Filmdienst 23 2017

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9. november 2017 | € 5,50 | 70. Jahrgang

FILM DIenst Das Magazin für Kino und Filmkultur

23 2017

www.filmdienst.de

Te he r an Tabu

Geschichten aus Teheran, verdichtet zum Sittenbild des zeitgenössischen Iran. regisseur ali Soozandeh drehte sein Debüt als animiertes Drama mit realen Schauspielern, das mittels Motion Capture und rotoskopie verfremdet wurde.

Kinoneueröffnungen

»Himmel über berlin«

Peter luisi

Und ewig lockt die Leinwand: Wie mutige Kinobetreiber der Heimkino-Konkurrenz trotzen.

»Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?« Vor 30 Jahren kam Wim Wenders’ Film ins Kino.

Seine Komödie »Flitzer« zeigt den Regisseur als einen der kreativsten Filmemacher der Schweiz.


FILMDIENST 23 | 2017 DIE NEUEN KINOFILME NEU IM KINO ALLE STARTTERMINE

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Animals – Stadt Land Tier 16.11. Bad Moms 2 9.11. Fack ju Göhte 3 26.10. Fikkefuchs 16.11. Flitzer 16.11. Fluidø 16.11. Die Geister, die mich riefen 9.11. Geostorm 19.10. Hexe Lilli rettet Weihnachten 9.11. Human Flow 16.11. Ilk Öpücük 19.10. Jetzt. Nicht. 9.11. Jigsaw 26.10. Das Kongo Tribunal 16.11. Koxa 9.11. Liebe auf Sibirisch 16.11. Die Liebhaberin 9.11. Life on the Border – Kinder aus Syrien und dem Irak erzählen ihre Geschichten 9.11. Machines 9.11. Plötzlich Santa 16.11. Pushing Dead 9.11. Rakete Perelman 9.11. Silly – Wir sind frei! 16.11. Simpel 9.11. Suburbicon 9.11. Teheran Tabu 16.11. The Big Sick 16.11. Die Welt sehen 9.11. Wer war Hitler 16.11. Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern 9.11.

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KINOTIPP

36 HUMAN FLOW

39 FLITZER

der katholischen Filmkritik

38 TEHERAN TABU

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LIFE ON THE BORDER Einfühlsamer Dokumentarfilm, in dem sieben kurdische Flüchtlingskinder ihr Schicksal reflektieren

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42 DAS KONGO TRIBUNAL

41 DIE WELT SEHEN

Fotos: TITEL: Camino. S. 4–5: eksystent distribution, NFP, X Verleih, Peripher, Camino, Real Fiction, Kosmos-Kino©Vera Hartmann, Sarah Ahrens, Koch Media, SWR

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23 | 2017 DIE ARTIKEl INHALT KINO

AKTEURE

FILMKUNST

10 KINO-NEUERÖFFNUNGEN

22 PETER LUISI

28 WESTERN

10 KINO-NEUERÖFFNUNGEN

Lange galt das »Kinosterben« als unumkehrbarer Vorgang. In letzter Zeit jedoch halten optimistische Kinobetreiber dem mit der Neu- oder Wiedereröffnung von Spielstätten entgegen. Eine Umschau in Deutschland und der Schweiz. Von Reinhard Kleber und Irene Genhart

18 DER HIMMEL ÜBER BERLIN

22 PETER LUISI

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Die Filme des Schweizer Regisseurs warten mit frechen, kuriosen Geschichten und erfrischenden Einfällen auf. Mit »Flitzer« ist ihm erneut eine turbulente Komödie voller schräger Ideen gelungen. Ein Porträt.

Das Selbstbewusstsein der größten Streaming-Anbieter ist weiter gewachsen. Netflix bringt nun mit der Ankündigung einer Spielfilm-Offensive die Filmindustrie noch mehr in Zugzwang.

Von Irene Genhart

Von Franz Everschor

24 ALI SOOZANDEH

28 WESTERN

Vor 30 Jahren kam Wim Wenders’ Film über Engel und Menschen im damals noch geteilten Berlin in die Kinos. Eine Reflexion über eine berührende Geschichte, die noch heute nachklingt.

Der gebürtige Iraner hat mit »Teheran Tabu« sein Kinodebüt realisiert: Ein Animationsfilm über Rebellionsversuche gegen die repressive Gesellschaft im Iran. Ein Gespräch über die Entstehung des Films und »unkonkrete« Filmbilder.

Von Thomas Brandlmeier

Von Michael Ranze

26 IN MEMORIAM

Nachrufe u.a. auf den argentinischen Schauspieler Federico Luppi. Von Wolfgang Hamdorf und Rainer Dick

Der DVD-Verleih Koch Media macht sich um die Pflege des Filmerbes fürs Heimkino verdient. Nun erscheint die 50. Ausgabe der Reihe »Western Legenden«. Von Jörg Gerle

30 FILM – STADT – BERLIN

Bekannte wie unbekannte Filme, die in Berlin spielen, werden in einer neuen Reihe erstmals auf DVD veröffentlicht. Von Ralf Schenk

32 LITERATUR

Wim Wenders feiert in einem Bildband die Polaroid-Fotografie, eine historische Studie erinnert an deutsche Emigranten in der sowjetischen Filmproduktion. Von Thomas Brandlmeier und Jens Hinrichsen

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RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAY TV-TIPPS FILMKLISCHEES VORSCHAU / IMPRESSUM

FERNSEH-TIPPS

60 SCHWESTER WEISS

60 3sat zeigt anlässlich der Duisburger Filmwoche Dokumentarfilme aus den Wettbewerben der letzten Jahre. Arte strahlt erstmals die Tragikomödie »Schwester Weiß« aus und startet eine Reihe mit formal ungewöhnlichen Dokumentarfilmen.

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Solveig Dommartin als Marion

kino Der himmel über berlin

»Wann begann die Zeit u Vor 30 Jahren kam »Der Wim WenDers ins kino Vor 30 Jahren kam »Der Himmel über Berlin« ins Kino. In der damals noch geteilten Stadt Berlin gehen Engel sanftmütig und friedlich ihrem Tagwerk als Beschützer und Tröster der Menschen nach. Überall sind sie, unsichtbar tröstend, ungesehen lauschend, unberührt berührend, Trost, inneren Frieden, Ruhe spendend. Zwei dieser Himmelsarbeiter in ihrer markanten »Engelsuniform« – lange dunkle Mäntel, darunter ein Schal – unterhalten sich. Sie sitzen in einem offenen Cabriolet im Schaufenster eines Autohändlers am Kurfürstendamm, unbemerkt von den Passanten. »Und du, was hast du zu erzählen?«, fragt der eine Engel, gespielt von Otto Sander, den anderen, Damiel, der von Bruno Ganz gespielt wird. Und so beginnt eine Geschichte, die noch heute nachklingt. 18

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Von Thomas Brandlmeier


Bruno Ganz als Engel Damiel

Der himmel über berlin kino

und Wo endet der raum?« himmel über berlin« Von Poesie ist Leben Prosa ist der Tod Engelein umschweben Unser täglich Brot Friederike Kempner, 1828 – 1904

Jeder neue Film wird einmal 30, selten aber ist ein Film so glücklich gealtert wie »Der Himmel über Berlin«. Zu den Engeln über Berlin hat sich noch der Engel der Geschichte gesellt und seinen Segen gegeben. Zwei Jahre nach seinem Erscheinen – deutscher Kinostart war der 29.10.1987 – fällt die Berliner Mauer, was

angesichts dieses Films fast schon wie Metaphysik wirkt. Selbst die Brücke, an der ein Sterbender liegt, ist die spätere Mauerfallbrücke, die Bösebrücke. Als der Film seinerzeit in die Kinos kam, war die Geschichte schon etwas gewöhnungsbedürftig, so haarscharf am BerlinerMauer-Kunstgewerbe gebaut. Bis dahin war Wim Wenders ein Erzähler deutscher Bilder- und Lebenswelten, ein Chronist vom »Stand der Dinge« (1982) und vom »Lauf der Zeit« (1975). Und er war auch in der weiten Welt unterwegs, vor allem in den USA, deren populärer Kultur er so viel verdankt (»Alice in den Städten«, 1973,

»Paris, Texas«, 1984), auch wenn er 1991 bekannte, dass er seinen Kindertraum von dem ›Gelobten Land‹ ausgelebt habe. Als er uns 1987 Otto Sander und Bruno Ganz als »Flattermänner« präsentierte, war das sein erster Ausflug ins Metaphysische.

