PUNKT Leistung

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WIRTSCHAFT IST MEHR.

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MAGAZIN # 05 | 2013 JAHRGANG 08 KOSTEN CHF 9,50 PUNKTMAGAZIN.CH

LEISTUNG Vernetztes Denken

Karma Economy

Mehr Effizienz, weniger Verbrauch – doch der Weg dorthin ist lang.

Rolf Dobelli über Denkfehler, die auch ihm noch immer täglich unterlaufen.

Friss oder stirb ist vorbei: Warum Van Bo Le-Mentzel Unternehmer wurde.

D

O + S L U SI XU E S R

Leben mit 2000 Watt


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EDITORIAL Magazin # 05 | 2013 Ausgabe «Leistung»

COVER # 05 | 2013 Fotografie & Postproduktion BORIS GASSMANN & FABIAN WIDMER

E

s gibt Begriffe, die von Politikern, Journalisten und Wirtschaftsvertretern so häufig verwendet werden, bis sie ihre Bedeutung verlieren und zu einer leeren Worthülse

verkommen. Motivation war früher einer dieser überstrapazierten Begriffe. Heute ist es Leistung: «Leistung schafft Vertrauen», «Leistung aus Leidenschaft» oder «Leistung für mehr nachhaltiges Wachstum» heisst es. Doch «Wie meinen sie das?» (S. 27).

Was dagegen mit der 2000-Watt-Gesellschaft ge-

meint ist, ist klar: eine durchschnittliche Energieleistung von 2000 Watt pro Person. Unklar ist, ob sie – angesichts der heute über 6500 benötigten Watt – realisierbar ist. Was natürlich nicht heisst, dass man es nicht probieren sollte. Wie sähe es aus, ein «Leben mit 2000 Watt» (S. 18)? Schnell wird klar: Effizienzsteigerungen alleine werden nicht reichen. Auch die beiden weiteren Teilstrategien – Suffizienz und Konsistenz – müssen verstärkt beachtet werden. So oder so wird sich die 2000-Watt-­Gesellschaft nicht von heute auf morgen verwirklichen lassen.

Gewaltig ist die Leistung des Berliners Van Bo

Le-Mentzel. Der Architekt ist überzeugt, dass die Community miteinbezogen werden sollte, und zwar in sämtliche Schritte der Wertschöpfungskette: Idee, Finanzierung, Produktion, Marketing und Vertrieb. Auf diese Weise hat er seine Idee von fair produzierten Sneakers verwirklicht: sogenannte Karma Chakhs. ­Damit die Economy nicht noch stärker zur Egonomy verkommt, setzt der innovative Unternehmer auf die «Karma Economy» (S. 38).

Ihre Leistung erbringen müssen auch Zuchtbul-

len. Sie sind zwar die «Deckmeister der Nation» (S. 78), doch ihr Leben sollte man deswegen nicht romantisieren. Die Schweizer Zuchtbemühungen zeigen Erfolge: Das ­Ejakulat hiesiger Stiere ist im Ausland ähnlich ­begehrt wie Schweizer Schokolade.

PUNKTmagazin LEISTUNG

3


Stetiges 01

INHALT

03 Editorial 08 Infografik 10 Curriculum vitae

Woody Allen

11 Kurz & Bündig

Magazin # 05 | 2013 Ausgabe «Leistung»

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Wirtschaft

25 O-Ton 31 Erfunden

Oceancare will in den Weltmeeren für mehr Ruhe­abteile sorgen. Der Grund: Es besteht ein ­Zusammenhang zwischen Lärm und Libido.

37 L'Entrepreneur

– Wirtschaft 01 –

2000 WATT: REALITÄT ODER UTOPIE? 18

Die Vision made in Switzerland verlangt, dass wir unseren Energieverbrauch bis zum Jahr 2100 um zwei Drittel senken. Auf wie viel Komfort müssen wir dafür verzichten?

27 Wie meinen sie das? Nur wenige Begriffe sind so vieldeutig wie Leistung. Schlüpfrige Wortspiele sind vorprogrammiert.

18

28 Wollen wir uns das leisten? Konsumkredite sind umstritten. Um ihren Nutzen zu erfa­ssen, müssen alle Parteien betrachtet werden.

32 Mister Strong Als Self Quantifier überlässt Winslow

37 L'Entrepreneur Michael­ Scheffler ist selbständiger Coiffeur. Angst vor Konkurrenz hat er nicht.

Strong nichts dem Zufall. Er glaubt,

12

dass statistische Selbstauswertung sein Leben verbessern kann.

38

1

31

Als der Berliner Van Bo Le-Mentzel hatte er eine Idee. Warum nicht selber

56

Erfunden wurden Schulnoten, um Leistungen zu vergleichen. Sind sie heute noch zeitgemäss?

KARMA ECONOMY mal wieder Sneakers kaufen wollte,

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38

Schuhe produzieren, aber fair? Geld verdienen will er damit nicht.

42 Staatsanleihen aus

Liechtenstein?

Liechtenstein hat null Staatsschulden.­

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Ob das langfristig so bleibt, hängt ­davon ab, ob der Fürstenstaat seine Ausgaben herunterfahren kann.

43 Kolumne Der Querdenker Über Wahlschlappen, den Placebo-­ Effekt und verkleinerte Hirne.

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INHALTSVERZEICHNIS

32


Die Wirkung macht den Unterschied. Mit dem Werbebrief überzeugen Sie Ihre Zielgruppe persönlich und direkt. Ihrer Kreativität sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Ihrem Erfolg auch nicht. Fakten, Erfolgsgeschichten und Inspiration: post.ch/wirkung


– Invest –

Stetiges 02

54 Reale Werte 63 Dossier

44 Gemeinsam sind wir klüger

Luxus

Menschen seien in der Masse klüger, heisst es. Schwarmintelligenz soll nun auch in die Anlagewelt einziehen.

DIE MACHT DER BUCHSTABEN 46

Ratingagenturen müssen immer ­wieder harte Kritik einstecken. Nicht wenige Experten finden sogar, dass sie

84 NeuerDings

mehr schaden als nützen.

89 Abonnement 90 Vorschau

50 Kolumne

Mirjam Staub-Bisang

Über den Unterschied zwischen ­Erfolgsmenschen und den anderen.

58

51 «Die Rechnung zahlen im-

mer jene, die Geld haben»

Oswald Grübel erklärt, welche Fehler die EU vor und in der Krise gemacht hat und was die nächsten Jahre bringen.

– Wirtschaft 02 –

56 Afrika macht mobil In Afrika wird das Handy nicht nur für Kommunikation verwendet, sondern auch um Leben zu retten.

58

44 Gemeinsam sind wir klüger. Gilt das auch in der Anlagewelt?

VERNETZTES DENKEN Buchautor Rolf Dobelli verweigert sich der täglichen Newslawine. «Kein

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Mehrwert», sagt er. Besser wäre, wir würden uns mehr ­Gedanken machen über unsere täglichen Denkfehler.

74 Die Nickerchen-Revolution Wir schlafen zu wenig. Zwei junge spa-

78

nische Architekten wollen das ändern.

77 Kolumne René Allemann Über die Wichtigkeit und den Nutzen von hoher Servicequalität.

78 Deckmeister der Nation Machen sie schlapp, droht der Schlachter. Dennoch kennen Zuchtstiere wie Orgetorix keine Versagensängste.

83 Frauen auf dem Vormarsch Frauen führen ein Unternehmen ­anders als Männer. Inwiefern?

6

INHALTSVERZEICHNIS

54 Reale Werte Kunst gehört zu den bekanntesten Realanlagen. Doch wie verdient man mit ihr Geld?


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A+++ G

– «Leistung» in Zahlen –

BIS

energieeffizient sanieren

DIE ENERGIEETIKETTE ZEIGT DIE EFFIZIENZKLASSE VON

HAUSHALTSGERÄTEN Sie geht von A+++ (grün) bis G (rot). Ein Fernseher der Energieeffizienzklasse C verbraucht etwa doppelt so viel Energie wie einer der Klasse A+++ und etwa halb so viel wie einer der Klasse G.

Darstellung PUNKTmagazin Quelle Swissolar, Bundesamt für Statistik, Fachvereinigung Wärmepumpen Schweiz

Der Anteil der erneuerbaren Energien­

am

Bruttoenergieverbrauch

beträgt

hierzulande­knapp 19 Prozent. Das sind nur gerade drei Prozent mehr als der weltweite Durchschnitt. Das Tragische daran: Bereits 1990 betrug der Anteil knapp 15 Prozent – schnelles Wachstum sieht anders aus.

Eine zentrale Rolle bei der Energie-

wende fällt den Immobilien zu, wo etwa die Hälfte des ganzen Energieverbrauchs anfällt. Zwei Drittel entfallen auf Wohnhäuser. Wenn Energiewende und 2000-Watt-Gesellschaft wirklich Realität werden sollen, muss der schweizerische Häuserpark energie­ effizient saniert werden. Das gilt umso mehr, da Experten davon ausgehen, dass die beheizten Flächen bis 2020 um weitere 20 Prozent steigen werden.

Das weiss auch der Bund, der Hausbe-

sitzer mit seinem Gebäudeprogramm finanziell unterstützt. Bis 2019 werden jährlich zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2Abgabe auf fossile Brennstoffe (maximal 200 Millionen Franken) dafür eingesetzt. Im vergangenen Jahr wurden vom Bund 184 Millionen Franken gesprochen, die Kantone steuerten weitere 80 Millionen Franken bei.

Die Sache hat jedoch einen Haken:

Vielerorts sind die Fördergelder für die verschiedenen Effizienzumbauten bereits ausgeschöpft. Den Hausbesitzern bleibt nur ein Platz auf der Warteliste. Darum lautet die erste Regel bei der Hausrenovation: Zuerst abklären, ob Fördergelder zur Verfügung ste-

zu berücksichtigen sind steuerliche Aspek-

Subventionen: · Fördergeld Fenster: 30 Fr./m2 · Fördergeld Wand, Dach, Boden: 30 Fr./m2

te. Da für Umbauten maximale jährliche Ab-

(Gesamte Schweiz)

hen, dann umbauen. Da Bund und Kantone teils separate Programme fahren, lohnt es, sich umfassend zu informieren. Ebenfalls

züge existieren, macht es Sinn, sie gestaffelt vorzunehmen.

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WIRTSCHAFT

UM

30%

REDUZIEREN LÄSST SICH DER ENERGIEVERBRAUCH MIT DER RICHTIGEN

FASSADENSANIERUNG

Subventionen: Gesamtsanierung nach Minergie-Standard: 40 – 50 Fr./m2 (Bsp. Kanton ZH)


Subventionen: Neue thermische Solaranlage: 1650 Fr. (Bsp. Kanton ZH, 3m2 Solaranlage)

60–80% DES WARMWASSERBEDARFS EINES Ø-HAUSHALTES KÖNNEN MIT EINEM 4 m2 GROSSEN

SOLARPANEL GEDECKT WERDEN.

30 RAPPEN

24 h

WERDEN MIT DER RICHTIGEN

CO2-Ersparnis: ca. 410 kg/Jahr. Zum Vergleich: 4775 kg CO2 generiert ein Schweizer jährlich.

BELEUCHTUNG (LED-LAMPE STATT GLÜHLAMPE) EINGESPART.* Die Beleuchtung macht 12% des Stromverbrauchs eines Schweizer Haushaltes aus. *lediglich auf die Energiekosten bezogen

Subventionen: Ersatz Elektroheizung mit Erdsondenwärmepumpe: 6000 – 8000 Fr. (Bsp. Kanton ZH, Einfamilienhaus)

¾

DER NEUBAUTEN WERDEN MIT EINER

WÄRMEPUMPE AUSGERÜSTET. Der Bundesrat will die heute 180 000 Pumpen bis 2020 mehr als verdoppeln. Die Installation einer Wärmepumpe kostet zwischen 3000 und 20 000 Franken.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

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– Curriculum vitae –

A

llan Stewart Konigs-

ein neuer Film dazu. Und

berg hat noch lange nicht ge-

häufig sind es eben nicht

nug. Auch nicht im Alter von

einfach Filme, sondern sehr

78 Jahren. In einigen Län-

gute Filme. Auf der Internet-

dern läuft es bereits, bei uns

datenbank IMDB kommen

kommt sein neuestes Werk «Blue Jasmine» erst am 21.

26 seiner Werke auf einen

Woody Allen

Wert von 7,0 – auch das: eine

November in die Kinos. Allan

10

WIRTSCHAFT

unglaublich hohe Zahl. Ins-

Stewart Konigsberg ist der Regisseur des Films – besser

gesamt war Woody Allen 19 Mal für den Oscar nomi-

bekannt unter seinem Künstlernamen Woody Allen.

niert, drei Mal hat er ihn gewonnen. Dazu gesellen sich

Doch der Reihe nach. Geboren wurde Allan Ste-

drei Golden Globe Awards und unzählige weitere Aus-

wart Konigsberg 1935 in New York als Sohn jüdischer El-

zeichnungen. 14 Schauspieler seiner Werke wurden bis-

tern. Die steckten ihn in eine jüdische Schule, was dem

her für den Oscar nominiert. Eine weitere Dame, Cate

Kind offenbar nicht sehr behagte: «Religionen sind mir

Blanchett, dürfte bald folgen, wenn man den Kritikern

keinen Pfennig wert. Ich erziehe auch meine­ Kinder

Glauben schenkt, die über den neuen Film «Blue Jasmi-

nicht in der jüdischen Tradition. Ich glaube nicht an

ne» urteilen.

Gott und finde ohnehin alle Religionen dumm.» Nach

der Schule versuchte er sich als Gag-Schreiber und Ko-

­Filmerei anbelangt. Auf seiner Schaffensliste stehen

miker – mit wenig Erfolg. Seine damaligen Manager be-

auch zehn Theaterstücke und fünf Bücher. Doch da-

zeichneten ihn als schlechtesten Komiker, den sie je ge-

mit nicht ­genug. Immer wieder gibt der begnadete

sehen hatten. Das sollte nicht lange so bleiben: Allen

Klarinette­n­spieler Jazz-Konzerte. Genug? Nein. Für die

feilte an seiner Rolle, bis er sie perfektioniert hatte und

LA Opera in Los Angeles schrieb er eine Oper, die – ver-

sie ihm zum Durchbruch verhalf. ­Diesen schaffte er zu-

wundern kann es nicht – ein grosser Erfolg wurde.

erst als Drehbuchautor, dann als Regisseur – sein erster

Film wurde 1965 produziert.

Er selber hat darauf eine einfache Antwort: «Mein

Woody Allen ist ein Macher, nicht nur was die

Was treibt ihn an, den neurotischen, alten Mann?

Während der New Yorker die Weichen für sei-

Filme­machen ist wie Korbflechten in einer Irrenan-

ne berufliche Zukunft stellte, begann auch eine andere

stalt. Wenn die Insassen beschäftigt sind, fühlen sie sich

Laufbahn, die sich durch sein ganzes Leben ziehen soll-

besser, sie sind relaxter. Mit mir ist es dasselbe – Filme

te: seine obskure Liebe zu Frauen. Seit er mit 19 Jahren

sind meine Therapie. Würde ich keine Filme schreiben,

zum erstem Mal vor dem Standesbeamten stand, hat-

dann schriebe ich Theaterstücke oder Bücher. Wenn ich

te er unzählige Beziehungen, drei Mal war er verheira-

nicht schreibe, fühle ich mich jämmerlich.»

tet. «Sex ist der Schlüssel. Wie also jemand vierzig Jah-

re lang verheiratet sein kann, hat für mich ein grösseres

Ende zugehen, ist er gut darauf vorbereitet: «Ich glau-

Wunder als die Teilung des Roten Meeres.» Zuletzt und

be nicht an ein Leben nach dem Tod, aber für alle Fälle­

bis heute ist Allen mit seiner ehemaligen Adoptivtoch-

nehme ich immer Unterwäsche zum Wechseln mit.»

ter Soon-Yi Previn vermählt. Wie sein Leben präsentie-

Ausserdem fürchtet er sich nicht vor dem Sterben, denn

ren sich auch die meisten seiner bisher 58 gedrehten

«es gibt schlimmere Dinge als den Tod. Wer einmal ei-

Filme: temperamentvoll, schräg und meistens mit der

nen Abend mit einem Versicherungsvertreter verbracht

Liebe im Zentrum. Und noch immer kommt jährlich

hat, weiss genau, was ich meine.»

Sollte das Leben von Woody Allen dereinst dem


– Kurz & Bündig –

Wer anderen etwas nicht gönnt, gilt als Neider – und das ist immer negativ. Vielleicht hängt das mit der

beneidenswert

Herkunft des Begriffs zusammen: Im Althochdeutschen meint «Nîd» nämlich Hass oder Groll auf den Feind, dem es zu schaden gilt. Doch Neid sei nicht gleich Neid, sagt der Psychoanalytiker Rolf Haubl. Es ­gebe ihn in negativer – feindselig-schädigender oder depressiv-lähmender –, aber auch in positiver Ausprägung: ehrgeizig-stimulierend oder empört-rechtend. Letztere appellieren an das Gerechtigkeitsgefühl und führen zum Drang nach Veränderung. Als menschliche Schwäche kann dies kaum bezeichnet werden. Eine ähnliche Sicht vertrat schon Aristoteles mit dem Konzept des «gerechten Neids auf ungleiche Verteilung der Güter». Diese ist heute grösser denn je: lokal, regional, national und international sowieso. Mit heraus-

Text DAVID FEHR

ragenden persönlichen Leistungen hat die Ungleichverteilung wenig zu tun, sie ist vielmehr die Folge der

Bild LUCA GIORDANO

Geburtslotterie, die ebenfalls lokale, regionale, nationale und internationale Ausprägungen hat. Um diese Ungerechtigkeiten auszugleichen, könnte ein bisschen mehr positiver Neid nicht schaden.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

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– Kurz & Bündig –

Wieder Mal Kein Netz Der Sommer ist vorbei und mit ihm auch zahlreiche Freiluftveranstaltungen. Und wie jedes Jahr wurde der schlechte Handyempfang bemängelt. Das ist umso ärgerlicher, da immer mehr Veranstalter eigene Apps anbieten – die dann nicht genutzt werden können. «Warum stellen die nicht einfach mehr Antennen auf?», fragten sich frustrierte Festivalbesucher landauf, landab. Das täten sie sehr wohl, sagt Swiss­ com-Pressesprecherin Annina Merk: «Swisscom setzt auf eine Kombination aus bestehendem Mobilfunknetz und mobilen­ Antennen, um für eine bessere Abdeckung und eine höhere­ Bandbreite für das mobile Datennetz während der Veran-

nicht. Grund ist die «Verordnung über den Schutz vor nicht­

staltung zu sorgen. Diese mobilen Antennen werden bei den

ionisierender Strahlung» (NISV), die die Grenzwerte definiert.

wichtigsten Grossveranstaltungen in der Schweiz temporär

Mit maximal erlaubten fünf Volt pro Meter sind sie um einiges

aufgebaut.» Aufgrund der Vielzahl der Veranstaltungen sei

strenger als beispielsweise im benachbarten Ausland. Da eine­

das jedoch nicht immer möglich. Und selbst wenn die Anbie-

mobile Antenne Netz für etwa 20 000 Nutzer bietet, müssten­

ter immer und überall für Netz sorgen wollten – sie dürften­es

für einen Grossanlass ein grosse Anzahl aufgestellt werden. Das wiederum würde den Grenzwert überschreiten. Und so wird das Handynetz an Grossveranstaltungen auch in Zukunft lückenhaft sein.

DF

die besten läufer der welt Die Kenianer gelten als die besten Langstreckenläufer der Welt. An Olympischen Spielen und Leichtathletik-Weltmeisterschaften belegen sie regelmässig gleich mehrere Treppchen des Podests. Mexikanische Läufer sucht man dort in der Regel vergebens, dabei haben auch sie ihre Laufspezialisten. Die Tarahumara, eine indigene Ethnie, die im Norden Mexikos lebt, gelten als äusserst gute, wenn nicht brillante Läufer. In unwegsamem und hügeligem Gelände legen sie Distanzen von bis zu 170 Kilometer zurück. Am Stück. Barfuss oder in selbst gemachten Sandalen, die aussehen wie Flipflops. Der Stammesrekord beträgt unglaubliche 700 Kilometer – gut 16 Mal die Marathondistanz – in 48 Stunden. Das Laufen spielt eine derart wichtige Rolle, dass sich die Männer des Stammes als Raramuri bezeichnen – «jene, die schnell laufen.» Aber wie schaffen sie es, derart ­«unmenschliche» Distanzen zu meistern? Forscher und Ethnologen machen mehrere Gründe aus. Einer davon: Die Tarahumara rennen schon seit Jahrhunderten, es ist tief in ihren Genen verankert. Sie betreiben traditionell die Hetzjagd, bei der das gejagte Tier solange verfolgt wird bis es dehydriert, erschöpft zusammenbricht und von Hand erwürgt werden kann. Sie rennen aber nicht nur für die Jagd und somit fürs Überleben, sondern auch um miteinander zu kommunizieren. Sie rennen eigentlich immer, Laufen ist ihr Leben. Ein anderer Grund für ihre erhöhte Leistungsfähigkeit könnte ihre Ernährung sein: Vor allem während der Erntezeit trinken sie häufig Kornbier, das viel Energie beinhaltet, aber wenig Alkohol. Doch auch mit massenhaft Kornbier ist nur schwer zu erklären, wo sie die Zehntausenden von Kalorien herhaben, die derart lange Läufe erfordern. Ein weiterer Grund für ihre herausragenden Leistungen könnte ihre spezielle Lauftechnik sein. Während Läufer mit Laufschuhen ihre Fersen grossen Belastungen aussetzen, ist das Laufen barfuss oder mit den Sandalen schonender für die Gelenke. Die Entlastung der Ferse führt dazu, dass die Tarahumara praktisch nie verletzt sind, obschon das Gelände mit seinen vielen spitzen Steinen und Felsvorsprüngen alles andere als optimal ist.

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WIRTSCHAFT

MM


Direttissima Schweiz «Die Zahlen sind unter unseren Erwartungen», musste SRF-Sprecher Stefan Wyss zugeben. Nur gerade 8000 Zuschauer sahen das Ende der zehnstündigen Live-Reportage «Züri-West by Night», die im Juni aus dem Zürcher Ausgehviertel gesendet wurde – und das bei 110 Mitarbeitern und Kosten, die zwar nicht kommuniziert werden, aber in die Millionen gegangen sein dürften. Kein Vergleich zu 1983, als die ganze Schweiz verfolgte, wie vier Alpinisten das Land auf dem längstmöglichen Weg durchquerten: von Lac de Joux bis aufs Silserjoch. 333 Kilometer Luftlinie, 420 Kilometer Fussweg, 41 000 Höhenmeter, 80 Sendungen – «Direttissima Schweiz – Abenteuer auf dem Kilometer 160» war für damalige Verhältnisse ein Projekt der Superlative. Das ganze Land sass gebannt vor den Radiogeräten, als Moderator Roland Jeanneret versuchte, die Protagonisten via Funk zu befragen. Nur schon das Erstellen dieser Funkleitungen war damals eine Herkulesaufgabe. Zwischenzeitlich musste sogar­ die Post aushelfen. Steckte der Tross in einem Funkloch, wurden die Kabel an eine Telefonzelle angeschlossen, von dort gelangte das Signal ins Radiostudio. Doch manchmal halfen alle technischen Tricks nichts – und die Hörer hörten nicht viel mehr als ein Rauschen, das von Wortfetzen unterbrochen wurde. Den Zuhörern war es egal: Zu Tausenden schrieben sie Hörerbriefe,

«No Tips please»

­bedankten sich bei den Alpinisten und wünschten ihnen weiterhin viel Glück. Tausende – vielleicht waren es ja 8000. So viele, wie bei «Züri-West by Night» am Ende noch zusahen.

