We r k s t a t t g e s p rä c h m i t e i n e m d e r s p a n n e n d s te n d e u t s c h e n s c h a u s p i e l e r
Das Magazin für Kino und Filmkultur
Wä h re n d d i e Wa l t D i s n ey Co m p a ny a k t u e l l i h re Z u k u n f t m i t s t re a m i n g D i e n s te n p l a n t , ko m m t m i t „Co co “ vo n d e r D i s n eyto c h te r p i x a r e i n n e u e r, m i t re i ß e n d e r animationsfilm in die Kinos
DIenst
lars eidinger
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ridley scott
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K i n o d e r s t re s s - r e i ze : d i e b e s te n ad re n a l i n - f i l m e s i n d wa h re Ku n s t s t ü c ke
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iNhalt DIE NEUEN KINOFILME Neu im KiNo ALLE STARTTERMINE
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120 BPM 30.11. Auf Ediths Spuren 9.11. Aus dem Nichts 23.11. Battle of the Sexes Gegen jede Regel 30.11. Brimstone 30.11. Coco 30.11. Detroit 23.11. Genauso anders wie ich 30.11. Girls Trip 23.11. Happiness 30.11. Justice League 16.11. Ketenpere 2.11. Der lange Sommer der Theorie 23.11. Liebe zu Besuch 23.11. Madame 30.11. Manifesto 23.11. Der Mann aus dem Eis 30.11. Mord im Orient Express 9.11. Mountain 30.11. Mutluluk Zamani 9.11. Operation Duval Das Geheimprotokoll 23.11. Paddington 2 23.11. Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben 30.11. Überleben in Neukölln 23.11. Die Vierhändige 30.11. Whatever Happens 30.11. Yol Arkadaşım 2.11. Zeit für Stille 30.11.
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KiNotipp
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der katholischen Filmkritik
39 Aus dem nichts 36 coco Ein Animationsabenteuer um einen Jungen, das Reich der Toten und die Notwendigkeit, den eigenen Lebensweg zu finden
ferNseh-tipps 56 arte zeigt die zweite Staffel der austraiischen Serie „Top of the Lake“ und setzt die Reihe zum 100. UFA-Geburtstag fort. KiKA strahlt die sechsteilige Serie „Dschermeni“ um junge Flüchtlinge aus. 4
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44 BAttle of the sexes
Fotos: TITEL: Walt Disney. S. 4/5: Walt Disney, Koch, mindjazz, Warner Bros., Fox, DCM, Concorde, EuroVideo
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RUBRIKEN EDITORIAL 3 INHALT 4 MAGAZIN 6 DVD-KLASSIK 34 DVD/BLU-RAY 52 TV-TIPPS 56 FILMKLISCHEES 66 VORSCHAU / IMPRESSUM 67
KiNo
aKteure
filmKuNst
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24 KAthrYn BiGeloW
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10 ADRENALIN-KINO
22 IRENE VON ALBERTI
27 E-MAIL AUS HOLLYWOOD
Filme wie „Mad Max - Fury Road“, „Victoria“ oder „Good Time“ arbeiten mit permanenter Anspannung, die sich auf den Zuschauer überträgt. Adrenalin-Filme leben von der formalen Perfektion. Eine Hommage.
In ihrem neuen Film „Der lange Sommer der Theorie“ inszeniert die Regisseurin ein spannendes essayistisches Diskurstheater. Ein Gespräch über Suchbewegungen in der Gegenwart.
Die Walt Disney Company sucht trotz ihrer Kino-Erfolge nach neuen Ausspielkanälen. Damit positioniert sich das Studio auch gegen den wachsenden Einfluss digitaler Großunternehmen in Hollywood.
Von Kathrin Häger
Von Ulrich Kriest
Von Franz Everschor
16 RIDLEY SCOTT
24 KATHRYN BIGELOW
28 LARS EIDINGER
Der britische Erfolgsregisseur feiert Ende November seinen 80. Geburtstag. In seinen Filmen lotet er die Grenzen vom Mainstream- zum Autorenkino aus. Eine Würdigung. Von Lucas Barwenczik
20 FESTIVALS
Die US-Regisseurin wendet bei „Detroit“ bereits zum dritten Mal die Dramaturgie des „Cinematic Journalism“ an. Diese zieht die Zuschauer besonders stark in historische Geschehnisse hinein. Eine Analyse ihres Stils. Von Tim Slagman
Der Berliner ist einer der markantesten deutschen Darsteller, ob in Kino, Fernsehen oder Theater. Ein Gespräch über Schauspielerei als Form der Selbstfindung und der aufgedeckten Peinlichkeiten. Von Michael Ranze
32 »SCHAMANEN IM BLINDEN LAND«
Beim 60. DOK Leipzig stachen Filme über gesellschaftliche Ängste hervor, die Hofer Filmtage bieten auch unter neuer Leitung bemerkenswerte Entdeckungen.
26 IN MEMORIAM
Nachrufe auf den deutsch-britischen Kameramann Walter Lassally und den DEFA-Produktionsleiter Herbert Ehler.
Der 1980 entstandene Klassiker des ethnologischen Films von Michael Oppitz erscheint erstmals auf DVD.
Von Rainer Gansera und Ulrich Kriest
Von Thomas Brandlmeier und Ralf Schenk
Von Claus Löser
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SÜSS E R aU f r e g e n D aU f g e r e g t e erZÄhlforMen: eine hoMMage an DaS aDrenalin-Kin o 10
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S TR E S S im wahren Leben versuch en wir sie tunlichst zu vermeiden, im kino liebe n wir sie: die Stress-Reiz e, die den Blutdruck in die Höhe treiben, schweißnasse Hä nde bescheren und einem den Atem stock en lassen. Ein spannendes Sujet allein reicht dafür aber nicht. Die besten Ad renalin-Filme sind vor all em formale kunststücke, deren Regisseure darin br illieren, mit filmischen Er zählmitteln unseren Gefühlshaushalt zu mani pulieren. Und: Sie verlang en nach dem kino als ort, in dem man sich ihnen als Erlebni s konzentriert aussetzt. Vo n Kathrin Häger FILMDIENST 24 | 2017
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Unbarmherzig kurze Violinstriche tauchen Christopher Nolans „Dunkirk“ in ein lautes Ticken. Wie ein Metronom der Angst hat Hans Zimmer seinen mollig orchestrierten Soundtrack „eingestellt“, eine Musik, die Gänsehaut verursacht – wie das kalte Salzwasser, vor dem sich im Mai 1940 annähernd 380.000 britische Soldaten aufreihten, um am Strand vor Dünkirchen auf Schiffe zu gelangen, die sie über den Ärmelkanal bringen, bevor die Deutschen die belagerte Stadt stürmen. Die Panik steht den jungen Soldaten ins Gesicht geschrieben, während Fliegerbomben im Strand einschlagen und der Feind hinter den Dünen vorrückt. Als die Schiffe endlich kommen, werden die Erstickungsszenen in den mit Wasser volllaufenden, dunklen Bäuchen zum Pendant der Bombardements am helllichten Tag. Mal erinnern die anschwellenden Partituren an die Klänge eines Echolots, mal an aneinanderreibende Metallstreben, dann wieder an Sirenen, die einen in hellen Aufruhr versetzen. „Eine Stunde. Ein Tag. Eine Woche.“ So unterteilt Nolan diesen dreigliedrigen Albtraum, den er aus der einstündigen Perspektive eines Abfangjägers, der eintägigen Fahrt eines Fischkutters und dem einwöchigen Aufenthalt zweier Soldaten am Strand von
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Dünkirchen ineinander verwebt. Da mischt sich die Handkamera in die Gruppe zusammengepferchter Soldaten, steigt wie die Flugzeuge in die Luft und lässt sich von mit brennendem Öl bedeckten Wellen umspülen: Alles ist in Bewegung, kein Stillstand, keine Ruhe, keine Atempause.
