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Advertorials als (problematische) Schnittstelle zwischen PR Journalismus

Advertorials als (problematische) Schnittstelle zwischen PR und Journalismus

Heike Schürr

© Dina Grojer Advertorials sind eine gängige und doch umstrittene Art der PR. Harald Fidler, Ressortleiter von „derStandard/Etat“, sprach mit „PRaktivium“ über Problematiken und Auswirkungen von Advertorials.

Heike Schürr: Advertorials oder auch bezahlte redaktionelle Beiträge werden in der Medienlandschaft immer gängiger. Woran liegt das und ist das für den Journalismus bedenklich?

Harald Fidler: Bezahlte redaktionelle Beiträge sollte es eigentlich nicht geben, weil man die RezipientInnen nicht darüber täuschen sollte, was ihnen vorgesetzt wird. Entweder ist es ein redaktioneller Beitrag, der hoffentlich nach journalistischen Kriterien gestaltet ist, und nicht nur danach aussieht oder gar nur erscheint, weil er bezahlt ist. Vielleicht klingt das blauäugig oder allzu streng nach reiner Lehre, aber LeserInnen sollten Advertorials erkennen können. Auch das Mediengesetz sagt, was bezahlt ist, muss man als „Anzeige“, „Werbung“ oder „Bezahlt“ ausweisen und nicht als „powered by“, „promoted by“ oder ähnliches. Man muss klare Kennzeichnungen verwenden.

Schürr: Laut dem österreichischen Mediengesetz gilt es, redaktionellen Inhalt von Werbung zu unterscheiden. Wie gehen österreichische Medien mit der Kennzeichnung von Advertorials um?

Fidler: Das Mediengesetz schreibt vor, dass man Advertorials kennzeichnen muss, sonst verstößt man gegen geltendes Recht. Die Praxis sieht leider oft anders aus, dies sieht man auch in Entscheidungen des Presserats. Es gibt immer wieder Fälle, in denen der Presserat nicht klar gekennzeichnete Werbung unter dem Mäntelchen von redaktionellen Beiträgen als Verstoß gegen den Ehrenkodex erkennt. Von juristischer Verfolgung nach dem Mediengesetz hört man weniger. Ich vermute, dass das, wenn überhaupt, im Konkurrenzkampf gegen den Mitbewerber eingesetzt wird. Das machen aber wahrscheinlich viele nicht, weil sie selbst die eine oder andere nicht ausreichend gekennzeichnete Werbung haben. Beim „STANDARD“ versuchen wir das, nehmen uns das vor, leben wir das, aber ich kann jetzt nicht sagen, ob es in den letzten 30 Jahren nicht auch einmal einen verwechslungsfähigen Beitrag gab. Viele Medien nehmen das weniger ernst. Die Situation ist nicht perfekt.

Schürr: Finden Sie, ist die Ermahnung durch den Presserat eine effektive Lösung oder wäre ein anderes Vorgehen angebrachter?

Fidler: Man muss bescheiden anfangen. Es gibt ja relativ große österreichische Medien, die sich nicht dem Presserat unterwerfen. Der Presserat ist sehr wesentlich und wichtig. Ich halte Branchenselbstkontrolle für sehr vernünftig, wenn sie von den Mitgliedern der Branche erst genommen wird. Es gibt aber auch Mitglieder des Presserats, die dessen Entscheidungen nicht, wie vorgesehen, veröffentlichen, wenn sie verurteilt werden. Das reduziert die Wirkung dieser Institution deutlich. Denn die Veröffentlichung ist ja die wichtigste Sanktionsmöglichkeit gegen ein Medium, das gegen den Ehrenkodex verstößt.

Schürr: Wie entwickelten sich Advertorials historisch gesehen?

Fidler: Nach meinem Eindruck sind Advertorials schon immer dagewesen. Es ist kein neues Phänomen, das erst in den letzten zehn Jahren aufgetaucht ist. Ein neueres Phänomen ist Native Advertising.

Schürr: In welchen Ressorts sind Advertorials besonders gängig und kann man das überhaupt so pauschal sagen?

Fidler: Anfällig, glaube ich, sind Branchenmedien. Eher für Journalisten-Einladungen bekannt sind Ressorts wie Reise und Motor. Solche Ressorts orientieren sich nicht überall ausschließlich an journalistischen Kriterien. Auch Beilagen scheinen mir tendenziell anfälliger dafür zu sein. Außenpolitik und Innenpolitik sind nach meiner Wahrnehmung weniger empfänglich. Unabhängig vom Ressort haben einige Tageszeitungen das auch sehr kultiviert in den letzten Jahren. Bei einer österreichischen Tageszeitung fallen mir beispielsweise fast jeden Tag Special Advertising Sections auf. Die sind aber auch, jedenfalls für mich, erkennbar, sehen anders aus und sind gekennzeichnet.

