Jahre einen Rückgang von 20 Prozent hinnehmen müssen. „Insgesamt exportieren wir 90 Prozent unserer Produkte. Davon gehen 80 Prozent in EU-Länder und 20 Prozent in Nicht-EU-Länder, vor allem nach Russland, Mexiko, Argentinien, Kolumbien, Chile und in die USA. Die bessere Wechselkursrelation hilft uns jetzt wettbewerbsfähig zu sein. Denn bislang haben Amerikaner aufgrund des stabilen Yuan verstärkt in China eingekauft. Jetzt hat sich auch dieser verteuert und dies erweist sich als Vorteil für uns“, meint Alfred Moser. Für den Sockelleistenhersteller könnte vor allem auch das stärkere britische Pfund interessant sein, denn rund 15 Prozent des Exports gehen nach Großbritannien. „Wir hatten die letzten Jahre erhebliche Verluste durch das schwache Pfund. Jetzt freut es uns natürlich, dass es gestiegen ist.“ Generell sei das Thema „Währung“ eine zweischneidige Sache, meint Andreas Rogger vom Unternehmen GKN Driveline in Bruneck: „Deshalb sichern wir die Währung in viele Richtungen ab. Im Moment könnte der schwache Euro für uns sicher ein Vorteil sein.“ In mehr als 100 Länder exportiert das Unternehmen, das einen Umsatzeinbruch von 30 Prozent erlitten hat. „Für die nächsten vier Monate haben wir zwar viele wichtige Aufträge erhalten, aber die Situation bleibt sicher noch relativ hart und sehr unsicher.“
Foto: Privat
Foto: Privat
UNTERNEHMER & MÄRKTE
„Der Euro war lange Zeit völlig überbewertet und pendelt sich nun dort ein, wo er eigentlich hingehört“, meint Thomas Brandstätter von der Hans Zipperle AG in Lana
KOSTEN STEIGEN. Da viele Rohstoffe in Dollar gehandelt werden, dreht das gleichzeitig auch die Kostenschraube nach oben. „Wie viel uns die Rohstoffe kosten, hängt von zwei Faktoren ab: vom Ausgangspreis in Dollar und vom Wechselkurs. Aus heutiger Sicht schaut es so aus, dass sich die beiden Faktoren nicht gegenseitig verstärken sollten. Das IFO-Institut München rechnet für 2010 mit einem durchschnittlichen Rohölpreis von 80 US-Dollar pro Barrel, also nur mit einer leichten Steigerung“, meint Stefan Perini vom WIFO. „Auch in Berücksichtigung eines zusätzlichen leichten Wertverlusts des Euro im Verhältnis zum Dollar läge der Rohölpreis immer noch auf einem tragbaren Niveau, das heißt, es würden keine nennenswerten inflationären Tendenzen ausgehen.“
Foto: APA
FAZIT. Noch ist der Euro weit davon ent-
Vom schwachen Eurokurs profitieren im Moment alle Unternehmen, die kostenmäßig im Euro-Raum aufgestellt sind und umsatzmäßig im Dollar-Raum fakturieren
fernt, Probleme zu bereiten. „Eine Panik ist nicht angebracht, ein Hinweis auf bestehende Ungleichgewichte mehr als gerechtfertigt. Der Dollar dürfte in der zweiten Jahreshälfte 2010 zwar noch etwas an Wert gewinnen, sprich der Eurokurs sinken, aber nicht dramatisch. Außerdem lag er seit Einführung schon auf wesentlich niedrigerem Niveau. Unterschiedlich zu früher ist der Grund, der zu diesem Wertverlust geführt hat: Der Vertrauensverlust in den Euro-Raum im Zuge der Griechenlandkrise und die Angst vor einer möglichen Kettenreaktion durch die PIIGSStaaten“, meint Stefan Perini. ◀
Südtirol Panorama Juli | 2010
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UNTERNEHMER & MÄRKTE
Foto: ff-Grafik
Viele Unternehmer können durch Outsourcing von Teilen der Prozesskette Kosten sparen und ihre Leistungsfähigkeit verbessern
Kontrolliert auslagern „Outsourcing“ ist das Modewort in der Wirtschaft – Unternehmen übergeben an externe Dienstleister Jobs, werfen unnötigen Ballast ab und berufen sich auf die eigenen Stärken. Doch nicht immer führt das Auslagern zum erwünschten Erfolg. Wir zeigen, wie Sie Fallen und Stolpersteine umgehen.
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ie Bilanz erstellt der Steuerberater, das Lohnbüro bereitet monatlich die Lohnstreifen der Angestellten vor, der Internetauftritt ist über Webhosting organisiert, das Putzen der Werkshallen erledigt ein Reinigungsunternehmen – der Begriff Outsourcing ist in Südtirol wenig bekannt und doch lagern viele Unternehmen bestimmte Dienstleistungen an andere, meist kleinere Betriebe aus. Das Prinzip Outsourcing ist einfach: Ein Unternehmen spezialisiert sich auf das, was es besonders gut kann, also auf sein Kerngeschäft, und lagert andere Bereiche aus.
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Südtirol Panorama Juli | 2010
VORTEILE: SPEZIALISIERUNG UND KOSTENSENKUNG
NACHTEILE: ABHÄNGIGKEIT UND VERLUST VON KNOW-HOW
▶ Der Outsourcer kann frei werdende Ressourcen in strategisch wichtigeren Bereichen einsetzen. ▶ Ein Subunternehmen kann die Dienstleistung qualitativ hochwertiger und effizienter schaffen. ▶ Das Subunternehmen kann die Tätigkeit kostengünstiger anbieten. ▶ Das Unternehmen muss nicht selbst Infrastrukturen (IT-Anlagen, Büroräume, dafür erforderliches Personal) anschaffen. ▶ Mitarbeiter und Betriebsmittel können effizienter eingesetzt werden.
▶ Abhängigkeit von einer Drittfirma, da meist mittelfristige Verträge geschlossen werden – Ausstiegsszenarien aus diesen Verträgen können sich sehr aufwendig gestalten. ▶ Die Steuerung und Kontrolle der Drittfirma ist weitaus schwieriger als bei unternehmensinternen Prozessen. ▶ Know-how und Fertigkeiten im eigenen Unternehmen können verloren gehen. ▶ Komplizierte Koordination mit dem Drittunternehmen. ▶ Aufwendiges Insourcing im Anschluss.
UNTERNEHMER & MÄRKTE
Outsourcing am Bau
vollziehbar, dass Outsourcing bei ganz speziellen Aufgabenstellungen notwendig ist. Ein konkretes Beispiel: Bei der Renovierung der Festung Franzensfeste mussten Steinmauern geschnitten werden. Um diese Arbeit durchzuführen, braucht man das entsprechende Know-how und die geeigneten Geräte. Wir als Unionbau hatten die Renovierung der Festung als Generalunternehmer über, aber wir verfügten weder über die notwendigen Geräte noch über das Wissen. Diese Arbeit mussten wir daher an ein spezialisiertes Unternehmen weitergeben. Für uns wäre die Anschaffung einer solchen Maschine viel zu teuer, weil sie maximal dreimal im Jahr zum Einsatz käme.“ FRÜHZEITIGE EINBINDUNG DER PARTNER. Das Einbinden von Subunterneh-
men bereits in der Angebotsphase und nicht erst kurz vor der Auftragsausführung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Outsourcings. „Baufirmen ziehen uns immer wieder für bestimmte Spezialanfertigungen, wie Schindeldächer für Neubauten, als Subunternehmer hinzu. Im Bereich der Sanierungen hingegen sind wir meist selbst die Generalunternehmer. Dort ziehen wie Subunternehmer wie Spengler, Steinmetz, Fensterbauer, Verputzer und Maurer hinzu. Und zwar bereits bei der Angebotserstellung und nicht erst in der Auftragsausführung“, so Renate Gamper. Die Inhaberin von Gamperdach in Lana ist also gleichzeitig Subunternehmerin wie Outsourcerin.
REGELMÄSSIGE KOORDINIERUNG. Out-
Foto: Privat
KOSTEN SPAREN. „Es ist für jeden nach-
Indem Subunternehmen bereits bei der Angebotserstellung hinzugezogen werden, gestaltet sich die Zusammenarbeit effizienter und unkomplizierter, da technische Details, mögliche Probleme und Qualitätsniveaus frühzeitig abgeklärt werden können. Änderungen, Nachbesserungen und Zusatzarbeiten werden damit vermieden. Somit wird später auch der Kunde nicht mit unerwarteten Zusatzkosten konfrontiert. „Dies ist auch der Grund, warum wir auf ein kooperatives Outsourcing Wert legen und die reine Weitergabe von Arbeiten ablehnen“, meint die Unternehmerin.
Bei der Sanierung des Bozner Domes hat Gamperdach auf Outsourcing gesetzt
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser
Am häufigsten kommt Outsourcing in Südtirol in der Bauwirtschaft zum Einsatz. Allerdings ist Outsourcing vor allem wegen der Faktoren Zeit und Qualitätsmanagement immer noch negativ behaftet. Das heißt, Arbeitsausführungen von Subunternehmern werden oft nicht gerne gesehen. „Dabei wären sie so notwendig, denn ein Generalunternehmer ist gar nicht in der Lage, alle spezialisierten Tätigkeiten selbst durchzuführen“, sagt Thomas Außerhofer, Präsident des Kollegiums der Bauunternehmer im Unternehmerverband und Inhaber der Firma Unionbau in Sand in Taufers.
Renate Gamper, Inhaberin von Gamperdach
Gamperdach, Lana – Sanierung des Bozner Doms Durch das vertikale und horizontale Outsourcing des Generalunternehmers Gamperdach konnte die Dachsanierung des Bozner Doms in nur vier Monaten anstelle von sechs Monaten realisiert werden. Das Unternehmen aus Lana ist auf die Sanierungen von denkmalgeschützten Bauten und auf die energetische Sanierung von Gebäuden spezialisiert. Das vertikale Outsourcing bestand in der Zusammenarbeit mit zwei anderen Dachdeckerbetrieben, die jeweils ein bis zwei Mitarbeiter vor Ort hatten, die mit den Mitarbeitern von Gamperdach Hand in Hand gearbeitet haben. Gerade diese Zusammenarbeit, die oft aus Konkurrenzgründen gescheut wird, macht es möglich, größere und umfangreichere Aufträge zu erhalten und durchzuführen. Voraussetzung für das Gelingen des Outsourcings sind dabei für Renate Gamper (im Bild) zwei Faktoren: ▶ das Einbinden der Partner bereits in der Angebotsphase, ▶ die faire und kollegiale Zusammenarbeit aller beteiligten Unternehmen
sourcing funktioniert nicht ohne permanentes Beziehungsmanagement. Der Outsourcer muss ständig mit seinem Dienstleister in Kontakt bleiben, um die Einhaltung der Vereinbarungen zu kontrollieren, Probleme frühzeitig zu besprechen sowie aktuelle Anforderungen und Neuerungen in der zukünftigen Zusammenarbeit zu überlegen. „Die eigenen Mitarbeiter müssen immer als Ansprechpartner vor Ort sein, da sie die Philosophie und den Qualitätsanspruch des eigenen Unternehmens kennen“, so Renate Gamper. Die Folgen fehlender Koordinierung können fatal sein: „Beanstandungen oder Haftungsprobleme können nur dann schnell geregelt werden, wenn es eine interne Lösung zwischen General- und Subunternehmen gibt: das heißt, wenn das jeweilige Unternehmen zu seinen Fehlern steht. Dies funktioniert aber meist nur mit Unternehmen, mit denen man öfter zusammenarbeitet, denen man vertraut und mit denen eine faire Zusammenarbeit auch in Bezug auf den ausgehandelten Preis besteht“, sagt Renate Gamper. RICHTIGE PARTNERWAHL. Eine verspä-
tete Übergabe kann der Baufirma teuer zu stehen kommen, begonnen bei den Vertragsstrafen bis hin zum negativen Ansehen und den ausbleibenden Folgeaufträgen. „Je vertrauensvoller, kollegialer und erprobter die Zusammenarbeit zwischen General- und Subunternehmen ist, desto weniger Probleme entstehen“, meint Thomas Außerhofer von der Unionbau.
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IT-Outsourcing
HOSTING. Das technische Outsourcing,
auch Hosting genannt, bei dem es um die technologischen Infrastrukturen wie Server, Netze und Verbindungen geht, ist die häufigste Art von IT-Outsourcing in Südtirol. APPLIKATIONEN-MANAGEMENT. Häu-
fig zum Einsatz kommt Outsourcing auch beim Applikationen-Management. Hier werden betriebswirtschaftliche Softwaresysteme und Storagetechnologien an externe Teams ausgelagert. „Die externe Applikationsentwicklung ist günstiger und qualitativ hochwertiger als eine interne. Denn Unternehmensprozesse werden zunehmend komplexer und interne Teams können die hohen Anforderungen oft nicht mehr selbst bewältigen“, meint Alexander Gallmetzer von Derga Consulting. BUSINESS PROCESS OUTSOURCING.
Beim Business Process Outsourcing übernimmt ein Dritter die Abwicklung der Geschäftsprozesse. So hat die Südtiroler Landesregierung bereits den gesamten Bereich des E-Procurement, das heißt den gesamten Einkauf über Internet ausgelagert. „Sobald der Dienstleister eine Anfrage des Auftraggebers erhält, kann
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und Dienstleistungsanbieter geben“, betont Gallmetzer.
Foto: stock.xchng/svilen001
VERTRAUENSSACHE. Trotz aller Vorteile
Mit IT-Outsourcing kann ein Unternehmen vor allem Kosten einsparen
er den gesamten Einkaufsprozess selbstständig abwickeln. Bei dieser sehr komplexen Art des Outsourcings muss es eine sehr enge Abstimmung zwischen Kunden
Foto: Privat
Auch das IT-Outsourcing kann für ein Unternehmen zahlreiche Vorteile bieten: Neue Technologien und Ressourcen können übernommen werden, qualitativ hochwertige Service- und Dienstleistungen eingekauft, sowie Kosten eingespart werden. „Im Vergleich zu lokalen betriebseigenen Systemen kann der Zugriff auf Anwendungen und ganze ITInfrastrukturen praktisch von überall erfolgen – und zwar ganz ohne Investitionskosten. Die Abrechnung der Nutzung erfolgt nach Bedarf. Durch eine professionelle Verwaltung und Administration des Anbieters werden die Systeme außerdem skalierbarer und ausfallsicher“, so Gabriel Tschöll, Key Account Manager der Datef. „Damit das IT-Outsourcing gelingt, muss im Vorfeld eine genaue Definition erfolgen, wer zu welchem Zeitpunkt was verantwortet und wer die Koordination übernimmt. Dies muss in einem Service Level Agreement festgehalten werden.“
Julia Terzer hat sich für eine Auslagerung des IT-Bereichs entschieden
Terzer GmbH, Neumarkt IT-Outsourcing Anstatt selbst eine eigene EDV-Infrastruktur aufzubauen hat sich der Baustoffhändler Terzer GmbH vor zwei Jahren im Rahmen der Erneuerung des ERP-Systems für eine weitreichende Auslagerung des IT-Bereiches entschieden. Damit hat Terzer das notwendige technische und juristische Know-how in Bezug auf den Datenschutz und die Sicherheit der Systeme von außen „zugekauft“. Die Gründe für die Auslagerung sieht Julia Terzer (im Bild) vor allem in der Kostenersparnis: „Dadurch mussten wir die Räume nicht aufwendig umbauen, um eine Klimaanlage für die Server zu installieren. Weiters konnte ein Mitarbeiter in einer für das Unternehmen strategisch wichtigere Position eingesetzt werden, anstelle sich dauernd um die Wartung der EDV-Infrastruktur zu kümmern.“ „Entscheidend für das gute Gelingen des Outsourcings“, so Julia Terzer, „war die intensive Betreuung des Outsourcing-Prozesses von der Vorbereitung der Entscheidung bis zur Durchführung sechs Monate später.“
bleibt IT-Outsourcing immer auch eine Vertrauenssache, da firmeninterne Prozesse preisgegeben und interne Informationen weitergegeben werden. „Bei großen Anbietern wie IBM, Google und Amazon sind Datensicherheit und Zugriffsrechte nicht immer transparent geregelt“, so Gabriel Tschöll, Datef. Deshalb rät er, Verträge mit professionellen lokalen Anbietern abzuschließen, bei denen der Kunde immer weiß, wer wann Zugriff auf seine Daten hat und wann er einen individuellen Service in Anspruch nehmen kann. Bei der Vertragsgestaltung mit dem Dienstleister rät Alexander Gallmetzer, Experten einzubeziehen. „Die Outsourcing-Verträge enthalten oft Klauseln, die hohe Zusatzkosten mit sich bringen.“ KOMPETENZ BEHALTEN. Doch selbst die besten Verträge können die Kontrolle und das notwendige Beziehungsmanagement durch das Unternehmen nicht ersetzten. Deshalb ist es wichtig, dass der Betrieb, der sich für das Outsourcing entschieden hat, die Kernkompetenz nicht auslagert. „Nur so kann das Auftragsunternehmen den Subunternehmen klare Weisungen geben, die Prozesse und Anforderungen erklären und kompetente Gespräche führen“, erklärt Alexander Gallmetzer. Die Auslagerung von kompletten Geschäftsbereichen birgt also große Gefahren. „Wer komplette Bereiche inklusive Personal auslagert, muss sicherstellen, auch weiterhin auf Augenhöhe mit dem Outsourcer verhandeln zu können.“ IT-KOMPETENZ BEIBEHALTEN. Auch Ju-
lia Terzer kann diese Erfahrung bestätigen: „Trotz Auslagerung unseres IT-Systems ist es notwendig, dass es im Betrieb einen Mitarbeiter mit guten technischen Kenntnissen gibt, der als Schnittstelle zwischen uns und unserem Dienstleister dient. Außerdem sind trimestral stattfindende Koordinierungssitzungen notwendig. Bei diesen sollen regelmäßige Verbesserungen angesprochen werden.“ ◀ EDIT R. MERANER
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Neue Online-Plattform Der Bereich Digitale Technologien des TIS innovation park stellt seine neue Online-Plattform für Unternehmer vor. Gefördert wurde diese Plattform vom Europäischen Sozialfonds. nehmer. „Ziel des Projekts ist es, den Südtiroler Unternehmern dabei zu helfen, die eigenen Ideen nicht versanden zu lassen“, so Patrick Ohnewein, Verantwortlicher des Free Software Center South Tyrol® des Bereichs Digitale Technologien und ergänzt, „oft haben Unternehmer nämlich interessante innovative Ideen, schaffen es aber nicht, diese in konkrete Pläne umzuwandeln.“ INNOVATIVE IDEEN ERKENNEN. Eine
Foto: TIS/A.Filz
innovative Idee muss aber klar identifizierbar sein, es müssen in erster Linie die wesentlichen Punkte schwarz auf weiß festgehalten werden. In einem ersten Schritt soll also die Idee genau definiert werden, dadurch kann verhindert werden, dass Zeit, Geld und Energie unnötig verschwendet werden. Dann müssen interessierte Partner ausfindig gemacht und ein Budget definiert werden.
Patrick Ohnewein, Verantwortlicher des Free Software Center South Tyrol® des Bereichs Digitale Technologien im TIS innovation park
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m gute Ideen nicht versanden zu lassen, hat der Bereich Digitale Technologien des TIS innovation park ein neues Projekt durchgeführt. Es trägt den Namen: „Free Software Laboratories – Entwicklung eines Modells zur Gründung von Exzellenzzentren im Bereich der Freien Software (2/249/2008)“.
Finanziert wurde das zukunftsweisende Projekt vom Europäischen Sozialfonds.
INNOVATIVE IDEEN UMSETZEN. Der Bereich Digitale Technologien unterstützt Unternehmer in dieser ersten theoretischen Phase: Die neu entwickelte Online-Plattform hilft, die Ideen klar zu formulieren. Die Plattform enthält nützliche Informationen wie etwa eine Liste relevanter Finanzierungsquellen, eine Beschreibung der bereits in die Praxis umgesetzten Best-Practice-Fälle und eine Vorlage, in die Unternehmer ihre eigenen innovativen Ideen einfügen können. Alle Tools dieser Plattform helfen Unternehmern, ihre innovativen Ideen zu konkretisieren und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Ankurbelung von Innovationen. ◀
infobox
TIS innovation park FREE SOFTWARE LAB. Das Projekt wurde
erstmals im Rahmen des Seminars „Von der Idee zum innovativen Projekt“ am 17. Juni im TIS präsentiert. Das Free Software Lab ist eine Online-Plattform für Unter-
Bereich Digitale Technologien Siemensstr. 19 39100 Bozen info.digital@tis.bz.it www.tis.bz.it
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Sofa-Shopping boomt Mit Matratzenverkauf im Direktvertrieb generiert das österreichische Unternehmen Wenatex auch in Südtirol Millionenumsätze. Über den Erfolg möchte dennoch niemand sprechen. In einem Selbstversuch wagt Autorin Martha Aurich einen Blick hinter die Kulissen.
Foto: Alexander Alber
Das Unternehmen Wenatex Italia GmbH in Brixen: In Sachen Direktvertrieb macht die österreichische Niederlassung die südtirolweit höchsten Umsätze
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SATTE UMSÄTZE MIT MATRATZEN. Zum
Beispiel der Bettenhersteller Wenatex mit Hauptsitz in Salzburg. Gegründet wurde das Unternehmen von Hans Gerd Wernicke und seiner Frau Sonja. Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit über 1400 Mitarbeiter. Insgesamt elf Niederlassungen hat Wenatex auch in Italien, darunter eine in Brixen. Das Geschäft floriert hier in Italien: Auf Platz Nummer 116 lag die Brixner Niederlassung im Ranking der Top-250Unternehmen, ermittelt von Südtirol Panorama im September 2009. Insgesamt 30,3 Millionen Euro, so viel hat der Umsatz der italienischen Niederlassung betragen. KEINE INTERVIEWS. Diese Umsätze spre-
chen für einen Boom des Direktvertriebs auch in Südtirol. Erklären kann uns diesen Boom niemand: Weder die Geschäftsführung in Salzburg noch jene Brixen. Harald Wohlfahrt, der seit Kurzem die Geschäfte in Brixen führt, lässt über seine Sekretärin am Hauptsitz in Salzburg lediglich ausrichten, dass „das Unternehmen im Moment weder Lust noch Zeit habe, ein Interrview zu geben.“ Bereits vor einem Jahr wurden Interview-Anfragen beim früheren Brixner Geschäftsführer, Herrn Mali, stets mit einem lapidaren „kein Interesse“ abgewiesen. Wie man die durchaus respektablen Umsätze
Fotos: xxxxxxxxxxxxxxx
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gal ob Tupper-Party, Avon-Beratung oder Vorwerk-Staubsauger-Vorführung, das Prinzip des Direktverkaufs ist immer das gleiche: In lockerer, privater Atmosphäre versuchen Firmen, Produkte direkt an den Mann, öfter jedoch an die Frau zu bringen, ohne den Umweg über den Handel zu suchen. Man scherzt und plaudert und erfährt wie nebenbei etwas über Produkte, die es in keinem Laden zu kaufen gibt. Dinge, die entweder besonders beratungsintensiv oder ausgesprochen teuer sind. Gerne auch alles gleichzeitig. Ein Absatzkonzept, das funktioniert – immerhin werden einer Studie zufolge im Direktvertrieb in Deutschland jährlich rund acht Milliarden Euro umgesetzt. Zuweilen mit zweifelhaften Mitteln. In der Vergangenheit wurde deshalb oft von Drückermethoden bei Haustürgeschäften gesprochen. Mittlerweile sind auch die Direktvermarkter, zumindest die seriöseren, in Verbänden zusammengeschlossen und haben sich einen Verhaltenskodex auferlegt. In die Karten schauen lassen sich manche dennoch nicht gerne.
Christina, die Verkäuferin von Wenatex, gibt im Wohnzimmer von Martha Aurich Schauergeschichten preis, was mit unseren Bandscheiben nächtens so alles passieren könne. Zur Bettenparty musste Martha Aurich sechs „kaufwilligen Gäste“ finden
und erstaunlichen Zuwachsraten erwirtschaftet, will man nicht verraten. Es macht aber umso neugieriger. Was ist dran, an dem Produkt, das trotz hoher Preise weggeht wie warme Semmeln? Ein Selbstversuch wird diese Frage klären. PLASTIKSKELETT. Es ist Dienstag, kurz
vor 20 Uhr. Bis zu dem Moment als es an der Tür klingelt, sind wir uns nicht sicher, ob die „Wenatex-Schlafberatung“ in Italienisch oder Deutsch abgehalten werden wird, schließlich waren alle Unterlagen und Telefongespräche italienisch. Wie sich schnell herausstellt, spricht Christina nicht italienisch sondern schwäbisch. Eine halbe Stunde vor Beginn der Bettenparty zerrt sie ihr Verkaufsequipement aus dem Kleinwagen und funktioniert unser Wohnzimmer in Windeseile in ein veritables Bettenstudio um. Als Gastgeber erhalten wir zunächst die versprochene Bettdecke als Prämie für das Ausrichten der Party und das Zusammensuchen von sechs „Kaufwilligen“. Christina kennt inzwischen alle unsere Vornamen auswendig und wir befinden
uns bereits mitten in einem Grundlehrgang über gesunden Schlaf, Hausstaubmilben, Bandscheiben und die therapeutische Wirkung von Silber. Elektronenmikroskopaufnahmen von Milben und anderen Hausmonstern machen die Runde. Die Wirbelsäule von Otto, dem Skelett, das während meiner Schulzeit im Lehrmittelzimmer wohnte, liegt nun auf einem Stapel Kissen und Überbetten. Der kindliche Schauer will sich allerdings nicht einstellen, auch wenn uns Christina Schauergeschichten darüber erzählt, was mit unseren Bandscheiben nächtens so alles passieren könne und sich zur plastischen Anschauung synchron dazu verbiegt. KOTBEUTEL. Wir würden auf einem Sack
aus Milbenkot schlafen und sie hätte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, im Schlaflabor von Wenatex die aufgeschnittene Matratze eines Mitbewerbers gesehen zu haben – versifft, schauerlich und einfach ekelerregend! Karl, original Südtiroler Hausverkäufer der konkurrierenden Firma Orthotex aus Wals
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UNTERNEHMER & MÄRKTE in Österreich, wird sich eine Woche später bei einer Bettenparty unserer Nachbarn in die Aussage versteigen, man habe die aufgeschnittene Matratze zusammen mit dem firmeneigenen Virologen inspiziert. Karl und Christina greifen im Kampf für den gesunden Schlaf und um die Brieftasche der Schläfer tief in die Trickkiste und kommen auch auf das Beispiel des Strohsacks zurück: Schmutzig sei sie gewesen die alte Zeit – Beulenpest und Flohbisse, pfui Spinne, aber man habe den alles andere als aseptischen Strohsack zumindest jedes Jahr gewechselt. Während man heute – die Frage geht in die Runde – seinen heimischen Flohzirkus höchstens alle 10 Jahre austausche. Igitt, das geht natürlich gar nicht! Fünf Jahre, dann müsse der Hauszoo, höchste Eisenbahn, aus dem Bettgestell, tönt es unisono. Nur, oh Wunder, das eigene Produkt macht da eine Ausnahme: 20, 25 Jahre seien dank Quallofil, G-Loft und Lyocell durchaus drin, natürlich auch um den gehobenen Anschaffungspreis zu amortisieren.
es mit dem steten Singsang eines Märchenonkels schafft, die auf dem Arm sitzende Tochter in den Schlaf zu lullen, geht Christina über die volle Distanz und rückt dem selbst aufgebauten Drohszenario wortge-
gig von Körpergewicht oder Größe dem Schläfer anpasst – hergestellt mithilfe von Nanotechnologie einer 20 Millionen Euro teuren Maschine, von denen es nur drei auf der ganzen Welt gibt“, versichert uns Christina. Uns schwirrt der Kopf.