MM

Wer zum ersten Mal in den USA weilt, freut sich ob der tiefen Preise in den Restaurants. Bis der Reisende merkt, dass das nicht enthaltene Trinkgeld anders als in Europa nicht 10, sondern 15 bis 25 Prozent betragen sollte. Der Hintergrund ist das typisch amerikanische Anreizsystem bestehend aus einem nicht existenzsichernden Grundlohn, der durch «Tips» aufgebessert werden soll. Doch die Rechnung geht für viele Serviceangestellte schon lange nicht mehr auf, nicht nur wegen zu geiziger Europäer: Auch mit angemessenem Trinkgeld kommen sie häufig nur schlecht über die Runden. Nicht so die Angestellten des japanischen Restaurants Sushi ­Yasuda in Manhattan, New York. «So wie es in Japan Brauch ist, werden Yasuda-Mitarbeiter mit ihrem Gehalt voll kompensiert. Daher werden Trinkgelder nicht akzeptiert. Thank You», steht auf der Speisekarte. Mit seiner Aktion legt Eigentümer Scott Rosenberg den Finger auf einen wunden Punkt, der auch in Europa immer häufiger diskutiert wird. Soll ein Lohn existenzsichernd sein oder dürfen Angestellte guten Gewissens zu einem Gehalt beschäftigt werden, das nicht zum Überleben reicht? Rosenberg und immer mehr Politiker – vermehrt auch solche aus dem rechten und liberalen Lager – sind der Ansicht: Nein, darf man nicht. Damit er sein Personal anständig entlöhnen kann, musste Rosenberg die Preise in seinem Restaurant erhöhen, was von den Kunden durchwegs positiv aufgenommen wurde. Ob die Aktion von anderen Restaurantinhabern aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten.

PUNKTmagazin LEISTUNG

DF

WIRTSCHAFT

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Diamanten ab Presse Woraus besteht ein Diamant? Wer nun seltene Materialien erwartet, die den hohen Wert des Edelsteins rechtfertigen, irrt: Ein Diamant ist nichts anderes als zusammengepresster Kohlenstoff. 1955 gelang es erstmals, einen künstlichen Diamanten herzustellen. Heutige Pressen können bei 1500 Grad innert weniger Stunden mehrere hundert Karat produzieren – ein Vorgang, für den die Natur einige Millionen Jahre benötigt. Die Branche boomt: Dem U.S. Geological Survey zufolge wurden 2011 weltweit 4,5 Milliarden Karat an Diamanten gehandelt – 4,4 Milliarden waren künstlich produziert. Aufgrund ihrer Härte werden Industriediamanten zum Schneiden, Bohren, Fräsen und Schleifen bevorzugt . Neu versuchen Firmen wie der New Yorker Diamanthändler Royal Asscher, auch aus künstlichen Diamanten Schmuck herzustellen. Solche Steine kosten 40 bis 90 Prozent weniger als Natursteine. Traditionelle Juweliere sehen diese Entwicklung gelassen: In Punkto Reinheit kommen Diamanten aus der Presse niemals an die Leistung von Jahrmillionen Naturarbeit heran.

DG

Und dann kam Candy Crush … Zu Beginn waren Computerspiele ein teurer Spass. Bei den Konsolen der 1980er-Jahre wie dem Nintendo NES oder dem Sega Master System kosteten die Titel bereits um die 100 Franken. Die Systeme haben über die Jahre gewechselt – die Preise verharrten auf hohem Level. PC-Spiele waren mit durchschnittlich 70 Franken zwar etwas günstiger, gingen aber immer noch ins Geld. So richtig purzelten die Preise erst, als Smartphones eine neue Art Spiele hervorbrachten: Apps, die innert Sekunden geladen werden können und meist nur einen Franken kosten – oder gar nichts. «Wie verdienen die damit Geld?», fragt man sich zu Recht. Antwort: Die meisten tun es nicht und verbuchen die investierte Zeit und Arbeit als lehrreiche Erfahrung. Eine löbliche Ausnahme ist «Candy Crush» aus dem Hause King, eine Mischung aus Tetris und Bubb-

633 000 Dollar. In Foren mehren sich Berichte von Candy-

le Trouble, das mittlerweile 485 Levels umfasst. Wobei «löb-

Crush-Opfern, die für Hunderte Dollar Leben kauften, womit

lich» vielleicht nicht das treffende Adjektiv ist, denn das Spiel

das Preis-Leistungsverhältnis des Spiels unter aller Kanone

nutzt sein inhärentes Suchtpotenzial gnadenlos aus. Nicht

ist. Fair wäre, den Spieler nach 100 Franken unbegrenzt spie-

nur für neue Levels muss bezahlt werden – wenn man sie so-

len zu lassen. Fair, aber ökonomisch unsinnig – und so wird die

fort will –, sondern auch für neue Leben, wenn die fünf Gratis-

Candy-Crush-Zitrone gepresst, bis es den Crushern zu dumm

leben aufgebraucht sind. Oder aber man wartet, bis sie sich im

respektive zu teuer wird. Bei King hat man daher vorgesorgt

Halbstundentakt wieder auffüllen. Den Trick, der neue Leben

und hat mit «Pet Rescue Saga» einen Nachfolger geschaffen:

gratis erhältlich macht (Google fragen), kennen offensichtlich

eine billige Kopie des Originals, das mit denselben Methoden

nicht alle, wie die seit Monaten andauernde Topplatzierung

versucht, die Spieler zu In-App-Käufen zu animieren. Doch

bei den umsatzstärksten Apps im App Store zeigt. Gemäss

auch das scheint zu funktionieren: Die Pet Rescue Saga ist be-

der Plattform «Think Gaming» hatte Candy Crush per Juli 2013

reits auf Platz 5 der umsatzstärksten Apps, bei Facebook auf

mehr als 6,5 Millionen aktive User, der Tagesumsatz betrug­

Rang 2. Gleich hinter dem grossen Bruder Candy Crush.

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WIRTSCHAFT

DF


– Kurz & Bündig –

Lärm und Libido In den vergangenen 60 Jahren hat sich der Lärmpegel in den Ozeanen in jeder Dekade verdoppelt, rechnet die Umweltschutzorganisation Oceancare vor. Mit verheerenden Folgen: Ähnlich wie Menschen, die an Autobahnen oder in Anflugschneisen leben, sind die 80 verbliebenen Walarten nachweislich erhöhtem Stress ausgesetzt, was sich auf Hirn, Herz, Lunge auswirkt – und auf die Libido. Sofern diese überhaupt die Chance­ kriegt, zum Zug zu kommen: Blauwale etwa, mit bis zu 33 Meter Körperlänge und 200 Tonnen Gewicht die grössten Lebewesen auf der Erde, sind überzeugte Einzelschwimmer. Nur dank ihres feinen Gehörs können sie in den Weiten der Weltmeere Partner zur Paarung finden. Aber just dieses Gehör wird durch den Lärm von Schiffsschrauben, die 90 Prozent der weltweiten Handelsgüter verschieben, gestört. Noch verheerender ist die Wirkung von Sonargeräten, mit deren Hilfe U-Boote aufgespürt werden. Sie senden Schallwellen

Mit der Kampagne «Silent

aus, deren Lautstärke mit 230 Dezibel dem Lärm einer startenden Rakete entspricht. Wird ein Wal von ei-

Oceans» kämpft Oceancare­

nem solchen Lautstoss getroffen, gerät er in Panik und flieht – viel zu schnell – an die Oberfläche. Die Folge

für mehr «­ Ruheabteile» in

ist die gefürchtete Taucherkrankheit, bei der sich Stickstoffbläschen im Gehirn bilden und die für die Wale tödlich endet. Oder das verängstigte Tier verliert die Orientierung und strandet in seichtem Wasser. Mit der Kampagne «Silent Oceans» setzt sich Oceancare seit elf Jahren dafür ein, dass Gebiete zum Lärmschutz von

den Weltmeeren. Zu viel Lärm ist für Wale nicht nur unangenehm, sondern tödlich: Sie verlieren die Orien-

Meerestieren ausgeweitet werden – aktuell nehmen diese «Ruheabteile» rund zwei Prozent der globalen

tierung, stranden in seich-

Wasserfläche ein. Dabei greifen die Umweltschützer auch auf Lärmkarten zurück, die die französische Fir-

tem Wasser oder tauchen zu

ma Quiet Oceans erstellt. Ein ertragreiches Geschäft für Gründer Thomas Folegot, gehören doch auch Archi-

schnell auf.

tekten von Häfen, Brücken und Offshore-Windparks zu seinen Kunden. Grund dafür ist allerdings nicht Tierliebe, sondern die europäische Umweltschutzrichtlinie 2008/56/EG, die die Reduktion von Unterwasserlärm verlangt. Damit die Liebesleistung der Wale sich wieder erholen kann.

PUNKTmagazin LEISTUNG

DG

WIRTSCHAFT

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Umbau oder Ghetto China nimmt Anlauf zum neuen gro­ s­sen Sprung nach vorne. Bis 2040 sollen eine Milliarde Chinesen vom Land in die Stadt ziehen. Läuft alles nach Plan, wird es dann im Reich der Mitte rund 2000 Städte geben, darunter 200 Millionenstädte, 30 Metro­ polen mit mehr als fünf Millionen und 15 Megazentren mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Heute leben in den rund 700 Städten knapp 700 Millionen Menschen. Um die Neuzuzüger «einzubürgern», stehen gewaltige Ausgaben an. Infrastruktur wie Strassen, Verkehrsmittel, Krankenhäuser oder Schulen dürfte die Städte nach Schätzungen der Akademie für Sozialwiss­enschaften bis zu 50 Billionen Yuan­kosten, umgerechnet 8 Billionen Franken – und

Mr. Shopenn braucht eine neue hüfte

damit eine Billion mehr als das Bruttoinlandsprodukt Chinas. Wissenschafter warnen: Gelingt es nicht,

Dass in der Schweiz vieles doch nicht so verkehrt ist, bestätigte kürzlich die Huffington Post.

die Gelder aufzutreiben oder die

Zu den fünf Dingen, die andere Länder von uns lernen könnten, gehöre auch das Gesundheits-

­Urbanisierung zu verlangsamen,

wesen. Schweizer zählten zu den gesündesten Menschen überhaupt, obwohl das System nur

könnten sich in Chinas glänzenden

2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlinge. In den USA sei der Wert dreimal höher –

Städten bald Slums bilden, wie sie

und das System um Welten schlechter. Noch immer sind Millionen von Amerikanern gar nicht

aus den Metropolen ­Lateinamerikas

versichert, ihre Lebenserwartung ist in den letzten Jahren sogar wieder gesunken. Wie kann

bekannt sind.

DG

das sein? Zu häufige Arztbesuche können es nicht sein, denn wer schlecht versichert ist, überlegt sich eine Konsultation zweimal und beisst lieber noch etwas auf die Zähne. Ein Grund, warum das US-System so viel teurer und gleichzeitig so viel schlechter ist, liegt in der Dominanz von ein paar wenigen Unternehmen. Sie verrechnen mehr oder weniger Fantasiepreise, wie ein Artikel in der New York Times zeigte. So auch bei Michael Shopenn, einem 67-jährigen ­Architekturfotografen, der eine neue Hüfte benötigte. Da sie von einer alten Sportverletzung herrührte, kam seine aktuelle Versicherung nicht für die Kosten auf. Der Kostenvoranschlag des Spitals hatte es in sich: Hüfte 13 000 Dollar, Spitalkosten 65 000 Dollar – die Kosten für den Chirurgen noch nicht einmal eingerechnet. Shopenn wollte jedoch nicht ein Drittel seiner ­Ersparnisse für eine neue Hüfte opfern. Er begann, sich zu informieren, und fand heraus, dass er in Belgien günstiger davonkommt: Für 13 660 Dollar gibt es dort die Hüfte, inklusiv allen Gebühren, Medikamenten, fünf Tage Spitalaufenthalt, eine Woche Rehabilitation sowie Hin- und Rückflug­ticket. Das ist möglich, weil die Belgier von den Herstellern Offerten einholen und auf das beste Angebot eingehen. Denn die Hüfte, die eingesetzt werden soll, stammt in beiden Fällen von demselben Unternehmen, das in den USA produziert. Kostenpunkt: 350 Dollar. Die Belgier verhandeln, die Amerikaner nicht. Der Artikel spricht von einem Kartell, das den Markt beherrsche. Die fünf Firmen, die Implantate produzieren, tun sich gegenseitig nicht weh und erhöhen die Preise laufend. Seit 1998 hätten sich die Kosten für eine Hüfttransplantation verdreifacht, berichtet Orthopedic Network News. Importe aus dem Ausland werden durch Handelsverbote, Patente und hohe Einstiegshürden verhindert. «Die Hersteller behaupten, es seien Forschung und Haftung, welche die Produkte so teuer machen», wird ein Orthopäde zitiert. Er bezweifelt, dass das stimmt. «Sie verlangen so hohe Preise, weil sie es können.»

16

WIRTSCHAFT

MM


Kazaar & Dharkan, erschaffen, um Intensit채t neu zu definieren.

nespresso.com/intenso



– Thema –

Die Schweiz ist eine Erfindernation: Milchschokolade, Birchermüesli, Rotes Kreuz, LSD und natürlich Ricola – alles hierzulande erfunden. Eine Schweizer Innovation neueren Datums ist die 2000-Watt-Gesellschaft. Doch der Weg zu ihr ist weit.

2000 WATT Text DMITRIJ GAWRISCH

Bild BORIS GASSMANN

Realität

Utopie? oder

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

19


– Thema –

H

eute wollen wir uns als Bau-

arbeiter versuchen. Sitzt der Schutzhelm, ist das Schuh-

James Watt als Einheit

werk fest, das Schnitzelbrot zum Znüni eingepackt? Zur

Watt, abgekürzt W, ist die physikalische Einheit für

Baustelle müssen wir nicht weit laufen, sie ist gleich

energetische Leistung. Benannt ist sie nach dem schot-

hier, an jeder Ecke. Und bauen wollen wir? Nichts ge-

tischen Erfinder James Watt (1736 – 1819), der den Wir-

ringeres als eine neue Gesellschaft! Keine kommunisti-

kungsgrad der Dampfmaschine entscheidend erhöhte,

sche, keine Sorge. Auch keine utopische – so zumindest

indem er den Kondensator erfand. Erst im 20. Jahrhun-

die Hoffnung, denn aus dem Griechischen übertragen

dert konnte sich die Masseinheit gegen die Pferde-

bedeutet Utopie Nicht-Ort. Nein, die Gesellschaft, die

stärke (PS) durchsetzen, ebenfalls eine physikalische

wir bauen wollen, ist bescheiden. Die Baupläne dafür

Messgrösse für Leistung, die auch auf James Watt zu-

existieren auch schon seit Jahren. Um offen zu sein, ist

rückgeht und in der Autoindustrie noch immer Verwen-

sie auch nicht ganz neu, denn früher gab es sie schon

dung findet. Ein PS entspricht einer Leistung von 735,5

einmal, nur war man sich dessen nicht bewusst. In ih-

Watt. Zum Vergleich: Eine handelsübliche Stromspar-

ren Grundzügen ähnelt sie stark unserer heutigen Ge-

lampe verfügt über eine Leistung von 11 Watt. Bei ei-

sellschaft – nur in einem Punkt ist sie anders: Sie ver-

ner Einschaltdauer von zwei Stunden verbraucht sie

braucht wesentlich weniger Energie. Genau genommen

also 22 Wattstunden (Wh) Energie. Die energetische Ge-

sind es 2000 Watt an energetischer Dauerleistung, die

samtleistung ist zeitlich variabel: Lampen sind nicht

jedem Menschen zur Verfügung stehen. Damit ist die

ständig eingeschaltet, Backöfen auch nicht. Für die

Katze aus dem Sack: Wir wollen die vielbeschworene

2000-Watt-Gesellschaft zählt der durchschnittliche

2000-Watt-Gesellschaft der Zukunft bauen.

Verbrauch über ein Jahr: So ergibt die Durchschnitts-

leistung von 2000 Watt über 8760 Jahresstunden einen

Bevor wir uns an die Arbeit machen, müssen wir

uns zum einen mit den Bauplänen vertraut machen,

Energieverbrauch von 17 520 Kilowattstunden (kWh).

zum anderen von manchen Gegenständen verabschie-

Somit könnte man die 2000-Watt-Gesellschaft auch

den, für die es in der besagten Zukunft keinen Platz ge-

als eine 17 520-kWh-Gesellschaft oder, im Einklang mit

ben wird. Etwa vom Gaskocher Twister Plus der Marke

ihren CO2-Sparzielen, als 1-Tonne-CO2-Gesellschaft

Campinggaz, den meine Freundin für unsere Zeltferi-

­bezeichnen.

en letzten Sommer gekauft hat. Er besteht aus gehärtetem Edelstahl, zusammengeklappt passt er in eine handelsübliche Büchse, wiegt 263 Gramm und kostet etwa 72 Franken. Ein paar Tage in der Wildnis zu verbringen, war auch schon früher schön, doch eines hatte zum umfassenden Vagabundenglück immer gefehlt: anständiges Essen. Waren keine Beiz oder Alphütte in der Nä-

Aufmerksamkeit auf eine Zahl zu lenken, die für un-

he und war es verboten, ein offenes Feuer zu entfachen,

ser Bauvorhaben eine grosse Rolle spielt: 2900 Watt.

blieb nur der Handgriff zu Sandwich und Müesliriegel;

Diese Leistung entwickelt der Kocher, wenn er auf eine

nicht einmal Kaffee konnten wir uns kochen. Mit dem

blaugefärbte Kartusche voller Butan geschraubt wird.

Gaskocher tat sich eine ganz neue, warme Dimension

Um einen Liter Wasser zum Sieden zu bringen, benö-

des Essens auf.

tigt er knapp vier Minuten. Dafür verheizt er jedoch fast

Doch wozu erzähle ich das alles? Nicht um Wer-

ein Drittel mehr Energie, als ein 2000-Watt-kompatib-

bung für diesen Gaskocher zu machen, sondern um die

ler Mensch in der gleichen Zeit benötigt – und zwar für

20

WIRTSCHAFT


alles: Um Kaffee zu kochen, aber auch zum Leuchten,

Gesellschaft – nur wurde sie damals nicht so genannt.

Heizen, Waschen, Duschen, Fernsehen, Internetsurfen,

Seither hat der gestiegene Wohlstand dafür gesorgt, dass

Pendeln und Verreisen.

wir uns immer mehr technische Geräte und Produkte kaufen konnten, mit der Folge, dass die durchschnittli-

Vision einer energieeffizienten Zukunft Gelegt wurde

che Leistung, die einer Schweizerin oder einem Schwei-

der Grundstein der 2000-Watt-Gesellschaft bereits 1978.

zer in Form von Heizung, Licht, Warmwasser, Kaffee-

In seinem «Physical Quality of Life Index» wies der So-

maschine, Smartphone und Tablet zur Verfügung steht,

ziologe Morris David Morris erstmals einen Zusammen-

sich mehr als verdreifacht hat. Heute beträgt sie nach

hang zwischen Energieverbrauch und Lebensqualität

Angaben des Bundesamtes für Energie zwischen 6300

nach. Er stellte fest, dass die empfundene Lebensqua-

und 6500 Watt. Damit wird in der Schweiz pro Kopf et-

lität ab einer energetischen Dauerleistung von rund

was weniger Energie verbraucht als in Westeuropa und

Die 2000-Watt-Gesellschaft ist

2000 Watt pro Person kaum mehr zunimmt. Es sollten

rund halb so viel wie in den USA.

bereits Realität – im globalen

aber 16 Jahre vergehen, bis Paul Kesselring vom Paul-

Durchschnitt. Die nationale

Scherrer-Institut, dem grössten Schweizer naturwissen-

sentiert, ist Tanja Meisser. Die 28-Jährige, die gemäss

schaftlichen Forschungszentrum, seinen wegweisen-

der Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft in Zürich, mit

den Aufsatz mit dem Titel «Eine 2000-Watt-Gesellschaft

6461 Watt auskommt, ist Projektleiterin im Architektur­

– Plausible Zukunft oder Illusion?» veröffentlichte.

büro aardeplan in Baar, Kanton Zug. Aardeplan ist Pio­

Seine Vision einer energieeffizienten und ver-

nier im energieeffizienten Neu- und Umbauen, 2012

Watt fast doppelt so viel wie

brauchsarmen Zukunft stiess bei Politikern und Wi­

wurde die Firma mit dem Schweizer Umweltschutz-

die Schweizer.

ssenschaftlern gleichermassen auf Zustimmung. Der

preis ausgezeichnet. Nachhaltigkeit

Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschule

und Energiebewusstsein sind Wer-

(ETH) griff Kesselrings Konzept 1998 wieder auf und

te, die die junge Architektin nach

beschloss, die nachhaltige Entwicklung zur wichtigs-

eigener Aussage nicht nur im Be-

ten Säule der ETH-Forschung zu machen. Mit Novat-

ruf, sondern auch im Alltag um-

lantis hat die ETH bereits 2001 ein Pilotprojekt lanciert,

setzt. Tanja ­Meisser lebt in der Stadt

das die neusten Erkenntnisse und Resultate aus der For-

Zug. Obwohl ihr der Arbeitgeber das

schung für eine nachhaltige Entwicklung in Ballungs-

Generalabonnement für die Bahn

räumen wie Basel, Zürich oder Genf konkret umsetzt.

zahlt, fährt sie lieber mit dem Rad

Auch der Bundesrat lässt sich, seit er 2002 mit der Über-

zur Arbeit nach Baar. «Velofahren ist

arbeitung des Energiegesetzes begonnen hat, von der

befreiend», sagt sie. «Abends beim

Idee der 2000-Watt-Gesellschaft leiten.

Heimradeln kann ich den Kopf

Diese steht für eine nachhaltige und, das ist neu,

wunderbar auslüften.» Im Winter,

gerechte Gesellschaft, in der jeder Mensch auf der Erde

besonders wenn es schneit, nimmt

Anrecht auf gleich viel Energie hat, nämlich eine dau-

sie den Zug. Der Zug ist ihr zweit-

erhafte Leistung von 2000 Watt. Der grösste Teil dieser

liebstes Fortbewegungsmittel. Wäh-

Energie soll aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Son-

rend sie in Luzern Architektur stu-

ne und Wind stammen. Anders als Kernenergie sollen

dierte, habe sie praktisch im Zug

fossile Brennstoffe weiterhin verwendet werden dürfen,

gewohnt, erinnert sich Meisser. Wie

allerdings sollten die damit verbundenen CO2-Emissi-

der Schweizer Durchschnitt verzich-

onen eine Tonne pro Person und Jahr nicht übersteigen

tet auch Tanja Meisser nicht ganz

– eine Menge, die nach Aussage des Weltklimarats IPCC

auf Autofahren. Sie hat zwar keinen

die Erderwärmung bei den gerade noch verkraftbaren

eigenen Wagen, lässt sich aber gele-

zwei Grad Celsius deckeln würde.

gentlich von ihrem Freund ins Büro

fahren. Ihre Baustellen besucht sie

zer Erfindung, die mittlerweile im Ausland, allen voran

mit einem Auto von Mobility.

