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Nimmt die PR-Branche dem Journalismus den Nachwuchs weg?

Nimmt die PR-Branche dem Journalismus den Nachwuchs weg?

Paula Chromy

© FH St. Pölten Nur jede/r zehnte Journalist/in in Österreich ist unter 30. Während die Redaktionen personell ausgedünnt werden, wächst die PR-Branche. „PRaktivium“ fragte Jürgen Hofer, Chefredakteur von „HORIZONT“ Österreich, welche Perspektive er für den Journalismus-Nachwuchs sieht und wie die Kommunikationsbranche diesen beeinflusst.

Paula Chromy: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Rolle des Journalismus für unsere Gesellschaft ist. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Redaktionen, dennoch gibt es immer weniger JournalistInnen und vor allem der Anteil der jungen geht zurück. Stirbt der Journalismus in Österreich aus, weil es keinen Nachwuchs gibt?

Jürgen Hofer: Ich orte drei Aspekte: Der erste ist das Ausdünnen der Redaktionen in personeller Hinsicht. Wenn man sich Redaktionen vor 15 Jahren und heute ansieht, sitzen im Normalfall weniger JournalistInnen in den Redaktionen. Das ist ein Umstand, der vor allem finanziell bedingt ist. Der zweite Aspekt betrifft die unter 30-Jährigen. Das mag mehrere Gründe haben, hängt aber wahrscheinlich mit dem ersten Problem zusammen, dass wenige JournalistInnen fix angestellt werden und vor allem Junge als Freie arbeiten. Ein weiteres Problem ist, dass Journalismus grundsätzlich ein Diversitätsproblem hat, auch in der Altersstruktur. Und drittens, nein, wir haben kein Nachwuchsproblem. Es gibt sehr vielen und guten Nachwuchs, vielleicht sogar zu viel. Die Gründe, warum wenig Junge oder grundsätzlich zu wenige JournalistInnen in Redaktionen sitzen, sind wirtschaftliche.

Chromy: Redaktionen werden ausgedünnt, gleichzeitig sprießen die Jobs in der Öffentlichkeitsarbeit. Eine Statistik der Publizistik- und Kommunikationswissenschafts-AbsolventInnen hat gezeigt, dass 10% in die Beratung gehen, insbesondere in die PR-Beratung, und nur 6% in den Informationsdienstleistungssektor. Nimmt die PR dem Journalismus den Nachwuchs weg?

Hofer: Ich würde das nicht so zuspitzen. Es ist legitim, dass man gute Menschen sucht und anstellt. Es ist, subjektiv gesagt, in der PR leichter eine Anstellung zu bekommen als im Journalismus, im Normalfall sind dort auch die Löhne beim Einstieg besser. Dazu kommt der Umstand, dass es in der PR einfach mehr Jobs gibt und deshalb mehr Menschen in diesen Bereich gehen. Ich glaube, der Atem um es in den Journalismus zu schaffen muss ein längerer sein. Das sagt nichts über die Qualität der Menschen aus, aber strukturell bedingt ist es im Journalismus schwieriger. Ja, Kommunikationsabteilungen und PR-Agenturen haben in den letzten Jahren viel Aufwind erfahren und zu Recht an Bedeutung gewonnen, dort herrscht großer Personalbedarf.

Chromy: Was macht die PR-Branche für junge Menschen attraktiver – abgesehen vom Gehalt?

Hofer: Ich glaube, dass der Journalismus nach wie vor attraktiv sein kann, nur nicht für jede/n. Die aufgekommene Perspektive in der PR oder Kommunikation ist insofern spannend, da es immer mehr Betätigungsfelder gibt. Mittlerweise ist Kommunikation in jedem vernünftigen Unternehmen auf oberster Entscheiderebene angesiedelt. Das ist auch gut so. Damit ist Kommunikation ein unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Unternehmensstrategie. Kommunikation ist längst nicht mehr nur Presseaussendungen verfassen, sondern ein Journalismus-ähnlicher Job. Es ist und wird nie Journalismus sein, aber es ist ähnlich. Ich verstehe, wenn das ein reizvolles Umfeld für jemanden ist.

Chromy: Kann man den Beruf „JournalistIn“ und das Arbeitsfeld „PR“ noch trennen? Kann man beides gleichzeitig sein?

Hofer: Beides gleichzeitig geht auf keinen Fall, weil sich eben Journalismus und PR in ihren Grundzügen wesentlich unterscheiden. Auf eine philosophische Ebene gehoben, kommuniziert PR für einen Menschen, ein Produkt oder Unternehmen. Journalismus wirkt für die Gesellschaft. Journalismus ist unabhängig, neutral, ausgewogen. Unternehmenskommunikation ist das per se nicht, weil der Zweck ein anderer ist. Deswegen funktioniert das unter einem Hut nicht.