Ein Spiel aus Überinszenierung und nacktem Realismus Was ist „Dunkirk“ doch für ein beklemmendes, aufreibendes und daher fantastisches Beispiel für ein Kino, das einen geradezu körperlich packt, das einem das Adrenalin durch die Adern pumpt – und dabei sehr berechnend auf all die Elemente zurückgreift, die einen nur im Kinosessel so packen und nicht mehr loslassen: die Größe der Leinwand, die Wucht der Sound-Anlage, die Wahl einer subjektiven Kamera oder eines rasanten Schnitts. Was Nolan hier macht, gehört seit der Projektion des einfahrenden Zugs der Brüder Lumière, der die Leute von den Sitzen springen ließ, zu den Spezialitäten des Mediums, vor allem des Genre-Kinos. Gewiss, die Sensationsschwelle ist seitdem weit nach oben gewandert, aber in Zeiten, in denen die Menschen vor
ihren Streaming-Geräten sitzen, scheint die Affekt-Orientierung des Kinos nicht nur wichtiger zu werden. Sie wird im Endeffekt auch ausdifferenzierter. Ganz verschiedene Formen nehmen diese Art von Filmen mittlerweile an, die vor allem das gemeinsame Ziel verbindet, unseren Stresshormon-Spiegel hochzutreiben und dem der Figuren anzugleichen, die auf der Leinwand in extreme Ausnahmesituationen geworfen werden. So auch der Thriller „Good Time“ (2017) von Ben und Joshua Safdie, in dem die Brüder Connie und Nick einen Banküberfall begehen, der den geistig zurückgebliebenen Nick ins Gefängnis katapultiert. „Good Time“ klingt vor allem nach überlaut einbrechenden, an „Blade Runner“ erinnernden Elektro-Kompositionen, die kaum mal eine Verschnaufpause einräumen. So stressig wie die Tonspur ist das Bild, das den atemlosen Beginn des Überfalls mit spiegelnden Fenstern, Säulen und Passanten füllt, die sich zwischen die fliehenden Brüder und die Kamera quetschen. Hektisch geschnitten, drängt sich ein aus dem Ruder laufender Gefängniskampf penetrant ins Ohr. Ein Spiel aus Überinszenierung und nacktem Realismus: Die Kamera drängt sich den Gesichtern auf, zeichnet Nicks Verwirrung ob der bedrohlichen Aggression nach, die er später selbst
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suchen wird. Hier wird deutlich, warum Connie so schnell in eine Spirale weiterer Gewalttaten gerät, um seinen Bruder so schnell wie möglich, nämlich in einer einzigen Nacht, aus der Haft zu bekommen.
Gegen die Zeit: Die Tonspur klopft, tropft, tost Gemeinsam ist Filmen wie „Dunkirk“ oder „Good Time“ die Kompression einer Zeitspanne, in der ein Ziel erreicht werden muss. Die „taktvolle“ Engführung von Schnitt und Musik zielt dezidiert auf die Gleichzeitigkeit der Ereignisse. So bediente sich auch schon „Lola rennt“ (1998) seiner an der Montage orientierten Techno-Klänge, um den Titel Programm werden zu lassen: Lola fängt an zu rennen – und die Bilder beginnen zu rasen. In drei „Durchläufen“ schickte Tom Tykwer die rothaarige „Slackerin“ durch die Straßen Berlins, um für ihren Freund Manni in 20 Minuten 100.000 DM aufzutreiben. Die rasante Gleichzeitigkeit der Geschehnisse fängt der Film in nebeneinander geschobene Split-Screens ein. Die philosophische Botschaft vom Schmetterlingsflügelschlag, der die ganze Welt verändern kann, findet
sich in den rasant montierten Lebenslauf„Snapshots“ der Menschen, die Lola im Vorbeilaufen touchiert. Eine vertrauliche Bettszene dient als Zäsur, bevor die Zeit wieder auf null zurückgedreht wird. Was zunächst nichts daran ändert, dass jeder Versuch entweder mit Lolas oder Mannis Tod endet – bis das Hamsterrad des Scheiterns durch das Schicksal gestoppt wird. Dafür aber muss in einer perfekt durchchoreografierten Zeitspanne alles ineinandergreifen, sonst ist alles nichts. Darin gleicht „Lola rennt“ Christopher Nolans Thriller „Inception“ (2010), für den Hans Zimmer ebenfalls einen wegweisenden packenden Soundtrack komponierte, der die Spannungskurven voll ausfährt. Nur dass hier nicht das Schicksal, sondern cleveres Kalkül Trumpf ist, während auf den implantierten Traumebenen eine Minute zu einer Stunde oder zu einem ganzen Leben wird.
Film als Schlachtfeld: Wenige Sekunden nur, da bricht im All die Hölle los Wenn „Dunkirk“ die Schrecken des Kriegs für Millionen in großer Intensität spürbar macht, dann lässt „The Revenant – Der
Rückkehrer“ (2015) den Kampf eines Einzelnen inmitten einer rauen Natur mitfühlen, die einer noch brutaleren Gesellschaft zur Heimat werden soll. Die fieberhafte Survival-Fabel in den eiskalten Wäldern des Wilden Westens wird bei Alejandro G. Iñárritu zum bildgewaltigen Körperkino, das den Menschen ohne die dünne Decke der Zivilisation als das Raubtier zeigt, das er ist. Dabei ist es zu Beginn noch eine GrizzlyBärin, die den Körper des Trappers Glass mit ihren riesigen Klauen zerfleischt – ohne Unterlass, ohne Gnade, was diese Szene wohl zu einem der realistischsten Raubtierangriffe der Filmgeschichte macht. Der „Rückkehrer“ Glass, der nach der Ermordung seines Sohns mit seinen Verletzungen und seinen Rachegedanken allein zurückgelassen wird, durchläuft ein Martyrium, das auch für manchen emphatischen Zuschauer zur Tortur wird. Die Tonspur scheint klopfend, tropfend, tosend selbst auf dem Kriegspfad zu sein. Die Kamera durchbricht die vierte Wand des Films, wenn die Linse vom Atem des Grizzlys beschlägt, sich von reißenden Flüssen umspülen und von Schneeflocken bedecken lässt. Ab und an taucht sie in die Totalen einer atemberaubend erhabenen Natur. Was könnte unsere Ur-Instinkte stärker antriggern?
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Im Adrenalin-Film gibt es nicht einfach nur Kampfszenen. Se sind sozusagen ein einziges Schlachtfeld, ein einziger langer Kampf, der zwei Richtungen kennt: Attacke oder Flucht. Intensiviert wird diese Situation durch einen Handlungsort, der in seiner Unwirtlichkeit kaum zu übertreffen ist und die Spannungsamplitude konstant hochhält. Der Hai-Thriller „Open Water“ (2003), Alfonso Cuaróns Weltraum-Survival-Film „Gravity“ (2013) oder George Millers Wüsten-Dystopie „Mad Max: Fury Road“ (2015) wissen aus ihren Settings ein Maximum an Bedrohung herauszuholen. Wie großartig ist allein schon der Einstieg in „Gravity“, in dem eine der Schwerkraft völlig enthobene Kamera die an ihrer Station herumbastelnden Astronauten umschwebt, als plötzlich die Nachricht von heranrasendem Satelliten-Schrott die ausgelassene Kommunikation zerreißt. Wenige Sekunden nur, da bricht im All die Hölle los. Die Lautstärke schwillt an wie die Panik, als die Geschosse alles Getroffene ins Rotieren bringen und die Wissenschaftlerin Dr. Stone in die Weiten des Alls katapultieren. Völlig hilflos spiegelt sich die Erde in ihrem rotierenden Raumhelm wieder, in den die Kamera schlüpft, um hautnah an ihrer Verzweiflung teilhaben zu lassen. Cuarón etabliert eine hochspannende Notsituation im lebensfeindlichen Nichts, in dem alles auf Kante genäht ist und ein Seil zum Ankerpunkt wird, um dem sicheren CO2-Tod zu entkommen. „Wolkenloser Himmel mit Aussicht auf Satellitenschauer“, witzelt die Frau, die auf der Erde ihre Tochter verloren hat und nun im Weltraum um ihren eigenen Lebensmut kämpft. Da ist Dr. Stone längst allein mit sich, dem All und dem Zuschauer, der ihre Dunkelheit im vom dröhnenden Sound mitvibrierenden Kinosaal teilt.
