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Online-PR vs. Online-Journalismus

Tina Monitbeller

© Fabian Orner Sebastian Rauch, Chefredakteur „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“, spricht über Veränderungen im Online-Journalismus, neue Kommunikationskanäle und künftige Hoffnungsträger.

Tina Montibeller: Online-PR macht es möglich, dass Unternehmen und Marken RezipientInnen direkt erreichen können – braucht es den Journalismus in Zukunft überhaupt noch?

Sebastian Rauch: Diese zwei Bereiche sind strikt zu trennen, denn JournalistInnen sind in keiner Weise „Mittelsmänner oder Mittelsfrauen“ der PR. Zwar gibt es wichtige Überschneidungen der beiden Disziplinen, dennoch verfolgen sie unterschiedliche Ziele: PR agiert verkäuferisch, während Journalismus objektive Informationen weitergeben möchte. Wir greifen gelegentlich auf die PR zurück, um uns Inputs zu holen und AnsprechpartnerInnen für bestimmte Themenbereiche zu finden, aber es führt kein Weg daran vorbei, alle Informationen zu überprüfen und von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, bevor sie auf unseren Plattformen veröffentlicht werden.

Montibeller: Durch die Neuerungen im Bereich der digitalen Kommunikationsplattformen ergeben sich für Online-PR vielfältige Maßnahmen – kann der OnlineJournalismus bei dieser Vielfalt mithalten?

Rauch: Es gibt immer wieder Anpassungen, die man vornehmen muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Trotzdem hängt es immer davon ab, was ein Medium transportieren möchte und wie es seine Zielgruppe definiert. Einerseits ist es wichtig, eine klare Linie zu verfolgen, damit die NutzerInnen wissen, was sie von einem Portal erwarten können und andererseits ist es notwendig zu überlegen, wie welche Generation Nachrichten konsumiert. Da hat der Journalismus im Gegensatz zur Öffentlichkeitsarbeit insoweit einen Nachhohlbedarf, dass an dieser Anpassungsfähigkeit gearbeitet werden muss. Gerade im Bereich der klassischen Tageszeitung ist dies etwas schwieriger als für die reine Online-Kommunikation.

Montibeller: Einer 2018 in Deutschland durchgeführten Umfrage von „news aktuell“ zufolge nutzen immerhin 58 % Soziale Medien und 57 % Unternehmenswebsites zur Recherche. Wie wird sich dieser Teil der Medienwertschöpfungskette künftig entwickeln?

Rauch: Die Quellen der Informationsbeschaffung haben sich vor allem durch die Weiterentwicklung der Technologie verändert – früher mit dem Festnetz, heute unter anderem per WhatsApp oder digitalen Pressrooms. Auch Suchmaschinen und Soziale Medien dienen der Recherche. Informationen auf digitalem Wege einzuholen gehört zum Geschäft, dennoch führt für qualitativ hochwertigen Journalismus kein Weg daran vorbei diese Informationen zu überprüfen und bei handelnden Personen vorstellig zu werden. Die Aufgabe der JournalistInnen ist es nicht, sich von der Öffentlichkeitsarbeit Worte in den Mund legen zu lassen, sondern vielmehr nachzufragen und die eigens gesammelten Informationen zu überprüfen und wiederzugeben. Insbesondere im Bereich des Regionaljournalismus‘ habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein persönliches Treffen immer mehr Inputs liefert als beispielsweise der Informationsaustausch via digitaler Chatportale. Die Art der Informationssuche hat sich verändert und wird sich auch künftig noch ändern. Das Nachfragen und damit die Eigenrecherche aber bleibt.

Montibeller: Wie trifft man als JournalistIn im Zeitalter des digitalen Information Overload die Entscheidung, von welchen Online-Presseportalen man Informationen bezieht?

Rauch: Es ist eine riesige Flut an Informationen und Informationsquellen, die zu bearbeiten sind und jeden Tag kommt etwas Neues hinzu. Deshalb spielen Erfahrungswerte eine große Rolle. Die jeweiligen Ressorts bauen sich ein Netzwerk auf und wissen, welche Quellen vertrauenswürdig sind und welche Informationen verstärkt zu hinterfragen sind. Aber selbst wenn eine Quelle vertrauenswürdig ist, müssen JournalistInnen diese überprüfen. Auch neue Kommunikationsplattformen, wie zum Beispiel „TikTok“, müssen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Newsquelle überprüft werden.

Montibeller: Wie geht man mit Interaktionen, User Generated Content aber auch Kritik als Nachrichtenportal auf Social Media um?