Chromy: Wie wirkt sich die Entwicklung, dass es immer weniger JournalistInnen und dafür mehr PR-Fachleute gibt, auf die Qualität des Journalismus aus?

Hofer: Grundsätzlich gibt es in den österreichischen Medien nach wie vor sehr guten Journalismus, aber gefühlt ist er weniger geworden. Die großen Aufdecker-Magazine, wie

© Sabine Klimpt / Manstein Verlag

Jürgen Hofer ist Chefredakteur von „HORIZONT“ Österreich und verantwortet damit die Wochenzeitung „HORIZONT“, das Magazin „bestseller“, die dazugehörigen digitalen Angebote sowie die inhaltliche Konzeption der Österreichischen Medientage. Hofer ist Absolvent des Studiengangs Journalismus & Unternehmenskommunikation der FH Joanneum Graz.

beispielsweise früher das Magazin „NEWS“, gibt es weniger. Immer weniger JournalistInnen sehen sich mit immer mehr PR-Menschen konfrontiert, müssen mehr machen und haben weniger Zeit für ordentliche Recherche. Natürlich versteht es eine professionelle Unternehmenskommunikation, Dinge mediengerecht zur Verfügung zu stellen.

Chromy: Und dann wird nur noch die APA-Pressemeldung kopiert?

Hofer: Hier tut man der APA oft unrecht. In der APA sitzen rund 140 JournalistInnen, die diese journalistischen Nachrichten verfassen. Davon zu unterscheiden sind die via OTS verbreiteten Pressemeldungen. Das wird oft in der Debatte vermischt. Die grundsätzliche Herausforderung lautet: Kommunikationsabteilungen oder PR-Agenturen bereiten Dinge, weil das ja ihr Job ist, bewusst so gut auf, dass diese von Medien möglichst 1:1 übernommen werden können. In Redaktionen, wo Ressourcen knapp sind ist die Versuchung groß, diese Dinge zu verwenden. Da sind wir bei der Frage, wie sehr die PR den Journalismus beeinflusst, dominiert oder vor sich hertreibt.

Chromy: Sie haben das Problem der Altersdiversität angesprochen. Was können Anreize für BerufseinsteigerInnen sein, wieder in den Journalismus zu gehen?

Hofer: Uns fehlen in den Redaktionen sowohl die Jungen, als auch Frauen und die, die man als Menschen mit Migrationshintergrund subsumiert. Es liegt aber nicht an jungen Journalismus-Begeisterten diese Strukturen zu ändern, sondern die müssen von oben geändert werden. Ich bin kein Freund der „Quote“, aber ich glaube, dass es sie in gewissen Bereichen brauchen würde.

Chromy: Was können Redaktionen tun, um qualifizierten Nachwuchs zu holen?

Hofer: Ich glaube, jede/r Medienmanager/in in diesem Land müsste junge Menschen für junge Menschen schreiben lassen, um diese Lebenswelten bei LeserInnen auch bedienen zu können. Es fehlt vielen noch die Fantasie, wie wir eine Generation, die nicht mit Medien (Anm: traditionellen Medien) sozialisiert wurde, erreichen. Sich solchen Menschen zu öffnen, ist in den meisten Unternehmen ein tiefgreifender und schwieriger Kulturwandel.

Chromy: Sollte es nicht auch im Interesse der Politik sein, durch Anreize Junge in die Redaktion zu bringen, damit jüngere Leute ihre Nachrichten nicht nur aus sozialen Medien beziehen, sondern aus journalistisch aufbereiteten Quellen?

Hofer: Eine Politik, die sich pluralistischen Journalismus wünscht und fördert wäre der Idealzustand. Überspitzt gesagt: Die österreichische Medienpolitik ist wahrscheinlich kein Paradebeispiel dafür, eine breite Medienszene zu fördern. Sie tut das mit sehr viel Geld, aber die Themen „Diversität“ und „Innovation“ sind immer noch stark unterrepräsentiert. Es gibt sehr gute Initiativen, aber das Ausmaß davon ist zu gering.

Chromy: Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung vom Nachwuchs im Journalismus, besonders im Hinblick auf die Verflechtungen zwischen Journalismus und PR, ein?

Hofer: Die erste Frage ist, was die optimale Ausbildung für JournalistInnen ist. Ein möglichst breites Spektrum in der Ausbildung ist durchaus gut, da man für die jeweiligen Bedürfnisse das Richtige herausziehen kann. Andererseits braucht es auch thematisch hochspezialisierte KollegInnen. Es braucht wissbegierige, aufgeschlossene Menschen. Zur Vermischung von Journalismus und PR: Ich sehe es durchaus als Vorteil, wenn man beide Welten kennt und einschätzen kann. Ich glaube nur, dass man irgendwann die Entscheidung treffen sollte, was man machen möchte und dabei auch bleibt. Man kann vom Journalismus in die PR gehen, aber in meinem Verständnis schwer wieder zurück.

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