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Wie PR eine Krise auch als Chance nutzen kann
© Privat
Sarah Rose
Eva Mandl, Gründerin und Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Himmelhoch, sprach mit „PRaktivium“ über Funktionen, Vorgehensweisen und Zusammenarbeit eines Unternehmens mit Medien im Krisenfall.
Sarah Rose: Ich möchte mit Ihnen gerne über das Thema Krisenmanagement sprechen. Ihre Agentur Himmelhoch hat mit der Firma Palmers gearbeitet, bei der Anfang 2021 der „Maskenskandal“ Schlagzeilen gemacht hat. Was würden Sie als Expertin sagen, sind die Todsünden des Krisenmanagements und der Krisenkommunikation?
Eva Mandl: Optimalerweise sollte man proaktiv kommunizieren, aber gerade in der Krise ist es wichtig schnell zu reagieren. Man sollte sich eine Strategie überlegen und das auch sehr schnell. Außerdem ist es wichtig, dass immer dieselbe Person zu den Medien spricht und es (dahinter) einen Krisenstab gibt. Eine Krise entsteht zwar plötzlich, aber man kann sich auf gewisse Dinge vorbereiten, um dann entsprechend zu agieren. Denn: Krisen lassen sich planen und vielen Krisen kann man auch vorbeugen. Wichtig ist die Differenzierung im Inhalt: Ist es wirklich eine Krise oder ist es eine Falschmeldung?
Rose: Das heißt, jedes Unternehmen sollte eine Art Krisenhandbuch haben, sodass man auf Krisen vorbereitet ist?
Mandl: Genau. Es ist wichtig, dass man strategische Kommunikationspläne zur Bewältigung möglicher Krisen hat. Und wenn man sich entsprechend vorbereitet, lassen sich auch die negativen Auswirkungen einer Krise gezielt minimieren. Dabei kommt es auch auf Kleinigkeiten an. Zum Beispiel, dass man die Kontaktdaten aller Personen hat, die man im Notfall kontaktieren kann oder muss.
Rose: Es ist interessant, dass sie sagen, dass man erst differenzieren muss, ob es sich überhaupt um eine Krise handelt. Gibt es hier eine Art „Messniveau“ oder Regeln, die man beachten kann, um festzustellen, ob eine Krise vorliegt?
Mandl: Ja, denn eine Krise hat auf jeden Fall mehr Auswirkungen auf die Öffentlichkeit als eine Falschmeldung, beispielsweise wenn ein Foto mit Falschinformationen veröffentlicht wird. Man freut sich zwar nicht darüber, wenn das passiert, aber es löst deswegen keine Krise aus. Auch gilt es, die Angst vor der Krise im Vorfeld abzulegen. Kein Unternehmen ist vor einer Krise gefeit, aber es gibt wahrscheinlichere und unwahrscheinlichere Szenarien. Da kann man eine Art Ablaufplan machen, in dem man überlegt, wann, wo, warum etwas geschehen könnte und was die Folge dieser Krise ist. Das ist auch branchenunterschiedlich: Wenn man eine Airline ist, ist es wahrscheinlich die heftigste Krise, wenn ein Flugzeug abstürzt. Um auf die erste Frage zurückzukommen: Wichtig ist es außerdem, die Zuständigkeiten im Vorfeld festzulegen. Wer ist wofür zuständig? Muss ich Behörden informieren oder Kund*innen, Journalist*innen, Blogger*innen, Influencer*innen? Und das Allerwichtigste sind natürlich die Mitarbeiter*innen. Ein gutes Beispiel ist hier die COVID-Krise. Da musste man sich überlegen, wie man in Richtung Lieferant*innen, Kund*innen, aber auch Mitarbeiter*innen reagiert. Die Mitarbeiter*innen werden hier zumeist vergessen.
Rose: Sehr interessant, dass Sie bereits die Kanäle angesprochen haben. Wie wird in einem Krisenfall mit Sozialen Medien umgegangen? Sehen Sie diese in der heutigen Zeit als Key Element? Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang das Beispiel von Palmers heranziehen. Haben Sie hier bewusst Soziale Medien herausgelassen?
Mandl: Bei Palmers gab es keine Krise. Das war Hygiene Austria und das ist ein anderes Unternehmen. Es gibt zwar Verschränkungen, aber das haben wir in diesem Fall thematisch klar von Hygiene Austria getrennt und an diese verwiesen.
Rose: Auf „Instagram“ gibt es Beiträge, in denen mit Hashtags oder Verlinkungen Hygiene Austria und Palmers erwähnt wurden, daher die Frage. Aber hier haben Sie sich also bewusst dafür entschieden, Palmers von diesen Vorwürfen auszuschließen, obwohl Palmers Anteile an Hygiene Austria hat?
Mandl: Genau, die Krise betraf Hygiene Austria, Palmers wurde dann halt am Rande mitgenommen. Aber das war trotzdem nie ein Palmers-Thema.