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Während Cuarón hier nicht zuletzt auf Klaustrophobie als Stress-Mittel setzt, wenn er seine Protagonistin verloren in ihrer Raumkapsel um ihr Leben bangen lässt, setzt George Millers „Mad Max: Fury Road“ auf rasende Bewegung und übertrumpft die Vorgängerfilme der Reihe in einem (Motoren-)Wahnsinn voller Camp und Einfallsreichtum. Im Mittelpunkt steht, dem Titel zum Trotz, eine Frau, die nur noch einen Arm besitzt, dafür aber mit ihrem Fuß unbeirrt aufs Gaspedal tritt – Tank Girl 2015. Imperator Furiosa stiehlt dem ZitadellenDiktator Immortan einen als Kriegsmaschine umfunktionierten Tanklaster und fünf seiner schönsten „Brüterinnen“, als sie auf Max trifft, der sich von den Lebenden wie von den Toten verfolgt sieht. Miller präsentiert Action in Reinform, die mit einem fulminanten, von Verdis „Dies Irae“-Streichern inspirierten Soundtrack angetrieben werden, während die Wüste Sandstürme, CanyonSchluchten und Sümpfen aufbietet. Atemlos inszeniert, kreuzen und wirbeln die Fahrzeuge nur so übereinander. Mit explosiven Speeren bewaffnete Warboys wippen auf überlangen Lanzen auf und ab. Explosionen, so weit das Auge reicht. Bis nach 80 Minuten Dauerbefeuerung eine Art Ruhe vor dem nächsten Sturm einkehrt. Der Vergleich zu Steven Spielbergs „Duell“ (1971) liegt auf der Hand, nur dass es in dem damaligen Zweikampf ein monströser Truck war, der einem Privatwagen die Hölle heißmachte. „Flammable“ steht auf dem Heck des überdimensionierten Tanks, und leicht entflammbar ist auch das Gemüt seines unsichtbar bleibenden Fahrers, der einen Familienvater in ein nervenaufreibendes Spiel aus Auffahren, Rammen und Auflauern zieht. Grundlose Aggression bricht sich im ohrenbetäubenden Aufheulen der Motoren und Hupen Bahn, während die
Kamera nah am schwitzenden Gesicht des Verfolgten, seinem Tacho und Rückspiegel kleben bleibt. Willkommen beim „High Noon“ im Western der Automobilität.
kamera-Terror: nicht manipuliertes Zeugnis der „Wahrheit“ In diesen offensichtlich fiktiven Formen sind es oft Musik und Schnitt, die den Überlebenskampf der Helden vorantreiben. Nichts aber macht das Erleben auf der Leinwand so nahbar wie das Bemühen der Kamera um die Authentizität ihrer Bilder. Und welche Bilderfolge könnte intensiver wirken als die einer Kamera, die der Erzählung inhärent ist und von den Protagonisten selbst getragen wird? Filme wie „[Rec]“ (2007) oder „Cloverfield“ (2008) arbeiten mit vermeintlichem Found-Footage-Material und beerben damit Horror-Klassiker wie Ruggero Deodatos medienkritischen „Cannibal Holocaust“ (1980). Was die neueren „Exemplare“ davon unterscheidet, ist die Ausschließlichkeit des Stilmittels und die Vehemenz, mit der sie ihre Figuren einem plötzlich einbrechenden Dauerterror aussetzen. Die digitale SD-Karte, die in der Area US-447, vormals auch als Central Park bekannt, gefunden wird, zeichnet den Überlebenskampf einer Handvoll Jugendlicher nach. Ohne Filmmusik wird die ausbrechende Panik umso nackter, als Manhattan der Zerstörung durch ein Monster aus dem Meer preisgegeben wird. Schwarze Bildausfälle der Kamera, die natürlich auch die Möglichkeit zum Schnitt beherbergen, durchbrechen die Versuche der Gruppe, zu eine Freundin vorzudringen, die im größten Inferno der Rettung harrt. Verdoppelt
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Fotos: Universal/Warner Bros./Temperclayfilm
wird die Drucksituation, als bekannt wird, dass in Kürze die komplette Zerstörung des Stadtteils von Seiten der Befehlshaber droht. Umso authentischer das Beweismaterial, umso größer der Eindruck des Ausgeliefertseins und umso intensiver das EmpathieErleben des Zuschauers – das hat der „Monsterfilm auf Tuchfühlung“ mit Jaume Balagueros „[Rec]“ gemeinsam. Schließlich geht es im Kino auch um das Mitleid(en). In dem spanischen Zombie-Infektion-Thriller wird ein die Feuerwehr begleitendes Kamerateam mit einem Virus konfrontiert, der die Bewohner eines von der Gesundheitsbehörde unter Quarantäne gestellten Mehrfamilienhauses nach und nach in beißwütige Monstren verwandelt. Stock für Stock arbeiten sich die Überlebenden ins Ungewisse nach oben vor, während die filterlosen Bilder der Reportage-Kamera alles vermeintlich dokumentarisch klar durchleuchten. Der filmische Raum wird durch die Gebundenheit an den Kameraträger nicht nur extrem eingeschränkt, er wird auch klar zum nicht manipulierten Zeugnis der „Wahrheit“ deklariert. Die Kamera bleibt liegen, filmt Unwichtiges, gibt Bildmaterial preis, das gerade überspielt wird. Dass offensichtlich niemand das Material beschnitten hat, dient als weiterer wichtiger Authentizitätseffekt.