Deutschland, Nachahmer findet. Bei der Verwirklichung

ist die Stadt Zürich Vorreiterin: In der Abstimmung vom

viele Schweizer, ressourcenbewusst,

30. November 2008 stimmten beachtliche 76,4 Prozent

ohne ein Freak zu sein. Sie verzich-

der Zürcherinnen und Zürcher dafür, die 2000-Watt-

tet nicht auf Flugreisen und Kom-

Gesellschaft anzustreben. Seitdem wird in der grössten

fort, öffnet aber auch nicht bei voll

Schweizer Metropole fieberhaft an ihrer Umsetzung ge-

aufgedrehter Heizung das Fenster.

tüftelt. Sie beginnt mit der genauen Messung des tat-

Die Geschirrspülmaschine lässt sie

sächlichen Energieverbrauchs. Heute ist die Stadt Zü-

erst laufen, wenn sie gefüllt ist. Be-

rich eine von bisher sechs Schweizer Gemeinden, die

leuchtet wird ihre Wohnung schon

ihren Energieverbrauch genau aufschlüsseln können.

seit Jahren von Stromsparlampen.

Während die Bewohner Bang­ ladeshs sich kaum Energie leisten können, verbrauchen die US-Amerikaner mit ­12 000

12 000

10 000

8000

6000

4000

Auch privat lebt Meisser, wie

2000

SA U

a

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ur op

ei

te

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es

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Oder sie züchtet es gleich selber. 44

Sc h

Gemüse möglichst aus der Region.

in den 1960er-Jahren eine real existierende 2000-Watt-

W

meilenweit entfernt, denn in der Schweiz gab es bereits

h

nicht jeden Tag Fleisch und kauft

ng la de s

im Tumbler zu trocknen. Sie isst

tige Zukunft meilenweit entfernt. Oder besser: wieder

Ba

Verbrauch hat sich verdreifacht Noch ist die nachhal-

ik a

0

Die Wäsche hängt sie auf, statt sie

PUNKTmagazin LEISTUNG

Verteilung jedoch ist ungleich.

WATT PRO PERSON

A fr

Das 2000-Watt-Lebenskonzept ist eine Schwei-

Jemand, der den Schweizer Durchschnitt reprä-

Quelle: Paul-Scherrer-Institut

WIRTSCHAFT

21


Der lange Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft

JAHR

2013 T O T A L

Wohnen

Ern채hrung

Mobilit채t

Konsum

Infrastruktur

T O T A L

JAHR

2100 Quelle: Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft

22

WIRTSCHAFT


4 4

Den Grossteil der Energie verbraucht die Durch-

schnittsschweizerin Meisser in ihrer Wohnung. Licht, Warmwasser und Wärme kamen im Jahr 2010 zusammen auf eine Leistung von 1800 Watt. Der zweitgrösste Energiefresser ist nach Angaben der Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft die Mobilität, die 1700 Watt Leistung beansprucht. Auf den Plätzen folgen Infrastruktur wie Stromnetze, Strassen, Flughäfen, Bahnhöfe, Schulen oder Krankenhäuser sowie Ernährung und Konsum mit 1500 und jeweils 750 Watt Verbrauch. Macht zusammen 6500 Watt. Wie lässt er sich nun um über zwei Drittel auf 2000 Watt senken? Wärmedämmung und Lüftung Um den Energieverbrauch nachhaltig zu reduzieren, schlagen die Verfechter der 2000-Watt-Gesellschaft drei Strategien vor: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Anders als auf einer Wanderung, wo man sich vor einer Weggabelung für einen der Pfade entscheiden muss, müssen diese drei Strategien gleichzeitig verfolgt werden, wenn das Reduktionsziel erreicht werden soll. Wofür stehen die Begriffe? Effizienz meint schlichtweg die technische Innovation, also die ständige Entwicklung von neuen, energiesparenden Technologien, die aufgrund von höheren Wirkungsgraden für den gleichen Zweck weniger Energie benötigen.

Waschmaschinen, Tumbler, Kühlschränke, aber

auch Autos und Flugzeuge verbrauchen heute wesentlich weniger Energie als noch vor zehn Jahren. Besonders in der Baubranche ist energieeffizientes Bauen und Sanieren ein ertragreiches Geschäft mit einer schier unüberschaubaren Zahl an Lösungen. Bauherren, die es mit der Energieeffizienz ihrer Neu- oder Umbauten ernst meinen, können diese zertifizieren lassen. Der bekannteste ökologische Baustandard hierzulande ist Minergie. Mittlerweile tragen fast 30 000 Gebäude in

mehr kosten als ein vergleichbarer normaler Bau. Wer

Mit Greencity-Süd wird in

der Schweiz ein einfaches Minergie-Label, rund 2000

den höheren Standard, Minergie-P, anstrebt, darf 15 Pro-

­Zürich Manegg das erste zer-

Häuser sind mit dem strengeren Minergie-P-Standard

zent mehr ausgeben. Nach Aussage von Thomas Blin-

tifizierte 2000-Watt-Areal der

zertifiziert, 138 haben sogar den Minergie-A-Status: Ihr

denbacher von der Fachstelle 2000-Watt-Gesellschaft

Betrieb benötigt schon heute fast keine Energie – oder

sind diese Mehrkosten dennoch der Hauptgrund, war-

gibt sogar Energie ab.

um viele Hausbauer auf ökologische Standards verzich-

Beim Bau von energieeffizienten Gebäuden set-

ten. «Dabei sparen energieeffiziente Gebäude nicht nur

zen Architekten vor allem an drei Stellen an: Isolati-

Energie, sondern über die gesamte Lebenszeit betrach-

bensstils», formuliert es die

on, Lüftung und Heizung. Mit einer guten Wärmedäm-

tet auch Geld», erklärt der Experte. Nach spätestens

Bauherrin, die Losinger Maraz-

mung der Wände lässt sich die Wärme im Winter im

zehn Jahren seien die Mehrinvestitionen amortisiert.

zi AG. Unter anderem profitie-

Haus halten, während sie im Sommer nicht ins Innere­

Leider habe sich das Lebenszykluskonzept aber noch

dringt. Dadurch lassen sich Heizkosten senken – sogar

nicht in sämtlichen Köpfen durchgesetzt, so Blinden-

auf null, wenn es mithilfe eines ganzheitlichen Gebäu-

bacher. Viele schrecke die anfängliche Mehrinvestition

deplanes und Lüftung gelingt, durch Abwärme von Per-

ab, auch wenn sie sich langfristig auszahle.

Schweiz erstellt. «In Greencity verschmelzen Wohnen, Arbeiten und nachhaltiges, umweltbewusstes Handeln zu einer neuen Form des urbanen Le-

ren die Mieter von einem eigenen Kleinwasserkraftwerk, das sie mit CO2-neutralem Strom versorgt.

sonen und Haushaltsgeräten eine konstante Raumtemperatur auf angenehmem Niveau zu sichern. Gelüftet

Erneuerbare statt fossile Energie Technische Effizienz

wird seltener durch Fenster – sie lassen zusammen mit

allein wird aber nicht ausreichen, um bis zum Jahr 2100

der verbrauchten Luft zu viel Wärme aus dem Haus –

den Energieverbrauch zu dritteln. Die zweite Strategie

sondern durch ausgeklügelte Lüftungssysteme, die im

auf dem Pfad zur 2000-Watt-Gesellschaft ist das Prinzip

Winter kaum Wärme nach draussen abgeben.

der Konsistenz. Durch die Konsistenz, also Substituti-

Viele Hausbauer scheuen jedoch die Mehrkosten,

on, werden atomare und vor allem fossile Energieträger

die der Bau von energieeffizienten Gebäuden verur-

durch erneuerbare ersetzt. Dadurch sparen wir zwar vor-

sacht. Dem wirkt der Verein Minergie entgegen, indem

dergründig keine Energie, dafür aber Rohstoffe und hel-

er verbindliche Kostengrenzen vorschreibt: So darf der

fen, die Vorgabe der 2000-Watt-Gesellschaft zum Koh-

Bau eines Minergiehauses höchstens zehn Prozent

lendioxid-Ausstoss zu erfüllen: höchstens eine Tonne44

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

23


4 4 pro Kopf pro Jahr. Hier sind die Konsumenten­ ge-

erstaunt: Ein «verschwenderischer» Haushalt, in dem

fordert, sie können schon heute entscheiden, welchen

noch immer alte Glühlampen für Licht sorgen, wo der

Strom sie beziehen, atomaren oder erneuerbaren, ob sie

Fernseher läuft, auch wenn niemand im Raum ist, wo

mit Diesel Auto fahren oder mit Biogas, ob sie sich einen

für jede schmutzige Unterhose die Waschmaschine­

Hummer zulegen oder einen hybriden ­Toyota Prius.

samt Trockner angelassen wird, verbraucht gut fünf

In ähnliche Richtung weist auch die dritte Strate-

Mal mehr Strom als der «moderat suffiziente» Haus-

gie, die Suffizienz. Wie immer, wenn gesellschaftliche

halt, in dem etwa Lichter gelöscht werden, wenn nie-

Veränderungen gefragt sind, kommt die Gesellschaft

mand mehr im Raum ist. Einsparungen durch Suffizi-

nicht drum herum, ihren Beitrag zu leisten. Die Men-

enz sind allerdings in fast allen Bereichen kleiner als

schen müssen bewusst Energie sparen und insgesamt

der Mehrverbrauch aufgrund von Verschwendung. Das

genügsamer leben, damit die 2000-Watt-Vision gelin-

hängt damit zusammen, dass die Normwerte für die

gen kann. Wie dieses genügsame Leben aussieht, zeigt

Standardnutzung tief angesetzt sind. Durch eine mo-

das Hochbauamt der Stadt Zürich in seinem Suffizienz­

derat suffiziente Haltung können ohne Komfortein-

pfad an den Beispielen Wohnen und Mobilität.

bussen rund 18 Prozent der Energie eingespart werden,

rechnet die Studie des Hochbauamts vor.

Wie viel Energie wir in den eigenen vier Wänden

verbrauchen, hängt massgeblich von der Fläche ab, die wir bewohnen. Die Fachsprache spricht in diesem Zu-

Wirtschaft schwingt die Arbeitsplatzkeule Während

sammenhang von der beanspruchten Energiebezugs-

die Massnahmen zur Suffizienz im Wohnbereich weit-

fläche. Aktuell stehen hierzulande im Schnitt rund 60

gehend akzeptiert sind – oder kennen Sie jemanden,

Quadratmeter zur Verfügung. Senkt man diese Fläche

der auf extradünne Wände besteht, um im Winter mög-

um ein Drittel, können 15 Prozent der Primärenergie,

lichst viel Energie verheizen zu können? –, gehen bei

also des unmittelbaren Energieverbrauchs, eingespart

der Mobilität die Meinungen sowohl im Hinblick auf

werden. Auch mit der Ausstattung der Wohnung lässt

die Effizienz als auch auf die Suffizienz weit auseinan-

sich Energie, allem voran elektrischer Strom, sparen. Es

der. Beispiel Auto: Während die einen komplett darauf

leuchtet ein, dass ein 100-Zoll-Fernsehbildschirm we-

verzichten und sowohl frische Luft als auch sportliche

sentlich mehr Strom benötigt als ein kleineres Gerät

Betätigung beim Fahrradfahren schätzen, verbringen

vom selben Typ.

andere ihren freien Sonntag mit ihrem Sportwagen, bei

Der Stromverbrauch ist die energetische Grösse,

dem nicht der Benzinverbrauch die wesentliche Kenn-

die Nutzerinnen und Nutzer am ehesten beeinflussen­

zahl ist, sondern die Beschleunigungszeit von null auf

können. Das Spektrum aufgrund des Nutzerverhaltens

hundert sowie die Dezibelstärke des Auspuffs.

24

WIRTSCHAFT


In städtischen Gebieten wird Suffizienz mindes-

tens in der Alltagsmobilität heute bereits mehrheitlich gelebt. Der Wunsch, keine Zeit im Stau zu verlieren, ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr und lange Arbeitszeiten haben in Städten zu einer Halbierung des Primärenergieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen im Bereich Mobilität geführt. Kombiniert man die Einsparungen in den Bereichen Personenfläche, Wohnungsausstattung und Betrieb sowie Mobilität, erschliesst sich die Bedeutung von Suffizienz auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft: In einem effizienten und konsistenten Gebäude nach Minergie-Standards mit Geräten der höchsten Effizienzklasse lassen sich der Primärenergieverbrauch und die Treibhausgasemissionen durch moderate Suffizienz fast halbieren. Die 2000-Watt-Gesellschaft zu bauen, wird dadurch deutlich einfacher.

Verzichten müssten wir dennoch. Unsere Reise-

tätigkeit auf 9000 Kilometer pro Jahr senken – nach neusten Angaben des Bundesamts für Statistik betrug sie im Jahr 2010 mehr als 20 000 Kilometer. Uns weniger vernetzen – und das im Zeitalter von Facebook und Co. Insgesamt ein langsameres Leben führen – und das,

– O-Ton –

Rentner

boten mir an, für mich zu gehen.

während links und rechts der Temporausch vorgelebt und beschworen wird, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Werden die Menschen dabei mitmachen? Werde ich auf meinen leistungsstarken Campingkocher verzichten, weil er zu viel und fossile Energie verbraucht? Worauf verzichten Sie?

ins Gefängnis

Wird die Wirtschaft akzeptieren, dass die Men-

schen weniger konsumieren und vielleicht auch weniger arbeiten? Wird sie bereit sein, bis 2050 einen grossen Teil der Kosten von über 200 Milliarden Franken für Um- und Ausbau der Stromnetze, den Bau neuer und die Erneuerung bestehender Kraftwerke zu

Nötig wurde es bis jetzt nicht, das Verfassungsgericht Solothurn hat sich noch

schultern, wie der Bundesrat in seiner auf Zielen der

nicht beschäftigt mit der Frage, ob sich Egerkingens Gemeindepräsidentin

2000-Watt-Gesellschaft basierenden Energiestrategie

­Johanna Bartholdi mit der Veröffentlichung der Namen der sechs grössten

2050 jüngst vorrechnete? Die Reaktionen von Wirt-

Steuersünder ihrer Gemeinde strafbar gemacht hat oder nicht. Der Zuspruch

schaftsverbänden und bürgerlichen Parteien waren wie

aus der Bevölkerung war ihr auf jeden Fall sicher, wie das einleitende Zitat aus

erwartet: Sie beklagten harte Eingriffe in wirtschaftli-

dem Blick deutlich macht. Die Solothurner Zeitung wiederum berichtet, dass

che Freiheiten sowie unverhältnismässige finanzielle

die ­Leitungen in der Gemeinde nach der Aktion heiss liefen – an einen geregel-

Belastung und drohten, wie üblich, mit dem Verlust von

ten Betrieb war nicht mehr zu denken.

•••

Arbeitsplätzen. Die FDP verlangte, dass das Volk über die Energiestrategie abstimmt.

Mit ihrer Aktion legt die FDP-Politikerin den Finger auf einen wunden Punkt:

säumige Steuerzahler. Gemäss dem Bundesamt für Statistik zählen nahezu

«Uns ist bewusst, dass wir gegen den Strom

schwimmen», sagt Thomas Blindenbacher. Einen Strich

acht Prozent der Schweizer Haushalte dazu. Ein Grossteil der offenen Beträge­

durch die Rechnung könnte ihm, neben der Wirt-

kann zwar schlussendlich eingetrieben werden, verursacht jedoch einen un­

schaftslobby, auch der sogenannte Rebound-Effekt ma-

nötig grossen Verwaltungsaufwand. Ein Prozent der Forderungen muss aber

chen. Indem wir immer weniger Geld für Primärener-

­jeweils abgeschrieben werden. In grösseren Städten wie Zürich oder Luzern

gie ausgeben, bleibt mehr Geld für andere Güter übrig,

sind das Jahr für Jahr zweistellige Millionenbeträge, die dem Fiskus entgehen.

deren Herstellung aber nicht ohne Energie, sogenann-

Diejenigen, die bezahlen könnten, es aber nicht oder verspätet tun, sind die

te graue Energie, auskommt. Verfechter der 2000-Watt-

Adre­ssaten des Steuerprangers von Johanna Bartholdi.

•••

Gesellschaft hoffen, dass das gesparte Geld nicht für energieintensive Konsumgüter ausgegeben, sondern

Der Steuerpranger ist umstritten, nicht nur rechtlich. Doch so brachial die Me-

in Innovation und Effizienz investiert wird. Aber er-

thode auch sein mag, sie scheint erfolgreich zu sein, zumindest in Egerkingen.

zwingen können sie es natürlich nicht. Die Entschei-

Nur schon wegen der Drohung, die säumigen Steuerzahler an der Gemeinde­

dung liegt bei uns. Legen wir los, fangen wir jetzt mit

versammlung bei vollem Namen zu nennen, meldeten sich 35 Bürger und be-

dem Bau der 2000-Watt-Gesellschaft an? Oder essen wir

zahlten total 70 000 Franken ein. Der letzte Steuersäumige soll den offenen

das Schnitzelbrot auf und fahren unverrichteter Dinge

Betrag wenige Stunden vor der Gemeindeversammlung in bar am Schalter

nach ­Hause?

­beglichen haben.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

25


Fidelity Active Strategy (FAST)

Mehr Rendite mit Fonds der Fidelity Active Strategy (FAST)

Komplexe Aufgaben benötigen eine flexible Strategie

Geldanlegen wird immer anspruchsvoller. Vertrauen Sie deshalb auf flexible Strategien, welche in starken Märkten Zusatzerträge erarbeiten und in schwächeren Phasen einen grösseren Schutz bieten können. Die FAST-Produkte von Fidelity sind geeignet, die unterschiedlichen Marktphasen zu nützen. Sie verwenden dazu Long-Short-Strategien und setzen gezielt derivative Instrumente ein. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in der flexiblen Gewichtung sowohl der einzelnen Positionen als auch des Gesamtengagements. Die Titelauswahl erfolgt in der für Fidelity typischen Art nach umfassender Fundamentalanalyse.

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Erfahren Sie mehr über die FAST-Produktefamilie auf www.fidelity.ch/FAST

Fidelity Active STrategy („FAST“ oder der „Fonds“) ist eine in Luxemburg gegründete offene Investmentgesellschaft (SICAV) mit verschiedenen Anteilsklassen. Fidelity Worldwide Investment liefert nur Informationen zu seinen eigenen Produkten und Dienstleistungen und bietet keine Anlageberatung auf der Grundlage persönlicher Umstände an. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Richtwert für zukünftige Erträge. Der Wert von Anlagen kann sowohl steigen als auch fallen, und Anleger erhalten unter Umständen nicht den investierten Betrag zurück. Investitionen sollten auf Basis des aktuellen Verkaufsprospektes und der Wesentlichen Informationen für den Anleger getätigt werden. Diese Dokumente sowie der aktuelle Jahres-/Halbjahresbericht sind kostenlos bei den berechtigten Vertriebsstellen, beim europäischen Service-Center in Luxemburg oder beim Vertreter in der Schweiz erhältlich. Vertreter und Zahlstelle in der Schweiz ist BNP Paribas Securities Services, Paris, succursale de Zurich, Selnaustrasse 16, 8002 Zürich. FIL Limited und ihre jeweiligen Tochtergesellschaften bilden den globalen Anlageverwaltungskonzern, der üblicherweise als Fidelity Worldwide Investment bezeichnet wird. Fidelity, Fidelity Worldwide Investment und das Symbol F sind eingetragene Warenzeichen von FIL Limited. Herausgeber: FIL Investments International, zugelassen und reguliert in Grossbritannien durch die Financial Conduct Authority (FCA). Diese Kommunikation richtet sich nicht an Personen innerhalb von Grossbritannien oder den Vereinigten Staaten von Amerika und darf nicht von ihnen verwendet werden. Diese Kommunikation ist ausschliesslich an Personen gerichtet, welche in einer Jurisdiktion wohnhaft sind, in welcher die entsprechenden Fonds zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sind oder in welcher eine solche Zulassung nicht verlangt ist. 13CH0616


– Wirtschaft –

wie meinen sie das?

unterwerfen. Sie sollen die Spitze meines

anreiz beziehen sich allesamt auf diese

­Degens fühlen, bis er stumpf wird.

­erste Bedeutung von Leistung: Leistung als

Resultat, als Ergebnis einer Arbeit.

Alles klar?

Vielfältige Leistung Ein deutsches Wort, an

Von der Dampfmaschine zum Chip In-

dem Shakespeare die hellste Freude gehabt

formatiker dagegen verstehen unter Leis-

hätte – und damit katapultieren wir uns zu-

tung etwas komplett anderes. Für sie drückt

rück in die Gegenwart – ist Leistung. Denn

der Begriff primär die Anzahl von Rechen-

kaum ein anderes Wort besitzt derart viele

operationen aus, die ein Prozessor oder ei-

Bedeutungen, die natürlich auch das Schlaf-

ne Grafikkarte in einer Sekunde bewältigt.

zimmer nicht unbefleckt lassen: Wie viele

Ähnlich, aber allgemeiner als der Informa-

Männer quälen sich mit dem Gedanken, ihre­

tiker versteht die Physikerin die Leistung.

Leistung nicht erbracht zu haben, wenn sie

Sie definiert sie als Energie, die ein techni-

im Bett im entscheidenden Augenblick nicht

sches Gerät in einer Stunde umsetzt, und

ihren Mann gestanden haben. Dieser Leis-

misst sie in Watt oder, vor allem früher,

tungsausfall freut die Potenzmittelindustrie.

in Pferdestärken. Beide Masseinheiten ge-

Um uns im Bedeutungsdickicht des

hen übrigens auf den schottischen Erfinder

Worts Leistung zurechtzufinden, benötigen

James Watt zurück, der zu Beginn des 19.

wir professionelle Hilfe (wozu prompt, von

Jahrhunderts die Dampfmaschine entschei-

der zweideutigen Lektüre Shakespeares in­

dend weiterentwickelte und durch die An-

spiriert, kleine schlüpfrige Wortspiele in den

gabe von Pferdestärken populär verständ-

Sinn kommen, die wir uns aber sofort wieder

lich machen wollte, wie viele Pferde eine

aus dem Kopf schlagen). Die holen wir uns,

Dampfmaschine zu ersetzen vermochte.

ganz analog, aus dem Duden. Wir blasen die

Staubschicht weg und schlagen das Buch bei

tung dieses bedeutsamen Worts, ist die

aber eines kann man ihm nicht absprechen:

«L» auf.

Leistung weitgehend immateriell. Sie kann

Johann Wolfgang von Goethe besass unzäh-

Was sehen wir? Fettgedruckte Ziffern

aber auch feste Formen annehmen, näm-

ligen Untersuchungen zufolge den gröss-

verraten, dass unser Wort vier verschiedene

lich dann, wenn sie als Geldbetrag (in bar)

ten deutschsprachigen Wortschatz aller

Bedeutungen hat. Für den wirtschaftlichen

ausbezahlt wird. So zum Beispiel entrich-

Zeiten. Analysen zeigen, dass der Schöpfer

Sprachgebrauch sind die erste und die vier-

ten Sozialämter Leistungen an Leistungs-

des «Faust» rund 90 000 Wörter aktiv be-

te am wichtigsten. Leistung, so der Duden, sei

empfänger, wodurch sie deren Existenz-

herrschte. Zum Vergleich: Der aktive Wort-

zuallererst eine Errungenschaft, das Ergeb-

minimum sichern. Auch Versicherungen

schatz eines Deutschsprachigen wird heu-

nis einer Anstrengung. «Reife Leistung», sa-

entrichten Leistungen, wenn ein Schaden-

te auf 12 000 bis 16 000 Wörter geschätzt.

gen die Mitspieler ihrem Torwart und klop-

fall eingetreten ist – oder verweigern sie,

Text DMITRIJ GAWRISCH

Der Austausch von Preis und Leistung bewegt die Wirtschaft. Was aber heisst «Leistung» genau? An der Mehrdeutigkeit des Begriffs hätte selbst William Shakespeare helle Freude gehabt.

