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Was brauchen Lifestyle-JournalistInnen von der PR?
Sophie Katschthaler
© Melina Weger Das Verhältnis zwischen PR und Journalismus ist seit jeher spannungsreich. In welchen Bereichen es Verbesserungspotenzial gibt, wo die Kommunikation gut läuft und was sie sich von der PR wünscht, schildert Sinah Edhofer, Lifestyleredakteurin bei „NEWS“ im Gespräch mit „PRaktivum“.
Sophie Katschthaler: Wie definierst du für dich Journalismus und wie PR?
Sinah Edhofer: Ich sehe Journalismus als Versuch einer objektiven Erfassung von Tatsachen. PR auf der anderen Seite hat die Aufgabe, einen Anreiz für die Berichterstattung zu geben.
Katschthaler: Kannst du kurz beschreiben, wie du vorgehst, wenn du einen Artikel schreibst? In wie weit bist du beim Schreiben von PR „abhängig“?
Edhofer: Die Verflechtung von Lifestyle-Journalismus und PR wird spürbar stärker. Die PR-Agenturen schicken immer öfter Themenvorschläge und bereiten konkrete Themen für JournalistInnen auf. Ich hole mir meine Ideen auch über Pressemitteilungen. Aber was im LifestyleJournalismus auch vorherrscht, sind saisonale Themen. Im Herbst haben zum Beispiel wieder mehr Leute Schuppenflechte, im Winter leiden viele auch an Depression. Das heißt, das sind für mich dann zu der Zeit relevante Themen, wo ich mir Input hole. Pressemitteilungen sind für mich im Lifestyle-Journalismus definitiv auch – aber nicht nur! – inputgebend. Als wichtiges Beispiel kann man hier saisonale Themen nennen: Jetzt in den Wintermonaten ist Depression wieder verstärkt ein Thema, wenn ich hier also eine Pressemitteilung über eine Studie bekomme, inklusive ExpertInnenstimmen, kann ich mir durchaus vorstellen, diese Studie im Heft zu erwähnen, wenn es in den Themenplan passt. Aber grundsätzlich versuche ich, so unabhängig wie möglich von der Einflussnahme der PR zu arbeiten.
Katschthaler: Wie viele Presseaussendungen bekommst du von Agenturen an einem Tag? Wie viele bearbeitest du in Relation dazu täglich?
Edhofer: Das ist schwierig zu beantworten und variiert saisonal. Im Sommer bekomme ich meistens weniger Aussendungen als im Frühjahr oder im Herbst. Dieses Jahr ist es natürlich ein bisschen anders. Pro Tag können aber schon mal 200 Pressemitteilungen eintrudeln. In der Regel bearbeite ich Aussendungen dann eher, wenn ich die Personen in den Agenturen kenne, oder wenn ich persönlich angeschrieben werde. Das lese ich dann zugegebenermaßen eher als eine automatisierte Mail, die an 100 andere JournalistInnen geht. Aber natürlich entscheiden letztendlich Betreff und Inhalt, ob eine Mail für meine Arbeit relevant ist.
Katschthaler: Du bist ja schon einige Jahre im Business, hast für Lifestyle-Magazine wie „WOMAN“, „Miss“ und aktuell „NEWS“ gearbeitet. Wie würdest du die Entwicklung der PR in den letzten Jahren beschreiben?
Edhofer: Presseaussendungen sind mittlerweile viel umfangreicher geworden. Früher waren die PIs sehr bildlastig, heutzutage bekomme ich gefühlt längere, anspruchsvollere Texte zugeschickt. Ich persönlich habe PR-Agenturen immer schon als wichtig empfunden und versucht, einen guten Draht zu ihnen zu haben. Es ist wichtig, die richtigen Ansprechpartner zu haben. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die meisten PR-Agenturen die Unabhängigkeit von Lifestyle-JournalistInnen auch wahren. Ich würde Texte nie zur Voransicht außer Haus geben, das respektieren die Agenturen auch. Die Zusammenarbeit funktioniert also prinzipiell gut und die meisten Agenturen arbeiten sehr verlässlich und schnell. Das hilft mir bei der Arbeit für ein Wochenmagazin enorm, da die Einhaltung von Deadlines für mich wahnsinnig wichtig ist.
Katschthaler: Wie stehst du zu PR-Samples und Eventeinladungen? Sind sie eine Beeinflussung der Kommunikation?
