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Wir werfen die Angel aus, aber fischen müssen

„Wir werfen die Angel aus, aber fischen müssen die Journalist*innen selbst“

© Georg Wilke

Sarah Wagner

Journalist*innen sind Gatekeeper für PR-Informationen. Alexander Khaelss-Khaelssberg, Managing Partner von leisure communications, spricht über die Relevanz und den Einfluss des Journalismus für die PR-Kommunikation.

Sarah Wagner: Sie haben in einem Interview zum Thema Shitstorm im März 2021 gesagt: „Etablierte Medienmarken sind der authentische Gatekeeper für recherchierte Informationen“ (ÖGZ). Journalist*innen müssen von PR kommende Informationen abwiegen und objektiv aufbereiten, sodass sie interessant für die Leserschaft sind. Wirken Journalist*innen als Gatekeeper auch einschränkend für die PR?

Alexander Khaelss-Khaelssberg: Unsere Grundaufgabe in der PR liegt darin, Narrative der Kunden journalistisch aufzuarbeiten, fundierte Inhalte zu liefern und im Vorfeld eine Recherche zu betreiben, die dann Journalist*innen das Handwerk erleichtert und eine Basis für die weitere Arbeit bietet.

Wagner: Journalist*innen sind täglich mit einem Überangebot an zugetragenen Informationen konfrontiert. Sie müssen selektieren, wobei viele Inhalte aufgrund medienökonomischer Parameter, wie Finanzierung, Personal oder Platz ignoriert werden. Wie muss eine Pressemitteilung gestaltet sein, dass man auffällt?

Khaelss-Khaelssberg: Hier geht es auch um den Absender. Vertrauenswürdige und gute Informationen von einer Agentur bzw. Pressestelle erhalten sicher mehr Wahrnehmung in der Redaktion, als ein werblicher Newsletter. Ein gutes Aufmacher-Bild ist je nach Thema auch mitunter ein Grund, warum sich die Medien die Pressemitteilung anschauen. Bei reinen Wirtschaftsthemen z.B. ist das Bild aber nicht so entscheidend, wie bei Lifestyle-Inhalten. Daher auch meine Empfehlung: "Investiert in gute Fotos und wählt professionelle Fotograf*innen. Mit einem coolen Foto gewinnt man eine Geschichte, obwohl die alleine vielleicht gar nicht so spannend gewesen wäre."

Wagner: Die PR müssen Themen so aufbereiten, dass Journalist*innen sie gerne verbreiten. An Sie als PRFachmann: Bis zu welchem Grad sollten PR-Inhalte für eine objektive Berichterstattung geändert werden im Sinne eines Re-Check?

Khaelss-Khaelssberg: Die PR hat nicht die Aufgabe, Märchen zu erzählen, sondern kann nur Anregungen geben und auf Themen hinweisen. Alles was dann passiert, ist journalistische Arbeit. Das heißt, PR und Journalismus bedingen einander – PR darf Journalismus aber nicht determinieren. Wir werfen den Köder aus, aber fischen müssen die Journalist*innen selbst. Wenn seriös recherchiert und gut gearbeitet wird, macht es den Inhalt nur besser und auch für die PR glaubwürdiger.

Wagner: Immer weniger Journalist*innen sehen sich mit immer mehr PR-Verantwortlichen konfrontiert. In erster Linie resultieren daraus sinkende Kapazitäten, zunehmender Kostensenkungsdruck und fehlende Recherchemöglichkeit in den Redaktionen. Wie verändert das die Zusammenarbeit?

Khaelss-Khaelssberg: Fehlende Kapazitäten sehe ich auf beiden Seiten. Einerseits steigt das Ausbildungslevel, andererseits sinkt der journalistische Erfahrungswert bei der jüngeren Generation, weil sich diese weniger mit klassischen Medien auseinandersetzt. Dabei wäre jede*r gut beraten, nach wie vor Zeitungen zu lesen und den Medienkonsum auch als solchen wahrzunehmen. Junge Leute sagen oft: „Ich schaue nicht mehr fern!“ oder haben keinen klassischen Fernseher mehr zuhause. Natürlich zählt aber auch dazu, wenn man den ORF am Smartphone konsumiert. Die Leute sind fachlich und inhaltlich sehr gut qualifiziert, aber das Feingefühl für die Medien kann erst on-the-job erarbeitet werden.

Wagner: Die journalistische Kritik und Faktenprüfung sorgen u.a. für die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in traditionelle Medien. Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit der PR-Inhalte, wenn Journalist*innen aufgrund der fehlenden Kapazitäten bereits mediengerecht aufbereitete PR-Inhalte einfach kopieren?