Man kann ihn lieben oder hassen,

Als Dienstleistung, die vierte Bedeu-

Dabei ist der heutige Mensch im Vorteil:

wenn der Kunde den Schaden selbst verur-

Begriffe wie Internet, Globalisierung oder

sacht hat.

­Eurorettungsschirm gab es zu Goethes Zeiten noch nicht.

Von der Steinzeit zur Geldwirtschaft Um

In Punkto Wortschatz kann William

die ganze Bedeutung von Leistung für die

Shakespeare zwar mit Goethe nicht mithal-

Wirtschaft zu erkennen, muss man den ge-

ten – der englische Dramatiker soll rund

druckten Duden aber doch zuklappen und

35 000 verschiedene Vokabeln verwendet

über eine leistungsstarke Leitung auf dess­

haben –, auf einem anderen Feld schlägt

en Onlineressourcen zugreifen. Duden.de

der Engländer seinen deutschen Kollegen

führt nämlich Verbindungen auf, in denen

aber um Längen: bei Mehrdeutigkeiten und

das untersuchte Wort häufig auftritt. Was

Wortspielen, auf Englisch puns. Gleich in

sehen wir? Besonders oft wird Leistung in

der ersten Szene von «Romeo und Julia»

der Kombination mit den beiden Substan-

gibt es den folgenden, hier leicht gekürzt

tiven Gegenleistung und Preis verwendet.

wiedergegebenen Dialog zwischen zwei Be-

Kein Wunder, ist doch der Austausch von

dienten der Familie Capulet, die mit der

«Die Mädchen sollen die Spitze meines Degens

Leistung und Gegenleistung nichts ande-

­Familie Montague verfeindet ist:

spüren,­bis er stumpf wird.» Was der Meister

res als das urwirtschaftliche Prinzip des

der ­Doppeldeutigkeiten damit meinte?

Tauschhandels. Hat eine Leistung dagegen

Samson: Mit jedem Bedienten und je-

dem Mädchen Montagues will ich es aufnehmen.

einen Preis, zu dem sie hoffentlich in eifen ihm auf die Schultern, nachdem er den

nem überzeugenden Verhältnis steht, sind

Gregorio: Es mit den Mädchen aufneh-

entscheidenden Elfmeter gehalten hat. «Un-

wir aus der Steinzeit raus und in der mo-

men? Pfui doch! Du solltest dich lieber von

genügende Leistung», tadelt dagegen der alte

dernen Dienstleistungsgesellschaft ange-

ihnen aufnehmen lassen.

Professor seinen Studenten, der ständig neue

kommen.

Samson: Ich will barbarisch zu Wer-

Einwände gegen effiziente Finanzmärkte

ke gehen. Hab ich‘s mit den Bedienten erst

vorbringt. Abgeleitete Begriffe wie Leistungs-

mal eindeutig, bestätigt sähe: «Wo Geld

ausgefochten, so will ich mir die Mädchen

gesellschaft, Leistungsträger oder Leistungs-

vor­angeht, stehen alle Wege offen.»

PUNKTmagazin LEISTUNG

Wo sich Shakespeare, ausnahms­weise

WIRTSCHAFT

27


JA, ICH WILL

15% MEHR BEZAHLEN

28

WIRTSCHAFT


– Wirtschaft –

WOLLEN WIR UNS DAS LEISTEN? Wer sich etwas kaufen will, das sein Budget übersteigt, nimmt oft einen Privat- oder Konsumkredit auf. ­­ Dem ­Einzelnen befriedigen sie ein Bedürfnis, aber was leisten solche Kredite für die Volkswirtschaft?

Doch bekanntermassen verläuft die-

unterhalt bestreiten kann. Um diesen Wert zu

ser Prozess nicht immer so reibungslos. Nur

errechnen, wird die Differenz zwischen dem

Über den Nutzen von Krediten, allen

schon ein unvorhergesehenes Ereignis –

betreibungsrechtlichen Existenzminimum

voran Privatkrediten für Konsumzwecke und

­Arbeitslosigkeit, Unfall, ein teurer Zahnarzt-

(erweitert um Rücklagen für Steuern und be-

Konsumkrediten, sind die Meinungen ge-

besuch – und die Finanzplanung gerät durch-

stehende Verbindlichkeiten) und den monat-

spalten. Die Kreditanbieter preisen sich an

einander. Der Kreditgeber merkt davon zuerst

lichen Einkünften mit 36 multipliziert. Was

als Partner für «passende Finanzierungslö-

meist nichts, seine Rechnungen werden wei-

das konkret heisst, verdeutlicht ein Beispiel

sungen», versprechen «finanzielle Unabhän-

terhin bezahlt. Als erstes bleiben die Rechnun-

der Schuldenberatung Zürich.

gigkeit» und sehen sich als Konsummotor.

gen von Steuerämtern und Krankenkassen

«Ein Konsum- oder Privatkredit verschafft

liegen. Verständlich: Ihre Leistungen können

der mit einem Monatslohn von 4200 Fran-

die Möglichkeit, nicht geplante Anschaffun-

auch bei Nichtzahlung bezogen werden und

ken einen Kredit von bis zu 37 000 Franken

gen oder Ausgaben zu tätigen beziehungswei-

im Gegensatz zu den Kreditinstituten sind sie

beziehen. Dies obschon Miete – 1200 Franken

se finanzielle Engpässe zu überbrücken», be-

lasche Schuldeneintreiber. Diese Ausfälle be-

– und Krankenkasse – 250 Franken – mehr

schreibt ein Internet-Vergleichsdienst ihren

treffen jedoch nicht nur die Schuldner selber,

als ein Drittel seines Gehalts ausmachen. Bei

Nutzen. Das stimmt nur halb, denn oft wer-

sondern verursachen Kosten, die von der All-

Rückzahlung innert drei Jahren beträgt die

den sie aufgenommen, um eine Anschaffung

gemeinheit getragen werden müssen.

Monatsrate etwa 1200 Franken, der Zins für

zu tätigen, die sehr wohl geplant ist – aber

Die einen bezahlen ihren Kredit prob-

die ganze Laufzeit zwischen 4500 und 6300

eben nicht ins Budget passt. «Es gibt immer

lemlos ab, bei anderen führt er in die Über-

Franken. Der Zeitraum von 36 Monaten ist

eine Lösung», verspricht Credit now. Zu wel-

schuldung – wer zu welcher Gruppe gehört, ist

kein Zufallswert, sondern die Dauer, nach der

chen Konditionen auch immer, sie folgt der

immer erst im Nachhinein bekannt.

ein Kredit nach allgemeinem Verständnis ab-

Text DAVID FEHR Bild BORIS GASSMANN & FABIAN WIDMER

Prämisse «Heute kaufen, morgen bezahlen».

Gemäss diesem kann ein Alleinstehen-

bezahlt sein sollte.

Im guten Fall gelingt das auch: Der Kre-

Schuldenfrei nach 36 Monaten, theoretisch

ditnehmer begleicht seine Raten und steht

Um Probleme bei der Rückzahlung zu ver-

die Kredite häufig, und die Schuldner befin-

nach Ablauf des Kredits wieder schuldenfrei

meiden, wurde mit der Revision des Kon-

den sich über Jahre am Rande der Zahlungs-

da. Für den vorgezogenen Konsum bezahlt er

sumkreditgesetzes 2003 ein neues Instru-

unfähigkeit. Solange sich der Lohn nicht mar-

zwar einen Aufpreis von bis zu 15 Prozent – so

ment erlassen: die Kreditfähigkeitsprüfung,

kant erhöht, eine Erbschaft gemacht oder

hoch ist der gesetzlich erlaubte Maximalzins

die für jeden Kreditnehmer individuell den

eine ernsthafte Schuldensanierung samt ma-

–, aber in einer freien Marktwirtschaft ist das

maximalen Betrag definiert. Seine finanzielle­

teriellen Einschränkungen angegangen wird,

schliesslich seine eigene Entscheidung, so-

Schmerzgrenze sozusagen, bis zu der er die

verbleiben sie dort und sorgen bei den Kredit-

lange niemand anders davon tangiert wird.

Kreditraten begleichen und seinen Lebens-

gebern für stetige Zinseinnahmen.

PUNKTmagazin LEISTUNG

In der Realität jedoch überlappen sich

WIRTSCHAFT

4 4

29


4 4

Wie häufig geschieht das? Wie viele

Krankenkassenprämien ist nicht bekannt,

steuer unmittelbar an, Ende Jahr folgt allen-

Menschen haben laufende Kredite für Kon-

dürfte jedoch in die Milliarden gehen.

falls ein mikroskopischer Anteil an den Ge-

sumzwecke und können gleichzeitig ihre

Es ist davon auszugehen, dass nicht

winnsteuern des Unternehmens. Muss der

Steuer- und Krankenkassenrechnungen nicht

wenige ohne Not in diese Lage gerieten: das

Konsument zuerst sparen, erfolgen die Ein-

begleichen? Wenn nur vereinzelte Kreditneh-

neuste Smartphone, ein grösseres Auto, ei-

nahmen später. Der Staat würde aber vor al-

mer in diese Situation geraten, könnte man

ne teure Ferienreise – für die wahre Lebens-

lem davon profitieren, dass weniger Haushal-

von einem Kollateralschaden sprechen, vom

qualität im Endeffekt unnötige Konsumgüter.

te in Zahlungsrückstände gerieten und der

Preis, der zu zahlen ist, um den Zeitpunkt des

Selber Schuld, könnte man sagen – wenn da

Allgemeinheit mit ihren ausstehenden Steu-

Konsums selber bestimmen zu können. Wenn

nicht die negativen Externalitäten für die All-

ern und Krankenkassenrechnungen Kosten

es viele sind, erfüllt die Kreditfähigkeitsprü-

gemeinheit wären. «Immer mehr Menschen

­verursachten.

fung ihre Aufgabe nicht richtig und sollte al-

geraten in Überschuldung. Ein Leben an der

lenfalls nochmals überarbeitet werden.

Armutsgrenze infolge Betreibungen und

wert des Geldes. Er besagt, dass Geld heute im-

Nicht unerwähnt bleiben soll der Zeit-

Lohnpfändungen führt dazu, dass viele Per-

mer mehr wert ist als Geld morgen, da es in

Unbezahlte Rechnungen Wie eine 2013 ver-

sonen die Arbeitsmotivation und folglich ih-

der Zwischenzeit ja Zinsen abwirft. Doch die-

öffentlichte Studie des Bundes zeigt, sind es

re Stelle verlieren, psychisch erkranken und

ses Argument wird umso zahnloser, je tiefer

eben nicht nur ein paar Vereinzelte, die in

schliesslich aus Resignation zum kostspieli-

die Zinsen sind.

der Schweiz in einem Haushalt mit Zahlungs-

gen Sozialfall werden. Überschuldung wird

rückständen leben, sondern eine Million

so immer mehr zu einem beträchtlichen Kos-

Mehr Schutz, weniger Marge Wenig Freude

Menschen. Von diesen haben über 37 Prozent

tenfaktor der öffentlichen Hand», schreibt

an strengeren Gesetzen hätten die Kreditins-

einen Kredit und fast 29 Prozent einen Kon-

die Schuldenberatung Zürich.

titute, die dank grossen Zinsdifferenzen hohe

sumkredit, die Schnittmenge ist unbekannt.

Die Auswertung des Bundes zeigt, dass

Profite erzielen. Allein die GE Money Bank,

Bei fast der Hälfte dieser Million ist die Situa-

durchaus ein Muster besteht, wer für solches

die per Ende 2012 fast vier Milliarden Fran-

tion kritisch. Das bedeutet, die Kontoüberzü-

Verhalten anfällig ist: Geringverdiener, Aus-

ken als Kredite und Leasings ausstehend hatte,

ge und offenen Rechnungen betragen mehr

länder, Arbeitslose und kinderreiche Famili-

generierte einen Zinsertrag von 323 Millionen

als zwei Drittel des monatlichen Haushalts-

en. Ihr Einkommen erlaubt ihnen nicht den

Franken. Ihr Gewinn betrug 134 Millionen

einkommens.

Lebensstandard, den sich die meisten Men-

Franken, 190 000 Franken pro Mitarbeiter.

schen hierzulande leisten können.

Die Bank now verdiente sogar 216 000 Fran-

Die Schuldenberatung beklagt: «Kon-

ken pro Mitarbeiter. Beeindruckende Zahlen

sumkredite sind zu leicht erhältlich.»

– die stutzig machen. Normalerweise entste-

Was wären denn die Folgen für die

hen hohe Gewinne pro Mitarbeiter in Bran-

beteiligten Parteien – Konsumgüter-

chen, in denen dank grossem Know-how viel

branche, Staat, Kreditnehmer, Kredit-

Wert geschaffen wird. Für die Kreditbranche

geber –, wenn solche Kredite weniger

gilt das nicht. Ihr Erfolgsgeheimnis ist die gro-

leicht erhältlich ­wären?

sse Differenz zwischen dem Leitzins, den sie bezahlt (unter einem Prozent) und dem Kre-

In der Schuldenfalle, ausser Gefecht

ditzins (maximal 15 Prozent), den sie erhält.

Für die Konsumbranche besteht der

Unterschied zwischen Bar- und Kre-

zeugen die Werbeanstrengungen der Kre-

ditverkauf – bar meint hier nicht

ditinstitute. Sie schalten überdimensionier-

zwingend Bargeld, sondern den Kauf

te Plakatserien, pflastern Webseiten mit Wer-

mit Eigenmitteln – zum Zeitpunkt

bung zu, verschicken halbpersonalisierte

des Abschlusses: Die Transaktion

Briefe, in denen Kunden ungefragt Kredite in

findet dank dem Kredit früher statt,

Höhe von mehreren 10 000 Franken angebo-

als sie stattgefunden hätte, wenn der

ten werden, denn «es ist doch schön, etwas Si-

Konsument zuerst sparen müsste. Sei-

cherheit zu haben». Von diesem Zinskuchen

ne Kaufkraft erhöht sich damit nicht,

will nun auch vermehrt die Konsumgüter-

sie wird nur vorgezogen. Dasselbe gilt

branche etwas abhaben. Dazu schaffen sie

für die Umsätze der Konsumbranche:

in Partnerschaft mit Kreditinstituten eigene

Wie attraktiv das Geschäft ist, davon

Sie werden vorgezogen, nicht erhöht.

Kundenkarten mit Kreditoption, der Zinser-

Und wie bereits erwähnt sind es eben

Strengere Kreditgesetze könnten ihr langfris-

trag wird nach einem unbekannten Schlüssel

nicht die Kreditraten, sondern die Steuer-

tig sogar entgegenkommen: Wer in finanziel-

aufgeteilt. Ein Trend, der sicher nicht zu weni-

rechnungen, die als erste unbezahlt bleiben.

len Schwierigkeiten steckt, kann nicht weiter

ger Verschuldung führt.

Bei zwei Dritteln dieser Million ist das der

konsumieren, ist sozusagen «ausser Gefecht».

Fall, 660 000 Personen also. Und von die-

Wer sich finanziell gar nie mehr erholt, wird

ist die optimale Allokation von Ressourcen,

sen haben über 37 Prozent einen Kredit und

niemals wieder zum Kunden.

zu diesen zählt auch Geld. Aus gesamtvolks-

fast 30 Prozent einen Konsumkredit. Mit den

Auch für den Staat könnten sich stren-

wirtschaftlicher Sicht wird die Kreditindus-

Krankenkassenprämien sind 300 000 Men-

gere Regeln auszahlen, da sie in einem ers-

trie diesem Anspruch in vielen Fällen nicht

schen in Verzug, davon 39 Prozent mit Kre-

ten Schritt ja nur eine Verschiebung des Zeit-

gerecht. Mehr wirklicher Schutz vor Über-

dit, 29 Prozent mit Konsumkredit. Der Total-

punkts der Steuererhebung zur Folge hätten.

schuldung – und zwar auf Kosten der hohen

betrag dieser Steuerrückstände und offenen

Beim sofortigen Kauf fällt die Mehrwert-

Margen – würde ihr gut anstehen.

30

WIRTSCHAFT

Eine der Hauptaufgaben der Wirtschaft


– Erfunden –

Schulnoten (lat. nota: Merkmal, Schriftzeichen) oder Zensuren (lat. censura: Aufsicht, Rüge) sind ein Mittel zur Leistungsbeurteilung. Ihre ersten Spuren finden sich in der angelsächsischen Schulordnung von 1530, wo Schüler halbjährlich vom

PFARRER UND BURGERMEISTER examiniert wurden. Wer «mehr denn andere löblich respondiert», erhielt eine Semmel, den

«EXAMENWEGGEN»

.

Den besten Schülern war die erste Sitzreihe vorbehalten, daher der Begriff

Gemäss Studien sind Noten für gute Schüler

LEISTUNGSFÖRDERND, für schlechte dagegen ein

MOTIVATIONSKILLER . Die Kritik an Noten ist gross, schon seit Jahrzehnten. Nicht wenige Fachleute fordern ihre Abschaffung. So auch der populäre deutsche Philosoph Richard David Precht: «Das Notensystem wird unseren Kindern nicht gerecht.» Stattdessen sollen Lehrer die Leistung der Schüler gemeinsam und fächerübergreifend beurteilen.

KLASSENPRIMUS. So wie es in alternativen Lerninstituten wie den Die Anzahl Notenstufen wurde sukzessive erhöht: von drei (im 19. Jahrhundert) auf zumeist sechs wie heute in der Schweiz. Weltweit haben sich verschiedene Notensysteme etabliert:

-3 +12 4 10 BIS

in Dänemark

A E BIS

in England

0 10 BIS

in Spanien und Brasilien

BIS

STEINER& MONTESSORISCHULEN

in Finnland

seit jeher üblich ist. Statt

1 5

Noten erhalten die Schüler in-

BIS

in Russland und Serbien

1 60

dividuelle Beurteilungen ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Lernfortschritte.

BIS

in Luxemburg

Ungeklärt ist, wie bei solchen Systemen die internationale Vergleichbarkeit der Leistungen in

Im Gegensatz zu früher messen Noten heute nur die Leistung

PISA-Studien gewährleistet werden soll.

des Schülers, nicht sein Potenzial oder seinen Einsatz.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

31


– Wirtschaft –

Text STINE WETZEL

Bild BORIS GASSMANN

MISTER STRONG Quantified Self ist ein US-amerikanischer SelbstdiagnostikTrend, der nun auch nach Europa überschwappt. Feiert das quantifizierte Ich die Selbstoptimierung als Lebenskunst – oder ist es der Beginn einer selbst auferlegten Gesundheitsdiktatur?

4. September dieses Jahres, ein Mitt-

wie Leistungsfähigkeit messen und visuali-

­veganer Ernährung. «Veganer leiden weniger

woch, im Hauptgebäude der ETH Zürich:

sieren. Die Daten geben ihm ein objektives

an Herzerkrankungen und fühlen sich besser.

Die Quantified-Self-Gruppe Zürich trifft sich

Feedback, ob er auf dem richtigen Weg ist. Er

Ich wollte wissen, wie sich eine Ernährungs-

zum vierten Mal. Mathematiker Winslow

muss sich nicht auf Gefühlsmässigkeiten ver-

umstellung auf meinen Körper auswirkt und

Strong hat die Gruppe vor einem Jahr ge-

lassen. Seine Wurzeln hat QS im technologie-

ob ich damit leistungsfähiger bin», erklärt er

gründet. Einige Etagen weiter oben hat er

gläubigen Silicon Valley, wo Gary Wolf und

seine Beweggründe.

sein Büro. Winslow Strong ist 30 Jahre alt,

Kevin Kelly, Journalisten des Maga-

189 Zentimeter gross, wiegt 87 Kilogramm,

zins Wired, 2007 eine Online-Platt-

sein Blutdruck beträgt 110/67, täglich legt er

form gründeten, die Selbstoptimierer

acht Kilometer zu Fuss zurück, vier Mal im

zusammenbringt. Inzwischen gibt es

Jahr geht er Blut spenden, um seinen Eisen-

145 Gruppen in 35 Ländern.

gehalt zu regulieren. Jeden Morgen meditiert Winslow Strong, stellt sich auf die Waage,

Superman werden Als Winslow Strong

misst seine Körpertemperatur zur Kontrolle­

im Herbst 2012 nach Zürich zurück-

seines Stoffwechsels und führt akribisch

kehrte, wo er ein Jahr zuvor eine Stelle

Buch über seine nächtliche Hirnaktivität, um

an der ETH in der Forschung bekam,

ein Bild von seinen Schlafphasen zu haben.

wollte er der hiesigen QS-Gruppe bei-

Einmal im Monat misst er seinen Blutdruck.

treten – doch es gab keine. Da QS nie-

Winslow Strong ist sein eigener Hausarzt. Er

mandem ein Begriff war, gründete Strong

versucht, seinen Körper möglichst genau zu

selbst eine Gruppe. Heute, ein Jahr später, ha-

diese Superman-Sehnsucht? Der deutsche

kennen, um ihn dann zu optimieren und ein

ben sich ihm 117 Gleichgesinnte angeschlo­

Philosoph Peter Sloterdijk sieht in der Selbst-

gesünderer, glücklicherer und leistungsfähi-

ssen. 23 von ihnen kommen zum Treffen und

überwindung ein zutiefst menschliches Be-

gerer Mensch zu werden.

unterhalten sich bei Brokkoli, Weintrauben,

dürfnis. Die Lust der Transgression und der

Schneller, stärker, besser – woher kommt

Zahlen und logische Zusammenhän-

Brot und Wasser über ihre aktuellen Projekte.

Übermensch-Impuls entspringen einer kind-

ge haben ihn, Absolvent der Eliteuniversität

Strong trinkt ein Dosenbier. «Gesundheit ist

lichen Stimmung: Was könnte ich noch alles

Princeton, schon immer interessiert. Eben-

keine Obsession für mich, ab und zu gönne ich

können? Die Autorin Juli Zeh hält mit einem

so die eigene Gesundheit. Im Sommer 2012

mir ein Bier.» Seinen Blog «Biohack Yourself»

zornigen Artikel im Tagesanzeiger gegen die-

stiess er in San Francisco auf eine Quantified-

besuchen täglich etwa hundert Menschen.

se Selbstoptimierung: Die totale Selbstkon­

Self-Gruppe – eine Erleuchtung: Mit Quanti-

trolle sei eine Illusion, eine Selbstverskla-

fied Self (QS) kann Strong Körperfunktionen

zen. Zuletzt machte er ein Experiment mit

32

WIRTSCHAFT

Winslow Strong testet gerne seine Gren-

vung, «Egozentrik als Biozentrik».

4 4



4 4

Würde es sich bei Winslow Strong und

seinen Mitstreitern nur um ein paar einzelne

nach dem Bonus-Malus-­System belohnt wer-

wir uns zumuten können», meint Winslow

den soll.

