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PR vs. Journalismus 2030

Markus Hofstätter

© Claudia Mann Folker Hanusch, Journalismus-Professor an der Universität Wien, diskutiert mit „PRaktivium“, wie sich das Verhältnis von Journalismus und PR in den nächsten Jahren verändern wird und welche Auswirkungen daraus resultieren.

Markus Hofstätter: Zu Beginn würde ich Sie um eine kurze Analyse des Status Quo bitten. Wie sehen Sie aktuell das Verhältnis zwischen PR und Journalismus?

Folker Hanusch: Ich denke, dass wir in den vergangenen Jahren eine Verschiebung der Kräfte zwischen PR und Journalismus beobachten können. Momentan durchgeht der Journalismus eine wahnsinnige Transformation. Altgediente Geschäftsmodelle werden in Frage gestellt. LeserInnen gehen zu anderen Anbietern oder ins Internet. Es verändern sich der Medienkonsum und dadurch natürlich auch die ökonomischen Modelle für den Journalismus. Das hat zur Folge, dass es in den meisten Ländern weniger JournalistInnen gibt, die gleichzeitig auch weniger Zeit haben, um zu recherchieren. Dadurch entsteht eine größere Möglichkeit für die PR, mehr Einfluss auszuüben, indem sie schon vorgefertigte Produkte anbieten, die JournalistInnen ihre Arbeit erleichtern. Wir können da eine Kräfteverschiebung beobachten.

Hofstätter: Welchen Herausforderungen müssen sich PR-PraktikerInnen stellen?

Hanusch: Eine Herausforderung für die PR ist, Informationen aufzubereiten, die Journalistinnen auch interessieren, da sie von PR-Meldungen oftmals überrollt werden. Viele JournalistInnen sprechen immer wieder davon, wie viel PR-Mitteilungen sie pro Tag bekommen und dass sie ständig angerufen werden, obwohl sie die E-Mail gerade erst vor zwei Minuten bekommen haben. Ich denke, es ist eine Herausforderung für die PR, damit auch sorgsam umzugehen. Sie muss ihre Informationen richtig vermitteln können.

Hofstätter: Sie haben zu Beginn schon angesprochen, dass sich die Machtverhältnisse in den letzten Jahren ein wenig verschoben haben, aber denken Sie, dass ein Bereich wirklich abhängiger vom anderen ist?

Hofstätter: Mit welchen Herausforderungen haben JournalistInnen heute zu kämpfen?

Hanusch: Natürlich sind beide abhängig voneinander. Der Journalismus ist von der PR abhängig, weil Informationen der PR einfacher für JournalistInnen verarbeitet werden können. Es ist wichtig zu sagen, dass wir wegkommen müsHanusch: Zwar ist das nicht in allen Gesellschaften unbe- sen von einem Bild, dass alles, was die PR macht böse ist dingt gleich, und das kann ich für Österreich auch nicht und alles, was die JournalistInnen machen gut ist. PR hat, so genau sagen, aber ich glaube dennoch, dass wir eine gerade in der Gesellschaft, sehr wichtige Aufgabenbereiche Verjüngung des Journalismus se- und kann eine sehr wichtige Rolle hen. Also, dass JournalistInnen „Studien zeigen uns auch, dass vor 20 spielen, um essentielle Informatiovielleicht auch etwas weniger erfahren sind und dadurch eher beoder 30 Jahren die Antipathie zwischen nen für die Gesellschaft zu vermitteln. Insofern ist Journalismus von einflussbar sind. Studien zeigen JournalistInnen und PR, zumindest von der PR abhängig und die PR auch uns auch, dass vor 20 oder 30 Journalismus-Seite her, noch um ei- vom Journalismus, weil eben jourJahren die Antipathie zwischen niges größer war, als sie jetzt ist, und nalistische Medien doch immer JournalistInnen und PR, zumindest von Journalismus-Seite her, das ist eine der Herausforderungen.“ noch eine sehr hohe Reichweite haben. Natürlich gibt es für die noch um einiges größer war, als PR die Möglichkeit direkt über sie jetzt ist, und das ist eine der Herausforderungen. Wei- Social oder Owned Media ihre Informationen nach drauters haben JournalistInnen zunehmend Probleme, die ßen zu bringen, aber Journalismus als eine informationsverMächtigen im Land zu hinterfragen, da viele Entscheide- mittelnde Institution spielt in der Gesellschaft doch noch rInnen sehr stark von PR-Teams umgeben sind. eine sehr wichtige Rolle und insofern sind beide natürlich voneinander abhängig.