„Antibakteriell, antimikrobiell, antistatisch, antiallergisch …“
FREUNDLICHER RÜCKZUG. Der Höhe-
waltig mit den Waffen der modernen Textilindustrie zu Leibe – diese Frau liebt ihren Job! ZAUBERWORT HEISST SILBERMED. „An-
ALPENKRÄUTER UND SILBER. Den nennt
Karl nach einer halben Stunde: 3.990 Euro für zweimal Lattenrost, Matratze und Oberbett und Kissen. Christina braucht eine satte Stunde länger, um die Zahl 3.792 für zwei Lattenroste inkl. Matratze auf den Angebotsvordruck zu schreiben. Bei sofortiger Bestellung wäre allerdings noch ein Skonto von fast 600 Euro drin. Man möchte einwilligen, schon alleine um zum Ende der Veranstaltung zu kommen. Während Karl
tibakteriell und keimhemmend, antimikrobiell, antistatisch, antiallergisch, klimaregulierend und atmungsaktiv – für Babys sehr empfohlen“, verspricht die Werbebroschüre. „Die goldenen Contact-Pads des Wenaflex“ – früher sagte man Lattenrost dazu – die „Alpenkräuter-Regenerationseinlage“, empfohlen von „TV-Gesundheitsexperten Prof. Hademar Bankhofer“ und schließlich der Matratzenkern „in der einzigartigen Bachmurmelform, der sich unabhän-
punkt des Abends soll das Probeliegen sein, aber da sind wir eigentlich schon viel zu müde und wollen lieber ins eigene, milbenverseuchte, viel zu harte, aber eben angenehm vertraute Bett. Mit uns ist heute kein Geschäft zu machen, das ist inzwischen auch Christina klar. Sie räumt zwar etwas enttäuscht, aber weiterhin freundlich das Feld. Kein Anflug von Aufdringlichkeit, kein Druck auf die Gastgeber, kein „Sie glauben ja wohl nicht, dass ich hier herkomme und nichts verdiene. Das geht so definitiv nicht! Ich muss auch leben! Also, was wollen Sie bestellen?“, wie wir vorab in Internet-Foren gelesen hatten. Ob die Matratzen auch nur annähernd halten, was so vollmundig versprochen wird, lässt sich innerhalb eines Abends nicht feststellen. Schade auch, dass sich nirgends ein unabhängiger Test finden lässt, aber beim Direktvertrieb soll ja vor allem der eigene Eindruck vom Produkt überzeugen – und das Verkaufsgeschick des Vertreters natürlich. Beides hätte an diesem Abend sicher gepasst, einzig der Preis hat uns abgeschreckt, aber vielleicht erinnern wir uns ja nach dem ersten Bandscheibenvorfall an Christinas Warnungen. ◀ MARTHA AURICH
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Mit innovativem Private Banking auf Erfolgskurs Vor rund einem Monat feierte die Hypo Tirol Bank Italien ihr einjähriges Bestehen. Als spezialisierte Nischenbank agiert die Bank in den Bereichen gehobene Vermögensverwaltung sowie Immobilienfinanzierung und -leasing und nimmt in Südtirol im Bezug auf das Kundenvolumen, nach Sparkasse und Volksbank, bereits den dritten Platz ein.
Foto: Alexander Alber
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n ihrem ersten Jahr konzentrierte sich die Hypo Tirol vorwiegend auf den Bereich Private Banking und setzte auf maßgeschneiderte, persönliche Lösungen zur Vermögensoptimierung. So konnte die Bank in diesem kurzen Zeitraum, auch dank dem kürzlichen Steuerschutzschild Scudo Fiscale, ihr Einlagengeschäft um rund 30 Prozent steigern. Seit ihrer Umwandlung wurde zudem verstärkt in die Qualität investiert: „Um die Vermögenswerte unserer Anleger optimal zu verwalten, setzen wir noch stärker auf die hohe Kompetenz unserer Privatkundenberater, die größtenteils alle die Zertifizierung European Financial Advisor aufweisen sowie auf Erfolg versprechende Anlageformen durch innovative Strategien und Risikokontrollen. Hierbei sind vor allem unser Service der Depot-Analyse und die Investmentlinie Save Dynamic hervorzuheben“, so FranzJosef Mayrhofer, Vorstandsvorsitzender der Bank. Diese dynamische Linie gilt als eines der Steckenpferde der Hypo Tirol Bank Italien. Während der Internet-Blase 2002 wie auch im Jahr 2008 konnte die Vermögensverwaltung das Aktienvermögen der Anleger erfolgreich sichern. In den positiven Marktphasen von 2003 bis 2006 wie auch 2009 und 2010 sogar mit Erfolg vermehren. Die Hypo Tirol Bank Italien will ihre Position in der gehobenen Vermögensverwaltung auch zukünftig ausbauen: „Wir setzten auch weiterhin auf die Qualität unserer Anlageprodukte sowie die Professionalität unserer Private Banker. Uns ist eine unabhängige und aufrichtige Finanzberatung ein Anliegen, basierend auf individuellen Investitionsangeboten, abgestimmt auf die wirklichen Bedürfnisse der Anleger“, erklärt Mayrhofer. Für 2010 steht des Weiteren der Umzug in den neuen Verwaltungssitz im City Tower in Bozen an. ◀
Franz-Josef Mayrhofer, Vorstandsvorsitzender der Hypo Tirol Bank Italien
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Zittern im elitären Netz
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Es ist ein lukrativer Nebenjob – jener der Aufsichtsräte. Wie lange noch, wird sich zeigen. Seit April gilt auch in Italien die EU-Richtlinie 2006/43/EG – umgesetzt so scharf wie in keinem anderen EULand. Südtirol Panorama zeigt, warum Aufsichtsräte nun um ihr Vermögen bangen müssen.
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AUFSICHTSRÄTE FÜRCHTEN UM VERMÖGEN. In Zukunft könnten sich solche
Verurteilungen häufen. Italiens Aufsichtsräte sind in Alarmbereitschaft. Sie fürchten um ihr Vermögen, aber auch um ihre berufliche Zukunft. Sie stellen sich die Frage, wie sinnvoll es überhaupt noch ist, die Kontrollfunktion von Gesellschaften zu übernehmen.
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er Fall Masten dürfte vielen noch in guter Erinnerung sein. Im August 2001 musste das MastenImperium (Masten Service, Color Service und Farben Masten GmbH) beim Landesgericht Bozen Konkurs anmelden. Geschäftsführer Christian Masten wurde betrügerischer Bankrott vorgeworfen, er hat einem gerichtlichen Vergleich über zwei Jahre bedingter Haft zugestimmt. Zur Rechenschaft wurde aber nicht nur er selbst, sondern auch die Aufsichtsräte seiner Unternehmen gezogen. Beihilfe zur Unterlassung, so lautete damals die Anklage. Sie mussten büßen: Ivo Senoner und Renato Nesticó, zwei der drei Aufsichtsräte, wurden zu einer Geldstrafe von je 18.000 Euro verurteilt.
Im Fall Christian Masten wurden auch die Aufsichtsräte zur Verantwortung gezogen
Denn seit April dieses Jahres ist die EURichtlinie 2006/43/EG, kurz Euro-Sox genannt, auch in Italien Gesetz. Umgesetzt wurde sie mit der Ermächtigungsverordnung Nr. 39/2010. Drei Jahre nach Deutschland, zwei Jahre nach Österreich. „Wie so oft in Italien, werden EU-Richtlinien spät, dafür umso schärfer umgesetzt“, meint der
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Wer braucht einen AR?
Wie wird man zum AR?
Wie viel verdient ein AR?
Alle Aktiengesellschaften und alle Gmbh mit einem Stammkapital ab 120.000 Euro. Bei geringerem Kapital ist die Einrichtung eines „Collegio Sindacale“ nur dann notwendig, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zwei der nachfolgenden drei Kriterien vom Unternehmen überschritten werden: ▶ eine Bilanzsumme von 3,125 Millionen Euro ▶ einen Umsatz von 6,25 Millionen Euro ▶ eine Beschäftigung von 50 Arbeitnehmern Das Kollegium besteht aus drei Mitgliedern sowie zwei Ersatzmitgliedern. Sie müssen in das Register der Wirtschaftsprüfer eingetragen sein. „Vor allem für kleinere Unternehmen ist ein Collegio Sindacale sehr kostspielig“, meint Peter Gliera.
Der Collegio Sindacale unterscheidet sich sowohl in der Bestellung und Zusammensetzung als auch in seinen Funktionen wesentlich vom deutschen Aufsichtsrat, dem auch die Bestellung der Verwalter und Geschäftsführer obliegt. In Italien hat der Aufsichtsrat (collegio sindacale) zwei Funktionen: ▶ Überwachung der Geschäftstätigkeit (controllo di vigilanza) ▶ Rechnungsprüfung (controllo legale) Übergeordnete Aufgabe des Aufsichtsrates ist es, die Geschäftsführung zu überwachen und dabei treuhänderisch die Interessen des Unternehmens und seiner Anteilseigner zu wahren. Ende 1996 waren in Italien noch 70.156 Personen als Aufsichtsräte tätig, 2009 waren es bereits 146.000.
Im Artikel 37 des Staatsgesetzes ist die Tarifordnung festgesetzt: ▶ Kosten für die vierteljährlichen Kontrollen: von 500 bis 4000 Euro im Jahr, gestaffelt nach Umsatz des Unternehmens ▶ Kosten für die Bilanzkontrolle am Anfang oder Ende des Jahres: von 500 bis 3000 Euro je nach Reinvermögen des Unternehmens. Ab einem Reinvermögen von 10 Millionen Euro erhöhen sich die Kosten um 500 Euro pro 5 Millionen Euro Reinvermögen. ▶ Kosten für außerordentliche Sitzungen: Pauschale von 60 bis 100 Euro. Der Präsident des Collegio Sindacale erhält einen Aufschlag von 50 Prozent.
„Wie so oft in Italien, werden EU-Richtlinien spät, aber scharf umgesetzt …“
Bozner Wirtschaftsprüfer Richard Burchia. Erlassen wurde die EU-Richtlinie, um zu gewährleisten, dass sich Investoren und andere interessierte Kreise voll und ganz auf die Korrektheit der geprüften Unternehmensabschlüsse verlassen können. Damit will sich die EU gegen Unternehmensskandale wie Parmalat wappnen. DIE ROLLE DES RECHNUNGSPRÜFERS.
Härtere Zeiten kommen damit vor allem auf jene Aufsichtsräte zu, die auch die Rechnungsprüfung innehaben. Denn seit der Reform des Gesellschaftsrechts im Jahre 2004 hat in Italien der Aufsichtsrat (collegio sindacale) zwei Funktionen: ▶ Überwachung der Geschäftstätigkeit (controllo di vigilanza): Die Aufgabe besteht darin, den Verwaltungsrat und die Geschäftsführung eines Unternehmens zu überprüfen. Das heißt auch, die Organisation eines Unternehmens auf Fehler aufmerksam zu machen, oder der Geschäftsleitung strategisch zur Seite zu stehen.
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Richard Burchia
Peter Gliera, Bozen Der bekannte Bozner Wirtschafts- und Steuerberater ist im Jahre 2003 in die Schlagzeilen geraten. Peter Gliera wurde damals vorgeworfen, die Transparenzregeln der Kompatibilität missachtet zu haben. Ihm wurde zur Last gelegt, in vier Firmen, die sein Studio Gliera als Wirtschaftsberater betreut hat, selbst auch als Rechnungsprüfer im Aufsichtsrat zu sein. Vom Justizministerium wurde er in der Folge für zwei Monate aus dem nationalen Register der Rechnungsprüfer gestrichen. Damit hat er genauso wie sein Amtskollege Heinz Peter Senoner für einen Präzedenzfall in Italien gesorgt. „Das Urteil hatte die unangenehme Zusatzfolge, dass ich sofort alle meine Mandate in Aufsichtsräten zurücklegen musste. Das war schon heftig und äußerst unangenehm“, so Gliera. Mittlerweile ist Gliera wieder rehabilitiert: Er ist er unter anderem Präsident des Collegio Sindacale der Südtiroler Sparkasse, Verlagsanstalt Athesia, Business Location Südtirol oder Technicon.
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„Risikofrei war unser Job noch nie“ Die beiden Aufsichtsräte Günther Schacher und Richard Burchia von der Kanzlei Hager & Partners erhoffen sich von der neuen Verordnung Klarheit im „momentan rechtsfreien Raum“. Warum, erklären sie im Interview.
Günther Schacher
SÜDTIROL PANORAMA: Seit April gilt auch in Italien die EU-Richtlinie 2006/43/EG. Kommen auf Aufsichtsräte damit härtere Zeiten zu? GÜNTHER SCHACHER: Risikofrei war
unser Job als Aufsichtsrat noch nie. Das heißt, es hat auch die Jahre zuvor ein Haftungsrisiko gegeben. Neu ist aber das schärfere Ausmaß der Verwaltungsstrafen und der strafrechtlichen Ahndung. Damit können Rechnungsprüfer, in vielen Südtiroler Unternehmen sind das die Aufsichtsräte selbst, uneingeschränkt zur Rechenschaft gezogen werden – und zwar mit dem gesamten privaten Vermögen. Eine so scharfe Regelung ohne begrenzte Haftung wie in Italien gibt es nur in wenigen anderen EU-Ländern. Das höhere Risiko wird sich auch auf das Honorar der Rechnungsprüfer auswirken müssen. Immer wieder kommt es vor, dass die Prüfung und die Beratung von Unternehmen von ein und derselben Kanzlei ausgeführt werden. Gibt es jetzt auch
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finden wir uns im rechtsfreien Raum. Ein fiktives Beispiel: Günther und ich teilen uns ein Büro, er ist einer der drei Rechnungsprüfer des Kunden XY, ich bin der Steuerberater desselbigen Unternehmens. Insgesamt erzielt unser Büro einen Umsatz von einer Millionen Euro, wobei der Umsatz allein dieses Kunden XY 200.000 Euro ausmacht. Gemäß einer Empfehlung der Vereinigung der italienischen Steuerberater aus dem Jahre 2005 hätten wir in diesem Fall ein Problem der Unabhängigkeit, weil der Kunde mehr als 15 Prozent unseres Umsatzes ausmachen würde und Günther als Aufsichtsrat ein Problem haben könnte, unangenehme Dinge bei der Prüfung zu protokollieren. Klarheit aufgrund der neuen Ermächtigungsverordnung gibt es noch nicht. Hierfür fehlen noch die notwendigen Durchführungsbestimmungen. Ist Ihnen dieser Interessenkonflikt bereits einmal zur Last gelegt worden? RICHARD BURCHIA: Nein, bisher
nicht. Außerdem wird wohl kaum ein Aufsichtsrat das Risiko eingehen, all das aufs Spiel zu setzten, was er sich im Laufe des Lebens erarbeitet hat. Zumal die Entlohnung eines Rechnungsprüfers in den wenigsten Fällen fünfstellig oder dem potenziellen Risiko angemessen ausfällt. GÜNTHER SCHACHER: Unserer gesamten Berufskategorie wäre es sehr recht, wenn es endlich klare und im Vorfeld festgelegte Spielregeln gäbe und wir wüssten, woran wir sind. Sie sind gleich in mehreren Unternehmen als Aufsichtsrat tätig. Wie schafft man es zeitlich, in so vielen Aufsichtsräten zu sitzen? GÜNTHER SCHACHER: Der Zeitauf-
wand und die Intensität hängen im Wesentlichen von der Größe des Un-
Foto: Alexander Alber
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eine Verschärfung für diesen oft kritisierten Interessenkonflikt? RICHARD BURCHIA: Im Moment be-
Richard Burchia
ternehmens ab, aber auch von dessen Tätigkeit und der jeweiligen Branchenzugehörigkeit. So kann man sicher sagen, dass die Prüfung einer Bank zeitintensiver ist als jene eines kleineren Unternehmens, wo das Risiko einfach überschaubarer ist. Weiters sehen die gesetzlichen Bestimmungen explizit vor, dass für bestimmte Prüfungstätigkeiten Mitarbeiter beauftragt werden können und somit ein relevanter Teil der operativen Prüfung delegiert werden kann. Zwingt das neue Gesetz auch mittelständische Unternehmen zu professionelleren Kontrollstrukturen? RICHARD BURCHIA: Es zwingt si-
cher zum Aufbau angemessener Kontrollstrukturen und trägt zur Professionalisierung bei. Für uns Aufsichtsräte ist die Schaffung von internen Kontrollstrukturen nur von Vorteil. Unternehmen lernen ihre Risiken besser abzuschätzen und ihre Kontrollinstanzen rechtzeitig einzubauen, damit es erst gar nicht zu Problemsituationen ◀ kommt.
UNTERNEHMER & MÄRKTE ▶ Rechnungsprüfung (controllo legale, bis vor Kurzem controllo contabile): Die Rechnungsprüfung muss mit der neuen Ermächtigungsverordnung nach den strengen Prinzipien einer Revisionsgesellschaft ausgeführt werden. Das heißt, künftig reicht es nicht mehr aus, nur Protokoll zu führen, sondern es müssen von Banken oder Lieferanten auch Bestätigungen eingeholt werden, dass das Risiko abdeckt ist. Diese Dokumentation wird mindestens alle sechs Jahre von der lokalen oder von der römischen Kammer überprüft. Banken und Gesellschaften öffentlichen Interesses werden alle drei Jahre überprüft.
te Funktion, also die Rechnungsprüfung, innehaben. Jene Aufsichtsräte, welche die Gesellschaft nur überwachen, sind von der strengeren Regelung vorerst ausgeschlossen. Auf die Rechnungsprüfer dagegen kommen harte Zeiten zu: Sie haften ab sofort mit ihrem privaten Vermögen – und zwar uneingeschränkt. Im Extremfall kann es zur Streichung aus dem Verzeichnis der Wirtschaftsprüfer kommen. Damit verlieren die Betroffenen ihre Berufserlaubnis. Sollte es also zu Fehlverhalten oder zu Unterlassungen kommen, dann haften sie solidarisch mit dem Verwaltungsrat für
eventuelle Schäden, die den Gesellschaftern oder Dritten entstanden sind. „Ein Rechnungsprüfer hat die Aufgabe, die Zahlen zu durchleuchten. Wenn etwa der Controller einer Gesellschaft von 500.000 Euro Kundenforderungen spricht, dann muss der Rechnungsprüfer überprüfen, ob dies der Wahrheit entspricht. Denn sollte die Firma irgendwann mal vor dem Konkurs stehen, so wird der Rechnungsprüfer beschuldigt, eine Bilanz geprüft zu haben, die nicht den reellen Wert wiedergibt“, versucht Richard Moser dieses komplexe Thema verständlich wiederzugeben.
Ein Aufsichtsrat kann entweder nur die Überwachungstätigkeit oder nur die Rechnungsprüfung übernehmen. Er kann aber auch beide Funktionen ausüben. „In kleineren oder mittleren Südtiroler Unternehmen ist es eigentlich die
„Wie so oft in Italien werden EU-Richtlinien spät, aber scharf umgesetzt …“
Regel, dass der Aufsichtsrat beide Funktionen übernimmt. Gesellschaften, die zum Konzernabschluss verpflichtet sind,von öffentlichem Interesse sind oder der Consob-Regelung unterliegen – wie Banken oder Versicherungen – müssen zusätzlich eine externe Revisionsgesellschaft beauftragen“, erklärt der Bozner Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsrat Richard Moser. Ein Beispiel: GKN Sinters in Bruneck, ein Unternehmen mit Konzernabschluss, hat die Revisionsgesellschaft Pricewaterhousecoopers beauftragt. EUROPAWEIT HÄRTESTE STRAFEN. Die
neue Ermächtigungsverordnung trifft nur jene Aufsichtsräte, die auch die zwei-
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Richard Burchia
Armin Hilpold, Bozen Gerademal 33 Jahre alt ist der Meraner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Armin Hilpold. Er ist Junior-Partner der Kanzlei „Bureau Plattner“ in Bozen und einer der wenigen jungen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der den Sprung in das Old-Boys-Netzwerk geschafft hat. Er ist Präsident des Aufsichtsrates der Etschwerke Netz AG und sitzt unter anderem in den Aufsichtsräten der Pan Tiefkühlprodukte GmbH und der Adriacell AG, eines Biotech-Startup in Triest. „Die Anfragen kamen vorwiegend über Kontakte der Kanzlei zustande. Mir fällt aber auch auf, dass Unternehmen, in denen ein Generationswechsel stattfindet, gerne auf junge und dynamische Aufsichtsräte zurückgreifen“, meint Armin Hilpold. Von Vorteil seien aber auch seine vielseitigen Berufserfahrungen im Ausland gewesen: Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater hat unter anderem zwei Jahre für die Investmentbank Lehman Brothers in London gearbeitet.
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„Es ist eine ehrenvolle Aufgabe“ Kein anderer Südtiroler Rechtsanwalt sitzt in so vielen Aufsichtsräten wie Gerhard Brandstätter. Damit ist er ein prominenter Quereinsteiger. Im Interview spricht er offen über die Risiken.
GERHARD BRANDSTÄTTER: Ich glaube, dass eine Gesellschaft sehr gut beraten ist, wenn im Aufsichtsrat auch ein Jurist vertreten ist, der rechtliche Aspekte aufzeigen und abwägen kann. Allerdings gibt es in Südtirol nur sehr wenige Juristen, die im entsprechenden Berufsalbum eingetragen sind und damit die Voraussetzung für die Abschlussprüfertätigkeit haben. Ich habe seit 1991 die Eintragung als Rechnungsrevisor. Damals habe ich als Rechtsanwalt Bilanzkurse absolviert und mich wirtschaftsrechtlich aus- und fortgebildet. Ich rate den jungen Anwälten immer diese Ausbildung zu absolvieren, denn die Tätigkeit öffnet für einen Juristen den Blickwinkel für betriebswirtschaftliche und finanzrechtliche Themen, auch wenn das Mandat mit sehr viel Vorsicht und Gewissenhaftigkeit auszuüben ist, da es auch Risiken birgt. Die neue Ermächtigungsverordnung Nr. 39/2010 sieht strafrechtliche Haftungen vor – müssen Aufsichtsräte jetzt Gefängnisstrafen befürchten?
Generell ist zu sagen, dass die Haftung bei Mandatsverletzungen ja bereits seit 1995 festgeschrieben war, allerdings waren die Formulierungen bis jetzt allgemeiner. Wenn ein Aufsichtsrat etwa Unregelmäßigkeiten in der Gesellschaft nicht wahrgenommen hatte, so konnte er bereits vorher zur Verantwortung und Haftung gerufen oder sogar ersetzt werden. Jetzt wurden die Haftungen verschärft und es ist vor allem auch eine betontere, aufsichtsrechtliche und strafrechtliche Verantwortung der Abschlussprüfer vorgesehen. Zahlt es sich überhaupt noch aus, als Aufsichtsrat tätig zu sein?
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Fotos: Alexander Alber
SÜDTIROL PANORAMA: Die meisten Südtiroler Aufsichtsräte sind Wirtschaftsprüfer, Sie dagegen ein Rechtsanwalt. Werden Quereinsteiger von anderen Aufsichtsräten gern gesehen?
„Die Vergütungen sind dem Aufwand entsprechend nicht unbedingt hoch …“ Gerhard Brandstätter
Es ist natürlich immer auch ehrenvoll und interessant, wenn man von einer Gesellschaft gebeten wird, ein Aufsichtsratsmandat auszuüben und es besteht natürlich ein erheblicher Unterschied, ob neben der Aufsichtsratstätigkeit auch die Aufgabe der Abschlussprüfung übertragen wird. Aber grundsätzlich stellt man sich sehr wohl manchmal die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Denn die Vergütungen sind dem Aufwand entsprechend nicht unbedingt hoch und man geht immer ein gewisses
Risiko ein. Auch wenn man im guten Glauben und mit Einsatz arbeitet, ist es oft unmöglich, einen hundertprozentigen Überblick über eine Gesellschaft zu haben. Es hat auch in meiner fast 30jährigen Tätigkeit als Aufsichtsrat ab und zu belastende Situationen gegeben, in denen man in der Gesellschaft besonders gefordert und besorgt war. Bleiben wir kurz beim Thema Entgelt. Wie stark schwanken die Vergütungen zwischen den einzelnen Mandaten?
Das Entgelt hängt sehr stark davon ab, ob man für ein kleines oder für ein großes Unternehmen im Aufsichtsrat sitzt. Je größer der Betrieb, umso mehr ist man in der Regel gefordert und umso schwieriger wird es auch, den Überblick zu behalten. Entsprechend höher ist aber auch das Entgelt, gemessen am Gesellschaftskapital. Ich selbst habe in letzter Zeit mehrere Anfragen abgelehnt, weil ich als Anwalt nicht mehr als eine gewisse Anzahl von Mandaten betreuen kann und will. Dennoch bleibt es für mich eine interessante Aufgabe, weil man vielseitige Problematiken aus
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AUFSICHTSRÄTE IMMER ÖFTER VOR GERICHT. In Italien könnten künftig die
Rechtsanwalt Gerhard Brandstätter ist unter anderem Präsident des Collegio Sindacale der Torggler AG, der Schweitzer Project AG oder der FRI-EL AG
Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun; die Stiftung Südtiroler Sparkasse ist eine privatrechtliche Stiftung, die rein philanthropische Ziele verfolgt, aber auch Mehrheitsaktionär der Südtiroler Sparkasse ist. Die Südtirol Bank war bis vor Kurzem eine Sim und ist auch heute als kleine Bank dort stark angesiedelt. Ich führe dort seit Langem die rein technische Aufsichtsratsfunktion aus, auch weil der Hauptaktionär mich als Jugendfreund und ob meines beruflichen Werdeganges darum gebeten hatte.
einem anderen Blickwinkel verfolgen kann und auch verstehen lernt. Sie üben mehrere Aufsichtsratsmandate aus. Unter anderem sind Sie seit Kurzem Präsident des Collegio Sindacale der HAKA AG, zu der unter anderem das Unternehmen Duka zählt. Wie hoch ist hier der Zeitaufwand?
Jedes Mandat ist relativ zeitaufwendig. Schließlich ist man neben den Trimesterkontrollen auch so oft wie möglich bei den Verwaltungsratssitzungen und Gesellschafterversammlungen anwesend und führt in manchen Fällen noch separate Kontrollen durch. Das Mandat bei der Gesellschaft HAKA habe ich angenommen, weil ich die Gesellschaft und auch den Unternehmer sehr gut kenne und auch schätze. In Tagen gemessen kann mich dieses Mandat sicherlich mindestens zehn Tage kosten. Sie sind Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse, gleichzeitig aber auch im Aufsichtsrat der Südtirol Bank. Ist das nicht ein Verstoß gegen die Konkurrenzsituation?
Dennoch: Damit haben Sie Einblick in die Geschäfte der Südtirol Bank. Hat sich die Südtiroler Sparkasse damit einverstanden erklärt?
Noch einmal: Es besteht in keinster Weise irgendeine Konkurrenztätigkeit, weil ich bei der Südtirol Bank nur ein Kontrollorgan bin, keinerlei Verwaltungstätigkeit oder Entscheidungsbefugnisse habe. Abgesehen davon wird immer wieder die Zusammenarbeit von heimischen Bankinstituten gefordert. Ist es nicht auch belastend, Aufsichtsrat einer Gesellschaft zu sein, die einem Jugendfreund gehört?
Belastend ist die Situation überhaupt nicht, denn ein guter Freund erwartet sich, dass und schätzt umso mehr, wenn man, klar und offen, eventuelle Problemfelder aufdeckt. Und außerdem ist es ja nicht so, dass man ein Mandat annimmt, weil an der Gesellschaft ein Freund beteiligt ist. Das kann höchstens mehr Information, Vertrauen und Zuversicht bedeuten, aber grundsätzlich und ausschlaggebend sind die Bonität ◀ und Transparenz der Gesellschaft. INTERVIEW: VERENA PLIGER
Folgen für Rechnungsprüfer vor allem im Falle eines Konkurses beachtlich sein: „Der Masseverwalter eines Konkursverfahrens kann im Interesse der Gläubiger gegen Verwaltungs- und Aufsichtsräte Haftungsklagen erheben. Tatbestand ist meist die mit Bilanzfälschung zusammenhängende Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens. Aber auch wenn ein Aufsichtsrat es versäumt, Verluste und mangelhafte Überwachung aufzuzeigen“, meint Joachim Knoll. Falls dem Berater also bei widerrechtlichen Handlungen, wie etwa Bilanzfälschung, eine aktive Rolle nachgewiesen werden kann, haftet dieser auch persönlich. Damit wurde das Gesetz in Italien so scharf wie in keinem anderen EU-Land umgesetzt. Dazu kommen die neuen strafrechtlichen Sanktionen (Haftstrafen von ein bis vier Jahre), und zwar bei Falsch-
„Wenn ein Betrieb gesund ist, dann ist der Zeitaufwand nicht sehr hoch …“ Peter Gliera
erklärungen, unterlassener Informationspflicht, Korruption sowie bei ungesetzlich erhaltenen Entgelten und Finanzierungen. Versichern können sich die Rechnungsprüfer dagegen nicht. Härter wurde die Gangart aber auch in anderen EU-Staaten. In Österreich soll neben der ÖBB auch der Aufsichtsrat der Kärntner Hypo Alpe Adria wegen Pflichtverletzungen zur Verantwortung gezogen werden. AUFSICHTSRÄTE ALS MITWISSER? Die
Berufsgruppe der Aufsichtsräte ist in der Vergangenheit immer wieder in Verruf geraten. Erst kürzlich wieder: Was wussten zum Beispiel die obersten Aufseher des
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UNTERNEHMER & MÄRKTE Wohnbauinstituts über den Spesensumpf und die veruntreuten Gelder? Was hätten sie wissen können? Was müssen? Schließlich führt der Aufsichtsrat Aufsicht. Ermittlungen wurde gegen die Aufseher des Wohnbauinstituts keine eingeleitet.