Strong, schickte dem Gentest-Unternehmen

Freaks handeln, könnte man über den Trend

seinen Speichel, bekam den Online-Zugang

hinweggehen. Doch der perfekte Körper gilt

Befreiung vom ewigen Durchschnitt

Von

zu seinem Genom und kennt seither seine Ri-

in der Gesellschaft längst als das Nonplus­

seinem Ernährungsexperiment erhoffte sich

sikofaktoren. Immerhin: Alzheimer und Par-

ultra. Könnte Quantified Self künftig sogar

Strong eine Steigerung seiner Leistungsfähig-

kinson, die beiden meistgefürchteten erbli-

Basis für Versicherungsleistungen werden?

keit – und irgendwie spielte auch das Ergebnis

chen Belastungen, sind es nicht. Aber sein

Das Zürcher Startup Dacadoo macht Gesund-

seiner Genanalyse eine Rolle. Für 99 Dollar

Risiko für Herzkrankheiten liegt über dem

heit bereits messbar und will mit Krankenkas-

serviert die Firma 23andMe die eigenen Ge-

Durchschnitt: 61,3 statt 46,8 Prozent. Seither

sen zusammenspannen. Nutzer speisen ihr

ne auf dem Silbertablett. Kritiker finden diese

achtet er noch mehr auf ein gesundes Kör-

Profil mit ihren Daten und bekommen einen

Praxis unzulässig: Was, wenn jemand Parkin-

pergewicht und regelmässige Sporteinhei-

«Dacadoo Health Score» zwischen Eins und

son im Erbgut trägt und das nun ohne profes-

ten – Schwimmen, Laufen, Krafttraining. Und

Tausend zugewiesen. Mit Gaming-Prinzipien

sionelle Begleitung erfährt? «Schwachsinn.

eben: Vielleicht hilft ja vegane Ernährung?

motiviert das Portal seine Nutzer zu gesunder

Das kommt ja einer Entmündigung gleich.

Lebensführung, die von den Kranken­kassen

Wir sind erwachsen und wissen selbst, was

er das. 25 Tage lang verzichtete er auf jedes

34

WIRTSCHAFT

Als Wissenschaftler seiner Selbst testete­


Tierprodukt, protokollierte Ernährungs­

menden Rede fragt Ernst Hafen die Quanti-

details, Körperfett, Workouts und Körpertem-

fier, wer ein Konto auf der HealthBank eröff-

peratur, testete sein Blut auf Vitamin-, Hor-

nen möchte. Die Hälfte der Anwesenden hebt

mon- und Lipidlevel und trug beim Schlafen

den Arm – an den Handgelenken Schrittzähler.

ein EEG-Messgerät. Eine Menge Daten, die man erst auswerten und zusammenbringen muss. Das ist die Krux der Quantifier: Daten sammeln ist die eine Sache, eine ganz andere ist es, Ursachen festzumachen. Dafür ist ein ordentlicher Grundstock an medizinischem Wissen unabdingbar.

Winslow Strong hat es sich auf Ge-

sundheitsblogs angelesen. Nach 25 Tagen zieht er Bilanz. Die vegane Ernährung hat seine Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt – aber auch nicht gesteigert. Sie brachte ihm einen schlechten Schlaf und paradoxerweise be­ssere Laune – was vermutlich nicht

Geld macht glücklich, wenn man einen Partner hat, der immer für einen da ist. Mit unseren Anlagefonds und Vorsorgelösungen bleibt Ihnen mehr Zeit, das Leben zu geniessen. Gerne berät Sie der Kundenberater Ihrer Kantonalbank.

dem Essen,­ sondern dem guten Wetter zuzuschreiben sei. «Korrelation ist noch lange keine Kausalität, Störvariablen sind manchmal

Maschinenmenschen Ohne technische Hilfs-

das adäquatere Erklärungsmuster», meint der

mittel wäre die QS-Bewegung undenkbar.

Statistik-Experte. Weitere Befunde: eine re-

Mittlerweile gibt es eine ganze Armada an

duzierte Libido und Gewichtsabnahme, bei-

Apps und Messinstrumenten. Der Journalist

des nicht gerade willkommene Veränderun-

Jan-­Keno Janssen schätzte in einem Artikel für

gen. Was die Herzensgeschichte anbelangt,

das Computertechnik-Magazin c’t den Umsatz

war in den 25 Tagen keine wesentliche Ver-

von Self-Tracking-Produkten 2015 in Europa

besserung auszumachen. Und damit legt er

auf umgerechnet 3,6 Milliarden Franken. Ein

sein Experiment ad acta – vegane Ernährung:

wachsender Markt, der aber noch in Kinder-

verbessert ihn nicht. Aber er hat wieder ein

schuhen steckt. Daher verbringen die Quanti-

bisschen mehr Selbsterkenntnis durch Da-

fier viel Zeit damit, Tools zu vergleichen. Auch

ten gewonnen. Strong sieht darin das grosse

die Art und Weise, wie sie ihre Daten am bes-

Potenzial der Bewegung: Emanzipation von

ten sammeln, tüfteln die Selbstoptimierer aus.

medizinischen Autoritäten und vom ewigen

Heraus kommen Kommandozentralen wie das

Durchschnitt durch personalisierte Informa-

bereits erwähnte Portal ­Dacadoo.

tion. So hat Strong zum Beispiel herausgefun-

den, dass er nur einen statt zwei Kaffees am

über dem Kopf zusammenschlagen ob der to-

Tag trinken darf, wenn er das Optimum aus

talen Abhängigkeit von Technik, die sich da

sich herausholen will.

für den Einzelnen abzeichnet. Die Diskussi-

Kulturpessimisten mögen die Arme

Ein Projekt, das diese «personalisierte

on dreht sich um Cyborgs, «cybernetic orga-

Gesundheit» fördern möchte, ist die Schwei-

nisms», Hybride zwischen Maschine und Or-

zer Plattform «HealthBank». Nutzer sollen

ganismus, die für analoge Traditionalisten

ermächtigt werden, ihre Gesundheitsdaten

virtuelle Schreckgespenster sind. An Technik

selbst zu verwalten, und damit das Gesund-

per se ist nichts falsch: Ein Kardiologiepatient

heitswesen verändern. Die Vision: die gröss-

wäre ohne seinen Herzschrittmacher aufge-

te Gesundheitsdatenbank der Welt. Innerhalb

schmissen. Die QS-Tools sind bei weitem kein

von drei Jahren möchte die Biobank zehn Mil-

lebenswichtiger Herzschrittmacher. Warum

lionen Personen im Register haben. Die trei-

dann diese Selbstgeisselung mit der Technik?

bende Kraft des Unternehmens ist der ETH-

Nicht Geissel, sondern ein Geschenk der Frei-

Biologe Ernst Hafen. Er hält beim Treffen der

heit, ein Zugewinn an Möglichkeiten, meint

Selbstoptimierer einen Vortrag über die Po-

die Wissenschaftshistorikerin Donna Ha-

tenziale seiner Idee. Keiner müsse mehr Ma-

raway in ihrem «Manifest für Cyborgs».

rionette des Gesundheitswesens sein. Der

Datenschutz ist allerdings auch hier eine

sensorenuhr, die aus einem Science-Fiction-

Grau-in-Grau-Zone. Zudem sollen die Da-

Film zu kommen scheint, am Morgen ver-

ten fürs «Allgemeinwohl» auch in die For-

gessen hat, ärgert er sich kurz. Das hält ihn

schung und damit an die Pharmariesen ge-

aber nicht von seinem Tag ab. Strong ist kein

hen. «Schliesslich kann das Unternehmen nur

Hardliner. QS hat für ihn seinen Platz in der

so Gewinn abwerfen», warnt der Basler Appell

Nützlichkeit, nicht im Diktat. Wo die Grenze

gegen Gentechnologie. Am Ende seiner flam-

verläuft, entscheidet er selbst.

PUNKTmagazin LEISTUNG

Wenn Winslow Strong seine Super-

Aktuelle Analysen und Meinungen jetzt auf unserem Blog.

Anlage und Vorsorge.


Besiegen wir den Brustkrebs.

GEMEINSAM SIND WIR STÄRKER.


Scheffler Michael Scheffler hair and make up 2012 Coiffeur Tausendsassa Michael Scheffler machte sich mit 29 Jahren selbständig. Bekanntheit erreichte er durch verschiedene Fernsehformate. In diesem Jahr übernahm Scheffler für «Faces TV» erstmals die Gesamtverantwortung für den Bereich Hair und Make-­up. Der Zofinger mit portugiesischen Wurzeln will sich in einer Branche, in der es gefühlte 1000 Konkurrenten gibt, mit seinem eigenen Stil durchsetzen.

PUNKTmagazin War die Gründung eine

alles unter einen Hut zu bekommen, war sehr

Haben Sie Expansionspläne? Nein. Die

Bieridee oder von langer Hand geplant?

­herausfordernd. Das führte auch soweit, dass

Kunden kommen wegen meiner Kreativität und

MICHAEL SCHEFFLER_ Mein früherer Ar-

meine Beziehung eine Pause benötigte. Das war

meiner Fähigkeit. Ich kann doch nicht von einer

beitgeber hatte mich zwar stets gefördert, doch

schon deftig.

Angestellten verlangen, meinen persönlichen

irgendwann spürte ich, dass ich mehr Potenzial

Stil zu übernehmen. Es ist ein People­ Business.

habe, wenn ich meinen eigenen Weg einschlage.

Das Ärgerlichste, was Sie bisher erlebt ha­

Sozusagen in einer Nacht- und Nebelaktion ent-

ben? Suchen Sie einmal in der Innenstadt von

Ihre Zukunftspläne? Ich möchte meinen

schloss ich mich, zu kündigen und mein eigenes

Zürich ein geeignetes und vor allem zahlba-

Namen zu einer Marke aufbauen. Der Kunde

Ding umzusetzen – also sehr spontan.

res Lokal. Das ist beinahe ein Alptraum. Zudem

soll die Marke Michael Scheffler spüren: Qua-

wird man als Jungunternehmer – trotz erstkla­

lität, Kreativität und Emotion gehören zu mei-

War der Start schwierig? Eigentlich nicht.

ssigem Dossier – oft nicht ernst genommen. Das

nen gelebten Werten.

Ich hatte bereits einen treuen Kundenstamm

ist schade. In Zürich gibt es gefühlte 1000 Coiffeur­

und bereits das erste Jahr war sehr erfolgreich, aber auch sehr streng.

Gibt es etwas, auf das Sie aufgrund Ihrer

geschäfte. Wie können Sie überleben?

Selbständigkeit verzichten müssen? Ich

Viele gehen in die Selbständigkeit, in der

Hatten Sie keine Angst vor dem Schei­

­lebe derzeit nicht auf grossem Fuss, aber das

Hoffnung, mehr zu verdienen. Das geht grund-

tern? Nein. Ich konnte mir in den letzten Jah-

geht sehr gut. Seit ­einem Jahr hatte ich keinen

sätzlich schon. Aber ein grosser Fehler ist, dass

ren, dank verschiedener Fernsehprojekte, natio-

Urlaub mehr und wann die nächsten Ferien an-

keine Differenzierung stattfindet. Ich beobach-

nal einen Namen aufbauen. Früher dachte ich,

stehen, steht in den Sternen. Das ist der Preis für

te die Mitstreiter und versuche, besser zu sein.

die Kunden kämen wegen meines Ex-Arbeit­

die Selbständigkeit. Wie viele Stunden arbeiten Sie? Im Kopf 24

gebers, dabei kamen sie wegen mir. Als Selbständiger kann ich mein Potenzial viel besser

Wie haben Sie sich finanziert? Einerseits ei-

Stunden täglich. Effektiv im Laden bin ich etwa

ausschöpfen.

genes Erspartes, andererseits unterstützten mich

50 Stunden pro Woche.

meine Eltern. Aber sie schieben mir nicht einfach Was war rückblickend die grösste Heraus­

Geld rüber, ich bezahle den Kredit ab. Wichtig ist,

Letzte Frage: Wer sind Sie überhaupt? Ich

forderung? Das erste Jahr war wirklich sehr

dass ich die Fixkosten tief halte. Ich setze deswe-

schlüpfe gerne in neue Rollen, bin wandelbar,

anstrengend. Die Selbständigkeit, die zeitauf-

gen auf das Modell Stuhlmiete. Es gibt viele jun-

sozusagen wie ein Chamäleon. Ich bin boden-

reibende Suche nach einer Ladenlokalität, das

ge Coiffeure, die einsehen, dass sie als Selbständi-

ständig, neugierig, mutig und hin und wieder

neue Fernsehformat auf Pro7. Und dann sollte

ge viel besser verdienen können, jedoch nicht den

verrückt. Und – das mögen leider hierzulande

man daneben noch ein Privatleben führen. Das

Mut für ein eigenen Geschäft haben.

nicht alle – ich nenne die Dinge beim Namen.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

37


38

WIRTSCHAFT


– Wirtschaft –

KARMA ECONOMY Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel ist als Erfinder der Hartz-IV-Möbel bekannt geworden. Sein neuster Streich: Ökologisch korrekte Turnschuhe, sogenannte Karma Chakhs, die mit Hilfe von Crowdfunding und Schwarmintelligenz hergestellt werden.

­aufgekauft wurde. Und er ist froh, dass er

­bereits, die Chucks, leuchtend rot und schon

nach den Gründen für den Preisunterschied

ein wenig abgelaufen. Nicht die originalen

Alleine kann er die Entscheidung nicht

gefragt hat und der Verkäufer ehrlich zugab,

von Converse, doch auf den ersten Blick ist

treffen. 40 Dollar mehr für ein gutes Gewi­

nicht genau zu wissen, unter welchen Bedin-

kein Unterschied zu erkennen. «Der Stoff

ssen und einen Schuh, der qualitativ schlech-

gungen die Schuhe hergestellt werden. Der

ist aus Bio-Baumwolle, die Sohle aus Natur-

ter ist? Er schreibt einen Eintrag auf seiner

Verkäufer traf einen Nerv bei Le-Mentzel, der

kautschuk, völlig ohne Plastik. Ich könnte die

Facebook-Seite und stellt ein Foto dazu: «Wel-

letzte Impuls kam von der Masse, der Crowd.

Schuhe in den Wald werfen und die Würmer

chen soll ich kaufen? Beide Schuhe sind origi-

nal Converse. Links: 59 Dollar, Made in China.

Menschen, denen seine Facebook-­Seite «Kon-

Rechts: 100 Dollar, Made in USA.» Es dauert nur

struieren statt konsumieren» gefällt. Einer

ein paar Minuten, bis die ersten Antworten auf

von ihnen schickte ihm den Link zur Fair

seinem Smartphone erscheinen – aber es wird

Deal Trading Company, die den «Ethletic»

noch Wochen dauern, bis er diese Schuhe be-

herstellt, einen den Chucks sehr ähnlichen

kommen wird, rote Chuck Taylor All Stars, die

Schuh, der unter fairen Bedingungen für die

er unbedingt wieder haben will, weil er genau

Arbeiter und aus umweltschonenden Materi-

die schon seit Jahren trägt und grosser Fan ist.

alien produziert wird. Le-Mentzel hätte ein-

«Ich fand es krass, was von mir als Kon-

fach ein Paar dieser Schuhe bestellen und

sument verlangt wurde», sagt Van Bo Le-Ment-

sich über sein reines Gewissen freuen kön-

zel vier Monate später in Berlin. «Dass ich mit

nen. Doch das entspricht nicht dem Natu-

meinem Gewissen kämpfen und mir die Fra-

rell des 36-Jährigen. Ihn packte der Ehrgeiz,

ge stellen muss, ob es mir 40 Dollar wert ist, ei-

er wollte ein Zeichen setzen, ein Statement

nen Schuh zu haben, in dem keine Kinderarbeit

abgeben. Le-Mentzel ist ein Getriebener, ge-

steckt, der aber weniger hochwertig verarbeitet

trieben vom eigenen Enthusiasmus und von

ist.» Er hat einen anderen Weg gefunden.

der Crowd. Das Geschäft in Kanada verliess er

würden sie irgendwann fressen.» Es ist der

zwar ohne Sneakers, dafür mit ­einer Idee.

Prototyp des Schuhs, dessen Produktion er

Text BASTIAN HENRICHS Bild KATHRIN HARMS

Heute ist Le-Mentzel froh, dass sich

Die Crowd – so nennt Le-Mentzel die

selbst angeschoben hat. Er nennt sie Karma­

sein Gewissen rührte, als der Verkäufer in dem kanadischen Schuhladen ihn darauf

Friss oder stirb war gestern In einem Ber-

Chakhs. Ein Schuh auf Basis des Ethletic, aber

aufmerksam machte, dass die günstigeren

liner Café in der Oranienstrasse, nahe dem

mit einer eigenen Note, einem eigenen De-

Chucks in Billiglohnländern produziert wer-

Beta-Haus, in dem er viel Zeit verbringt, be-

sign. Er wollte zeigen, dass es möglich ist. Das

den, seit Converse vor zehn Jahren von Nike­

ginnt Le-Mentzel zu erzählen. Er trägt sie

war alles, worum es ihm ging.

PUNKTmagazin LEISTUNG

4 4

WIRTSCHAFT

39


4 4

500 Paar Schuhe seien das Minimum,

Fremder Wohlstand

Van Bo Le-Mentzel

Er ist ein «Early Adopter» und «First

um die Produktionskosten im Rahmen zu

ist der Sohn eines Chinesen und einer viet-

Mover» geworden, wie es in der Marketing-

halten, wurde ihm gesagt. Le-Mentzel suchte­

namesischen Schneiderin, die in Laos leb-

sprache heisst: Wenn etwas Neues auf dem

also Koproduzenten. Elf Tage nach seinem Er-

ten. Geboren ist er in Thailand, während der

Markt ist, gerade was Technik angeht, will

lebnis in Kanada meldete er sich wieder bei

Flucht seiner Eltern in ein besseres Leben.

er es gleich haben. Le-Mentzel muss seinen

seiner Crowd. Er stellte verschiedene Far-

Als Le-Mentzel zwei Jahre alt war, kam die

Konsumhunger stillen. Es fällt ihm nicht

ben zur Auswahl und liess die Facebook-­

­Familie in Deutschland an. «Als Schneiderin

leicht, aber er arbeitet daran, das zu ändern.

in ­Vietnam hätte meine Mutter nur

Denn er glaubt an etwas anderes. Das Erleb-

Geld verdienen können, wenn sie in

nis in Kanada und die Arbeit an dem Pro-

einem Sweatshop in Akkordarbeit ge-

jekt Karma Chakhs haben Grundsätzliches

näht hätte. Meine Eltern wollten das

in ihm verändert. Er hat festgestellt, dass ein

nicht.»

All das schoss ihm durch den

Kopf, als er in Kanada den Schuhladen verlassen hatte: Dass es zum Wohlstand der westlichen Welt gehört, solche Schuhe einfach kaufen zu können. Und dass dieser Wohlstand nur möglich ist, weil in Indien, Pakis­tan, Bangladesch oder Vietnam die Menschen sitzen und nähen – selbst aber nicht davon profitieren. Dass er nur

gutes Produkt Zeit braucht. Die Lieferzeit der

hier in Deutschland ist, weil seine El-

Karma Chakhs betrug sechs Monate. «Ich ha-

tern das nicht wollten, weil sie besse-

be erkannt – und das hat mich so erschreckt

re Arbeitsbedingungen haben und

–, die Schuld liegt bei mir. Ich bin der Grund,

für ihre Arbeit entsprechend entlohnt

warum sich die Leute bei Foxconn das Leben

werden wollten. «Die Herstellung der

nehmen. Weil ich vor Weihnachten noch un-

billigen Alltagsgüter ist der Grund,

bedingt ein neues iPhone haben wollte.»

warum ich hier bin. Da kann ich das

doch nicht unterstützen», sagt er.

samt eine Veränderung braucht, hat sich

Dass das Wirtschaftssystem insge-

Gemeinde darüber entscheiden, welche die

Le-Mentzel hat die Chance genutzt, die

schon früher in seinen Gedanken verfes-

dereinst selbst produzierten Sneakers ha-

seine Eltern ihm geboten haben. Er ist der

tigt. Seine­Freizeit verbringt er damit, eigene

ben sollte. Dann stellte er sein Projekt auf der

einzige Akademiker in der Familie, er ar-

Projekte­ zu realisieren. Karma-Projekte. Für

Crowdfunding-Seite Startnext.de vor. Jeder,

beitet als Architekt in einem renommierten

eine Karma-Ökonomie. Er hat die Internet-

der das Projekt unterstützt, zahlt nicht nur

Büro.­Er sagt: «Ich hatte keine Fussstapfen, in

seite Hartz-IV-Möbel gestartet, auf der sich

69 Euro für die gute Idee, er bekommt auch

die ich treten konnte. Das klingt traurig, aber

Menschen Baupläne herunterladen kön-

etwas zurück: ein Paar Sneakers. Er schrieb:

für mich war es das Beste, was mir passieren

nen, um sich günstige Möbel selbst zu bauen.

«Hier geht‘s um den nächsten Schritt des

konnte. Ich empfand das Leben als grosse

Ein Buch dazu hat er auch herausgebracht.

Crowdfunding: Crowduction! Friss oder stirb

Spielwiese, ich konnte machen, was ich will,

Mit Hilfe der Crowd, versteht sich. Geld ver-

war gestern, ab morgen bestimmt die Crowd,

der werden, der ich sein will. Deutschland ist

dient er auch damit nicht, es sind alles Open-

was und wie produziert wird.»

ein Superland dafür.»

Source-­Projekte.

Ein Geschäftsmodell? Nicht für Van Bo

Le-Mentzel. Es geht ihm nicht um Profit, da-

Egonomy verdrängt Economy «Ich bin aber

von ist er weit entfernt. «Mein Wunsch wäre,

kein Altruist», sagt er. «Ich verschenke nichts

dass der 501. Interessent sagt: ‹Ey, ich will un-

und gebe nicht nur. Ich kriege immer etwas

bedingt diesen Schuh, vielleicht nicht in rot,

zurück, Geschichten, Bilder, positives Feed-

sondern in grün. Van Bo, machst du die?› Und

back. Geben und Nehmen, das ist doch der

ich sage: ‹Nein, mach es selbst, ich zeige dir,

Ursprungsgedanke der Wirtschaft.» Das hat

wie es geht.›» Er denkt nicht daran, ein Un-

ihm seine früh verstorbene Mutter beige-

ternehmen zu gründen. Viel zu aufwendig. Es

bracht, eine Buddhistin. «Wenn du einatmest,

sind ja genau diese Strukturen, die er zu be-

Van Bo Le-Mentzels Idee, einen fairen Schuh

musst du danach ausatmen. Das ist schon al-

kämpfen versucht. «Ich will, dass jeder von

über die Crowd finanzieren zu lassen, stiess

les», hat sie ihm gesagt. Er hat diesen spiri-

uns ein Social Entrepreneur sein kann. Aus-

auf grossen Anklang: Der gewünschte Betrag

tuellen Gedanken aufgenommen, glaubt an

gestattet nur mit einem Smartphone und einer Facebook-Seite», sagt er. Er will die Menschen animieren, etwas anders zu machen, anders zu denken. «Die Leute sollen die Dinge hinterfragen, die ihnen vorgesetzt werden.

wurde überzeichnet. Mit dem restlichen Geld reiste er nach Sri Lanka, wo der in seinen Karma Chaks verwendete Kautschuk angebaut wird. «Ich möchte selber bestimmen, unter

ausbalancierende Kräfte. Er will weg von dem Gedanken, dass der Mensch Geld braucht, um zu überleben, er will zurück zum Selbst-

welchen Bedingungen meine Schuhe herge-

versorgertum. Tauschen, teilen, selbst ma-

stellt werden. Friss oder stirb war gestern.»

chen, Open Source und Karma-Ökonomie.

Und sie sollen merken, dass sie viel mehr tun

Das sind die Eckpfeiler seines Tuns und Den-

können, als sie denken.»

kens. Er sagt Sätze wie: «Wir merken, dass die

40

WIRTSCHAFT


Wirtschaft nicht funktioniert? Dann müssen

Für ihn ist längst klar, was sich generell

­Erntezeit für Baumwolle. Le-Mentzel konnte­

wir sie neu denken.»

ändern muss. Die Menschen müssten mehr

nicht mit den Arbeitern vor Ort sprechen,

prosumieren, konstruieren statt konsumieren.

konnte keine Farm besuchen. Er musste auf

in der Gesellschaft neu definieren.»

