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Die Besonderheiten einer Interviewsituation
© Harald Krischanz
Hannah Katterl
Ein Interview mit der Presse stellt für die befragten Personen stets eine aufregende Situation dar. Welche Herausforderungen sich für PR-Berater*innen im Hintergrund ergeben und welche Maßnahmen vorab getroffen werden müssen, diskutierte Kommunikationsexpertin Martina Wenzel (currycom) mit „PRaktivium“.
Hannah Katterl: Als erfahrene Kommunikationsberaterin haben Sie wohl einige Gespräche mit Journalist*innen begleitet. Ist Ihnen ein Interview besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Martina Wenzel: Ich glaube nicht, dass es das eine Interview gibt, das mir als besonders „outstanding“ in Erinnerung geblieben ist. Ich finde es jedoch immer toll, wenn die Interviews an ungewöhnlichen Orten stattfinden. Weil die Orte, durch ihre Atmosphäre und ihre Eigenheiten, das Gespräch in einen außergewöhnlichen Rahmen setzen. Wir hatten bereits Interviews in Produktionsstätten, exklusiven Restaurants oder in klassischen Büro-Settings. Es ist auch immer viel authentischer, wenn Auftraggeber*innen das Gespräch an einem Ort führen, der das Unternehmen auch repräsentiert. Das ist ein Zeichen von Transparenz, Zugänglichkeit und Öffnung den Journalist*innen gegenüber.
Katterl: Sie haben jetzt bereits erwähnt, dass die Atmosphäre eine wichtige Rolle in der Interviewsituation einnimmt. Was macht für Sie noch ein gutes Interview aus?
Wenzel: Ein gutes Interview macht für mich aus: eine klare Fragestellung, ein Gespräch auf Augenhöhe, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung, auch wenn es hart in der Sache ist. Persönlichkeit, Authentizität, wenig Floskeln und eine Klarheit über die tatsächlichen Kernbotschaften, die man dem Gegenüber vermitteln will. Ein Interview ist immer ein Dialog, deshalb sollte es ein gegenseitiges Vermitteln der Ansichten sein, um den Leser*innen ein differenziertes und klares Bild über den Interview-Gegenstand zeichnen zu können.
Katterl: Welche Vorbereitungen treffen Sie im Vorfeld, wenn Sie Ihre Kund*innen auf ein Interview vorbereiten?
Wenzel: Sehr viele! Zu einer guten Vorbereitung gehört die intensive Auseinandersetzung mit den Journalist*innen und dem Medium. Auch die Timings sind entsprechend wichtig. Eine inhaltliche Abklärung ist ebenfalls notwendig. Wenn wir die Fragen vorab von Journalist*innen erhalten, werden Talking Points und Antworten als Q&As formuliert. Parallel dazu bereiten wir auch selbst Q&As vor. Auch Basic-Fragen, Facts, Worst-Case-Szenarien werden ausgearbeitet. Je kritischer dieses Szenario vorbereitet wird, desto weniger trifft es ein. Darüber hinaus kann es auch noch Medientrainings geben: Ein TV-Interview wird beispielsweise mit Kamera geübt. Schlussendlich sollte man sich bereits im Vorfeld über das Bildmaterial und sonstige Materialien Gedanken machen.
Katterl: Wie unterscheiden sich die Maßnahmen, wenn Sie ein Interview für ein Advertorial geben, von einem unbezahlten journalistischen Beitrag?
Wenzel: Grundsätzlich sehe ich Advertorial-Interviews nur in sehr seltenen Fällen als ein Format, das ich einsetzen würde, da die Authentizität nicht gegeben ist. Es macht vielleicht Sinn für ein thematisches Advertorial, dann könnte ich mir vorstellen, dieses Format für Kund*innen zu empfehlen. Ein CEO-Positioning mittels Advertorial wird aber nicht funktionieren.
Katterl: Gab es trotz Vorbereitungen dennoch eine Situation, in der Sie keine Antwort für das Unternehmen parat hatten?
Wenzel: Ich glaube nicht, dass diese Situation jemals eingetreten ist, dass wir keine Antwort gehabt hätten. Es ist vielleicht aus verschiedenen Gründen nicht immer die Antwort gewesen, die das Medium in dem Fall gerne gehabt hätte, aber ich war noch nicht in der Situation, dass ich nicht hätte antworten dürfen oder dass eine Anfrage gar nicht beantwortet wurde.
Katterl: Nachdem ein Interview stattgefunden hat, ist es legitim, dass dieses vor der Veröffentlichung von der interviewten Person autorisiert wird und gegebenenfalls auch Verständnisfehler korrigiert werden. Wie häufig kommt das in der Regel vor?