HOHER ZEITAUFWAND. Peter Gliera zählt
seine Termine als Präsident des Collegio Sindacale bei der Südtiroler Sparkasse auf: „Normalerweise sind wir dazu verpflichtet, eine Gesellschaft viermal jährlich zu kontrollieren, wobei diese Aufgabe jeweils einen halben Tag in Anspruch nimmt. Bei einer Bank, wie in meinem Fall der Südtiroler Sparkasse, führe ich diese Kontrollen monatlich durch. Dazu kommt die Bilanzkontrolle am Anfang oder Ende des Jahres, die wiederum einen halben Tag zusätzlich einiger Vorbereitungsarbeiten in Anspruch nimmt.“ Er fügt hinzu, dass der Aufwand von Unternehmen zu Unterneh-
LUKRATIVER NEBENJOB. Keine Frage,
das Amt des Aufsichtsrats oder Rechnungsprüfers ist ein wohldotiertes Nebenamt. Ein Job, der gemessen am Zeitaufwand überdurchschnittlich gut bezahlt wird. Ein Job, der sich für manche als äußerst lukrativ erweist. Wer es schafft, das Prinzip zu perfektionieren, kassiert bis zu hunderttausend Euro im Jahr – nebenberuflich, wohlgemerkt. „Wir Aufsichtsräte leben sicher sehr gut, gleichzeitig tragen wir auch ein hohes Risiko. Jetzt erst recht“, meint Peter Gliera. Er zählt zu jenen Wirtschaftsprüfern, die es geschafft haben, das Prinzip zu perfektionieren. Allein in 20 Gesellschaften ist er Präsident des Collegio Sindacale.
men unterschiedlich sein kann. „Wenn ein Betrieb gesund ist, dann ist der Zeitaufwand nicht sehr hoch. Wenn er hingegen in Schwierigkeiten steckt, bedarf es einer monatlichen Prüfung. Natürlich versucht man als Aufsichtsrat den Betrieb zu retten und zeigt entsprechend großen Einsatz. Schließlich haftet man für fünf Jahre“, sagt der Bozner. OLD-BOYS-NETZWERK. Die Anforde-
rungen an den Aufsichtsrat als wichtigste Kontrollinstanz des Vorstands sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Nur noch Revisoren, die in der Regel ein Wirt-
„Die Mandate habe ich vor allem aufgrund meiner Sprachkenntnisse erhalten …“
Genauso wie der Brunecker Wirtschaftsprüfer Ernst Baumgartner, der in elf namhaften Unternehmen, wie dem Plose Wasser, Loacker oder Roefix, Präsident des Collegio Sindacale ist. Als Präsident erhalten sie eine 50 Prozent höhere Vergütung als einfache Aufsichtsratsmitglieder. 10 MANDATE UND MEHR. Die meisten
Südtiroler Aufsichtsräte üben zeitgleich mehrere Mandate aus. Verboten ist das nicht, die Frage stellt sich aber, ob bei solchen Ämterhäufungen überhaupt genügend Zeit bleibt, um den Kontrollaufgaben wirksam nachzugehen.
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Richard Moser
Heinz Peter Hager, Bozen Der Nebenjob als Rechnungsprüfer in Aufsichtsräten ist für den Wirtschafts- und Steuerprüfer Heinz Peter Hager äußerst lukrativ. In insgesamt 20 Gesellschaften, darunter GKN Sinter Metal, Alois Lageder, Sportler, Röchling Automotive oder ZH General Construction stellt er den Präsident des Collegio Sindacale. Manche dieser Posten spülen mehr als 20.000 Euro pro Jahr in Hagers Kassen. Dazu ist er in weiteren 17 Gesellschaften ständiges Mitglied des Aufsichtsrates. Seit April ist er nun auch Präsident des Collegio Sindacale der Südtiroler Volksbank. Um diese Position annehmen zu dürfen, musste er bei gleich mehreren Gesellschaften seinen Rücktritt als Aufsichtsrat einreichen. Er folgte damit der Consob-Regelung. Diese gesetzliche Regelung sieht vor, dass Aufsichtsräte von börsennotierten Gesellschaften, die beim Publikum im Umlauf befindliche Wertpapiere besitzen, maximal fünf Mandate innehaben dürfen.
UNTERNEHMER & MÄRKTE schaftsstudium absolviert haben, eine Eignungsprüfung abgelegt haben und in das Album der Rechnungsprüfer eingetragen sind, dürfen zum Aufsichtsrat bestellt werden. Auch wenn die Anforderungen und Qualifikationen gestiegen sind. GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT. Eines
fällt auf: Bei den Südtiroler Aufsichtsräten handelt es sich um eine eingeschworene und in sich geschlossene Gesellschaft. Hinter vorgehaltener Hand – offen möchte über dieses Thema keiner sprechen – wird darüber getuschelt, dass die Posten für den Aufsichtsrat immer den Gleichen zugescha-
chert werden. Steht eine Nachfolgeregelung an, treffen normalerweise Aufsichtsräte und Vorstände hinter verschlossenen Türen eine Vorauswahl. Dabei sind nicht wenige Unternehmer an möglichst bequemen Ratsmitgliedern interessiert, die ihnen nicht allzu sehr auf die Finger schauen. Immer noch stammen viele Kontrolleure aus dem Old-Boys-Netzwerk des Eigentümers. Bei der Auswahl der Räte herrsche nach wie vor Willkür. Junge Rechnungsprüfer, die noch keine Erfahrung vorweisen können, hätten es bei solch elitären Kontakten also besonders schwer. Gewählt wird, wer die besten Kontakte pflegt.
STRENGERE TRENNUNG VON BERATUNG UND PRÜFUNG. Sehr wohl sieht
die neue Verordnung eine noch strengere Trennung von Abschlussprüfung und Beratungsdiensten vor, damit die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nicht negativ beeinflusst werden kann. Eine Regelung, die in Italien bereits seit 2002 festgelegt ist – wenn auch nur als Empfehlung. SÜDTIROLER PRÄZEDENZFÄLLE. Gleich
zwei Südtiroler Rechnungsprüfern wurde in der Vergangenheit vorgeworfen, die Transparenzregeln der Kompatibilität missachtet zu haben. Laut Urteil haben sich Peter Gliera und Heinz Peter Senoner der Berufsethik der Branche widersetzt, die eine strikte Trennung von Beraterfunktion und Prüferfunktion vorsieht. Ihnen wurde vorgeworfen, Rechnungsprüfer von Gesellschaften zu sein, für die das eigene Studio die Wirtschaftsberatung ausführt. Ihre Kanzlei hat also sowohl die Wirtschaftsberatung als auch die
„Es hat auch in meiner 30-jährigen Tätigkeit als Aufsichtsrat ab und zu belastende Situationen gegeben …“ Foto: Alexander Alber
Gerhard Brandstätter
Richard Moser, Bozen Der Wirtschafts- und Steuerberater Richard Moser ist als Aufsichtsrat in nationalen und internationalen Gesellschaften tätig. Unter anderem ist der gebürtige Sarner auch Aufsichtsrat der E.ON Italia AG, der E.ON Energia AG und der E.ON Rete AG. Drei Gesellschaften, die zum E.ON-Konzern zählen, einem der größten privaten Strom- und Gasunternehmen der Welt. „Die Mandate habe ich vor allem aufgrund meiner Sprachkenntnisse erhalten. Denn für den deutschen Konzern E.ON war es extrem wichtig, einen dreisprachigen Aufsichtsrat zu haben“, erzählt Moser. Neben seinen Aufsichtsratspositionen in Rom, Mailand und Verona ist der 51-Jährige unter anderem auch Präsident des Collegio Sindacale von der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Senni, der Raiffeisenkasse Sarntal oder der Tip Top Fenster GmbH. „Die Kunden erwarten von uns einerseits fachspezifisches Wissen und andererseits auch unternehmerisches Denken.“
Rechnungsprüfung von einer Gesellschaft durchgeführt. Italienweit wurde mit diesen beiden Fällen ein Präzedenzfall geschaffen. Beide wurden für zwei Monate aus dem Register der Rechnungsprüfer suspendiert. Mit der neuen Ermächtigungsverordnung soll es nun endgültig unzulässig sein, sein Testat unter den Jahresabschluss eines Unternehmens zu setzen, dem man zuvor die Buchhaltung oder die Bewertung des Betriebsvermögens durchgeführt hat. Die Durchführungsbestimmungen hierfür sind allerdings noch nicht veröffentli◀ cht worden. VERENA PLIGER
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Was nur wenige wissen: Der Werbefachmann Marco Fontanesi war für zwei Jahre der persönliche Manager von Alberto Tomba
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Nostalgisch Hier trifft man Marco Fontanesi: Im Restaurant „Kaiserkron“ in Bozen
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Was darf es sein, Herr Fontanesi? Seine Vergangenheit war geprägt vom Sport. In seiner Gegenwart dominieren kreative Ideen. Südtirol Panorama hat den Bozner Agenturgesellschafter Marco Fontanesi zu Tisch gebeten. Ein Gespräch über seine Zeit an der Seite von Elitesportlern und die Zukunft des Werbemarktes.
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ehn Minuten vor 14 Uhr. Wir haben uns festgequatscht, über Lee, Levi´s und Louis Vuitton gesprochen. Die Zeit vergessen. Jetzt sind wir spät dran. Marco Fontanesi wird unruhig. Er komme nicht gern zu spät zum Essen. Er wählt die Nummer des Restaurants Kaiserkron, man möge den Tisch doch bitte noch nicht abräumen, in fünf Minuten werden wir dort sein. Marco Fontanesi weiß, wie man mit Problemen wie diesen umgeht. Er ist Kommunikationsexperte, Gesellschafter der Werbeagentur hmc-heartmindcreativity in der Runkelsteinerstraße in Bozen. Noch befinden wir uns genau dort. Mit 35 Mitarbeitern ist es die größte Agentur des Landes. Vor fünf Jahren ist er in das Unternehmen eingestiegen. Steht seither an der Seite von Paolo Ferretti. An vorderster Front sozusagen, wenn es darum geht, die Identität, Produkte und Werte von Unternehmen wie Finstral, Thun, ITAS oder Loacker marktgemäß zu kommunizieren. DIENSTAG, 14.55 UHR. Exakt fünf Minu-
KREATIVER GENTLEMAN. In Rom ge-
boren, hat Marco Fontanesi seine Kindheit in diversen italienischen Städten verbracht. Mit neun Jahren sind seine Eltern – seine Mutter Dolmetscherin, sein Vater Manager von Olivetti – nach Bozen gezogen. Um Anschluss in der neuen Stadt zu finden, hat ihn seine Mutter bei der Jungschar eingeschrieben. „Georg Oberrauch, der Chef der Sportler-Gruppe, war damals mein Jungscharführer.“ Gentlemanlike gibt der groß gewachsene Agenturinhaber die Bestellung auf: „Wir nehmen zweimal die Insalatina di Polipo als Vorspeise und als Hauptgang die Gar-
nelenspieße auf Zucchinicarpaccio und für mich das Gemüsetörtchen.“ MANAGER VON TOMBA. Nach Südti-
rol zurückgekehrt ist der 48-Jährige erst vor sechs Jahren. 25 Jahre hat Fontanesi in Norditalien gelebt und gearbeitet. Allein zehn Jahre war er in Mailand bei IMG von Mark McCormack, der damals wichtigsten multinationalen Gesellschaft im Sportmarketing und -management. „Es ging um die Akquise, Vermarktung und Organisation von internationalen Sportevents, aber auch um die Suche nach Sponsoren und TV-Rechten.“ Fontanesi selbst hat Events wie das Italian Open Golf organisiert und Werbeverträge für Elitesportler wie Greg Norman, Monica Seles oder Alain Prost abgeschlossen. Mit Testimonials kennt sich der Marketingstratege aus. Mit gerade mal 27 Jahren war er für zwei Jahre persönlicher Manager von Alberto Tomba. Er muss schmunzeln, als er den ersten Happen des Oktopussalates in den Mund nimmt: „Tomba war damals sehr leicht zu vermarkten, seine privaten Eskapaden waren da schon wesentlich schwieriger zu händeln.“ LEE & LOUIS VUITTON. Fontanesi, der
durch seine offene Art vermittelt, er wolle
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ten später sitzen wir in der hinteren Ecke der Kaiserkron, jenes Restaurants, das im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten ist. Von einer Auflassung war genauso die Rede wie von einer Niederlassung von
McDonald’s. Nichts als Gerüchte. Mittlerweile ist Robert Wieser, Inhaber des Hotels Siriola in St. Kassian, in das barocke Palais Pock eingezogen. Hat das Konzept geändert, die historische Bausubstanz aber belassen. Marco Fontanesi kennt den Gastronom persönlich. Gerne führt der Werbefachmann seine Geschäftspartner hierher in die Mustergasse – ob zum schnellen Lunch oder zum Abendessen. Er mag das stilvolle Ambiente, die leichte italienische Küche. Der vertraute Blick in die Speisekarte zeugt davon. „Mein persönlicher Favorit ist das Gemüsetörtchen mit Mozzarella di Bufala“.
Leichtes Brain-Food: Als Vorspeise eine mediterrane Insalatina di Polipo
Seit einem halben Jahr wird die Kaiserkron von Robert Wieser geführt
Der persönliche Favorit von Fontanesi: Gemüsetörtchen mit Mozzarella di Bufala
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„Kommunikation bedeutet für uns nichts anderes als eine direkte Beziehung zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden. Eine Beziehung, die durch offenen Dialog vertieft und mittels Kreativität lebendig gehalten wird“, meint Marco Fontanesi
Die Werbeagentur Die im Jahre 1988 gegründete Werbeagentur hmc-heartmindcreativity, wurde 2007 von Paolo Ferretti und Marco Fontanesi zu 100 Prozent übernommen. Seit 2009 ist Sebastiano Bergamasco als dritter Partner eingestiegen und leitet die neue Niederlassung in Verona. Zu den wichtigsten Kunden zählen Thun, Loacker, Finstral, ITAS, Speedo, und der Südtiroler Sennereiverband.
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nes mehr, gerne aber eine Tasse Espresso. Zeit genug, um noch seine Einschätzung einzuholen, in welche Richtung sich der Werbemarkt entwickeln wird. Fontanesi hat klare Vorstellungen: „Keine Kampagne mehr, die nur mehr im Print- oder OnlineBereich läuft.“ „Mit der Vernetzung beginnt eine neue Epoche.“ „Nur durch die Integration können die Endverbraucher direkt angesprochen werden.“ „Die Marke muss sich bewegen, es braucht eine Kombination von verschiedenen Marketingaktivitäten.“ „Reine Grafiktätigkeit reicht nicht mehr – die Kunden erwarten strategische Marketingkonzepte: Von Geomarketing über Dialog-Marketing bis hin zu Relationship-Marketing und Proximity-Marketing. Zielgerichtetes Marketing auf mobilen Endgeräten – via SMS oder E-Mail.“
oder quantitativem Cash auszahlen. Von Lee haben wir genau dieses Feedback erhalten – das Projekt habe sich nach Aussage des Kunden positiv auf den Umsatz ausgewirkt. Damit haben wir als Agentur unsere Mission erfüllt.“ Den Erfolg einer Kampagne macht aber auch die gute Zusammenarbeit mit dem Kunden aus. „Man darf das Ziel nicht vergessen. Ein tägliches Gespräch ist erforderlich. So sind 15 unserer Mitarbeiter tagtäglich mit unserem Kunden Thun beschäftigt. Es ist wie in einer Beziehung. Du musst deiner Frau jeden Tag aufs Neue beweisen, dass sie die wichtigste Person für dich ist“, meint Fontanesi, der mit der Rechtsanwältin Marion Zelger verheiratet ist und zwei Kinder im Alter von 3 Jahren und 16 Monaten hat. ACHSE
VERONA-BOZEN-MÜNCHEN.
Marco Fontanesi ist kein schneller Esser. Genießt – lässt sich Zeit. Legt Gabel und Messer immer wieder auf den Teller, um über seine Unternehmensziele zu sprechen. Die Kombination aus deutscher Professionalität und italienischer Kreativität mache den Erfolg von hmc-heartmindcreativity aus. Die Achse Verona-Bozen-München wolle man deshalb ausbauen: „Erst kürzlich haben wir einen Sitz in Verona eröffnet, früher oder später ziehen wir auch eine Niederlassung in München in Betracht.“ ES IST KURZ NACH 15 UHR. Aus der Küche
verstummen so langsam die Geräusche. Dessert möchte der Werbefachmann kei-
UND WIE SETZT MAN DAS ALLES UM?
„Schauen, lesen, lernen, was die anderen besser machen. Und schauen, schneller zu ◀ sein als die anderen.“ VERENA PLIGER
Foto: Alexander Alber
nur spielen, möchte nicht länger über seine Vergangenheit reden, über seine heutigen Kunden möchte er sprechen, über deren Bedürfnisse und Anforderungen am Markt. Über den Auftrag von Rossimoda zum Beispiel, dem Schuhhersteller der Louis-Vuitton-Gruppe. „Wir haben ein Company Profile erstellt, das die Brand-Values der verschiedenen Lizenzgeber widerspiegelt.“ Oder über das Label Lee, das zu VF gehört, dem weltweit größten Sportswearund Outdoorkonzern mit einem Umsatz von über sieben Milliarden US-Dollar. Für Lee haben die kreativen Bozner im vergangenen Jahr ein Projekt konzipiert und realisiert, um die Marke in Italien neu zu positionieren. „Natürlich ist es eine große Ehre, wenn sich ein Weltkonzern für eine ‚kleine‘ Agentur aus Bozen entscheidet“, meint Fontanesi und fügt hinzu, „wir versuchen unseren Kunden Lösungen zu unterbreiten, die nicht nur holistisch den Endverbraucher mit der Marke in Kontakt bringen, sondern sich auch in qualitativem
Leichte italienische Küche bestimmt das neue gastronomische Konzept des Restaurants Kaiserkron
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Positive Bilanz Der Energiemarkt ist heiß umkämpft und wird immer genauer reglementiert. Für den heimischen Anbieter Etschwerke AG eine große Herausforderung aber auch eine große Chance. Umso erfreulicher sind die Bilanzzahlen des Geschäftsjahres 2009.
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PIETRO CALÓ: Es ist uns nicht zur Gänze gelungen, aber wir sind auch mit unseren Gewinnzahlen im Jahr 2009 sehr zufrieden. 18,8 Millionen Euro sind eine stattliche Summe, bedenkt man vor allem, dass der Gewinn 2007 noch bei 12 Millionen Euro lag. Das Gesellschaftskapital der Etschwerke AG ist ja öffentlich und gehört zu jeweils 50 Prozent den Städten Bozen und Meran. Insofern ist ein hoher Gewinn natürlich umso wichtiger, da er direkt in die Gemeindekassen fließt. In diesem Jahr haben wir jeweils 7 Millionen an diese beiden Gemeinden ausgeschüttet. Worauf führen Sie das Plus zurück?
Wir ernten gerade die Früchte der hohen Investitionen in Leitungen und Verteilung, die wir die vergangenen Jahre getätigt haben. Positive Resultate hat vor allem die 2008 gegründete Etschwerke
Positive Bilanz 2009 Das sind die Ergebnisse der EtschwerkeGruppe im Geschäftsjahr 2009: ▶ Umsatz: 394 Millionen € ▶ Gewinn: 18,8 Millionen € ▶ Personalkosten: 24,8 Millionen €
Pietro Caló, beauftragter Verwalter der Etschwerke AG freut sich über die positiven Geschäftsergebnisse im Jahre 2009
Netz AG gebracht. Hiermit konnte ein weiterer Schritt zur Liberalisierung des Strommarktes getan werden. Aber auch die Erzeugung ist gestiegen.
Ja. Die Bruttostromerzeugung mit Wasserkraft ist von 469 Millionen kWh im Jahre 2008 auf 508 Millionen kWh im Jahre 2009 gestiegen. Das ist ein Plus von 7,7 Prozent. Die internationale Finanzkrise hat sich auch auf den nationalen Strommarkt ausgewirkt. Die Nachfrage nach elektrischem Strom ist um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Hat auch die Etschwerke AG die Auswirkungen gespürt?
Die Nachfrage ist auch bei uns zurückgegangen. Vor allem da die Bauwirtschaft von der Krise hart getroffen wurde. Damit sind natürlich auch die Neuanschlüsse für Wohnungen, Industrie und Handwerksbetriebe zurückgegangen. Allerdings war der Rückgang nicht so dramatisch wie im Rest Italiens und hat sich auf 4,1 Prozent beschränkt. Hier macht sich einfach bemerkbar, dass wir ein solides und elastisches Unternehmen sind, das breit ◀ aufgestellt ist.
Die Bruttostromerzeugung mit Wasserkraft ist 2009 um 7,7 Prozent gestiegen
Foto: Etschwerke AG
SÜDTIROL PANORAMA: Im Geschäftsjahr 2008 konnte die Etschwerke AG mit 20,1 Millionen Euro den zweithöchsten Nettogewinn aller Südtiroler Unternehmen verbuchen. Konnten Sie diese hohen Gewinnzahlen auch im Geschäftsjahr 2009 wiederholen?
Foto: Etschwerke AG
mmer höhere Qualitätstandards bei annehmbaren Kosten – das war das essenzielle Ziel der Etschwerke AG auch im Geschäftsjahr 2009. „Die Investitionen haben sich gelohnt“, erklärt Pietro Caló, beauftragter Verwalter der Etschwerke AG, im Interview.
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Etschwerke AG Zwölfmalgreiener Straße 8 39100 Bozen Grüne Nummer: 800-225420 info@ae-ew.it www.ae-ew.it
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MOBILITÄT
Antriebskosten: Der Vergleich Reichweite
Lokaler CO2-Ausstoß
pro Tankfüllung
pro Kilometer
1057 km
Tankkosten
121 g
Benziner
7 Euro
Golf 1.2 TSI BlueMotion Technology1
1447 km
99 g
Dieselfahrzeug
4,40 Euro
Golf 1.6 TDI BlueMotion2
150 km
0g
E-Auto
4 Euro
Golf blue-e-motion3
0g
400 km
Technologie
pro 100 Kilometer
Brennstoffzellenfahrzeug
8 Euro
Golf-Vergleichsfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb4
Der Benziner benötigt Zündkerzen und arbeitet mit 8-18 bar Druck. Dreht höher als der Diesel, verbraucht dadurch auch mehr.
Der Diesel ist ein Selbstzünder und arbeitet mit 30 bis 50 bar Druck. Niedriger Verbrauch aber begrenzte Drehzahl.
Das E-Auto wird von einem Elektromotor angetrieben, der von einer Batterie (meist Lithium) mit Kraft versorgt wird.
Die Brennstoffzelle wandelt chemische Energie in Strom um, mit dem der Elektromotor des Fahrzeugs versorgt wird.
1)
5,2 Liter auf 100 Kilometer, 1,39 Euro pro Liter. 2) 3,8 Liter auf 100 Kilometer, 1,23 Euro pro Liter. 3) Ausgehend von einer Batterie mit 26,5 Kilowatt und dem derzeitigen Tarifstrompreis für Haushalte (Endkundenpreis) von rund 0,20 Euro pro Kilowattstunde. 4) Ausgehend von einem Verbrauch von einem Kilogramm pro 100 Kilometer und einem Wasserstoffpreis von acht Euro pro Kilogramm.
Autohersteller widmen sich immer mehr der Entwicklung von Elektroautos, um mit ihnen in eine emissionsfreie Zukunft zu starten. Dem heutigen Autofahrer stellt sich dabei natürlich die Frage: Wie lange kann ich noch mit meinem „normalen“ Verbrennungsmotor mithalten?
der Platz für den Druckzylinder und rechnet sich das Tiefkühlen überhaupt? PROBLEME. Natürlich sind auch Benziner und
wir den konventionellen Ölbrennern, Diesel und Benziner, zwei Antriebe mit null Emissionen, das heißt ein Elektro-Auto und ein Brennstoffzellenfahrzeug, gegenübergestellt. Schon beim ersten Blick fällt auf, dass ein großer Unterschied in der Reichweite der einzelnen Antriebe liegt. Das Problem bei den aktuellen Elektroautos liegt im Durchhaltevermögen der Akkus. Bei den Brennstoffzellenfahrzeugen dagegen ist es die Speicherung des Wasserstoffes, die noch immer ein Hindernis darstellt. Denn Wasserstoff kann entweder als Druckgas oder flüssig(bei -253°C) gespeichert werden. Aber wo findet sich
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Foto: Ford
VERGLEICH. Zur Klärung dieser Frage haben
Künftig wird nicht mehr an der Tankstelle Benzin getankt, sondern Strom an der Steckdose aufgeladen
Diesel nicht frei von Problemen: Die CO2-Emissionen belasten die Umwelt, die fossilen Brennstoffe neigen sich dem Ende zu. E-Auto und Brennstoffzellenfahrzeug haben im Vergleich zwar keinen lokalen CO2-Ausstoß, allerdings entsteht bei der Produktion von Strom und Wasserstoff das schädliche Treibhausgas. Und die Produktion dieser Energieträger ist nicht umsonst. Wie man in der Grafik erkennt, schlägt der Wasserstoff mit den höchsten Kosten zu Buche. Fazit: Ein sparsamer Benziner fährt im Moment noch günstiger als ein Fahrzeug mit Brennstoffzelle. Und auch das E-Auto kann den sparsamen Diesel bei den Tankkosten auf 100 km nur knapp unterbieten. Die Reichweite des Selbstzünders ist aber zehnmal größer. Die Zahlen sprechen also klare Worte.
MOBILITÄT
Klein – sauber – agil
Bereits jetzt Verkaufsschlager Nissan will in den USA, Japan und Teilen Europas (u.a. Dänemark und Portugal) schon ab Ende 2010 das Elektroauto Leaf (zu Deutsch „Blatt“) auf den Markt bringen. Nissan propagiert, dass der Leaf das erste Elektroauto für jedermann sei. UNTER 30.000 EURO. Dem-
entsprechend ist auch der Preis gestaltet: Ziel ist es, dass der Leaf inklusive staatlicher Subventionen für unter 30.000 Euro zu haben ist. Ein Blick auf die Vorbestellungslisten lässt erahnen, dass der Elektro-Nissan ein Verkaufsschlager werden wird. Schon jetzt sind in Japan und den USA
Der smart fortwo electric spurtet dank 120 Nm Drehmoment in 6,5 Sekunden von 0-60 km/h
Wendig sparsam und umweltfreundlich: Wer die letzten beiden Jahre in London war, hat ihn vielleicht schon gesehen: den smart fortwo electric drive. Dort kam man mit dem kleinen Elektroflitzer der ersten Generation nicht nur um die lästige Parkplatzsuche herum, sondern auch um die teure
Citymaut. In Serie wird der Kleine aber erst 2012 gehen. Im Moment wird diese zweite Generation erst von ausgewählten Leasingkunden getestet. Der Preis ist bislang noch unbekannt. Dafür kennt man die Technik: Eine Lithium-Ionen-Batterie ermöglicht dem 41 PS starken Zweisitzer eine Reichweite von 115 km und eine Höchstgeschwindigkeit vom 100 km/h.
etwa 20.000 Fahrzeuge vorbestellt. Anfang 2011 sollen sie ausgeliefert werden. Das Auto ist ein vollwertiger Kompaktwagen mit Platz für fünf Personen und Gepäck. Äußerlich trägt der Leaf Züge seiner konventionell motorisierten Brüder, mit dem Unterschied, dass er keinen Auspuff hat, sondern eine Steckdose. Der Nissan kann entweder durch Drehstrom oder per Hausstrom in rund acht Stunden aufgeladen werden. Mit einer vollen Ladung kommt der 80 kW(109 PS) starke Leaf rund 160 km weit und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h.
Foto: Nissan
muss der smart acht Stunden an die Steckdose, für eine Strecke von 30 bis 40 Kilometern soll eine Ladezeit von drei Stunden reichen.
