Filmdienst 25 2017

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7. Dezember 2017 | € 5,50 | 70. Jahrgang

FILM DIenst Das Magazin für Kino und Filmkultur

25 2017

www.filmdienst.de

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Noch gibt es Platz für anspruchsvolle Hollywood-Filme: Nach »Dunkirk«, »Detroit« und »The Big Sick« startet nun »A Ghost Story« von David Lowery. Doch der Medienmarkt ist weltweit im Umbruch, und es wäre fast ein »Wunder im Web-Zeitalter«, wenn die Kinokultur überdauert.

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erich Kästner

tony Loeser

Hoch hinaus: Das aktuelle Kino auf den Spuren der Faszination, die von Bergen ausgeht

»Kästner und der kleine Dienstag«: Ein neuer Film und die wahre Geschichte einer Freundschaft

Produzent und AnimationsfilmSpezialist: Das Porträt eines unermüdlichen Enthusiasten


entdeckeneintauchensuchenfilmdienst.de surfeninformierenfinden Das neue Portal für Kino und Filmkultur, mit dem der FILMDIENST ab Januar 2018 in die digitale Zukunft aufbricht, versteht sich als Bewertungs- und Empfehlungsplattform, die Filme weiterhin kompetent und verlässlich rezensiert. Zum bewährten Überblick über alle relevanten Filme, die neu auf den Markt kommen, sei es in Kino und Fernsehen, auf Speichermedien oder via Streamingdienste, gesellen sich Essays, Porträts, Interviews, Artikel zu Filmgeschichte oder Festivalblogs. Der filmkritische Diskurs orientiert sich dabei immer auch am christlichen Menschenbild. Ein besonderes Augenmerk wird auf dem Kinder- und Jugendfilm liegen, auf Dokumentarfilmen, aber auch auf Serien und neuen Netzformaten. Das Portal will allerdings nicht nur informieren, sondern auch dazu animieren, unbekannte Filme zu

entdecken und neuen Perspektiven auf die Spur zu kommen. Denn die Filmkultur ist viel reicher und vielfältiger, als es bisweilen den Anschein hat. Beim Surfen durch unsere Datenbank, die umfangreichste und vollständigste Sammlung zum Film im deutschen Sprachraum, wird das schnell klar. Auf filmdienst.de eröffnen sich verführerische Möglichkeiten, über Filmstills, Trailer oder neue webaffine Formate in die Filmwelten einzutauchen. Das Herzstück von filmdienst.de, die Datenbank und das auf ihr basierende »Lexikon des Internationalen Films«, stehen künftig als »Freemium«-Version zur Verfügung. Nutzer können auf alle aktuellen Informationen der Webseite frei zugreifen; für umfangreichere Recherchen oder einen Zugang zum gesamten Datenbestand von über 80.000 Kritiken und mehr als 270.000 Personendaten wird ein »filmdienst plus«-Modell lanciert.

ab Januar 2018


FILMDIENST 25 | 2017 Die NeUeN KiNOFilMe NEU IM KINO ALLE STARTTERMINE

42 A Ghost Story 7.12. 48 Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel – Augsburger Puppenkiste 3.12. 43 Bo und der Weihnachtsstern 7.12. 43 Burg Schreckenstein II 7.12. 41 Clair Obscur 7.12. 49 Ein Date für Mad Mary 14.12. 37 Flatliners 30.11. 50 Forget about Nick 7.12. 43 Free! Timeless Medley #2 18.11. 43 Happy Deathday 16.11. 38 Die kanadische Reise 14.12. 47 Kardeşim Benim 2 23.11. 44 Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy 14.12. 36 Die Lebenden reparieren 7.12. 51 Lieber leben 14.12. 39 Meine schöne innere Sonne 14.12. 45 Miss Kiet’s Children 7.12. 43 Never Say Die 28.10. 46 Queercore – How to Punk a Revolution 7.12. 46 Sen Kiminle Dans Ediyorsun? 16.11. 46 S.U.M. 1 7.12. 43 Tokio Hotel – Hinter die Welt 30.11. 47 Vânâtoare 7.12. 46 Weiber! – Schwestern teilen. Alles. 7.12. 40 Wenn ich es oft genug sage, wird es wahr 14.12. 46 Zwischen zwei Leben – The Mountain between us 7.12.

KINOTIPP

40 WENN ICH ES OFT GENUG SAGE, WIRD ES WAHR

45 MISS KIET’S CHILDREN

43 ZWISCHEN ZWEI LEBEN

der katholischen Filmkritik

51 LIEBER LEBEN

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DIE LEBENDEN REPARIEREN Rund um eine Organspende sich entfaltendes Drama über das Leben mit dem Tod

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48 ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL

Fotos: TITEL: UPI. S. 4–5: Wild Bunch, Film Kino Text, déjà-vu film, Twentieth Century Fox, Neue Visionen, KIKO Productions, DCM, MotionWorks GmbH, ARD Degeto/Ester. Reglin.Film/DOR Film/Anjeza Cikopano, arte

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25 | 2017 Die aRtiKel INHALT KINO

AKTEURE

FILMKUNST

16 BERGE IM KINO

23 TONY LOESER

28 ERICH KÄSTNER

10 HOLLYWOOD: PERSPEKTIVEN Die massiven Veränderungen im Medienbereich machen gerade vor der Filmbranche nicht Halt. Wobei die Diskussion über neue Verbreitungswege und die Online-Konkurrenz auch kreative Gegenmaßnahmen freisetzt. Zum Stand der Dinge in den USA. Von Franz Everschor

16 BERGE IM KINO

Im traditionellen Bergfilm ringen heroische Menschen mit mächtigen Gipfeln. Neuere Filme wie »Drei Zinnen« nutzen die Bergwelt eher für zwischenmenschliche Konflikte. Eine Exkursion in neue Bergfilme und ein Gespräch mit dem Kameramann Axel Schneppat.

23 TONY LOESER

Der Produzent tat sich schon zu DDR-Zeiten als eigenwilliger Geist im Filmgeschäft hervor. Noch immer verfolgt er beharrlich seine Vision vom Animationsfilm made in Germany. Das Porträt eines Enthusiasten. Von Rolf Giesen

26 IN MEMORIAM

Nachrufe u.a. auf die deutsche Schauspielerin Karin Dor, die in den 1960er-Jahren in Krimis und Western zum Star wurde. Von Rainer Dick

27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD

Im US-Fernsehen laufen in der aktuellen Saison mehrere Serien, die Kriegsgeschichten erzählen. Dabei fällt der differenziertere Blick auf die Kampfeinsätze auf. Von Franz Everschor

28 ERICH KÄSTNER

Der Film »Kästner und der kleine Dienstag« erzählt von der Freundschaft des Schriftstellers zu einem der jungen Darsteller aus »Emil und die Detektive«. Spurensuche zu einer wahren Geschichte. Von Dorothee Schön und Michael Töteberg

32 LITERATUR

Neue Filmbücher, u.a. eine Biografie über den Regisseur Douglas Sirk, ein Überblick über die türkische Filmgeschichte und ein Lexikon zum Thema »Religion im Film«.

Von Thomas Klein

20 FESTIVALS

Rückschau auf die Filmfestivals in Cottbus, Mannheim-Heidelberg und Duisburg.

Von Thomas Brandlmeier und Bernd Buder

Von Wolfgang Hamdorf, Christoph Strack, Holger Twele und Margarete Wach

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RUBRIKEN EDITORIAL INHALT MAGAZIN DVD-KLASSIK DVD/BLU-RAY TV-TIPPS FILMKLISCHEES VORSCHAU / IMPRESSUM

FERNSEH-TIPPS 63 KULISSEN DES KULTKINOS

56 Arte würdigt den HollywoodAußenseiter Joseph L. Mankiewicz mit einer Filmreihe und reist zu »Kulissen des Kultkinos«. 3sat zeigt kritische Western aus der Umbruchzeit der 1970er-Jahre.

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eine andere Bedeutung an. Die Hartnäckigkeit, mit der das Wort »Wunder« auch durch die Filmseiten in Presse und Internet geistert, kommt fast schon einem Hilferuf gleich. Treue Filmfans wollen nicht daran glauben, dass David Lynch Recht hat, wenn er sagt, Fernsehen sei das beste ArthouseKino. Manche lehnen sich denn auch gegen alle Gerüchte vom bevorstehenden Ende der Filmtheater auf, indem sie demonstrativ jede Initiative unterstützen, die zur Erhaltung der ihnen lieb gewordenen Kinokultur beitragen könnte.

