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Message Control: Die Professionalisierung der

Message Control: Die Professionalisierung der Politik-PR

© FH St. Pölten

Dominik Huemer

„PRaktivium“ sprach mit Rechts- und Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle über Kontrollmechanismen politischer PR und was das für die Zukunft des Journalismus bedeutet.

Dominik Huemer: Message Control ist auch hierzulande in der politischen PR angekommen. Hat man mit diesem Instrument den Heiligen Gral gefunden?

Kathrin Stainer-Hämmerle: Ich glaube, dass man diesen Komplex sehr differenziert sehen muss. Wir wissen, dass eine klare, stringente Kommunikation sinnvoll ist und dass Parteien, die mit einer einheitlichen Botschaft auftreten, erfolgreicher sind. Aber wenn sich alle Parteien ganz stark an das Wording halten, dann wirkt das auf das Publikum wie ein sinnentleertes Schauspiel. Der schmale Grat wird dann überschritten, wenn auch in einem Interview der Eindruck entsteht, dass nicht mehr auf die Fragen geantwortet wird, sondern die Interviewten einfach nur noch ihre Botschaften einbringen wollen. Der andere Aspekt ist jener der Manipulation von Medien. Das beginnt mit Kleinigkeiten, etwa dass manche Medien einfach nicht informiert oder zu Pressekonferenzen und Hintergrundgesprächen nicht eingeladen werden. Andere werden dafür früher informiert oder erhalten exklusive Informationen. Es endet mit der Finanzierung von Medien über die Inserate oder die Medienförderung. Ebenso sehen wir, dass Druck ausgeübt wird: Journalist*innen werden dabei in einem Ausmaß mit Klagen bedroht, dass es für sie existenzbedrohend ist. Das ist in einer Demokratie abzulehnen.

Huemer: Wie sieht das mit den österreichischen Parteien aus: Wird Message Control von allen betrieben?

Stainer-Hämmerle: Bis zu einem gewissen Ausmaß, ja. Die Grünen galten immer als bunter Haufen mit verschiedenen Meinungen. Aber als Regierungspartei versuchen auch sie geeint nach Außen aufzutreten. Es ist nichts Negatives, wenn Parteien intern über Positionen diskutieren. Die Frage ist, wie viel an Diskussion überhaupt öffentlich möglich ist, ohne dass die Medien hier einen Streit hineininterpretieren. Hier möchte ich auch die Rolle der Medien kritisieren, die jeden demokratischen Diskurs als

Konflikt darstellen. Persönliche Interventionen kommen bei allen Parteien vor. Beginnend bei Politiker*innen, die bei Journalist*innen anrufen und versuchen, ihre Sicht der Dinge darzulegen und damit auch die Berichterstattung infrage stellen, bis hin zu unfreundlicheren Formen dieses Drucks. Die Regierungsparteien haben diesbezüglich eine mächtigere Position, da dort der Wunsch der Journalist*innen besteht, Informationen zu erlangen. Es gibt graduelle aber entscheidende Unterschiede zwischen einem Anruf, um die eigene Position klarer darzustellen, bis hin zum Ausschluss von gewissen Informationsflüssen.

Huemer: Welche Karten hält hier der Journalismus in der Hand? Hält er überhaupt die Karten in der Hand oder ist es ein ungleiches Spiel?

Stainer-Hämmerle: Es ist natürlich ein ungleiches Spiel. Wir sehen das schon allein an der quantitativen Entwicklung von PR-Apparaten von Spitzenpolitiker*innen. Es wurde kolportiert, dass rund um Sebastian Kurz 60 Personen in der Öffentlichkeitsarbeit tätig waren. Ich glaube kaum, Gute Politik erzeugt guten Journalismus und guter Journalismus erzeugt gute dass es eine österreichische Tageszeitung gibt, deren Politikredaktion diese Stärke aufweist. Das Politik. Verhältnis hat sich nicht nur zahlenmäßig, sondern auch von der Belastung her, verschoben. Die Journalist*innen müssen mehrere Themen und Plattformen betreuen und haben weniger Zeit bei mehr Arbeitsaufwand. Die Printjournalist*innen müssen oft die Fotos selbst machen, dann noch einen Online-Beitrag oder einen kurzen Video-Blog erstellen. Da bleibt wenig Zeit für eigene Recherchen. Die Medien können es sich kaum leisten, Personen für investigative Recherchen auf längere Zeit freizustellen. Wohingegen Pressesprecher*innen sich proaktiv auf die Messages konzentrieren können. Das ist ein unglaubliches Ungleichgewicht.

© Hubert Nowak

Kathrin Stainer-Hämmerle ist Rechts- und Politikwissenschafterin und leitet an der FH Kärnten die Studiengänge Public Management sowie die Forschungsgruppe Trans_Space.