Nissan-Chef Carlos Ghosn will mit dem Leaf ein Fahrzeug mit null Emissionen für die breite Masse produzieren
Ohne Batterielösung – kein E-Auto „Würde man endlich das Problem der Lithium-Batterien in den Griff bekommen, wäre der Weg für das Elektroauto geebnet“, so das Urteil von Fahrzeugentwicklern. Denn trotz geringeren Gewichtes und höherer Leistungsabgabe gegenüber anderen Batteriesystemen hat die Batterie nur eine Reichweite von maximal 200 km.
haben eine durchschnittliche Lebensdauer von circa dreihundert Ladezyklen oder zehn Jahren. Ein Ladevorgang dauert zwischen sechs und acht Stunden. Am Starkstromnetz angeschlossen wären die Akkus zwar in circa zwei Stunden voll aufgeladen, allerdings wäre hier ein höherer Sicherheitsaufwand nötig. ZU TEUER. Abgesehen von der langen La-
ZU SCHWACH FÜR LANGSTRECKEN. Im
Moment ist die Lithium-Ionen-Batterie also noch zu schwach, um in Kraftfahrzeugen auf Langstrecken eingesetzt zu werden. Das heißt, ein Fahrzeug müsste auch nach relativ kurzen Strecken schnell wieder an die Steckdose. Und das dauert! Ein Trip von Bozen nach München wäre mit einem Elektroauto also noch nicht drin. Dazu kommt, dass sich die Akkus mit jedem Ladezyklus abnutzen. Lithium-Batterien
Foto: Fisker Automotive
Fotos: Daimler AG
8 STUNDEN AN DIE STECKDOSE. Für eine volle Tankladung
Im Fisker Karma liegt die Lithium-Batterie in der Mittelkonsole
dezeit stellen die Kosten für die Produktion das größte Problem dar. Eine Batterie mit der Kapazität von einer Kilowattstunde kostet momentan rund 1.000 Euro. Zum Vergleich: Eine 100 Kilometer lange Fahrt benötigt circa achtzehn Kilowattstunden. Marktforscher gehen zwar davon aus, dass bei Massenproduktion die Kosten sinken, im Gegenzug steigt jedoch der Lithium-Preis wegen der hohen Nachfrage kontinuierlich.
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MOBILITÄT
Die Spielverderberin Geht es nach Österreichs Infrastrukturministerin Doris Bures, so steht der BBT auf der Kippe. Für viele wurde sie damit zur Spielverderberin des Milliardenprojekts, für andere zur Retterin der Alpenregion. Ein Blick nach Österreich verrät, dass an den BBT so keiner mehr richtig glauben mag.
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it ihrer Aussage hat sie Landeshauptmann Luis Durnwalder und seinen Nordtiroler Amtskollegen Günther Platter erzittern lassen. Deren Prestigeprojekt, der BBT, steht auf der Kippe. Ins Wanken gebracht, ausgerechnet von einer Frau. Und zwar von der österreichischen Infrastrukturministerin Doris Bures. Ihre Aussage im österreichischen Wirtschaftsmagazin Trend im Mai dieses Jahres war eine Bestätigung für alle Gegner des Milliardenprojekts zwischen Innsbruck und Franzensfeste. „Wir brauchen eine neue, eine gesicherte Finanzierung. Sobald man so ein Projekt startet, kann man es ja nicht mehr stoppen. Wir können ja nicht auf halbem Weg sagen: So, jetzt ziehen wir wieder ab! Das wäre ja ein Schildbürgerstreich“, so die Ministerin wörtlich im Trend. Eine Finanzierung über fünf Jahre sei aus ihrer Sicht bei Projekten mit 30- bis 50-jähriger Laufzeit viel zu kurz gegriffen. Wolle man verantwortungsbewusst an die Sache herangehen, werde eine langfristige Finanzierungssicherheit benötigt. „Wir haben den Finanzrahmenplan bis 2014 verhandelt, für den Brenner wird aber fünfzig Jahre lang bezahlt“,
„Das, was wir im Moment erleben, ist ein Abschiedslied in mehreren Strophen …“ Georg Willi
PROJEKT VORERST AUF EIS GELEGT.
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POLITISCHE TAKTIK. Für den Vorsit-
zenden der Grünen steckt dahinter vor allem politische Taktik: „Ich denke, dass im Herbst, also sobald die Wahl in der Steiermark vorbei ist, Bures den Landeshauptmännern von Süd- und Nordtirol eine Garantie geben wird, dass die Finanzierung auch nach 2015 gesichert ist. Doch spätestens mit der österreichischen Nationalratswahl im Jahr 2013 wird Bures ausgetauscht werden. Der Nachfolger wird sich dann den Vorgaben der Vorgängerin Bures nicht mehr verpflichten fühlen.“ Glaubt man den Worten Willis, dann wäre der BBT spätestens nach den Nationalratswahlen 2013 Geschichte. Sowohl von italienischer als auch von österreichischer Seite wird bereits am Probestollen gearbeitet, 10 Kilometer sind bereits gebohrt. „Bures wird eine Zusage für den Weiterbau des Probestollens geben. Damit lebt die Hoffnung auf den Hauptstollen weiter – jedenfalls bis zu den Landtagswahlen in Tirol und den Nationalratswahlen in Österreich, die beide 2013 stattfinden“, so Willi. EINIGKEIT BEI REGIERUNGSPARTEIEN.
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Eigentlich sollte noch diesen Sommer mit dem Bau begonnen werden; Konrad Bergmeister, der Direktor der Brenner-Basistunnel-Gesellschaft, wollte bereits erste Baulose ausschreiben. Daraus wird vorerst nichts. Das Projekt wurde erstmals auf Eis gelegt. Frühestens 2011 könne mit dem Spatenstich begonnen werden, abhängig ist das davon, wie sich die Infrastrukturministerin im Herbst entscheidet. Bis dahin soll das Tunnelprojekt aus finanztechnischer Sicht noch einmal genauestens überprüft werden und in der Budgetdebatte debattiert werden, wie Ministerin Bures gegenüber Südtirol Panorama (S. 34) erklärt. Bis dahin heißt es abwarten. Für Georg
Willi, Klubobmann der Grünen im Tiroler Landtag, ist das Thema durch. Dem BBT gibt er keine Chancen mehr. „Das, was wir im Moment erleben, ist ein Abschiedslied in mehreren Strophen. Die erste lautet: Wir überprüfen das Ganze. Die zweite lautet: Wir verschieben das Ganze auf 2015. Und die dritte und letzte Strophe lautet: Wir brechen das Ganze aus mangelnder Finanzierung ab. Letztendlich bringen all diese Punkte nur einen gesichtswahrenden Ausstieg aus diesem Projekt.“
Dass der BBT keine große Chance mehr haben dürfte, steht für Willi spätestens seit dem Zweifel von ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier fest. „Wenn Pröll sagt, dass Bures selbst sehen muss, wie sie ihre Sparziele erreicht, dann schiebt er ihr die
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Baut Bures oder baut Bures nicht? Österreichs Infrastrukturministerin Doris Bures stellt den BBT infrage
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„Im Herbst wird entschieden“ Seit Mitte Mai ist Österreichs Infrastrukturministerin Doris Bures die Buhfrau aller BBT-Befürworter. In Südtirol Panorama nimmt sie Stellung und erklärt, wie sie mit der Kritik umgeht. Landeshauptmann sehr genau erklärt und bin da wirklich keiner Diskussion aus dem Weg gegangen, gerade weil ich davon überzeugt bin, dass der BBT verkehrspolitisch sinnvoll ist. Genau deswegen müssen wir jetzt Klarheit herstellen, dass das Projekt ausfinanziert ist und die Verlagerung funktioniert. Alles andere wäre verantwortungslos.
SÜDTIROL PANORAMA: Wie muss Ihrer Ansicht nach der Finanzierungsplan aussehen, damit der BBT 50 Jahre lang finanzierbar sein kann? DORIS BURES: Eben deswegen, weil
wir es hier mit einem sehr großen und langfristig angelegten Projekt zu tun haben – und im Übrigen einem auch finanziell sehr herausfordernden –, muss man im Vorfeld die größtmögliche Verbindlichkeit in der Finanzierung herstellen. Es wäre unverantwortlich, den Bau des Hauptstollens zu beginnen – und dann geht einem mittendrin das Geld aus. Ich brauche sowohl in Österreich als auch in der EU längerfristige Finanzierungszusagen. Und die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für eine tatsächliche Verlagerung von der Straße auf die Schiene müssen stimmen.
Sie haben bei der EU-Konferenz zu den TEN-Strecken in Saragossa ein europäisches Bekenntnis zur Bahn in Richtung Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene eingefordert. Wie lautet Ihre konkrete Forderung?
Mir geht es um die explizite Festschreibung des Verlagerungsziels auf umweltfreundliche Verkehrsträger im neuen EU-Weißbuch Verkehr und Vorschläge für ganz konkrete Maßnahmen zur Verlagerung. Das ist auch im Hinblick auf den BBT ganz wesentlich. Es hat keinen Sinn, den längsten Eisenbahntunnel der Welt zu bauen, wenn er dann nicht benutzt wird.
Sie sind die erste Ministerin, die Klartext spricht: Der BBT steht auf der Kippe. Bis dato wurde nur ein Finanzrahmenplan bis 2014 verhandelt. War diese knappe Planung nicht grob fahrlässig?
Kann das „reduzierte Bauprogramm“, das Konrad Bergmeister vor drei Wochen präsentiert hat, die momentan prekäre Situation verändern?
Konrad Bergmeister kennt das Projekt so gut wie kein anderer. Ich schätze seine Vorschläge sehr und sie fließen in die Evaluierung ein.
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Warum hat die Idee der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene bei Ihren Kollegen in Brüssel an Bedeutung verloren?
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Nein. Alle Verantwortlichen haben sehr gründlich gearbeitet. Und mit den jeweils sechsjährigen Rahmenplänen hat Österreich sehr viel mehr Verlässlichkeit in den Bahnausbau gebracht, als es das zuvor gegeben hat. Aber man sieht hier beim BBT, dass die gegebenen politischen Zeitspannen für so ein großes Projekt immer noch zu eng bemessen sind. Deshalb trete ich so dafür ein, dass es diese langfristigen Finanzierungszusagen von Österreich und der EU gibt.
Österreichs Ministerin Doris Bures spricht als eine der wenigen Klartext
Das Tunnelprojekt muss jetzt aus finanztechnischer Sicht noch einmal überprüft werden. Wann werden diese Überprüfungen abgeschlossen sein?
Wir arbeiten mit Hochdruck an der Evaluierung. Die Ergebnisse werden im Herbst, also mit der Budgetdebatte, vorliegen. Es wird nicht nur der BBT evaluiert, sondern alle großen Bahnprojekte in Österreich . Frau Minister Bures als „Spielverderberin“. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe meine Position dem Tiroler
Es ist sehr viel schwieriger geworden, Umwelt- und Klimaschutzziele auch in der europäischen Verkehrspolitik verbindlich zu verankern. Denken Sie an die Wegekostenrichtlinie, wie stark da der Widerstand gegen die Anrechnung externer Kosten des Straßengüterverkehrs ist. Oder die Gigaliner: Während die EU auf der einen Seite Klimaschutz predigt und möglichst strenge Ziele zur CO2-Reduktion verfolgt, werden auf der anderen Seite immer mehr Probestrecken für die 60Tonnen-Lastwagen genehmigt. Dabei sind die Folgen allen klar: Noch mehr Lkws auf der Straße, enorme Kosten für die Infrastruktur und eine echte Bedrohung für die Güterbahnen.
MOBILITÄT heiße Kartoffel zu. Und wenn Ferdy Maier dasselbe sagt wie sie, dann heißt das für mich, dass es unter den Fachleuten beider Regierungsparteien einen Konsens gibt, dass der BBT nicht gebaut wird.“ ÖVPVerkehrssprecher Ferdinand Maier hat den BBT im März offen infFrage gestellt. Die großen Bahn-Tunnelprojekte seien grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. „Ich halte die derzeit gültigen Investitionsplanungen und Rahmenpläne für nicht finanzierbar, nicht leistbar und damit höchst problematisch“, so Maier wörtlich.
jekte kein Geld gibt und man erst schauen müsse, welche man ganz streicht, welche man verschiebt und welche man kleiner macht“, so Willi. In der Tat: Das österreichische Ministerium für Infrastrukturen muss sparen.
PAT COX MACHT DRUCK. Der neue EU-
Koordinator für die TEN-Achse Berlin—Palermo, Pat Cox, hat sich indes bei Landeshauptmann Luis Durnwalder für einen baldigen Baubeginn des BBT ausgesprochen. Georg Willi interpretiert seine Aussage ganz anders: „Pat Cox ist ein alter Polithase. Er hat in Wahrheit eines gesagt: Die EU wird sich an die Zusagen bis zum Jahr 2013 halten. Wenn der BBT gebaut wird, dann werden wir weiter reden, wie viel Geld wir ab dem Jahre 2013 zuschießen können. Wenn ihr den BBT aber nicht baut, dann werden wir die Zuschüsse einem anderen Investitionsprojekt zufließen lassen. In Wahrheit hat er Platter und Durnwalder nur den Ball zugespielt, um Druck bei ihren Regierungen zu machen: Liebe Bures, lieber Matteoli, Geld her oder die EU zieht sich zurück und das Projekt stirbt. Am Ende werden die Landeshauptmänner beteuern, dass sie wie die Löwen gekämpft haben, die zuständigen Verkehrsminister aber nicht zu ihren Zusagen gestanden sind“, so Willi.
EINE SHOW, DIE SICH DEM ENDE ZUNEIGT. Über Jahre wurde immer wieder
mit feierlichen Unterschriften betont, dass die Finanzierung des BBT stehe. Dass die Landeshauptmänner von Süd- und Nordtirol an ihrem Kurs festhalten, kann Georg Willi sehr gut nachvollziehen. „Wenn sie jetzt von ihrem Kurs abkommen, würden sie sich schrecklich blamieren.“ Dennoch, vieles spricht dafür, dass die Tage des BBT gezählt sein dürften. Für Georg Willi ist der BBT nur noch eine Show, die sich jetzt dem Ende zuneigt. „Unter dem Diktat der leeren Kassen wird jetzt endlich Tacheles gesprochen. Es wird endlich klar, dass das Geld nicht da ist. In Wahrheit wird jetzt eine große Show abgezogen, um zu verschleiern, dass es im Moment für alle großen Infrastrukturpro-
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IM HERBST FÄLLT DIE ENTSCHEIDUNG.
In der Bevölkerung hat sich mittlerweile eine Missstimmung breitgemacht – man weiß nicht, wie es weitergeht. Wird der BBT nun gebaut oder nicht? Was kommt in den kommenden 10, 30, ja vielleicht sogar 40 Jahre auf uns zu? Werden das Eisack- und Wipptal zur Jahrhundertbaustelle oder nicht? „Insgesamt dient die ganze Diskussion auch dazu, in der Bevölkerung eine mehrheitsfähige Meinung zu bilden, dass wir uns den Tunnel gar nicht leisten können, da in allen Staaten strikte Sparprogramme beschlossen werden. Die Kunst der Landeshauptmänner ist es nun, diese Einsicht reifen zu lassen“, meint Georg Willi provokant und fügt hinzu, „die Planer dieses Projekts könnten einiges von den Schweizern lernen. Unsere Nachbarn hatten im Vorfeld zum Bau des Gotthardtunnels einen konkreten Plan, haben die Finanzierung geregelt und erst im Anschluss mit dem Bau begonnen. Bei uns hingegen beginnt man mit dem Bau, bevor man überhaupt die Finanzierung regelt.“
Bis 2014 planen die ÖBB Bauvorhaben im Ausmaß von 9,4 Milliarden Euro. Davon sollen nun drei Milliarden Euro eingespart werden. Wo genau eingespart werden muss, erarbeitet im Moment eine Arbeitsgruppe von Ministerium und ÖBB. Bis Herbst sollen die Ergebnisse vorliegen. Betroffen sein sollen neben dem BBT auch der Koralmtunnel und der Semmeringtunnel.
ÖSTERREICHISCHE MEDIEN SPRECHEN VOM AUS. Bisher hat man in den Südtiro„Der BBT hat keine Chance mehr“: Georg Willi, Klubobmann der Tiroler Grünen
ALTERNATIVEN ZUM BBT. Die Diskussion um die Finanzierung öffnet den Blick für mögliche Alternativen zum BBT. Die Grünen in Tirol hoffen jetzt auf die Durchsetzung ihres Alternativplans. „Dieser Plan B beinhaltet erstens die Alpentransitbörse, um gleiche Bedingungen für alle Alpenrouten sicherzustellen. Zweitens den Ausbau der Mittelmeerhäfen, um mehr Waren aus Asien direkt in den südeuropäischen Raum zu bringen. Und drittens die Anhebung der Lkw-Maut in Italien und Deutschland zumindest auf österreichisches Niveau. Mit der Alpentransitbörse könnte auch ohne BBT eine Halbierung des Alpentransits auf eine Million Lkw-Fahrten erreicht werden“, so Georg Willi.
ler Medien kaum davon gelesen, dass das Prestigeprojekt BBT wackelt. Bis auf das Wochenmagazin ff hat kein anderes Medium offen das Aus diskutiert. Anders die Berichterstattung in Österreich: „Es setzt sich schon sehr stark die Meinung durch, dass sich der Bau nicht ausgehen wird. Allerdings muss man auch sagen, dass die Südtiroler durch den Bau des Probestollens sehen, dass etwas vorangeht, während bei uns in Tirol nur ganz versteckt in der Sillschlucht gebaut wird“, meint der Klubobmann der Grünen. Für die Grünen in Nordtirol ist das Projekt Geschichte – sie konzentrieren sich jetzt auf die richtigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen – und das ganz ohne BBT-Tunnel. ◀ VERENA PLIGER
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Das Management der Brigl Group: Vorstandsvorsitzende Evi Mitterhofer und die Geschäftsführer Renzo Marras und Andreas Goggi
Brigl Group: Zeitgemäß durch Vernetzung „Think global, act local“ ist die Devise des Transport- und Logistikunternehmens Brigl. Die Bozner Traditionsfirma setzt für schnelle und grenzübergreifende Lieferungen auf globale Vernetzung und lokale Kompetenz. Als Partner in internationalen Speditionsnetzwerken macht Brigl vor, wie man überregionale Lösungen an Beschaffungs-, Distributions- und Lagerlogistik für den lokalen Markt maßschneidert: mit einer breiten Angebotspalette, wie sie für ein mittelständisches Unternehmen einfach ungewöhnlich ist. 38
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n Zeiten, in denen die Warenströme immer schneller fließen und die Entfernungen zwischen Lieferanten und Kunden größer werden, sind Speditionskunden auf einen grenzübergreifenden und extrem schnellen Service angewiesen. Um als kleines Unternehmen mit rund 80 Mitarbeitern leisten zu können, was sonst nur Großkonzerne versprechen, hat sich die Brigl AG international aufgestellt. Durch die Kooperation mit dem Speditionsnetzwerk Cargoline kann Brigl seinen Kunden das Tor nach ganz Europa öffnen – mit Stückgutlieferungen nach Deutschland in maximal 24 Stunden oder in das restliche, auch noch so entlegene Europa, in höchstens drei Tagen.
bundesdeutsche Verbund Cargoline verfügt mit seinen 70 renommierten Speditionen über ein engmaschiges Streckennetz und gewährleistet international verbindliche Qualitätsstandards. „Unsere Kunden profitieren in jeder Hinsicht davon“, resümiert Geschäftsführer Andreas Goggi. „Einerseits können wir durch die Vernetzung Zeit und Kosten sparen. Andererseits bleiben wir im Netzwerk das mittelständische Unternehmen, das wir immer waren und dessen Vorteile unsere Kunden sehr schätzen.“ Das heißt Kundennähe, Flexibilität und kurze Entscheidungswege in Verbindung mit einem „grenzenlosen“ Service. Hochmoderne digitale Auftragsabwicklung inklusive.
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ENGMASCHIGES STRECKENNETZ. Der
Die Brigl Group in der Bozner Industriezone öffnet das Tor nach ganz Europa
italienweite Abwicklung von Sammelgutverkehren und die direkte Zustellung von fertigen und halbfertigen Industrieprodukten die Brigl Distribution GmbH gegründet. „Unsere Kunden können sich auf die punktgenaue Lieferung von Rohstoffen und Waren verlassen, von den Dolomiten bis zum Ätna“, erklärt der Geschäftsführer des Tochterunternehmens, Renzo Marras. Seine starke Verteilerstruktur verdankt die Brigl Distribution auch dem eigenen Stückgutnetzwerk: CDS wurde 2004 von Brigl mitbegründet und besteht heute aus rund 40 Partnerspeditionen.
für die nationale Warenverteilung hat die Brigl Group schon früh effiziente Lösungen entwickelt. So wurde 1992 eigens für die
teilung palettierter Güter ist Brigl gut vernetzt. Als Mitglied von Palletways, dem europäischen Marktführer im Bereich
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Brigl Group Mitterhoferweg 1 39100 Bozen Tel. 0471 24 61 11 info@brigl.it www.brigl.it
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GUT VERNETZT. Und auch für die Ver-
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PUNKTGENAUE LIEFERUNG. Aber auch
Expressdistribution, kann die Spedition mit 80 Kooperationspartnern in Italien palettierte Frachtsendungen schnell zu den Kunden bringen und damit deren Wettbewerbsvorsprung erhöhen. Andreas Goggi bilanziert: „Dank unserer strategischen Aufstellung in internationalen Netzwerken können wir unserem Motto treu bleiben: lokal denken, global han◀ deln.“
Die Brigl Group mit rund 80 Mitarbeitern und 70 Subunternehmern garantiert seinen Kunden direkte Ansprache, persönliche Betreuung und höchste Flexibilität
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The green machine Steigende Spritpreise und wachsendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein lassen die Trendkurve der E-Bikes auch in Südtirol nach oben zeigen. Für Sportler unerklärbar. Wir erklären den Boom.
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einstecken, aufladen, losfahren. Die moderne Fortbewegung wird elektrisch. Egal ob Autos oder Motorroller – aktuelle Studien belegen: Die Zukunft von elektrobetriebenen Fortbewegungsmitteln beginnt jetzt! Es ist der Strom, der unser Straßenbild in den kommenden Jahren prägen wird. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zeigt, dass es bereits heute einen Markt für jährlich 100.000 Elektroautos allein in Europa gibt. Während sich die Autoindustrie noch an fiktiven Zahlen orientiert, hat ein anderes Gefährt be-
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reits Rekordzahlen geschrieben. Was anfangs noch als Randgruppe gegolten hat, ist mittlerweile zum Szene-Accessoire mutiert. Wir sprechen von den E-Bikes. Zu Deutsch Elektrofahrräder. Fahrräder, die die Muskelkraft beim Treten bei Bedarf durch einen kleinen Elektromotor unterstützen. Der Strom kommt aus der mitgelieferten Batterie, das Ladegerät an der Haushaltssteckdose ersetzt die Tankstelle. Mittlerweile haben auch die Fahrzeughersteller darauf reagiert – Peugeot oder Porsche sind mit eigenen Modellen bereits in den Markt eingestiegen.
HÖHENTRAINING. Das Stilfser Joch, Kö-
nig der Pässe, 48 Kehren, 1800 Höhenmeter, Steigungen von bis zu 13 Prozent. Tag für Tag überwinden Hunderte von trainierten Radsportfanatikern diese Passstraße. So auch Anfang Juli: Unter der glühenden Sonne schuften und schnaufen sie die Bergstraße hoch. Sie loten ihre Grenzen aus. Gehen ans Äußerste. In ihrer Mitte Umberto Marchese, 79 Jahre alt. Am Morgen ist er in Arco gestartet, jetzt geht es für ihn rauf auf das Stilfser Joch. Einen Senior hat man ihn am Start genannt, einen Unverbesserlichen, der mit den jun-
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„Sein Reha-Image hat das Elektrofahrrad längst verloren …“
gen Athleten mithalten möchte. Einen Mann, dem niemand eine Chance gibt. Umso verwunderter die Blicke oben am Pass: Er hält mit bis ans Ende. Er schafft die 251,28 Kilometer und 2500 Höhenmeter. Wie ist das möglich, fragen sich viele toptrainierte Athleten verschwitzt. Ganz einfach: Umberto Marchese erhält mit seinem Frisbee Softbike elektrische Unterstützung beim Treten. Insgesamt hat er bereits 50.000 Kilometer zurückgelegt, war mit dem Frisbee in Dänemark, Argentinien oder Santiago de Compostela. TRENDKURVE ZEIGT NACH OBEN. Das
Prinzip seines Fahrrads heißt „Pedelec“ – Pedal Electric Cycles – und elektrisiert derzeit die gesamte Branche. Laut ZIV (Zweirad-Industrie-Verband) gingen europaweit 2009 rund 500.000 solcher Geräte über die Ladentische. Für 2010 rechnet man in Österreich mit einer Verdopplung der Verkaufszahlen gegenüber 2009, was bedeuten würde, dass jedes zwanzigste verkaufte Fahrrad mit einem Elektromotor ausgerüstet ist. In Frankreich sieht es ähnlich aus. 2009 wurden hier 23.700 EBikes verkauft, gegenüber 15.300 im Jahr 2008. Auch wenn die Elektro-Fahrräder damit europaweit erst einen Marktanteil von etwa zwei Prozent haben, so verdoppeln sich die Verkaufszahlen der E-Bikes praktisch jedes Jahr. Der Schweizer EBike-Pionier Biketec erwartet gar einen Boom, der mit dem der Mountainbikes vergleichbar sein wird. REHA-IMAGE ABGELEGT. Was als Seni-
oren-Bike begann und als Fahrrad mit Hilfsmotor belächelt wurde, erlebt einen Boom. „Sein Reha-Image hat das Elektrofahrrad längst verloren“, sagt Maurizio de Concini. Der Bozner ist der Erfinder des italienischen Marktführers Frisbee. 6000
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Maurizio de Concini
Maurizio de Concini, Bozen Der Akku ist im Rahmen versteckt und mit einem Schloss gesichert. Zum Aufladen nimmt man ihn heraus und steckt ihn in die Ladestation. So einfach das System, so kompliziert die Entwicklung. Das „Frisbee“ von TC Mobility ist Italiens Marktführer in Sachen E-Bike. Entwickelt und produziert wird es in Bozen. Knapp 40.000 Stück hat Erfinder Maurizio de Concini in den letzten Jahren verkauft. Mittlerweile fahren selbst die Poste Italiane oder die Polizia Statale seine Bikes. Auf die Idee gekommen ist er vor elf Jahren. „Ich war mit meinem Unternehmen Tecnocarbur 30 Jahre lang im Automobilsektor tätig, habe dort abgassparende Umrüstkits für Automotoren hergestellt. Als Tüftler hat mich das Thema Elektromobilität immer schon interessiert“, erzählt de Concini strahlend. Besonders freut ihn, dass die Räder in den Städten zirkulieren. „Sie sind extrem robust und werden nicht einfach gegen ein neueres Fahrrad ausgetauscht. Die Leute hängen daran.“
E-Bikes verlassen jährlich das Gelände des Bozner Herstellers. Insgesamt hat sein Unternehmen TC-Mobility bereits über 40.000 solcher E-Bikes verkauft. In den Fokus des Hersteller sind längst nicht mehr nur die Senioren gerückt. Inzwischen hat sich das E-Bike quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen etabliert: Die „BestAger“ zählen dazu ebenso wie Banker, die das E-Bike ohne Schweiß ins Büro bringt. In Österreich soll es bald schon möglich sein, mit dem Elektrofahrrad zum Einkaufen zu treten. Aufgetankt wird während des Einkaufs: Die Handelskette Spar hat in der Steiermark bereits 26 Filialen mit E-Tankstellen ausgerüstet. 150 weitere Geschäfte sollen folgen.
FRECH, JUNG, STYLISH. Stärkere Fede-
rung, bandscheibenschonende Sättel, futuristische Rahmen, kunterbunte Farben: Die Designansprüche der Hersteller werden immer höher. Kernstück der E-Bikes bleibt aber nach wie vor die Drive Unit, der Antriebsblock mit Elektromotor, Steuergerät und Sensoren. Laut dem deutschen Verein zur Verbreitung von muskel-elektrischen Fahrzeugen „Extra Energy“ liegen die Kosten zwischen 6 und 8 Cent pro 50 Kilometer – abhängig von der Fahrweise und den örtlichen Gegebenheiten. Eine Akkuladung kostet dann also kaum mehr Energie als zwei Minuten unter der warmen Dusche. ◀ VERENA PLIGER
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Je nach Schneehöhe kommen Räumungsfahrzeuge, Schneeschleudern oder Schneefräsen zum Einsatz
Winterdienst heute Auch wenn es in diesen hochsommerlichen Tagen keiner so recht wahrhaben will: Der nächste Winter kommt bestimmt. Damit die Sicherheit auf den Fahrbahnen gewährleistet ist, stellt die Landesabteilung für Straßendienst jetzt schon die Weichen für den kommenden Winter.
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amit der nächste Winter getrost kommen kann, hat die Landesabteilung für Straßendienst schon jetzt Vorkehrungen getroffen. Während im Freien Temperaturen von über 20 Grad herrschten, wurde Ende Mai im Bauhof Salten-Schlern in Bozen Süd zu einer Tagung geladen: „Winterdienst. Gegenwart und Zukunft“. Denn ob schneereiche und frostige Winter, Salzmangel, Kosteneinsparung oder Erwartungen der Verkehrsteilnehmer und Umweltschützer – der Straßendienst steht ständig vor neuen Anforderungen.