Das GeschichTenerzählen, Das schreiBen unD lesen Aber dann fügt sich doch alles wunderlich in Wenders’ Werk ein. Ein zentraler Ausgangspunkt in seinem Schaffen ist das Misstrauen gegenüber falschen Bildern und Mythen. »Ich glaube nicht, dass es irgendwo

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»JeDer enGel isT schrecklich« Die Engel sind mit einiger Ironie jüdischchristlich-islamisch. In allen Kulturen gibt es sie, irgendwie. Bis hin zu den geflügelten Seelen von Sokrates. Boten, Vermittler zwischen der Welt und dem Jenseits. Man braucht sie wohl, so wie man das Wort braucht, um der Metaphysik Materialität zu geben. Die Engelsgedichte von Rainer Maria Rilke nennt Wenders ausdrücklich in seinen Kommentaren. Rilkes Engel sind Helfer, Tröster, Liebende. Aber Rilke versäumt nicht hinzuzufügen: »Jeder Engel ist schrecklich.« Denn es ist der Hereinbruch von Metaphysik. Manche scheinen mit Engeln auf vertrautem Fuß zu stehen. Curt Bois, der alte Homer, will ein Epos des Friedens verfassen, verirrt sich aber in den Ruinenbrachen des Potsdamer

Platzes. Ein Epos des Friedens, das haben schon viele versucht, Eschenbach, Tasso, Goethe, aber so recht will es nicht gelingen. Das stark epische Werk von Wenders lässt sich auch als ein solcher Versuch lesen. Curt Bois wird dabei zum Alter Ego. Und natürlich erscheinen dem heutigen Besucher die postmodernen Bauten des Potsdamer Platzes vor Augen, wo ab dem Jahr 2000 die Berliner Filmfestspiele stattfinden. Aber er blickt auch zusammen mit den Engeln in die Vergangenheit, wie es Walter Benjamin dem Angelus Novus von Paul Klee zuschreibt: »Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Gegebenheiten vor ›uns‹ erscheint, da sieht ›er‹ eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.« Wim Wenders zeigt Bilder aus dem zerstörten Berlin von 1945; er hat sich für die amerikanischen Farbaufnahmen entschlossen. Also für ein Berlin aus der Sicht der Überlebenden, nicht der Engel. Wir befinden uns also nicht in der unendlichen Erinnerung der Engel, sondern in der erlebten Wirklichkeit. Die alte Frage, wo wir nach dem Tod landen, hat die Bürokratie schon längst auf ihre Weise beantwortet: im Computer. Nur gute Menschen kommen ins Kino: Curt Bois stirbt 1991, Henri Alekan, der Director of Photography, 2001, Solveig Dommartin 2007, Peter Falk und Peter Przygodda, der Editor, beide 2011, Otto Sander 2013, Erika Rabau 2016. Das Gespenstische des Déjà Vu: »Ein heller Choc, nicht aus Vergessen, sondern der aus Erwarten; seine leibliche Erscheinung ist das Überrieseln.« (Ernst Bloch) Und zu allem Überdruss noch Bruno Ganz: »Bruno ist das geborene Remake, das niemand außer Ganz nachmachen kann. Er hält das Monopol auf Ganz.« (Laurens Straub)

Fotos: Wim Wenders Stiftung

sonst einen solchen Verlust an Zutrauen in eigene Bilder, eigene Geschichten und Mythen gibt wie bei uns.« Wenders setzt dem die Bedeutung des Worts entgegen: »Wenn die Welt der Bilder auch aus allen Fugen gerät, und wenn sich über den Fortschritt und die Technik die Bilder immer mehr verselbstständigt haben, sodass sie jetzt schon aus der Kontrolle geraten sind und demnächst noch so viel mehr geraten werden, so gibt es doch auch eine andere Kultur, die Gegenkultur, in der sich nichts geändert hat und in der sich nichts ändern wird: das Geschichtenerzählen, das Schreiben und Lesen, das ›Wort‹.« Und mit dem Wort geht alles los. Otto Sander folgt als Cassiel in seinem berühmten Flug von der Gedächtniskirche den unausgesprochenen Worten, den Gedanken der Menschen. In einem großen Monolog der Masse Mensch präsentiert sich Alltägliches als Metaphysik. Die Engel hören und protokollieren die Gedanken, wozu weiß man nicht so recht. Sie tauschen sie aus wie Trophäen. Mitunter versuchen sie, Menschen zu trösten, zu retten. Diese Engel sind Parakleten. Dann versammeln sie sich in der Staatsbibliothek beim fleischgewordenen Wort. Die Leser lesen den Engeln vor, von Walter Benjamin, von Paul Klee, von Kranichen. Oder zeigen ihnen Erinnerungsbilder von August Sander. Doch die Kenntnis der Engel von der Welt der Sterblichen ist wie die des Farbenblinden von der Farbe, was Wenders ganz plakativ einsetzt, indem er die farblose Welt der Engel von der Farbe des Menschenlebens trennt. Manchmal bekommt ein Engel Sehnsucht nach physischer Realität. Peter Falk ist so ein gefallener Engel, der sich mit Begeisterung an Currywurst-Buden herumtreibt. Er darf

sich selbst spielen als Schauspieler, natürlich in einem schönen Farbfilm übers Dritte Reich, wie es Goebbels vorausgesagt hat. Er schwärmt von leiblichen Genüssen. Der Duft von Tabak und das Aroma von Kaffee. Und Bruno Ganz als Engel Damiel verliebt sich in den Flug der Trapezkünstlerin. Diese schimpft allerdings auf ihre Hühnerfedern. Solveig Dommartin ist der fleischgewordene Engel, eher ein Blauer Engel, wie er Bert Brecht vorschwebte, den man schnell im Flug nehmen muss, bevor er davonfliegt: »Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen/ Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt –/Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht/Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.« Selbst Otto Sander liebäugelt mit dem Gedanken, »sich begeistern können am Bösen«. Und Bruno Ganz hat zu viel Raymond Chandler gelesen und gesehen. »Es ist herrlich, nur geistig zu leben.« Aber er möchte nicht nur zum Schein am Leben teilhaben. »Ich möchte dann nicht mehr so ewig darüber schweben.« Sondern »nach Hause kommen und wie Philip Marlowe die Katze füttern«.