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die leidenschaft fürs kino lebt

Kaum ein Wort taucht in den Titelregistern der Filme dieses Jahres so oft auf wie das Wort »Wunder«. Von »Wonder Woman« über »Wonderstruck« bis »Wonder Wheel« beschwören vor allem amerikanische Filmemacher das Wunder des Kinos und der Geschichten, die sich darin erzählen lassen. Sie machen das vielversprechende Wort zum Bestandteil ihrer Titel, als wollten sie damit bekräftigen, dass sich an der Faszinationskraft der »laufenden Bilder« nichts geändert hat. Das alles mag Zufall sein. Aber in dem durch neue Verbreitungsmethoden nachhaltig gestörten und verunsicherten Umfeld, in dem viele Kinos ums Überleben kämpfen, nimmt die Wortwahl leicht noch

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Es hat Spendenaktionen gegeben, um in kleinen amerikanischen Städten den Exitus der Kinos zu verhindern. Es gibt in den USA ein selbstbewusstes Stammpublikum, das anspruchsvolle Filmzeitschriften wie »Film Comment« oder wenigstens die Website »rogerebert.com« liest und jede Woche oder jeden Monat in eines der überlebenden Arthouse-Kinos geht – nicht zuletzt deshalb, weil es sich darauf verlassen kann, dort Filme anzutreffen, die in den uniformen Multiplexen nicht auftauchen. Sogar unter jungen Menschen, die mit den Errungenschaften der digitalen Medien aufgewachsen sind, lässt sich nach wie vor eine in der Diskussion oft übersehene oder unterschlagene Leidenschaft für das Kino finden. Sie hat durchaus mit der Vorliebe für opulente FranchiseFilme zu tun, die heutzutage das meiste zum Umsatz der Hollywood-Studios beitragen. Filme wie »Guardians of the Galaxy 2« und »Wonder Woman« bedürfen der im Vergleich zum Heimkino überdimensionalen Ausstattung der Kinos in Projektion und Ton, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Nie ist das klarer geworden als bei der Ende September in den USA gestarteten Fernsehserie »Marvel’s Inhumans« im Vergleich zu den im Kino laufenden Marvel-Filmen. Obwohl sorgsam bestrebt, vertraute Figuren und Elemente des Marvel Cinematic Universe auf den Bildschirm hinüberzuretten, bleibt die Story von zwei rivalisierenden Brüdern auf

einer Mondkolonie der Inhumans schwach auf der Brust und lassen sich die – zum Teil sogar mit IMAX-Kameras gedrehten – Actionszenen und Special Effects allenfalls als halbherzige Reduktionen des von der Leinwand Gewohnten goutieren. Man kann (und will) nicht mehr wegdiskutieren, dass die immer stärkere Verbreitung von On Demand und Video Streaming den Zugang zu alten und neuen Filmen in einem Maß erleichtert, wie es zu keiner anderen Zeit der Filmgeschichte der Fall war. Es bleibt aber – zumindest vorläufig – eine Tatsache, dass sich in den USA mehr als die Hälfte aller Geringverdienenden den Zugriff auf diese neuen Verbreitungsformen nicht leisten kann. Filmtheater waren immer eine massenfreundliche, weil billige Unterhaltungsstätte, ganz zu schweigen von dem Gemeinschaftserlebnis, das sie fundamental von den die Isolation fördernden Digitalangeboten unterscheidet. Kommunikations- und Sozialwissenschaftler bezweifeln deshalb in wachsender Zahl, dass die Umorientierung vieler Konsumenten vom Kino über das Fernsehen zu Tablets und Smartphones gesellschaftlich wünschenswert (wenn auch wohl nicht aufzuhalten) ist.

oPfer der »short attention sPan« Filmkritiker haben überall in den USA die Diskussion über die Auswirkungen des Video Streamings aufgegriffen. Dabei wird deutlich, dass der einstige Erzfeind Fernsehen überhaupt nicht mehr im Mittelpunkt der Debatte über die Zukunft des Kinos steht. Kabelfernsehsender wie HBO, FX und AMC haben längst bewiesen, dass eine unter anderen wirtschaftlichen und künstlerischen Regeln funktionierende Produktion von eigenständigen TV-Programmen möglich ist, die vom Publikum als Alternative zum Kinofilm wahrgenommen und genutzt werden. Die Diskussion entzündet sich neuerdings mehr an dem Trend zu immer kleineren und immer kürzeren Formaten, die im Zeitalter der »Short Attention Span«, der immer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne, nicht nur traditionelle Erzählformen zerstören, sondern auch vor neue pädagogische und soziale Probleme stellen.

Fotos: Marvel Studios (S. 10/11)/21 Laps Entertainment/Fox Searchlight/Amazon

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Bis zur Verwirklichung von Katzenbergs Plänen wird es noch eine Weile dauern. Inzwischen aber stehen immer mehr hochbetuchte Firmen von Amazon und Apple bis zu Google und Facebook bereit, in großem Stil in das Streaming-Geschäft einzusteigen. Auch die Diskussion um eine Verkürzung der exklusiven Auswertungsrechte der Filmtheater wurde wieder mächtig angefacht. Nach bisheriger Praxis dürfen in den USA alle neuen Filme erst 90 Tage nach ihrer Kino-Premiere auf DVD oder im Video Streaming angeboten werden. Alle Verhandlungen der Studios mit den großen amerikanischen Kinoketten über eine Verkürzung dieser Exklusivität auf 45 Tage sind bisher gescheitert. Nun aber kommen Leute wie Michael Burns von dem Verleiher Lionsgate sogar mit der Forderung heraus, die Sperrzeit dürfe nicht länger als 17 Tage dauern. Niemand zweifelt mehr daran, dass sich etwas ändern wird. Die Frage ist nur, wie und wann. Es liegt auf der Hand, dass eine neue Absprache – sollte sie denn ratifiziert werden – die Besucherzahlen der Kinos verringern würde. Deshalb werden die Theaterketten sicher auf einer wie auch immer

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gearteten Beteiligung an den Einnahmen aus dem On-Demand- und StreamingGeschäft bestehen, aber die Attraktivität des Kinobesuchs dürfte gerade bei jenen Filmen, die nicht den Sog der FranchiseFilme auslösen, unvermeidbar leiden. Auch eingefleischte Kinogänger könnten sich versucht sehen, die wenigen Tage abzuwarten und sich die Filme dann zu Hause anzusehen. Wenig hilfreich ist bei der ganzen Diskussion, dass die namhaftesten unter den amerikanischen Filmregisseuren verschiedener Meinung sind: Christopher Nolan und James Cameron sind gegen eine Verkürzung der Kino-Exklusivität, Steven Spielberg und Martin Scorsese sind dafür.

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unter anderem bei den Bestsellerautoren Dan Brown und James Patterson. Katzenberg sieht einen Großteil des Fernsehens in Zukunft als Kurzform-Video: spannende Geschichten in kleinen Kapiteln. Alles sehr weit hergeholt? Die Fantasie eines Spinners? Durchaus nicht. Katzenberg ist nur dabei, die Realität zu beschleunigen. Schon vor einem halben Jahr kam AT&T mit der Vorstellung heraus, die HBO-Serie »Game of Thrones« in 20-Minuten-Versionen zu vermarkten. Das französische Digitalstudio Blackpills hat grünes Licht für 50 kurzformatige Serien gegeben. Und Vivendis Studio+, das schon 20 derartige Serien hergestellt hat, will das »stark süchtig machende Format« (Werbung) nach einem Start in Brasilien in den nächsten Monaten weltweit verfügbar machen.

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Der in den letzten Jahrzehnten auf den Sektoren des Spiel- und Animationsfilms ungemein innovative und einflussreiche Produzent Jeffrey Katzenberg, der einst mit Steven Spielberg zusammen das Produktionsstudio DreamWorks gegründet hat, peilt mit einem neuen Unternehmen gerade die Zerschlagung bisheriger filmischer Gestaltungs- und Verbreitungsmethoden an. Auf einer Zusammenkunft der führenden Industriekapitäne des Silicon Valley stellte Katzenberg im Juli seine jüngste Firma vor, die er WndrCo (»Wonder Company«, fast ohne Vokale) nennt. Auch hier wieder das Wort »Wunder«, wieder die Hoffnung auf ein »nomen est omen«. Katzenbergs Firma soll es um nichts Geringeres gehen als um die Kreation einer neuen Form von Unterhaltung für die allseits so begehrte Altersschicht der 18- bis 34-Jährigen: »KurzformVideo«, wie er es nennt, Dramen wie »Empire« und »Scandal« in Zehn-MinutenEpisoden, gerade so lange dauernd wie die getestete Aufmerksamkeitsspanne der meisten jungen Menschen. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sahen in den USA 168 Mio. Menschen kurze Videos auf ihren Smartphones an. Gleichzeitig breitet sich auf dem Buchmarkt ein Trend zu kürzeren Romankapiteln aus,

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Fotos: Paramount/Amazon/Marvel Studios

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verdrängt? Werden die »Oscars« als weithin wahrgenommenes Aushängeschild der Kinokultur den Mut aufbringen, wirklich für die Fortexistenz der Filmtheater zu kämpfen, oder werden sie sich von Netflix und Co. einvernehmen lassen? Vor allem aber: Wird das Publikum auch zukünftig den Traum von den »schönen Kinostunden« weiterträumen oder der banalen Vision eines Steven-Spielberg-Films im 20-Minuten-Takt verfallen?