Die Crowd spielt dabei eine wichtige Rolle. «Ich

die Fair Deal Trading vertrauen, die ihm ver-

«Wir müssen den Sinn unseres Daseins «Wir müssen uns lösen von dem Ge-

glaube an die Macht der Crowd», sagt Le-Men-

sicherte, dass es sich um eine Fairtrade-Farm

danken, dass alles immer effizienter werden

tzel. Und er ist überzeugt davon, dass auch die

handelte. Er stellte das Problem in seiner

muss und dass alles in Zahlen messbar sein

grossen Unternehmen irgendwann die Kraft

Crowd zur Diskussion, er war kurz davor, al-

muss. Dann ist vieles möglich.»

der Masse verstehen, dass sich das Verhältnis

les abzublasen. Le-Mentzel ist Perfektionist

von Angestellten und Chef auflösen wird.

und besonders dieses Mal wollte er alles rich-

relativieren und brauchen eine Abkehr vom

«Wir müssen das Fremdversorgertum

In der Crowd findet er seine Mitarbei-

tig machen. Schliesslich liess er sich überzeu-

nominalen Einkommen.»

ter, gleichzeitig ist er ihr Angestellter. «Ich

gen und Ende Juli feierte er mit vielen Hel-

lasse­mich von der Crowd lenken», sagt er. Die

fern eine Packaging-Party, auf der 500 Karma

Crowd bestimmt die Farbe der Karma Chakhs

Chakhs verpackt und verschickt wurden.

und entwirft das Design für die Sohle. Der Vor-

schlag mit den meisten Stimmen wird umge-

nach einem Nachahmer gemacht. Er hat die

setzt. Dafür ist er dann verantwortlich, gibt die

Crowdbuilding Academy gegründet: Er will

Vorschläge weiter, sorgt dafür, dass die speziel-

anderen helfen und erklären, wie sie Unter-

len Werkzeuge für die Herstellung angefertigt

stützer für ihre Karma-Projekte gewinnen

werden. Genauso läuft es mit der Verpackung.

können. Wie funktioniert das? «Ich brauche

«Ich akzeptiere das Modell nicht, dass der Kon-

zum Gründen keinen Raum, kein Kapital, kei-

sument am Ende der Lieferkette steht. Ich setze

ne Mitarbeiter», sagt er. «Die Idee reicht. Und

mich an den Anfang der Kette.»

die wird von der Crowd weitergetragen. Das

Gleich danach hat er sich auf die Suche

Er hat die Lieferkette sogar per-

sönlich nachvollzogen. Sein Crowdfunding-Projekt lief so gut, dass er von dem restlichen Geld mit einem Team aus seiner Crowd nach Indien, wo die

«Wir haben doch alles, was wir brauchen.

Baumwolle herkommt, nach Sri Lan-

Wir sind satt. Und müssen trotzdem weiterma-

ka, wo der Kautschuk geerntet wird,

chen, damit weiter produziert werden kann

und nach Pakistan in die Manufaktur

und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.»

gereist ist. «Ich möchte bestimmen,

Dann nimmt er eine Serviette, schreibt in

wie die Schuhe aussehen und unter

Grossbuchstaben Economy. «Der Begriff kommt

welchen Bedingungen sie produziert

von haushalten, die Wissenschaft des Haushal-

werden. Ich möchte das kontrollieren

tens sozusagen. Aber wir haushalten ja nicht

können und das Recht haben anzuklopfen

Logo ist schon da.» Die Crowd hat es entwor-

mehr, wir verschwenden nur noch.» Er macht

und zu schauen, wie die Menschen dort arbei-

fen – und es ist bereits ein Schuh aus Le-Men-

aus dem C ein G. «Und das liegt daran, dass wir

ten, was ihnen fehlt», sagt er.

tzels Karma-Projekt geworden. Die zweite­

in einer Egonomy leben. Es geht nur um Partiku-

Fuhre der ökologisch und fair hergestellten

larinteressen, nicht um das Gemeinwohl.»

Zeitpunkt seines Aufenthaltes war keine

PUNKTmagazin LEISTUNG

Fast wäre das Projekt gescheitert. Zum

Sneakers wird bereits produziert.

WIRTSCHAFT

41


– Wirtschaft –

Staatsanleihen aus liechtenstein? Das Fürstentum Liechtenstein hat keine Staatsschulden – noch. Damit das in Zukunft so bleibt, bleibt dem Ländle nur eines: sparen, sparen, sparen.

betrug der Finanzierungsfehlbetrag 148 Milli-

Posten­ sind diverse Beitragsleistungen und

onen Franken, im laufenden Jahr sollen es 205

der Personalaufwand – beides kann nicht

Staaten haben Schulden, so ist es nun

Millionen Franken sein. Ohne den Finanz­

unbeschränkt zurückgefahren werden.

einmal. Nur trifft das nicht auf alle Staaten

erfolg von 76,4 Millionen Franken wäre der

zu, es gibt Ausnahmen. Etwa Länder mit

Fehlbetrag noch grösser gewesen, da den Ein-

gramme nicht die gewünschte Wirkung er-

grossen Ölvorkommen wie Libyen und Bru-

nahmen von 640,4 Millionen Franken Ausga-

zielen, wird das Ländle irgendwann nicht

nei. Lesotho, Saudi-Arabien und der Oman

ben von 921,4 Millionen Franken gegenüber-

mehr darum herum kommen, Fremdka-

wiederum sind im Verhältnis zum Brutto-

stehen. Hauptgrund für das Defizit war der

pital aufzunehmen. Doch ob der Kapital-

inlandsprodukt einstellig verschuldet. Im

Einbruch bei Steuern und Abgaben um 153

markt darauf eingehen würde, ist nicht si-

Normalfall aber liegt der Verschuldungs-

Millionen Franken. Das aktuelle Steuerauf-

cher. «Wir gehen davon aus, dass niemand

grad irgendwo zwischen 40 und 100 Pro-

kommen ist um 260 Millionen Franken tiefer

gewillt ist, einem Kleinstaat ohne Boden-

zent, wobei letzterer Wert verständlicher-

als 2008 und damit in etwa auf dem Stand von

schätze Geld zu leihen», sagt Christian

weise mehr als kritisch ist.

1999, noch vor der Dotcom-Blase also.

Hausmann, Leiter des Amtes für Volkswirt-

Ein paar schlechte Jahre kann das rei-

schaft. Der Grund für seine Skepsis: Noch

falls ohne Fremdkapital auskommt, ist das

che Fürstentum Liechtenstein wegstecken,

wird das Land von der Ratingagentur S&P

Fürstentum Liechtenstein. Ob das so blei-

die Reserven betragen gut das 1,5-fache des

mit der Bestnote AAA bewertet, doch nach

ben wird, ist jedoch nicht garantiert, denn

Landesbudgets. Doch das Defizit ist wie gesagt

ein paar Jahren mit strukturellem Defizit

auch im Ländle haben sich die Realitäten

nicht konjunkturell, sondern strukturell be-

wäre auch das nicht mehr zwingend gege-

nach der Krise verändert. «Die Finanzpla-

dingt. Das bedeutet, die Erwartungen für die

ben. Mit einem schlechteren Rating wür-

nungen der vergangenen Jahre haben auf-

nächsten Jahre sind nicht besser. Und so bleibt

den sich auch die Bedingungen der Kapital-

gezeigt, dass der Staatshaushalt markante

nichts anderes übrig, als die Ausgaben zurück-

aufnahme verschlechtern. Doch Hausmann

strukturelle Probleme aufweist, welche eine

zufahren. Das jedoch gestaltet sich schwierig,

zeigt sich zuversichtlich, dass die Spar­

nachhaltige Sanierung unumgänglich ma-

da der Spielraum beschränkt ist. So konnte et-

anstrengungen Früchte tragen werden und

chen», warnt die Regierung im «Bericht und

wa der Aufwand für Verbrauchsmaterial um

es auch in Zukunft keine Staatsanleihen

Antrag zum Landesvorschlag und zum Fi-

ein Drittel gesenkt werden, doch das macht

von Liechtenstein gibt. «Auf diese Erfah-

nanzgesetz für das Jahr 2013». Bereits 2012

den Braten natürlich nicht feiss. Die grossen

rung wollen wir uns nicht einlassen.»

Text DAVID FEHR Bild BORIS GASSMANN

42

Der einzige Nicht-Ölstaat, der eben-

WIRTSCHAFT

Wenn die Kosteneinsparungspro-


kolumne

Pumpgun

der querdenker

V

on nichts kommt nichts. Die

Grünen­2017 ihr bestes Wahlergebnis einfah-

Nullnummer hat einen Namen.

ren, denn nach dem merkelschen Atomaus-

Erinnern wir uns noch an den

stieg wurde der Grünstoff im Parteiprogramm

gelben Hoffnungsträger, der vor

der einstigen Ökopartei bis zur Unkenntlich-

zehn Jahren mit dem Wahlziel 18 Prozent an-

keit verdünnt, was die beste Voraussetzung

getreten ist. Multipliziert man Null mit dem

ist, um mit Hilfe der Homöopathie ein Wahl­

einstigen Übermut der FDP, so entspricht das

ergebnis von 22 Prozent zu erzielen. Denn so

Resultat dem Ergebnis der letzten vier Jahre

gross schätzen Wissenschaftler den Heilungs-

deutscher Aussenpolitik. Nicht ohne Grund

erfolg des nachweislichen Nichts.

nennen ihn seine Amtskollegen «the warm

body». Um keinen Spielraum für Fehlinter-

ten mit dem Namen «1:12» war mir nicht so-

pretation zu bieten, sei an dieser Stelle gesagt,

fort klar, welches Hirn um das 12-fache ver-

dass die amerikanische Begrifflichkeit nicht

kleinert wurde. Oder handelt es sich um die

despektierlich gegen gleichgeschlechtliche

Arbeitsweise von Joe Ackermann, dem tapfe-

Lebenskonzepte verwendet wird, sondern

ren Schneiderlein, das nach Siemens und der

lediglich darauf hinweist, dass sich seine ei-

Zürich noch weiteren Appetit verspürt, zehn

gentliche Leistung während der Amtszeit als

weitere Läden auszuheben. Es könnten auch

Bundesminister auf das lapidare Ausstrah-

die 12 Baustellen auf der A1 zwischen Zürich

len von Körperwärme beschränkte. Kenner

und Bern gemeint sein. Vielleicht versucht

der deutschen Aussenpolitik gehen sogar ei-

man dieses Problem endlich in den Griff zu

nen Schritt weiter und meinen, dass die ar-

bekommen, indem die Fahrbahn am Zürcher

beitsverweigernde Haltung des scheidenden

Bellevue künstlich verengt wird, bevor es zur

Aussenministers schon frühzeitig durch ein

Autobahn geht. So hätte man den Verkehrs-

Infrarotsichtgerät hätte entlarvt werden kön-

stau zwischen Schönbühl und Oensingen

nen. Oder leiden alle doch nur an Blutarmut?

nach Herrliberg verlegt. Ballistisch gesehen

könnte es sich um 12 Schüsse pro Sekunde

Die eingangs aufgestellt Formel wird

Bei der Volksinitiative der Jungsozialis-

durch die Wirkungsweise des Placebos kom-

handeln. Also eine Anti-Waffen-Initiative.

plett auf den Kopf gestellt. So gesehen sind

Bachblüte und Globuli keine Hochstapler,

kratie möglich? Selbstverständlich klebt das

sondern Opfer einer ritualisierten Zeremo-

Schweizer Herzblut auch am Sturmgewehr,

nie, die der Stimulierung individueller Selbst-

ganz privat zuhause. Es wird Zeit, den Puls-

heilungskraft dient. Potenziert man zum Bei-

messer an die Halsschlagader mancher Volks-

spiel Jürgen Trittin mit dem Faktor 6,1, so

initiative zu setzen, mit dem Ziel, so manchen

steckt in der einstigen Bürgerbewegung mehr

politischen Irrsinn zu schächten. Es lebe die

Pädophilie als der beherzte Drang, die Ener-

Leuchtspurmunition, die so manchen demo-

giewende mit all ihren Unwägbarkeiten ak-

kratischen Wahnsinn ins rechte Licht rückt.

tiv zu unterstützen. Trotzdem werden die

In diesem Sinne: Ritsch, ratsch, klick.

Was ist alles in einer direkten Demo-

Der Querdenker hat sich die etwas andere Informationsvermittlung auf seine Fahne geschrieben. Diese ist stets gehisst, auch dann, wenn der Wind eisig bläst.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

43


44

INVEST


– Invest –

Gemeinsam sind wir klüger Text BARBARA KALHAMMER Bild FABIAN WIDMER

Immer mehr Plattformen versuchen, die Schwarm­intelligenz des Menschen für sich zu ­erschliessen. Das gilt vermehrt auch für Themen aus der Anlagewelt. Auch Privatinvestoren können sich dies­zunutze machen.

«Gemeinsam sind wir stark», lautete 1994 der

Wahlslogan der deutschen Sozialdemokraten. «Gemeinsam sind wir besser», könnte heute der Slogan der Plattformen lauten, die die Masse respektive deren kollektive Intelligenz für sich nutzen. Dass die Masse über eine grosse Macht verfügt, war schon lange bekannt, doch erst im 21. Jahrhundert misst man auch ihren Entscheidungen mehr Bedeutung zu.

In seinem Werk «Die Weisheit der Vielen»

schrieb der amerikanische Journalist James Surowiecki im Jahr 2004: «Die Menge entscheidet in der Regel intelligenter und effizienter als der klügste Einzelne­ in ihren Reihen.» Besonders im Internet steht die Masse, die sogenannte Crowd, im Vordergrund. In so-

Galton ermittelte den Durchschnitt aller Prognosen, das

zialen Netzwerken gibt sie Prognosen und Trends ab,

Ergebnis wich nur wenige Pfund vom tatsächlichen Ge-

Der Durchschnitt der Ma­

finanziert Projekte und entwickelt Ideen. Die Weis-

wicht ab. Das Kollektiv gibt auch Empfehlungen rund

sse ist besser als einzelne

heit der Vielen wird vermehrt auch mit der Schwarm­

um die Börse und Geldthemen. Eine Plattform dafür ist

Experten, ist die Prämisse­

intelligenz im Tierreich in Verbindung gebracht. Dort

beispielsweise Sharewise. Bereits seit 2007 kann hier je-

­beschreibt der Begriff das Verhalten von Insekten,

dermann Meinungen zu Aktien abgeben und Muster-

­Fischen und Vögeln. «Ausschlaggebend ist, dass viele

depots führen. Auf Wikirating finden sich von Privaten

autonome Einheiten sich organisieren und dadurch

erstellte Bonitätseinschätzungen zu Staaten und Unter-

das grosse Ganze entsteht», erklärt Martin Grothe, ge-

nehmen, auf Crowdinvest können Meinungen zu den

Strategie ­gegenüber. Re-

schäftsführender Gesellschafter des Beratungsunter-

30 grössten und liquidesten Schweizer Aktien abgege-

sultat: Die Laien sind bis

nehmens complexium. Entscheidend sei, dass sich der

ben werden. Eine Sammlung von Empfehlungen bietet

jetzt tatsächlich bess­er.

Schwarm nach Regeln organisiert. Das gelte auch an

Intelligent Recommendations in einem Musterdepot.

der Börse. «Der Preis entsteht durch das Zusammen-

spiel der Masse», sagt Grothe. Während das Phänomen

Masse­und setzen ihre Empfehlungen um. «Sie vertrau-

im Finanzbereich noch relativ neu ist, ist es in der Po-

en dem authentischen Unbekannten, weil er sich mög-

litikwissenschaft bereits erprobt. Beispiel dafür sind

licherweise in einer ähnlichen Situation befindet und

Plattformen wie Intrade, die sich auf das Erstellen von

man sich so mit ihm solidarisieren kann», erklärt Gro-

Prognosen spezialisiert haben. Mit Erfolg: So waren

the. Zudem wolle einem die Community nichts ver-

­ihre Vorhersagen zu Wahlergebnissen in den vergan-

kaufen – im Gegensatz zum Bankberater. Um die Mei-

genen Jahren präziser als diejenigen der Meinungs-

nungen umzusetzen, haben einige Anbieter bereits

forschungsinstitute. Wie genau Schätzungen der

Zertifikate und Fonds geschaffen. So erfolgt beim Hauck

Masse sein können, zeigte der Naturforscher Francis

& Aufhäuser Sharewise Community Fonds die Auswahl

Galton bereits 1906. Er besuchte eine Ausstellung für

durch die besten der 150 000 Mitglieder von Sharewise.­

Schlachtvieh, bei der im Rahmen eines Wettbewerbs

Die Entwicklung des Produkts wird zeigen, ob man

das Gewicht eines Ochsen geschätzt werden musste.­

­gemeinsam wirklich bessere Renditen erzielt.

PUNKTmagazin LEISTUNG

Viele Anleger vertrauen den Meinungen der

von crowdinvest.ch. Das Portal aggregiert die Meinungen der Privatanleger­ zu einer Crowd-Strategie und stellt sie der Experten-

Im September erzielten sie 3,79 Prozent Rendite, die Experten mussten sich mit 2,73 Prozent begnügen.

INVEST

45


– Invest –

Die Macht der Buchstaben

Nach der Finanzkrise mussten Ratingagenturen harsche Kritik einstecken. Zu Recht: Sie arbeiten weder unabhängig noch transparent. Welchen Nutzen bringen Agenturen denn nun wirklich?

Text BARBARA KALHAMMER Bild FABIAN WIDMER

Der Vater der Ratings ist Henry Varnum Poor. Bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstell-

46

INVEST

A, B, C oder D, das ist die Frage. Nein, wir befin-

te der amerikanische Finanzanalyst erste Bewertun-

den uns nicht beim Erfolgsquiz «Wer wird Millionär»,

gen zur Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Bezahlt

und es ist nicht der Moderator Günther Jauch, der die

wurde der Service von Investoren, also von denjeni-

Frage stellt. Es gibt somit auch kein Warten auf die

gen, die wissen wollten, wie es um Bonität und Aus-

Antwort eines zitternden Kandidaten. Zittern müssen

fallswahrscheinlichkeit einer Firma bestellt ist. Dass

in diesem Szenerio Länder und Unternehmen – und

der Nutzer bezahlen soll, leuchtet ein, denn nur so

zwar vor den Bewertungen der Ratingagenturen. Die

konnte Poor eine neutrale Bewertung gewährleis-

Buchstaben stehen nicht für richtige oder falsche Ant-

ten. Doch mit der Zeit wandelte sich das ursprüng-

worten, sondern für die Bonität des Bewerteten. Welt-

liche Geschäftsmodell: Immer häufiger kamen nicht

weit entscheiden hauptsächlich drei grosse Agenturen

mehr die Investoren für die Bewertung auf, sondern

über Gedeih und Verderb von Staaten sowie Unterneh-

die Unternehmen selbst. Dies führte zu Interessens-

men und deren Zukunft: Moody’s, Standard & Poor's

konflikten, denn man beisst nur ungern in die Hand,

und Fitch.

die einen füttert. Zudem begannen die ­Agenturen


­vermehrt, nebst Unternehmen auch Finanzprodukte­

Kritik laut, nachdem der Energieriese Enron 2001 In-

und Staaten zu bewerten. Vor allem für letztere hatte­

solvenz anmelden musste. Bis kurz davor beschei-

dies weitreichende Folgen. Schon bald wurden die

nigten sowohl Standard & Poor's wie auch Moody´s

Buchstabenkombinationen weltweit zum Standard

dem Konzern bestmögliche Schuldnerqualität. Kon-

und Staaten ohne Bewertung bekundeten Mühe, ihre

kret kritisiert wurden sie von einem Bericht des US-

Staatsanleihen an den Mann zu bringen.

Wirtschafts- und Währungsausschusses, der ihnen

Manfred Gärtner, Professor für Volkswirtschafts-

Interessenskonflikte, Intransparenz bei den Ent-

lehre an der Universität St.Gallen, weist darauf hin,

scheidungsgrundlagen und prozyklisches Agieren

dass Staaten früher ohne weiteres Kredite aufnehmen

vorwarf. Letzteres hätte die Entwicklungen sogar

konnten, ohne ein Rating zu haben. Doch die bekannte

noch verstärkt. Dennoch überstanden sie die kolo­

Buchstabenkombination wurde schnell zum weltwei-

ssale Fehleinschätzung ohne grössere Blessuren.

ten Standard, und heute werde eine fehlende Bewer-

tung schon als negatives Signal verstanden. Viele Län-

agenturen im Rahmen der Finanzkrise 2008. Da sie

der müssen sich die Bewertung deshalb teuer erkaufen,

die Risiken der Finanzwirtschaft und ihrer Verbrie-

so beispielsweise Österreich. Das kleine Nachbarland

fungen nicht sahen oder falsch einschätzten, wurden

gibt laut Bundesfinanzagentur mehr als 500 000 Euro

Banken, Versicherungen und Staaten erst viel zu spät

pro Jahr für den gesamten Ratingprozess aus. Von Stan-

herabgestuft. Erneut wurde den Agenturen vorgewor-

dard & Poor`s wurde Österreich mit AA+ bewertet.

fen, prozyklisch gehandelt zu haben: Statt die Gefahren

So richtig ins Kreuzfeuer gerieten die Rating-

frühzeitig zu erkennen, liefen sie den Entwicklungen Rating entscheidet über Risikoprämie Was die Buch-

hinterher. Verstärkt wurde die Misere durch die schie-

stabenkombination effektiv zeigt, ist die Kreditwür-

re Vielzahl an nötig gewordenen Herabstufungen.

digkeit des Bewerteten, sei dies ein Staat, ein Unter-

nehmen oder ein Finanzprodukt. Berechnet wird die

wonach die Agenturen die von ihnen mitverursach-

Kreditwürdigkeit anhand des Ausfallsrisikos. Je klei-

te Krise später durch exzessive Herabstufungen ver-

ner dieses Risiko eingeschätzt wird, desto besser sind

schärft hätten. Er untersuchte die volkswirtschaft-

die Konditionen, zu denen sich das Unternehmen oder

lichen Daten von 26 OECD-Staaten zwischen 1999

der Staat am Kapitalmarkt neue Gelder beschaffen

und 2011. In Irland etwa hat demnach nicht staat­

kann. Praktisch gleich Null ist die Ausfallswahrschein-

liche Verschwendung die Schuldenprobleme verur-

lichkeit bei einem Triple-A-Rating, der Bestnote. Auch

sacht, sondern die Finanzkrise. Und selbst die von der

ein Rating von BBB- indiziert, dass der Schuldner sei-

Finanzkrise bewirkte Verschlechterung der Finanz­

nen Verbindlichkeiten mit einer hohen Wahrschein-

lage Irlands hätte allenfalls eine Herabstufung um

lichkeit nachkommen kann. Die Ratings von AAA bis

zwei Ratingstufen gerechtfertigt. Stattdessen wurde

BBB- werden als Investment Grade bezeichnet. Bereits

Irlands Rating um 8 bis 11 Stufen gesenkt. «Die Agen-

ab BB+ aber gilt eine Anlage als spekulativ.

turen haben damit die von ihnen selbst mitverursach-

Dies bestätigen Studien von Manfred Gärtner,

Wie gut die Kreditwürdigkeit eines Landes ein-

te Krise des Staates noch verschärft, denn durch die

geschätzt wird, ist von enormer Wichtigkeit für die

drastischen Rückstufungen kam Irland in einen Teu-

Geldbeschaffung auf dem internationalen Kapital-

felskreis», sagt er. Mit einem tieferen Rating steigen

markt. Für den Schuldner bedeutet es: Je schlechter

die Zinsen, die Staatsschulden nehmen zu, die Anle-

das Rating ausfällt, desto höhere Zinsen muss er für

ger verkaufen, die Preise für Anleihen fallen weiter

die Schulden bezahlen, da die Investoren eine soge-

und weitere Herabstufungen drohen. Gärtners Aussa-

nannte Risikoprämie verlangen. Das bedeutet, dass sie

gen werden bestätigt vom Abschlussbericht der Natio-

für das Risiko, ihr Geld bei Fälligkeit möglicherweise

nalen Kommission, die die Ursachen der Finanz- und

nicht zurückzuerhalten, mit höheren Zinsen, also ei-

Wirtschaftskrise in den USA herausfinden sollte. «Die-

ner Prämie entlohnt werden. Schlechte Karten haben

se Krise hätte es ohne die Ratingagenturen nicht ge-

Schuldner mit tiefen Ratings aber nicht nur bei Anle-

geben. Ihre Bewertungen unterstützten den Marktan-

gern, sondern auch bei der Europäischen Zentralbank,

stieg und ihre Herabstufungen in den Jahren 2007 und

denn Ramschanleihen können nicht als Sicherheit für

2008 schadeten Märkten und Unternehmen enorm.»