Der himmel über berlin kino Als das Kind Kind war, ging es mit hängenden Armen, wollte der Bach sei ein Fluss, und diese Pfütze das Meer. Als das Kind Kind war, wusste es nicht, dass es Kind war. alles war ihm beseelt, und alle Seelen waren eins. (…) Als das Kind Kind war, war es an der Zeit der folgenden Fragen: Warum bin ich ich und warum nicht du? Warum bin ich hier und warum nicht dort? Wann begann die Zeit und wo endet der Raum? Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum? (…) Als das Kind Kind war, warf es einen Stock als Lanze gegen den Baum, und sie zittert da heute noch. Peter Handke, Lied vom Kindsein

Die Kinder sind leitmotivisch mit den Engeln verknüpft. Die Kinder ahnen die Engel. Aber das »Lied vom Kindsein« ist in der Vergangenheit, handelt auch vom Kind, das im Erwachsenen begraben ist. Die Kinderfragen sind auch erwachsene Fragen. »Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?« Der Film zitiert den alten Aphorismus von der Zeit, die alles heilt. Aber wenn die Zeit selbst die Krankheit ist? Das ist nahe an Schillers Gedanke »Des Menschen Engel ist die Zeit«. Der Engel selbst ist zeitlos, aber mit der bewussten Zeit bekommt der Mensch seinen Anteil daran.

»es häTTe auch anDers sein können …« Kino ist nicht Metaphysik, seine Stärke ist die physische Realität. Flugzeuge, Vögel, die Riesenflügel der Siegessäule, treibende Wolken helfen, das heikle Konzept ins Kino zu übersetzen. Und der atmosphärische Ton oder die »Angel Fragments« von Laurie Anderson. Musik ist Kommunikation, aber nicht auf der Ebene der Bedeutung, sagt Wenders. Die Engel wandern im »Nowhere Land«. Grenzzonen, Niemandsland, haben Wenders schon immer interessiert. Das Zonenrandgebiet in »Im Lauf der Zeit«. Es geht natürlich um Grenzen zwischen Menschen. Das Niemandsland ist hier ganz plastisch eine Furt der Zeit. Bruno Ganz fällt genau an diesem Ort in die Schwerkraft. Solveig Dommartin tritt im Zirkus »Alekan« auf. Da zieht einer tief den Hut vor seinem Director of Photography. In »Der Himmel über Berlin« greift Henri Alekan auf mittelalterliche Muster der Ikonografie zurück, Bildausschnitt und Kamerawinkel lassen Engel überirdisch und groß erscheinen. Das Licht erinnert an mittelalterliche Kathedralen. Alekan ergänzt die Theorie des »cadre cache« um das »lumière cache«: So, wie das Kinobild nicht am Rahmen enden muss, sondern einen Ausschnitt liefert, ist das Licht im Bild oft nur der sichtbare Teil eines Lichts, das außerhalb existiert. Es ist das, was Alekan immer an Eugen Schüfftan bewundert hat, das metaphysische Licht. »Ihm gelingt es«, sagt Wenders, »über das Licht immaterielle Gestalten zu schaffen. Als habe er selbst im Geheimnis des Lichts Zugang zu diesem feenhaften Universum.«

Solveig Dommartin begeistert sich in einer Disco-Hölle für Nick Cave & The Bad Seed. Da muss der gefallene Engel Ganz, kaum dass er Farben sehen kann, in eine grelle Höhle eintauchen, um seine Geliebte zu finden. Da finden sie dann über einen typischen Handke-Wenders-Dialog zusammen. Wie können zwei Monaden zusammen sein? »Es hätte auch anders sein können… jetzt ist es ernst… endlich einsam und ganz… mit dem Zufall muss es aufhören… entscheide dich, wir sind die Zeit… es gibt keine größere Geschichte als die von Mann und Frau.« Wim Wenders und das Epos des Friedens.

hinweis »Der himmel über Berlin« markierte die »heimkehr« von wim wenders und war sein erster Film in Deutschland nach acht Jahren in den usa. in die deutschen kinos kam der Film am 29.10.1987. Die Wim Wenders stiftung hat ein restaurierungsprojekt gestartet, um »Der himmel über berlin« bis zum Frühjahr 2018 in bild und Ton digital zu restaurieren und in 4k und Dolby 5.1 verfügbar zu machen. Dazu erläutert die stiftung: »Weil das schwarzWeiß- und Farb-Filmmaterial photochemisch komplett unterschiedlich gehandhabt werden musste, durfte es auch im negativschnitt nicht gemischt werden. übergänge von einem material zum anderen, wie sie im Film einige male vorkommen, bedeuteten aufwändige optische arbeiten, teilweise mit mehreren DupZwischenschritten. so stehen für die restaurierung anstelle eines einzigen originalnegativs zahlreiche kartons und büchsen mit unzähligen kleinen Filmrollen des a/b-geschnittenen negativs zur bearbeitung, die auch elemente für optische arbeiten, interpositive und internegative beinhalten.« www.wimwendersstiftung.de


filmkunst DVD BERLIN

die dvd-reihe »film – stadt t – berlin« hol te selten GezeiG filmschÄtze ans licht der it Öffentlichke

N E S E R U D P S

Uschi ist 16, Verkäuferin in einem Bekleidungshaus und sehnt sich danach, Mannequin zu werden. Ihr Freund Hans träumt von einem Job als Autoschlosser. Sie lebt im Osten, er im Westen von Berlin, das macht die Sache kompliziert. Denn wir schreiben die 1950er-Jahre, der Kalte Krieg vergiftet das Klima, greift in Lebensläufe und Schicksale ein, und das erst recht in der offenen Stadt Berlin vor dem Bau der Mauer. Wer sich heute in die Atmosphäre jener Zeit hineindenken und sie vielleicht sogar hautnah erfühlen will, der schaue sich die Filme von damals an. Kino als geronnene Zeit. Uschi und Hans, gespielt von Annekathrin Bürger und Ulrich Thein, sind die Hauptfiguren in der DEFA-Produktion »Eine Berliner Romanze« (1956), dem Eröffnungsbeitrag der DVD-Reihe »Film – Stadt – Berlin«. Ein für damalige Verhältnisse nahezu unideologischer Film, leise, zärtlich, wie getupft. Wolfgang Kohlhaase, der Drehbuchautor, und Gerhard Klein, der Regisseur, orientierten sich an den italienischen Neorealisten, die sie liebten und verehrten: ein offenes Herz, ein offener Blick für die Freuden und Nöte der so genannten kleinen Leute. Authentisch sollte es sein, und ohne den Holzhammer von Agitation und Propaganda, was Klein und Kohlhaase auf bestechende Weise auch gelang.

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nk

tiefe einblicke in die kaltekrieGs-denkunGsart

In der Reihe »Film – Stadt – Berlin« sind bisher sieben DVDs erschienen, sie setzt auf Entdeckungen in der – vornehmlich ostdeutschen – Filmgeschichte. Als Pendant zu »Eine Berliner Romanze« wurde für die Reihe beispielsweise der im selben Jahr gedrehte, lange Zeit völlig vergessene Film »Der Fackelträger« (1955) ausgegraben, eine DEFA-Satire auf die West-Berliner Justiz, die seinerzeit den Bogen vom Ungeist der NS-Ära bis in die Adenauer-Zeit schlagen wollte. Hauptfigur des derben, holzschnittartigen Films ist ein Oberstaatsanwalt namens Sänger, der dringend einen spektakulären politischen Fall braucht, um ans Bundesgericht nach Karlsruhe befördert zu werden. Dafür kommt ihm die vermeintliche Verschleppung seines Hausmeisters (grandios: Friedrich Gnass) nach Ost-Berlin gerade gelegen. Dieser jedoch, ein fröhlicher Trunkenbold, war dort nur festgesetzt worden, weil er in der S-Bahn randaliert hatte. Als er nach wenigen Stunden ausgenüchtert wieder im Westen auftaucht, muss der Fall zu den Akten gelegt werden. Was der Karriere des abgrundtief antikommunistischen, martialischen Anwalts jedoch keinen Abbruch tut.