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INTERNATIONALE TAGUNG. Das erklär-
Zahlen und Fakten ▶ Der Straßendienst der Landesverwaltung ist für die Instandhaltung von 2.700 Kilometer Staatsstraßen, Landesstraßen und einigen Gemeindestraßen verantwortlich. ▶ Das Netz umfasst Straßen von 200 bis 2000 Meter Meereshöhe. ▶ Von Oktober 2009 bis Mai 2010 wurden auf den Straßen 38.073 Arbeitsstunden außerhalb der Dienstzeit und 272.855 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet. ▶ 47 Stützpunkte gewährleisten schnelle und effiziente Einsätze.
te Ziel der Tagung war es, diesen schwierigen Anforderungen gerecht zu werden. Experten aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und verschiedenen italienischen Provinzen gaben sich ein Stelldichein, um vor allem über neue Technologien zur Optimierung der Salzstreuung, über alternative Streu- und Auftaumittel aber auch über Umweltschutz zu informieren und diskutieren. Paolo Montagner, Abteilungsdirektor der Abteilung Straßendienst, gab in seinem Bericht Auskunft über den Stand der
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Foto: Ressort für Bauten
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Das Thema Winterdienst trifft auf großes Interesse. Das zeigte sich bei der Tagung „Winterdienst. Gegenwart und Zukunft“ im Bauhof Salten-Schlern in Bozen Süd
Stilfser Joch: Räumung unter schwierigen Bedingungen
Technik und Entwicklungen in Südtirol: „Der Straßendienst ist für die Instandhaltung von gut 2700 Kilometer Staatsstraßen, Landesstraßen und einigen Gemeindestraßen zuständig. Dies entspricht einer Entfernung von Moskau nach Bozen. Um auf diesem Straßennetz schnelle und effiziente Einsätze zu gewährleisten, haben wir im Laufe der letzten Jahre 47 Stützpunkte installiert.“ STÄNDIGE ÜBERWACHUNG. Von Okto-
ber bis Mai sind jede Nacht, jedes Wochenende, jeden Feiertag zahlreiche Straßenwärter und einige Techniker des Landesstraßendienstes in Bereitschaft. Sie gewährleisten die Überwachung des Straßennetzes. „Ich bekomme von der Bevölkerung und den Gemeindevertretern immer sehr positive Rückmeldungen über die Arbeit unseres Straßendienstes und dessen Effizienz. Es ist bemerkenswert, mit welchem Einsatz die rund 500 Straßenwärter ihren Dienst ausüben, selbst dann, wenn dieser nachts erforderlich ist“, so Landesrat Florian Mussner. Denn: Der menschliche Einsatz ist unersetzlich. Nur durch die Streuung von Auftausalz kann Schnee- und Eisglätte verhindert werden. Um bei einer Wetterverschlechterung möglichst effektiv reagieren zu können, ist aber auch eine enge Zusammenarbeit mit dem hydrografischen Amt und der Verkehrsmeldezentrale von Nöten.
„So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ MODERNSTE TECHNIK. Dank neuestem Know-how wird das Streusalz gezielter und kontrollierter eingesetzt – dem Grundsatz folgend „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Bereits 68 Fahrzeuge wurden mit einem sogenannten Thermologic System ausgestattet. Weitere 35 sollen folgen. Dank dieses speziellen Thermometers werden die minimalsten Temperaturschwankungen erkannt und an die Streuerregelung weitergegeben. Damit wird die Salzstreuung optimiert und auch reduziert und der Fahrer kann sich auf die Straßenlage konzentrieren. SICHERHEIT
GROSSGESCHRIEBEN.
Dem Verkehrsteilnehmer größtmögliche Sicherheit zu bieten, war bereits die vergangenen Jahre das erklärte Ziel des Winterdienstes in Südtirol. Interessant: Vergleicht man die Unfallstatistiken vom Winter 2008 mit jenen vom Sommer 2008, so hat sich die Zahl der Verkehrsunfälle im Winter um die Hälfte reduziert. UMFANGREICHE KOMPETENZEN. Dem
Straßendienst obliegt aber nicht nur der
Winterdienst sowie die Instandhaltung, Kontrolle und Sanierung von Straßen, Tunnels und Brücken, sondern auch die Vorbeugung und Behebung von Schäden, ausgelöst von Naturereignissen. Dazu kommt die Wartung von Tunnelanlagen, die Straßenbeschilderung, die Begutachtung und Genehmigung von Sondertransporten. UMWELTSCHUTZ. Die Wahrung der Um-
welt ist für den Landesstraßendienst essenziell. Immer wieder werden durch innovative Projekte und Studien umweltfreundliche Technologien getestet. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Wiederverwertung von Baumaterialien im Straßensektor. Ein weiteres Beispiel sind Untersuchungen, bei denen Versuchspflanzungen mit salztoleranten Arten durchgeführt werden. Sie sollen die straßennahe Vegetation vor den Auswirkungen der Auftaumittel schützen. In Zukunft möchte der Landesstraßendienst bereits bei der Neugestaltung von Straßen solche salztoleranten Pflanzenarten einsetzen. ◀
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Abteilung 12 Straßendienst Landhaus 2 (Crispistraße 2) 39100 Bozen Tel. 0471 41 26 00 Fax 0471 41 26 36 www.provinz.bz.it/strassendienst
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Powered by Hofer Johann Hofer ist dabei, Geschichte zu schreiben. In einem Sektor, der so hart umkämpft ist wie kein anderer: in der Automobilindustrie. Genauer gesagt in der aussichtsreichen Elektromobilität. Südtirol Panorama hat den gebürtigen Olanger zum Interview getroffen und mit ihm über die Zukunft auf vier Rädern gesprochen, über Siege, harte Niederlagen und das beinahe Ende seiner Ehe.
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ie Bombe platzt. 10 Uhr Vormittag im TIS innovation park in Bozen. An die 60 Personen sitzen in der Fachtagung „Elektromobilität - Was uns in Zukunft bewegt“. Während Experten erklären, was sich hinter diesem Begriff versteckt und welche Möglichkeiten uns Elektrofahrzeuge in Zukunft bieten werden, wartet ein Referent mit einer Sensation auf. „Wir haben den Antrieb, die Software, das Getriebe und die Leistungselektronik eines elektrobetriebenen Sportfahrzeuges entwickelt.“ Um welches Fahrzeug es sich handelt, darüber darf er nicht sprechen. Noch nicht! Dieser Referent ist kein US-amerikanischer Forscher, sondern ein Unternehmer, der seine Wurzeln in Olang hat und seit zwei Jahren in Eppan wohnt. Johann Hofer ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der hofer AG in Oberboihingen nahe Stuttgart. Eine Unternehmensgruppe aus 12 Gesellschaften, die sich als Spezialist von Antriebstechniken für Pkw, Lkw und andere Kraftfahrzeuge international einen Namen gemacht hat.
Johann Hofer ist mit der deutschen Unternehmensgruppe hofer AG einer der erfolgreichsten Südtiroler im Ausland
GEHEIMHALTUNG. Ein Südtiroler also
SÜDTIROL PANORAMA: Ihr Unternehmen hofer powertrain ist Serienentwickler für konventionelle und alternative Antriebssysteme, vor allem für die deutsche Automobilindustrie aber auch für die Branchen Motorrad, Nutzfahrzeuge und Off-Highway. Jetzt wollen Sie ganz vorne mit dabei sein bei der Entwicklung von Elektroantrieben. Wird Ihnen der Durchbruch gelingen?
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Foto: O. Seehauser
soll der Automobilindustrie zu einer Pionierleistung verhelfen. Im anschließenden Interview mit Südtirol Panorama darf Johann Hofer aus Gründen der Geheimhaltung darüber nicht mehr sprechen. Geht es um neue Aufträge in der Automobilindustrie, ist Diskretion gefragt.
MOBILITÄT JOHANN HOFER: Was wir machen, ist
ja nichts Neues. Wir mischen einfach bewährte Technologien und bereiten diese marktgerecht auf. Im Moment haben wir eine sehr gute Ausgangssituation, denn im Segment Antriebsaggregate entsteht langsam eine Wettbewerbssituation und wir können uns beweisen, vor allem da wir in manchen Technologien bereits einen Schritt weiter sind und Kompetenzen besitzen, die momentan auf dem Markt in dieser Konstellation kein zweites Mal aufzufinden sind. Wir haben es in den letzten zehn Jahren geschafft, eine Mannschaft zu rekrutieren, die auf die Technologien von morgen vorbereitet ist. Das sind teilweise komplette Mannschaften, die von namhaften Zulieferern zu hofer gewechselt sind. Wie haben Sie es geschafft, komplette Mannschaften zu rekrutieren?
Als Unternehmer muss man den richtigen Riecher haben, welche Qualifikationen man in 10 bis 15 Jahren benötigt. Ich kann heute niemanden einstellen, den ich heute brauche, aber nicht weiß, wo ich ihn morgen einsetzen kann. Eine der größten Herausforderung in unserem Business ist es also, die Trends und zukünftigen Diskussionen der Industrie einschätzen zu können und die passende Qualifikation von Leuten zu identifizieren. Nur dann bin ich schneller als meine Mitbewerber. Mein Prinzip lautet, keine Einzelpersonen einzustellen, sondern nur Führer, die auch bereit sind, ihre Mannschaft mitzubringen. Denn ein guter Führer lässt sein Team nie in Stich und umgekehrt.
„Wer Misserfolg hat, kann kein vorbildlicher Partner mehr sein und wird unausstehlich …“ Johann Hofer
se, unsere Einnahmequellen so aufzubauen, dass sie nicht gleich bei jedem Windstoß, das heißt bei jedem Auftragsrückgang, kippen. Von daher muss ich möglichst viele verschiedene Einnahmequellen aufbauen, die mir über die Jahre kontinuierlich Geld einspielen. Im Moment sind wir so aufgestellt, dass unser Umsatz um rund 40 Prozent einbrechen darf, ohne dass wir Mitarbeiter entlassen müssen. Selbst in den letzten Jahren, die von einer sehr schwierigen Marktposition geprägt waren, hat es bei hofer keine Entlassungen gegeben. Worauf führen Sie dieses Plus zurück?
Auf unsere Kompetenz. Wir haben Kompetenzen aufgebaut, die unser Kunde unbedingt benötigt, auf die er nicht verzichten kann und sich damit auch
Um wie viel Prozent ist Ihr Eigenkapital denn gestiegen?
Zahlen darf ich leider noch keine nennen. Aber wir arbeiten nach der Devi-
Sie sprechen also von einer nächsten Krise in bereits vier Jahren – wie kann sich die Automobilindustrie da überhaupt noch richtig erholen?
Wir haben einen Rhythmus in der Wirtschaft, der immer wieder rauf und dann wieder runter geht. Das ist ganz normal – es scheint auch nicht jeden Tag die Sonne. Wie stark wir die Krise 2014/2015 erleben werden, wissen wir heute noch nicht. Deshalb ist es unser Ziel, bis 2014 alle Verpflichtungen abzubauen, um die Krise ohne Zinsbelastung erfolgreich zu meistern.
Der elektrische Antrieb Ihr Unternehmen hatte nicht immer solche Glanzzeiten. Sie standen auch schon nah am Abgrund.
Stichwort Finanzkrise: Experten glauben, dass die Autobranche erst 2014 wieder Normalniveau erreichen wird. Wie stark hat denn die Krise Ihr Unternehmen getroffen?
Wir haben heute mehr Liquidität als noch vor zwei Jahren. Unser Stammkapital liegt bei 9,6 Millionen Euro. Wir leben nicht auf Pump und investieren nur so viel, wie wir uns leisten können. Das entspricht zwar nicht einer modernen Betriebswirtschaftslehre, macht uns aber unabhängig.
nicht für günstigere Mitbewerber entscheidet. Das Entscheidende ist, Dinge zu können, die andere nicht können. Um unser Kompetenzfeld auszubauen und langfristig weiterzuentwickeln, rekrutieren wir kontinuierlich neue Teams und neue Partnerunternehmen, die sich an der AG meistens auch beteiligen können. Die hofer AG hat heute knapp 72 solcher Partner und an die 500 Mitarbeiter. Unsere Priorität lautet, das Überleben der Firma auch während der nächsten Krise, die spätestens 2014 oder 2015 eintreten wird, zu sichern. Das heißt, auch wenn wir kurzfristig keine Gewinne mehr erzielen können, müssen wir am Markt bestehen bleiben, um dann gestärkt den neuen Herausforderungen entgegenzutreten.
Hocheffiziente elektrische Antriebe sind entscheidend für Hybrid-, Brennstoffzellen- oder E-Fahrzeuge Seit über zehn Jahren bietet hofer powertrain Gesamtlösungen für die Entwicklung und die Integration von elektrischen Antriebssystemen: ▶ Konzepte – von der Simulation elektrischer Systeme bis zum Prototyp ▶ Serienentwicklung – Design, Simulation, Erprobung und Absicherung für Serie ▶ Prozessplanung und Absicherung des Serienanlaufes
Das stimmt. Kurz nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 hat es in meinem Leben einen sehr kritischen Moment gegeben. Ich hatte kurze Zeit vorher in Westdeutschland in Produktions- und Sondermaschinen investiert. Mit dem Mauerfall sind diese dann von heute auf morgen auf rund 40 Prozent der Kalkulationsgrundlage gesunken. Die Banken haben dann noch den Zins erhöht und ich bin geradewegs in eine Falle gestürzt. Neu aufstellen konnte ich mich nur mit frischem Kapital, wobei ich von den Banken nichts mehr erwarten konnte. Wie ist Ihnen die Erholung gelungen?
Ich habe von meiner Familie, allen voran von meinen Geschwistern, eine sehr
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MOBILITÄT sonen rekrutiert, die sich mit diesem Thema die vergangenen Jahre intensiv beschäftigt haben und Serienerfahrung besitzen. Es sind dies alles weißhaarige Größen, die unsere jüngere Generation entscheidend begleiten werden.
Foto: O. Seehauser
Bereits vor drei Jahren haben Sie von einem möglichen Börsengang der hofer AG gesprochen. Ist dieser Plan nach wie vor aktuell?
„Wir sind im Moment so aufgestellt, dass wir aus finanziellen Gründen gar nicht erst an die Börse müssten“, erzählt Johann Hofer beim Interview strahlend
starke Unterstützung erfahren. Damit konnte ich gerade noch die Kurve kratzen. Es war eine schwierige Phase, eine typische Phase, in der auch Ehen zerbrechen. Wer Misserfolg hat, kann kein vorbildlicher Partner mehr sein und wird unausstehlich – ich zumindest. Zum Glück hat meine Ehe gehalten und auch das Unternehmen konnte ich wieder aufbauen. Haben Sie zu der Zeit auch Mitarbeiter entlassen müssen?
98 Prozent der Mitarbeiter haben mein Unternehmen nicht verlassen, auch wenn ich nicht garantieren konnte, die Gehälter pünktlich auszuzahlen. Für mich war dies ein sehr positives Signal, denn solange deine Soldaten zu dir stehen, kannst du als Unternehmer Siege einfahren. Seither finanziere ich mein Wachstum bankenunabhängig. Sie haben im August 2008 ein Entwicklungszentrum in Würzburg eröffnet, das sich auf die Entwicklung elektrischer Fahrantriebe für Hybrid- und Elektrofahrzeuge konzentriert. Wollen Sie das schaffen, woran bereits so viele vor Ihnen gescheitert sind?
Für hofer powertrain bedeutet dieses Projekt einen wichtigen Schritt in den zukunftsträchtigen Bereich der Hybridfahrzeuge. Die Kompetenzen im Bereich von Antriebssystemen werden
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nun um die elektrische Hybridisierung ergänzt. Das ermöglicht nicht nur einen Wettbewerbsvorteil bei bestehenden Kunden, sondern weckt ebenfalls das Interesse bei neuen Kunden, die in diese Technologie investieren wollen und müssen. Hierfür haben wir Per-
Der Tüftler will an die Börse. Die Firmengruppe hofer mit Hauptsitz in Oberboihingen nahe Stuttgart ist im Sondermaschinenbau und in der Fahrzeugentwicklung tätig. Gegründet wurde es als Engineering-Unternehmen im Jahre 1980. Gründer und heutiger Vorstandvorsitzender ist der gebürtige Olanger Maschinenbauingenieur Johann Hofer. Die hofer Aktiengesellschaft beschäftigt in zehn Gesellschaften rund 500 Mitarbeiter. Davon können 44 Prozent ein technisches Studium als Ausbildung nachweisen. Heute kennzeichnen die Entwicklung und Industrialisierung von Systemen für den Antriebsstrang, die Entwicklung und der Bau von Mess-, Prüf- und Montagetechnik sowie die Prozessentwicklung, die Fertigungsplanung und das Qualitätsmanagement das Leistungsportfolio der hofer AG. Damit ist das Unternehmen ein Spezialist in Antriebstechnik, Elektronik und Lichttechnik für Pkw, Lkw und andere Kraftfahrzeuge. Seit drei Jahren hat die Gruppe auch eine Niederlassung im TIS innovation park in Bozen. Das Team mit sechs Mitarbeitern hat zum Ziel, den italienischen Markt zu erkunden und entsprechende Partnerunternehmen zu identifizieren. „Wir sind auf Lauerstellung und haben hier in Bozen mit der Hybridsimulation auch ein eigenes Kompetenzfeld gegründet“, erklärt Johann Hofer.
Nach wie vor ist der Börsengang ein Schwerpunktthema. Wobei wir im Moment so aufgestellt sind, dass wir aus finanziellen Gründen gar nicht erst an die Börse müssten, da wir momentan unser gesundes Wachstum aus eigener Kraft finanzieren können. Trotzdem bereiten wir diesen Plan im Moment in kleinen Schritten vor, um dann im richtigen Moment einzusteigen, dadurch eine ‚Kriegskassa‘ zu errichten, um unsere Erfolg versprechende Projekte umzusetzen. Da wir die interne Börsenreife bereits erreicht haben, wären wir innerhalb von sechs Monaten startklar. Deutschland möchte bis 2020 rund eine Million Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen. Auf Chinas Straßen dagegen soll bereits in zwei Jahren eine Million Elektrofahrzeuge durch die Straßen rollen. Warum verläuft die Entwicklung in Europa so langsam?
In Asien werden Autos vor allem für die lokalen Märkte entwickelt. Ein sehr erfolgreiches Beispiel ist das Billigfahrzeug Tata Nano in Indien. Das Unternehmen Tata hat es für eine Kundschaft entwickelt, die im Moment noch kaum Ansprüche stellt. Deshalb konnte man eine vereinfachte Technik einsetzen, die den niedrigen Preis von rund 1500 Euro erklärt. Diese Technik würde kein europäischer Fahrzeuglenker akzeptieren. Was schätzen Sie: Wann werden wir in Europa mehrheitlich mit Elektrofahrzeugen unterwegs sein?
Bis 2020 und darüber hinaus werden die Verbrennungsmotoren dominieren. Experten gehen sogar davon aus, dass sich selbst 2030 die Zahl noch im einstelligen Prozentbereich bewegen wird. ◀ INTERVIEW: VERENA PLIGER
MOBILITÄT
Der Saubermann Mercedes widerlegt mit dem ML 350 BlueTEC das alte Bild des spritfressenden Geländewagens. Der „sauberste Diesel der Welt“ ist umweltfreundVON GEORG MAIR lich und ein Kraftpaket mit schnittigem Design.
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ercedes-like hochwertig und edel. So präsentiert sich auch diese ML-Klasse. Aber wo sind noch mal Schaltknüppel und Handbremse? Ich dachte nicht, dass ich mir diese simple Frage einmal stellen müsste. In der Mittelkonsole? Fehlanzeige! Mein Blick gleitet über das Armaturenbrett – das Lenkrad! Dort entdecke ich den gesuchten Schaltknüppel. Und nicht unweit davon zeigt sich auch die Handbremse: Sie wird per Tastendruck unter dem Lichtschalter betätigt. Suche abgeschlossen, Problem behoben. Linken Blinker setzen, ein kurzer Blick in den Spiegel und das Abenteuer im Saubermann kann beginnen.
SPRITZIG. Aber wie fährt
Foto: Alexander Alber
SAUBER. Ich sitze in einem der wenigen Geländewagen, der bereits heute die Abgasnorm EU6 erfüllt. Gepriesen wird das Kraftpaket als einer der momentan saubersten Diesel der Welt. Sein Name: Mercedes ML 350 BlueTEC. Um den 3-Liter-Diesel auf eine derart saubere Fahrt zu schicken, verwendet Mercedes neben einem Partikelfilter noch den SCR-Kat, der die giftigen Stickoxide unschädlich macht (siehe Kasten). Das ökologische Gewissen lässt sich dadurch schon einmal beruhigen. Da sauber aber nicht gleich sparsam heißt, werde ich kurz stutzig. Völlig zu unrecht, wie sich auf den ersten 100 Kilometern herausstellt. Auch wenn die Hersteller generell dem Trend folgen, den Verbrauch von Geländewagen zu drosseln, ist die 2,1 Tonnen
schwere M-Klasse mit 9,1 Liter auf 100 Kilometer noch im grünen Bereich. Im Vergleich: Ein Range Rover TDV8 benötigt für dieselbe Strecke 11,1 Liter. Der Mercedes beschmutzt also auch in Sachen Umwelt seine weiße Weste nicht.
Als sauberer Diesel präsentiert sich der ML 350 BlueTEC vor einer kleinen Kirche in Pfalzen
Mercedes ML 350 BlueTEC 4MATIC ▶ Hubraum: 2.987 cm3 ▶ Motor: V6 Diesel mit Turbolader ▶ Leistung: 211 PS (155kW) ▶ Drehmoment: 540 Nm bei 1600-2400 U/min ▶ Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h ▶ Beschleunigung 0-100 km/ h: 8,7 Sekunden ▶ Antrieb: permanenter Allradantrieb ▶ Durchschnittlicher Verbrauch (laut Werk): 11,9-12,2/6,77,2/8,7-9,1* ▶ CO2-Emissionen: 231-239 g/ km ▶ Leergewicht: 2185 kg ▶ Anhängelast (gebremst): 3500 kg ▶ Maße(l/b/h): 4,78/1,9/1,81 m ▶ Grundpreis: ab 62.000 Euro *innerorts/außerorts/gesamt
Stickoxidkatalysator(SCRKat): Durch diesen Katalysator erreichen die Entwickler von Mercedes, dass die von den Dieselmotoren produzierten Stickoxide (NOx) unschädlich gemacht werden. Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Dem Abgasstrom wird eine wässrige Harnstofflösung namens AdBlue zugeführt. In der Umgebung der Abgase zerfällt dieser Harnstoff zu Ammoniak, mit dessen Hilfe die Stickoxide in harmlosen Stickstoff und Wasser umgewandelt werden. Die Harnstofflösung wird in einem Tank gespeichert, der von der Werkstatt bei jedem Service aufgefüllt wird. Mercedes hat dieses System vor allem entwickelt, um die ab 2014 geltende Abgasnorm EU6 zu erfüllen.
sich dieses saubere Technikfeuerwerk? Verblüffend normal, das heißt nicht anders als der ML mit herkömmlichem Dieselmotor. Bereits die ersten Meter auf der Autobahn von Bozen nach Brixen präsentiert sich der Mercedes als ein König des Fahrkomforts. Der Geräuschpegel ist niedrig, ich fühle mich wie von einer Schutzhülle umgeben. Selbst wenn ich auf der engen Pustertaler Straße mit Vollgas zum Überholen ansetze, wird der ML einfach nicht laut. Nachdem ich die anderen Autos hinter mir gelassen habe, gleite ich beinahe schwebend über das Pfalzener Hochplateau. Das Fahrwerk zeigt sich selbst auf dem steilen Feldweg nahe Kiens gänzlich unbeeindruckt von Schlaglöchern oder Unebenheiten. STILVOLL. Das Fazit: Ein Al-
leskönner, der in allen Lebenslagen eine gute Figur macht – ob in der Brunecker Altstadt, auf der unwegsamen Obstwiese oder dem steinigen Anstieg zur Almhütte. Der ML 350 BlueTEC vereint Stil und Offroad-Künste mit sauberen Abgasen und einem niedrigen Verbrauch – was will man mehr? ◀
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Foto: suedtirolfoto.com/Udo Bernhart
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Pilotprojekt an der Rienz Ende Mai ist ein weiterer Schritt zur Verbesserung des Straßennetzes im Pustertal erfolgt: Mit dem Durchstich des Tunnels unter der Sonnenburg ist ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zur Realisierung der Umfahrung bei St. Lorenzen gelungen. Ein Überblick.
N
ach fast zweijähriger Bauttätigkeit erfolgte Ende Mai der lang ersehnte Tunneldurchstich unter der Sonnenburg bei St. Lorenzen. „Damit“, so unterstreicht Bautenlandesrat Florian Mussner, „ist ein weiterer Meilenstein für den Bau der Umfahrungsstraße für die Ortschaft Sonnenburg gelegt worden.“
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HERZSTÜCK. Die Unterführung ist das
Herzstück der neuen Umfahrung der Pustertaler Staatsstraße und ein wichtiger Teil des umfassenden Projekts zum Ausbau der gesamten Pustertaler Straße. Die Untertunnelung besitzt eine Gesamtlänge von 610 Metern und besteht aus zwei voll überdachten Straßenabschnitten sowie den beiden Untertunnelungen unter
dem Amtmannbühel und der Sonnenburg. TECHNISCHE HERAUSFORDERUNG. Die
Untergrabung der Sonnenburg war kein leichtes Unterfangen. Von Anfang an war sie mit einigen technisch sehr komplexen Schwierigkeiten verbunden: Denn das jahrhundertealte ehemalige Kloster, das
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Foto: Ressort für Bauten
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2.
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mittlerweile zu einem Hotel umfunktioniert wurde, steht unter Denkmalschutz. Absolute Vorsicht war also geboten, um die alten Gemäuer nicht zu beschädigen. Zu Beginn hat man für die Untertunnelung eine traditionelle Bauweise gewählt. Nachdem sich aber erste kleine Schäden am denkmalgeschützen Gebäude zeigten, wurden die Arbeiten sofort eingestellt. INTERNATIONALE EXPERTEN. Geolo-
gen und international anerkannte Universitätsprofessoren wie Giovanni Barla vom Politecnico in Turin wurden zurate gezogen.
Foto: Ressort für Bauten
1. Das wunderschön gelegene ehemalige Kloster Sonnenburg 2. Neue Unterführung durch den Amtmannbühel und den Sonnenburghügel 3. Die Tunneltrasse unter der Sonnenburg
3. Zahlen und Fakten Das Projekt umfasst den 1.640 Meter langen Straßenabschnitt, der von der Zufahrt West nach Sonnenburg bis zur Peintner Brücke über die Rienz führt. Der Tunnel weist eine Gesamtlänge von 610 Metern auf und besteht aus vier Abschnitten: ▶ 70 m Galerie in offener Bauweise ▶ 310 m Tunnel in bergmännischer Bauweise unter dem Sonnenburghügel ▶ 125 m Galerie in offener Bauweise zwischen dem Sonnenburghügel und dem Amtmannbühel
▶ 105 m Tunnel in bergmännischer Bauweise unter dem Amtmannbühel Nachdem die Arbeiten im September 2008 übergeben wurden, kam es im Februar des darauffolgenden Jahres zu einer totalen Einstellung der Arbeiten, nachdem Beschädigungen an der Sonnenburg verzeichnet wurden. Im September 2009 wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, die Freigabe für den Verkehr ist für Ende dieses Jahres vorgesehen.
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„Um vergleichbare Messungen für den Durchbruch unter der Sonnenburg zu haben“, erklärt Gustav Mischi, Direktor des Amtes für Straßenbau Nord-Ost, „wurde zuerst die Untertunnelung des Altmannbühels vorangetrieben. Dieser besteht aus demselben Fels wie der Sonnenburghügel. Damit konnten wir das Verhalten des Sonnenburghügels rekonstruieren.“
Foto: Ressort für Bauten
Sichtlich erfreut: Das Bauteam nach dem Tunneldurchstich
Erfolgreiche Teamarbeit
„Durch die hervorragende Arbeit der Techniker ist das Kulturgut intakt geblieben.“ Florian Mussner
Der Sonnenburgtunnel war kein leichtes Bauvorhaben. Welche Schwierigkeiten es gab, erklärt Bautenlandesrat Florian Mussner im Interview. FORTLAUFEND OPTIMIERT. Die Aus-
wertung der Messungen, die geologischen Untersuchungen und die Erstellung eines seismischen Models für das gesamte Gelände ermöglichten es, die Planung für den Sonnenburgtunnel fortlaufend zu optimieren. Dadurch konnten im September 2009 die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Voraussichtlich Ende 2010 wird die Umfahrung für den Verkehr freigegeben.
FLORIAN MUSSNER: Bei diesem Teilstück der Pustertaler Staatsstraße hat es immer einige große Probleme gegeben. Um diese zu lösen, war eine rasche Intervention nötig. Da man aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens von 16.000 bis 22.000 Autos täglich unmöglich die Straße einfach sperren konnte, haben wir uns zu dem Tunnelbau entschieden. Denn wir wollten auf keinen Fall, den Verkehr direkt über die Sonnenburg umleiten. Es gab allerdings auch einige technische Schwierigkeiten.
