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Wenn Medien verstärkt auf ärztliche Expertise

Wenn Medien verstärkt auf ärztliche Expertise angewiesen sind

© Livia Fieber

Sebastian Fieber

Die Ärztekammer sieht sich mit mehr medialer Präsenz konfrontiert, als je zuvor. Dennoch verortet der Leiter der Pressestelle der Ärztekammer für Wien, Dr. Hans-Peter Petutschnig, den Druck auf Medienseite.

Sebastian Fieber: Wir haben seit bald zwei Jahren Corona-Pandemie. Ist sie nach wie vor das Hauptthema, mit welchem sich die Ärztekammer von Medien konfrontiert sieht?

Hans-Peter Petutschnig: Ich würde nicht sagen, dass es das Hauptthema der gesamten Ärztekammer ist, aber nach außen hin wirkt es so. Wir haben viele Themen, die von der öffentlichen Meinung nicht so wahrgenommen werden, aber standespolitisch von großer Bedeutung sind. Jedoch würde ich gefühlt sagen, dass sich derzeit vier Fünftel der Interviewanfragen an den Präsidenten auf Corona beziehen.

Fieber: Wie sieht das Abhängigkeitsverhältnis zwischen PR und Medien im Gesundheitsbereich aus und inwieweit hat sich dieses Verhältnis seit Beginn der Pandemie verändert?

Petutschnig: Das Wort Abhängigkeitsverhältnis gefällt mir nicht hundertprozentig, obwohl es natürlich in der Sache schon stimmt. Wir zielen darauf ab, möglichst viel über die Medien die Öffentlichkeit zu informieren, insofern sind wir natürlich von der Berichterstattung in den Medien abhängig. Aber auch umgekehrt gibt es ein Abhängigkeitsverhältnis, weil ja Journalist*innen wiederum darauf angewiesen sind, von den unterschiedlichen Stakeholdern im Gesundheitsbereich rasch, effizient und kompakt seriöse Informationen zu erhalten.

Fieber: Muss sich die Ärztekammer an Journalist*innen wenden oder ist die Nachfrage von der Medienseite groß genug? Fieber: Gemessen an der Nach-

Corona hat in einer noch nie frage der Medien: Wie hat sich dagewesenen Größenordnung diese Relevanz verändert, vor allem seit dem Ausbruch der Medienanfragen in die Ärztekammer Pandemie? „geschwappt“. Petutschnig: Es gab deutlich mehr Medienanfragen. Diese richten sich vorwiegend an den Präsidenten, einfach deshalb, weil er der oberste Repräsentant der Ärztekammer ist und natürlich auch, weil er Labormediziner ist. Auch die jeweiligen Kurienobleute sehen sich immer wieder mit Spezialfragen konfrontiert und melden sich auch von sich aus zu Wort. Das heißt, sie machen aktiv Pressearbeit in Form von Pressekonferenzen und -aussendungen.

Petutschnig: Corona hat das Ganze ein bisschen verschoben, auch Dank der Position der Ärztekammer, die hier von Anfang an eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit gemacht hat. Dadurch erhöht sich natürlich auch die Nachfrage, denn Journalist*innen wissen sehr genau, wenn sie irgendwo anrufen und sofort einen Gesprächstermin bekommen, dann rufen sie natürlich dort lieber an. Das zeichnet auch unseren Präsidenten aus, nämlich dass er immer sehr rasch verfügbar ist und auch, was aus meiner Sicht ganz wichtig ist, keine wirkliche Differenzierung hinsichtlich der Auflagenstärke oder der Bedeutung des Mediums macht. Mein Credo ist es, wenn es die Zeit zulässt, dass alle Medien bedient werden müssen, auch wenn sie nicht im Fokus der Breitenwirkung stehen. Das hat einen sozial-journalistischen Grund, weil auch die Kolleg*innen in nicht so breitenwirksamen Medien ebenfalls meist sehr gute Arbeit machen und ebenfalls ein Anrecht auf rasche Gesprächstermine haben. Es gibt aber auch einen sehr stark dem Kalkül geschuldeten Grund: Der Kollege oder die Kollegin von einer momentan vielleicht nicht so bedeutsamen Zeitung kann möglicherweise in zwei Jahren schon beim „Kurier“ arbeiten. Die erinnern sich dann sehr genau, dass sie vor zwei Jahren bei der Ärztekammer rasch und effizient Informationen bekommen haben.

Fieber: Muss man seit der Pandemie auch öfter auf gewisse Vorkommnisse reagieren, wenn man irgendwo erwähnt wird?