Khaelss-Khaelssberg: Ich glaube, wir sind nach wie vor in einer privilegierten Situation, indem bei kritischen Inhalten überwiegend sehr gute Recherche betrieben wird. Es ist aber auch Teil des PR-Jobs, ein paar Inhalte so aufzu-

© Christian Jobst

Alexander Khaelss-Khaelssberg ist Managing Partner der 2002 gegründeten PR-Agentur leisure communications, die rund 60 Kund*innen betreut. Mit einem Team von elf Personen hat die mittelgroße eigentümergeführte österreichische Agentur ihre Schwerpunkte auf WirtschaftsPR, Medien, Freizeitwirtschaft und Kultur gelegt.

bereiten, dass sie verwertbar sind und theoretisch auch 1:1 übernommen werden können. Die Themen sollen komprimiert, aber doch umfassend übermittelt werden, sodass sich die Medien ein Bild darüber machen können. Bei seriösen Medien gibt es die Geschichte jedoch ohne Hinterfragen eines fragwürdigen Inhaltes nicht.

Wagner: Journalist*innen kennzeichnen sich in der Theorie durch ihre Unabhängigkeit. Und trotzdem sind Media Relations in der Branche essenziell. Was macht „Freunderlwirtschaft“ mit der Unabhängigkeit in der Informationsselektion?

Khaelss-Khaelssberg: Im Vergleich zu Deutschland haben wir in Österreich das Privileg von einem konzentrierten und eher unbürokratischen Markt. Dadurch kennt und trifft man sich im Laufe der Jahre. Ich sehe das aber weniger als „Freunderlwirtschaft“, sondern als Vertrauensverhältnis. Man wird keine schlechte Story verkaufen können, nur weil man sich privat kennt. Wenn man Distributionskanäle wie z.B. APA-OTS nutzt und der Inhalt gut ist, setzt das nicht unbedingt voraus, Journalist*innen zu kennen. Wenn man eine Exklusiv-Story platzieren möchte, tut es natürlich gut, auf Vertrauensverhältnisse zu setzen.

Wagner: Die Gatekeeper-Funktion traditioneller Medien lässt sich durch owned Kanäle, z.B. Social Media umgehen. Warum muss man sich mit der Macht der Journalist*innen auseinandersetzen, wenn man auch owned Kanäle bedienen kann?

Khaelss-Khaelssberg: Es geht weniger um Kanäle, sondern um das Vertrauen in Medienmarken, welches vor allem in Zeiten der Verunsicherung noch mehr wächst. Owned Kanäle sind zwar faszinierend, aber nett bis kritisch zu beobachten. Es fehlt nämlich genau der Gatekeeper, der Inhalte relativiert, in den Kontext setzt, erklärt und verständlich macht. Absender*innen haben trotzdem eine hohe Verantwortung über ihre Kanäle, beginnend bei der Mediaplanung, wo Werbegeld weniger in Google & Co, sondern in nationale Medienökonomie investiert werden sollte, um Journalismus als Vertrauenszwischenstelle zu ermöglichen. Die ganze Kommunikation ist reine Vertrauenssache. Vom Wirtshaus ums Eck im „Bezirksblatt“ bis hin zur großen Bank im „Trend“ braucht das jede*r. Es geht jedoch nicht nur um klassische Kanäle, sondern auch um die journalistische Arbeit einer Medienmarke als Zwischenstelle, was aber genauso z.B. auf „TikTok“ sein kann. Owned Media funktioniert als Werbekanal oder Recherchekanal für die Medien, aber es ist kein Kanal der Vertrauenskommunikation. Vor allem, wenn es um größere Themen, wie Corona, politische Skandale etc. geht, braucht es diese Einordnung und Faktenaufbereitung.

Wagner: Abschließend möchte ich bei der letzten Frage gerne einen Blick in die Zukunft wagen. Wie sollte 2025 die Brücke zwischen PR und Journalismus gestaltet sein?

Khaelss-Khaelssberg: Ich wage die These aufzustellen, dass Absender*innen und das Vertrauen in die Medienmarke, wie auch immer sie aussieht, immer relevant bleiben. Ich wünsche mir seitens der Kommunikator*innen etwas mehr Feingefühl für die Bedürfnisse und Funktionsweise der Medien und glaube, dass das nur im persönlichen Kontakt geht. Deshalb sage ich zu jungen Kolleg*innen: „Geht raus und redet miteinander!“ Das Verständnis für den Alltag des Anderen und die Produktion von Medien macht wahnsinnig viel aus. Je mehr Dialog geführt wird, desto besser wird die Zusammenarbeit. Die Abhängigkeit von PR und Journalismus wird sich nicht ändern, also wird das Vertrauensverhältnis immer wichtig bleiben. Ich denke auch nicht, dass sich die Macht über die Inhalte ändert. Es wird immer der qualitative Journalismus sein, der die Themen bestimmt. Wir haben höhere Ausbildungsniveaus und durch die Digitalisierung bessere Möglichkeiten, um PRInhalte schneller anzubieten und die Medien zu entlasten. Ich mache den Job seit 20 Jahren, aber das Spiel hat sich in seinem Grundsatz nicht geändert. Wir in der PR bieten Inhalte an, Medien wählen Inhalte aus und erklären sie. Ich sehe die Zusammenarbeit durchwegs positiv.

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