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Nicht einmal auf Amerikas allseits verehrte »Kulturapostel« kann man sich bei der Auseinandersetzung zurückziehen. Susan Sontags oft zitierter Ausspruch, nicht noch so vieles Wehklagen könne die verschwundenen Rituale des dunklen Kinoraums wieder zum Leben erwecken, ist immerhin schon 20 Jahre alt. Und Roger Eberts Eloge auf die DVD als ein Medium »von unkalkulierbarem Wert für alle, die den Film lieben«, liegt auch schon lange zurück. Heute ist das Streaming dabei, nicht nur die alten Kino-Rituale aus dem Weg zu räumen, sondern auch die DVD schon wieder vom Markt zu verdrängen. Aufschlussreich war im amerikanischen Blätterwald ein Streitgespräch zwischen A.O. Scott und Manohla Dargis, den beiden Chefkritikern der »New York Times«. Hauptargument für die Bewahrung des Kinoerlebnisses ist auch bei ihnen das Kino als Ort des Zusammenseins mit anderen Menschen: »Was Filme zu einer Massenkunst macht, ist vor allem, dass sie massenhaft für ein Massenpublikum gemacht werden, was auch noch wahr ist für Werke, die weitgehend auf Festivals oder in ArthouseKinos gezeigt werden. Was passiert mit dieser Kunst, wenn wir anfangen, die Menschen aus der Gleichung zu entfernen? Was passiert dann mit ihrem demokratischen Versprechen, das bestenfalls eine Fantasie, schlimmstenfalls eine Lüge sein mag, aber dennoch bestehen bleibt?«

An ein Wunder muss man glauben, um die vielen Fragen aufatmend beantworten zu können. So manche Filmfans tun es, indem sie zu »Wonder Woman« ins Multiplex drängen und gleichzeitig die Pfründe der StreamingAngebote nach Klassikern und Independents durchsuchen. Sie finden Befriedigung in dem sich täglich vermehrenden Angebot und hoffen insgeheim darauf, dass ihnen die dauernde Qual der Wahl eines Tages durch ein futuristisches Medium erleichtert wird, das sich vielleicht sogar einmal aus der »Virtual Reality« entwickeln könnte. Vorerst bleiben die Fragen. Werden die Studios mit ihrer Überhand nehmenden Konzentration auf Franchise-Produkte die Kinos in Abspielstätten ausschließlich massenfreundlicher Durchschnittsware verwandeln, wo Anspruch und Vielfalt keinen Platz mehr haben? Werden die Independents, die sich mit ein paar wenigen Großstadtkinos zufriedengeben müssen, einmal ganz auf den Bildschirm

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verschwindende rituale


HOLLYWOOD PERSPEKTIVEN kino

25.1. »WOMAN WALKS AHEAD« REGIE: SUSANNA WHITE 1890: Eine Malerin (Jessica Chastain) aus Brooklyn macht sich auf gen Westen, um Sitting Bull zu malen, und wird in den Kampf der Indianer um ihr Land und ums Überleben verwickelt. (Tobis) 25.1. »THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI« REGIE: MARTIN MCDONAGH Fulminantes Thriller-Drama um eine Mutter (Frances McDormand), deren Tochter ermordet wurde, und die sich mit den örtlichen Polizisten (Woody Harrelson, Sam Rockwell) anlegt, die den Fall nicht gelöst haben. (Fox) 25.1. »WUNDER« REGIE: STEPHEN CHBOSKY Familiendrama um einen kleinen Jungen, dessen Gesicht durch einen Gendefekt entstellt ist. U.a. mit Julia Roberts und Owen Wilson. (Studiocanal)

1.2. »THE DISASTER ARTIST«. REGIE: JAMES FRANCO Dramatische Komödie nach dem gleichnamigen Buch von Greg Sestero und Tom Bissell über den Traum, im Filmgeschäft den großen Durchbruch zu schaffen. U.a. mit Auftritten von Bryan Cranston, Kristen Bell und Seth Rogen. (Warner) 15.2. »SHAPE OF WATER« REGIE: GUILLERMO DEL TORO Die in den 1960er-Jahren spielende FantasyMär um eine Putzfrau (Sally Hawkins), die ein amphibisches Monster aus Liebe aus einem Labor rettet, macht sich hintersinnig für »Diversity« und Toleranz stark. Gewinner des »Goldenen Löwen« in Venedig 2017. (Fox) 15.2. »BLACK PANTHER« REGIE: RYAN COOGLER Neuester Superhelden-Ableger des »Marvel Cinematic Universe« (Disney) 22.2. »ANNIHILATION« REGIE: ALEX GARLAND Neues vom Autor/Regisseur von »Ex Machina«: Prominent besetztes Mystery-Expeditionsabenteuer, u.a. mit Natalie Portman, Tessa Thompson, Jennifer Jason Leigh und Oscar Isaac. (Paramount)

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18.1. »DOWNSIZING« REGIE: ALEXANDER PAYNE Irrwitzige SciFi-Satire um Menschen (u.a. Matt Damon und Kristen Wiig), die sich auf Däumlingsgröße schrumpfen lassen, um weniger Ressourcen aufzubrauchen und trotzdem im Überfluss zu leben. (Paramount)

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11.1. »WONDER WHEEL« REGIE: WOODY ALLEN Der neueste Streich von Woody Allen führt auf das Coney Island der 1950er-Jahre und erzählt von einem Karussell-Betreiber und seiner geplagten besseren Hälfte. U.a. mit Kate Winslet, Jim Belushi, Juno Temple und Justin Timberlake. (Warner)

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2018 IN IHREM KINO… Es lässt sich nicht leugnen: Die Premieren populärer TV- oder Streaming-Formate wie »The Walking Dead« oder »Stranger Things« werden von Fans mit ähnlicher Vorfreude und Neugier erwartet wie die großen Kinopremieren. Noch aber hat die Heimkino-Konkurrenz die Lust auf neue Kinofilme nicht verdrängt. In den ersten Monaten des Jahres 2018 liefert Hollywood viele Anlässe, sich auf den Kinobesuch zu freuen. Eine Auswahl.

1.3. »RED SPARROW« REGIE: FRANCES LAWRENCE Jennifer Lawrence gerät als eisenharte SuperAgentin in einem mit Stars besetzten Thriller (u.a. mit Joel Edgerton, Matthias Schoenarts, Jeremy Irons und Charlotte Rampling) in Konflikt zwischen ihrer professionellen Rolle und privaten Prioritäten. (Fox) 29.3. »LOVE, SIMON« REGIE: GREG BERLANTI Romanadaption um einen homosexuellen Jugendlichen, der sein Coming-out plant und mit der ersten Liebe ringt. (Fox) 5.4. »A WRINKLE IN TIME« REGIE: AVA DU VERNAY Adaption von Madeleine L’Engles fantastischem Kinderbuch-Klassiker »Die Zeitfalte«, u.a. mit Chris Pine und Reese Witherspoon. (Disney) 12.4. »NEW MUTANTS« REGIE: JOSH BOONE »X-Men«-Ableger mit Horror-Einschlag: Junge Mutanten werden in einer dubiosen Forschungseinrichtung interniert und versuchen zu fliehen. (Fox) 19.4. »ROMAN J. ISRAEL, ESQ. – DIE WAHRHEIT UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT« REGIE: DAN GILROY In Los Angeles angesiedelter Gerichtsthriller mit Denzel Washington als idealistischem Strafverteidiger, dessen Engagement für eine bessere und fairere Welt auf eine harte Probe gestellt wird. (Sony)

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Erich KästnEr filmkunst

»›hallo, Dienstag?‹ ›Jawohl, am war, blieb es nicht aus, dass wir uns, trotz des beträchtlichen Altersunterschiedes, Apparat‹«, krähte der kleine anfreundeten und dass wir einander in den Nazi-Jahren immer wieder einmal Dienstag am anderen Ende.« sahen. Als er in das wehrpflichtige Alter Während Emil und seine Detek­ kam, konnte es nicht ausbleiben, dass er tive in Erich Kästners Kinderbuch­ dann sehr bald nach Russland kam und dort ist er – wo, weiß ich nicht – gefallen. klassiker die spur des Diebs Jedenfalls ist dieser Hans-Albrecht für mich eine unverlierbare Erinnerung. Allein an Grundeis verfolgen, laufen alle diesem einzigen sinnlosen Verlust kann ich Fäden bei dem eifrigen Jungen ermessen, was, millionenfach multipliziert, Hitler auf dem Gewissen hat.« am telefon zusammen: »Der kleine Dienstag notierte sich alles »RühRend! das macht spass, gründlich.« in der ersten Ver­ sowas zu schReiben!« filmung des romans spielte 1931 Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen hans­Albrecht Löhr diesen Diens­ dem kinderlosen Kinderbuchautor und dem vaterlosen Kind begann 1929 mit einem tag – ein Kästner­Fan der ersten Leserbrief: »Sehr geerter Herr Kästner, Meine Mummi hat mir Ihre Adresse gesagt, stunde. Anlass für eine detekti­ weil ich so gerne an Sie schreiben wollte. vische recherche auf den spuren Meine Schwester und ich haben den Emil gelesen. Es war ein knorkiges Buch«, attesLöhrs, dessen junges Leben tierte der siebenjährige Knirps dem Vertragisch endete. fasser. Er hatte gleich alles an Ort und Stelle