„Victoria“ : Virtuoser, schnittloser Trip durch Berlin Das einzige, was die größtmögliche Unmittelbarkeit noch steigern kann, ist eine vermeintliche Schnittlosigkeit, die Zeit und Raum erneut begrenzt. So folgt die Kamera von Alejandro G. Iñárritus „Birdman“ (2014) dem Ego-Trip des Broadway-Schauspielers Riggan auf Schritt und Tritt. Ab und an wird
das Bild vom Schatten eines Türrahmens verschluckt oder verliert sich in der Rasanz einer telekinetisch gegen die Wand geknallten Vase – beste Gelegenheit für einen digital überschminkten Cut. Wer nicht genau darauf achtet, für den eröffnet „Birdman“ die Atemlosigkeit eines One-Take-Films, in dem kein Wechsel des Blickwinkels den Eindruck der rastlosen Kontinuität zerstört. Wo „Birdman“ zeitliche Sprünge, mal über einen Tag, mal eine Stunde vollführt, da ist der wirkliche One-Take-Film „Victoria“ (2015) so „real time“ wie es nur geht. Im laut Regisseur Sebastian Schipper dritten Anlauf funktionierte der 140 Minuten lange Dreh an einem Stück, der eine unvergleichliche Intensität bietet. Eine Meisterleistung der Schauspieler, der Kamera und der Logistik, die Berlin in einer irrwitzigen Kontinuität zum Spielort dieses Eskalationslehrstücks werden lässt. Kunstvoll ausgetüftelt und wahrscheinlich öfter improvisiert als man es erahnt, lässt die Kamera nie von der jungen Spanierin Victoria ab, die Anschluss sucht und diesen in einer Gruppe Berliner Jungs findet, denen nicht die besten Aufstiegschancen in die Wiege gelegt wurden. Dieser schnittlose Trip durch Berlin ist so authentisch und fesselnd, weil er in Echtzeit die Figuren näherbringt: ihre Vergangenheit, Lieblingsorte und Wünsche. Weil er erleben lässt, wie sich Sonne und Victoria ineinander verlieben, wie schnell größtes Glück in schlimmste Bedrängnis wechseln und wie eine alte Verpflichtung aus dem Gefängnis in der Freiheit zur immer tödlicher drehenden Gewaltspirale werden kann. Fragt man, wodurch sich das „Adrenalin-Kino“ von heute auszeichnet, so stellt sich zugleich die Frage, inwieweit seine Weiterentwicklung nicht gleichzeitig zum Siegeszug der Computerspiele, der Reality-Formate
und Serien in Fahrt kam. Eine Serie ist auf Länge und Kontinuität mehrerer Staffeln ausgelegt, auf die Auffächerung seines Figuren-Ensembles und deren Probleme. Adrenalin-Filme sind als in Zeit und Raum komprimierter, konzentrierter Gegenentwurf vielleicht tatsächlich die natürliche Reaktion eines stark mitgenommenen Kinos, das seine Zuschauer abseits der Blockbuster-Actionfilme mit anspruchsvollen, aber nicht weniger intensiven Filmen zu halten versucht – auch mit Mitteln, die sonst Genre- und Games-Fans bei der Stange hält. Glich „Lola rennt“ schon einem Computerspiel, in dem man sich zu einem „Neustart“ entscheiden kann, weil an manchen Stellen vielleicht doch die falsche Abzweigung genommen wurde, so treiben die Nachfolgefilme die Ego-Shooter-Perspektive auf die Spitze. Den Videogames ähnelt auch der Eindruck eines ungeschnittenen, nahtlosen Filmerlebens, in dem man (z.B. durch den Gang in die Küche) höchstens noch zum eigenen Schnittmeister wird. Selbst wenn das im Moment des Ablebens passiert, wie 2010 in Gaspar Noés psychedelischer EgoÜberformung von „Enter the Void“. Letztlich offeriert jeder Adrenalin-Film die Inthronisierung des Zuschauers, dem nicht nur etwas erzählt, sondern der mit den Leinwand-Figuren auf dasselbe Stresshormon-Level gehoben werden soll. Vielleicht sind das die Vorboten neuer VR-basierter Welten, die man jetzt schon viel zu oft allein vor seinem Streaming-Gerät betritt. Aber auch dieses Gefühl der Einsamkeit ist den Figuren besagter Filme ja alles andere als fremd. Ja, sie ist sogar Grundlage für die Potenzierung der Bedrohung, und die scheint auch das Kino zu fühlen. Dementsprechend aufgescheucht reagiert es, aber auch schlagkräftig mit ganz neuen, aufregenden Formen. •
FILMDIENST 24 | 2017
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Akteure kathryn bigelow In Kathryn Bigelows „The Hurt Lucker“ (2008) gibt es eine Szenenfolge, die als einer der härtesten „Jump Cuts“ in die Filmgeschichte eingegangen ist. In ihr wird Jeremy Renner als Sergeant William James aus der Wüste und dem Staub und dem Krieg in einen Supermarkt befördert, wo Dutzende Sorten Cornflakes in scheinbar identisch bunten Packungen auf ihre Auswahl warten. Diese Schnittfolge verwandelt eine Geschichte über Draufgängertum und die nervenzerfetzenden Sekunden vor der Entschärfung eines Sprengsatzes in ein sozialpsychologisches, ja politisches Statement: Die Intensität des Krieges kann deine Seele in Stücke reißen, und sie allein verspricht, sie auch wieder zu heilen. William James wird bald einen weiteren radikalen Ortswechsel vollführen, aus dem Kinderzimmer zurück in den Irak, wo er in einer neuen Einheit mit der alten Aufgabe, mit den Händen nur Millimeter vom Zentrum einer möglichen Explosion entfernt, nach seinem Seelenfrieden sucht. Für „The Hurt Locker“ gewann Kathryn Bigelow als erste und bislang einzige Frau den „Oscar“ für die Beste Regie. Doch einen Wendepunkt in ihrer Karriere, die sich bis dahin mit exquisiten Genrefilmen wie „Near Dark“ (1987) oder „Strange Days“ (1994) schmücken konnte, markierte der Film vor allem durch einen Ansatz, den Bigelow als „Cinematic Journalism“ beschrieb. Bei „The Hurt Locker“ begann ihre langjährige
kAtHryn BiGelow koMpriMiert die Historie in intensivierten
MoMentAufnAHMen
tödliCHe GewAlt die us-amerikanische regisseurin kathryn Bigelow und ihr drehbuchautor Mark Boal haben in ihren gemeinsamen filmen eine dramaturgie entwickelt, die sie „Cinematic Journalism“ nennen. die Zuschauer werden dabei extrem stark in die fiktionalisierten historischen Geschehnisse einbezogen. wie jetzt in „detroit“ (kritik in dieser Ausgabe). die frage: verflüchtigt sich dabei der gesellschaftliche kontext?
Von Tim Slagman
Zusammenarbeit mit dem Journalisten und Drehbuchautor Mark Boal, der nicht nur umfangreiche Recherchen zu „Zero Dark Thirty“ (2012) und der aktuellen Produktion „Detroit“ beisteuerte. Boal beherrscht ebenso die Kunst der Verdichtung, der Konzentration, allerdings auch der Auslassung, die er gemeinsam mit Bigelow zu einem erzählerischen Muster perfektionierte, das sich noch besser als mit dem Ausdruck „Kino-Journalismus“ mit einem Begriff der intensitätsbetonten, individualistischen Reformulierung von historischen Ereignissen beschreiben ließe.
Historische Augenblicke als Momente tödlicher Gewalt Damit einher geht eine starke Dynamisierung des Moments, am stärksten in „The Hurt Locker“ und „Detroit“, in dem die hektischen Bewegungen der Handkamera weniger an das Mittendrin von TV-Nachrichten erinnern, weniger Nervosität dokumentieren, als diese vielmehr erst erzeugen, um ein Maximum an Angespanntheit, an Bewegung und potenzieller Gewalt aus einer Szene herauszuholen. Dieses Handwerk beherrscht Bigelow nahezu perfekt; ihre Filme involvieren den Zuschauer stark in den fiktionalisierten geschichtlichen Moment. Die erzählte Zeit formen Bigelow und Boal dabei in ein grob
Fotos: Concorde
„der ,Cinematic Journalism‘ nimmt sich in ‚detroit‘ die freiheit, ein Gerichtsurteil, das die angeklagten polizisten freisprach, zu revidieren.“
drei szenen aus kathryn Bigelows „detroit“
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FILMDIENST 24 | 2017
kathryn bigelow Akteure skizziertes Vorher und in beinahe in Echtzeit beobachtete Kulminationsaugenblicke. In „Detroit“ springen sie durch Stunden und Tage der aufwallenden Unruhen im Jahr 1967, die sich in einer überaus brutalen, bis in den einzelnen Schlag, den einzelnen Schrei und den einzelnen Schuss erzählten Razzia im Algiers Motel entladen. In „Zero Dark Thirty“ dauert es sogar Jahre, bis die Ermittlungen zum Überfall auf den Unterschlupf von Osama Bin Laden führen. Auch hier bleibt kein Raum unerkundet, keine Türklinke ungerüttelt, nicht alle Einwohner verschont: Die entscheidenden Momente der Historie sind bei Bigelow Momente tödlicher Gewalt, die sich aus der Perspektive der Schützen wie der der Opfer entfalten. Die filmische Bewegung führt die Navy Seals über grausame Umwege ans Ziel, die Bewegung im Algiers Motel hingegen ist ihre eigene Grausamkeit als Selbstzweck. Einmal nimmt Bigelow in „Detroit“ mit auf die Suche und zeigt, dass womöglich auch Unschuldige dieser Suche zum Opfer fallen; im anderen Fall ist die Schuldfrage so eindeutig, dass der Schock das Publikum aufrütteln soll. Bigelows Filme mit Mark Boal sind Werke, in denen die Emotion den Kontext besiegt und die Erfahrung des Einzelnen die Komplexität der Gesellschaft erdrückt. Diese Ursprungslosigkeit erfasst auch und vor allem die Figuren: CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain) verfolgt Bin Laden mit
einer wachsenden Entschlossenheit – weil sie nichts anderes kennt im Beruf und, so suggerieren es einige Szenen, auch nicht im Leben. William James lebt und, noch schockierender, liebt eigentlich nur als Sergeant. Seine Familie ist die Einheit, seine Braut die Bombe. Wo kein biografischer Ballast im Moment der Tat die Gehirne zukleistert, lässt sich dieser Moment umso unbeschwerter intensivieren. Die große Leere folgt zwangsläufig, wenn nicht mehr gehandelt werden kann – nach der Tötung des Terroristen, nach der (vorübergehenden) Heimkehr aus dem Krieg.