Während der Arbeiten löste sich ein Teil eines Freskos der Sonnenburg. Die Arbeiten wurden umgehend eingestellt. Durch die Zusammenarbeit von unseren Technikern, Universitätsprofessoren, aber auch die positive Einstellung des SonnenburgBesitzers und die Kooperation der Gemeindeverwaltung ist es uns ge-
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Foto: Alexander Alber
SÜDTIROL PANORAMA: Der Sonnenburgtunnel wird als Herzstück der Umfahrung bezeichnet. Warum ist dieses Projekt so wichtig?
PILOTPROJEKT. Der Durchbruch erfor-
Gewappnet für ähnlich schwierige Projekte: Landesrat Florian Mussner
lungen, ein neues Arbeitsprogramm auszuarbeiten. ... das sich schließlich zu einem Pilotprojekt entwickelt hat, oder?
Ja, wir sind nun auch für zukünftige Projekte gewappnet, weshalb ich diesem Projekt auch einiges Positives abgewinnen kann. Wir werden noch einige Gelegenheiten haben, die hier gewonnenen Erkenntnisse bei anderen Bauvorhaben einzusetzen. INTERVIEW: SILVIA OBERRAUCH
derte einen hohen technischen Aufwand. Durch dieses Pilotprojekt können ähnlich komplexe Arbeiten in Zukunft leichter realisiert werden. Die Anrainer zeigen sich zufrieden und sind sich einig: Die Umfahrung schafft durch das verringerte Verkehrsaufkommen eine höhere Lebensqualität für die dort lebende Bevölkerung und die Sonnenburg bleibt den zukünftigen Genera◀ tionen unversehrt erhalten.
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Abteilung 10 Tiefbau Landhaus 2 (Crispistraße 2) 39100 Bozen Tel. 0471 41 23 60 Fax 0471 41 23 61 www.provinz.bz.it/tiefbau
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Green Research Nachhaltigkeit, alpiner Lebensraum und Energieeffizienz – daran wird an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen geforscht. Wie sich die naturwissenschaftlichtechnische Forschung die kommenden Jahre verändern wird, erklärt Marco Baratieri im Interview.
Foto: Alexander Alber
Marco Baratieri ist Dozent und Forscher an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Freien Universität Bozen
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m Mittelpunkt der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik steht der Erwerb und der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in den Sektoren Agrarwirtschaft, Umwelt, Energie und Wirtschaftsingenieurwesen für Material und Logistik. Die Vorinskriptionen für das kommende Semester laufen noch bis 10. September. Der Umweltingenieur und Dozent Marco Baratieri über die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bauwesen – von der Forschung bis zur Lehre. SÜDTIROL PANORAMA: In welche Richtung wird an der Freien Universität im Bereich „Green Energy“ geforscht?
die etwa in Aufbereitungsanlagen entstehen. Ich erforsche, ob und wie man diese Materialien verwerten und in Energie umwandeln kann. Neben diesem Forschungsbereich sind Sie aber auch ein Spezialist im Bereich Energieeinsparung und Wärmedämmung. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Energieeffizientes Bauen ist das Schlüsselwort. Ich konzentriere mich auf den Rohstoff Holz und seine Eignung als Dämmstoff – nicht zuletzt, weil das Material eine regionale Relevanz besitzt. Dieser Bereich ist mir deshalb so wichtig, da man sowohl auf die Energieversorgung als auch auf die Dämmung des Gebäudes einwirken kann.
und eine Übersicht über erneuerbare Energiequellen. Der Masterstudiengang „KlimaHaus“ hingegen bietet die Möglichkeit, Wissen auf dem Gebiet des energiesparenden Bauens zu vertiefen und sich im Bereich Neu- wie auch Umbauten zu spezialisieren. Wie wird sich die Energieversorgung in den kommenden Jahren verändern?
Die Zukunft liegt sicher in der Zusammenführung und Nutzung unterschiedlichster Energiequellen. Zurzeit werden in Italien nur rund 10 Prozent der erneuerbaren Energieressourcen genutzt, wobei die Wasserkraft den größten Teil ◀ ausmacht.
MARCO BARATIERI: Ich beschäftige
mich mit Prozessen zur Energiegewinnung aus regenerativen Energiequellen, wobei mein besonderes Augenmerk der Biomasse gilt. Hier widme ich meine Forschungstätigkeit vor allem dem Bereich Holzabfälle und Abfallprodukte,
Die Forschung und Lehre gehen an der Freien Universität Hand in Hand: Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Kurse?
Im Bachelorprogramm Logistik- und Produktionsingenieurwesen vermittle ich Grundlagen der Thermodynamik
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Freie Universität Bozen Universitätsplatz 1, 39100 Bozen Tel. 0471 01 21 00 info@unibz.it www.unibz.it
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Foto: Cpmmons/wikimedia
GREEN ENERGY
Ambitioniertes Projekt in der Wüste: Die Desertec-Skizze einer möglichen Infrastruktur für eine nachhaltige Stromversorgung in Europa, dem Nahen Osten (the Middle East) und Nordafrika (kurz: EU-MENA)
Desertec wird immer konkreter Vor rund einem Jahr wurde das Projekt „Desertec“ vorgestellt – und sorgte für weltweites Aufsehen. Strom aus quadratkilometergroßen Hohlspiegelkraftwerken in der Sahara: Was als utopisches Wunschdenken einiger Wissenschaftler galt, nimmt nun konkrete Formen an. ZWÖLF WIRTSCHAFTSGIGANTEN, unter anderem die
Deutsche Bank, Siemens, die Energiekonzerne E.ON und RWE, schlossen sich zur „Desertec Industrial Initiative“ (DII) zusammen. Erklärtes Ziel ist es, bis 2050 insgesamt 15 Prozent des europäischen Energiebedarfs aus
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der afrikanischen Wüste zu holen. Es ist ein ebenso ambitioniertes wie kostspieliges Projekt. 400 Milliarden Euro gilt es zu mobilisieren, um den Wüstenstrom mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung nach Europa zu bringen. Der Niederländer Paul van Son, Chef des Desertec-Konzerns, relativierte erst kürzlich diese Summe: Sie sei lediglich eine Schätzung in einem denkbaren Szenario, wie hoch die Gesamtinvestitionen sein werden, könne niemand genau sagen. Fakt hingegen ist, dass die eingesetzten Technologien zwar schon funktionieren, die Preise
aber noch nicht akzeptabel sind. Sowohl bei der Solarthermie als auch bei der Fotovoltaik liegen die Kosten deutlich über dem Marktniveau. Das heißt: Rentabilität gleich null. Van Son zeigt sich dennoch zuversichtlich: Die Kosten werden sich in den nächsten zehn Jahren halbieren. Es ist ein anspruchsvolles Projekt, sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus wissenschaftlicher Sicht. Vor allem müssen aber politische Hürden genommen werden. Beispielsweise müssen Abstimmungen mit all jenen Ländern getroffen werden, durch die der Strom später fließen soll. Ebenso müsse mit den nordafrikanischen Staa-
ten verhandelt werden, schließlich würden die dort lebenden 200 Millionen Menschen zuerst mit Strom versorgt werden. KURZFRISTIGES ZIEL des De-
sertec-Konzernes ist es, so schnell wie möglich ein Demonstrationsprojekt in Betrieb zu nehmen. Wegen der bereits bestehenden Stromtrasse von Gibraltar nach Spanien ist das Erstlingsprojekt in Marokko geplant. Mit einer gigantischen Anlage soll nachgewiesen werden: je größer die Anlage, desto niedriger die Kosten. Damit wird Desertec immer interessanter für potenzielle Investoren.
Die Kombination aus Branchenvorreiter im gutem Gewissen und Hinblick auf eine reguten Renditen wird cyclingfähige ProduktAnlegern bei Investigestaltung oder schafft tionsentscheidungen sie neue Ausbildungsimmer wichtiger. Welund Arbeitsplätze. che grüne Anlage sich Gelistet ist auch die trendige Kaffeehauslohnt, kann man am kette Starbucks. Sie Natur-Aktien-Index, Starbucks-Chef Howard Schultz kurz NAI, ablesen. bietet fair gehandelten 30 weltweite sozialBio-Kaffee nicht nur ökologische Vorreiterunterneh- an, sondern fördert auch den Anmen aus unterschiedlichsten bau des ökologischen Kaffees. Ein Branchen sind darin seit 1997 weiteres NAI-Kriterium: Bei Stargelistet. Ausgewählt wurden sie bucks werden keine gentechnisch nach besonders strengen Krite- veränderten oder hormonbehanrien: Ist die Firma zum Beispiel delten Produkte angeboten.
Werberaum.at
Die faire Aktie
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6.000
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Foto: NAI
5.000
Sep. 09
4.500 Nov
Jan 10
März
Mai
Starke Performance: Der Natur-Aktien-Index NAI fiel im letzten Jahr selten unter 5000 Punkte
Elektronik: Wer ist wie grün?
Foto: Greenpeace
Auch in diesem Jahr ganz vorne im Ranking: Der Handyriese Nokia
Mittels eines Indexes macht Greenpeace weltweit agierende Großkonzerne darauf aufmerksam, klimafreundliche Produkte herzustellen und auf umweltschädliche Stoffe in ihren Produkten zu verzichten. Das Ranking „Guide to Greener Electronics“ wurde 2006 eigens dazu ins Leben gerufen, um dem Konsumenten zu zeigen, wer wie „grün“ ist. Viermal im Jahr erscheint seither die Liste der achtzehn Top-Hersteller von TV-Geräten, Spielkonsolen, Handys und Computern.
Ein klares Zeichen für die Zukunft der Energie in Südtiroler Unternehmen. Energie können Sie jetzt auch leasen. Einfach und sicher. Mit ProContracting.
Im Ranking werden deren Unternehmenspolitik in Sachen giftige Chemikalien, Recycling und Klimawandel bewertet. Wie schon in den letzten Jahren steht auch heuer der finnische Elektronikkonzern „Nokia“ mit 7,5 Punkten an der Spitze der Liste. An zweiter Stelle folgt Sony Ericsson mit 6,9 Punkten, dann folgen Philips und Motorola mit jeweils 5,1 Punkten.
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GREEN ENERGY
Fotovoltaik: Quo vadis? Foto: Hubert Leitner KG
Derzeit schießen Unternehmen, die Fotovoltaikanlagen installieren, genauso schnell aus dem Boden, wie neue Anlagen entstehen. Südtirol Panorma geht der Frage nach, wie sich dieses GeVON EDIT R. MERANER schäft nach Ablauf des derzeit gültigen Fördergesetzes entwickeln wird.
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Andreas Leitner, Geschäftsführer der Leitner Solar in Bruneck
ie Stromerzeugung aus Sonne und Licht ist längst ein Geschäft, das boomt. Die Nachfrage ist mittlerweile so hoch, dass es für die Installation von Fotovoltaikanlagen Wartezeiten von mehr als sechs Monaten gibt. Für viele Unternehmen und Haushalte in Italien werden diese langen Wartezeiten zunehmend zum Problem. Sie haben es eilig: Denn mit Ende des Jahres sollen die staatlichen Förderungen auslaufen und laut neuem Gesetzesentwurf soll es nur noch geringere Förderungen geben. Insgesamt will die Regierung in Rom die Beihilfen für Fotovoltaik im kommenden Jahr um insgesamt 17 Prozent kürzen. AMORTISATION. „Derzeit wird
Foto: photocase.com/cydonna
die Produktion von Strom aus Fotovoltaikanlagen mit ungefähr 40 Cent pro produzierter Kilowattstunde je nach Art der Anlage variierend gefördert, sodass sich eine durchschnittliche Amortisation einer Anlage innerhalb von sechs Jahren ergibt“, erklärt Andreas Leitner, Geschäftsführer der Leitner Solar in Bruneck. Für die Amortisation und Rentabilität einer Anlage sind die Anschaffungskosten, die Größe der Anlage, der Energiebedarf, die Sonneneinstrahlung und der staatliche Förderbeitrag entscheidend. Da man im Moment aber noch nicht weiß, wie hoch der künftige Förderbeitrag ausfallen wird, kann auch noch nicht berechnet werden, wie lange man
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künftig für die Amortisation der Anlage benötigt. „Aber auch wenn die staatlichen Förderungen um 17 Prozent zurückgefahren werden sollten, wird man noch eine durchschnittliche Amortisation in rund acht Jahren erzielen. Damit hätten wir dasselbe Niveau wie noch vor zwei Jahren und die Investition bleibt damit immer noch interessant.“ Hannes Reichhalter vom TIS innovation park kann die derzeitige durchschnittliche Amortisationszeit von sechs Jahren für Anlagen an einem sehr guten Standort bestätigen. Für weniger gute Standorte dagegen rechnet er laut den heutigen Fördersätzen mit Amortisationszeiten von sechs bis neun Jahren. Trotz des Rückganges der Förderungen prophezeit er der Fotovoltaikindustrie nach wie vor eine rosige Zukunft, nicht zuletzt deshalb, weil Italien zur Erfüllung der Kyoto-Kriterien auf erneuerbare Energie setzen muss. SINKENDE PREISE. Auch Thomas
Kofler, Mitinhaber der PVEnergy, bleibt optimistisch: „Die Investitionskosten für die Fotovoltaikanlagen sind die letzten Jahre stetig gesunken. Vor fünf Jahren haben wir ein Kilowattbit um 6.000 Euro verkauft, heute liegt der Preis nur mehr bei 2.500 Euro.“ Nach Überwinden des derzeitigen Engpasses in der Nachfrage nach Modulen für Fotovoltaikanlagen kann davon ausgegangen werden, dass die Preise 2011 dafür wiederum stark sinken werden. Diesen Vorteil, so
STROM ALS GESCHÄFT. Die
Investition in Fotovoltaikanlagen zur Deckung des Eigenverbrauchs wird sich also auch künftig lohnen. „Fotovoltaikanlagen als reines Investitionsgeschäft“, so Andreas Leitner, „sind allerdings erst als Großanlagen interessant. Beispiele hierfür gibt es jede Menge in Süditalien, wo Anlagen mit einer Größe von 1 Megawatt existieren. Diese Anlagen sind 300 Mal so groß wie jene für einen normalen Haushalt.“ Nach heutiger Einschätzung dürften die anstehenden Kürzungen aber vor allem diesen Bereich treffen. Wer in eine Großanlage investieren möchte, sollte also die neuen staatlichen Förderungen und die Verhandlungen bezüglich der Grünen Zertifikate abwarten. Noch verhalten sich die Investoren vorsichtig abwartend. Thomas Moriggl sieht trotz der Unklarheit, wie es mit den Förderungen weitergehen soll, das Interesse und das Potenzial für erneuerbare Energien auch für die Zukunft gegeben: „Die Südtiroler Bevölkerung ist für erneuerbare Energien so weit sensibilisiert, und zwar aus ökologischen Gründen und zum Teil aus Gründen der Unabhängigkeit.“ Was Südtiroler Investoren von der neuen Gesetzesverordnung erwarten dürfen, erklärt Senatorin Helga Thaler-Ausserhofer im Interview.
SÜDTIROL PANORAMA: Das Ministerio dello Sviluppo economico hat einen Vorschlag zur Neugestaltung der Förderungen für Fotovoltaikanlagen ausgearbeitet hat. Welche Kürzungen sind darin vorgesehen? HELGA THALER-AUSSERHOFER: Dieser Vorschlag sieht Kür-
zungen von 4,8 bis 17,1 Prozent vor, wobei die Reduzierung stufenweise je nach Zeitpunkt der Inbetriebnahme, Art und Leistung der Fotovoltaikanlage vorgenommen werden wird. Während die Investition in eine Fotovoltaikanlage zur Deckung des Eigenbedarfs weiterhin gefördert wird, könnte es größere Einschneidungen im Bereich der Großanlagen geben.
Senatorin Helga Thaler-Ausserhofer fürchtet Kürzungen bei der Förderung von Fotovoltaikanlagen Foto: Alexander Alber
Thomas Kofler, „werden wir an unsere Kunden weitergeben, sodass ein Rückgang der staatlichen Förderungen von 30 Prozent je nach Anlagenart weggesteckt werden kann.“ Beim Kauf einer Anlage sollte allerdings nicht nur auf den Preis geachtet werden, sondern vielmehr auch auf die Qualität. „Bei einer Fotovoltaikanlage handelt es sich um eine Langzeitinvestition, die mindestens 20 Jahre lang mit möglichst geringem Leistungsverlust produzieren soll“, meint Hannes Reichhalter.
Foto: Oliver Oppitz
GREEN ENERGY
Es wird auch die Streichung des obligatorischen Rückkaufs der Grünen Zertifikate zu einem vorab festgelegten Preis debattiert. Wird es dazu kommen?
Wir haben gute Rückmeldungen von Seiten der Regierung, dass wir diese Maßnahme noch abändern können und dass eine einvernehmliche Lösung erreicht werden kann. Es würden ansonsten viele Betriebe, die bereits Investitionen vorgenommen haben, in arge Schwierigkeiten geraten und neue Investitionen in erneuerbare Energien könnten massiv zurückgefahren werden.
Fotovoltaikanlagen zur Deckung des Eigenverbrauchs werden sich auch künftig lohnen
Wann rechnen Sie mit der Verabschiedung des neuen Dekretes?
Wir hoffen, dass das vorbereitete Dekret noch vor der Sommerpause vorgelegt wird. Die bestehende Unsicherheit ist für die Investoren und Anlagenbauer ein großes Problem, da keine langfristigen Planungen möglich sind. Aber ich bin guter Dinge, dass Italien den Bereich der erneuerbaren Energien auch weiterhin fördern wird, und zwar aus ökologischen und ökonomischen ◀ Gründen.
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Öko-Karriere Green Jobs sind in Südtirol auf dem Vormarsch. Die Sektoren Bau, Energie und Tourismus profitieren bereits heute von dieser Entwicklung. Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und VON MELANIE OCKERT Umsatzsteigerungen mit den erneuerbaren Energien einhergehen – ein Überblick. „chic“ oder zeugt von „political correctness“, Gebäude mit Solarpaneelen auszustatten oder Strom aus Windkraft zu nutzen. Vielmehr spielen ökonomische und soziale Aspekte eine immer wichtigere Rolle: Green Jobs als Wirtschaftswunder in Zeiten von sich neigenden fossilen Ressourcen und den damit verbundenen Nebenwirkungen wie Preissteigerungen. Letztendlich bleiben nur noch fünf Jahre bis zur Erfüllung des EU-Aktionsplans „20-20-20“, bei dem alle Mitgliedstaaten bis 2020 ihren Primärenergieverbrauch und ihre Treibhausgasemissionen um jeweils 20 Prozent verringern und den Anteil der erneuerbaren Energiequellen auf 20 Prozent anheben wollen.
Green Jobs boomen in Südtirol trotz Krise
UMSATZ VON 2 MILLIARDEN EURO.
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ine Öko-Welle rollt seit einigen Jahr durchs Land. Sogenannte Green Jobs, also Arbeitsplätze, die Umwelteinwirkungen von Unternehmen und ganzen Wirtschaftsbereichen vermeiden und mit erneuerbaren Energien und Ressourcen arbeiten. „Haben wir vor fünf Jahren noch eine Statistik mit 70 Unternehmen im Sektor der erneuerbaren Energie erstellt, sind es heuer mehr als 120 Einträge. Momentan unterstützen wir das WIFO bei der Ausarbeitung einer noch umfangreicheren und aktuelleren Liste. Die Schwierigkeit dabei
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ist, den genauen Arbeitsbereich der Unternehmen zu identifizieren, weil viele Unternehmen, die vorher in Planung, Installation und Anlagenbau tätig waren, sich in den letzten Jahren stark auf den Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert haben“, berichtet Stefano Dal Savio, Leiter des Bereiches Energie & Umwelt im TIS innovation park Bozen. DAS GRÜNE WIRTSCHAFTSWUNDER.
Die Potenziale liegen auf der Hand. Klimaschutz ist nicht mehr ein „Öko-Thema“ für einzelne Fanatiker. Es ist nicht mehr nur
„Man schätzt derzeit, dass die Green Economy in Südtirol in der Summe 10.000 Arbeitsplätze und einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro generiert. Auf jeden Fall ist die Öko-Welle zu einer Win-WinSituation geworden, sowohl für die Menschen als auch für die Wirtschaft in Südtirol und nicht zuletzt für die Umwelt“, sagt Energielandesrat Michl Laimer. „Allein die Zahlen bei den erneuerbaren Energieträgern in unserem Land sind unvergleichbar: 17.700 Solaranlagen, 1.300 Fotovoltaikanlagen, 930 Wasserkraftwerke, 300 Geothermieanlagen, 67 Biomassefernheizwerke, 31 Biogas-, 11 Windkraftanlagen und zudem noch weit über 2.000 zertifizierte KlimaHäuser“, ergänzt der Landesrat. GUTE AUFTRAGSLAGE. „Herkömmliche
Energieformen werden immer teurer. Die heutigen Bauherren legen neben der Wirtschaftlichkeit auch auf Umweltaspekte immer größeren Wert. Grüne Jobs müssen aber auch ohne Förderung auskommen können. Denn auch in Zeiten klammer Kassen kann der Staat den Bereich Umwelt nicht einfach über Jahrzehnte pushen. Es
GREEN ENERGY
Foto: Alexander Alber
Marktchancen SÜDTIROL PANORAMA: Welche „Green Jobs“ gibt es in Südtirol?
Foto: TIS
STEFAN PERINI: Stefan Perini, WIFO Das WIFO hat
Öko-Tourismus: Der Enertour-Initiative folgten allein 2009 über 1.500 Teilnehmer
So spart die Gemeinde bis zu 25 Prozent Heizkosten.
kürzlich ermittelt, dass in Südtirol etwa 1.000 Unternehmen der sogenannten Green Economy zugeordnet werden können. Die Südtiroler Green Economy beschäftigt demnach in der Summe zwischen 6.000 und 10.000 Personen. Genaue Zahlen sind deshalb nicht bekannt, da es sich in vielen Fällen um kürzlich gegründete Unternehmen handelt. Zu berücksichtigen ist weiters, dass viele Firmen das ökologische Geschäftsfeld nur als Nebentätigkeit führen.
GRÜNE ENERGIE BRINGT JOBS. Eine
Foto: Privat
Herbert Gamper, Geschäftsführer der J. Schmidhammer GmbH in Bruneck
kann aber sehr wohl ein Marktanreiz sein“, sagt Geschäftsführer Jürgen Viehweider vom Unternehmen Eneralp aus Bozen. Die Firma ist eine Erweiterung des Bozner Familienbetriebes Hydroklima, das seit 30 Jahren im Bau von Heizungs-, Sanitär und Klimaanlagen tätig ist. Als Generalunternehmen 2006 gegründet, baut das Unternehmen heute Heizungsanlagen mit erneuerbaren Energien und hat als erste Firma in Südtirol das in Deutschland und Österreich weit verbreitete Erfolgskonzept Energy-Contracting in Südtirol eingeführt. Eneralp baut und wartet die Anlagen selbst und stellt den Kunden lediglich die verbrauchte Energie in Rechnung. So können Bauherren erneuerbare Energien ohne finanzielles und technisches Risiko nutzen. Interessant war dieses Konzept beispielsweise für die Gemeinde Tramin, wo Schulen, die Feuerwehrzentrale, Kindergarten, das Bürgerhaus und weitere öffentliche Gebäude über die neue Biomasseanlage der Firma versorgt werden.
gute Auftragslage herrscht auch bei der J. Schmidhammer GmbH in Bruneck. Zum Unternehmensprofil gehört der Anlagenbau für Lüftung, Klima, Heizung, Sanitär, Kälte-, Umwelt- und Energiespartechniken, sowie Energy Contracting. Geschäftsführer Herbert Gamper: „Im letzten Jahr war ein Rückgang bei den öffentlichen Ausschreibungen zu erkennen, dafür liegen uns vermehrt private Aufträge vor. Es ist allerdings gar nicht so einfach, gute Mitarbeiter zu finden. Wir schauen dabei gezielt in Richtung Gewerbeoberschulen.“ Insgesamt 15 Baustellen werden vom Unternehmen derzeit bearbeitet, darunter auch Großprojekte wie das Cascade-Bäderprojekt in Sand in Taufers. FRI-EL VORREITER. In größeren Dimensio-
nen denken die Gebrüder Gostner. Thomas, Josef and Ernst Gostner haben mit der Gründung des Unternehmens Fri-El Green Power 1994 eine Vorreiterrolle im Bereich der erneuerbaren Energien eingenommen und zählen heute zu den größten nationalen Playern. Zu den Partnern gehören mittlerweile RWE Innogy Italia und EDF Energies Nouvelles. In ihren 18 Windparks – unter anderem an den Küsten Sardiniens und Apuliens – entstehen mehr als 389 Megawatt. Hinzu kommen vier produzierende und sechs im Bau befindliche Biogasanlagen im Norden Italiens
WIE VIEL POTENZIAL HABEN DIESE ÖKO-JOBS?
Die Green Economy ist zweifelsohne auf dem Vormarsch, südtirol-, italien- und europaweit. Entsprechend steigt der Bedarf der Firmen nach Fachkräften in diesen Geschäftsfeldern. Es ist zurzeit nicht möglich abzuschätzen, wie viele Jobs entstehen werden. BOOMT DIESER MARKT TROTZ KRISE?
Ja, das kann man wohl sagen. Die Green Economy ist eine Wachstumsbranche, die sich derzeit von der allgemeinen Konjunktur abkoppeln kann. Allerdings trägt sich das Branchenwachstum nicht selbst, sondern wird durch besonders attraktive Rahmenbedingungen gewissermaßen gedopt: Man denke an die steuerlichen Begünstigungen bei der Altbausanierung oder an die Stützung der erneuerbaren Energien durch die Grünen Zertifikate. Ich sage nicht, dass diese Maßnahmen falsch sind, im Gegenteil. Ich sage nur, dass die Wirtschaftlichkeit auch entschieden davon abhängt.
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GREEN ENERGY
Potenzial steigt
Landesrat Thomas Widmann
SÜDTIROL PANORAMA: Wie haben sich die Arbeitsplätze im „grünen Bereich“ in den letzten Jahren entwickelt? THOMAS WIDMANN: Das lässt
sich leider nicht quantifizieren, da dies aus den erfassten Beschäftigtenzahlen nicht differenziert hervorgeht. Aber ich wage zu behaupten, dass wir in Südtirol sehr wohl Zuwächse zu verzeichnen haben. Das fängt bei Jobs im klassischen Umweltbereich oder in der Herstellung von Bioprodukten an, gefolgt von Arbeitsplätzen in Betrieben, die im Bereich erneuerbarer Energien oder auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich tätig sind. Wie groß ist das Potenzial?
Ich glaube, dass wir hier ein ganz großes Potenzial haben, gerade wenn ich an die erneuerbaren Energien denke, einen Bereich, in dem Südtirol jetzt schon stark ist und den wir auch in Zukunft ausbauen wollen. Wie unterstützt das Land diesen Trend?
Wir werden in Bozen Süd einen Technologiepark mit dem Schwerpunkt grüne Energie errichten. Auf dem Areal werden sowohl Unternehmen, die in den Bereichen tätig sind, sowie Südtirols Forschungseinrichtungen angesiedelt, die nachhaltige Energielösungen erforschen. Einen wichtigen Beitrag wird auch die Business Location Südtirol (BLS) leisten, deren Aufgabe es ist, den Wirtschaftsstandort Südtirol speziell Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien schmackhaft zu machen und solche Unternehmen in Südtirol anzusiedeln. Damit werden sich gewiss neue Wege im Öko-Jobangebot auftun.