Fotos: Privat/Das Erste/FD-Archiv

Von Dorothee Schön & Michael Töteberg

»Gestatten: Hans-Albrecht Löhr, Darsteller des ›Dienstags‹. Ich bin neun Jahre alt, vorläufig noch in der Grundschule. Wir sind geschieden. Den Vater habe ich seit sechs Jahren nicht gesehen. Die Mutter arbeitet auf der Charité als Hilfsärztin, oder so was ähnliches. Mit Mutti bin ich recht zufrieden. Und dass wir geschieden sind, damit bin ich ganz und gar einverstanden: ich kann so machen, was ich will! (…) ›Und vergessen Sie nicht zu schreiben‹, ruft mir der kleine Dienstag nach, ›Wir protestieren gegen die Junggesellensteuer‹ die man uns von der Gage abzieht. Wir sind keine Junggesellen, wir sind Kinder!« Der Junge, der hier so keck einer Berliner Zeitung ein Interview gibt, ist eines der Kinder, die das große Los gezogen haben: In der ersten Verfilmung von »Emil und die Detektive« im Jahr 1931 durch Gerhard Lamprecht spielte er die Rolle des »kleinen Dienstag«, der im Film mit einem Dackel den Telefondienst übernimmt (»Parole Emil!«). Über diesen Jungen schrieb Erich Kästner 40 Jahre später: »Da der kleine HansAlbrecht Löhr ein ungewöhnlich liebenswürdiger und aufgeweckter kleiner Junge

überprüft. »Ich habe mir die meisten Sachen angesehen. Und was ich mir noch nicht angesehen habe, das sehe ich mir noch an. In der Schumannstraße 16 war ich auch. Pony Hütchen habe ich aber leider nicht gesehen. Sonst hätte ich mit ihr gespielt. Am besten gefällt mir wo Gustav gesagt hat: Der da mit der Milone auf dem Dach.« »Emil und die Detektive« war Kästners erstes Kinderbuch. In der literarischen Szene der Weimarer Republik war der Schriftsteller kein Unbekannter: Mit seinen Gedichten hatte er Aufsehen erregt, war dafür von Walter Benjamin unter dem Stichwort »Linke Melancholie« rüde kritisiert worden. Auf den »Emil« bekam er eine andere Resonanz. »Vorgestern kam ein Brief von einem kleinen Jungen«, schrieb Kästner an seine Mutter. »Das Original schicke ich gerade Frau Jacobsohn. Sie will den Brief vielleicht so wie er ist, handschriftlich also, vervielfältigen lassen und damit Reklame machen. Ist er nicht reizend, der kleine Kerl? Ist überall rumgelaufen – Kaiserallee, Trautenaustraße, Nollendorfplatz usw. und hat die Gegend, in der der ›Emil‹ spielt, genau angeschaut. Rührend! Das macht Spaß, sowas zu schreiben!« Edith Jacobson war die Verlegerin, die neben der »Weltbühne« noch den Kinder-

buchverlag Williams & Co betrieb. Kästner nahm zu Löhr Kontakt auf und holte sich von der Mutter das Einverständnis, den Brief faksimiliert für einen Werbeprospekt zu verwenden. Kästner dachte zunächst nur an die fantastische Werbung, doch es blieb nicht aus, dass der Junge ihn besuchen wollte und eine kleine Brieffreundschaft entstand. Die Briefe liegen im Kästner-Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach. »Sie haben mir eine große Freude gemacht, nämlich mit Ihrem Brief«, schreibt Löhr im Dezember 1930. »Meine Schwester und ich wollen Ihnen auch eine Freude machen mit Fefferkuchen und Schokolade, die bittere ist von meiner Schwester, die Milchschokolade ist von mir. Ich habe neulich Zeitungen verkauft, und für dies Geld schicke ich Ihnen diese Sachen. Sie sind also ganz allein von Ruth und mir. Ruth ist meine Schwester. Ich wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten und schicke Ihnen viele Grüße.« Seiner Mutter teilte Kästner mit, welche vielfältigen Verpflichtungen er als Autor habe, u.a. »Achtens trinke ich bei Hans-Albrecht Löhr (8 Jahre) und bei seiner Schwester Ruth (9 Jahre) Kaffee – er hat mir wegen des ›Emil‹ mehrfach geschrieben, weißt du – und da muss ich mir ihre Zeichnungen ansehen und solche Dinge.«

»es ist übeRall besch…« Ruth Finckenstädt, geborene Löhr, die Schwester, konnten wir ausfindig machen und sie im April 2008 besuchen; kurz darauf starb sie. In der Korrespondenz Kästners mit seiner Mutter kommt er immer einmal wieder auf diese Freundschaft zu sprechen: »Gestern war ich bei Löhrs zum Mittagessen. Gab Makkaroni mit Schinken. Und als Nachtisch ›errötendes Mädchen‹. Komischer Name, was. War nett. Frau Löhr ist seit 4 Jahren geschieden. Der Mann zahlt keinen Pfennig. Erklärt, er habe nichts. Es ist überall besch …« Was es mit dem »errötenden Mädchen« auf sich hatte, konnte Ruth Finckenstädt erklären: Es handelte sich um Buttermilchstrudel mit roter Gelatine. Hans-Albrecht durfte 1930 bei der Uraufführung des Theaterstücks »Emil und die Detektive« im Theater am Schiffbauerdamm mitspielen, zwar nicht als Emil, aber als der kleine Dienstag. Er machte seine Sache gut,

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filmkunst Erich KästnEr und Kästner entdeckte ein neues Feld für seine literarische Arbeit. In einem Zeitungsartikel »Wenn Kinder Theater spielen« schilderte er folgende Szene: »Bei einer der Aufführungen fiel dem Darsteller des kleinen Dienstag, als er, wie es die Rolle vorschreibt, etwas notieren wollte, der Bleistift herunter. Die Zuschauer hatten es kaum bemerkt, und der Junge hätte, mit der Hand den Bleistift markierend, weiter schreiben können. Nicht um die Welt! Er bückte sich. Er suchte den Bleistift am Boden. Die Aufführung kam ins Stocken. Der kleine Dienstag suchte inzwischen seelenruhig, bis er den Bleistift gefunden hatte. Erst dann schrieb er weiter. Denn, nicht wahr, wie kann man ohne Bleistift schreiben?« Das Stück wurde von vielen Bühnen gleich nachgespielt, so auch in Breslau, wohin Kästner zur Premiere fuhr. In dem erwähnten Artikel zitiert er auch einen Brief, den er – adressiert an »Herrn Erich Kästner. In dem Theater, wo am Sonntag »›Emil und die Detektiefe‹ gespielt wird. Breslau« – von Löhr erhalten hatte: »Hoffentlich spielen es die Kinder genauso gut wie wir. Allerdings hatten wir am Mittwoch, den 10. Dezember eine Strafprobe. Aber machen Sie sich keine Sorgen es geht doch alles schon die leute klatschen und es ist gut besucht ... Herzliche Grüße, Ihr kleiner Dienstag Hans-Albrecht Lohr. N. B. Grüssen Sie mir den kleinen Dienstag in Bresslau schön.«

»eR ist ein schöneR satz, eR ist von eRich kästneR und stimmt.« Im Jahr darauf durfte Löhr bei der Verfilmung des »Emil« wieder den »kleinen Dienstag« spielen, was eine große Ehre war: Sämtliche Berliner Schulen waren angeschrieben worden, und an drei Sonntagvormittagen wurden jeweils 600 bis 800 Jungen im Ufa-Palast am Zoo auf ihre »tonfilmische Eignung« geprüft. Löhr war auf dem besten Wege, ein Star zu werden, doch was sah er im August-Heft der »Filmwoche«? Sein Bild, doch mit einer falschen Unterschrift. Gleich schrieb er der Redaktion einen Brief: »Ich hin doch der kleine Dienstag und heiße Hans-Albrecht Löhr. Das ist doch ganz deutlich zu sehen, weil ich telefoniere. Bitte seien Sie doch so gut und ändern das. Mein Hund der neben mir sitzt heißt Zeppelin. Es ist sehr ärgerlich.