die moralische wertung ist jeder einstellung eingeschrieben Boals Drehbücher erzählen in ihrer radikalen Reduktion, die nicht mit Kürze zu verwechseln ist, lediglich von den Mikroeinheiten politischen Handelns. Für einen Film, der wie „The Hurt Locker“ die Verheerungen des Krieges beschreiben will, mag das genügen. Für die Rekonstruktion eines historischen Ereignisses, die wie „Detroit“ einen spezifischen Moment der Geschichte behandelt, scheint diese Vorgehensweise unbefriedigend – es sei denn, deren einziger Zweck liege tatsächlich in der Spiegelung des Themas in die Gegenwart und im Hinweis auf die zerstörerische
Brutalität eines keineswegs überwundenen Rassismus. Erstaunlicherweise ist es in den USA relativ still um „Detroit“ geblieben. Dies überrascht umso mehr, als sich der „Cinematic Journalism“ hier die Freiheit nimmt, ein Gerichtsurteil, das Polizisten immerhin vom Mordverdacht freisprach, in seiner Erzählung zu revidieren. Die Wahrheit lebt vor allem in der einzelnen Situation, deutlicher offenbar als in einem gesellschaftlichen Prozess, der diesen Situationen in den Filmen zumeist äußerlich bleibt. Doch die Detailversessenheit, mit der Boal und Bigelow ihre Filme machen, öffnet einen weiteren Raum für Kritik: Veteranen beschwerten sich über die aus ihrer Sicht ungenaue Darstellung der Abläufe in „The Hurt Locker“. „Zero Dark Thirty“ löste eine große Diskussion aus über die Schilderung der Folter als erfolgreiches Ermittlungsinstrument – und später dann auch über den Preis, den man als Filmemacher wohl habe zahlen müssen, um derart exklusive Einblicke ausgerechnet von der CIA gewährt zu bekommen. Doch es ist gerade der Verzicht auf abstrakte Reflexionen über Ursachen und Nebeneffekte, der diese Filme prägt. In ihrer Geschlossenheit öffnen sie sich dem Weltbild des Publikums. Und genau darin beschreibt „Detroit“ womöglich einen weiteren Wendepunkt, da hier die moralische Wertung des Geschehens jeder Einstellung ganz eindeutig eingeschrieben ist. •
„es ist gerade der verzicht auf abstrakte reflexionen über ursachen und nebeneffekte, der diese filme prägt.“
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KritiKeN NEUE FILME
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FILMDIENST 24 | 2017
Coco Farbenprächtige Reise ins mexikanische Totenreich Hinweise darauf findet, dass es sich bei Cocos Vater um den legendären mexikanischen Musiker Ernesto de la Cruz handelt, den er über alles verehrt, und Miguel kurz vor den jährlichen Festlichkeiten um den „Día de los Muertos“, den Tag der Toten, eine Gitarre seines Idols in die Hände fällt, geschieht etwas Seltsames. Plötzlich findet sich Miguel im Jenseits wieder. In die Welt der Lebenden kann er nur zurückkehren, wenn einer seiner verstorbenen Verwandten sich für ihn einsetzt. Miguels Ururgroßmutter Mamá Imelda könnte dies tun. Aber sie stellt eine Bedingung. Miguel soll seinen Wunsch aufgeben, Musiker zu werden. Etwas bemüht wirkt Miguels Übertritt ins Totenreich. Aber sobald der Junge die Schwelle überschritten und die mit abertausenden orangefarbenen Blättern bedeckte Brücke überquert hat, überwältigt der Film mit unglaublich detaillierten Tableaus voller leuchtender Farben. Diese von allerlei Skeletten und mythischen Tieren
bewohnte Welt ist alles andere als gruselig; parallel zum „Día de los Muertos“ wird hier eine große Party gefeiert. Und viele machen sich auch auf den Weg, um ihre noch lebenden Verwandten an den Festtagen zu besuchen – sofern sie es noch können. Bald trifft Miguel auf Hector, dem die Zeit wegläuft. Seine Familie in der Welt der Lebenden droht ihn zu vergessen. Wenn dies geschieht, ist es auch mit dem Leben nach dem Tod vorbei. Um den Wert von Erinnerungen geht es bald in „Coco“, um das unsichtbare Band, das die Menschen mit ihren Vorfahren verbindet, um den Wunsch, Spuren zu hinterlassen, um ein Bewusstsein von Familiengeschichte. Ganz sanft streut der Film die ernsten Untertöne in seine Geschichte, die zunächst von Schauwerten bestimmt wird, mit viel Liebe zum Detail die Bräuche rund um den Tag der Toten darstellt und auch durch die Musik die mexikanische Kultur aufleben lässt. Schwung erhält der Film unterdessen durch den rebellischen Miguel, der sich seine Träume nicht verbieten lassen will. Auf eigene Faust macht er sich, getarnt als Skelett, auf den Weg durch das Land der Toten. Niemand geringeres als Ernesto, der auch im Jenseits ein Star ist, soll ihm dabei helfen, wieder ins Reich der Lebenden zurückzu-
kehren. Aber der erweist sich als anders, als Miguel es sich erhofft hatte. Obwohl Miguel alles zu verlieren hat, seinen Traum, seine Familie und sogar sein Leben, wenn er nicht vor Sonnenaufgang das Land der Toten wieder verlässt, bleibt ausgerechnet diese Figur ein wenig blass. Miguels Figur fehlt das Außergewöhnliche. Durch seine Träume, den Wunsch, seinen eigenen Weg zu gehen und die Auflehnung gegen die Vorschriften seiner Familie stellt er zwar eine gute Identifikationsfigur dar. Aber richtig zu Herzen gehen die Nebenfiguren. So ist es überaus stimmig, dass die liebenswerte Greisin Coco mit ihren tiefen Falten die Titelfigur des Films ist. Zu ihr führt die Geschichte zurück. Sie ist das emotionale Zentrum des Films. Stefan Stiletto
BeweRtung DeR filmkOmmissiOn
Kurz vor den Feierlichkeiten zum „Día de los Muertos“ gerät ein zwölfjähriger Mexikaner ins Land der Toten. Um zurückzukehren, muss er seinen verstorbenen Verwandten versprechen, nicht länger Musiker werden zu wollen, dabei bedeutet die Musik dem Jungen alles. In farbenprächtigen Bildern erzählt der mit viel Liebe zum Detail inszenierte Animationsfilm von einem Jungen, der seinen eigenen Weg geht, aber auch von der Kraft der Erinnerungen, die eine Familie erst zur Einheit formt. Die ernsten Untertöne werden sanft in die an Schauwerten reiche Geschichte eingebettet, die dank ihrer herzergreifenden Menschlichkeit und tiefer emotionaler Momente berührt. – Sehenswert ab 10.