Edhofer: Natürlich ist eine Beeinflussung gegeben. Auf der anderen Seite ist das Testen und Bewerten eben auch ein wesentlicher Aspekt meines Berufes. Wenn ich ein Produkt bewerten soll, dann muss ich ja auch darüber Bescheid wissen. Aber für mich steht ganz klar fest: Wenn ich von etwas nicht überzeugt bin, kommt es in meinen Berichten nicht vor. Events sehe ich weniger als Beeinflussung, ich denke, sie dienen Agenturen mittlerweile mehr zur Kontaktpflege und sind eine gute Gelegenheit,
© Couchgeflüster Leonie Rachel Sovel
Sinah Edhofer ist Journalistin und Podcasterin bei „Couchgeflüster“ und seit mehr als sechs Jahren im Journalismus tätig. Sie hat für Lifestyle Magazine wie „WOMAN“ und „Miss“ gearbeitet und ist seit 2017 Redakteurin in der Leben, Style und Beauty-Redaktion von „NEWS“.
um Produkte und Unternehmen vorzustellen und den Bekanntheitsgrad unter Medien zu erhöhen.
Katschthaler: Denkst du, es gibt Kommunikationsunterschiede zwischen PR und Lifestyle-JournalistInnen sowie PR und Wirtschafts-JournalistInnen?
Edhofer: Ja, denn Politik- und Wirtschaftsjournalismus arbeitet im Idealfall investigativ und objektiv. Beim Lifestylejournalismus ist es logischerweise schwieriger, eine Objektivitätsgrenze zu ziehen, beziehungsweise ist die Berichterstattung ab einem bestimmten Punkt einfach subjektiv geprägt, das beginnt schon bei der Themenwahl. Aber grundsätzlich sollte Journalismus ein Thema so neutral wie möglich beleuchten. Mein Anspruch ist deshalb immer, verschiedene Perspektiven so gut wie möglich zu beleuchten und verschiedene ExpertInnen zu Wort kommen zu lassen.
Katschthaler: Was sind für dich Do’s in der Kommunikation mit PR-Fachleuten?
Edhofer: Ich finde es gut, wenn Agenturen auf die unterschiedlichen Erscheinungsweisen der Medien eingehen und wissen, wann ein Printprodukt erscheint und Druckschluss hat. Falls Themenpläne bekannt sind, finde ich es hilfreich, rechtzeitig Infos zu bekommen – zum Beispiel zum Thema Weihnachtsgeschenkideen. Ein Monatsmagazin arbeitet oft ganz anders als ein Wochenmagazin und es ist ein absolutes Muss als Agentur, diese Unterschiede zu kennen. Der regelmäßige Austausch und die Kontaktpflege zwischen JournalistInnen und PR ist außerdem wichtig, aber man sollte es mit dem „Nachtelefonieren“ als Agentur nicht übertreiben. Absolut wichtig ist natürlich auch, dass Agenturen rasch und fehlerfrei Infos senden und Kontakte, zum Beispiel zu potenziellen InterviewpartnerInnen, herstellen können.
Katschthaler: Was sind No-Go‘s und wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Edhofer: Was für mich nicht geht, ist, wenn Agenturen nach Erscheinen eines Artikels anrufen und die Berichterstattung kritisieren oder eine „adaptierte“ Version online wünschen. Diese Art von Message-Control ist ein absolutes No-Go. Wenn man jetzt von einem Produkt ausgeht und man einen offenkundigen Fehler, zum Beispiel beim Preis, gemacht hat, wäre das legitim. JournalistInnen arbeiten aber nicht für die PR-Agentur, sondern für das Magazin und für die LeserInnen. Telefonisches Nachfassen ist wie gesagt auch etwas, das nicht immer unbedingt sinnvoll ist. Vor allem in der aktuellen Situation, in der viele KollegInnen im Home Office arbeiten und ihr privates Telefon für Arbeitszwecke zur Verfügung stellen, kann Nachtelefonieren schon sehr störend sein.
Katschthaler: Was wünscht du dir von der PR in Zukunft?
Edhofer: Von der PR wünsche ich mir in Zukunft, dass man JournalistInnen auch die Zeit gibt, die es braucht, um Inhalte sickern zu lassen bzw. zum richtigen Zeitpunkt zu bringen, wenn der nötige Platz und die Relevanz gegeben sind. Ich verstehe absolut, dass die Agenturen unter Druck stehen, aber generell schadet es nicht, ein gesteigertes Bewusstsein für Themenpläne und für die Arbeitsweise von Journalistinnen zu entwickeln. Auf der technischen Seite gibt es definitiv noch Luft nach oben: Mails mit 20 MB Datenvolumen sind ein No-Go, ebenso Download-Links, die nach einer Woche ablaufen. Ich würde mir außerdem wünschen, dass sich Agenturen mehr mit dem jeweiligen Medium auseinandersetzen und auch wissen, welches Thema beispielsweise ein „NEWS“Thema wäre und welches nicht. Außerdem wünsche ich mir, dass in Zukunft öfter Frauen als Expertinnen in Pressemitteilungen zu Wort kommen und natürlich mehr Diversität. Aber die sollte sich die gesamte Medienbranche ganz groß auf die Fahnen schreiben.