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Wenn ich schon mal in die Zeitung komme dann ist es noch falsch. Es ist wirklich zum Kotzen! Es ist derselbe Satz, den ich gerade am Telefon sage weil ich den Dieb nicht mitverfolgen kann. Er ist ein schöner Satz, er ist von Erich Kästner und stimmt. Viele Grüße der kleine Dienstag Hans-Abrecht Löhr.« Natürlich wurde diese Beschwerde im nächsten Heft gedruckt, und zwar im Faksimile. Auch nach dem »Emil«-Film riss der Kontakt nicht ab. Zu Weihnachten 1932 zum Beispiel bekamen die Geschwister »Doktor Dolittles größte Reise« von Hugh Lofting – mit folgender Widmung: »Wem von Euch beiden gehört nun dieses Buch? Streitet Euch hübsch alleine! Euer Erich Kästner.« Für Kästner wurden Hans-Albrecht und seine Schwester zu Testlesern für sein neues Kinderbuch. »Pünktchen und Anton« hatte seine Verlegerin Edith Jacobsohn nicht recht überzeugt. »Ich hab ihr gesagt, dann solle sie mir das Buch freigeben. Das will sie aber auch nicht. Ich soll es ganz umändern. Ich denke nicht daran. Augenblicklich lesen die Löhrkinder das Manuskript. Ich will mal probieren, wie es denen gefällt. Nichts wie Ärger.« Glücklicherweise fiel ihr Urteil positiv aus: »Aber Löhrs haben mir erzählt, dass ihnen das Pünktchenbuch sehr gut gefallen hat. Und so werde ich morgen der Jacobsohn entsprechenden Bescheid geben. Entweder bringt sie das Buch, so wie es ist oder ich gebe es jemandem anderen. Ich ärgere mich nicht länger über die Bagage!« »Pünktchen und Anton« erschien und wurde ebenfalls ein Bestseller.

heRR lampRecht eRzählte miR, dass alle Jungen, – ausseR hans RichteR – nicht mehR am leben sind …« Dann kam das »Dritte Reich«, und Kästners Bücher wurden verboten. Doch seine Freundschaft mit dem inzwischen elfjährigen Hans-Albrecht blieb bestehen. Die »Löhrkinder« blieben Kästners Testleser, als das vorläufig letzte seiner Kinderbücher Ende 1933 fertig war: »Hans-Albrecht und Ruth sagten vorhin, das Fliegende Klassenzimmer sei noch schöner als der Emil.« Er ging mit den Kindern auf den Weihnachtsmarkt, und jedes Jahr bekam Hans-Albrecht von Kästner ein neues Buch zum Geburtstag mit einer persönlichen Widmung.

Hans-Albrecht war inzwischen Gymnasiast. Seine Liebe zur Schauspielerei hatte er nicht verloren. Mit 15 spielte er an der Volksbühne, die Rolle des Ejlif in Ibsens »Ein Volksfeind«. Und noch 1941 stand er in dem Ufa-Film »Clarissa« (wieder unter der Regie von Gerhard Lamprecht) in der Rolle des Banklehrlings Waldemar vor der Kamera. Doch noch im selben Jahr wurde HansAlbrecht mit 19 Jahren ein »Primaner in Uniform«. Auf unsere Anfrage bei der Deutschen Dienststelle (WASt) erhielten wir die Information, dass er ins 1. Kompanie Schützen-Ersatz-Batallion eingezogen wurde und an die Ostfront kam. Dort fiel er am 22.8.1942 bei Saplatino in Russland. Die Erinnerung an Hans-Albrecht verband Lotte Löhr mit Kästner bis zu ihrem Tod. Als 1963 die Deutsche Kinemathek in Berlin eröffnet wurde, schrieb sie an Erich Kästner: »Sie wissen sicher, dass ich kürzlich, bei der Eröffnung der Kinemathek eine Einladung von Herrn Lamprecht bekam, um mir den ›richtigen‹ Emil anzusehen. Es ging mir sehr sehr nahe, aber es war auch wiederum doch schön, nochmal das Jungchen zu sehen und auch sprechen zu hören. Wie schade, dass Sie nicht dabei sein konnten. Herr Lamprecht erzählte mir, dass alle Jungen, – außer Hans Richter – nicht mehr am Leben sind …«

film: »kästneR und deR kleine dienstag« Dorothee schön schrieb das Drehbuch zu dem bewegenden Film von Wolfgang Murnberger (vgl. tV­tipps, s. 64): »Erich Kästner bedeutet mir persönlich besonders viel. nicht nur wegen seines pointierten stils, seiner originellen Plots und seiner Affinität zum Film, sondern auch, weil er während des ›Dritten reiches‹ das getan hat, von dem ich ahne, dass ich es wohl auch getan hätte: ›ich habe zwölf Jahre lang ein iro­ nisches Gesicht gemacht und den stammtisch im Leon gehalten.‹ Kästner ist nicht emigriert, er hat sich den nazis aber auch nicht angepasst. Kein held, aber auch kein Mitläufer, sondern ein notorisch hoffender. Das Besondere an der Arbeit zu diesem Drehbuch ist für mich aber die Entdeckung von hans Löhr, der bisher nur eine kleine literaturgeschichtliche Fußnote war.« Dt. 2016. Regie: Wolfgang Murnberger. buch: Dorothee schön. darsteller: Florian David Fitz, hans Löw, nico Kleemann, inga Busch. 90 Min. erstausstrahlung: 21.12.2017 Das Erste.


Erich KästnEr filmkunst

buch: »fRiedRich deR gRosse detektiv« Von PhiLiPP KErr Der britische thriller­ und Fantasy­Autor bedient sich in seinem Jugendroman sehr konkret bei der Freundschaft von Erich Kästner und hans­ Albrecht Löhr. Dabei bemüht sich seine historische Krimi­ und Zeitgeschichte, angesiedelt um die Zeit der Bücherverbrennung durch die nazis im Berlin des Jahres 1933, engagiert um junge Leser, kommt in seinem Faktenreichtum aber mitunter recht didaktisch und zudem sprachlich hölzern daher. nur langsam nimmt der stoff dann doch Fahrt und Dynamik auf und gewinnt schließlich als respektvolle Ehrerweisung für Erich Kästner viel sympathie. HPK rowohlt Verlag, reinbek 2017, 256 s., 14,99 EUr

Szenen aus »Emil und die Detektive« (1931), Regie: Gerhard Lamprecht, Buch: Billy Wilder. O-Ton aus Kästners Roman: »›Geld soll man immer nur per Postanweisung schicken‹, brummte die Großmutter und kicherte wie eine Spieldose. ›Hurra!‹, rief Pony Hütchen und ritt auf ihrem Stuhl ins Schlafzimmer.«

buch: »deR pfad. die geschichte eineR flucht in die fReiheit« Von rüDiGEr BErtrAM Auch dieser Jugendroman beruht auf historischen Fakten: Wie viele Emigranten flüchtet auch der zwölfjährige rolf aus Berlin mit seinem Vater vor den nazis nach Marseille, um schließlich über die Pyrenäen nach spanien zu gelangen. Bald aber wird der Vater verhaftet, der gleichaltrige hirten­ junge und Fluchthelfer Manuel wird zum Freund. in rolfs Gepäck sein Lieblingsbuch: »Der 35. Mai« von Erich Kästner, dem rüdiger Bertram liebe­ und respektvoll reverenz erweist. Dabei ist sein Buch flüssiger, eleganter und auch spannender erzählt als Kerrs Detektivroman, vor allem verzichtet er auf jede didaktisch dröge »Geschichtsstunde«: Die historischen Eckdaten fließen geschickt und im genau richtigen Maß ein, während die Fabel um Freundschaft und Mut, Loyalität und Ver­ antwortung von grundsätzlicher Aktualität ist. Attraktiv auch die illustrationen von heribert schulmeyer, der den roman zudem quasi filmisch mit einem stimmungsvollen comic ein­ und aus­ leitet. HPK cbj Verlag, München 2017, 235 s., 12,99 EUr

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Die Lebenden reparieren

Drama um Organspende als Hymne an das Leben Simons Herz schlägt noch. Seine Mutter Marianne kann es in seiner Brust fühlen. Wie kann sie dann akzeptieren, dass ihr Sohn tot sei? Der Teenager war frühmorgens mit zwei Freunden beim Surfen; auf der Rückfahrt nach Le Havre verunglückte ihr Auto, wobei Simon, der nicht angeschnallt war, am Kopf schwer verletzt wurde. Jetzt liegt er, angeschlossen an Schläuche und Apparate, auf einem Krankenhausbett. Seine Organe sind intakt. Aber der Arzt hat Marianne und Simons Vater, vom dem sie getrennt lebt, mitgeteilt, dass Simon hirntot sei. Für die Ärzte bedeutet das: tot. Bald steht deshalb die Frage im Raum, ob sie bereit seien, Simons Organe frei zu geben und damit auch seinen Körper sterben zu lassen. In Paris wird derweil die etwa 50-jährige Claire von ihrer Ärztin darüber aufgeklärt, dass sich der Zustand ihres schwachen Herzens nochmals verschlechtert hat. Ihre einzige Chance besteht darin, rechtzeitig ein neues Herz transplantiert zu