Als einer der Autoren von »Der Fackelträger« zeichnete seinerzeit ein Friedrich Karl Hartmann – ein Pseudonym, hinter dem sich kein Geringerer als der Ost-Berliner Star-Anwalt Friedrich Karl Kaul versteckte. Mit seinem ersten DEFA-Opus versuchte er nun, seinen verhassten West-Berliner Rivalen, den Oberstaatsanwalt Hans Cantor, zu decouvrieren. Allerdings hatten Kaul und die DEFA ihre Rechnung ohne die große Politik gemacht: Als »Der Fackelträger« im September 1955 uraufgeführt werden sollte, kam plötzlich ein Stoppsignal von ganz oben. Denn nach der Genfer Konferenz vom Juli lag plötzlich Entspannung in der Luft, Bundeskanzler Adenauer reiste zum ersten Mal in die Sowjetunion, und ein antiwestlicher Propagandafilm war zu diesem Zeitpunkt gerade nicht opportun. »Der Fackelträger« lag dann rund zwei Jahre auf Eis. Erst 1957 kam er in die Kinos, allerdings keineswegs in Ost-Berlin, sondern, schamhaft verborgen, nur in der weit entfernten DDR-Provinz. Dann verschwand er für Jahrzehnte im Archiv. Die Ausgrabung in der Reihe »Film – Stadt – Berlin«, flankiert von einigen knallharten propagandistischen DEFA-Dokumentarfilmen jener Jahre als Bonus (zum Beispiel »KgU – Kampfgruppe der Unmenschlichkeit«, 1955, R: Joachim Hadaschik), erlaubt tiefe Einblicke in die

Fotos: Icestorm

von ralf sche


DVD BERLIN filmkunst

S T R E R D H N A J HU Kalte-Kriegs-Denkungsart, der sich die Babelsberger DEFA zu Zeiten der offenen Grenze zwar bisweilen verpflichtet fühlte, mit der sie ästhetisch und politisch aber nie glücklich wurde: kein Kunst-, wohl aber ein Zeitdokument.

parallele Welten Jenseits der taGespolitik Zu den schönsten Entdeckungen der Reihe gehört Dietmar Hochmuths Diplomfilm »Heute abend und morgen früh« (1979), ein Kleinod, das über Jahre als verschollen galt. Christine Schorn spielt eine Zahnärztin, die an einem Freitagnachmittag nach Dienstschluss durch die Stadt flaniert, scheinbar ziellos, jedenfalls nicht auf direktem Weg zu ihrer Wohnung am Berliner Alexanderplatz. Die Kamera von Jürgen Lenz nimmt sich Zeit, Menschen, Straßen und Räume zu beobachten: von der Charité bis zur alten Berliner Markthalle. Als der Film fertig war und dem Fernsehen der DDR zur Ausstrahlung vorlag, hieß es dort, der Regisseur hätte zwischen der Friedrichstraße und dem Alexanderplatz keine Dreckecke ausgelassen, das könne man auf keinen Fall zeigen. Daraufhin wurde wenigstens eine Kopie für die Studiokinos

gezogen, allerdings Anfang der 1980erJahre nach kurzer Laufzeit wieder vernichtet. Erst jetzt konnte eine weitere Kopie in Moskau gefunden werden: Grundlage für die digitale Abtastung und die Produktion dieser DVD. Noch eine Entdeckung: Filme des Regisseurs und Brecht-Schülers Peter Voigt. »Dämmerung – Ostberliner Bohème der 50er Jahre« (1992) holt junge Männer und Frauen von einst vor die Kamera und lässt sie über Träume und Motive von damals reflektieren: Schauspieler wie Rolf Ludwig, Ekkehard Schall und Stefan Lisewski, den Bildhauer Werner Stötzer, den Architekten Kurt Mühle beispielsweise, auch den greisen einstigen Chefideologen des DDR-Fernsehens KarlEduard von Schnitzler, der in den späten 1940er-Jahren aus dem Westen in den Osten übergesiedelt war. Sie erzählen von Bert Brecht, Hanns Eisler und John Heartfield, von ziemlich viel Alkohol, der in legendären Ost-Berliner Intellektuellen-Etablissements wie der Hajo-Bar oder dem Esterhazy-Keller geflossen sein muss. Von parallelen Welten jenseits der Tagespolitik, von der Bewegung im scheinbar freien Raum. Und davon, wie Menschen und Orte im Orkus des Vergessens verschwinden. »Theaterarbeit« (1975), der zweite Film dieser DVD, blickt auf das erste Vierteljahr-

hundert des Berliner Ensembles zurück, mit Szenen aus Proben und Aufführungen sowie mit Interviews, die Peter Voigt vornehmlich mit Bühnenhandwerkern und Beleuchtern führte: Theatergeschichte »von unten«. Gleichsam archäologische Filme, ehe die Zeit alle Spuren verwischt.

film-stadt-berlin: die reihe ANBIETER: ICESTORM – eine berliner romanze DDR 1956. Regie: Gerhard Klein. 78 Min. FSK: Ab 0. – leichensache zernik DDR 1972. Regie: Helmut Nitzschke. 96 Min. FSK: Ab 12. – heute abend und morGen frÜh / motivsuche DDR 1979/90. Regie: Dietmar Hochmuth. 51/107 Min. FSK: Ab 6. – frÜhlinG in berlin BRD 1957. Regie: Arthur Maria Rabenalt. 96 Min. FSK: Ab 12. – Geschichten Jener nacht DDR 1967. Regie: Ulrich Thein, Gerhard Klein, Frank Vogel, Karl-Heinz Carpentie. 104 Min. FSK: Ab 6. – der fackeltrÄGer DDR 1955/1957. Regie: Johannes Knittel. 79 Min. FSK: Ab 6. – dÄmmerunG – ostberliner bohÈme der 50er Jahre / theaterarbeit BRD 1992/DDR 1975. Regie: Peter Voigt. 90/60 Min. FSK: Ab 6.

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Human Flow

Ai Weiweis umfassender Kinofilm zur Migrationsproblematik In einem Hangar in Berlin-Tempelhof sitzt ein etwa zehnjähriges dunkelhäutiges Mädchen und redet über Langeweile. Die Flüchtlingsunterkunft verlassen? Darf sie nur in Begleitung der Eltern. »Es gibt so viele Verbote. Alle langweilen sich hier«, sagt das Kind. Doch es hat wohl noch Glück, in Deutschland, wo so viele andere hinwollen. Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat einen Dokumentarfilm über die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen zwei Jahre gedreht. Mithilfe von mehr als 20 Teams drehte er an verschiedenen Orten in Europa, im Nahen und Mittleren Osten oder in der Subsahara, dokumentierte die Situation in vielen Notunterkünften, an Grenzübergängen und Küsten. Ausgangspunkt für den Film, so hat es der Künstler und politische Aktivist selbst erklärt, war ein Erlebnis 2015 auf der griechischen Insel Lesbos, wo er mit seinem Sohn Urlaub machte. Ein Flüchtlingsboot strandete, was Ai mit seinem Smartphone filmte. Wer immer dann das Folgende gedreht hat: Man sieht Ai Weiwei kurz darauf aktiv Hilfe dabei leisten, die durchnässten,