© www.photos.flowlabs.studio

Harald Fidler ist seit fast drei Jahrzehnten Medienjournalist und leitet seit 1999 den Onlinedienst „Etat“ der Tageszeitung „DER STANDARD“. Er publizierte bereits mehrere Bücher über Österreichs Medien. Ergänzend dazu führt er unter „dieMedien.at“ ein Medienlexikon und eine digitale Bibliothek der österreichischen Medienlandschaft.

Schürr: Wie ist es zu bewerten, wenn JournalistInnen Advertorials gestalten?

Fidler: Das halte ich schon für problematisch – also bei JournalistInnen, die reguläre Berichterstattungen machen. Es gibt auch JournalistInnen, die bei einem Corporate Verlag, wie bei uns im Haus, angestellt sind und nur für diesen Bereich arbeiten. Wenn diese Kolleginnen und Kollegen Advertorials für die Zeitung schreiben, finde ich das relativ unproblematisch, weil das auch zu ihrer Job Description gehört. Es gibt mir aber ein unangenehmes Gefühl, wenn es derselbe Bereich ist: Wenn jemand beispielsweise über Medien berichtet und gleichzeitig ein Advertorial für ein Medienhaus schreibt. Gleichzeitig gibt es die Problematik, dass viele JournalistInnen freiberuflich arbeiten und nicht genug Aufträge haben, um sich den Lebensunterhalt verdienen zu können. Deshalb arbeiten sie parallel in der PR. Ich traue natürlich allen zu, dass sie das trennen können, aber auch das ist ein schwieriges Verhältnis. Es ist ein potentieller Interessenskonflikt. Fidler: Im Mediengesetz steht klar drinnen, dass man es als „Werbung“, „Anzeige“ oder „Bezahlt“ kennzeichnen muss. Je klarer, desto besser und erkennbarer. Manche Hinweise muss man mit der Lupe suchen, weil sie in 4-Punkt-Schriftgröße geschrieben sind. Wenn schon, dann ordentlich und klar erkennbar machen, nicht irgendwo verschämt verstecken.

Schürr: Beim Erkennen und Verarbeiten von Advertorials ist die Medienkompetenz entscheidend. Wie steht es um die Medienkompetenz der ÖsterreicherInnen?

Schürr: Ist das mit dem Berufsbild des bzw. der unabhängigen Journalisten/in vereinbar?

Fidler: In der wirtschaftlichen Lage, in der sich klassische journalistische Medien derzeit befinden ist es schwer, sich mit Journalismus seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zugleich gibt es offenbar ein sehr starkes Bedürfnis von Unternehmen, Institutionen etc., nicht klassische Werbung zu machen, sondern irgendwie so zu tun, als wären es redaktionelle Beiträge.

Fidler: Ich glaube, man kann gar nicht kompetent genug sein im Umgang mit Medien. Ich will niemanden etwas vorwerfen, ich möchte die Verantwortung auch nicht auf die Schule abwälzen: Jeder und jede, der/die nur irgendwie kann, möge sich Medienkompetenz bitte selbst anlesen oder es seinen Kindern, SchülerInnen oder Kindergartenkindern näherbringen. Es ist eine Schlüsselqualifikation zu wissen, wie Medien entstehen, wie man sie liest, wie man sie konsumiert und worauf man achten muss. Man muss sich immer fragen: Ist das ein journalistisches Produkt im Bemühen, ich zitie„Es ist eigentlich immer re jetzt den Watergate-Aufdecker Bernstein, um „the best optainable version schlecht gestellt um die of the truth“ – oder ist das eine bezahlte Medienkompetenz der Werbung, die ausschaut wie Redaktion? Menschen, denn sie könnten immer noch mehr wissen, Schürr: Was braucht es, um Medienkompetenz zu fördern mehr fragen und mehr nach- Fidler: Man muss den Menschen verdenken bei dem, was sie lesen, mitteln, dass sie hinterfragen müssen, glauben und vertreten.“ was sie in einem Post, in einer Timeline, einem klassischen Medium oder wo auch immer sehen. Und nicht nur daran glauben, weil es ein/e Freund/in gepostet hat, ein/e Schürr: Neben der Bezeichnung „Advertorial“ werden Journalist/in geschrieben oder ein Medium veröffentlicht auch Begriffe wie „Redaktionelle Anzeige“, „PR-Anzei- hat. Medienkompetenz ist immer ein Defizit. Es ist eige“, „PR-Inserat“ oder „bezahlte PR“ verwendet. Wie gentlich immer schlecht gestellt um die Medienkompewichtig wäre eine trennscharfe Abgrenzung der ge- tenz der Menschen, denn sie könnten immer noch mehr nannten Begriffe? wissen, mehr fragen und mehr nachdenken bei dem, was sie lesen, glauben und vertreten.

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