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Ich sehe was, was du nicht siehst…» – Carole Schreiber über ihre Bachelor-Arbeit

«Ich sehe was, was du nicht siehst…»

In ihrer Bachelor-Arbeit hat Carole Schreiber, basierend auf einem literaturbasierten Theorieteil, ein Kartenset entwickelt. Es dient dazu durch theaterpädagogische Mittel bereits im Kindergarten die Perspektivübernahmefähigkeit zu fördern. Eine Fähigkeit, die sich während des Schreibens der Arbeit als Grundkompetenz für eine antidiskriminierende Haltung herauskristallisierte.

Aufgezeichnet von Marc Fischer

«Mir war es von Anfang an wichtig, eine praxisorientierte Bachelorarbeit zu schreiben. Den Ausschlag für die Themenwahl haben schliesslich mehrere Dinge gegeben. Einerseits habe ich als Schwerpunktfach Kulturvermittlung und Theaterpädagogik gewählt und kam so immer wieder in Kontakt mit dem Ansatz der Critical Diversity Literacy. Anderseits interessiert mich persönlich, wie Differenzkategorien entstehen und in der Gesellschaft thematisiert werden. Passend dazu hatte ich ein Erlebnis in einem Praktikum: Als Vorbereitung für eine Themenwoche, musste jedes Kindergartenkind ein Fähnlein mit der Fahne seiner Nationalität bemalen, um damit die grosse Heterogenität der Schule nach aussen zu tragen – und ich glaubte zu beobachten, dass viele gar nicht wussten, weshalb sie nun nicht einen roten Wimpel mit weissem Kreuz malen durften. Basierend auf diesen Prämissen entschied ich mich, die Thematik ‹Wir und Andere› aufzugreifen, zu hinterfragen und eine möglichst partizipative Antwort zu finden, wie damit bereits auf Kindergartenstufe eine offene und antidiskriminierende Haltung gefördert werden kann.

Im Theorieteil meiner Arbeit ist der Critical-DiversityLiteracy-Ansatz der rote Faden. Er hilft die Entstehung von Differenzkategorien durch eine kritische Brille zu lesen. Den Kindergarten denke ich dabei als Kontaktzone, als gemeinsam erstellten Raum in einer Migrationsgesellschaft, in dem das alltägliche Zusammentreffen stets neu und gemeinsam ausgehandelt wird. Als Schlüsselkompetenz zeigte sich dabei die Fähigkeit zur Perspektivübernahme, um bereits auf Kindergartenstufe eine Gemeinschaft mit offener Haltung zu entwickeln. Diese Fähigkeit gehört zu den überfachlichen Kompetenzen, die mit dem Lehrplan 21 vermehrt in den Fokus rücken. Während in den Erziehungswissenschaften davon ausgegangen wird, dass die Fähigkeit zur Übernahme der Perspektive von Drittpersonen erst im Alter von sieben bis zehn Jahren entwickelt wird, beschreibt die Theaterpädagogik mimetische Vorgänge, etwa das Nachahmen von Gesten, die schon unbewusst im Kleinkindesalter stattfinden.

Die Idee ist daher, mit einem theaterpädagogischen Ansatz die Perspektivübernahmefähigkeit bereits in einem früheren Alter trainieren zu können. Darauf habe ich mich im praktischen Teil der Arbeit gestützt und ein Kartenset mit dem Titel ‹Ich sehe was, was du nicht siehst…› entwickelt. Es bietet diverse Umsetzungsideen für die Kindergartenstufe von Erzähl- und Figurentheater über Pantomime bis zu musikalischer Darstellung von Emotionen. Die Karten sind mit Bilderbuchvorschlägen, Kreis- und Freispielen sowie anderen Aktivitäten auf den Kindergartenalltag ausgerichtet. Die Kinder können vergleichen und andere Sichtweisen einnehmen, ohne dass Wertungen vorgenommen oder Differenzkategorien benannt werden. Ausgangspunkt war für mich die Thematik Rassismus und ich bin überzeugt, dass das Kartenset zur Rassismus-Prävention eingesetzt werden kann, sich jedoch auch allgemein für einen Unterricht im Diversity-Kontext eignet. Ich freue mich darauf, es in unterschiedlichen Klassen auszuprobieren und möchte es auch möglichst vielen anderen Lehrpersonen zugänglich machen, um einen partizipativen Austausch darüber zu generieren. Deshalb werde ich das Kartenset wohl beim Programm ‹Neues Wir› der Eidgenössischen Migrationskommission einreichen. Darin werden partizipative Projekte gefördert, die Diskurse, Bilder, Geschichten und Räume von ‹Wir und die Anderen› hinterfragen und Alternativen dazu entwickeln.»

Carole Schreiber. zVg.

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