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Zeitmangel und Qualitätsjournalismus: Determination der Nachrichtenselektion durch PR?

Lisa Ehold

© FH St. Pölten Heinz Bayer ist Chefredakteur des Salzburger Verlagshauses. Dabei handelt es sich um eine 100-prozentige Tochter der „Salzburger Nachrichten“. Er sprach mit „PRaktivium“ über Qualitätsjournalismus und darüber, welche Rolle PR in diesem spielen kann bzw. nicht darf.

Lisa Ehold: Was macht Qualitätsjournalismus für Sie aus?

Heinz Bayer: Qualitätsjournalismus macht einerseits aus, dass man beide Seiten zu Wort kommen lässt und nicht Kampagnen-Journalismus betreibt, wie es auch vorkommt. Es gilt eine Ausgewogenheit herzustellen und sich an den Fakten zu orientieren. Auch Kommentare und Einheiten, in denen die eigene Meinung dargestellt wird, sind wesentliche Details von qualitätsvollem Journalismus, aber das muss abgegrenzt und für die LeserInnen exakt zu unterscheiden sein. Andererseits muss auch die Grenze zwischen PR und journalistischer Berichterstattung klar gezogen werden, sodass es keine Vermischung gibt und nicht über die Hintertür PR-Meldungen im jeweiligen Bericht vorkommen.

Ehold: Qualitätsvoller Journalismus braucht Zeit, weshalb die Frage naheliegt, ob Zeitmangel dort ein größeres Problem darstellt als beispielsweise bei Boulevardmedien?

Bayer: Auch gut gemachter Boulevard braucht seine Zeit. Ich würde jetzt nicht primär gut gemachte Boulevardmedien völlig verurteilen, aber natürlich brauchen die Dinge Zeit. Daher ist der journalistische Beruf auch immer, sei es im Tageszeitungs-, Wochenzeitungs- oder Magazingeschäft, mit Stress verbunden. Klar ist Zeit ein Faktor, um auch gut und sauber recherchieren zu können, das ist gar keine Frage. Irgendwann kommt man dann an den Punkt, an dem man auch Mut zur Lücke haben muss, damit man sich wirklich auf eine Geschichte konzentrieren kann und mehr Platz und Zeit für eine saubere Recherche hat, dafür aber vielleicht eine andere Geschichte an diesem Tag weglässt.

Ehold: Sie waren selbst in verschiedenen Resorts tätig. Würden Sie rückblickend sagen, dass die Wichtigkeit von PR-Meldungen in unterschiedlichen Resorts unterschiedlich stark ausgeprägt ist?

Bayer: Gerade im wirtschaftlichen Bereich, wo es um Firmen, Aufträge und Zukunftsperspektiven geht, ist natürlicherweise immer eine Linie da, die fließend ist. Man muss aber, und das ist die Kunst, auch einen Abstand dazu behalten. Man muss erkennen, dass da eine wichtige Firma und eine wichtige wirtschaftliche Entwicklung ist und darf sich trotzdem nicht auf irgendwelche „Freunderlwirtschaften“ einlassen. Ein Beispiel: Durch Corona ist das Thema Regionalität ganz groß geworden. Alle Produkte werden hochgeschätzt und kommen bei den KonsumentInnen gut an. Daher haben wir vor Kurzem bei den Wochenzeitungen, die im Ring der „Salzburger Nachrichten“ erscheinen, eine Kooperation mit den Salzburger Seminarbäuerinnen begonnen. Das sind Frauen, die in diversen Bezirken Salzburgs leben und heimische Produkte herstellen und damit arbeiten. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist PR, aber ich sehe das, speziell in so einer Beziehung, anders. Ich glaube, dass es wichtig ist, diesen lokalen Aktivitäten Platz und Aufmerksamkeit zu schenken und auch unsere LeserInnen schätzen das sehr.

Ehold: Macht es also auch für JournalistInnen bei der Auswahl der PR-Meldungen einen Unterschied, ob es ein kleiner regionaler Betrieb oder ein großes Unternehmen ist?

Bayer: Natürlicherweise hat ein großes Unternehmen, das relevant ist, auch in Bezug auf Arbeitsplätze in der Region einen Neuigkeitswert. Wenn dort etwas passiert, z.B. ein Zubau oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze, dann ist das natürlich wichtig. Dennoch sind ein gewisser Abstand und Distanz immer geboten, auch wenn man im Laufe der Zeit einige Personen besser kennenlernt, die eine Firma repräsentieren. Es gilt auf einer guten persönlichen und vertrauenswürdigen Ebene zu kooperieren, aber keine „Geschäfte“ zu machen, im Sinne dass man jemanden besonders bevorzugt und wegschaut, wenn etwas kritisch zu hinterfragen ist.