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erschöpften, auch erleichterten Menschen ans Ufer zu holen. Man ist dabei hin- und hergerissen, bewundert einerseits Ais Engagement, ist andererseits aber irritiert durch die Zurschaustellung seiner Tatkraft. Worum geht es denn eigentlich in »Human Flow«? Um die Auseinandersetzung mit einem hochkomplexen Thema oder schlicht um die Behauptung: Wenn alle helfen, wird alles gut? Irritierend wirkt vor allem die Häufigkeit, mit der Ai Weiwei sich inszeniert. Einmal tauscht er mit einem syrischen Flüchtling den Pass, lacht über den behaupteten Identitätswechsel. Doch es wirkt geschmacklos, die Problematik von Flucht, Vertreibung und der Suche nach einer neuen Heimat auf einen Taschenspielertrick herunterzubrechen und mit symbolischen Handlungen zu banalisieren. Auch in seinen künstlerischen Werken zum Flucht-Thema hat Ai nicht immer Geschmack bewiesen: 2015 ließ sich der beleibte Künstler in der Position eines toten syrischen Jungen an einem Strand fotografieren. Dass eine gewisse Distanz zum Leiden Anderer größere Wirkung

entfalten kann, zeigt eine Ai-Weiwei-Installation mit einer Unzahl an Schwimmwesten, die in die Fensteröffnungen der Kopenhagener Kunsthal Charlottenborg gequetscht waren. Mit dem Prinzip Readymade – Marcel Duchamps Erfindung einer zur Kunst erklärten Realie – schuf Ai Weiwei seine überzeugendsten Werke. Entsprechend sind auch jene Filmbilder, die Migrationsrealität in Dingen zeigen, die stärksten in »Human Flow«: eine improvisierte Handy-Ladestation in einem Füchtlingscamp oder der orangenfarbene Flickenteppich aus unzähligen Rettungswesten, aus großer Höhe aufgenommen und als ausdrucksvolles Schlussbild des Films platziert. »Human Flow« ist der Versuch, zwei Jahre Flüchtlingskrise so umfassend wie möglich zu beleuchten. Medienschlagzeilen poppen am Bildrand auf, literarische Bekenntnisse verschiedener Jahrhunderte rufen in Erinnerung, dass es Migration und Heimatlosigkeit schon immer gegeben hat. Partiell haftet dem Film etwas AltklugBelehrendes an. Die subjektive Haltung, die Ai mit seinen ego-

manischen Auftritten behauptet, wird durch die pedantische Anhäufung von Informationen bisweilen infrage gestellt. Zwar ist »Human Flow« ein Film mit problematischen Zügen, mit zu harscher Kritik sollte man indes vorsichtig sein. Wer bekommt dieses Jahrhundertdilemma schon in den Griff? Ist es nicht wohlfeil, einen Dokumentarfilm anzugreifen, einen Versuch immerhin über die Migration – und gleichzeitig hinzunehmen, dass Abschottung allmählich zum Standardrezept gegen das »Problem« wird? Wenn Ai Weiwei sein Mitgefühl wie eine Flagge vor sich herträgt, ist das immer noch besser als die allzu oft unwidersprochene Gefühlskälte von EU-Technokraten und rechten Parteifunktionären. Positiv formuliert: Man kann »Human Flow« als Reiseführer in eine Gegenwelt zur westlichen Wohlstandsgesellschaft betrachten, in der Entrechtete nach Obdach suchen. Neben den Migranten beschreiben Ärzte oder Mitglieder von Hilfsorganisationen die jeweilige Lage vor Ort. Reportagehafte Sequenzen zeigen den bedrückenden Flüchtlingsalltag. So erlebt man fast hautnah mit, wie schwierig sich die Überquerung eines kleinen Flusses in Nordgriechenland auf dem Weg zur mazedonischen Grenze gestaltet. Für den imponierenden Erzählfluss sorgte der dänische Cutter Niels Pagh Andersen, der Joshua Oppenheimers Dokus »The Act of Killing« und »The Look of Silence« montierte. Durch distanzierende Bilder von Drohnenkameras werden dramatische, oft schwer erträgliche Szenen aus Camps und an stacheldrahtumzäunten Grenzen immer wieder ausbalanciert. Ohnehin ist »Human Flow« kein Film, der schockieren will. Er ist von Empathie getragen, von spürbarer Bewunderung für die Entschlossenheit, sich zu einem

Fotos S. 36–51: Jeweilige Filmverleihe

KritiKen neue Filme


neue Filme KritiKen besseren Leben aufzumachen. Wo Ai Weiwei Menschen und Einzelschicksale in den Blick nimmt, überzeugt sein Film. Es gibt viele Begegnungen auf Augenhöhe, und manches Gespräch mit Betroffenen in Afghanistan, Gaza, im Irak, in Israel, im Libanon, in Serbien oder den USA gibt dem Zuschauer das beklemmende Gefühl, das er sich selbst in einer ähnlichen Lage befinden könnte. Das Dilemma eines Films, der durch die Wucht und Menge bedrückender Szenen auch zu so etwas wie Gewöhnung und Abstumpfung beim Zuschauer beitragen mag, kann Ai Weiwei nicht auflösen. Gleichwohl ist »Human Flow« der erste umfassende Kinofilm zur Migrationsproblematik – und das sollte man dem Künstler bei aller Detailkritik hoch anrechnen. Jens Hinrichsen BeWertung Der FiLmKommiSSion

Der chinesische Künstler Ai Weiwei dokumentiert die globalen Ausmaße von Flucht und Vertreibung: Drohnenaufnahmen von Flüchtlingscamps auf verschiedenen Kontinenten wechseln mit reportagehaften einblicken in das leben in den Camps, wozu auch interviews mit Flüchtlingen, Grenzschützern und Vertretern von Hilfsorganisationen gehören. Der Film will zwischen den globalen Dimensionen der Flüchtlingskrise und einzelschicksalen vermitteln, was angesichts des überbordenden materials nur bedingt gelingt. Zudem irritiert, wie sich der Regisseur als aktiv Helfender immer wieder selbst in Szene setzt. Beachtenswert ist er als erster umfassender Kinofilm zur migrationsproblematik. – Ab 16.

Deutschland/italien 2017 regie: Ai Weiwei Länge: 140 min. | Kinostart: 16.11.2017 Verleih: nFP | FSK: ab 6; f FD-Kritik: 45 045

Werner nekes – Das Leben zwischen den Bildern Schöner Dokumentarfilm über einen Filmenthusiasten

Im Januar 2017 starb mit Werner Nekes einer der Protagonisten des »Anderen Kinos«. In vielen Nachrufen konnte man davon lesen, dass es dem Filmemacher zu Lebzeiten nicht mehr vergönnt war, seiner rund 25.000 Objekte umfassenden Sammlung zur Vor- und Frühgeschichte des Films mit Kaleidoskopen, Stroboskopen, Vexierund Rätselbildern, Guckkästen, Serien-Fotografien und LaternaMagica-Objekten einen festen Ausstellungsort zu sichern. Auch von Nekes’ experimentellen Kurz- und Langfilmen wie »Kelek«, »Diwan« oder »Ulliisses« blieb wenig mehr als »Johnny Flash« (1986), der Underground-Hit der »Mülheimer Schule«, an dem Nekes’ Schüler Christoph Schlingensief und Helge Schneider prominent mitgewirkt hatten. Insofern gebührt Ulrike Pfeiffers dokumentarischer Hommage schon deshalb große Aufmerksamkeit, weil sie Leben und Werk des Filmemachers noch einmal in nuce zu würdigen versteht. Werner Nekes, der von der Bildenden Kunst kam, wurde, angeregt von Eva Hesse, gemeinsam mit seiner Partnerin Dore O. zu einer prägenden Figur der bundesdeutschen Experimentalfilm-Szene, die sich Ende der 1960er-Jahre um die Hamburger Filmemacher Koo-