Kredite hinterlegt werden. «Stark verwurzelt sind Ra-

PUNKTmagazin LEISTUNG

tings zudem bei Pensionskassen und Versicherungen»,

Vermeintliche Objektivität Ratingagenturen stehen

sagt René Hermann, Research-Leiter bei Independent

nicht nur für die Verstärkung der Finanzkrise am

Credit View. Diese institutionellen Anleger haben

Pranger, sondern auch wegen mangelnder Objektivi-

strengere Auflagen und dürfen Anleihen mit schlech-

tät. «Investoren dachten lange, die Agenturen seien

teren Ratings nicht erwerben. Damit wird schnell klar,

unabhängig», sagt René Hermann von Credit View.

was ein schlechtes Rating bedeutet: Das Unternehmen

Das blinde Vertrauen war nicht gerechtfertigt, denn

oder Land bleibt auf seinen Anleihen sitzen und die

die Bonitätswächter kämpfen mit einem Interessens-

Risikoprämien steigen.

konflikt. Dieser entsteht durch ihr Geschäftsmodell.

Lange Zeit funktionierte dieser Prozess mehr

Während beim Abonnenten-Modell den Marktteil-

oder weniger reibungslos. Die Ratingagenturen bewer-

nehmern für den Zugang zu den Ratings eine Ge-

teten, die Investoren hielten sich an die Empfehlungen

bühr berechnet wird, bezahlen beim Emittenten-­

und kauften – alle waren zufrieden. Doch 2002 wurde

Vergütungsmodell (Issuer-Pays-­M odell) die44

INVEST

47


4 4 Auftrag­geber für eine Bewertung. Der Kunde zahlt

selbständiger Berater für Finanzdienstleister. Nicht

für sein eigenes Rating. Es besteht das Risiko, dass ein

die Unternehmen würden für die Bewertungen be-

zu positives Rating ausgestellt wird, um den Kunden

zahlen, sondern wie früher die Investoren. Damit

zufriedenzustellen und für weitere Aufträge an sich

würde zwar der Interessenskonflikt aus der Welt ge-

zu binden. Ein Grund dafür sei das Rating-Shopping,

schafft, doch Probleme wie realitätsferne Unterneh-

sagt Gärtner. Es ist den Unternehmen erlaubt, bei den

mensratings und die intransparente Informations-

Agenturen eine Voranfrage zu tätigen. Wenn das Resul-

beschaffung bei der Bewertung von Staaten würden

tat nicht gefällt, wird der Auftrag zurückgezogen und

weiterbestehen, gibt Benelli zu bedenken.

bei der nächsten Agentur angefragt. Die Folge ist, dass

potenzielle Neukunden besser bewertet werden, wie

zu Rate ziehen, ist nur in Grundzügen bekannt. Sie

Studien gezeigt ­haben.

lassen sich nicht in die Karten schauen, obwohl das

Welche Summen für Ratings fliessen, ist nicht be-

für die Investoren wünschenswert wäre. S&P bei-

kannt. Hermann schätzt die Kosten für eine einfache

spielsweise informiert nur darüber, dass analyseba-

Ersteinstufung eines Unternehmens sowie weitere­Ein-

sierte und keine modellbasierten Ratings verwen-

stufungen für Anleihen auf insgesamt 100 000 Franken.

det werden. Die Bewertungen anhand von Modellen

Bei grösseren Emissionsvolumen und Unternehmen

beruhen nur auf quantitativen Daten, die in einem

steigt der Preis drastisch. Dass die Ratingunterneh-

mathematischen Modell Verwendung finden. Die

men prächtig daran verdienen, ist kein Geheimnis. Im

andere Methode verwendet auch qualitative Infor-

ersten Quartal erhöhte sich beispielsweise der Netto­

mationen. Dazu zählen bei Unternehmen gemäss

Welche Daten die Agenturen für ihre Ratings

Leitfaden von S&P: Performance-Kennzahlen, öko-

STANDARD & POOR’S RISIKOFAKTOREN BEI UNTERNEHMENSRATINGS

nomische, regulatorische und geopolitische Einflüsse­ sowie Angaben zu Unternehmensführung, Corporate

Länderrisiko

Governance und Wettbewerbsposition.

Branchenmerkmale

Geschäftsrisiken

Marktposition

Was man sich immer vor Augen halten muss:

Die Datenbasis wird von den Unternehmen geliefert. Deren Qualität habe jedoch im Laufe der Zeit stark

Profitabilität, Vergleichsgruppe

eingebüsst, gab Torsten Hinrichs, Deutschlandchef von S&P der «Frankfurter Allgemeinen» zu Proto-

Rating

koll. Bei Bewertungen von Staaten fliessen verstärkt

Rechnungslegung

A

B

C

D

Governance (Unternehmensführung), Risikotoleranz, Finanzstrategie

und Gesamtverschuldung in die Analyse ein. Dabei befolgen die Agenturen unterschiedliche Vorgehens-

Finanzrisiken

Cashflow Angemessenheit

auch politische Risiken, die geldpolitische Stabilität

weisen. Die einen machen nur Aussagen zur Aus-

Kapitalstruktur

fallwahrscheinlichkeit, andere analysieren auch die

Liquidität / Kurzfristige Faktoren

erwartete­Höhe der Verluste. Quelle: Standard & Poor’s

Systematische Bedeutung für Finanzmärkte Eine

gewinn von Moody's um acht Prozent auf 188,4 Milli-

weitere Eigenheit des Ratingmarktes ist seine oligo-

onen Dollar. Die Agentur profitierte davon, dass viele

polistische Struktur. Das bedeutet, dass er sich fest

Firmen die Niedrigzinsphase nutzen, um neue Anlei-

in den Händen der Agenturen Standard &Poor's,

hen auszugeben oder alte umzuschulden.

Moody`s und Fitch befindet. Während die ersten beiden einen Marktanteil von je rund 40 Prozent auf-

48

INVEST

Versuch der Gewaltentrennung Zur Vermeidung von

weisen, hält Fitch etwa 15 Prozent. Den restlichen

Interessenskonflikten haben die Agenturen zahlreiche

Marktteilnehmern verbleiben lediglich mickrige

Schutzmassnahmen getroffen. So sieht der Leitfaden

fünf Prozent. Der «Managerkreis der Friedrich-Ebert-

von Standard & Poor's beispielsweise eine klare Tren-

Stiftung» kam in einer Studie zum Schluss, dass die

nung vor zwischen den Personen, die über die Bedin-

drei Ratingagenturen inzwischen eine extrem star-

gungen des Ratingmandats verhandeln und den Ana-

ke Machtstellung erlangt haben und das Handeln

lysten, die die Kreditanalyse durchführen. Zusätzlich

der Politik beziehungsweise der Gesellschaft stark

gibt es ein Komitee, das die Rating-Empfehlung des

beeinflussen. Zudem hätten die Agenturen eine ho-

Analysten überprüft und gegebenenfalls anpasst. Pa-

he systematische Bedeutung für die Finanzmärkte.

pier ist jedoch geduldig. Dem Grundsatz der Objekti-

Dies ergebe sich einerseits aus der oligopolistischen

vität werden die Agenturen einfach nicht gerecht, viel-

Marktstruktur sowie dem Fehlen gleichwertiger al-

mehr stellen sie nur eine verzerrte Realität dar.

ternativer Anbieter. Auch Gärtner weist darauf hin,

Das haben Anleger und Finanzprofis lange Zeit

dass die Agenturen ihre Macht immer unverhoh-

ausgeblendet. Erst im Zuge der Finanzkrise wurde es

lener einsetzen, um auf wirtschaftspolitische Ent-

den Marktteilnehmern wieder schmerzlich bewusst.

scheidungen Einfluss zu nehmen. Wünschenswert

Ein Weg aus diesem Dilemma wäre eine Änderung

wäre­ ein Markt mit vielen Teilnehmern. Durch die

der Struktur, erklärt der ehemalige Chief Investment

­regulatorischen Anforderungen ist ein Einstieg aber

­Officer der Bank Vontobel Giuseppe Benelli, heute

schwierig und kostspielig.


Ein anderer Weg, um den Einfluss der Rating-

agenturen einzudämmen, wäre eine stärkere Regulierung. Darüber wird bereits seit dem Ausbruch der Finanzkrise diskutiert und erste Schritte dahingehend wurden unternommen. So hat die EU Anfang des Jahres strengere Regeln beschlossen. Anleger haben die Möglichkeit, Schadenersatz für Verluste einzuklagen, wenn die Agenturen ein Unternehmen oder einen Staat absichtlich oder fahrlässig falsch beurteilt haben. Darüber hinaus dürfen Bewertungen nur noch zu drei fixen Terminen im Jahr, ausserhalb der europäischen Börsenzeiten, veröffentlicht werden. Abschliessend müssen die Bonitätswächter die Kriterien offenlegen, mittels derer sie zu ihrem Rating gekommen sind. Mehrwert oder Unsinn? Die entscheidende Frage

QUALITÄT ISCH KEIN ZUEFALL*

bleibt, ob man dem Rating vertrauen kann. Die Antwort ist Jein. «Agenturen erfüllen eine wichtige Rolle, sie komprimieren die Informationen in einem Buchstaben. Mit nur einem Blick auf diesen können Anleger die Produkte einfach vergleichen und ihr jeweiliges Risiko einschätzen», sagt Hermann. Es müsse ihnen aber bewusst sein, wie dieses Rating zustandekommt. Von einer nur auf Ratings basierenden Selektion rät er ab.

Dass auf die Bewertungen nicht allzuviel ge-

geben werden sollte, verneinen nicht mal die Ratingagetunren selber. So steht im Leitfaden von Standard & Poor's: «Ratings sind Meinungen, die nicht als Prognosen oder Empfehlungen zu verstehen sind. Stattdessen sollen sie in erster Linie Investoren und Marktteilnehmern Informationen zum relativen Kreditrisiko der von der Agentur bewerteten Emittenten und einzelner Emissionen an die Hand geben.» Auch gemäss Gärtner leisten die Agenturen wichtige Dienste, dies allerdings vor allem bei Unternehmensratings. Denn hier hätten sie Zugang zu Informationen, die den Anlegern vorenthalten bleiben. «Bei Staatsanleihen haben wir alle die gleichen Informationen. Es gibt also keinen Grund, sich auf einen Buchstaben zu verlassen», bemerkt er. Und weiter: «Die Ratings der Industrieländer besitzen keine seriöse empirische Basis. Sie grenzen an Hochstapelei und gehören deshalb verboten.» Sinnvoller wäre eine Datenbank, in der Anleger verschiedene Informationen wie Staatsverschuldung, Wirtschaftswachstum und Bruttoinlandsprodukt finden und sich daraus selbst einen Reim machen könnten. Immerhin sagte auch Torsten Hinrichs, Deutschland-Chef von S&P, gegenüber dem österreichischen «Standard»: «Erstens geben wir eine zukunftsgerichtete Meinung ab. Zweitens bauen unsere Prognosen auf dem auf, was man heute weiss. Auch Ratings können sich ändern, weil die Welt sich ändert. Wir können nicht dafür haftbar gemacht werden, ob etwas, das wir heute annehmen, in drei Jahren auch so passieren wird oder nicht. Dann wüssten wir auch die Lottozahlen.»

Und so bleibt den Investoren nur die Selbstver-

* Sie ist das Ergebnis aus Erfahrung, Tatkraft und Weitsicht. Der börsliche Handel von Strukturierten Produkten gilt in der Schweiz deshalb als besonders hochwertig, weil Transparenz, Sicherheit und Präzision für uns mehr sind als ein Lippenbekenntnis. Unsere Erfahrung zahlt sich für Anleger in messbarer Qualität aus. Ein Versprechen, das Ihnen nur das Original unter den Handelsplätzen gibt.

antwortung. Anlageentscheide bedürfen ausreichender Informationen, nicht nur eines Buchstabens.

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kolumne

It's the Process, Stupid!

mirjam staub-bisang

W

ie kommt es, dass einige Leute­

haltigere Befriedigung verschafft. Viel wichti-

einfach Erfolg haben und an-

ger scheint jedoch ein kontinuierlich motivie-

dere nicht? Dass sie Projekte

rendes Arbeitsumfeld zu sein, so zum Beispiel

durchziehen, während andere

über Massnahmen zur Steigerung der Work-

selten etwas zum Abschluss bringen? Sind die-

Life-Balance, wie die Arbeit von zuhause aus.

se Erfolgsmenschen klüger, besser, oder haben

So erstaunlich es klingt: Hin und wieder in-

sie einfach mehr Drive? Keineswegs! Schauen

mitten von Kindergeschrei zu arbeiten, wirkt

wir uns Hochleistungssportler an. Fragt man

motivierend. Weiterbildung, aber auch neue

nach deren Erfolgsfaktoren, werden meist

Projekte tragen dazu bei, dass Mitarbeiter sich

gute Gene, Talent und Glück genannt. Und

nicht langweilen und so bei der Stange blei-

dann kommt hinzu, dass Top-Athleten eben

ben. Das ist gut für die nachhaltige Entwick-

die mentale Stärke haben, die Langeweile von

lung eines Unternehmens, denn Wechsel sind

Tausenden und Abertausenden von Trainings-

teuer und gehen mit Wissensverlust einher.

einheiten zu überwinden. Diese Binsenweis-

heit aus der Welt des Sportes lässt sich auch

Mittelfeld zum Top-Performer? Wie schafft

auf andere Lebensbereiche übertragen, heisst

man es, eine gute Leistung zu bringen, auch

es doch, dass alles, was man beherrschen will,

wenn es mal harzig läuft? Allzu oft haben wir

mindestens zehntausend Übungsstunden er-

nur noch das Ziel und die damit einhergehen-

fordert. Also: Talent und Leidenschaft ent-

de Befriedigung vor Augen, nicht aber die nö-

scheiden nicht allein darüber, ob wir ein Pro-

tigen Zwischenschritte, um das Resultat zu er-

jekt erfolgreich durchziehen, sondern die

reichen - im Beruf und im Alltagsleben: Wir

Fähigkeit, das Ziel nie aus den Augen zu verlie-

wären gerne zehn Kilo leichter (das Resultat),

ren, sich nicht von Emotionen wie Langeweile

für den täglichen Verzicht auf Kalorienbom-

leiten zu lassen, sondern einfach weiterzuma-

ben (den Prozess) fehlt uns aber die Motivation.

chen, auch wenn es mal nicht so Spass macht.

Lernen wir, den täglichen Prozess zu geniessen,

Firmen unternehmen viel, um ihre Mit-

bleiben wir motiviert. Beständig erfolgreiche

arbeiter motiviert und loyal zu halten. Der Fo-

Menschen haben eines gemeinsam: Sie lie-

kus liegt dabei nicht auf Top-Performern, son-

ben ihre tägliche Arbeit, sie gibt ihnen die not-

dern auf dem Mittelfeld. All die, die jeden Tag

wendige Befriedigung, um auf dem manchmal

zur Arbeit gehen und nicht unbedingt hoch

steinigen Weg zum Ziel zu bleiben. So werden

inspirierende Tätigkeiten verrichten, gilt es,

sie täglich besser und klotzen die zehntausend

immer wieder zu motivieren. Man könn-

Trainingseinheiten, die zu Können und Erfolg

te denken, ein gutes Salär und ein ordent-

führen. Der Schlüssel zum Erfolg ist, ­eine Tätig-

liches Bonussystem würden es richten. Irr-

keit zu finden, die Spass macht. Dazu braucht

tum! Studien zeigen, dass die Freude ab einem

es Eignung und Leidenschaft. Für das Können

Geld-Bonus nur ein paar Wochen anhält, wo

braucht es Einsatz und Zeit. Der Erfolg dürfte

hingegen eine Beförderung wesentlich nach-

sich von selbst einstellen.

Und wie schafft man den Schritt aus dem

Dr. Mirjam Staub-Bisang ist CEO der Independent ­C apital ­Management AG. Die Rechtsanwältin und Buchautorin («Nachhaltige Anlagen für Institutionelle Investoren») hält zudem einen MBA-Abschluss der INSEAD.

50

INVEST


– Invest –

«Die rechnung müssen immer jene zahlen, die Geld haben» Oswald Grübel war CEO der beiden grossen Schweizer Banken zu ihrer jeweils schwierigsten Zeit. In dieser Rolle eckte der ehemalige Investmentbanker häufig an. Seit seinem Rücktritt vor zwei Jahren ist es ruhiger um ihn geworden. Still ist er deswegen aber noch lange nicht.

in Europa­ und meinte, dass man diesem Ziel mit

vor. Es hat zehn Jahre gedauert, bis man sah, was

einer Währungsunion einen Schritt näher kom-

die tiefen Zinsen beispielsweise in Spanien und

PUNKTmagazin Die EU hat in Europa zwar

men würde. Deshalb wurde der Euro eingeführt.

Italien für Auswirkungen hatten. Die hohen Zins-

für Frieden und Stabilität gesorgt, doch sie

Jedem, der etwas Verstand hatte, war damals klar,

sätze vor der Einführung des Euro hatten das

bröckelt. Ist das Projekt gescheitert?

dass dieser Prozess nicht reibungslos funktionie-

Kreditwachstum in Schranken gehalten. Das än-

ren würde. Denn immerhin unterschieden sich die

derte sich mit den tiefen Zinsen. Man borgte so-

OSWALD GRÜBEL_ Nein, auf keinen Fall. Das

Staaten sehr voneinander. Das Resultat war, dass

viel billiges Geld, wie die Banken hergaben, privat

Projekt EU entwickelt sich immer noch weiter.

die Südländer sich freuten, weil sie Geld zu 5 Pro-

und staatlich. Die Folgen waren Immobilien­

Hunderte Jahre haben wir uns bekriegt und die

zent anstatt zu 15 Prozent leihen konnten. Damit

krisen und überhöhte Staatsverschuldung.

Köpfe eingeschlagen. Nun braucht es eben Gene-

haben sie auch gleich begonnen. Was danach kam,

rationen, um Freunde zu werden.

wissen wir.

Und der Euro? Die Idee des Euros wurde vor

Haben wirklich viele verstanden, was pas­

rauf achten müssen, dass die vor der Einführung

allem vom deutschen Bundeskanzler Helmut

siert? Ich denke schon, aber man hat es wieder ver-

des Euro gemachten, an sich einfachen Verspre-

Kohl unterstützt. Er wollte keine Kriege mehr

gessen. Das kommt bei langen Zyklen immer wieder­

chen gehalten werden.

Text BARBARA KALHAMMER Bild PATRIZIA HUMAN

Was wäre ein besserer Weg gewesen? Mit Zins- und Bonitätsunterschieden hätte man da-

PUNKTmagazin LEISTUNG

4 4

INVEST

51


4 4 Haben Sie ein konkretes Beispiel dazu?

Krisen gab es auch in der Vergangenheit im­

tum beeinflussen kann, indem sie selbst Auf-

Zu den Versprechen zählte beispielsweise eine

mer wieder. Warum haben wir nicht mehr

träge vergibt, Infrastrukturen bewirtschaftet,

Staatsverschuldung von maximal 35 Prozent.

daraus gelernt? Das kann man bei jeder neuen

Steuern senkt, für einen flexiblen Arbeitsmarkt

Heute sind wir bei 90 Prozent und kein Mensch

Generation beobachten. Die eigenen Kinder sind

sorgt und vieles mehr. Aber der grösste Konjunk-

spricht mehr davon. Über die gemeinsame Wäh-

das beste Beispiel. Man kann ihnen sagen: Mach

turtreiber ist in vielen Ländern immer noch der

rung wurde scheinbar vergessen, dass die ein-

das nicht, ich habe das auch schon versucht, es ist

Wohnungs- und Hausbau. In diesen Bereich

zelnen Staaten sich unterscheiden punkto

falsch. Meistens tun sie es trotzdem. Menschen ha-

spielen die unterschiedlichsten Branchen hin-

Wirtschaftswachstum, Zahlungs- und Handels-

ben den Drang, durch Erfahrung zu lernen und

ein. Das hat einen grossen Einfluss auf das Wirt-

bilanzen und auch in Bezug auf die Höhe der

scheinen auch die Fehler selbst machen zu müssen.

schaftswachstum.

Haushaltsdefizite. Verpasst haben diese Entwicklungen besonders die Deut-

Wie präsentiert sich die Lage in der

schen. Nun müssen sie die Rechnung

Schweiz? Noch sieht es sehr gut aus, die Ex-

bezahlen, ob sie wollen oder nicht.

port- und Immobilienmärkte boomen sogar, wegen der tiefen Zinsen. Das schwache Wirt-

Sie selbst haben ja die Einführung

schaftswachstum und die hohe Verschuldung

des Euros auch zu spüren bekom­

in der Eurozone werden die Zinsen lange tief

men. Das stimmt. Ich habe damals in

halten, auch bei uns. Wir müssen aber auf­­­pa­

Spanien ein Haus gebaut. Es war gro-

ssen, dass wir den Immobilienboom nicht über­

tesk: Die spanische Peseta wurde zu ei-

treiben.

nem Umrechnungskurs von 166 Peseten für einen Euro eingeführt. Selbst

Besteht diese Gefahr? Im Moment noch nicht.

die Spanier waren erstaunt. Der Kurs

Zum einen haben die Banken aus der Immobili-

hätte eher bei 266 liegen sollen. Da-

enkrise Anfang der 90er-Jahre gelernt und zum

durch haben sich die Löhne mit einem

anderen finanzieren sie nicht mehr 90 bis 100

Schlag fast verdoppelt. Vorher verdien-

Prozent der Immobilie, wie es der Fall war. Zu-

ten spanische Bauarbeiter etwa 1000

dem sind die Margen im Hypothekargeschäft

Euro im Monat, danach doppelt soviel.

viel kleiner. Das halbe Prozent, das eine Bank an

Auch in anderen Bereichen und für

einer Hypothek heute verdient, deckt das Risiko

viele Güter sind die Preise wegen dem

nicht mehr. Früher waren es 1,5 Prozent. Aller-

falschen Wechselkurs enorm gestiegen.

dings sehe ich nicht, dass dieser Boom bald endet. Wegen der tiefen Zinsen ist die Nachfrage

In der Vergangenheit haben sich

nach wie vor hoch.

künstliche Währungen nicht sehr gut ge­

Sie bezeichnen sich selbst als positiven

schlagen. Ist das ein schlechtes Omen für

Menschen. Wo sehen sie Positives an der

Was ist nach Ihrer Meinung die Aufgabe

den Euro? Ja, von den künstlichen Währun-

­jetzigen Krise? So eine «gute Krise» haben wir

einer Zentralbank? Grundsätzlich sollten

gen in der Geschichte hat die längste etwa 20

schon lange nicht mehr gehabt. Das Wirtschafts-

Zentralbanken die Liquidität für die Wirtschaft

Jahre überlebt. So betrachtet hält sich der Euro

wachstum ist zwar etwas schwächer, doch in der

durch den Bankensektor steuern. Die Inflati-

ziemlich gut. In den nächsten Jahren wird sich

Schweiz haben wir nicht einmal Arbeitsplätze

onsbekämpfung ist ein Gesetzesauftrag, der

zeigen, wie gross die Stresssituation wird und

eingebüsst. Die südeuropäischen Länder hat es

früher sehr ernst genommen wurde, aber heute

ob man strikte gemeinsame Regeln für die Wäh-

am härtesten getroffen, sie sind aus einem Traum

mehr und mehr von der Politik bestimmt wird,

rung einführen kann. Die Rechnung für Fehler

in der harten Realität aufgewacht. Aber wie wir

die jetzt ja sogar mehr Inflation will.

müssen immer jene zahlen, die das Geld haben.

wissen, ist Selbsterkenntnis eine Bedingung für Erfolg in der Zukunft.