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bekommen, bevor der kranke Muskel endgültig den Dienst quittiert. Die Mutter zweier fast erwachsener Söhne aber scheint nicht so recht zu wissen, ob sie das überhaupt will. Zwischen Resignation und Hoffnung wartet sie die weiteren Entwicklungen ab, während sie jede Anstrengung meiden muss, um ihr Herz nicht zu überanstrengen. Werden Simons Eltern sich für die Organspende entscheiden, und werden sie es rechtzeitig genug tun, damit das Leben der ihnen unbekannten Claire gerettet werden kann? Aus dieser Prämisse hätte man ein spannendes Drama machen können. Das ist der neue Film von Katell Quillévéré durchaus, doch er ist zugleich viel mehr. Auf der Basis der gleichnamigen Romanvorlage von Maylis de Kerangal versucht die Regisseurin, das Thema Organtransplantation gleichzeitig auf quasidokumentarische, poetische und metaphysische Weise in den Griff zu bekommen. Ein erzählerisches Wagnis – doch

ein großer Film braucht große Risiken, wie Quillévéré in einem Interview gesagt hat. Und »Die Lebenden reparieren« ist ein solcher großer, sogar ein sehr großer Film. Schon die Exposition ist ein kleines Meisterwerk: eine beglückende, zugleich aber von der Ahnung der Fragilität des Lebens durchzogene Begegnung mit dem Jungen, um dessen Herz sich der Rest des Films dreht. Die Kamera wacht mit Simon im Bett seiner Freundin auf, teilt einen verliebten Blickwechsel der beiden und folgt Simon, der sich noch vor Sonnenaufgang davonmacht und hinunter in die Stadt radelt, wo er seine Freunde trifft und mit ihnen zusammen im Kleinbus an die Küste fährt. Die Jungs werfen sich mit ihren Surfbrettern in die Brandung, begleitet von der Kamera, die von den Wellen überspült wird, untergeht, wobei die sinnliche Freude an der Bewegung allmählich aber auch in eine Verunsicherung übergeht. Das Wasser wird vom profanen Element schließlich zu etwas fast

Mythischem, das Leben und Erneuerung ebenso umfasst wie Tod und Zerstörung. Solche subtilen Wechsel von Erzähltonlagen und Stimmungen gelingen der 1980 geborenen Regisseurin immer wieder. Rund um Simons Herz webt der Film einen nuancenreichen Erzählteppich, der so akkurat wie möglich versucht, das Geflecht der medizinischen Aktionen des Fachpersonals abzubilden, das für die Organisation und Durchführung einer Organtransplantation verantwortlich ist, bis hin zu den detailliert gezeigten Operationen. Zugleich beleuchtet die Inszenierung die menschlichen Dimensionen, die Trauer und den Prozess des Loslassens bei Simons Familie, die Angespanntheit von Claires Angehörigen, aber auch die Befindlichkeiten von Ärzten und Pflegern. Und: Der Film weitet den Blick für die großen, existenziellen Fragen: Wann genau hört das Leben eines Menschen auf? Was ist der Tod, und wie kann man das Ungeheuerliche des Sterbens als Teil des Lebens annehmen? Quillévéré übernimmt viele Impulse aus der Romanvorlage, setzt aber auch eigene Akzente. Die zahlreichen Erinnerungseinschübe der Vorlage lässt sie weitgehend weg, bis auf eine wunderschöne Sequenz, in der gezeigt wird, wie Simon und seine Freundin ein Paar wurden; sie dehnt die Handlung nicht in der Zeit, sondern sozusagen im Raum aus: über die zahlreichen Protagonisten, deren Perspektive zum Tragen kommt und die in bewundernswert pointierten Porträts Kontur gewinnen. Vor allem die potenzielle Empfängerin der Organspende und die mit ihr verbundenen Menschen spielen eine größere Rolle, als das im Buch der Fall ist. Quillévérés Kunst, die vielen Vignetten und Sinnebenen zu

Fotos S. 36–51: Jeweilige Filmverleihe

KritiKen neue Filme


neue Filme KritiKen einer stimmigen Einheit zusammenzufügen, hängt unter anderem auch mit dem visuellen Konzept des Films zusammen. Die bewegte Kamera sorgt für einen harmonischen Erzählfluss, der nur an markanten Stellen fühlbar zum Stehen kommt; die wohldosierte, auf wenige markante Motive konzentrierte Filmmusik von Alexandre Desplat trägt zur emotionalen Strukturierung bei. So rundet sich der Film zur intensiven, schmerzlich-schönen Betrachtung des Lebens mit dem Tod – und zum Hymnus auf die Tragekraft des komplexen, professionell und privat geknüpften Netzes aus menschlicher Fürsorge. Felicitas Kleiner Bewertung Der FiLmKommiSSion

nach einem unfall liegt ein junger mann tot im Krankenhaus von le Havre. Seine Organe sind unversehrt, weshalb die Ärzte auf eine Organspende drängen. Währenddessen erfährt in Paris eine herzkranke Frau, dass eine Transplantation ihre einzige Chance aufs Überleben ist. Die inszenierung umkreist das Thema Organspende quasi-dokumentarisch, menschlich und metaphysisch. Die Geschichten verschiedener Figuren, die privat oder professionell mit der Organspende zu tun haben, vereinen sich zum kunstvollen erzählteppich über leben mit dem Tod, wobei der Schmerz vom netz gegenseitiger Fürsorge aufgefangen wird. – Sehenswert ab 16.

rÉPArer LeS ViVAntS. Scope. Frankreich/Belgien 2016 regie: Katell Quillévéré Darsteller: Tahar Rahim (Thomas Rémige), emmanuelle Seigner (marianne), Anne Dorval (Claire), Bouli lanners (Pierre Révol), Kool Shen Länge: 104 min. | Kinostart: 7.12.2017 Verleih: Wild Bunch | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 45 115

Flatliners

Vergebliche Suche nach Bildern des Todes Können wir uns ein Bild davon machen, was passiert, wenn wir sterben? Für das Kino ist es eine reizvolle Herausforderung, über diese absolute Grenzerfahrung zu erzählen. Joel Schumacher hat das 1990 mit »Flatliners« versucht. Bei ihm waren es junge Mediziner, die sich künstlich in einen Zustand des klinischen Todes versetzten. Schumacher gelang ein spannender Horrorthriller, der Jungstars wie Julia Roberts und Kiefer Sutherland zum Durchbruch verhalf. Unter der Regie des dänischen Regisseurs Niels Arden Oplev ist jetzt ein Remake entstanden. Kiefer Sutherland ist darin wieder mit von der Partie. Geholfen hat das dem Film aber nicht. Die Medizinstudentin Courtney Holmes initiiert die mortalen Experimente und kann zwei Studenten und zwei Studentinnen dafür begeistern. Das ist eine wesentliche Veränderung gegenüber dem Original: Es sind mehr Frauen mit von der Partie. Davon abgesehen geht es erneut um Schuld und Sühne, das ahnt man schon zu Beginn des Films, wenn Courtney mit ihrer Schwester in einen schlimmen Autounfall verwickelt wird. Zuerst führen die Experimente zu besonderen Fähigkeiten. Courtney kann wieder Klavier spielen, obwohl sie das seit Ewigkeiten nicht mehr getan

hat. Auch scheint das Gehirn eines Kommilitonen besonders leistungsfähig zu werden. Doch dann folgen nur noch Horrortrips. Courtney wird von ihrer toten Schwester, Jamie von der Frau, die er geschwängert und mit der Schwangerschaft allein gelassen hat, heimgesucht, eine andere von einem ehemaligen Patienten, dessen Tod sie zu verantworten hat. Die Vierte hat nicht ganz so viel Schuld auf sich geladen, sondern im College »nur« einer Mitschülerin übel mitgespielt. Ihre Visionen sind allerdings (ver)störend genug, dass sie die Frau aufsucht und sich bei ihr entschuldigt. Das hilft, die Traumbilder verschwinden. Deshalb trifft sich auch Jamie mit der früheren Freundin. Aus der Schwangerschaft ist ein Sohn geworden, und Jamie ist nun klar, dass er Verantwortung übernehmen muss. Die anderen haben diese Möglichkeit nicht; die Menschen, an denen sie schuldig wurden, sind tot. Kiefer Sutherland spielt einen Doktor, der die Studierenden gehörig unter Leistungsdruck setzt. Die Inszenierung weiß damit aber nichts anzufangen. Die gefährlichen Experimente mit dem Tod könnten ja aus diesem Druck heraus resultieren. Bei der Afroamerikanerin Sophia klingt zumindest einmal an, dass

die Belastung des Studiums für sie zu groß sei. Doch das Drehbuch entwickelt daraus keinen Konflikt. Die Bilder des dänischen Kameramanns Eric Kress erreichen gelegentlich eine Qualität, die an seine Arbeit in Lars von Triers »The Kingdom – Hospital der Geister« erinnert. Die Regie agiert routiniert, der Schnitt spielt gekonnt, aber konventionell auf der Klaviatur des Schreckens. Ellen Page ist als Courtney intensiv, Diego Luna verkörpert überzeugend den Mastermind der Gruppe, der einzige, der sich nicht der Nahtoderfahrung aussetzt. Was fehlt, ist ein Trip jenseits aller Vorstellungskraft: die Neuauflage von »Flatliners« ist allzu voraussehbar. Thomas Klein Bewertung Der FiLmKommiSSion

