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Der Umgang des investigativen Journalismus mit der PR

Der Umgang des investigativen Journalismus mit der PR

L ö schner Pauline

© Thomas Kubin Der Kontakt zwischen PR und dem investigativen Journalismus ist laut Georg Eckelsberger, dem stellvertretenen Chefredakteur von „DOSSIER“, von einem professionellen Misstrauen geprägt. Dennoch sei es wichtig, dass beide Seiten einander zuhören.

Pauline Löschner: Was liegt dir persönlich beim investigativen Journalismus ganz besonders am Herzen?

Georg Eckelsberger: Was mir besonders am Herzen liegt, ist, dass man durch die Recherche Fakten schafft, auf die man dann in der gesellschaftlichen Diskussion Bezug nehmen kann. Man schafft durch die Recherche die Faktenbasis, auf der wir als Gesellschaft und als einzelne BürgerInnen Entscheidungen treffen.

Löschner: Was sind die Stärken von investigativem Journalismus? Wo stößt er an seine Grenzen?

Löschner: Ab wann weißt du, dass eine Recherche abgeschlossen ist?

Eckelsberger: Die Stärke ist, dass man mit relativ einfachen Mitteln neue Fakten ans Tageslicht bringen kann. Diese werden dann verbreitet und bringen die Diskussion weiter. Wahrscheinlich ist es auch eine Stärke, dass sich Eckelsberger: Letztlich arbeiten wir bei „DOSSIER“ so, Informationen gerade in unserer Gesellschaft, wenn sie dass wir das Glück haben, dass wir Recherchen tatsächlich brisant und interessant sind, wie ein Lauffeuer verbreiten erst veröffentlichen, wenn wir der Meinung sind, dass die RecherEs gibt spezielle PR, die auf investigaund man dann auch als kleines Medium oder einzelne/r Jourche weitestgehend abgeschlos- tiven Journalismus ausgerichtet ist: nalist/in Großes bewegen kann. sen ist. Sprich, wir sind allen die sogenannte Litigation-PR, bei der Grenzen gibt es mehrere. Zum Spuren nachgegangen. Wirklich man juristische Mittel einsetzt, um eine einen geht es in die Richtung der abgeschlossen ist sie natürlich nie, man kann immer weiter reVeröffentlichung zu verhindern oder Finanzierbarkeit. Investigativer Journalismus ist ganz sicher die cherchieren und eine Geschich- eine/n Journalistin/en einzuschüchtern. teuerste Art des Journalismus. te kann sich auch immer wei- Da braucht man einiges an Erfahrung Wenn mehr Geld da wäre, würterdrehen. Es kann immer eine und auch Rückhalt aus dem eigenen de sicherlich mehr investigatiNachfolgerecherche geben. Auch mit der Veröffentlichung ist eine Medium, damit man standhaft bleibt. ver Journalismus in Österreich stattfinden. Und das Zweite ist Recherche nicht abgeschlossen, weil sich dann oft neue der Zugang zu Informationen, gerade was die öffentliche HinweisgeberInnen melden oder neue Informationen zu Hand, den Staat, die Gemeinden angeht. Da läuft man Tage treten. Ein weiterer Indikator ist, wenn ich mit al- oft immer noch gegen eine Mauer und bekommt keine len Personen gesprochen habe, die von dieser Geschichte Informationen. Bei Unternehmen ist dies natürlich noch betroffen sind. Dieser Faktor muss gegeben sein, davor ist extremer. die Recherche nicht beendet.

Löschner: Wie wichtig ist es „DOSSIER“, dass es seit 2019 Österreichs erstes werbefreies Printmagazin ist?

Eckelsberger: Seit 2012 erscheinen wir online und seit 2019 gedruckt. Das gehört zu unserer journalistischen DNA, weil wir überzeugt sind, dass mit dem Modell der Werbefinanzierung ganz automatisch blinde Flecken und Interessenskonflikte verbunden sind. Dies nur dadurch zu lösen, dass man die Anzeigenabteilung von der Redaktion trennt, ist aus unserer Sicht keine starke Barriere. Deswegen glauben wir, dass die Werbefreiheit ganz essentiell für unsere Arbeitsweise ist, damit wir keine blinden Flecken haben.

Löschner: Wie sehr wird der investigative Journalismus aktuell von der PR beeinflusst?

