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Kommunikation internationaler PR-Strategien im nationalen Journalismus

© FH St. Pölten

Julia Gerstmayer

Moritz Arnold, Senior Director bei Grayling Austria, diskutiert mit „PRaktivium“ über die Zusammenarbeit von PR und Journalismus im internationalen Kontext. Er erzählt, was bei internationalen Strategien berücksichtigt werden sollte, wieso österreichische Journalist*innen sehr fair sind und warum Kommunikation nie mit der Brechstange funktioniert.

Julia Gerstmayer: Sie kommunizieren mit Ihrem Team für große internationale Kunden wie Microsoft oder Huawei. Können Sie mir erzählen, was die Herausforderungen bei der Kommunikation für große internationale Unternehmen in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Medien sind?

Moritz Arnold: Diese internationalen Konzerne wollen zwingend Synergieeffekte erzielen, dementsprechend versuchen sie, sehr viele Dinge vorzugeben und diese dann lokal auszurollen. Für mich ist der zentrale Schlüssel dafür das Verständnis für die Kultur im jeweiligen Zielmarkt. Diese Taktik kann nie funktionieren, wenn man es erzwingt. Es kann jedoch funktionieren, wenn man Leitplanken vorgibt, aber innerhalb dieses standardisierten Systems eine gewisse Freiheit zulässt. Das heißt, so standardisiert wie nötig, aber so frei wie möglich. Das ist tatsächlich der kritische Punkt, dass es das Verständnis für den lokalen Markt gibt und dass dieses Verständnis auch berücksichtigt wird. Dann funktioniert es. Wenn es gänzlich standardisiert ist und es keinen Raum mehr für die Freiheit oder für die Rücksicht auf lokale, kulturelle und gesellschaftliche Bedürfnisse und Gegebenheiten gibt, dann ist das tatsächlich mit der Brechstange. Und Kommunikation sollte nie mit der Brechstange funktionieren, sondern immer auf Augenhöhe.

Gerstmayer: Was sind die Dinge, die man bei diesen unterschiedlichen Gegebenheiten beachten sollte und welche Unterschiede gibt es zwischen Journalist*innen in Österreich und im Ausland?

Arnold: Typisch österreichisch aus meiner Sicht und Erfahrung mit anderen Ländern ist, dass die Journalist*innen hier sehr fair sind. Das sind gute Journalist*innen, die machen ihren Job, aber es ist ganz selten, dass jemand eine Hidden Agenda verfolgt oder jemanden auflaufen lassen möchte. Das ist tatsächlich auch schon in Deutschland anders. In Deutschland gibt es größere Medien, mehr Ressourcen für tiefere Recherche und ein anderes Bestreben der kritischen Berichterstattung. Dort geht es darum die Geschichte zu hinterfragen, vielleicht auch tatsächlich einmal jemanden auflaufen und die Unternehmen nicht so einfach davonkommen zu lassen. In Österreich ist eine höhere Akzeptanz vorhanden, vor allem auch gegenüber Unternehmen, die in Österreich tätig sind. Kritik, die wichtig und auch richtig ist, wird geübt, aber nicht mit dieser letzten Konsequenz, wie wir das tun sollten.

Gerstmayer: Machen es die österreichischen Journalist *innen den Unternehmen manchmal zu einfach? Arnold: Das würde ich so nicht sagen. Es ist einfach ein anderes Selbstverständnis und ich schätze beide Perspektiven sehr. Ich glaube, dass österreichische Selbstverständnis ist die kritische Betrachtung, aber immer fair und nicht hinterlistig. Die deutsche Betrachtung ist, erstmals zu misstrauen und dann zu schauen. Vielleicht kann man den Vertrauensgrundsatz hernehmen: Es gibt Menschen, die vertrauen ihrem Gegenüber solange, bis das Vertrauen missbraucht wird. Und es gibt die Theorie, niemandem zu vertrauen, bis man sich das Vertrauen erarbeitet hat.

Gerstmayer: Wie wirkt sich dieses unterschiedliche Vertrauen und die verschiedenen Medienstrukturen in unterschiedlichen Ländern auf Ihren Umgang mit den Journalist*innen aus dem Ausland aus?