perative konstituierte. Pfeiffer hat Weggefährten und Förderer von Nekes vor die Kamera gebeten, den Kameramann Bernd Upnmoor, Helmut Herbst, Klaus Wyborny, Förderer wie Bazon Brock, und zeigt den körperlich schon etwas hinfälligen, aber geistig noch lebhaften Kettenraucher im Gespräch mit Alexander Kluge, den Musikern Anthony Moore und Helge Schneider sowie dem Filmkritiker Daniel Kothenschulte. Nekes erzählt von seinen Erfindungen, die seine filmischen Experimente überhaupt erst ermöglicht haben, stellt Zusammenhänge zu anderen Filmen her und zeigt sich als versierter Theoretiker in Sachen Wahrnehmungsforschung. Durch eine illustrierende Auswahl aus Nekes’ filmischem Werk wird auch deutlich, wie sich hier tatsächlich eine kindliche Freude am Spiel mit der Täuschung und der Wahrnehmung mit konsequenten Erkundungen der nicht-narrativen Möglichkeiten der Montage paarte. Nekes selbst wirkt zurückhaltend und ein wenig versponnen, kann jedoch von einer Sekunde zur nächsten zum blendenden, höchst kompetenten Erzähler werden. Nach dem Film kann man sich sehr gut vorstellen, dass ihm die so unterschiedlichen Temperamente von

Schlingensief, Schneider oder Kluge durchaus produktive Resonanzen in seiner Person erzeugten. Es wäre zu begrüßen, wenn Ulrike Pfeiffers neugierig machender Porträtfilm dazu führen würde, dass zumindest einige von Nekes’ Filmen wieder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Ulrich Kriest

BeWertung Der FiLmKommiSSion

Porträt des Filmemachers und Sammlers Werner nekes (19442017), der zu einer prägenden Figur der bundesdeutschen experimentalfilm-Szene wurde, die sich ende der 1960er-Jahre um die Hamburger Filmemacher Kooperative konstituierte. mittels interviews mit diversen Weggefährten sowie mit nekes selbst ergeben sich aufschlussreiche einblicke in das Denken und Schaffen eines Filmenthusiasten, der ebenso über große Sachkenntnis sowie über die Freude am Spiel mit der Wahrnehmung verfügte. – Sehenswert ab 16.

Deutschland 2017 regie: ulrike Pfeiffer Länge: 91 min. | Kinostart: 9.11.2017 Verleih: mindjazz | FSK: ab 0; f FD-Kritik: 45 046

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neue filme auf dvd / blu–ray

»Cinespañol«: Die 6. DVD-Box Neues spanischsprachiges Kino

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Almodóvar, das neue demokratische Lebensgefühl, die »movida« in Madrid und ihre Subkulturen porträtierte. In seinem neuen Film spielt er auf sehr zurückhaltende Weise sich selbst, einen alternden Filmregisseur, der bei Freunden unterkommt und eigentlich weiß, dass er keinen weiteren Film mehr machen wird. Ein heiterer unbeschwerter Sommerfilm, der fast wie ein Home Movie daherkommt, aber hinter der angenehmen mediterranen Oberfläche tiefe existenzielle Themen streift. Der Dokumentarfilm »Ceviche, mein Lieblingsgericht aus Peru« (»El ADN del Ceviche«) des kanadischen Regisseurs Orlando Arriagada ist eine Hommage an die peruanische Küche. Mit seiner neugierigen wie begeisterten Stimme führt der gebürtige Chilene in eine der »noch nicht so bekannten kulinarischen Regionen der Welt« vom Amazonas bis zur Pazifikküste. Im Gespräch mit Chefköchen, Archäologen und Anthropologen spürt er dem Ursprung des Ceviche nach, jener alten Seefahrerspeise aus mariniertem rohem Fisch, die mittlerweile die weltweit bekannteste Delikatesse aus dem Pazifikland ist. Dabei gelingt dem Film ein unterhaltsamer und appetitanregender Bogen von der präkolumbianischen Geschichte des Landes vor mehr als 2000 Jahren bis zu den ökologischen Problemen der Gegenwart. Er zeigt aber auch anschaulich die Entwicklung der peruanischen Küche als Prozess einer permanenten Verschmelzung unterschiedlicher Kulturen. In »Der Hochmut des Himmels« (»El soborno del cielo«) erzählt Lisandro Duque, einer der Veteranen des kolumbianischen Films, eine Tragikomödie aus der Provinz um einen

hochmütigen katholischen Priester und den Aufstand seiner Gemeinde. Als sich ein Dorfbewohner nachts erschießt, möchte ihn sein Bruder so schnell wie möglich bestatten, schon um seiner sehr gläubigen katholischen Mutter nicht noch mehr Leid zuzufügen. Unter dem ehemaligen Priester war das nie ein Problem, aber der neue konservative Priester will ein Zeichen setzen und keine Selbstmörder in geweihter Erde bestatten. Als die Familie den Toten trotzdem beisetzt, erklärt der Priester, keine Sakramente mehr zu spenden, bis der Leichnam vom Friedhof entfernt werde. Die Stimmung im Dorf kippt. »Der Hochmut des Himmels« ist eine sehr volkstümlich erzählte Tragikomödie um einen Dorfpriester und seine Gemeinde, bei der es aber auch um sehr aktuelle Themen geht, um die Kämpfe zwischen Konservativen und Reformern in der katholischen Kirche und das Erstarken evangelikaler Bewegungen in Lateinamerika. Wolfgang Hamdorf

CineSPAnOl 6 Der König von Havanna. regie: agusti villaronga. 119 Min., fSK ab 16 isla Bonita. regie: fernando Colomo. 101 Min., fSK ab 0 Ceviche, mein lieblingsgericht aus Peru. regie: Orlando arriagada. 85 Min., fSK ab 0 Der Hochmut des Himmels. regie lisandro duque Naranjo. 93 Min., fSK ab 0

Fotos S. 52–55: Jeweilige Anbieter

Unter dem Titel »Cinespañol« bringt der kleine Münchner Verleih »Cine Global« jedes Jahr vier Filme als DVD-Box heraus, die ganz unterschiedliche Wirklichkeiten Lateinamerikas oder der iberischen Halbinsel zeigen. Die Filme der sechsten DVD-Box führen nach Havanna, Menorca, nach Peru und in die kolumbianische Provinz. »Der König von Havanna« (»El rey de La Habana«) spielt Anfang der 1990er-Jahre, der so genannten »época especial«, in der Phase einer Art Kriegswirtschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Im Zentrum steht Reynaldo, ein Jugendlicher, der aus einem Erziehungsheim ausgebrochen ist und nun versucht, im Labyrinth der verfallenen Straßenzüge von Havanna zu überleben. Reinaldo, der sich bald »Rey« – König – nennt, arbeitet als Gehilfe des Totengräbers, als Chauffeur einer Fahrradrikscha oder als Darsteller für dunkle Sexparties steinreicher Ausländer. Eine dunkle und pittoreske Darstellung einer Gesellschaft im Auflösungsprozess. Der Film basiert auf dem 1999 erschienenen gleichnamigen Roman des kubanischen Schriftstellers Pedro Juan Gutiérrez. Der spanische Regisseur Agustí Villaronga hat die erotisch aufgeladene Geschichte mit ihrem derben, schwarzen Humor allerdings nicht an Originalschauplätzen, sondern in Santo Domingo gedreht. Der zweite spanische Film der Reihe führt auf die Baleareninsel Menorca: In »Isla Bonita« geht es um die berufliche und persönliche Krise eines älter werdenden Mannes. Regisseur und Hauptdarsteller Fernando Colomo war einer der beliebtesten Komödienregisseure in den Jahren nach Francos Tod, wo er, ähnlich wie Pedro