Eckelsberger: Der investigative Journalismus ist grundsätzlich sehr wachsam. Man ist schon bei der Recherche auf der Hut. Es geht nicht nur um die PR-Abteilungen, sondern auch um InformantInnen oder HinweisgeberInnen. Man überlegt sich immer vorher, welches Interesse eine Person hat und wie die Information einzuordnen ist. Wenn eine PR-Abteilung etwas sagt, dann weiß ich,

© Klara Haas

Georg Eckelsberger schloss 2009 sein Studium als Journalist in Wien ab. Seine Karriere führte ihn über das Monatsmagazin „DATUM“, die Wochenzeitung „Falter“ und die Magazine „Business Punk“ und „Red Bulletin“ bis hin zu „DOSSIER“. Er ist nicht nur Mitgründer des investigativen Magazins, sondern aktuell auch stellvertretender Chefredakteur.

es wird einseitig sein, weil das Interesse besteht, dass der Auftraggeber gut dasteht. Das heißt aber nicht, dass die Informationen falsch sein müssen. Insofern ist die PR in dem Bereich eine von vielen Quellen, welche so wie alle anderen kritisch eingeordnet werden muss. Dann gibt es noch einen anderen Bereich. Es gibt spezielle PR, die auf investigativen Journalismus ausgerichtet ist: die sogenannte Litigation-PR, bei der man juristische Mittel einsetzt, um eine Veröffentlichung zu verhindern oder eine/n Journalistin/en einzuschüchtern. Da braucht man einiges an Erfahrung und auch Rückhalt aus dem eigenen Medium, damit man standhaft bleibt. Es ist natürlich im ersten Moment bedrohlich, wenn man eine E-Mail oder einen Brief von einer Anwaltskanzlei bekommt, indem mit einer Klage gedroht wird.

Löschner: Wie sieht die Zusammenarbeit des investigativen Journalismus und der PR aus?

Eckelsberger: Eine kritische Distanz muss es immer geben, mit meinem Journalismus-Verständnis. Natürlich ist das Ganze gewissermaßen eine Zusammenarbeit, jedoch ist auch klar, dass man auf unterschiedlichen Seiten steht. Das Medium und der investigative Journalismus handelt im Interesse seiner LeserInnen und will Informationen ans Licht bringen. Die PR-Abteilung handelt letztlich im Interesse der Geschäftsführung oder des Politikers bzw. der Politikerin. Das sind oft genau entgegengesetzte Interessen. Das Ganze kann trotzdem zu einem konstruktiven Austausch führen, aber eine professionelle Distanz und ein professionelles Misstrauen von beiden Seiten wird immer eine Rolle spielen.

Löschner: Ab wann schadet die PR dem investigativen Journalismus?

Eckelsberger: Es schadet, wenn man eine Mauer des Schweigens aufbaut und einfach keine Informationen herausrückt. Dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit, dass man mit falschen Informationen „gefüttert“ wird. Das nehme ich noch niemanden übel, weil es ist nicht die Aufgabe der PR ist mir zu helfen, denn sie hat eigene Interessen. Die Überprüfung ist meine Aufgabe.Theoretisch wäre es auch möglich, einzelne JournalistInnen zu attackieren. Man könnte bei der Geschäftsführung anrufen und sich beschweren. Bei „DOSSIER“ ist es nicht möglich, weil wir keine Werbeabteilung haben, aber man könnte damit drohen, die Werbeanzeigen zu stornieren, wenn weiter kritisch nachgefragt wird. Solche Dinge passieren definitiv in Österreich. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das die PR-Abteilung macht oder, ob das nicht eher auf Geschäftsführerebene passiert. Aber nein, ich sehe grundsätzlich keine Gefahr, die von der PR für den investigativen Journalismus ausgeht. Ich hatte auch bisher bei den meisten PR- MitarbeiterInnen, mit denen ich zu tun hatte nie das Gefühl, dass es zu einer feindseligen Stimmung gekommen ist. Es war meist professionelles Misstrauen. Teilweise hat man genau gegensätzliche Interessen und dann kommt es zu einem Konflikt. Da muss man einfach professionell bleiben und das schaffen die meisten.

Löschner: Denkst du, es gibt etwas, was die Disziplinen voneinander lernen können?

Eckelsberger: Ich glaube grundsätzlich, dass es immer gut ist, sich gegenseitig zuzuhören. Selbst wenn man als Journalist/in in einem gewissen Punkt Kritik an dem Unternehmen hat, muss man die andere Seite anhören und miteinbeziehen, um ausgewogen zu berichten. Aus Sicht der PR könnte man Kritik auch annehmen und einen Missstand erkennen. Dadurch, dass man diesen erkennt, zugibt und sich bemüht, ihn zu verbessern, kann man letztlich im öffentlichen Image sogar gewinnen. Es gibt viele Beispiele von erfolgreicher Krisen-PR, wo man aus der Not eine Tugend macht und letztlich in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich besser dasteht, wenn man Fehler zugibt und sie einfach behebt. Im Gegensatz zur fundamentalen Opposition, bei der entweder gar nichts gesagt wird, oder immer wieder das Gegenteil behauptet wird.

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