© privat

Folker Hanusch ist Professor für Journalismus an der Universität Wien. Im Zuge seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit vergleichenden Journalismus-Studien, Transformationen des Journalismus, JournalismusKultur, Lifestyle-Journalismus, und indigenem Journalismus.

Hofstätter: Wie denken Sie, wird sich das Verhältnis zwischen PR und Journalismus in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

Hanusch: In die Kristallkugel schauen ist immer schwierig. Spannend zu sehen ist, inwiefern sich die Grenzen des Journalismus verschieben. Das beginnt schon mit unserem Verständnis von Journalismus. Hier verschieben sie sich doch sehr stark. Zudem nimmt auch das Publikum ganz andere Angebote als Journalismus wahr, die man vielleicht nicht aus traditioneller Sicht als Journalismus verstanden hätte. Das können selbst Influencer in sozialen Medien sein. Das kann die PR eben auch durch eigene Produkte sein, welche journalistische Aufgaben erfüllen. Ich sehe da eine Aufweichung des Journalismus und was wir als Journalismus in der Gesellschaft letztlich verstehen. Es werden neue Bereiche kommen, die traditionellen Journalismus noch supplementieren und die hier auch eine wirklich viel breitere Vielfalt an journalistischen oder dem Journalismus ähnlichen Produkten ergeben wird.

Hofstätter: Wird dementsprechend PR oder Journalismus dominanter werden?

Hanusch: Es ist sehr schwer zu sagen, ob jetzt ein Bereich wichtiger wird. Dadurch, dass sich die PR zunehmend auch in journalistischer Form artikuliert, dringen wahrscheinlich stärker diese Inhalte in die Öffentlichkeit und stehen dann im Wettbewerb zum Journalismus. Die Frage ist, inwiefern das Publikum diese Inhalte als Journalismus sieht. Ein Beispiel ist das „Red Bulletin Magazin“, das oberflächlich gesehen als typisches Lifestyle-Magazin daherkommt. Es sind interessante Artikel drinnen, sie sind gut geschrieben und auch nicht wirklich offen werbend. Jedoch ist es ein Magazin des Red Bull Media House, welches versucht die Ziele des Unternehmens Red Bull voranzutreiben. Man kann das als Owned Media erkennen, es wird aber vom Publikum vielleicht als ganz normaler Journalismus aufgefasst. Das heißt, die Frage die wir uns stellen müssen ist: „Was ist der Journalismus?“ Der traditionelle Journalismus, wie wir ihn kennen über Massenmedien, Zeitungen, Fernsehen etc., wird wahrscheinlich kleiner werden und die klassische PR als Journalismus verkleidet quasi stärken.

Hofstätter: Denken Sie, es benötigt auch in Zukunft weiterhin wissenschaftliche Arbeiten im Bereich „PR vs. Journalismus“, um das Verhältnis genauer zu definieren?

Hanusch: Ja, auf jeden Fall. Wir brauchen mehr Forschung eben gerade zu diesen neuen Entwicklungen, die die grundlegenden Definitionen von Journalismus in der Gesellschaft auch in Frage stellen oder verändern und wie sich die Grenzen des Journalismus verschieben. Insofern ist das auch ein wichtiger Forschungsbereich sowohl für den Journalismus als auch für die PR-Forschung.

Hofstätter: Und wie denken Sie, könnte dieser Diskurs auch in Zukunft PraktikerInnen auf beiden Seiten helfen?

Hanusch: Ich denke, dass die PraktikerInnen dadurch besser verstehen lernen können, wie die jeweils andere Seite agiert, wie sie welche Strategien fährt und wie mit deren Produkten umgegangen werden muss. Dies ist auch im normativen Sinne gemeint, da es journalistische Formate der PR gibt, wie zum Beispiel Owned Media. Dann wäre es doch gut, dass die PR ein solides Wissen über journalistische Ethik hat.

Hofstätter: Abschließend möchte ich sie noch kurz um Ihre Meinung bitten, was JournalistInnen in Zukunft benötigen, um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein?

Hanusch: JournalistInnen brauchen die Fähigkeiten, die sie schon immer gebraucht haben: Das ist kritisches Denken, Hinterfragen, Recherchieren, die Ambition Informationen auf den Grund zu gehen, mit welcher Motivation diese Information geliefert wurde und darüber hinaus natürlich auch digitale Fertigkeiten. Wenn wir vom Verhältnis von PR und Journalismus sprechen, ist das aber vor allem das kritische Denken, das Einordnungsvermögen, warum etwas auf eine gewisse Weise portraitiert wird.

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