Rose: Lassen Sie uns nochmal auf das Thema der Sozialen Medien im Krisenmanagement zurückkommen. Inwiefern spielen diese eine Rolle in der Krisenbewältigung?
Mandl: Auf alle Fälle. Aber es kommt auch darauf an, um welches Unternehmen oder Produkt es sich handelt. Wenn es zum Beispiel wichtig ist, die relevanten Personen schnell zu erreichen, sind Soziale Medien gut geeignet, denn so ist man am schnellsten. Aber auch Kanäle, wie das Radio können für eine schnelle Informationsübermittlung herangezogen werden. Eine Wochenzeitung hingegen dauert und steht somit in der Krisenkommunikation nicht an erster Stelle. Deshalb sind die Sozialen Medien auch so wichtig, denn gerade das sind oft die Kanäle, wo sich die Kund*innen zuerst melden.
Rose: Gehen Journalist*innen auf die Statements in Pressekonferenzen ein oder drehen diese einem eher das Wort im Mund um?
Mandl: Wenn es wirklich eine Krise ist, ist die Zusammenarbeit in Österreich zwischen Journalist*innen und der PR sehr groß, weil wir das gleiche Interesse haben. Anders ist es, wenn Konflikte von Journalist*innen missverstanden werden oder sie andere Standpunkte haben. Aber es hängt letztendlich immer von den Beziehungen des Unternehmens zu den Journalist*innen ab und diese müssen über Jahre hinweg aufgebaut werden. Hier ist es wichtig, dass man als Unternehmen kontinuierlich transparent und auf Augenhöhe kommuniziert – auch schon vor einer Krise.
Rose: Das bedeutet, dass Journalist*innen immer noch eine wichtige Rolle spielen und man diese nicht vernachlässigen sollte? Auch wenn man inzwischen eigene Möglichkeiten hat, sich an die Öffentlichkeit zu wenden.
Mandl: Genau. Journalist*innen sind nach wie vor zentrale Opinion Leader. Aber natürlich gibt es auch am Medienmarkt Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn es sich um kein Qualitätsmedium handelt und in diesem etwas ohne Recherche behauptet wird. Aber in einer Krise ist das nicht so oft der Fall. Denn es gäbe dann ja auch strafrechtliche Maßnahmen, die man dann anstreben könnte.
© Himmelhoch GmbH
Mit der Gründung ihrer Agentur Himmelhoch wusste Eva Mandl bereits vor 13 Jahren, dass die Kommunikationsbranche ihr Zuhause ist. Inzwischen betreuen sie und ihr 45-köpfiges Team nationale und internationale Kunden und erarbeiten mit ihnen effiziente Kommunikationslösungen. Dabei sind die Branchen ihrer Kunden so vielfältig, wie ihr beruflicher Werdegang. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaft und Ethnologie war sie, sowohl als Regieassistentin und Redakteurin beim ORF tätig, als auch als Journalistin bei diversen Magazinen und Zeitungen.
Rose: Kommen wir nochmal kurz auf Palmers zurück. Hatten Sie den Eindruck, dass sich die Krise von Hygiene Austria aufgrund der höheren Markenbekanntheit von Palmers auf dessen Markenimage ausgewirkt hat?
Mandl: Das glaube ich nicht, weil es Hygiene Austria betrifft. Es gab nicht weniger Kund*innen.
Rose: Hier kann man sogar gut die Verbindung hinsichtlich der Unterscheidung, ob es sich überhaupt um eine Krise handelt, herstellen.
Mandl: Ja, ganz offen gesagt, warum sollte Palmers zu diesen Vorfällen etwas sagen (können)? Es ist ein ganz anderes Unternehmen.
Rose: Als abschließende Frage nun: Kann man Ihrer Meinung nach eine Krise auch als Chance nutzen?
Mandl: Auf alle Fälle. Die Krise als Chance zu nutzen, ist immer gut, weil man hier zeigen kann, dass man gut kommuniziert. Ein gutes Beispiel ist hier erneut COVID. Wenn so etwas passiert, gilt es, sowohl intern zu den Mitarbeiter*innen zu kommunizieren, als auch extern die Kund*innen über die aktuelle Lage zu informieren. Wir als PR-Agentur hatten extrem viel zu tun in der COVID-Zeit. Gerade in den Medien wurden ja fast ausschließlich COVID-Themen behandelt. Es ist eine Möglichkeit wieder umzudenken, auch an die positiven Dinge zu erinnern und auch an die Zeit danach. Man kann auch sagen, dass während der Krise auch vor der Krise ist. Unsere Kund*innen waren proaktiv und haben viel kommuniziert. Jetzt merken wir, dass sie es nun leichter haben, da sie die ganze Zeit präsent waren. Transparenz ist wichtig, auch wenn das einmal heißt, Fehler einzugestehen und zu sagen, was man jetzt besser macht, damit sich die Vorfälle nicht wiederholen. Was erwartet sich die Öffentlichkeit (zurecht)? Informationen und Haltung. Und schon Paul Watzlawick hat gesagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“