Ehold: Oft wird der Unternehmens-PR nachgesagt, dass sie den JournalistInnen ihre Aussagen in den Mund legen wollen. Wie denken Sie, würde sich die tägliche Arbeit der JournalistInnen ändern, wenn es

© Marco Riebler

Heinz Bayer war lange Jahre bei den „Salzburger Nachrichten“ Chef vom Dienst von „Salzburg-Lokal“ und verantwortet die gesamte Regional-Berichterstattung. Die „Salzburger Woche“ und andere Titel betonen die Nähe zur Lebenswelt der LeserInnen. Er ist Tourismus- und Kulturexperte, in seiner Glosse „Lokalpatriot“ begegnen einander Lokales und Globales.

keine PR-Arbeit mehr gäbe und sie sich alle Informationen selbst zusammensuchen müssten?

Bayer: Bei uns ist es so, dass wir KollegInnen haben, die ausschließlich PR-Geschichten verfassen, die auch grafisch eindeutig von den normalen Zeitungsberichten abgegrenzt sind. Das ist ein normales Geschäft zwischen einem Verlag und Firmen. Unsere KollegInnen beschäftigen sich nur damit und halten den Kontakt zu den Firmen aufrecht. Es gibt diverse Sonderteile zu bestimmten Themen, in denen die Firmen dann mit ihren Meldungen vorkommen. Neben diesem reinen PR-Ansatz gibt es noch den journalistischen Zugang, den ich vorhin erwähnt habe. Wenn eine Firma ein relevantes Thema hat, das zu einer öffentlichen Diskussion führt, dann ist das eine journalistische Geschichte, bei der dann auch nachgefragt und recherchiert wird.

Ehold: Wenn man sich auf Online-Plattformen umschaut, findet man APA-Meldungen meist sehr ähnlich formuliert bei verschiedenen Medien wieder. Wie würden Sie sagen ist das Verhältnis von diesen wirklich qualitätsvoll selbstrecherchierten Beiträgen und Copy & Paste-Meldungen?

Ehold: Es ist also auch nicht erstrebenswert, dass es keine PR-Arbeit mehr gibt?

kein Interesse haben, überall die gleiche PR-Meldung zu lesen. Ich denke, dass es auch die Aufgabe von Qualitätsmedien ist, zu werten und eigenrecherchierte Geschichten ins Netz zu stellen. Gerade in Hinblick darauf, dass man auch über die Online-Plattformen Geld verdienen muss. Bayer: Das Internet ist ein gefräßiges Tier. Eine Website muss ständig aktualisiert und bespielt werden. Daher landen dort im Laufe des Tages auch viele Agenturmeldungen. Internetportale sind aufgeregte Portale, da muss sich immer etwas tun und klar ist die Gefahr da, dass wenn alle APA- und Reuters-Meldungen haben, eine gewisse Bayer: Es gibt ja dieses Sprich- Gleichheit entsteht und sich wort „Der Kaufmann muss seine „Ich glaube, dass die mündigen Leser- die Medien nicht mehr unterWare loben“, da sehe ich jetzt Innen in diesem Ozean an Neuigkeiten scheiden. Gerade deshalb ist es kein Problem und natürlich ist das auch Futter für Redaktionen. kein Interesse haben, überall die gleiumso wichtiger, dass man selber gut recherchierte Geschichten Wenn man von außen über die che PR-Meldung zu lesen.“ liefert. Marketingabteilungen der Firmen eine Aussendung bekommt, kann man dadurch viel- Ehold: Zeitmangel entsteht auch aufgrund fehlender leicht auch eine Idee bekommen. Eine PR-Aussendung personeller Ressourcen. Ab wo würden Sie sagen, beeiner Firma ist per se ja nichts Schlechtes. Ganz im Ge- ginnt die journalistische Qualität zu leiden, gerade genteil, das sind normale Informationskanäle, bei denen in einer liberalen Gesellschaft wie in unserem Land, man aber eine klare Trennlinie ziehen und nicht mit Copy möchte man auf diese ja nicht verzichten? & Paste die Aussage hineinkopieren und unkommentiert Bayer: Natürlich ist der Rechenstift ein Instrument, dem im Raum stehen lassen soll. eine große Bedeutung zukommt. Auch ein Medienunternehmen muss rechnen wie andere Unternehmen. Ich Ehold: Vergleicht man die Online- mit den Printausga- denke, in diesem Entwicklungsprozess, den auch die Meben, so unterscheiden sie sich ja unter anderem durch dien in den letzten Jahrzehnten durchlaufen haben, muss den verfügbaren Platz. Würden Sie sagen, dass es da man auch Entscheidungen treffen und kann nicht auf hinsichtlich des PR-Einflusses einen Unterschied gibt? jeder Hochzeit tanzen. Wenn ich alles mache und überBayer: Nein, das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass die all nur Mittelmaß bin, dann werde ich auf Dauer keinen mündigen LeserInnen in diesem Ozean an Neuigkeiten Bestand haben.

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