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Terror, Polizei und Medien
© Florian Stix
Jürgen Resch
Manfred Reinthaler, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Polizei, sprach im Zuge des Jahrestages des Terroranschlags vom 2. November 2021 mit „PRaktivium“ über die Zusammenarbeit mit Medien, Herausforderungen in der Krisenkommunikation und Abhängigkeiten.
Jürgen Resch: Der Terroranschlag in Wien vom 2. November 2021 hat nicht nur die politische Welt und die Gesellschaft verändert, sondern auch die mediale Welt. Was ist Ihnen aus persönlicher und beruflicher Sicht besonders in Erinnerung geblieben?
Manfred Reinthaler: Die Erinnerung war: „Jetzt passiert es auch tatsächlich in Wien.“ Wir haben natürlich immer gehofft, dass es bei uns nicht passiert, aber dennoch damit gerechnet, weil auch in München und Berlin schon Terroranschläge stattgefunden haben, die Frage war nur: Wann? Dann beginnt sich aber doch eine ganz eigene Stimmung aufzubauen und eine ganz eigene Situation, wenn das Übungsszenario dann in das Reale übergeht.
Resch: Wie gestaltete sich aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit im Allgemeinen mit den Medien während des Terroranschlages?
Reinthaler: Gerade in diesen Sonderlagen ist die erste Zeit sehr bedeutend, insbesondere die Sozialen Medien. Wir haben eine gut funktionierende Social Media-Einheit, bestehend aus vier Personen, die innerhalb dieser ersten Stunde (Golden Hour) versucht haben, die Informations-Dominanz zu bekommen. Das ist uns sehr gut gelungen, wir hatten nach 37 Minuten bereits den ersten Tweet draußen, auch mehrsprachig. Wir haben an der Analyse von anderen Ländern auch gesehen, dass in der ersten Zeit die klassischen Medien eigentlich zweitrangig sind, weil sich diese die Informationen überall herholen, wo sie diese bekommen. Wir haben über „Twitter“ die ganz wichtigen Botschaften rausgeschickt, die auch von den Medien übernommen worden sind, weil es gerade in der ersten Zeit auch schwer ist, gesicherte Informationen zu bekommen und sehr viele Medien bedient werden müssen. Das heißt, dieses Megaphon-Prinzip in den ersten zwei Stunden funktioniert eigentlich auch international ausschließlich über Soziale Medien.
Resch: Das heißt, man überlegt sich ganz genau, zu welchem Zeitpunkt man mit welchen Informationen rausgeht?
Reinthaler: Genau, es gibt bereits vorbereitete und entsprechend freigegebene Tweets für alle diese Fälle, die im Ernstfall keinen Freigabemodus mehr benötigen. Wir sind bei der Polizei hierarchisch organisiert. Hier jetzt zu sagen:„Ich suche mir eine Freigabe“, würde zu lange dauern. Diese vorgefertigten Tweets haben einfach den Zweck, die Menschen zu warnen, entsprechend zu informieren und das die weitere Berichterstattung über uns stattfinden wird. Erst in weiterer Folge kommen dann die gesicherten Informationen über den tatsächlichen Sachverhalt beziehungsweise die Ausräumungen von Spekulationen und Falschmeldungen.
Resch: Hat es in dieser ersten Phase Vorgaben seitens der Ministerien oder der Politik gegeben?
Reinthaler: Also der polizeiliche Einsatz selbst läuft an und für sich nach einer genau vorgegebenen Ablauforganisation ab. Es gibt einen Führungsstab und einen Einsatzstab. Die „Twitter“-Kommunikation zum Beispiel läuft über das Sachgebiet 5 (Medien), wo ein Vertreter im Führungsstab sitzt. Der Einsatzleiter des Führungsstabes war der Polizeipräsident, der letztlich bestimmt, welche Informationen rausgehen und welche nicht. Die politische Komponente ist eine zweite Schiene, die läuft parallel dazu. Da geht es natürlich auch um die Frage der politischen Verantwortung. Die politische Komponente spielt zum Teil bis in die Jetzt-Zeit noch hinein.
Resch: Welche besonderen Herausforderungen gab es einerseits unmittelbar während, als auch andererseits nach dem Anschlag in der Medienarbeit?