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und eine Biomasseanlage, die 74,8 Megawatt liefert. Neue Ideen für die effiziente Nutzung von Wasserkraft werden bereits entwickelt. Das erfolgreiche Unternehmen zählt heute mehr als 100 Mitarbeiter und kann einen Jahresumsatz von mehr als 92 Millionen Euro vorweisen. „Südtirol ist mittlerweile mehr als grün“, meint Energielandesrat Michl Laimer
BERUFSBILDER ÄNDERN SICH. Von den
Pionieren des Landes, wenn es um erneuerbare Energien geht, sind Norbert Lantschner und die KlimaHaus Agentur nicht wegzudenken. Immerhin sind noch drei Viertel aller Wohnungen in Südtirol älter als 25 Jahre und könnten durch eine energetische Sanierung einen Großteil an Kosten sparen. Green Jobs seien gefragter denn je. „Es ist die einzig wachsende Branche derzeit. Die Berufsbilder haben sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Aus dem klassischen Maler ist ein Dämmprofi geworden, der ein gesamtes System überschaut. So kann nach und nach das Land energiefit gemacht werden“, sagt Norbert Lantschner. Im Bozner Hauptquartier sind 25 Mitarbeiter tätig, weitere Agenturen gibt es in ganz Italien. Die Nachfrage wächst. Der KlimaHaus-Standard hat nicht nur den Weg über die Provinzgrenzen hinaus gefunden, sondern großes Interesse auch außerhalb Italiens geweckt. Nach Zertifizierungen in Österreich und Deutschland werden heuer die ersten Gebäude in Spanien und Lettland als KlimaHaus ausgezeichnet. Länder wie Albanien, Rumänien und die Türkei haben bereits angeklopft. Mit ihren Vortragsreihen hat die Agentur allein im vergangenen Jahr über 20.000 Besucher erreicht. Mehrtägige KlimaHaus-Kurse bringen zudem Gäste in die Südtiroler Hotels und Gasthäuser. „KLIMA-TOURISMUS“. Enertour, so heißt
die Initiative des Bereichs Energie & Umwelt des TIS. Allein 2009 folgten mehr als 1.500 Teilnehmer diesen Besichtigungstouren. Sie erhielten dabei Einblick in über 150 energieeffiziente Gebäude und ökologisch nachhaltige Anlagen. Im Jahre 2009 waren etwa 60 lokale Partner involviert, darunter etwa 30 Unternehmen aus dem Energiesektor, welche die Möglichkeit hatten, ihre innovativsten Realisierungen in Südtirol zu präsentieren. BEDARF AN FACHKRÄFTEN STEIGT. „Die
Green Economy ist zweifelsohne auf dem Vormarsch, südtirol-, italien- und europaweit. Entsprechend steigt der Bedarf
der Firmen nach Fachkräften in diesen Geschäftsfeldern“, sagt Stefan Perini vom WIFO. „Der Bildungssektor konnte dieser Nachfrage gar nicht so schnell nachkommen“, ergänzt Stefano Dal Savio vom TIS. Mittlerweile bietet die Freie Universität Bozen den weiterbildenden Masterstudiengang „KlimaHaus“ an und aktiviert erstmals im akademischen Jahr 2010/2011 den weiterbildenden Masterstudiengang „Innovation Engineering“. Außerdem sollen sich Universität, Eurac und weitere Institutionen künftig in einem neuen Technologiepark vernetzen und forschen. FORDERUNG
NACH
ENERGIEPLAN.
„Unser Land befindet sich in einer äußerst glücklichen Lage: Reich gesegnet mit erneuerbaren Ressourcen können unsere grünen Leuchtturmprojekte vom Know-how-Transfer aus dem benachbarten Ausland profitieren und unsere spezialisierten Wirtschaftsunternehmen können den Know-how-Vorsprung als Brückenfunktion für den südeuropäischen Raum für sich gewinnbringend nützen. Dadurch entstehen regionale, nationale und globale Marktchancen“, meint Landesrat Michl Laimer. Aber reicht die politische Unterstützung? „Die politische Unterstützung und der politische Wille sind sicherlich gegeben. Ein bisschen ist Grün-Sein derzeit auch in. Das heißt, die Politik kann sich aufgeschlossen und innovativ zeigen und sich dadurch auch profilieren. Es fehlt aber ein langfristiges Ziel. Der letzte Energieplan stammt aus dem Jahre 1995. Ein neuer ist in Ausarbeitung und wird, auf Vorlage der Landesregierung, hoffentlich bald als Energiestrategie 2050 vom Landtag verabschiedet“, meint Stefan Perini. Es wird also auch von der Politik abhängig sein, wie viele Green Jobs in naher Zukunft noch entstehen werden. ◀
GREEN ENERGY
Fotos: Rickard Kust
Funktionalität trifft Formsprache: Architekt Werner Tscholl hat für die Kellerei Tramin ihr Wesen und ihre Grundlage, den Rebstock, in Architektur übersetzt
Prägnanter Wein-Bau Die neue Kellerei Tramin aus der Feder des Vinschger Architekten Werner Tscholl setzt Zeichen. Damit soll nicht nur der Funktionalität gedient werden: Moderne Wein-Architektur wird Teil einer zeitVON JUDITH INNERHOFER gemäßen und hochwertigen Präsentationsform. Südtirol Panorama Juli | 2010
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GREEN ENERGY
2.
Fotos: Rickard Kust
1.
1. Von der groĂ&#x;zĂźgigen Eingangshalle im alten Baubestand gelangt der Besucher in die Tiefe des in eleganten RottĂśnen gehaltenen Kellers. 2. Mit der neuen Präsentation will Obmann Leo Tiefenthaler vor allem der Qualität der Produkte entsprechen
E
in hochwertiges Produkt allein reicht schon lange nicht mehr aus, um sich auf dem Weinmarkt wie auch in anderen Branchen mit einer starken Marke zu positionieren: Auch Weinkulturlandschaft, zeitgemäĂ&#x;e und anspruchsvolle Präsentationsformen sowie ein authentisches Ambiente sind zu unerlässlichen Faktoren geworden. Das wussten auch die Verantwortlichen der Kellerei Tramin, einer der ältesten Kelle-
reien Sßdtirols, als sie sich an die Erweiterung ihres Betriebssitzes machten. Notwendig geworden war diese eigentlich aus funktionalen Grßnden, erklärt Wolfgang Klotz, Marketingdirektor der Traminer Genossenschaft: Die bestehende Struktur war schlichtweg zu klein fßr die Kellerei, die in den vergangenen Jahren zusammen mit ihren vielen Auszeichnungen und Erfolgen auf dem Weinmarkt stark gewachsen ist. Mit
Wer langfristig plant, baut mit uns.
dem Bauprojekt aus der Feder des Vinschger Architekten Werner Tscholl hat man einerseits die funktionalen Anforderungen erfßllen kÜnnen, ohne zusätzliche Kubatur in Anspruch nehmen zu mßssen. Gleichzeitig ist es gelungen, ein unverkennbares architektonisches Zeichen in die Sßdtiroler Weinlandschaft zu setzen. SKULPTURALER BAU. Mit dem
erweiterten Kellereiensemble am Ortseingang von Tramin interpretiert Architekt Tscholl das Bild einer rankenden Rebe, die das Gebäude umhßllt. Diese Konzeptidee sollte nicht nur ein zeitgenÜssisches Bauwerk inszenieren, sondern auch eine Symbiose zwischen
Architektur und Weinqualität herstellen. „Es ging uns nicht vordergrĂźndig darum, einen spektakulären Bau zu schaffen“, erklärt Marketingdirektor Wolfgang Klotz. „Der erweiterte Sitz ist vielmehr Bestandteil einer umfassenden neuen und zeitgemäĂ&#x;en Präsentation der Kellerei Tramin, die der Eleganz unserer Weine Rechnung trägt.“ Der neue Auftritt bricht dabei nicht vĂśllig mit den Traditionen. Die Weine der Kellerei sind gezeichnet von der akribischen Handschrift ihres Kellermeisters Willi StĂźrz, der auf Sauberkeit und vor allem auf Terroircharakter setzt. Um diese Philosophie auch in die Architektur zu Ăźbersetzen, entschied sich Architekt Tscholl
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GREEN ENERGY
4.
5.
3. 3.+4. Die asymmetrische Regalstruktur der Önothek erinnert an die Verästelungen an den Flügelfassaden. 5. Im Außenbereich verwendete Materialien wie Eisen, Glas und behandeltes Holz wurden auch in den Verkostungsräumlichkeiten aufgegriffen
bewusst dafür, das bestehende Betriebsgebäude mit seinem traditionellen Satteldach nicht abzureißen, sondern als Herzstück in das neue Ensemble zu integrieren. Dort führt die großzügige Eingangshalle den Besucher tief hinab in den roten, eleganten Keller, wo die hochwertigen, aromatischen Tropfen lagern. Das Bestreben, mit dem Neubau dem Charakter der Traminer Weine zu entsprechen und Wiedererkennungswert zu schaffen, setzt Tscholl mit der gewählten architektonischen Symbolik um. So breiten sich die neuen Flügelbauten wie
Arme beschützend aus und leiten den Besucher in ihre Mitte. Vorgehängte „Reben“ aus grünem Aluminium umhüllen die weiten Ganzglasfassaden der beiden Gebäudeflügel, die damit zu figurativen Ranken am Rebstock werden. Die Fassade verweist auf ihr Inneres, auf das Wesen und die Bestimmung des Baukörpers: den Wein. Im Mittelpunkt der Planung stand trotz prägnanter Bauästhetik die Funktionalität des Baukörpers. „Bewusst haben wir die Betriebsräume von den BesuZWECKDIENLICHKEIT.
cherbereichen getrennt“, erklärt Architekt Tscholl. Während der obere, ebenerdig angelegte Bereich in den beiden Flügeln Verwaltungs- und Besucherräume beherbergt, findet der gesamte Betriebsablauf auf einer tiefer liegenden Ebene mit getrennter Zufahrt statt. „Unser neues Prunkstück ist zweifellos die Önothek“, zeigt sich Klotz stolz. Die weite Fensterfassade des Verkaufs- und Verkostungsbereichs öffnet dem Besucher der Kellerei den Blick über das gesamte Traminer Anbaugebiet. Damit erlebt der Kunde das Weingut als un-
verwechselbares Ensemble: Nicht nur die Önothek, sondern auch Weinberg und Keller werden zu einem authentischen Ort der Vermarktung. NEUES POTENZIAL. Mit Werner Tscholls Neubau der Kellerei Tramin hat Südtirol ein neues Zeichen seiner Wein-Bau-Kunst erhalten. Davon könnte die Weinbauregion auch als Ganzes profitieren: In der Verbindung der boomenden Branchen Öno- und Architekturtourismus liegt beträchtliches Potenzial, das man in Südtirol gerade erst auszu◀ schöpfen begonnen hat.
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GELD & FINANZEN
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Die „böse“ Welt de PRO Spekulation Hedgefonds-Manager John Paulson (oben) zählt zu den größten Gewinnern der Finanzmarktkrise. Er wetterte mitten in der Subprime-Krise 2007 gegen die Immobilienmärkte und verdiente damit 3,7 Milliarden Dollar. Das Wall Street Journal verdächtigte den Finanzjongleur George Soros (Mitte), gegen den Euro zu spekulieren. Lloyd Blankfein (unten), Chef von Goldman Sachs, wird immer wieder als Spekulant bezeichnet. Seine Investmentbank schrieb selbst in der Krise Milliardengewinne.
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Vor zwei Monaten wurden sie zum Medienereignis: Die Spekulanten. Ihnen gab man die Hauptschuld am Wackeln des Euros. Südtirol Panorama zeigt die Hintergründe: War es reine Spekulation, Manipulation oder doch nur ein ganz gewöhnliches Spiel?
1. Was genau ist Spekulation? Spekulanten von Investoren definitorisch abzugrenzen ist schwierig, weil es sich bei „Spekulation“ um einen negativ besetzten Begriff handelt, während „Investition“ wertneutral ist. Einige Unterscheidungsmerkmale lassen sich dennoch angeben: Der Spekulant hat im Unterschied zum Investor einen sehr kurzen Zeithorizont.
Er ist nur an einem Weiterverkauf mit Gewinn interessiert, während ein Investor auch eine Wertsteigerung ohne Veräußerung schätzt. Der Investor übernimmt Verantwortung, indem er beispielsweise an Organbestellungen und Entscheidungen einer Gesellschaft teilnimmt, wogegen dem Spekulanten das erworbene Gut im Grunde gleichgültig ist, abgesehen von dessen Geldwert.
GELD & FINANZEN
Foto: Commons wikimedia
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Wie lässt sich aus der Euro-Krise möglichst viel Profit ziehen? Diese Fragen haben sich Finanzinvestoren Mitte März bei einem konspirativen Treffen in New York gestellt. Und wer waren diese Spekulanten? Auch darüber wird bis heute spekuliert.
2. Was unterscheidet einen Spekulanten von einem Händler?
Der Begriff „Handel“ (oder „Trading“) ist tendenziell wertneutral. Wenn Banken nicht im Auftrag von Kunden, sondern für sich selbst Wertpapiere, Rohstoffe oder Derivaten kaufen und verkaufen, so spricht man vom „Eigenhandel“: Der Inhalt der Tätigkeit ist derselbe wie der von Spekulanten. Doch wer „Spekulant“ sagt, drückt eine negative Meinung von dieser Tätigkeit aus – das ist der einzige Unterschied.
3. Haben Spekulanten
einen gesellschaftlichen Nutzen?
Die Antwort ist: Ja. Von alters her wurde von moralphilosophischer Seite immer der Vorwurf geäußert, dass jemand, der twas kaufe, um es zu einem späteren Zeitpunkt teurer weiterzuverkaufen, einen Gewinn ohne Leistung erziele – im Unterschied zu den „produktiven“ Berufsständen, die mit Waren und Dienstleistungen Geld verdienen. Diese Meinung ist jedoch falsch: Wer Trading betreibt, leistet sehr wohl einen volkswirtschaftlichen Beitrag,
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der Zocker CONTRA Spekulation Frankreichs Präsident Nikolaus Sarkozy (oben) und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (Mitte) haben sich beim G-20-Gipfel in Toronto Ende Juni für die Finanztransaktionssteuer FTS starkgemacht. Auf alle Transaktionen an den Finanzmärkten soll eine Steuer zwischen 0,01 und 0,1 Prozent abgeführt werden. Europaweit könnte dies 270 Milliarden Euro bringen. Die Umsetzung könnte aber noch Jahre dauern. Der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Joseph Stiglitz (unten) fordert die Zerschlagung der Großbanken.
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KOMMENTAR VON THOMAS AMONN
Seit Monaten sind Ökonomen und Wirtschaftskolumnisten in einem Ringkampf umklammert: Haben die Regierungen zur Unzeit begonnen, die Staatsfinanzen zu konsolidieren? Riskieren sie gar, die Fehler der 30er-Jahre zu wiederholen und eine weltweite Depression auszulösen, wie Nobelpreisträger Paul Krugman wähnt? Oder hat der frühere Fed-Chef Alan Greenspan recht, wenn er die exorbitant steigende Staatsverschuldung als Gefahr für das Wachstum bezeichnet? Die Debatte ist relativ unfruchtbar, weil sie sich auf je nach ideologischer Vorliebe herausgegriffene Fakten bezieht. Wenn Beobachter aus dem „rechten“ politischen Spektrum von „bösen“ Schulden sprechen, so meinen sie immer nur die Staatsschulden, so als ob die Verbindlichkeiten des Privatsektors keine Rolle spielen würden. Wie aber die jüngste Krise gezeigt hat, können auch Exzesse des privaten Banksektors die Realwirtschaft unter sich begraben, und dem Staat bleibt dann nichts anderes übrig, als rettend einzugreifen: Die öffentlichen Schulden, die dadurch entstehen (einschließlich der Bilanzverlängerung der Notenbanken) machen nur implizite staatliche Garantien sichtbar, die den Kreditboom erst möglich machten. Desgleichen rühren die Probleme der Eurozone nicht nur von fröhlichem deficit spending wie in Griechenland: Spanien und Irland schnitten bis 2007 bei Staatsschulden und Budgetdefizit blendend ab. Als aber die Immobilienblase platzte, fielen Madrid und Dublin der notleidende Banksektor und der hohe Anteil der Auslandsschulden auf den Kopf. Ein makroökonomischer Konservativismus, der nur die öffentlichen Negativsalden sieht, ist also nicht das Papier wert, auf dem er gedruckt ist. Der Haken an der Position „linker“ Interventionisten wie Krugman ist dagegen ihre Prämisse: Es trifft einfach nicht zu, dass die Regierungen sich in Austerität üben. Das von vielen dafür gescholtene Deutschland etwa hat Sparmaßnahmen in Höhe von 0,5 Prozent des Bipbeschlossen – für das Jahr 2011: Kaputtsanieren sieht anders aus. In vielen anderen Ländern Europas werden die Pensionsleistungen der Lebenserwartung angepasst: Dies bedeutet jedoch nur, dass ihre langfristige Finanzierbarkeit – und Generationengerechtigkeit – gesichert wird. Zu den langfristig stabilisierenden Maßnahmen sollte auch eine Stärkung der Kapitalanforderungen an den Banksektor zählen: Die Risikokosten dürfen nicht auf Dritte abgewälzt werden. Letztlich heißt das Zauberwort Nachhaltigkeit: Erst ausgeglichene Staatsfinanzen eröffnen die Spielräume, in Krisenzeiten antizyklisch gegenzusteuern.
indem er die Liquidität des Marktes erhöht und dadurch die Transaktionskosten für alle Marktteilnehmer senkt. Je größer das Handelsvolumen in einem Markt ist, desto leichter wird es, Kauf- und Verkaufaufträge zu platzieren, ohne gleich Kursausschläge auszulösen und so den eigenen Preis zu verschlechtern, und desto mehr Makler und Handelsplätze treten auf und sorgen für Wettbewerb bei den Transaktionsgebühren.
4.
Was versteht man unter sogenannten „Zockerbörsen“? Wenn die Kurse himmelhoch emporschießen und dann in sich zusammenbrechen, so ist dies ein Ausdruck von Herdenverhalten. Ob die Teilnehmer von kurzfristigem Opportunismus oder fundamentalen Überzeugungen bewegt sind, ist für das irrationale Ergebnis unerheblich. Begriffe wie „Zocker“ und „Gambler“ sind sehr negativ belegt. Dass aber Phasen mit hohen Bewertungen Phasen mit niedrigen Bewertungen ablösen, macht eine Börse noch nicht zur Zockerbörse. Das entscheidende Merkmal ist ein anderes: In Zockerbörsen sind die Umsätze in Boomzeiten riesig, um dann in der Ernüchterung auszutrocknen, wie etwa am Neuen Markt in Deutschland nach dem Platzen der Internetblase. Je professioneller und etablierter ein Markt, desto mehr gleicht er einem Meer, auf dem man immer – bei Ebbe wie bei Flut – segeln kann.
5. Leben Börsen allein von Spekulanten?
Langfristige und kurzfristige Anleger bedingen sich gegenseitig. Pensions- und Investmentfonds haben in der Regel längere Zeithorizonte und schichten nicht so oft um. Gerade diese institutionellen Investoren wollen aber die Sicherheit haben, jederzeit verkaufen zu können: Je konservativer der Anleger, desto mehr sucht er hochliquide Märkte auf, um dort Kapital in Blue-Chip-Aktien oder Obligationen zu binden. Umgekehrt zieht die Präsenz von Langzeitinvestoren spekulative Teilnehmer an, weil konstante Mindestumsätze gesichert sind. Dank dem elektronischen Handel hat diese Zusatzliquidität enorm zugenommen.
Foto: stock.xchng/spekulator
Schattenboxen
Großer Coup dank Spekulation: In Zockerbörsen sind die Umsätze in Boomzeiten riesig
6. Wann wird das „Zocken“ zum „Abzocken“?
Der Vorwurf, andere Marktteilnehmer zu übervorteilen, betrifft immer nur die eingesetzten Mittel, nicht das Spekulieren selbst. Wenn jemand an der Börse InsiderInformationen verwendet, um vor anderen Akteuren zu kaufen oder zu verkaufen, begeht er eine Straftat. Dasselbe gilt für Marktmanipulationen, wenn etwa bewusst falsche Gerüchte gestreut werden, um die Kurse zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Eine andere verbotene Technik ist das „Cornering“: Jemand hortet in einem engen Markt Positionen, bis er das Angebot kontrolliert, und dann die Preise diktieren kann.
7. Warum wird Insider-Trading nicht härter bestraft?
Sicherlich bleiben die meisten Fälle von Insider-Trading ungesühnt: Anders sind
BÖRSE AKTUELL
8. Sollten Gesetzgeber und
Aufsichtsbehörden öfter einschreiten, um die Spekulation auf fallende Kurse zu stoppen?
Solche Maßnahmen sind marktwirtschaftlich höchst fragwürdig. Sie mehren aber die Popularität von Politikern. Obgleich keinerlei Zusammenhang mit den Ursachen und der Dynamik der jüngsten Finanzkrise bestand, wurde nach dem Zusammenbruch von Lehman der Leerverkauf von Bankaktien vorübergehend verboten. Vor wenigen Wochen führte Deutschland Restriktionen beim Geschäft mit Credit Default Swaps ein, um – ebenso wenig begründet – die Spekulation gegen schwache Schuldnerstaaten in der Eurozone einzudämmen.
9. Schädigt es nicht die
Allgemeinheit, wenn jemand von negativen Ereignissen profitiert?
viele Kursausschläge vor wichtigen Unternehmensnachrichten nicht zu erklären. Wenn aber zu viel mit gezinkten Karten gespielt wird, geht die Reputation eines Marktes verloren, die Teilnehmer ziehen sich zurück, und spätestens dann schreiten die Behörden mit strengeren Kontrollen und Regeln ein, da ein glaubwürdiger Markt von öffentlichem Interesse ist. Einer der spektakulärsten Fälle von Marktmanipulation fand Ende der 70er-Jahre statt: Der Versuch der Brüder Hunt, den Silbermarkt zu „cornern“, war zunächst erfolgreich, und der Unzenpreis schoss innerhalb weniger Monate von 11 auf fast 50 US-Dollar. Alsdann schritt aber die Börsenaufsicht ein und beschränkte die Fremdfinanzierung von Silber. Infolgedessen kollabierte der Silberpreis, und die vormaligen Erdöl-Milliardäre waren pleite. Der Nachwelt überliefert ist ihr großspuriger Ausspruch: „Wenn du die Größe deines Vermögen kennst, kann es nicht viel sein.“
Ganz im Gegenteil. Wie der Ökonom Roberto Perotti immer wieder betont hat, ist es für das Funktionieren des Marktes essenziell, dass man sowohl positive wie negative Meinungen zu gehandelten Werten zum Ausdruck bringen kann. Wenn der Staat pessimistische Marktmeinungen behindert, bläst er den Optimisten in die Segel, und trägt zur Blasenbildung bei – der logischen Voraussetzung von Crashs.
Auf zur Weltmacht Trotz der Störfälle Griechenland, Spanien und zum Teil auch Portugal ist der Euro immer noch nicht aus dem Gleichgewicht und er wird sehr schnell wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden. Ein Euro wird sich in den nächsten Jahren tendenziell in Richtung 2 Dollar bewegen. Ich bin auch überzeugt, dass der Euro immer öfter die Referenzwährung für Erdöl sein wird. Unterlegt werden kann diese Aussage mit folgenden Fakten: Das Euroland hat eine durchschnittliche Verschuldung von rund 65 Prozent des BIP. In den USA dagegen liegt die Verschuldung derzeit bei rund 115 Prozent und es gibt eine jährliche Zusatzverschuldung von mindestens 10 Prozent. Das heißt, der momentan hoch gepriesene Aufschwung in den USA ist im Grunde fremdfinanziert und die hohe Verschuldung wird die Kreditwürdigkeit und Stabilität des Dollars noch weiter herabstufen. Das Euroland ist im Vergleich zu den USA immer noch sehr stabil. Um diese Stabilität nicht aufs Spiel zu setzen oder zu stärken, ist es notwendig, dass die Mitgliedsstaaten Spar- und Sanierungsprogramme definieren und konsequent umsetzen. Fehlende Stabilität sind inflationsfördernd und somit hinderlich für eine Niedrigzinspolitik, die heute notwendig ist, um die Bürger zu animieren, Erspartes auszugeben. Fakt ist, dass die EU heute schon mit rund 30 Prozent BIP-Anteil die größte Volkswirtschaft der Welt ist. Amerika liegt dagegen bei rund 26 Prozent, Japan bei rund 9 Prozent. CHRISTIAN HARRASSER, Inhaber der Un-
9. Warum wird Short-Selling
ternehmensberatung „Harrasser & Partner“
PORTFOLIO
als unseriös bezeichnet?
Short-Selling bedeutet, dass ich etwas verkaufe, das ich gar nicht besitze. Ein Leerverkäufer sollte den Wert, den er verkauft, leihen müssen. Eine strenge Einhaltung dieser Regel ist sinnvoll, damit sichergestellt ist, dass alle Verkäufer imstande sind zu liefern, und das Vertrauen in den Markt nicht durch unerfüllte Geschäfte erschüttert wird.
Schweizer Franken Der Vertrauensverlust des Euro ist auch am Schweizer Franken abzulesen, dessen Kurs Anfang Juli bis auf 1,31 Euro anzog. Damit hat er sich binnen zwei Jahren um 25 Prozent verteuert, was nicht nur die Schweizer Exporteure belastet, sondern auch private Schuldner mit Frankenkrediten in Ländern wie Ungarn. THOMAS AMONN
1,65 1,60
10. Sollten „nackte“ Credit
Default Swaps verboten werden?
Hier wird der Verstand durch die Mittel der Sprache verhext. ▶
1,55 1,50 1,45 1,40 1,35 1,30
Juli 2008
Juli 2010
Der Schweizer Franken hat sich binnen zwei Jahren um 25 Prozent verteuert
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GELD & FINANZEN
Foto: stock.xchng/johnnyberg
Spekulanten sind älter als der Kapitalismus. Für ihre Gegner sind sie nichts als Hasardeure
Wenn Credit Default Swaps als „Versicherungen“ bezeichnet werden, handelt es sich um einen Vergleich. Mit genauso großem Recht kann man sie mit Put-Optionen vergleichen: Wer die Prämien kassiert, nimmt eine Andienung des Titels in Kauf. Technisch sind Credit Default Swaps weder das eine noch das andere. So ungefährlich sind Credit Default Swaps aber nicht: Ihretwegen musste der Versicherungsriese AIG vom Staat aufgefangen werden, da sonst das internationale Finanzsystem kollabiert wäre. Die jüngste Finanzkrise unterscheidet sich nicht von früheren: Mit zu viel Kredit – und zwar vornehmlich kurzfristigem Kredit – wurden zu hohe Risiken eingegangen. Dieses Problem kann nur mit höheren Kapitalanforderungen und strengeren Transparenzpflichten begegnet werden. Zweitens beruhten die tödlichen Milliarden-Risiken größtenteils auf bilateralen Transaktionen außerhalb der Börse: Immobilien, strukturierte Anleihen und eben Credit Default Swaps. Es ergibt daher eminenten Sinn, Credit Default Swaps auf zentralisierte Handelsplattformen zu zwingen: Die gebündelte Information schafft Transparenz, und
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die Hinterlegungspflicht von Margins stellt die Erfüllung der Geschäfte sicher. Es kann nicht genug betont werden, dass die Optionen- und Futurebörsen durch die Lehman-Krise hindurch störungsfrei funktionierten: Ob jemand Optionen und Futures zu Absicherungs- oder zu Spekulationszwecken einsetzt, ist dagegen irrelevant.
11.
Warum gelten Hedgefonds als Inbegriff von bösen Spekulanten? Die Banken, nicht die Hedgefonds waren das Epizentrum der Finanzkrise. Einige gewannen Milliarden, wie John Paulson, der auf den Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarktes setzte. Andere verloren Milliarden, weil sie in die Gegenrichtung wetteten: Außer den Managern und ihren Kunden ist aber niemand zu Schaden gekommen. Im Zuge der Krise führen die USA die nach dem legendären Ex-Fed-Chef Paul Volcker benannte „Volcker-Rule“ ein, die die Banken zur Abspaltung großer Teile des Eigenhandels zwingt: Es wird erwar-
tet, dass viel Geschäft an die Hedgefonds abfließen wird. Entgegen dem allgemeinen Vorurteil wird dadurch Risiko aus dem System genommen, da die meisten Hedgefonds im kleinen einstelligen Bereich gehebelt sind, während der Eigenhandel der Banken einen Leverage von oft 20 und mehr aufweisen konnte.
12.
Könnte eine Tobin-Tax die Spekulation eindämmen? Die ursprüngliche Tobin-Tax bezog sich nur auf den Devisenmarkt. Die modernisierte Version einer Transaktionssteuer wird von vielen Ökonomen befürwortet, wie dem Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Sie ist durchaus sinnvoll wenn auch nicht aus den oft vorgebrachten Gründen einer angeblichen Spekulationsbekämpfung. Ihr Zweck kann nur sein, dem Staat eine neue Einnahmequelle zu eröffnen – die Realwirtschaft wird schließlich schon genug belastet. Wenn sich der Handel auf zentrale Plattformen konzentriert, fällt auch das Argument der schwierigen Einhebbarkeit weg. ◀ THOMAS AMONN
GREEN ENERGY PR-INFO
Photovoltaik auf Stallungen In der Region Montereale Valcellina hat die Firma Elpo GmbH aus Bruneck auf zwölf Hühnerställen eine Photovoltaik-Dachanlage mit 1 Megawatt Leistung zu Testzwecken errichtet. PV-MODULE IM VERGLEICH. Die Anlage
erstreckt sich über 10.700 qm und kann bis zu 1.186.000 kWh Energie pro Jahr produzieren. Besonders an dieser Anlage ist, dass es sich dabei um eine „Test-Anlage“ für eigene Forschungszwecke der Firma Elpo handelt. Es wurden sechs unterschiedliche Modul-Typen verschiedener Hersteller verwendet (Sunpower, Schüco, Heckert, Sharp, Day4 und Azimut). Alle elektronisch aufgezeichneten Daten der einzelnen Module werden aufgezeichnet und gegebenenfalls von einem unabhängigen Institut analysiert, um die besten Module herauszufiltern. Diese Projekt verdeutlicht die Werte des PhotovoltaikSpezialisten Elpo: Nachhaltigkeit, Innovation, Forschung, Weiterentwicklung und Zuverlässigkeit.