KRITIKEN FERNSEH-TIPPS

07.55 – 09.10 mdr Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland R: Sinem Sakaoglu, Jesper Møller Einfallsreicher Animationsfilm für Kinder Dt./Fr. 2010 Sehenswert ab 6 11.35 – 13.00 Herrn Josefs letzte Liebe R: Hermann Kugelstadt Wiener Melo mit Hans Moser Österreich/Dt. 1958 20.15 – 22.30 The Dressmaker – Die Schneiderin R: Jocelyn Moorhouse Intensives Gefühlskino mit satirischen Spitzen Australien 2015

3sat

Ab 10

Servus TV

Ab 16

20.15 – 21.50 zdf_neo The Kids Are All Right R: Lisa Cholodenko Kluge Familien- und Liebeskomödie USA 2010 Sehenswert ab 14 20.15 – 23.05 VOX Die Verurteilten R: Frank Darabont Eine der besten Stephen-KingVerfilmungen USA 1994 Ab 16 20.20 – 22.10 Disney Channel Wall·E – Der Letzte räumt die Erde auf R: Andrew Stanton Animiertes SciFi-Abenteuer mit Öko-Hintergrund USA 2008 Sehenswert ab 6 22.30 – 01.30 Casino R: Martin Scorsese Virtuoser Gangsterfilm USA 1995

Servus TV

00.30 – 01.25 Kurzschluss – Das Magazin

arte

00.40 – 02.15 Das Erste Micmacs – Uns gehört Paris! R: Jean-Pierre Jeunet Ein retrofuturistisches Drama Frankreich 2009 Sehenswert ab 14

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FILMDIENST 23 | 2017

11. November, ab 22.00

zdf_neo

Thriller-Nacht

Sich genüsslich um den Schlaf bringen kann man bei drei Thrillern, in denen jeweils ein gebeutelter Held in ein schwer durchschaubares Netz an Verbrechen gerät. Den Anfang macht um 22.00 der Schotte James McAvoy in Eran Creevys Brit-Noir-Thriller »Feinde – Welcome to the Punch« (2013): Er spielt einen Londoner Polizisten, der immer noch darunter leidet, dass er einst einem raffinierten Gangster (Mark Strong) unterlag und den Mann ins Ausland entkommen ließ. Als der Sohn des Verbrechers in zwielichtige Affären verwickelt wird und schwer verletzt unter Polizeiaufsicht im Krankenhaus landet, kehrt der Geflohene nach England zurück, und der Cop sieht seine Chance gekommen, den Mann doch noch zu stellen – und gerät in eine Intrige, in der ganz andere Gegner die Fäden ziehen. Ähnlich besessen von seiner Arbeit ist Nicolas Cage in Scott Walkers »Frozen Ground – Eisiges Grab« (2013; 23.25 – 01.05): Im Alaska der 1980er-Jahre spürt er als Cop hartnäckig einem Frauenmörder nach. Im Anschluss läuft noch der isländische Krimi »Jagd im Eis« (2006; 01.05 – 02.35) von Björn B. Björnson, in dem ein Journalist undercover versucht, den Tod seines Vaters aufzuklären, und dabei in große Gefahr gerät. 11. November, 22.30 – 01.30

Servus TV

Casino (75. Geburtstag Martin Scorsese)

Auch mit 75 Jahren gehört Martin Scorsese zu den umtriebigsten Filmschaffenden der USA, mit mehreren eigenen Regiearbeiten (»The Irishman«, »Roosevelt«) und diversen Produzentenjobs in Planung, nicht zu reden von seinem unermüdlichen Einsatz für die Filmgeschichte. Diese hat er in jeden seiner virtuosen Filme mit einfließen lassen und sowohl reflektiert als auch selbstbewusst fortgeschrieben, insbesondere mit seinen Annäherungen ans italo-amerikanische Gangstermilieu. »Casino« steht dabei ein wenig zu Unrecht im Schatten von Scorseses berühmterem Werk »GoodFellas«, denn obwohl beide Filme einiges gemeinsam haben (epische Länge, sarkastischer Off-Kommentar, schwer erträgliche Gewalt, Robert De Niro und Joe Pesci als Hauptdarsteller), ist Scorseses Blick auf die mafiöse Seite von Las Vegas im Vergleich noch entzaubernder. Minutiös zeichnet er den Aufstieg und Fall eines Casino-Managers (De Niro) und seines Jugendfreundes (Pesci) nach, wobei das Glitzern der Spielhallen und Hotels nie den verrotteten Untergrund der Wüstenstadt überstrahlt. 12. November, 17.00 – 18.30

Ein Vater kämpft um seine Kinder

3sat

In Bruce Beresfords Film, der im Irland der 1950er-Jahre spielt, geht es ähnlich wie in Stephen Frears’ »Philomena« um die Tatsache, dass in der moralstrengen katholischen Gesellschaft jener Zeit Kinder aus unehelichen Verhältnissen oder zerbrochenen Ehen mitunter gegen den Willen der Eltern in von Nonnen geführten Heimen untergebracht wurden. Hier ist es Pierce Brosnan, dem als Familienvater dieses Schicksal widerfährt – wenn auch nicht ganz ohne eigene Mitschuld: Er spielt einen Anstreicher mit Alkoholproblemen, dem die Frau weggelaufen ist und der nun das Sorgerecht für seine drei Kinder zu verlieren droht, die zwangsweise in einer extrem strengen Fürsorgeanstalt landen. Während sich der Mann um die Überwindung seiner Sucht bemüht und die Gerichte anruft, um die Kinder nach Hause holen zu dürfen, kümmert sich die älteste Tochter liebevoll um ihre beiden jüngeren Brüder und versucht, die Schikanen der Nonnen abzuwehren. Ein gut gespieltes Historiendrama nach einem authentischen Fall im Irland des Jahres 1953, in dessen Folge das Sorgerecht im Land zugunsten allein erziehender Eltern neu geregelt wurde.

SO

SONNTAG 12. NOVEMBER

11.55 – 13.00 3sat Berlin Kabarett – Die wilde Bühne R: Fabienne Rousso-Lenoir Ulrich Tukur führt durch Kabarettszene der Weimarer Republik Dt. 2011 Ab 16 12.00 – 13.20 KiKA Die schöne Warwara R: Alexander Rou Spielerischer Märchenfilm UdSSR 1969 Sehenswert ab 8 12.55 – 14.20 One Zwei irre Spaßvögel R: Francis Veber Mutter schickt Exfreunde auf Suche nach verschwundenem »Sohn« Frankreich 1983 Ab 14 16.45 – 18.15 WDR Fernsehen Stiller Abschied R: Florian Baxmeyer Demenz-Drama Deutschland 2012 Ab 14 17.00 – 18.30 3sat Ein Vater kämpft um seine Kinder R: Bruce Beresford Familiendrama im Irland der 1950er Irland/USA/Dt. 2002 Ab 12 20.15 – 22.30 arte Wiedersehen in Howards End R: James Ivory Kunstvoll ausgemaltes Gesellschaftsbild Großbritannien 1991 Ab 16 23.45 – 01.10 NDR fernsehen In der Stunde des Luchses R: Søren Kragh-Jacobsen Hervorragend gespielter Psychothriller Dänemark /Schweden 2013 00.55 – 02.35 hr fernsehen 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt? R: Valentin Thurn Über die Ernährbarkeit der Erdbevölkerung Dt. 2015 Sehenswert ab 12 03.10 – 04.40 SWR Fernsehen Moon – Die dunkle Seite des Mondes R: Duncan Jones Weltraum-Kammerspiel mit Sam Rockwell GB 2009 Ab 14

Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.