Remake des gleichnamigen nahtod-Thrillers (1990), in dem medizinstudenten bei einer Kommilitonin künstlich einen Herzstillstand herbeiführen und sie anschließend reanimieren. Als sich bei der Wiederbelebten eine enorme Steigerung ihrer mentalen Fähigkeiten zeigt, wagen auch andere das experiment, bald aber mehren sich bei ihnen albtraumhafte erfahrungen. Das routiniert inszenierte Horrordrama spielt geschickt auf der Klaviatur des Schreckens, weiß aber mit den Konflikten oder den ethischen Fragen nur wenig anzufangen. Für metaphysische Dimensionen fehlt der enttäuschenden neuverfilmung gänzlich der Sinn. – Ab 16.

FLAtLinerS. Scope. uSA 2017 regie: niels Arden Oplev Darsteller: ellen Page (Courtney), Diego luna (Ray), nina Dobrev (marlo), James norton (Jamie), Kiersey Clemons (Sophia), Kiefer Sutherland Länge: 110 min. | Kinostart: 30.11.2017 Verleih: Sony | FSK: ab 12; f FD-Kritik: 45 116

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nEuE FiLmE AUF DvD / bLU–rAy

Godless

Im Land der Klapperschlange: Eine Western-Serie von Scott Frank

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auf und findet auf der Farm einer Witwe Unterschlupf. Die Frau lässt ihn sogar dann bleiben, als sie erfährt, dass der Mann der berüchtigte Scharfschütze Roy Goode ist und einst zur Bande Frank Griffins gehörte, sich dann aber mit diesem überwarf und nun von ihm gejagt wird. Weswegen es auf der Hand liegt, dass Frank und seine Leute auf der Suche nach dem Abtrünnigen früher oder später in La Belle auftauchen und dabei in mordlustiger Stimmung sein werden. Bevor es soweit ist, verfolgt die Serie in sieben ca. einstündigen Episoden in mehreren Handlungssträngen und mit Rückblenden auf verschiedene Zeitebenen nicht nur den blutigen Weg von Frank Griffin, sondern auch diverse Bewohner dieses ungewöhnlichen Städtchens. Seit ein Unglück in der Mine bis auf ein paar Ausnahmen fast alle Männer des Ortes das Leben kostete, haben die Frauen von La Belle die Geschäfte in die eigenen Hände genommen. Einige, vor allem die Schwester des Sheriffs, die mit ihrer ruhigen, selbstbewussten Art eine der Führungspersönlichkeiten des Ortes ist, sind offensichtlich froh darüber, dass die traditionellen Geschlechterrollen damit ins Wanken geraten sind. Doch nun stehen Veränderungen an. Der Zuschlag an ein Bergwerksunternehmen, das die Silbermine ausbeuten will, könnte neues (männliches) Leben in den Ort bringen. Doch was müssten die Frauen dafür aufgeben?

Obwohl der Spannungs-Plot gut in einen Spielfilm gepasst hätte, wirkt die u.a. von Steven Soderbergh produzierte Serie nie künstlich aufgebläht. Figuren, die in vielen Western nur als Stereotype auftauchen, erscheinen hier als runde Persönlichkeiten, und der sie umgebende soziale Kosmos wird facettenreich ausgeleuchtet. La Belle, seine Bürger und vor allem die Bürgerinnen sind hier nicht nur der Zankapfel, um den Helden wie Bösewichter streiten, sondern sie bilden mit ihrem Ringen um bestmögliche Lebensumstände das Herzstück der Serie. Von dem Klapperschlangen-Zynismus, dass am Ende immer der recht behält, der die meisten Gewehre besitzt, bewahrt die Inszenierung die Frauen von La Belle nicht; doch bricht sich dieser Zynismus immer wieder an Widerstandsnestern zwischenmenschlicher Solidarität, denen die ruhige Inszenierung erstaunlich viel Raum gibt – kleine Revolten gegen die Absurdität eines »gottlosen« Daseins. – Sehenswert ab 16. Felicitas Kleiner GODLESS USA 2017 Regie: Scott Frank Darsteller: Jeff Daniels, Michelle Dockery, Jack O’Connell, Merritt Wever, Scoot McNairy Länge: 456 MIn. Anbieter: Netflix FD-Kritik: 45 141

Fotos S. 52–55: Jeweilige Anbieter

Leichen pflastern den Weg des Outlaws Frank Griffin. Gleich zu Beginn zeigt sich das drastisch: Die Kamera streift durch die Ruinen einer kleinen Stadt, deren Bewohner allesamt von Franks Bande ermordet wurden, gipfelnd im grausigen Bild eines kleinen Jungen, der erhängt an einem Strick baumelt. Mit Gott brauche man hier nicht zu rechnen, erklärt Frank einige Episoden später einer Siedlergruppe, die er und seine Männer zuvor terrorisiert hatten. Die Neue Welt: das sei das Land der Klapperschlange. Frank hält diese Rede ohne diabolische Freude; es schwingt vielmehr Bitterkeit mit. Dieses Weltbild war für Frank wohl selbst einst eine schmerzhafte Lektion. Die Figur ist eine wunderbare Altersrolle für Jeff Daniels und nur einer von vielen faszinierenden Charakteren, die die Qualität dieser Western-Serie ausmachen. Showrunner Scott Frank kennt man als Drehbuchautor (u.a. »Out of Sight«, »Minority Report«) und als Regisseur von Thrillern (»A Walk among the Tombstones«,»Die Regeln der Gewalt«). Mit »Godless« gelingt ihm ein großer Wurf, wobei ihn u.a. die Leinwand-würdige Bildsprache von Kameramann Steven Meizler und das exzellente Darstellerensemble unterstützen. Als erzählerischer Rahmen dient eine klassische Rachegeschichte, die auf einen dramatischen Showdown hinausläuft. Bei der Siedlung La Belle, die ihre Existenz einer Silbermine verdankt, taucht ein verletzter Fremder


KRITIKEN FeRNseH-tiPPs

SA 20:15 – 22:15 3sat Das Versprechen R: sean Penn Bezwingende Dürrenmatt-verfilmung Usa 2000 sehenswert ab 16 20:15 – 21:50 Disney Channel Nicolas, der kleine Weihnachtsmann R: luc vinciguerra liebenswerter animationsfilm Frankreich/Belgien 2013 ab 8 20:15 – 22:00 Servus TV Tödliche Magie R: Gillian armstrong Falsche Wahrsagerin will Houdini austricksen australien 2007 ab 14 20:15 – 22:10 VOX Verrückte Weihnachten R: Joe Roth satirisch-kurzweiliger Weihnachtsfilm nach John Grisham Usa 2004 ab 12 21:45 – 23:50 One Das Leben der Anderen R: Florian Henckel von Donnersmarck stasi-Offizier zweifelt am system Deutschland 2006 sehenswert ab 14 22:00 – 00:20 Servus TV Kein Sterbenswort R: Guillaume Canet thriller um Kinderarzt unter Mordverdacht Frankreich 2006 ab 16 22:15 – 23:15 3sat Jack Nicholson R: annette Baumeister Filmessay über den Us-schauspieler Deutschland 2017 ab 14

saMstaG 9. DEZEMBER 22:30 – 23:55 WDR Fernsehen Kleine Haie R: sönke Wortmann Drei typen wollen schauspieler werden Deutschland 1992 ab 14 23:45 – 01:10 rbb Fernsehen Zwei irre Typen auf der Flucht R: Francis veber Berufsganove gerät in amateurBanküberfall Frankreich 1986 ab 12 23:50 – 01:30 One Wie beim ersten Mal R: David Frankel Us-ehepaar sucht Hilfe beim sextherapeuten Usa 2012 ab 14 23:55 – 01:30 Das Erste The Company Men R: John Wells Manager geraten durch arbeitslosigkeit in Krise Usa 2010 ab 16 01:15 – 02:10 arte Kurzschluss – Das Magazin schwerpunkt »Oktoberrevolution« 01:30 – 03:55 Gladiator Monumentales arena-epos R: Ridley scott Usa 2000