Robert Pohlin, Geschäftsführer der Firma Elpo dazu: „Wir wollen ein Partner für unsere Kunden sein und legen großen Wert auf die professionelle Beratung. Deshalb haben wir uns entschlossen, mit dem Projekt in Montereale Valcelline einen weiteren Schritt in Richtung Forschung und
Daten der PV-Anlage von Montereale Valcellina ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶
Gesamte Arealfläche: 85.600 qm Dachfläche: 10.700 qm Leistung der Anlage: 987,57 kWp Energieproduktion: 1.186.000 kWh/a PV-Module: 7.569 Stück Inverter: 142 Stück CO2-Ersparnis: ca. 650 Tonnen Erzeugte Energie: Jahresenergieverbrauch von 395 Haushalten
Innovation zu gehen und haben sechs PVModule ausgewählt, um sie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu testen. So sind wir in der Lage, unsere Kunden noch besser zu beraten und ihnen eine ideale und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung zu bieten.“ Anzumerken ist, dass Elpo selbst die Realisierung dieses Projekts finanziert und zu diesem Zweck die Dächer von Finipar srl, einem Unternehmen der Gruppe Sorelle Ramonda, angemietet hat. Nach der Inbetriebnahme der Anlage Ende Juni wird die gewonnene Leistung in das Netz eingespeist. Ein Projekt, das wirklich zeigt, wie überzeugt Elpo von der Technologie Photovoltaik ist. Elpo will dem Kunden damit Sicherheit und Garantie vermitteln. ◀
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Das Anzugsakko sollte eher tailliert geschnitten sein und im geschlossenen Zustand nirgends spannen – schließlich sehen Anzüge an Männern auch deshalb so lässig aus, weil sie die T-Form des Oberkörpers betonen.
Die Taille
Die Krawatte eignet sich hervorragend dazu, die Kleidung zu variieren und den Anzug farblich aufzufrischen. Am besten wirkt sie, wenn man sich an die goldene Regel hält: Die Kravatte muss immer eine Nuance dunkler als das Hemd sein.
Die Krawatte
Beim klassischen Anzug gilt: Die Breite des Revers entspricht etwa der Hälfte der halben Brustpartie, ist also rund acht Zentimeter breit. Die beiden Reversseiten sollten locker, aber anliegend auf den geschlossenen Knopf des Anzugs zulaufen und so eine Spannungslinie ergeben.
Das Revers
Viele Details verändern sich ständig mit der Mode. Wenn Sie ein klassisches Jackett suchen, muss vor allen Dingen die Schulterpartie passen. Dabei sollte man darauf achten, dass die Naht ganz leicht über die Schulter fällt. Die Schulterpartie sollte außerdem eine gerade Linie ergeben, sodass der Anzug ein wenig Spiel hat. Ausreichend Stoff über der Brustpartie und zwischen den Schulterblättern garantiert den Armen Bewegungsfreiheit.
Die Schulterpartie
Gibt es den perfekten Anzug wirklich? Wir sagen ja. Aber man(n) sollte wissen, worauf es ankommt. Denn: Wer im Business ganz nach oben will, sollte nicht nur mit seinem Können, sondern auch mit einem stilvollen Erscheinungsbild glänzen. Wir verraten Ihnen, worauf Sie dabei achten müssen!
Der perfekte Anzug LUXUS & LIFESTYLE
Foto: O. Seehauser
Der Oxfordschuh ist der klassische Herrenschuh schlechthin – er passt zu fast allem. Allgemein gilt: Je förmlicher das Ereignis, desto dunkler und feiner die Schuhe. Der korrekte Geschäftsmann trägt niemals helle Schuhe zum dunklen Anzug. Die Schuhe eines Mannes sagen viel über seine Garderobe und seinen Stil aus. Schicke, gepflegte Schuhe beweisen einen guten Geschmack und Sinn fürs Detail.
Die Schuhe
Die Hose des klassischen Herrenanzugs hat eine Bundfalte, allerdings sind jene ohne Bügelfalte heutzutage häufiger anzutreffen. Beim Schnitt ist eine gerade Form vorzuziehen – nicht zu eng und nicht zu weit. Und: Stillgestanden vor dem Spiegel! Nur wenn der Hosensaum leicht auf dem Schuh aufliegt und von hinten über dem Schuhabsatz abschließt, sitzt die Hose richtig.
Die Hose
Bewegungsfreiheit und Sakkolänge – diese beiden Punkte sollten unbedingt in der Umkleidekabine überprüft werden. Ein Jackett mit optimaler Länge sollte die halbe Körperlänge bedecken, also bis zur Mitte zwischen Kragen und Schuhsohlen reichen. So besagt es die klassische Anzugschule. Neuerdings sind Jacketts etwas kürzer geschnitten und auf der Hüfte aufliegend – wirkt hipper.
Die Sakkolänge
Südtirol Panorama Juli | 2010
STYLING: Marco Andreatta trägt einen Anzug von Tombolini und Schuhe von Paolo da Ponte. Ausgestatt wurde Marco Andreatta vom Bozner Modehaus Oberrauch Zitt.
Marco Andreatta, 48, war von 1994 bis 2006 Rennsportleiter der italienischen Rodelnationalmannschaft. Seine sportliche Karriere begann er als Zehnkämpfer, bevor er zum Bobsport wechselte. 1992 trat er bei den Olympischen Winterspielen in Albertville im Viererbob mit Günther Huber, Thomas Rottensteiner und Antonio Stiffi an. Heute hat der Brixner den Bob-Anzug an den Nagel gehängt und ihn gegen jenen aus feinem Zwirn eingetauscht: Als Private Banker der Volksbank gehört der Anzug zu seiner Standardgarderobe.
Dressed for success.
Die meisten Männer tragen Jacketts mit zu langen Ärmeln. Eine Faustregel besagt: Die Ärmel sollten bis zum Handgelenk reichen und weder zu eng noch zu schlabbrig sitzen. Vom Hemd sollte etwa ein Zentimeter zu sehen sein, das wirkt wesentlich eleganter.
Die Ärmel
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LESEZEICHEN ROUBINI, DER PROPHET Wann kommt die nächste Krise? Und wie stark wird sie ausfallen? Kein anderer kennt die Bruchstellen der globalen Märkte so gut wie Star-Ökonom Nouriel Roubini. Er war einer der wenigen weltweit, der die Finanzkrise 2008 so detailliert vorhergesehen hat. Roubini zeigt in seinem neuen Buch, wie die Weltwirtschaft erschüttert wurde und warum ein neuer große Crash droht. Mit seinen fundierten Analysen weist er den Weg in eine sichere und krisenfeste Zukunft. Das verständlich erklärende Buch beantwortet alle Fragen für all jene, die wissen wollen, was unsere globale Wirtschaft noch alles erwartet.
LUXUS & LIFESTYLE
Mobiles Wohnen – Warum Kofferpacken? Kein Architekt, kein Baulärm, kein Dreck, kein Stress! Mit diesen vier mobilen Wohnhäusern erfolgt jeder Umzug günstig und schnell. „Loftcube“ von Werner Aisslinger Designer Aisslinger hat für urbane Nomaden ein transportables Zuhause entwickelt: Auf vier Stützen stehend schwebt ein langgezogener 55 qm großer Würfel über dem Boden. Sein Aussehen ist rein, eine Kombination aus weißem Kunststoff und hellem Holz. Das verstellbare Wohnhaus kann in zwei Tagen montiert und auch wieder demontiert werden. Preis: Ab 139.000 Euro.
INFO: Nouriel Roubini, „Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft“, Campus Verlag 2010, 24,90 Euro
REISE INSIDER-TIPP
Wien
VON KURT RAUCH | Aufgewachsen in Meran, studierte er in Wien, wo er mit zwei Südtirolern das Architekturstudio S.O.F.A. gegründet hat. Anfangs hatte ich lediglich den Wunsch in einer Großstadt zu leben. Später jedoch wollte ich dort auch arbeiten. So wurde aus der Kleinstadt Meran die Kulturmetropole Wien. Dolce Vita: Wer in Österreich auch mal gerne italienisch essen möchte, der sollte in das Restaurant Wetter (Payergasse 13). Die Küche basiert auf Rezepten aus Ligurien. Wiener Kaffeehaus: Für ein nettes Lokal zum Plaudern gehe ich meistens in das Café Espresso (Burggasse 57) und lass mich vom Stil der 50er treiben. Abends gehe ich mit Freunden auf ein paar kühle Getränke in das rhiz, es ist die Keimzelle der Wiener Musikszene in den Wiener Gürtelbögen. Kunst der Gegenwart: Das Museum Essl (An der Donau-Au 1, Klosterneuburg bei Wien) beinhaltet aber eine faszinierende private Sammlung von Kunst der Gegenwart. Aktuell zu sehen: Niki de Saint Phalle „Im Garten der Fantasie“. Beach-Feeling: Das besondere Highlight in einem heißen Sommer ist das Strandbad Alte Donau (Arbeiterstrandbadstraße 91). Ein Strandbad mit einem romantischen Holzsteg und einer netten Bar.
„Home.Edition“ von Smarthouse Als Kind haben wir mit Bauklötzen aus Holz gespielt – heute spielen wir mit Wohnmodulen aus Holz und Glas. Sechs Stunden, länger braucht man nicht, um ein Smarthouse inklusive Badeoase und Laminatböden zu errichten. Das 24 bis 58 qm große Wohnmodul kann per Tieflader oder Kran an jeden beliebigen Ort transportiert werden. Preis: Ab 26.990 Euro.
„Mountainer“ von Gasser Schindeln
„Type Trend“ von Nomadhome Das stylische Wohnhaus beeindruckt mit großflächigen Glasfassaden und auffälligem runden Design. Die Innenausstattung ist elegant, die technischen Details sind raffiniert. Das transportable Haus besteht aus mindestens drei Modulen à 11 qm. Nach nur drei Montagetagen beziehbar. Ab 27.000 Euro pro Modul.
Ob Sauna, Gartenhaus, Liftstation oder Wohnraum – der mobile Mountainer Südtiroler Herkunft ist vielfältig einsetzbar und besitzt uneingeschränkte Befestigungsmöglichkeiten. Highlight ist die Außenverkleidung mit traditionellen Lärchenschindeln. Transportiert werden kann das 5 bis 24 qm große Modul ganz einfach per Lkw oder auch per Hubschrauber. Die Einrichtung erfolgt nach Wunsch. Preis: auf Anfrage.
MUST-HAVE DES MONATS
E-Roller im Retrolook Die italienische „Vespa“ ist mit ihrem nostalgischen Design längst Kultobjekt. Jetzt hat sie einen Nachfolger bekommen, der sparsam und umweltschonend noch dazu ist: der Elektroroller EVT 168. Das lärmfreie Moped schafft mit einer Reichweite von bis zu 70 Kilometern selbst die Strecke von Brixen nach Meran. Und wie lädt man den Roller auf? Ganz einfach: Den integrierten Akku in eine Steckdose stecken und in nur drei Stunden ist der Roller wieder voll einsatzfähig. Als Zubehör erhältlich: Ein abschließbares Topcase in den jeweiligen Farben des Rollers: hellblau, aubergine oder british-green. INFO: Ab 2.790 Euro inklusive Ladegerät und Akku, www.evt-scooter.de
UNTERNEHMER & MÄRKTE PR-INFO
Bloß keine StrateGier! „Erfolg kann man nicht garantieren. Die systematische Zielverfolgung schon.“ Das ist das Motto der Beratungsagentur Dr. Gruber & Partner. Denn gerade in Zeiten der Krise planen viele Unternehmen ihre Strategien zu spontan und kurzfristig. Aber wie findet man die richtige Strategie? Ein Leitfaden. Glück, konkurrenzlos zu sein. Wie aber kann man diesem Teufelskreis spontanstrategischer Aktionen entkommen? DIE ANALYSE. Ohne Analyse keine Strategien. Die Methoden sind vielfältig: von der Kundenzufriedenheitsanalyse über die klassische Marktforschung hin zur Kundendatenanalyse. Es gibt also erprobte Methoden für die Analyse des Marktes (das Umfeld), des Fremdbildes (der Sicht von außen) und des Selbstbildes (Innenwahrnehmung). DIE STRATEGIE. Wer die IST-Situati-
Norbert Vieider
W
elches sind die häufigsten Positionierungsfehler von Unternehmen und Körperschaften? Ganz klar, die „Projektitis“. In turbulenten Zeiten wie diesen kann diese gleich doppelt schädlich sein: „Man hat manchmal den Eindruck, als hätte das Jahr 2009 zu einer Schockstarre geführt. Die Marketing- und Kommunikationsabteilungen aber auch die Unternehmer selbst gieren nach Heilsstrategien“, meint Gernot Gruber, Gesellschafter der Dr. Gruber & Partner GmbH. Meist kommen diese Strategien aus der Hüfte geschossen, ihnen fehlt das perfekte Timing, das ideale Bauchgefühl und das
DIE KOMMUNIKATION. Unternehmenskommunikation auf den klassischen und „neueren“ Online-Kanälen braucht neben der professionellen Umsetzung vor allem Kreativität. Die Beratungsagentur Dr. Gruber & Partner hat hierfür eine spezielle Methode zur Ausarbeitung kreativer Kommunikation entwickelt: die analy-
Dr. Gruber & Partner GmbH Die Agentur ist spezialisiert auf umfassende Analysen im Bereich der Markt- und Meinungsforschung sowie anderer Erhebungen quantitativer und qualitätiver Art (Online-Panel, Fokusgruppen, Tiefeninterviews, Datamining u.a.). Strategie-Entwicklung bildet einen weiteren Schwerpunkt zu dem auch die Marken-Entwicklung und Führung gehört. Abgerundet wird das Angebot schließlich mit den klassischen Kommunikations- und Kreativleistungen sowie mit Online-Marketing-Beratung.
Foto: Kuadrat
Foto: Kuadrat
on möglichst umfassend beschreibt und für alle Beteiligten in nachvollziehbaren Kennzahlen darlegt, hat den idealen Ausgangspunkt. Den entscheidenden Referenzpunkt der Strategieentwicklung bildet dann die konkrete Zielformulierung, wo ein Strategieberater als erfahrener Fährtensucher fungiert.
Gernot Gruber
tische Kreativität. Mit dieser Methode wurde zum Anlass des DFB-Trainingslagers in Eppan der Riesen-Jabulani-Fußball umgesetzt. Mit weltweitem Response. Mehr dazu unter ◀ www.longogroup.it/jabulani/
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Dr. Gruber & Partner GmbH J.-Kravogl-Straße 7 39100 Bozen Tel. 0471 18 86 806 info@drgruber-partner.com www.drgruber-partner.com
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EVENTS & TERMINE 22.07.
22.07. – 03.08.
PRO-CONTRA Bozen Welche Voraussetzungen muss ein Jungunternehmer mitbringen? Eine Diskussion anlässlich der Themenreihe „Treffpunkt Wirtschaft 2010“. Von 18 bis 20 Uhr in der Handelskammer. www.wifi.bz.it
TECHNOLOGIE Bozen Enterprise 2.0, mobile media, cloud computing: Wie diese Technologien funktionieren, erfahren Sie beim kostenlosen „Treffpunkt Wirtschaft 2010“ in der Handelskammer. Von 18 bis 20 Uhr. www.wifi.bz.it
WEINKULTUR St. Pauls Wein, Gourmet und Kultur. St. Pauls weiß diese zu verbinden. Höhepunkt der Wein-KulturWochen: die Gastliche Tafel in den Gassen von St. Pauls am 27. Juli mit Sternekoch Herbert Hintner. www.eppan.com
03.08.
24.08. – 27.09.
SEESPIELE Kalterer See Das Musical „Die Schöne und das Biest“ gastiert endlich in Südtirol. Eine gelungene Darbietung aus Fantasie und Magie sehen Sie auf der Kalterer Seebühne. Beginn: 21 Uhr. Kosten: 35 € www.kaltern.com
MUSIKWOCHEN Meran Einmal im Jahr ist es so weit. Die Prominenz der klassischen Musik, u.a. The Cleveland Orchestra und das Bayrische Staatsorchester, geben bei den Meraner Musikwochen ihr Bestes. www.meranofestival.com
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21.07.
03.09.
WIRTSCHAFT Alpbach Die österreichischen Minister Doris Bures und Josef Pröll debattieren beim Europäischen Forum Alpbach zum Thema: „Herausforderungen und Lösungsansätze.“ Von 9.30 bis 11.45 Uhr. www.alpbach.org
BAUKULTUR Alpbach „Vom Entwurf zur Wirklichkeit“ – so heißt der Vortrag des Tiroler Immobilientycoons René Benko beim Forum Alpbach. Ein Ausblick zur Zukunft der Baukultur. Von 19 bis 20.30 Uhr. www.alpbach.org
15.09.
EKKAN-PRINZIP Bozen Anhand des EkkanPrinzips wird Berater Arnold Weissman erklären, wie Inhaberboni und Vorteile im Unternehmen geschickt genutzt werden können. Von 9.30 bis 17 Uhr. Gebühr: 490 €. www.weissmann.it
SPORT AWARD Kurhaus Meran Katrin Müller-Hohenstein, das weibliche Sportgesicht im ZDF, überreich bei diesem Galaabend den Award für besondere Verdienste im Sportgeschäft, u.a. an Hans Krankl. Beginn 17 Uhr. info@ambitions.it
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OKTOBERFEST München Frauen in Tracht, Männer in Lederhosen, eine Maß Bier vom Fass: Heuer findet das Oktoberfest zum 177. Mal statt. Ab nächstem Jahr gilt auch auf dem Oktoberfest generelles Rauchverbot. www.oktoberfest.de
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09.09.
SANA Bologna Natürliche und biologische Produkte in den Bereichen Ernährung und Gesundheit stehen auch bei der 22. Auflage der Messe „Sana“ im Vordergrund. Von 9.30 bis 19 Uhr. Eintritt: 15 € www.sana.it
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09.09. – 12.09.
FINANZMARKT Alpbach Kein Geringerer als der Generalsekretär der Vereinigten Staaten, Ban Ki-moon, wird auf dem Forum Alpbach referieren. Sein Thema: die Milleniums-Entwicklungsziele. Von 11.30 bis 13 Uhr. www.alpbach.org
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04.09.
18.09. – 04.10.
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02.09.
HUMANKAPITAL Messe München Verändert Facebook die Personalarbeit? Welche Profile sind künftig gefragt? Diese und andere Fragen stehen auf der Personalmesse im Vordergrund. 20 € Tageskarte. Von 15 bis 17 Uhr. www. messe-muenchen.de
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21.09.
SHOWDOWN Alpbach Die Eröffnung mit den Politikgrößen Catherine Ashton, Henry Kissinger und Michael Gorbatschow ist das Highlight des 10. Europäischen Forum Alpach. Von 15 bis 17 Uhr. www.alpbach.org
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29.08.
21.09. – 22.09.
23.09. - 25.09
OFFICE Cusanus Brixen Sauberkeit, Ordnung und Organisation. Das Seminar in der Cusanus Akademie zeigt praktische Techniken zur professionellen Büroorganisation. Jeweils von 9 bis 17 Uhr. Gebühr: 150 € www.cusanus.bz.it
KLIMAENERGY Messe Bozen Dritte internationale Fachmesse für erneuerbare Energien. Unternehmen aus dem In- und Ausland, präsentieren ihre neuen Technologien. Schwerpunkte: Biomasse, Solarenergie und Wasserkraft. www.klima-energy.it
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Schöner rasten
Die Raststätte Lanz hat den Weg von der reinen Verpflegungsstation hin zum Gourmettempel mit Südtiroler Produkten geschafft.
Foto: Raststätte Lanz
Besitzer Matthias Lanz hat die Raststätte Lanz an der Pustertaler Staatsstraße vor drei Jahren neu konzipiert
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s war der Ort, wo Touristen noch einen letzten Halt in Südtirol gemacht haben. Speck, Käse, Äpfel und Wein – damit haben sie sich beim „Verkaufsstandl“ Lanz kurz vor ihrer Heimreise eingedeckt. Typisch einheimische Produkte direkt an der Pustertaler Staatsstraße, kurz vor der Autobahnein-
fahrt – das war über 30 Jahre das Erfolgskonzept von Willi Lanz. Vor drei Jahren hat sein Sohn Matthias das bestehende Konzept aufgegriffen und an die Bedürfnisse von heute adaptiert. Sein modernes Food- und Einkaufskonzept ging weg von der reinen Verpflegungsstation, hin zu einer Wohlfühloase mit moder-
ner Architektur. Um die Raststätte harmonisch in die Natur einzufügen, hat er das Gebäude von Architekt Walter Angonese direkt in den Hang integrieren lassen. Matthias Lanz selbst war über ein Jahr quer durch Südtirol unterwegs, auf der Suche nach den qualitativ hochwertigsten Produkten. 95 Prozent der insgesamt 250 Produkte stammen heute aus Südtirol: von der Bauernbutter aus Kiens, dem Graukäse aus Vierschach über die frischen Erdbeeren aus Aicha, die Knödel aus Antholz bis hin zum zertifizierten Südtiroler Bauernspeck. Machten ehemals nur Touristen einen Abstecher bei Lanz, so sind heute 50 Prozent der Kunden Einheimische. Ob zum Frühstück, Mittagssnack oder Feierabendbier. ◀
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Raststätte Lanz 39040 Schabs Pustertaler Staatsstraße Tel. 339 69 804 56 info@lanz-suedtirol.it www.lanz-suedtirol.it
Innovative Erfolgsidee Das junge Südtiroler Unternehmen alpitronic entwickelt elektronische Systeme auf höchstem technischem Niveau. Internationale Automobilhersteller sind schon aufmerksam geworden.
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as im Juni 2009 gegründete Unternehmen alpitronic ist als solches zwar noch recht jung, bietet aber Elektronikentwicklung auf einem so hohen technologischen Innovationsgrad, dass selbst international agierende Hersteller hellhörig wurden. alpitronic entwickelte ein neuartiges Kommutierungsverfahren, das genutzt werden kann, um elektrische Maschinen wie Automotoren, Flugzeuge oder Solarkraftanlagen anzutreiben. Aktuell untersuchen die Südtiroler im Auftrag eines großen Automobilherstellers, ob dieses System auch in Hybrid- oder Elektrofahrzeugen zur Anwendung kommen kann. „Noch ist dieses System ein reines Entwicklungsprojekt. Daraus ein Produkt hervorzubringen, wird die nächste Herausforderung sein“, erklärt
Philipp Senoner zählt mit drei weiteren Südtiroler Ingenieuren zu den Gründern von alpitronic
Philipp Senoner. Er ist neben Sigrid Zanon, Alessandro Cicceri und Andreas Oberrauch einer der vier Gründer von alpitronic. Alle vier haben mehrjährige Auslandserfahrung in der Elektronik-Branche, unter anderem bei BMW und Silver Atena in München. Jetzt sind sie dabei, Unternehmen mit die-
sem innovativen Verfahren zu Entwicklungsvorsprüngen zu verhelfen. „99 Prozent unserer Kunden sitzen noch im Ausland“, so Senoner, „unser Ziel ist es aber, vermehrt Südtiroler Unternehmen bei der Entwicklung elektronischer Komponenten zu unterstützen.“ Parallel zur Entwicklung eigener Produkte bietet alpitronic Beratungs- und Engineering-Dienstleistungen für den Elektronik-Bereich an. ◀
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ALPITRONIC Siemensstraße 19 39100 Bozen Tel. 0471 06 82 30 info@alpitronic.it www.alpitronic.it
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PERSONALIEN
Was macht eigentlich … … Christoph Kaserer? Mitte der Neunziger wurde Christoph Kaserer mit dem Förderpreis für junge Südtiroler im Ausland ausgezeichnet. Heute ist er Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der TUM in München, entwickelt Aktienindizes und errechnet die Kosten der Krise. aber wieder gelegt. Wir haben mehr Studenten als vor drei Jahren und die Nachfrage an Vorträgen und Fachwissen ist größer denn je.
SÜDTIROL PANORAMA: Im Jahr 1994 sind Sie mit dem Futura-Preis der Stiftung für junge SüdtirolerInnen im Ausland ausgezeichnet worden. Heute sind sie Universitätsprofessor und Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität München. Was hat Sie nach Bayern geführt?
Was ist Ihre Meinung, haben wir die Finanzkrise überstanden?
Diese Krise ist sicherlich vorbei, aber Krisen haben die Finanzmärkte immer begleitet und die nächste kommt bestimmt. Einige Einschätzungen bezüglich der Auswirkungen sind aber übertrieben worden. Wir versuchen gerade, die tatsächlichen Kosten zu errechnen, um mehr Klarheit zu haben. Bisher war immer von gigantischen Summen von 100 Milliarden Euro die Rede. Diese Beträge scheinen nach ersten Berechnungen deutlich zu hoch. Wie verunsichert waren eigentlich Ihre Studenten angesichts der Finanzkrise?
In meinen Vorlesungen habe ich eine große Irritation gespürt. Bei den Studierenden herrschte Unsicherheit, ob Kapitalmärkte und Investment Banking noch gute Berufsfelder sind. Dies hat sich
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Foto: Privat
CHRISTOPH KASERER: Die TUM hatte schon vor der Exzellenzinitiative der deutschen Regierung einen ausgezeichneten Ruf und gehört zu den besten Universitäten in Deutschland und Europa. Hier gibt es sehr gute Forschungsmöglichkeiten und -bedingungen. Ein großer Vorteil ist natürlich auch, dass meine Südtiroler Heimat nicht weit entfernt ist. Wenn es die Zeit erlaubt, fahre ich gern nach Südtirol. Man kann dort wunderbar wandern und Ski fahren.
Vor fünf Jahren haben Sie mit Ihrer Kollegin Ann-Kristin Achleitner einen neuen Aktienindex entwickelt und sind mit dem „Initiativpreis 2005“ ausgezeichnet worden. Worum geht es dabei?
„Institutionelle Investoren folgen einem Herdentrieb“, meint der gebürtige Meraner Finanzexperte Christoph Kaserer
Forscher der Finanzen Der Meraner Christoph Kaserer (Jahrgang 1963) hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien promoviert und habilitierte sich an der Universität Würzburg. Heute ist er Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität München (TUM) und Co-Direktor des Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS). Als Sachverständiger hat er die Eidgenössische Regierung bei der Privatisierung der Postbank beraten. Er ist zudem Experte für die European Venture Capital and Private Equity Association (EVCA) und die Europäische Kommission im Bereich Private Equity und Kapitalmärkte. Für die deutsche Regierung hat er 2006/07 eine Expertengruppe geleitet, die Vorschläge für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Private Equity in Deutschland entwickelt hat.
Das war eine Zusammenarbeit des von mir geleiteten Hochschulinstituts Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) und der Deutschen Börse. Der German Entrepreneurial Index, kurz GEX, war weltweit der erste Index, der die Performance eigentümergeführter deutscher Unternehmen abbildet. Diese Firmen werden damit für Investoren interessanter. Seit dem 3. Januar 2005 wird er täglich berechnet. Außerdem haben wir an der Entwicklung eines weiteren Indexes börsennotierter Familienunternehmen mitgearbeitet und den DAXplus Family Index erstellt. Ihre aktuelle Kritik gilt dem Herdenverhalten der institutionellen Investoren. Welche Gefahren birgt dieses?
Die Volatilität der Finanzmärkte nimmt zu. Meine These ist, dass institutionelle Investoren einem Herdentrieb folgen und mit der Masse schwimmen, auch wenn eine andere Anlagestrategie auf lange Sicht besser und rentabler gewesen wäre. Jeder schaut, was der andere macht, und macht es dann nach. Wie die Lemminge. Das kann fatale Folgen haben. Die Konzentration der institutionellen Investoren sollte daher unbedingt reduziert werden, um das Finanzvermögen nicht nur in wenigen Händen zu ha◀ ben. MELANIE OCKERT
Werbemitteilung
Energie im Verbund.
Gemeinsam stark. Die Sicherung der Energieversorgung für kommende Generationen ist zu einem Kernanliegen unserer Zeit geworden. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, gewinnen energiepolitische und -rechtliche Fragen sowie Umweltthemen an Bedeutung. Der Raiffeisen Energieverband versteht sich als Informationsund Koordinationsstelle seiner Mitglieder. Ziel ist es, deren lokale Eigenständigkeit im Energiebereich zu stärken und Synergieeffekte zu nutzen. Energie fließt im Verbund.
www.rev.bz.it
800-225420