SA

SAMSTAG 11. NOVEMBER


FERNSEH-TIPPS KRITIKEN

MO

»Unter falschem Verdacht«: Louis Jouvet mit Simone Renant (l.) und Suzy Delair 13./15./20. November

arte

Filmreihe Henri-Georges Clouzot

Der französische Regisseur Henri-Georges Clouzot (1907 – 1977) war einer der profiliertesten Schwarzseher des Kinos, der sich den größten Ruhm mit Thrillern erwarb, die auf unnachgiebige Weise von der Schlechtigkeit unter den Menschen erzählten. Das brachte ihm viel Kritik als angeblicher Zyniker und schwächerer Epigone von Hitchcock ein, ein Vergleich, der freilich immer schon hinkte. Denn anders als der Brite kannte Clouzot kein augenzwinkerndes Spiel mit dem Publikum und war in seiner Gesellschaftskritik viel schärfer; damit steht er letztlich dem Film noir näher, der sich in den USA allerdings erst etablierte, als der Franzose seinen Thriller-Stil längst gefunden hatte. Der Regiestil von Clouzot ist denn auch Thema von zwei Dokumentationen, die arte in einer kleinen Reihe zu Ehren des Regisseurs zeigt: »Clouzot – Meister des psychologischen Thrillers« (15.11., 21.55 – 22.55) präsentiert ihn als vielschichtigen, findigen Filmemacher, »Die Hölle von Henri-Georges Clouzot« (15.11., 22.55 – 00.35) geht auf die 1964 gescheiterten Dreharbeiten von »L’enfer« ein. Zudem zeigt arte den düsteren Polizeikrimi »Unter falschem Verdacht« (13.11., 21.50 – 23.35) mit einem archetypischen Clouzot-Helden: Louis Jouvet als misanthropischer Inspektor, dem die Weltverachtung dennoch nicht die Sicht auf die Lösung eines Mordfalls vernebelt. Das Gegenstück dazu ist der vom galanten Pierre Fresnay gespielte Arzt in »Der Rabe« (20.11., 22.00 – 23.30), Clouzots ätzendstem Film. Der während der Zeit von Faschismus und deutscher Besatzung entstandene Kleinstadtkrimi rechnet über die Geschichte einer Welle von anonymen Briefen mit bösartigen Beschuldigungen treffsicher mit dem damals nur zu realen Spitzel- und Denunziantentum ab.

13. – 27. November

Spätvorstellung – 20 Jahre Lucarne

arte

Formal ungewöhnliche Dokumentarfilme gehören seit nunmehr 20 Jahren zum Programmschema bei arte. Zum Jubiläum strahlt der Kultursender deshalb an drei aufeinanderfolgenden Montagen nachts neun besondere Perlen aus. Am 13.11. läuft zum Auftakt »Mrs. Fang« (23.35 – 01.05), mit dem der chinesische Regisseur Wang Bing im Sommer 2017 in Locarno den »Goldenen Leoparden« gewann: Das unaufgeregte, intime Porträt der letzten Tage im Leben einer an Alzheimer leidenden Frau. Ganz andere Stimmungen prägen dagegen »Venus – Nackte Wahrheiten« (01.05 – 02.30), eine kurzweilige Abfolge von Interviews zum Liebesleben junger Däninnen, sowie den »Oscar«-nominierten 50-Minüter »Mauerhase« (02.30 – 03.20) über die Geschichte des Falls der Berliner Mauer aus Sicht der unweit hausenden Hasenpopulation. Zu den folgenden Highlights gehören etwa »Braguino« (20.11., 23.30 – 00.20) über zwei verfeindete Familien inmitten der sibirischen Einöde und »Donkeyote« (27.11., 00.30 – 01.50), in dem sich ein alter Mann mit seinem Esel auf einen 2200-MeilenGang quer durch die USA begibt.

»Mirr« 13. November, ab 22.25

Dokumentarfilme anlässlich der Duisburger Filmwoche

20.15 – 21.50 arte Gold R: Thomas Arslan Hautnaher existenzieller Western Dt./Kanada 2013 Sehenswert ab 16 20.15 – 21.45 One 50/50 – Freunde fürs (Über)Leben R: Jonathan Levine Komödiantische Annäherung an Krebserkrankung USA 2011 Ab 14 20.15 – 22.10 VOX Club der roten Bänder Start von Staffel 3 der ungewöhnlichen Jugendserie Dt. 2017 Ab 12 + 22.10-23.10: Club der roten Bänder Wir sind unbesiegbar! (Doku, 1. Folge) 21.50 – 23.35 arte Unter falschem Verdacht R: Henri-Georges Clouzot Düsterer Kriminalfilm Frankreich 1947 Sehenswert ab 16 23.05 – 00.50 Der stille Don (Teil 2) R: Sergej Gerassimow Fortsetzung des aufwändigen Historienepos UdSSR 1958

»Mirr« »Mrs. Fang«

SONNTAG 13. NOVEMBER

3sat

Anlässlich der Duisburger Filmwoche, einem der wichtigen deutschen Foren für Dokumentarfilme (6. – 12.11.), strahlt 3sat am 13. und 14.11. flankierend eine Reihe von Filmen aus den Wettbewerben der letzten Festivaljahrgänge aus. Den Auftakt macht der Schweizer Film »Mirr« (22.25-23.55) von Mehdi Sahebi, der 2016 bei der Duisburger Filmwoche mit dem Förderpreis der Stadt Duisburg ausgezeichnet wurde: Er porträtiert einen Vater von fünf Kindern, dessen kleines Stück Land inmitten einer riesigen Kautschukplantage im Nordosten Kambodschas liegt und der das Land an den hiesigen Großgrundbesitzer zu verlieren droht. Die Zukunft der Familie steht auf dem Spiel und wird zur Zerreißprobe für den Vater und seine Söhne. Sie gehören zur ethnischen Minderheit der Bunong, und der Film stellt am Beispiel der Familie und ihrer Dorfgemeinschaft dar, wie mit Hilfe des Staates eine systematische Landenteignung an diesem Volk verübt wird. Dabei überzeugt er nicht zuletzt durch die sensible Weise, wie er die Kultur der Bunong – ihre Lieder, Mythen, Traditionen – in seine eigene Form einfließen lässt. Weitere Filme: 13.11, 23.55 – 00.45: Offshore – Elmer und das Bankgeheimnis 13.11., 00.45 – 01.35: Arlette 14.11., 22.25-23.50: Rudolf Thome – Überall Blumen

mdr

Ab 16

23.35 – 01.05 arte Mrs. Fang R: Wang Bing Anrührende Studie über Alzheimer und Tod Fr./China/Dt. 2017 Ab 14 23.50 – 01.45 WDR Fernsehen Love & Mercy R: Bill Pohlad Sensibles Porträt des Musikers Brian Wilson USA 2014 Sehenswert ab 14 23.55 – 01.30 Blind & Hässlich R: Tom Lass Erfrischende Dramödie Dt. 2017

ZDF

Ab 16

00.30 – 01.55 BR FERNSEHEN Finsterworld R: Frauke Finsterwalder Satirisch-episodenhafte Tragikomödie Dt. 2013 Sehenswert ab 16 00.35 – 01.50 hr fernsehen Irrgarten des Schreckens R: Roy Ward Baker Hintergründiger Gruselfilm Großbritannien 1972 Ab 16

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