Reinthaler: In den ersten Stunden und Tagen danach waren es Gerüchte und Falschmeldungen und diese entsprechend zu dementieren, wenn sie auftauchen. Es gab insgesamt 25.000 Videos, die zum Teil zuerst alle bei uns reingeprasselt sind, später dann auf den extra freigeschalteten Computern des Bundeskriminalamtes. Es ist jedoch wichtig, dass keine Informationen untergehen. Bis zum Beispiel die Ein-Täter-Theorie tatsächlich fixiert war, dauert es doch zwölf bis 14 Stunden Minimum. Bis dahin
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Manfred Reinthaler ist seit 1991 Polizist. Er hat 1998 das Jus-Studium am Juridicum in Wien und 2015 den Masterlehrgang Strategisches Sicherheitsmanagement an der FH Wr. Neustadt abgeschlossen. Seit 2009 ist er Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Polizei mit 45 Mitarbeiter*innen.
darf Nichts übersehen werden. Man muss auch die Paralleleinsätze, die es gegeben hat, wie zum Beispiel Geisellage dort, Schusswechsel dort, Fake News entsprechend ausräumen und dann Spekulationen vorbeugen. Auf der anderen Seite kommen dann die klassischen Medien dazu, die einerseits in den Tagen und Wochen danach noch darüber berichten und entsprechende Hintergrundinformationen brauchen und andererseits auch fragen, warum es zu dem Terroranschlag überhaupt kommen konnte.
Resch: Gibt es gewisse Abhängigkeiten zwischen der Polizei und den Medien, gerade in solchen Situationen?
Reinthaler: Natürlich! Die Medien leben von Polizeimeldungen, wir leben davon, dass sie diese veröffentlichen. Wie würden die Nachrichten ohne Polizeimeldungen ausschauen? Das heißt, es ist ein ständiges Geben und Nehmen. Auf der anderen Seite habe ich als Polizei natürlich auch einen Bedarf und einen Wunsch zu berichten: „Was tut die Polizei?“ Dieses Geben und Nehmen funktioniert sehr gut in Österreich. In Krisensituationen ist es auch richtig, dass man mit den Medien gut zusammenarbeitet, dass keine ungesicherten Informationen hinausgespielt werden, dass die Bevölkerung nicht beunruhigt wird, sondern dass alle an einem Strang ziehen und ausschließlich die Polizeimeldungen von gesicherter Stelle teilen und nicht andere.
Resch: Hat sich die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Medien seit dem Terroranschlag in irgendeiner Weise verändert?
Reinthaler: Die Zusammenarbeit hat immer gut funktioniert, weil wir mit den Medien viel Kontakt haben, auch in „Friedenszeiten“. Wenn ich erst in so einer Krisensituation etwas brauche, dann wäre es zu spät. Die Öffentlichkeitsarbeit ist etwas langfristig Aufgebautes, um dann darauf zurückgreifen zu können, wenn ich es brauche. Das hat gut funktioniert und somit hat sich auch das Verhältnis weder verschlechtert noch verbessert.
Resch: Wie sollte dabei eine optimale Kooperation aussehen? Gibt es Punkte, die in solchen Bereichen besonders wichtig sind?
Reinthaler: Ich glaube, das ganze Wesen einer Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen und Verständnis für die jeweilige andere Seite. Ich muss mich darauf verlassen können, dass die Medien das so bringen, wie ich es auch sage, meine und schreibe. Die Polizei und die Medien unterstützen sich gegenseitig, also wenn wir als Polizei zum Beispiel auf Tätersuche sind, dann sind wir auf die Veröffentlichung des Fahndungsfotos in den Medien angewiesen. Die Medien sind auf uns angewiesen, um ihre Zeitungen zu füllen und um die Bevölkerung zu informieren. Die Medien sind keine Kunden von uns, sondern neutrale Vermittler, also die Gatekeeper für die Öffentlichkeit. Ein wesentlicher Punkt ist auch das Verständnis für die jeweilige Lage. Wir können einfach das, was wir wissen, nicht immer sagen, auch wenn es die Medien gerne hätten. Unser Anspruch ist es, alle gleich mit diesen Informationen zu bedienen. Im Wesentlichen ist es ein gegenseitiges Respektieren und Beachten des jeweiligen Tätigkeitsgebietes, in der Hoffnung voneinander zu profitieren.
Resch: Es wurden in diversen Medien auch einschlägiges Bild- und Videomaterial veröffentlicht, welches medienethisch nicht vertretbar war. Inwieweit reagierte die Polizei auf solch fragwürdige Berichterstattung?
Reinthaler: Wir tun, was in unserem Einflussbereich liegt. So gab es direkte Kontakte mit „Facebook“ und „Twitter“, die diese Videos wieder gelöscht haben. Wir haben auch die Mittel der polizeilichen Ermittlungen genutzt, wo wir die Betroffenen, die das Video hinausgespielt haben, natürlich auch angezeigt haben. Die Veröffentlichung selbst ist eine medien- bzw. zivilrechtliche Angelegenheit und vor allem eine Pietätsfrage. Es gibt einen Presserat, der die mediale Berichterstattung beurteilt und einen Persönlichkeitsschutz der Betroffenen, bei beidem hat die Polizei aber keine Kompetenzen. Die Medien unterliegen nicht einer Zensur, einer staatlichen Kontrolle, d.h. hier hat man gar keinen Einflussbereich.