© Adobe Stock: LIGHTFIELD STUDIOS © Stefan Seelig

Hans-Peter Petutschnig hat als Journalist im ChronikRessort der „Presse“ begonnen. Seit mehr als 30 Jahren ist er für die Pressearbeit der Wiener Ärztekammer verantwortlich. Als Leiter der Abteilung Digitale Medien, Pressestelle & Fortbildung ist er für die gesamte interne und externe Kommunikation der Wiener Ärztekammer zuständig.

Petutschnig: Wir reagieren natürlich öfter aktiv. Da gilt es im Vorfeld zu checken, ist das jetzt, ob der Themenwichtigkeit, bereits etwas für eine Pressekonferenz. Da passiert es schon immer wieder, dass wir intern sagen: „Bitte eine OTS, aber keine Pressekonferenz, das gibt das Thema nicht her“. Es gab eine Themenverschiebung und eine Erhöhung der Anfragen von Medien direkt bei uns, was natürlich aus PR-Sicht eine schöne Sache ist, wenn Journalist*innen zu uns kommen und Medienplatz gewissermaßen anbieten.

Fieber: Die Ärztekammer ist auf einer Website und den Social Media-Kanälen vertreten. Ist die Nachfrage der digitalen Kanäle auch stark angestiegen seit Ausbruch der Pandemie?

Petutschnig: Das hat sich parallel entwickelt, aber es gibt keine Tendenz, dass sich Social Media-Anfragen stärker entwickelt haben als Anfragen herkömmlicher Medien.

Fieber: Würden die digitalen Kanäle zur Streuung gesundheitspolitischer Themen ausreichen?

Petutschnig: Ich glaube, es wird in den nächsten Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, weiterhin einen Mix geben. Aber es hat sich schon etwas verändert. Möglicherweise wird es beispielsweise in Zukunft auch ohne Corona öfters hybride Pressekonferenzen geben. Ich persönlich bin aber kein Fan davon, denn das persönliche Gespräch ist da nicht zu ersetzen.

Fieber: Social Media-Nutzer*innen kommen an wichtige Informationen über die Pandemie und gesundheitspolitische Themen und sind nicht mehr so auf die Recherche von Medien angewiesen.

Petutschnig: Ich bin ein bisschen zwiegespalten. Ich komme aus dem Journalismus und sehe es immer wieder als Manko, wenn Leute PR machen und nie im Journalismus gearbeitet haben. Ich versuche in meiner PR-Arbeit stets den Standpunkt, Wünsche etc. der Journalist*innen miteinzubeziehen. Ich weiß aber, dass viele PR-Verantwortliche, die nie journalistisch tätig waren, tatsächlich Journalist*innen als „andere“ Seite sehen. Wobei man nicht vergessen darf: Der Spardruck in allen Medien, egal ob Print, Elektronisch oder Digital, ist ein sehr großer geworden, wodurch die personellen Ressourcen in den Medien deutlich kleiner geworden sind. Das heißt, der Zeitdruck ist ein viel größerer, was bedeutet, dass Gegenchecks und zusätzliche Recherchen, auch das Bemühen, einen O-Ton zu bekommen, abseits von OTS und der APA und Social Media, um sich von den anderen Medienhäusern abzuheben, schwieriger geworden ist.

Fieber: Ist dann die PR im Vorteil, weil mehr Ressourcen da sind als im Journalismus?

Petutschnig: Ich denke schon. Als ich vor 30 Jahren in der Ärztekammer begonnen habe, war ich alleine. Jetzt arbeiten wir zu viert. Das zeigt schon die stärkere Betonung der PR-Arbeit innerhalb der Ärztekammer. Was sich aber nicht verändert hat, ist die Vorgabe und Notwendigkeit, gute Presseaussendungen zu versenden, die authentisch sind mit maximalem News-Wert. Und natürlich müssen alle Angaben stimmen und der Wahrheit entsprechen – auch wenn wir natürlich mit unseren Presseaussendungen ausschließlich die Meinungen und Standpunkte der Ärztekammer kommunizieren. Deswegen ist es ja auch keine APA-, sondern eine OTS-Aussendung.

Fieber: Abschließend noch gefragt: Wie ließe sich dieser Effekt auch nach der Pandemie für die Ärztekammer in punkto Medienarbeit für weitere Anliegen und vor allem auch Themen nutzen?

Petutschnig: Natürlich werden wir versuchen, die aktuell deutlich stärkeren Kontaktaufnahmen mit den Medien auch nach Corona weiter zu erhalten. Corona hat in einer noch nie dagewesenen Größenordnung Medienanfragen in die Ärztekammer „geschwappt“. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, alle Medienanfragen rasch, kompetent und vor allem mit einem einheitlichen Wording zu beantworten. Dabei konnten wir Vertrauen aufbauen, dass uns auch nach Corona helfen wird, gute PR im Sinne der Ärztekammer und der Ärzteschaft zu machen.

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