COCO. Scope. 3D. USA 2017 Regie: Lee Unkrich länge: 109 Min. | kinostart: 30.11.2017 Verleih: Disney | fD-kritik: 45 081
Fotos S. 36–51: Jeweilige Filmverleihe
Wenn es etwas gibt, was viele Pixar-Filme von anderen CGIAnimationen unterscheidet, dann sind das jene Momente, in denen eine tiefe, herzergreifende Menschlichkeit ins Spiel kommt. Szenen wie jene aus „Toy Story 3“, in der auf einmal nicht mehr nur über Spielzeugpuppen mit einem Eigenleben erzählt wird, sondern über Erinnerungen, den Abschied von der Kindheit und das Älterwerden. Wie jene aus „Oben“, in der in einer dialoglosen, ungemein berührenden Montagesequenz das ganze Leben eines alten Paars mit all seinen Höhen und Tiefen gezeigt wird. Oder wie nun in „Coco“, wenn ein zwölfjähriger Junge seiner dementen Ur-Oma, die ihre Umwelt nur noch durch einen dichten Schleier wahrzunehmen scheint und nahezu reglos in einem Rollstuhl sitzt, ein Lied vorsingt, das eine Tür zu deren Vergangenheit öffnet und zugleich offenbart, wie eng der Junge mit seiner Ur-Oma verbunden ist. Coco lautet der Name dieser Ur-Oma, die zwar die Titelheldin des Films ist, aber eigentlich nur eine Nebenrolle spielt. Sie ist das älteste Mitglied einer großen mexikanischen Familie, die sich einen Namen im Schuhgeschäft gemacht hat. Und sie ist die Tochter jenes Mannes, der schuld daran ist, dass man in dieser Familie Musik verabscheut. Cocos Vater war die Musik wichtiger als seine Familie. Irgendwann ging er fort und kam nie wieder. Nur noch ein Torso erinnert auf dem Hochzeitsfoto an die Existenz dieses Mannes; sein Gesicht wurde abgetrennt. Unter dem Musik-Bann leidet der zwölfjährige Miguel am meisten. Er soll Schuhmacher werden, wenn es nach seiner Oma und seinen Eltern geht. Doch in Wirklichkeit wäre er viel lieber ein Musiker. Als er
NEUE FILME KritiKeN „Es scheint, als wäre heute die ganze Welt auf Reisen. Und das mitten im Winter!“ Gut, dass Hercule Poirot Beziehungen hat. Sonst wäre nicht einmal ein Liegewagenplatz im Zweierabteil möglich gewesen. Es zahlt sich aus, der berühmteste Detektiv der Welt zu sein! In einem der gewitzteren Dialoge in Kenneth Branaghs Version von Agatha Christies „Mord im Orient Express“ sagt er zudem: „Wenn es leicht wäre, wäre ich nicht berühmt!“ Der Orient Express von Istanbul nach Paris ist voll besetzt. Dennoch hat der Direktor der Schlafwagengesellschaft, ein guter Freund, dafür gesorgt, dass Poirot einigermaßen standesgemäß unterkommt. Der belgische Detektiv, der gerade einen verzwickten Fall dank seiner im Übermaß aktiven „grauen Zellen“ gelöst hat, will Ruhe und schnell Richtung Heimat. Doch ein so charismatischer Kopf bleibt im illustren Kreis der in die „Zivilisation“ zurückreisenden feinen Gesellschaft nicht unentdeckt. Allen voran Edward Ratchett, der nichts unversucht lässt, sich schon vor Verlassen des Istanbuler Bahnhofs unbeliebt zu machen, sucht Poirots Bekanntschaft. Der Geschäftsmann ist ein Außenseiter unter denen, die schon immer Geld hatten, und ein Mann, der sich gerne Feinde macht. Seine Ängste wegen eines Mordkomplotts stoßen bei Poirot auf taube Ohren. Doch am nächsten Morgen, der Zug hat gerade Jugoslawien erreicht, ist Ratchett tot. Natürlich lässt sich der Detektiv nicht lange von seinem mitreisenden Freund Bouc bitten. Die hiesige Polizei tauge nichts, und zudem hat Poirot schon erste Beobachtungen angestellt, die ihn auf die Spur des Täters setzen. Keiner zweifelt daran, dass der in Ehren ergraute Belgier auch diesen Fall lösen wird.
mord im Orient express Kenneth Branagh verfilmt Agatha Christie Bei der Krimi-Autorin Agatha Christie, die ihren 14. Roman „Mord im Orientexpress“ im Jahr 1934 veröffentlichte, ist stets der Weg das Ziel. Spannend ist nicht die Frage, ob, sondern wie der Fall gelöst wird. Der Zug, der verschiedene Fahrgäste für die Dauer einer Reise zu einer von der Außenwelt isolierten Schicksalsgemeinschaft macht, liefert dafür eine perfekte Kulisse; zumal Christie das Fahrzeug auch noch im Schnee stecken bleiben lässt. Kenneth Branagh aber macht daraus ein wahres CGIActiongewitter, was nicht der einzige inszenatorische Fauxpas ist, der ihm widerfährt. Denn für die Geschichte bräuchte es lediglich Räume, aus denen die Verdächtigen nicht entfliehen können, und damit eine dramaturgische Druckkammer, in der Poirot in Ruhe die Beteiligten auf Herz und Nieren prüfen, die Fakten ermitteln und den Täter entlarven kann. Während Sidney Lumet 1974 für seine Version von „Mord im Orientexpress“ in der furiosen Anfangssequenz genüsslich mit einem Defilee der Stars und den Schauwerten der High Society der 1930er-Jahre wucherte, lässt es Branagh pragmatischer angehen. In einer eindrückli-
chen Plansequenz schaut die Kamera von außen in den Zug, um Branagh in der Rolle Poirots zusammen mit Michelle Pfeiffer als Caroline Hubbard durch alle Waggons zu folgen. Der Zug selbst spielt bei Branagh keine (Haupt-)Rolle; er stammt ohnehin zu großen Teilen aus dem Computer. Branaghs Poirot ist umgänglicher als das von Albert Finney gespielte Pendant bei Lumet, und längst nicht so verschmitzt wie Peter Ustinov in den anderen stilbildenden Christie-Verfilmungen der 1970er-Jahre. Eine Gestalt irgendwo zwischen Superheld, James Bond und Benedict Cumberbatchs modernistischem Sherlock und dabei, trotz Schnurrbart-Schlafmaske, ein wenig „out of character“. Obwohl Branagh ein ähnlich hochkarätiges Star-Ensemble wie einst Lumet antreten lässt, würde der Film ohne die umwerfend vielschichtige, plappernd-tiefsinnige Michelle Pfeiffer zur One-Man-Show tendieren; sie kann Branagh immerhin etwas Paroli bieten. Ansonsten lässt Branagh nur die Kamera neben sich brillieren: etwa in der Eingangssequenz oder wenn quasi das Dach des Zuges abgenommen wird und ganze Szenen sehr
mutig aus der Vogelperspektive betrachtet werden. Und während die Filmmusik bei Lumet noch den ganzen Film mit einem Zauber überzog, heiter, morbid und in Passagen wie aus einem Psycho-Horror, macht sich Branaghs Hauskomponist Patrick Doyle mit belanglosem Klingklang hier akustisch fast unsichtbar. Trotz allem aber hat „Mord im Orient Express“ auch in der 2017er-Version einiges zu bieten. Neben Branagh, Pfeiffer und den Kameraeinfällen die großen Namen von Johnny Depp bis Penélope Cruz, ein stattliches Budget und natürlich die unverwüstliche Vorlage. Als Evergreen aber wird der Film das „Original“ aus dem Jahr 1974 nicht ablösen. Jörg Gerle BeweRtung DeR filmkOmmissiOn
Ein allseits unbeliebter Passagier wird in den 1930er-Jahren auf der Reise von Istanbul nach Paris im Orient Express ermordet. Als der Zug im Schnee stecken bleibt, übernimmt der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot den Fall und stößt unter den Fahrgästen auf zahlreiche Verdächtige. Aufwändige Neuverfilmung des Krimi-Klassikers von Agatha Christie, die geschickt die engen Räume des Luxuszugs sowie die Abgeschiedenheit zum Aufbau von Spannung nutzt. In seiner pragmatischen Haltung zum Sujet entstand dennoch ein etwas ernüchternder Unterhaltungsfilm, in dem das illustre Star-Aufgebot nur bedingt glänzt. – Ab 14.