Arnold: Wir nehmen unser eigenes Credo sehr ernst: nicht mit der Brechstange, sondern die kulturell gegebenen Eigenheiten berücksichtigen. Im Regelfall rufe nicht ich ausländische Journalist*innen an, sondern wir haben immer in den Märkten einige Leute mit lokalem KnowHow und lokalem Foot-Print, die diese Arbeit für uns erledigen. Immer anhand unserer Leitplanken, die wir vorgeben, aber sie haben die nötige Freiheit zu sagen, dass der Aufhänger für meinen Kollegen in Paris ein anderer sein muss, als der, den ich in Wien nutze. Weil das natürlich ein anderes politisches Momentum ist. Das heißt, als allererstes versuchen wir, diesen kulturellen Aspekt auch

© Peter Rigaud Moritz Arnold ist Senior Director der Corporate Affairs Unit bei Grayling Austria, wo er gemeinsam mit seinem Team über 30 internationale und nationale Etats betreut. Der Wahlwiener mit über zehn Jahren PR-Erfahrung ist Absolvent des Public Communication Master der Universität Wien und gibt sein Wissen dort auch als Lektor an Studierende weiter.

zu leben, zu berücksichtigen und nicht top down aus Österreich aufzuerlegen.

Gerstmayer: Sind Sie, wenn Sie aus Österreich hinaus kommunizieren, gefühlt abhängiger von den Journalist*innen, als bei der Kommunikation im österreichischen Markt?

Arnold: Ich finde, das ist tatsächlich gleich. Unser Topf, in dem wir fischen, ist verhältnismäßig sehr klein. Das heißt, wenn wir zu einem gewissen Thema die relevanten Journalist*innen suchen, die dazu in die Tiefe gehen, dann sind das selten mehr als zehn Personen. Das ist in anderen Ländern ganz anders. Deshalb finde ich, dass man in Österreich mehr darauf angewiesen ist, ein gutes Beziehungsmanagement zu Journalist*innen zu haben, als beispielsweise in Deutschland, wo man als Äquivalent sicher 30 oder mehr relevante Journalist*innen für das Thema hat.

Gerstmayer: Kann man diese Art der Online-Kommunikation überhaupt noch geographisch trennen und macht es Sinn die Unternehmenskommunikation lokal zu denken?

Arnold: Unbedingt. Wenn wir eine große Organisation hernehmen, die in den USA sitzt, dann erzählt diese in jedem Land und in jeder Region eine andere Geschichte. Es wird nie im Heimatland dasselbe Narrativ geben, wie in einem ausländischen Wachstumsmarkt. Deshalb macht es auch weiterhin Sinn, das lokal zu leben, lokal zu steuern oder zumindest umzusetzen. Die Steuerung kann durch Schwerpunktthemen aus dem Headquarter kommen, das ist absolut sinnvoll, sonst wird es ein Fleckerlteppich. Das darf auf keinen Fall sein. Aber in diesen Leitplanken, den Themen, die vorgegeben werden, würde ich lokale Austeuerung auf jeden Fall sehen.

Gerstmayer: Wie stark glauben Sie, wird sich das Zusammenspiel von PR und Journalismus in Zukunft weiter internationalisieren? Oder wird es eher eine Besinnung „back to the roots“ auf die lokale Ebene geben?

Arnold: Wir erleben grundsätzlich geopolitisch leider eher den Trend zur Renationalisierung. Deshalb wäre es jetzt konterkarierend zu sagen, auf der PR- und Journalismus-Ebene gibt es immer mehr Vernetzung. Ich glaube, dass es auf der Journalismus-Ebene mehr Vernetzung gibt, auch durch die großen, internationalen Recherchen, wie die "Panama-Papers" oder den "Wirecard-Leaks" und Ähnlichem. Das internationale Rechercheverbunde das machen, finde ich unheimlich begrüßenswert und dieser Austausch macht es nur besser. Dass man jetzt schon sagt, in der Symbiose aus PR und Journalismus werden Grenzen niedergerissen, das ist mir aus den zuvor genannten Gründen noch zu früh.

Gerstmayer: Wünschen Sie sich für die Zukunft eine engere internationale Zusammenarbeit von PR und Journalismus?

Arnold: Nein. Mir fehlt die Fantasie dafür, dass, wenn eine PR-Agentur aus Paris eine Kampagne in Wien umsetzt, viele Probleme gelöst sind. Ich glaube nämlich, dass damit auch viele Probleme auf uns zukommen, die man gar nicht so rasch am Radar hätte.

Gerstmayer: Zum Beispiel?

Arnold: Zum Beispiel die kulturellen Aspekte. Ich bin der Meinung, dass Kommunikation von Mensch zu Mensch passiert und etwas ist, wo man sehr sensibel agieren muss. Da das Gegenüber zu kennen und einschätzen zu können, ist ein sehr wichtiger Faktor. Wir merken das, wenn wir für unsere Kunden arbeiten, die im Ausland sitzen und wir für sie in Österreich Dinge umsetzen. Da sind Faktoren, die für unsere österreichischen Kunden ganz selbstverständlich sind, völlig neu und müssen von Grund auf erklärt werden. Und ehrlicherweise fehlt manchmal auch das Verständnis, warum das in Österreich so ist, wie es ist – und das sage ich ganz wertfrei.

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