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Im Gerichtssaal der Öffentlichkeit – zwischen Emotionen und Schadensbegrenzung

© Anna Thiel

Larissa Maurer

Gerichtsverfahren sind für die Journalist*innen und für die Öffentlichkeit besonders spannend. Nicole Bäck-Knapp, Geschäftsführerin und Partnerin bei Ecker & Partner, diskutierte mit „PRaktivium“ über Litigation-PR.

Larissa Maurer: Wie definieren Sie Litigation-PR und wie verbreitet ist sie?

Nicole Bäck-Knapp: Litigation-PR ist die begleitende Kommunikation von rechtlichen Verfahren jeglicher Art.

Maurer: Betreiben Unternehmen Litigation-PR eher intern oder über eine Agentur?

Bäck-Knapp: Es kommt auf die Unternehmensgröße an, auf die Komplexität des Falles, dem potenziellen Reputationsschaden und welche Ebene im Unternehmen davon betroffen ist. Oft kommen internationale Unternehmen oder auch Anwält*innen mit ihren Klient*innen zu uns, wenn diese in Österreich keinen Kommunikationsapparat haben.

Maurer: Wann wird es Unternehmen bewusst, dass normale PR nicht mehr ausreicht, um einer schlechten Nachrede zu entkommen?

Bäck-Knapp: Prinzipiell sollte man sich immer auf Krisensituationen vorbereiten, aber gerade bei der Litigation-PR ist es kaum möglich, da diese Themen meist sehr überraschend auftreten. Es gibt mittlerweile sehr wohl Krisenszenarien, die das Thema Litigation behandeln, denn gerade, wenn es um Betrug oder Veruntreuung geht oder z.B. im Bereich Wettbewerbsrecht, kann dies sehr allgemein gehalten werden.

Maurer: Welche Rolle hat der oder die Betroffene im Prozess? (Anm.: Im Kommunikationsprozess, im Verfahren?)

Bäck-Knapp: Das hängt stark davon ab, wie prominent die Person ist, da die Öffentlichkeit in dem Fall nicht nur mehr Interesse hat, sondern auch ein Informationsrecht. Das ist auch medienrechtlich relevant. Darüber hinaus aber auch davon, welche Rolle die Litigation-PR-Strategie der betroffenen Person gibt. In den meisten Fällen ist es nicht die beste Taktik, die betroffene Person sofort in die Medien zu

schicken, weil es das mediale Interesse erst befeuert. Die Menschen sind dabei oft in schwierigen emotionalen Situationen und die Gefahr ist groß, dass das Interview nicht so gut läuft. Die Aufgabe der Betroffenen ist es dann auch, nicht beratungsresistent zu sein.

Maurer: Oft wird vom „Gerichtssaal der Öffentlichkeit“ gesprochen, wie hat sich die Teilhabe in den letzten Jahren verändert? Stichwort Social Media.

Bäck-Knapp: Extrem, aber das hat gar nicht so viel mit Social Media zu tun. In Österreich wurden die Rechtsfälle in den letzten Jahren sehr oft im politischen Raum diskutiert. Dieser ist viel öffentlicher, emotioJournalist*innen sind meistens die Treiber hinter der Geschichte und vernaler und das macht die Verfahren natürlich besonders interessant. Neu ist die Komplexität der Wirtsuchen die Fälle den Konsument*innen schaft, was eine Verrechtlichung verständlich zu machen. Gleichzeitig des Systems mit sich bringt. Socisind die Verfahren einfach eine gute Story und oft wird zugunsten dieser al Media ist kein Treiber, sondern mittlerweile ein integraler Teil der Medienlandschaft. überspitzt oder gar vorverurteilt.

Maurer: Welche Rolle spielen dabei Journalist*innen?

Bäck-Knapp: In der Litigation-PR die wichtigste Rolle. Die Journalist*innen sind meistens die Treiber hinter der Geschichte, decken Ungereimtheiten auf und versuchen die Fälle den Konsument*innen verständlich zu machen. Gleichzeitig sind die Verfahren einfach eine gute Story und oft wird zugunsten dieser überspitzt oder gar vorverurteilt.

Maurer: Wie funktioniert dann die Zusammenarbeit zwischen Litigation-PR und Journalist*innen?

Bäck-Knapp: Meiner Erfahrung nach prinzipiell sehr gut, da wir als Agentur sehr transparent kommunizieren und versuchen, die Fragen der Journalist*innen so weit wie möglich zu beantworten. Aber es ist natürlich auch ein Spannungsfeld. Die Aufgabe der Litigation-PR ist der Reputationsschutz, vor allem so lange noch niemand verur-

teilt wurde, während die Journalist*innen, gerade wenn es um Menschen in der Öffentlichkeit geht, detailreich und sehr breit berichten.