muRDeR On tHe ORient eXPRess Scope. USA/Malta 2017 Regie: Kenneth Branagh Darsteller: Kenneth Branagh (Hercule Poirot), Michelle Pfeiffer (Caroline Hubbard), Penélope Cruz (Pilar), Josh Gad (Hector), Judi Dench, Olivia Colman länge: 114 Min. | kinostart: 9.11.2017 Verleih: Fox | fsk: ab 12; f fD-kritik: 45 082
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kritiken dvd/Blu-rAy/InTerneT
Thriller trifft Sozialsatire in einer starbesetzten Serie um Abgründe hinter gutbürgerlichen Fassaden ist es ein Mord, ein Unfall? Oder ist gar nichts von Belang passiert, außer der üblichen Paranoia, die Monterey, Kalifornien befällt, wenn sich wieder einmal irgendein Getuschel verselbstständigt und die Anwälte noch reicher macht, die in dieser Kleinstadt der Millionäre ihr gutes Auskommen haben? Dabei fängt alles wunderbar harmonisch an: Am ersten Schultag bringen die Eltern ihre kleinen Schützlinge mit ihren SUVs in die Obhut der in allen Belangen vorbildlichen Pädagogen. Die Sonne scheint wie immer, und Jane Chapman (Shailene Woodley) wird ein neuer Teil der Sonnenscheingesellschaft. Sie ist Alleinerziehende; das aktiviert das „Harmonie-Gen“ von Madeline Martha Mackenzie (Reese Witherspoon) und provoziert die Muster-Hausfrau und Mutter zur totalen Integrationsoffensive. Es dauert nicht lange, bis Jane und ihr Sohn Ziggy in
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den Kreis der Beste-FreundeClique um Madeline und Celeste Wright (Nicole Kidman) aufgenommen sind. Die Herzlichkeit wäre erdrückend, wäre da nicht die schreckliche Vergangenheit, die aus der selbstbewussten Jane eine Flüchtende gemacht hat, die sich nach überbordender Herzlichkeit sehnt. Alles wäre gut, wäre da nicht Renata Klein (Laura Dern), die mit ihrer Pedanterie und ihrer Spießbürgerlichkeit einen Keil in die paradiesische Eintracht schlägt. Und dann sind da noch die Leichen in den anderen Kellern der Küsten-Bungalows: die chronische Gewalt, die bei den Wrights zu Hause ist, die Affäre mit dem Theaterregisseur, die Madeline irgendwann das Genick brechen könnte, die ungeheuerlichen Anschuldigungen, die Ziggy in der Schule zum Problemfall machen. Es sind all die kleinen monströsen Lügen, die spätestens bei der
finalen Benefiz-Gala der siebten Folge dafür sorgen, dass die Idylle implodiert. 14 Nominierungen und sieben Preise räumte die Serie „Big Little Lies“ von Autor David E. Kelley und Regisseur Jean-Marc Vallée („Dallas Buyers Club“) bei der „Emmy“-Verleihung ab. Das Schauspieler-Ensemble trumpft mit weltberühmten Namen auf; die Literaturvorlage der australischen Autorin Liane Moriarty schaffte es an die Spitze der „New York Times“Bestsellerliste. Überragend ist die Serienadaption nicht zuletzt auch dank der formalen Brillanz der Thriller-Geschichte im Gewand einer Sozialsatire, die sich als lange Rückblende entfaltet, in der schlaglichthaft die Zeugenaussagen einer vermeintlichen Katastrophe aufblitzen. Das, was in den letzten Minuten des siebten Teils passieren wird, bleibt bis dahin im Dunkeln. Alles ist möglich. „Frauen sind
BiG LittLe LieS USA 2017 regie: Jean-Marc Vallée Darsteller: Reese Witherspoon, Nicole Kidman, Alexander Skarsgård, Laura Dern, James Tupper, Shailene Woodley, Iain Armitage, Adam Scott Länge: 356 Min. | FSk: ab 12 Anbieter: Warner | FD-kritik: 45 109
Fotos S. 52–55: Jeweilige Anbieter
Big Little Lies
von der Chemie her außer Stande, zu verzeihen!“, ist eine der Aussagen, die man von den „ehrenwerten“ Zeugen zu hören bekommt. In der absurden Welt von Monterey wirkt ein solches Statement plötzlich gar nicht mehr als Provokation. Eines stimmt indes auf jeden Fall: Frauen sind die besten Geheimnisträger. In „Big Little Lies“ sind es immer wieder die großartigen, verteufelten Details, die staunen machen. So die exzeptionelle Musikauswahl, die nicht zuletzt über die Figur der sechsjährigen Chloe, die Tochter von Madeline, beziehungsweise deren iPod und ihre Playlists in die Serie eingebaut ist und das emotionale Tuning bestimmt. Solche Inszenierungsdetails machen aus der Story um häusliche Gewalt, Neid, Missgunst und die Dekadenz reicher Leute ein atemberaubendes Mysterien-Spiel, in dem das RollingStones-Cover von „You can’t always get what you want“ mindestens so viel sagt wie die wunderbaren, bissigen, tragischen und ins Mark treffenden Dialoge. – Sehenswert ab 14. Jörg Gerle
„Zuckersand“
KRITIKEN FERNSEH-TIPPS
SA
SAMSTAG 25. November
14.00-15.15 KiKA Weil ich schöner bin R: Frieder Schlaich Politisch engagierter Jugendfilm Deutschland 2012 Sehenswert ab 10
21.50-23.35 SWR Fernsehen Sein letztes Rennen R: Kilian Riedhof Alter Marathonläufer tritt nochmal an Deutschland 2013 Ab 14
16.05-17.30 One Zwei irre Typen auf der Flucht R: Francis Veber Ex-Ganove trifft auf Laien-Bankenräuber Frankreich 1986 Ab 12
21.50-23.45 zdf_neo Das Versprechen R: Sean Penn Polizist zerbricht an ungelöstem Kindermord USA 2000 Sehenswert ab 14
3sat
Ab 14
20.15-21.45 3sat Zuckersand R: Dirk Kummer Zwei DDR-Schüler träumen von Olympia Deutschland 2017 Sehenswert ab 14 20.15-22.00 BR FERNSEHEN Don Camillos Rückkehr R: Julien Duvivier Vergnügliche Schelmenkomödie Frankreich/Italien 1953 Ab 14 20.15-21.35 SUPER RTL Asterix der Gallier R: Ray Goossens Erste Verfilmung des Kult-Comics Frankreich 1967 Ab 6
00.00-01.35 Servus TV Todesangst – In der Gewalt von Piraten R: Tobias Lindholm Drückendes Drama um Schiffsgeiselnahme Dänemark 2012 Ab 16 00.05-01.40 mdr Tödliche Versprechen – Eastern Promises R: David Cronenberg Intensives Russenmafia-Drama USA/Kanada 2007 Sehenswert 00.35-01.25 Kurzschluss – Das Magazin Schwerpunkt Queer
arte
Ab 25. November
3sat
3sat-Zuschauerpreis Man kann über Sinn oder Unsinn von Wettbewerben, in denen völlig eigenständige Kunstwerke einem Wettstreit unterzogen werden, geteilter Meinung sein. Ohne die Spannung des finalen Schiedsspruches einer Jury aber würde das Ansinnen, zwölf bemerkenswerte Fernsehfilme des zurückliegenden Jahres noch einmal einer kritischen Würdigung zu unterziehen, beträchtlich an Reiz verlieren. Die nominierten Titel des „FernsehfilmFestival Baden Baden“ (27.11.-1.12.) konkurrieren dabei allerdings nicht nur um die Gunst der Juroren (in diesem Jahr: Bettina Reitz, Bettina Böttinger, Thea Dorn, Burghart Klaußner und Christian Schwochow), sondern auch um die der 3sat-Zuschauer. Die können vom 25. November bis zum 1. Dezember, 14 Uhr, telefonisch für ihren Favoriten abstimmen. Eine Beteiligung am 3sat-Zuschauerpreis ist auch online unter www.3sat.de möglich. 25.11., 20.15-21.45
Zuckersand
0137 4141 01
25.11., 21.45-23.15
Nackt. Das Netz vergisst nie
0137 4141 02
26.11., 20.15-22.00
Katharina Luther
0137 4141 03
Das Versprechen
26.11., 22.00-23.30
Familienfest
0137 4141 04
Der Polizist Jerry (Jack Nicholson) steht kurz vor der Pensionierung, als er mit einem letzten Fall konfrontiert wird: Ein kleines Mädchen wurde grausam ermordet. Jerry überbringt den Eltern die Todesnachricht und wird von der schockierten Mutter in eine geradezu heilige Pflicht genommen: Bei seinem Seelenheil muss Jerry ihr versprechen, dass er den Mörder finden wird. Ein Versprechen, nach dem Jerrys Pläne für den Ruhestand auf Eis liegen. Die Suche nach dem Täter wird für ihn zu einer Art Kreuzzug. Friedrich Dürrenmatts 1958 erschienener Kriminalroman, der dem Film von Sean Penn zu Grunde liegt, war die präzisierte und vertiefte Fassung eines Drehbuchs, das der Dramatiker für den Heinz-Rühmann-Film „Es geschah am hellichten Tag“ verfasst hatte. Die Adaption folgt weitgehend dem Handlungsverlauf und operiert mit wuchtigen, geradezu archaischen Erzähltopoi.