Wenzel: Es ist zunächst nicht immer so, dass einem das Interview zugeschickt wird. Wir haben als Agentur dann
© Christina Häusler
Martina Wenzel ist Kommunikationsexpertin, Head Consultant und Teil des Management-Teams bei der Wiener Kommunikationsagentur currycom. Sie studierte Kommunikationswirtschaft an der FH-Wien und Germanistik an der Universität Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der strategischen Kommunikationsberatung, Corporate PR und Media Relations.
die Aufgabe, das zumindest zu erfragen. Trotzdem, muss man auch im Vorfeld damit rechnen, es nicht zu bekommen. Wir sind aber sehr zurückhaltend, was Anpassungen betrifft. Wir verstehen das meist als eine Art Fakten- oder Aussagen-Check. Eine Aussage sollte nicht in ihrem Sinne verändert werden, sondern so verschriftlicht werden, wie sie gemeint oder gesagt wurde. Wir beobachten oft, dass Unternehmen mit wenig PR-Erfahrung die Inhalte in Artikeln teilweise anders formulieren würden. Da gilt es dann behutsam zu beraten und ein Verständnis dafür herzustellen, dass nicht zu massiv in journalistische Arbeiten eingegriffen werden sollte, weil es auch um die Beziehungen zu den Journalist*innen geht und die dadurch beeinträchtigt werden könnten.
Katterl: Wurde bereits ein Interview veröffentlicht, mit dem Sie gar nicht zufrieden waren und wie sind Sie damit umgegangen?
Wenzel: Ja, dieser Fall ist auch schon eingetreten. Aus jedem Interview können Learnings mitgenommen werden. Man bespricht diese dann gemeinsam und stellt sicher, dass man beim nächsten Mal noch besser vorbereitet ist.
Katterl: Wie hat sich die Art der Kommunikation zwischen PR-Berater*innen und Journalist*innen im Laufe der letzten Jahre verändert – inhaltlich, qualitativ, ethisch?
Wenzel: Ich beobachte eine gleichbleibende Professionalität auf allen Seiten. Jedoch kommt vor allem bei Online-Interviews eine Dimension hinzu, die für viele Interviewte schwierig ist. Durch User-Foren werden Gespräche von einer breiten Leser*innenschaft kommentiert. Diese unterscheidet dabei oft nicht, ob es sich um ProfiPolitiker*innen handelt oder um eine Management-Persönlichkeit. Bestimmte Aussagen werden dann von dem Forum rausgegriffen und nicht sehr wertschätzend kommentiert. Manchmal werden die Interviewten auch direkt angegriffen. Das ist für viele Personen eine schwierige Situation. Ein weiteres wichtiges und sehr aktuelles Thema ist Ethik in der PR – und wir stehen als Agentur schon seit vielen Jahren dahinter, dass es ein breites Bekenntnis zu den ethischen Standards geben muss. Wir setzen auch intern sehr viele Maßnahmen, dass diese beachtet werden und dass sich auch unsere Kund*innen dieser bewusst sind. Stichwort: Wir machen keine Koppelungsgeschäfte, wir achten die redaktionelle Hoheit zu 100%. Allgemein bin ich davon überzeugt, dass das Bewusstsein für ethische Aspekte steigt, weil aktuelle Anlässe es zum öffentlichen Thema gemacht haben. Auch unsere Kund*innen distanzieren sich klar von diesen Praktiken und wir unterstützen sie stark dabei. Selbst wenn das bedeutet, eine angebotene Gelegenheit ganz bewusst nicht wahrzunehmen.
Katterl: Die Marketing-Agentur „Suxeedo“ war bereits 2019 der Meinung, dass sich PR-Arbeit immer mehr in Richtung Content Marketing bewegt. Bitte nehmen Sie daher Bezug auf folgende Aussage: „Der Austausch zwischen Journalist*innen und PR-Agenturen wird zukünftig überflüssig sein, da der Fokus der Unternehmen auf Content Marketing liegt und vorwiegend die eigenen Plattformen wie Webseiten und Instagram bespielt werden.“
Wenzel: Es ist keine Frage, dass Owned-Media-Kanäle wichtig sind, dass auch die Bespielung dieser und der direkte Austausch mit der Community wichtig ist. Trotzdem basiert Earned-Media auf gänzlich anderen Voraussetzungen, nämlich einem verantwortungsvollen Dialog mit der Öffentlichkeit, mit den unterschiedlichsten Dialog-Gruppen und es ist viel mehr als ein Beispiel von Kanälen. PR ist Beziehung, es ist der Austausch, es ist die Reflexion und nicht das Marketing.
Katterl: Welche Tipps würden Sie abschließend Ihren Berater*innen für ein bevorstehendes Interview mit Journalist*innen geben?
Wenzel: Sich ausreichend Zeit für die Vorbereitung nehmen, fokussiert sein und auf ein ordentliches Follow-Up achten. Jedes Interview als Chance zu begreifen – für einen lebendigen Austausch, einen Beziehungsaufbau und auch für Learnings.