Maurer: Welche weiteren Faktoren sind für ein gutes Miteinander mit den Journalist*innen ausschlaggebend?

Bäck-Knapp: Sie in ihrer Rolle ernst zu nehmen und zu verstehen. Gleichzeitig muss man es aber, wenn man aus rechtlichen Gründen nicht kommunizieren kann, aushalten können, dass die Journalist*innen einmal nicht so glücklich sind. Man redet zwar immer von Partnerschaft, was bis zu einem gewissen Grad stimmt, aber im Endeffekt gibt es trotzdem unterschiedliche Interessen. Zu 90% ist es „PR follows Law“, das heißt, was die Anwält*innen sagen gilt, selbst wenn wir Kommunikationsexpert*innen überzeugt sind, dass die Entscheidung reputationsmäßig eine Katastrophe ist. Aber wenn es für den Fall besser ist, dann ist das so. Es ist natürlich auch ein Unterschied, wie aggressiv ich sowohl juristisch als auch in der Kommunikation vorgehe. Das hat auch viel mit der Unternehmenskommunikation oder -kultur zu tun und mit der Legal Strategy. Eines ist auch klar: Je mehr man der Story die „Gefallenen Helden“ und die Exklusivität nehmen kann, desto weniger interessant wird es für die Medien und die breite Öffentlichkeit.

Maurer: Wie entscheiden Sie, welchen Medien welche Informationen gegeben werden?

Bäck-Knapp: So breit wie möglich und denen, die sich bisher mit dem Thema beschäftigt haben, die objektiv und faktenorientiert waren. Manchmal geht es aber auch darum, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, dann wird natürlich auch mit dem Boulevard gearbeitet. Aber aufgrund der Komplexität der Materie sind bei der Litigation-PR die Hintergrundgespräche sehr wichtig.

Maurer: Nachdem die Strategien in Zusammenarbeit mit Rechtsanwält*innen erarbeitet werden, wie bringt man der Öffentlichkeit rechtliche Fakten näher?

© Kurt Keinrath

Nach zwei erfolgreich abgeschlossenen Masterstudien, Politikwissenschaften an der Universität Wien und Public Relations/Communication an der Donau-Universität Krems, ist Nicole Bäck-Knapp bis heute in der Kommunikationsbranche tätig. Seit dem Jahr 2003 bereichert sie die PR-Agentur Ecker & Partner mit ihren Fähigkeiten und ist dort in der Rolle der Geschäftsführerin und Partnerin tätig. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen der Krisenkommunikation und der Litigation-PR.

Bäck-Knapp: Manchmal gar nie. In der PR reden wir ja im Grunde von qualifizierten Teil-Öffentlichkeiten. Man muss als Unternehmen seine Rechtssachen nicht immer allen mitteilen, sondern überlegen, wen und was man erreichen will. Vielleicht geht es in erster Linie darum, seine Lieferant*innen nicht zu verlieren oder den Finanzmarkt nicht zu verunsichern.

Maurer: Und welche Kanäle werden hier verwendet und wie unterscheiden sich diese vom Journalismus? Bäck-Knapp: Es ist eigentlich die normale PR-Methodik, deshalb sind Presseaussendungen oder -konferenzen relevant. Social Media ist in den meisten Unternehmen eher Consumer und weniger Corporate orientiert, das heißt hier eher zu reagieren, als aktiv zu kommunizieren.

Maurer: Sie sagen, dass Litigation-PR auch versucht, zu entemotionalisieren. Kann man damit die Öffentlichkeit gut erreichen oder überzeugen?

Bäck-Knapp: Die Frage ist auch, muss ich die Öffentlichkeit oder nur eine qualifizierte Teilöffentlichkeit überzeugen? Die breite Öffentlichkeit ist natürlich mit einfachen Stories inkl. emotionalen Spin leichter zu überzeugen. Selten funktioniert es, dass sich die Betroffenen als Opfer darstellen, was sehr oft passiert. Die Bitte, eine neutrale, sachliche Diskussion zu führen, und dass auch die andere Seite gesehen oder gehört wird, funktioniert sehr wohl.

Maurer: Was sind absolute No-Go‘s bei der prozessbegleitenden Kommunikation und dem Umgang mit Journalist*innen?

Bäck-Knapp: Lügen und die „Salami-Taktik“ bedeuten, dass erst im Laufe des Prozesses die ganze Wahrheit aufgedeckt wird. Zweitens arrogantes, aggressives Auftreten der Betroffenen gegenüber der Agentur oder den Journalist*innen. Manchmal kann in der Krisenkommunikation keine Auskunft gegeben werden, aber auch das kann man höflich und mit Verständnis überbringen.

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