27.11., 20.15-21.45
Für Dich dreh ich die Zeit zurück
0137 4141 05
27.11., 21.45-23.10
So auf Erden
0137 4141 06
28.11., 20.15-21.45
Über Barbarossaplatz
0137 4141 07
28.11., 21.45-23.15
Ein Kommissar kehrt zurück
0137 4141 08
29.11., 20.15-21.45
Atempause
0137 4141 09
29.11., 21.45-23.15
Der mit dem Schlag
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30.11., 20.15-21.45
Der Sohn
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30.11., 21.45-23.10
Zwiespalt
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25. November, 21.50-23.45
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22.15-23.45 BR FERNSEHEN Das schwarze Schaf R: Helmuth Ashley Heinz Rühmann als Pater Brown Deutschland 1960 Ab 12
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zdf_neo
Fotos S. 56 – 65: Jeweilige Sender.
17.25-19.00 Als sie mich fand R: Helen Hunt Tragikomödie um eine Frau in der Lebensmitte USA 2008
SO
SONNTAG 26. November
11.20-13.00 3sat Die Frau mit den 5 Elefanten R: Vadim Jendreyko Porträt der Übersetzerin Swetlana Geier Deutschland 2009 Sehenswert ab 14
14.55-16.20 ZDF Die Boxtrolls R: Graham Annable Animationsfilm über kleine Trolle USA 2014 Sehenswert ab 10 16.40-18.30 Alexander der Große R: Robert Rossen Monumentales Epos USA 1956
3sat
Ab 14
20.15-22.30 arte Vier im roten Kreis R: Jean-Pierre Melville Ausgefeilter fatalistischer Krimi F/Italien 1970 Sehenswert ab 16 20.15-23.00 RTL Avengers – Age of Ultron R: Joss Whedon Helden gegen künstliche Intelligenz USA 2015 Ab 14 22.20-00.45 TELE 5 Der Affe im Menschen R: George A. Romero Suggestiver Horrorthriller mit Hintersinn USA 1988 Ab 16 23.40-01.10 rbb Fernsehen Härte R: Rosa von Praunheim Leidensweg eines Kampfsportlers Deutschland 2015 Sehenswert ab 16 00.40-02.25 mdr Ein Mann von Welt R: Hans Petter Moland Lakonische Komödie um Neuanfang Norwegen 2010 Sehenswert ab 14 01.40-03.10 arte The Exchange R: Eran Kolirin Meditation über Daseinsrituale Israel/Dt. 2011 Sehenswert ab 16
26./27. November
arte
Filmreihe Jean-Pierre Melville
m u z e m fil r e d n t i s K e f s t ch a n h i e W 2017
Mit fatalistischen Figuren und einer einzigartig düsteren Bildsprache verdiente sich der Regisseur den Ruf als „Meister des französischen Kriminalfilms“, des „film policier“. Zum 100. Geburtstag des 1973 gestorbenen Filmemachers zeigt arte drei seiner Werke: „Vier im roten Kreis“ (26.11., 20.15-22.30) bündelt die Themen von Melville in der Konfrontation der unnachgiebigen Systeme von Gangstern und Polizei, die beide gleichermaßen skrupellos ihre Interessen verfolgen. Ähnlich sieht es in „Der zweite Atem“ (27.11., 20.15-22.40) aus, in dem der Ganove Gu (Lino Ventura) stur auf seinen eigenen Ehrenkodex pocht, womit sein Scheitern absehbar ist, da seinen Verfolgern von der Polizei jedes Mittel recht ist, um ihn zur Strecke zu bringen. Das Motiv des Widerstands durch standhafte Befolgung eines Glaubenssystems schlägt auch den Bogen zum zweiten wiederkehrenden Themenkomplex im Werk des Regisseurs: Der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg, die der Jude Melville in der Résistance überlebte. Mit „Eva und der Priester“ (27.11., 22.40-00.30) verfilmte er 1961 den Roman von Beatrix Beck um eine ungewöhnliche Liebesgeschichte: Die überzeugte Atheistin Eva (Emmanuelle Riva) wird schwankhaft in ihrer Verachtung der Kirche, als sie einen charismatischen und eloquenten Priester (Jean-Paul Belmondo) kennen lernt. In ausführlichen Dialogszenen lernen sie einander schätzen, doch ist absehbar, dass sie in ihren innigsten Wünschen (Liebeserfüllung bzw. Seelenrettung) schwerlich zusammenkommen werden.
26.-29. November
Geschenkt ipp für jedes s Alter!
rbb Fernsehen/WDR Fernsehen/arte
Rosa von Praunheim Anlässlich des 70. Geburtstags von Rosa von Praunheim fanden eine Handvoll recht unterschiedlicher Filmemacher zusammen, um ihr Verhältnis zu ihrem „Übervater“ auf der Leinwand auszuloten. In „Rosakinder“ (27.11., 23.50-01.25, WDR) nähern sich Julia von Heinz, Chris Kraus, Axel Ranisch, Robert Thalheim und Tom Tykwer dem „entfant terrible“ des deutschen Films, der ihre Lebenswege und Karrieren nachhaltig beeinflusst hat. Die patchworkhafte Hommage an den begnadeten Selbstdarsteller orientiert sich an konkreten Erlebnissen, flicht aber auch leidenschaftliche Auseinandersetzungen über Filme, Haltungen und das Ethos eines politisch inspirierten Filmemachens mit ein. Seither sind fünf Jahre vergangen, in denen Rosa von Praunheim verlässlich einen Film nach dem anderen gedreht hat. Am 25. November feiert er seinen 75. Geburtstag, den rbb, WDR und arte auf gebührende Weise mit vonPraunheim-Filmen begehen. 26.11., 23.40-01.10, rbb Fernsehen Härte 27.11., 23.50-01.25, WDR Fernsehen Rosakinder 29.11., 23.00-00.40, arte Der Einstein des Sex 29.11., 00.40-02.10, arte Härte „Härte“
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