© Klaus Hartinger/NEUE Vorarlberger Tageszeitung

Sebastian Rauch war nach seinem Studium für Geschichtswissenschaften in Wien bei „LAOLA1.at“ und als Korrespondent für die „Vorarlberger Nachrichten“ tätig. 2014 übernahm er die Leitung des Sportressorts bei der „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“. Seit Dezember 2018 ist Rauch deren Chefredakteur und launchte 2020 mit seinem Team das Newsportal „neue.at“.

Rauch: Derzeit benötigen wir noch keine zusätzliche Arbeitskraft, die den Dialog auf Social Media moderiert, da unsere Community noch relativ klein ist. Mit steigendem Wachstum wird eine solche Position allerdings zukünftig benötigt. Denn wie man bei anderen Newsportalen beobachten kann, gibt es unter manchen veröffentlichten Nachrichten immer wieder Kommentare, für die die Zeitung beziehungsweise das Unternehmen keinesfalls stehen möchte. Kritik ist willkommen, solange sie konstruktiv und nicht beleidigend ist. Rückfragen von NutzerInnen werden von uns soweit dies möglich ist beantwortet. Sollten die Fragen nichts mit unserer journalistischen Arbeit zu tun haben, verweisen wir an die zuständigen Stellen wie zum Beispiel die PR-Abteilung eines Unternehmens.

Montibeller: Ist der Journalismus offen für neue Technologien?

Rauch: JournalistInnen müssen ständig offen für Neuheiten sein. Es ist die Grundlage des journalistischen Berufs, dass man sämtliche Einflüsse erkennt und entscheidet welche von Relevanz sind. So ist das auch mit neuen Technologien: Je nachdem, für welche Art von Medium gearbeitet wird und welche Leserschaft bedient werden soll, müssen Technologien hinsichtlich ihrer Relevanz und Nützlichkeit bewertet werden. Wer da früher dran ist, gewinnt.

Montibeller: Auf Sozialen Medien ist die „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“ schon seit einigen Jahren vertreten. Inwiefern haben Sie es als Notwendigkeit gesehen, 2020 einen zusätzlichen Onlineauftritt ins Leben zu rufen?

Rauch: Um die Sozialen Medien bedienen und unseren LeserInnen einen Mehrwert bieten zu können, war ein Onlineauftritt für uns dringend notwendig. Bislang gab es für uns nur die Möglichkeit von Beiträgen auf Social Media auf unsere digitale Version, für die ein E-Abonnement benötigt wird, zu verlinken. Durch „neue.at“ können wir nun auf unser Newsportal verlinken und kostenlose Artikel sowie Artikel aus unserem Pay-Content-Konzept anbieten. Lesen NutzerInnen einige kostenlose Artikel via „Facebook“, die ihnen gefallen, sind sie auch eher gewillt in weiterer Folge für einen kostenpflichtigen Artikel zu bezahlen oder ein Abo zu kaufen. Social Media hilft enorm, um an Reichweite zu gewinnen.

Montibeller: Bestehen für den Online-Journalismus im Vergleich zur Online-PR spezielle Herausforderungen etwa hinsichtlich der Finanzierung?

Rauch: Wir sind eine sehr klassisch Abo-gesteuerte Zeitung und finanzieren uns derzeit noch zu einem großen Teil aus den Print-Abos. In unserem Fall haben wir uns aber für die Zukunft aufgegleist und ich glaube, dass die Akzeptanz, auch für digitale Inhalte etwas zu bezahlen steigt. Die Erfolgsformel dafür ist Qualität. Dass das funktioniert, zeigen beispielsweise viele skandinavische Verlage vor, die es geschafft haben, die PrintAbos in Digital-Abos zu verwandeln. Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfindet und den viele Tageszeitungen in Österreich gerade gehen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass der Switch in den Köpfen der LeserInnen gelingt. Das hat nicht zuletzt auch da Ibiza-Video gezeigt. Große Teile der Bevölkerung waren bereit, für die exklusiven und relevanten Inhalte verschiedener Online-Portale zu bezahlen. Je mehr Qualität und relevante Informationen geliefert werden, desto mehr Abos können verkauft werden.

Montibeller: Welcher Disziplin gehört Ihrer Meinung nach die Zukunft – oder braucht es sowohl Online-PR als auch Online-Journalismus gleichermaßen?

Rauch: Es braucht beide Bereiche. Den Journalismus braucht es als 4. Gewalt im Staat. Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, Dinge zu hinterfragen und nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Die Öffentlichkeitsarbeit braucht es wiederum für die Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen möchten. Ich sehe beide Disziplinen für die Zukunft gerüstet und meine, dass für beide Platz in der öffentlichen Kommunikation sein soll.

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