ZDF

ab 16

01:35 – 03:28 Das Erste Die Lincoln Verschwörung R: Robert Redford Historiendrama als appell für Rechtsstaat Usa 2010 sehenswert ab 14

»Footloose« 9. Dezember

zdf_neo

Tanzfilme

Tanz und Kino sind seit der Geburt der Bewegtbilder aufs Schönste miteinander liiert. Wenn in Filmen getanzt wird, geht es öfters darum, mittels rhythmischer Bewegung gegen spießig-banale, beengende lebensumstände zu rebellieren: der körperliche Drive wird zum ausdruck einer einstellung, die gegen vorgefertigte Rollenmuster energetisch aufbegehrt. als kultverdächtige Beispiele solcher tanzender Rebellen schwingen im Rahmen des tanzfilm-schwerpunkts bei zdf_neo unter anderem John travolta (zu Rock’n’Roll in »Grease« und zu Disco-Rhythmen in »staying alive«), Kevin Bacon in »Footloose« und Jamie Bell in »Billy elliot« das tanzbein. 13:30 – 15:15 Grease 15:15 – 17:05 Grease 2 17:05 – 18:45 Footloose 18:45 – 20:15 Staying Alive 20:15 – 21:55 Billy Elliot – I Will Dance ERSTAUSSTRAHLUNG: 9. Dezember, 22.15 – 23.15

3sat

Jack Nicholson

»King of the Hill« wird Jack Nicholson nicht nur wegen seines Wohnortes in den Hügeln von Los Angeles genannt. Zum Mythos des exzentrischen schauspielers zählt auch seine Undurchschaubarkeit, wie sie sich etwa in seinem charakteristischen Zähnefletschen manifestiert, das vom Wahnsinn des schriftstellers Jack torrance in »the shinnig« bis zur nervösen Unruhe des Polizisten Jerry Black in »Das versprechen« (20:15–22:15) ganz unterschiedliche Zustände ausdrücken kann. 3sat kombiniert das packende Dürrenmatt-Drama von Regisseur sean Penn mit dem Porträt »Jack Nicholson. Das diabolische Grinsen« (22:15–23:15), das anlässlich von Nicholsons 80. Geburtstag entstand. Darin zeichnen Weggefährten und sein Biograf Patrick McGilligan den Weg des schauspielers nach, der bei der Rollenwahl Wert darauf legt, dass seine Figuren mit ihm zu tun haben. Häufig spielte Nicholson von selbstzweifeln zerfressene, neurotische Charaktere mit sexuellen Defiziten und verborgenen träumen. sein wahres Gesicht versteckte er schon als Jugendlicher hinter einer dunklen sonnenbrille. in den letzten Jahren hat sich Nicholson rargemacht, doch für das Us-Remake von »toni erdmann« meldete er sich spektakulär zurück. Peter simonischeks Part des unberechenbaren vaters, der seine arrivierte tochter aus der Reserve lockt, könnte zu einem weiteren Höhepunkt in Nicholsons Karriere werden.

9. Dezember, 01.15 – 02.10

arte

Mit einem hochkarätigen Programm historischer Kurzfilme von Dziga Vertov (»Kino-Prawda«, 1922), Sergei Eisenstein (»Glomovs Tagebuch«, 1923) und Senon Kommissarenko (»Interplanetarische Revolution«, 1924) erinnert das Kurzfilm-Magazin an das enorme künstlerische Potenzial, das die russische Oktoberrevolution freigesetzt hat. Der politische Umsturz und der mit ihm verbundene Zeitgeist veränderten nicht nur die Gesellschaft, sondern revolutionierten auch die Kultur. in den anfangsjahren blühte die avantgarde in allen künstlerischen Bereichen auf. so fanden Konstruktivismus, Futurismus und Dadaismus auch in der Filmkunst eingang und wurden in Parodien und Propaganda fantasievoll rezipiert. Die drei Kurzfilme und ihre schöpfer stehen aber nicht nur für überschießende Kreativität, sondern spiegeln auch die Grenzen des revolutionären elans. so absolvierten alle drei Regisseure 1923 gemeinsam die Kunstakademie in Moskau und gründeten das erste experimentelle animationsstudio der sowjetunion. Doch schon Kommissarenkos »interplanetarische Revolution« bekam es wegen der satirischen Darstellung mit der Zensur zu tun. in den 1930er-Jahren wurden die schwierigkeiten so groß, dass die Filmemacher ihre arbeit nicht mehr fortführen konnten. Gleichwohl wirkt der revolutionäre aufbruch bis heute nach, insbesondere in satire und Karikatur.

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Fotos S. 56 – 64: Jeweilige Sender.

Kurzschluss: »Oktoberrevolution«


SO

um z e m l fi r e d n t i s K e f s t ch a n h i e W

sONNtaG 10. DEZEMBER

11:00 – 12:33 mdr Die drei Welten des Gulliver R: Jack sher tricktechnisch reizvolle swiftadaption Usa 1960 ab 10 12:35 – 13:40 mdr Sechse kommen durch die Welt R: Rainer simon ironische Märchen-variante DDR 1972 ab 8 20:15 – 23:20 arte Der Stoff, aus dem die Helden sind R: Philip Kaufman epos über die anfänge des UsRaumfahrtprogramms Usa 1983 ab 16 20:15 – 23:00 ProSieben Mission Impossible - Rogue Nation R: Christopher McQuarry Unterhaltsam komplexer fünfter teil der action-agentenfilm-Reihe Usa 2015 ab 14

2017 10. Dezember, 20:15 – 23:20

arte

Der Stoff, aus dem die Helden sind

1984 gab es für Philip Kaufmans Adaption des Tom-WolfeRomans »The Right Suff« mehrere »Oscars«, unter anderem für ton und schnitt, da sie wesentlich dazu beitrugen, die Geschichte über die Pioniere der amerikanischen luft- und Raumfahrt zum eindringlichen spektakel zu machen. Der Film umfasst die Karriere des testpiloten Chuck Yeager (sam shepard), der 1947 als erster die schallmauer durchbrach, und reicht bis zum ende des »Mercury«Programms, das den auftakt zur Us-amerikanischen eroberung des Weltraums markierte. Die inszenierung begnügt sich nicht damit, die als Nationalhelden verehrten Pioniere auf ein Podest zu heben, sondern changiert zwischen spöttischer ironie und ehrlicher Bewunderung – und trumpft immer wieder mit mitreißenden Darstellungen der extremen Flüge auf.

Geschenkt ipp für jedes s Alter!

20:15 – 23:00 RTL Der Hobbit – Die Schlacht der fünf Heere R: Peter Jackson Die schlacht der fünf Heere NZl/Usa 2014 sehenswert ab 14 22:20 – 23:50 mdr Heißer Sommer R: Joachim Hasler Kultfilm mit DDR-schlagerstars DDR 1967 ab 8 22:50 – 00:20 SWR Fernsehen Morris aus Amerika R: Chad Hartigan afroamerikanischer Jugendlicher landet in Heidelberg Usa/Deutschland 2016 ab 14 00:05 – 01:45 NDR fernsehen Blutgletscher R: Marvin Kren souverän inszenierter tierhorrorfilm Österreich 2013 ab 16

ERSTAUSSTRAHLUNG: 10.12., 22:50 – 00:20

sWR Fernsehen

Morris aus Amerika

In Richmond, New York, war gewiss nicht alles besser. Aber dort fiel der 13-jährige Morris wenigstens nicht auf, wenn er mit Gangsta-Rap in den Ohren durch die straßen lief. Doch nun ist er mit seinem vater nach Heidelberg gezogen, wo er als »Big Mac« gedisst wird und wo das essen nicht schmeckt; alles ist hier so feindselig, dass Morris aus seinem pubertären WeltschmerzGehäuse gar nicht mehr herauskommen will. Bis die sehr blonde, sehr coole Katrin ihre Herz für den pummeligen außenseiter entdeckt, der über »dicks« und »bitches« rappt und sie distanzlos anhimmelt. emotional getragen wird der durchweg zweisprachige Jugendfilm aber von der einfühlsam erzählten vater-sohnGeschichte, mit einem Dad, der die Gefühlslage seines sohnes durchaus nachvollziehen kann. Doch wie darauf angemessen reagieren? soll er seinem sohn ein Kumpel sein oder eher doch der vater, der weiß, wo es langgeht? Für das sympathische Porträt des ausnahmezustands »Jugend« erhielt Regisseur Chad Hartigan beim sundance-Festival gleich zwei Preise.

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