Huemer: Das klingt nicht so rosig. Wie glauben Sie, dass das in Zukunft weitergehen wird – wird es noch dramatischer werden?

Stainer-Hämmerle: Die Journalist*innen haben heute viele Kanäle, um etwas zu publizieren. Das ist besonders für die Jungen eine Chance. Die Möglichkeiten damit Geld zu verdienen sind allerdings geschrumpft. Früher war es so, dass Talente aus der PR in den Journalismus gewechselt sind. Und heute sehen wir die umgekehrte Tendenz. Das hat auch mit dem generellen Lohnniveau zu tun, dass sich stark verändert, leider verschlechtert hat. Unter dem Strich gibt es mehr Konkurrenz, aber auch mehr technische Möglichkeiten. Hier müssen wir alle lernen umzudenken, da nehme ich jetzt auch die Konsument*innen mit ins Spiel. Gute, journalistisch aufbereitete Informationen sind nicht gratis zu haben. Wir brauchen sie als Gegengewicht zu den Fake News.

Huemer: Sie haben die Bürger*innen schon ins Spiel gebracht. Merken die das, wenn Message Control zu stark wird?

Stainer-Hämmerle: Es gibt Untersuchungen, dass Menschen sehr wohl erkennen, dass Dinge auf den Informationsplattformen nicht der Wahrheit entsprechen. Es hindert sie aber nicht daran, sie zu teilen. Das ist ein gruppendynamisches Phänomen. Sie wollen bei dieser Gruppe dabei sein. Diese Fake News sind von Emotionen getragen, daher ist es auch schwierig, dem mit Faktenchecks entgegenzuwirken, weil man mit Fakten keine Emotionen verändert. Eine Zeit lang war auch NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) „in“ und erfolgreich. Wir erinnern uns an die Präsidentschaftswahlen 2016. Das ist gekippt, als die anderen Parteien begonnen haben, diese Techniken der Diskurszerstörung zu entlarven. Es sind erfolgreiche Techniken, aber nur wenn es einer macht. Sobald alle beginnen, das anzuwenden wird es absurd und auch von der Bevölkerung als absurdes Theater erkannt. Das Problem ist, dass die Journalist*innen dann auch nicht gut aussteigen. Sie versuchen nachzusetzen, mit Hartnäckigkeit Antworten zu erzwingen. Aber das Publikum empfindet das oft als zu aggressiv, obwohl die Interviewer einen guten Job machen. Man sieht in Rankings, dass mit dem Image der Politik auch jenes der Medien und des Journalismus sinkt. Es funktioniert also nicht, dass sich die einen zu Lasten der anderen profilieren in der Beliebtheit in der Bevölkerung. Man kann es kurz so zusammenfassen: Gute Politik erzeugt guten Journalismus und guter Journalismus erzeugt gute Politik. Aber eine Negativspirale ist natürlich auch möglich.

Huemer: Sie hängen also voneinander ab. Aber letztlich hat die PR ein leichteres Spiel?

Stainer-Hämmerle: Es ist schwer, das zu trennen. PR ist nicht immer negativ zu sehen, sondern ein professionelles Handwerk, Informationen aufzubereiten. Umweltorganisationen machen gute PR. Natürlich müssen die Journalist*innen wissen, dass diese Personen – ob sie jetzt aus der Politik, der Wirtschaft oder dem NGO-Bereich kommen – gewisse Interessen haben, müssen diese für das Publikum dekodieren und in Zusammenhang stellen. Schlimm wäre es, wenn PR ungefiltert auf das Publikum trifft. In unsicheren Zeiten haben wir gesehen, dass traditionelle Medienmarken wieder an Stärke gewonnen haben, also öffentlich-rechtliches Fernsehen, Radio, aber auch traditionelle Herausgeberhäuser, wie von Zeitungen. Auch bei den Jungen. Die lesen jetzt nicht das Printprodukt, aber es werden Artikel aus diesen Produkten geteilt, weil sie vertrauenswürdig sind. Das ist die Aufgabe des Journalismus: die PR einzuordnen, in Relation zu sehen, gegenüberzustellen mit der Gegenposition. Und nicht zuletzt, ganz wichtig – da kommt jetzt auch dieser Zeitdruck beim Journalismus ins Spiel – ist der Faktencheck. Ich würde sagen: PR ist Teil der Informationslandschaft, den es braucht, der sich aber klar deklariert und sich trotzdem an bestimmte Regeln hält, so wie jede seriöse LobbyAgentur das auch verspricht in ihrem Code of Conduct. Journalismus ist die erklärende Einordnung von PR.

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