Kann dies einfacher vermieden werden?

Wo liegt das Problem? In den letzten Jahren haben die Zentralbanken ihre Unabhängigkeit

Wir sind heute viel besser informiert, haben

Womit haben die Staaten am meisten zu

verloren. Die Zeiten, in denen sie den Politikern

mehr Daten, mehr Technologie, wissen früher,

kämpfen? Eines der grossen Probleme in gewiss­

widersprachen, sind längst vorbei. Auch wenn

wenn etwas richtig oder falsch läuft. Deshalb

en Regionen im Süden Europas sind die schlech-

sie ihre Unabhängigkeit beteuern, dem ist nicht

ist die Situation auch anders als bei früheren

ten Ausbildungsstandards. Als beispielsweise in

mehr so. Der beste Beweis bei uns ist die Anbin-

künstlichen Währungen. Aber eine gemeinsame

Deutschland die Arbeitslosigkeit anstieg, gingen

dung an den Euro. Eine Zentralbank alleine wür-

Währung und total unterschiedliche und unab-

viele Deutsche nach Südspanien, weil sie konkur-

de und dürfte so etwas nicht machen. Aber die

hängige Volkswirtschaften – das wird irgend-

renzfähiger waren als die Spanier. Sie waren güns-

Politik wollte es, also wurde es gemacht.

wann nicht mehr funktionieren, ausser man

tiger und noch dazu besser ausgebildet. Auch ein

­einigt sich auf eine Art Finanzausgleich.

Resultat der EU.

Ein Auseinanderbrechen des Euro hätte fa­

Die Massnahmen der Zentralbanken gelten

­Sehen Sie ihn als Gefahr? Der Einfluss der

tale Folgen. Ja, es wäre für Europa eine Kata-

vor allem der Gesundung der Wirtschaft. Ist

Politik auf die Wirtschaft ist heute so gross wie

strophe, wir würden in das alte Verhalten zu-

es überhaupt möglich, Wirtschaftswachs­

schon seit langer Zeit nicht mehr. Aber das ist in

rückfallen, jeder Staat für sich. Die Wirtschaft

tum zu schaffen? Die Zentralbanken allein

Krisensituation immer der Fall. Politiker haben

würde zusammenbrechen und in Zukunft könn-

können das nicht, sie können nur die Zinsen sen-

ein sehr gutes Gespür für Machtvakua. In den

te man Kriege nicht ausschliessen.

ken. Es ist die Politik, die das Wirtschaftswachs-

nächsten Jahren ist das Wirtschaftswachstum

Schon früh haben Sie sich mit dem Ein­ fluss der Politik auf die Märkte befasst.

52

INVEST


«Die eigenen Kinder sind das beste Beispiel. Man sagt ­ihnen: Mach das nicht, es ist falsch. Meistens tun sie es trotzdem. Menschen ­haben den Drang, durch Erfahrung zu lernen und scheinen die Fehler selbst machen zu müssen.»

in vielen Ländern von politischen Entscheidun-

­haben schon die Griechen und Römer in der ­Antike

solchen Situation nicht vertraut. Das mag

gen abhängig. Normalerweise geht das nicht

gemacht.

sein. Meine Grossmutter hat zwei Weltkriege und die Inflation in den 20er-Jahren erlebt, sie

immer gut. Woran liegt es? Politiker geben gerne Geld aus

hat dreimal ihr Erspartes verloren. Derart oft

Warum? Die Wirtschaft kann man nicht ein-

und machen Schulden, um wiedergewählt zu wer-

kann man das heute mit einer Generation nicht

fach befehlen oder nur durch Regulierung, Ge-

den – so funktioniert eben Demokratie. Dieses

mehr machen.

setze und Verordnungen lenken. Es braucht

Mal wird es nicht anders sein. Man wird Geld dru-

Überzeugung, Konsumentenvertrauen und logi-

cken und drucken und eines Tages kommt die Er-

Kann man sich dagegen wappnen? Nicht

sche, nicht nur rein politische Entscheide.

kenntnis, dass es zu viel ist. Als Massnahme wer-

wirklich, obwohl wir heute mehr Informationen

den einfach ein paar Nullen weggestrichen und

haben denn je. Man muss aber die wichtigen In-

Mit den Massnahmen der Zentralbanken

dann stimmt es wieder. Zum Beispiel aus 100 al-

formationen auch lesen, sie verstehen und sich

steht Anlegern und Sparern eine Enteig­

ten Dollar wird 1 neuer Dollar. Man beteuert, der

weiterbilden und dann seine Wahl treffen, also

nung bevor – das ist wie das Amen im Ge­

neue Dollar sei nun wirklich etwas wert und alle

die richtigen Politiker wählen. Das ist die einzige­

bet, oder? Ja, aber das ist nichts Neues, das ist

applaudieren, obwohl sie gerade 99 Prozent ihres

Versicherung.

in der Geschichte immer wieder vorgekommen.

Geldes verloren haben. Oswald Grübel ist ehemaliger CEO von

Jedes Mal, wenn ein Staat überschuldet ist, kreiert er Inflation, um sich zu entschulden. Das

PUNKTmagazin LEISTUNG

Heutige Sparer und Anleger sind mit einer

Credit Suisse und UBS.

INVEST

53


Kunstobjekte werden als Wertanlage immer beliebter. Doch ohne das nötige ­K leingeld und grosses Branchenwissen drohen Verluste. Davor schützen auch ­vermeintlich grosse Namen nicht.

54

INVEST

Der Auktionator schwingt seinen Hammer –

Koller warnt vor Modeströmungen, die die

zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, ver-

Preise nach oben treiben. Dies war beispiels-

kauft. Für 120 Millionen Dollar wurde An-

weise in Russland ab 2004 der Fall, als sich

fang des Jahres die vierte Version von Edvard

Bilder innerhalb kurzer Zeit stark verteuer-

Munchs «Der Schrei» versteigert. Damit zählt

ten. Ähnliches könnte nun in China drohen.

es zu den teuersten Gemälden der Welt. Sol-

Bislang kauften die Chinesen vor allem Wer-

che Beispiele haben Seltenheitswert, sorgen

ke ihrer eigenen Künstler, doch in jüngster

aber dafür, dass sich nicht nur Galeristen,

Zeit erwerben sie vermehrt Klassiker. Anleger

Kunstsammler, Museen und Auktionshäu-

sollten diese Entwicklungen im Auge behal-

ser im Markt tummeln, sondern auch Fonds

ten. Dass überteuerte Kunstwerke meist eine

und Investoren. Sie schätzen vor allem den

schlechte Investition sind, zeigte auch die Stu-

Wertbestand der Objekte: angesichts der tie-

die «Underperformance of Masterpieces» der

fen Zinsen mehr denn je. «Gemälde sind kein

Ökonomen Jianping Mei und Michael Moses.

Spekulationsobjekt, sondern eignen sich sehr

gut als Wertanlage», bestätigt Cyril Koller vom

Garant für Preisanstiege. So fanden sich unter

Auktionshaus Koller. In den meisten Fällen

den fünf grössten Flops 2012 auch Künstler

würden sich die Preise stabil entwickeln oder

wie Pablo Picasso und Andy Warhol. Unver-

sogar steigen. «Erfreuen kann man sich in je-

kauft blieb auch das Gemälde «Prague 1883»

dem Fall an den Zinsen, nämlich der Freude

des Künstlers Gerhard Richter, dessen Wert

an dem Gemälde.»

gemäss der Schätzung des Auktionshauses

Natürlich zielen Anleger darauf ab,

Christie`s neun bis zwölf Millionen Dollar

Wertsteigerungen zu erzielen. Doch Kunst-

beträgt. Nebst dem Namen sollten daher auch

käufe wollen gut überlegt sein, Anleger müs-

der Erhaltungszustand, die Verkaufsfrequenz

sen sich ausgiebig mit der Materie auseinan-

eines Werkes und die Phase, in der das Bild

dersetzen. In Frage kommen gemäss Koller

gemalt wurde, Beachtung finden. Ebenfalls

besonders Bilder von bekannten Künstlern,

lohnend ist ein Blick auf die Margen, die be-

die einen bestimmten Rang in der Kunst-

sonders bei Beratern sehr hoch sein können.

geschichte haben. Der Fokus sollte auf Im-

Wie viel man mit Gemälden verdient, kann

pressionisten, alten Meistern und zeitge­nö­

man ebensowenig vorhersagen wie bei Akti-

ssischer Kunst liegen. «Eine gute Wahl sind

en. In jedem Fall lohnt sich ein Kauf, wenn die

sicherlich die klassischen grossen Namen

Kunst gefällt. Die Freude am Gemälde­ lässt

wie Picasso, quasi die Blue Chips der Kunst»,

­einen vielleicht leichter über etwaige mone-

so der Experte.

täre Einbussen hinwegsehen.

Doch auch ein grosser Name ist kein

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Wichtige rechtliche Hinweise: Die Angaben in diesem Dokument dienen lediglich zum Zwecke der Information und stellen keine Anlageberatung dar. Der Julius Bär Multistock – Japan Stock Fund ist ein Subfonds der Julius Bär Multistock (SICAV nach Luxemburger Recht) und ist in der Schweiz zum öffentlichen Anbieten und Vertreiben zugelassen. Rechtsprospekte, wesentliche Anlegerinformationen, Statuten und aktuelle Jahresund Halbjahresberichte sind in deutscher Sprache, kostenlos und in Papierform bei den nachfolgenden Stellen erhältlich. Schweiz – Vertreter: Swiss & Global Asset Management AG, Hardstrasse 201, Postfach, CH-8037 Zürich; Zahlstelle: Bank Julius Bär & Co. AG, Bahnhofstrasse 36, Postfach, CH-8010 Zürich. Swiss & Global Asset Management ist nicht Teil der Julius Bär Gruppe.


– Wirtschaft –

Afrika Macht Mobil Text PHILIPP BÜRKLER Bild SVEN TORFINN

In Afrika verbessern Mobiltelefone nicht nur die Kommunikation, sie retten auch ­L eben. Wie innovative Handy-Technologien das afrikanische Gesundheitssystem ­revolutionieren.

Afrika ist bunter als der Rest der Welt.

Die Häuserfassaden sind knallrot, schreiend gelb oder in dezentem lindgrün gestrichen. Zwischen den farbigen Wänden und den unzähligen Schrifttypen der Werbetafeln sind die Logos von Telekomunternehmen nur schwer zu erkennen. Doch Mobile-Shops gibt es in Afrika zuhauf, oft eingerichtet in einfachen Baracken. Wer in Afrika ist, dem fällt auf, dass fast alle Menschen am Telefonieren sind.

Das Handy ist auf dem Kontinent über-

all zu finden, der Markt ist einer der schnellstwachsenden der Welt. Bis zur Jahrtausendwende waren Telefon und Internet ein Privileg der reichen Oberschicht und Verwaltungen. Nur gerade zwei Prozent aller Afrikaner hatten damals einen Festnetzanschluss, ähnlich viele sind es auch heute noch. Die Telekomunternehmen hatten es versäumt,

Handy. Die Weltbank schätzt die monatli-

Kenia, ihre Emails via SMS zu empfangen

auch ausserhalb urbaner Zentren Anschlüsse

chen Handy-Kosten auf fünf bis acht Dol-

und zu verschicken. Da solche Handys kein

zu installieren. Afrika überspringt diese Tech-

lar. Vor allem bei Bevölkerungsschichten,

Farbdisplay haben, hält ihr Akku bedeutend

nologie kurzerhand und telefoniert fast aus-

die von extremer Armut betroffen sind, ver-

länger. Ein entscheidender Vorteil auf einem

schliesslich mobil. Experten bezeichnen das

schlingt das Telefonieren einen Grossteil des

Kontinent ohne flächendeckende Stromver-

Phänomen als «Leap­frogging», Bockspringen.

Einkommens. Südlich der Sahara lebt die

sorgung.

Die Zahl der Mobiltelefone ist in den vergan-

Hälfte der Bevölkerung noch immer von we-

genen Jahren buchstäblich explodiert: Zwei

niger als zwei Dollar am Tag.

von drei beziehungsweise 650 Millionen Af-

rikaner haben mittlerweile ein eigenes Han-

nutzen in Afrika nur die wenigsten Men-

dy. Am steilsten nach oben zeigt die Wachs-

schen Smartphones. Stark verbreitet sind

tumskurve in Nigeria, mit 168 Millionen

dagegen sogenannte Featurephones. In ent-

Einwohnern das bevölkerungsreichste Land

wickelten Industrienationen waren solche

des Kontinents. Zur Jahrtausendwende gab

«Dumbphones» noch bis vor etwa einem Jahr-

es dort 30 000 Taschentelefone, heute sind es

zehnt gängig. Diese Telefone verfügen zwar

mehr als 140 Millionen.

über eine Fotokamera und sind internettaug-

Anders als in Europa oder den USA be-

lich, doch das Surferlebnis ist eingeschränkt.

Unschlagbarer Vorteil: die Akkuleistung

Internetseiten werden schwarzweiss und nur

führt zu beispielloser Innovation. Seit dem

Viele Afrikaner verfügen zwar nicht über ein

in Textform dargestellt. Google hat auf diesen

Jahr 2007 existiert in Kenia das mobile Zah-

Bankkonto und haben keinen Zugang zu sau-

Umstand reagiert und ermöglicht es seinen

lungssystem M-Pesa. Damit können auch

berem Trinkwasser, dafür aber ein eigenes­

Kunden in Ländern wie Ghana,­ Nigeria und

Menschen ohne Bankkonto via SMS Geld

56

WIRTSCHAFT

Die starke Verbreitung des Handys


empfangen und überweisen. Das Handy wird

Seth Berkley, Chef der in Genf ansässi-

deshalb noch einen Schritt weiter: Das

zum virtuellen Portemonnaie. Für Kenianer

gen Organisation GAVI Alliance, die einen

Handy­soll zum Minilabor werden. Die Uni-

öffnen sich dank M-Pesa auch neue geschäft-

besseren Zugang von Impfstoffen für Kinder

versity of California in Los Angeles entwi-

liche Perspektiven. Schneller und müheloser

erreichen will, möchte den Informations­fluss

ckelt ein Mikroskop, das bei jedem Han-

wurde auch der Geldtransfer von Städten in

zu den Behörden verbessern. «Es ist eine trau-

dy mit Fotokamera funktioniert. Mit einer

ländliche Gegenden, wo es noch weit weni-

rige Tatsache, dass viele Kinder auf die Welt

externen Aufsteck-Linse lassen sich Fotos

ger Bankfilialen gibt. Das System wurde be-

kommen und sterben, bevor sie offiziell regis-

von entnommenem Blut machen. Der et-

reits in andere afrikanische Länder und nach

triert werden», sagt Berkley. Mit Handys kön-

wa zehn Dollar teure Aufsatz könnte sogar

Indien ­exportiert.

nen Eltern ihre Kinder amtlich anmelden,

ein 20 000 Dollar teures CD4-Gerät erset-

die Behörden können ihrerseits lebenswich-

zen, mit dem festgestellt werden kann, ob

Medikamente per SMS prüfen Jährlich ster-

tige Medikamente und Impfstoffe bereitstel-

jemand mit HIV infiziert ist. Eine entspre-

ben in Afrika etwa vier Millionen Menschen

len. Dadurch steigen die Chancen, dass diese

chende App oder Webseite errechnet dann

an Infektionskrankheiten wie HIV, Malaria

Kinder überleben.

in Sekundenschnelle das Blutbild und ande-

oder Tuberkulose. Im Gesundheitsbereich

re zellu­läre Informationen. «Das Mi-

sehen Wissenschafter denn auch das gröss-

kroskop diagnostiziert Krankheiten

te Potenzial von Mobilfunktelefonen – das

oder stellt fest, ob Wasser verunrei-

Handy als vielfältig einsetzbarer Lebens-

nigt ist», sagt Aydogan Ozcan, Erfin-

retter. Neben simplen Informationen zum

der der mobilen Linse und Professor

Standort des nächstgelegenen Spitals oder

an der Universität in Los Angeles.

Ernährungstipps gibt es auch lebenswich-

Innovatoren wie Ozcan machen aus

tige Informationen, etwa zur Qualität von

einem banalen Dumbphone ein leis-

Medikamenten. Zirka ein Drittel der Medi-

tungsfähiges und komplexes Labor.

kamente und Impfstoffe in Afrika sind Fäl-

Afrikas Handy-Revolution fördert

schungen, die entweder wirkungslos sind

somit nicht nur die Kommunikation­

oder sogar schwere Nebenwirkungen ver-

unter den Menschen, sondern er-

ursachen. Mit einem Code auf der Packung

Das Dumbphone als mobiles Labor­ Ärzt-

weist sich zunehmend als Forschungsbereich

können Patienten per SMS die Echtheit

liche Versorgung in Afrika ist mangel-

für den Gesundheitssektor. Innovationen,

der Medikamente überprüfen, bevor sie sie

haft, Spitäler können sich keine teuren In-

die in absehbarer Zukunft auch andernorts

­einnehmen.

frastrukturen leisten. Wissenschafter ­gehen

eingesetzt werden könnten. Werbung

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– Gespräch –

VERNETZTES DENKEN Text RINO BORINI

I

Bild CHRISTINE BÄRLOCHER

n Rolf Dobellis Leben ging es praktisch immer aufwärts.

aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur austauschen – unter Aus-

Nach einem BWL-Studium – das er heute als Fehler be-

schluss der Öffentlichkeit. Bei getAbstract hat er sich mittlerweile zu-

zeichnet – in St. Gallen startete er seine Karriere in der

rückgezogen. Der breiten Öffentlichkeit ist Dobelli vor allem bekannt

Wirtschaft. Dobelli war Geschäftsführer von verschiede-

als Buchautor. Dabei hat er eigentlich nur mit dem Schreiben begon-

nen Tochtergesellschaften der ehemaligen Swissair-Gruppe. 1999 hatte

nen, um mit der Midlife Crisis fertigzuwerden, die er im Alter von 35

der damals 33-jährige Luzerner genug von Grossfirmen, starrem Den-

Jahren hatte. Der Erfolg liess nicht auf sich warten. Sein bekanntestes

ken und engstirnigen Chefs. Er kündigte und gründete mit zwei Freun-

Werk ist «Die Kunst des klaren Denkens», in dem er 52 gängige Denk-

den den Buchzusammenfassungsdienst getAbstract, den heute führen-

fehler auflistet. Von täglichen News schottet sich Dobelli komplett ab.

den Verlag für Buchzusammenfassungen. Daneben hat er das Forum

Sie sind nicht nur Zeitverschwendung, sondern, wie er in einem ­Essay

ZURICH.MINDS ins Leben gerufen, wo sich führende Persönlichkeiten­

einst schrieb, Gift für Hirn und Geist.

PUNKTmagazin Herr Dobelli, jeder Journa­

wenn man vernünftig und rational denkt. Nach-

Das von Ihnen verfasste Buch «Die Kunst des

list fragt Sie …

träglich gesehen war es aber ein guter Denkfeh-

klaren Denkens» war so ein Bestseller. Dabei

ler (lacht).

haben Sie nichts anderes gemacht, als ihre geschriebenen Kolumnen zusammenzufa­

ROLF DOBELLI_ (unterbricht) … welcher mein Warum haben Sie sich damals dazu ent­

ssen, für die Sie notabene schon ein Hono­

schlossen, Romane zu schreiben? Das ge-

rar erhalten hatten. Im Vorfeld sagten mir zwar

Es ist das Ökonomiestudium an der Univer­

schah aus einer Laune heraus. Ich hatte mit 35

alle, dass sich niemand für Kolumnenbücher in-

sität St. Gallen. Ich frage deswegen anders:

Jahren eine Quarterlife Crisis und wollte diese

teressieren würde. Ich probierte es aber trotzdem,

Welcher der in Ihrem Buch festgehaltenen

Krise anhand einer fiktiven Person beschreiben.

hatte ja nichts zu verlieren und war überrascht

Denkfehler war im Nachhinein ein guter

So entstand das Buch «Fünfunddreissig: Eine

vom Erfolg. Denn mit Schreiben wird man ge-

Denkfehler? (bestellt eine kalte Ovomaltine

Midlife Story» und der Roman war unterwartet

wöhnlich nicht wirklich reich. In der Schweiz kön-

und überlegt) Sicherlich als Schriftsteller zu wir-

ein ­Erfolg.

nen ganz wenige davon leben. In meinem Fall war

grösster Denkfehler sei.

ken und damit den Lebensunterhalt verdienen

es Glück, doch das heisst nichts für die Zukunft. Es

zu wollen. Ich meine insbesondere die Roman-

Um einen Bestseller zu landen, braucht es

gab scheinbar sozusagen einen positiven «Black

schriftstellerei. Das macht man eigentlich nicht,

Glück. Ja, genau.

Swan».

58

WIRTSCHAFT

4 4



4 4 Wollen wir nun über Nassim Nicholas

men im Bereich Flugzeugwartung. Gategourmet,

schade, dass allein dieses Scheitern in den Köp-

­Taleb, Autor des Buchs «The Black Swan»,

der Verpflegungsarm der ehemaligen Swissair,

fen der Leute ist, aber niemand mehr von jenen

sprechen? Zu Taleb ist alles gesagt.

bestand früher aus je einer Küche in Zürich und

­unglaublichen Erfolgen spricht.

Genf. Auch aus dieser Abteilung formte Bruggisser Zurück zu den Denkfehlern. Sie waren frü­

einen Weltkonzern. Die Firma ist in ihrer Branche

Kann man in der Fliegerei überhaupt Geld

her in der Wirtschaft tätig, unter anderem

global die Nummer zwei. Swissport war die für die

verdienen? Das ist ein Glamourbusiness. Ein

im Management der ehemaligen Swissair.

Bodenabfertigung zuständige Abteilung. Heute

Glamourgeschäft findet immer wieder Aktionäre,

Wussten Sie damals schon, dass auch die

die Geld einschiessen, wenn es knapp wird, ähn-

Wirtschaftswelt voller Denkfehler ist? Of-

lich wie im Hotelbereich. Auch hier verdienen nur

fenbar war das damals schon bei mir ein The-

wenige Häuser wirklich Geld.

ma. Kürzlich fand ich einige alte Folien, die ich Wie in der Schriftstellerei. (lacht) Genau.

zu jener Zeit an einer Managementkonferenz der Swissair-Gruppe präsentierte. Ich schlug vor, dass man auch Aspekte aus der Epistemologie, der

Machen Sie es deswegen? Nein. Aber ich meine

­Wi­ssenschaft des Denkens, intern sammelt und

auch nicht die Schriftsteller, sondern die Verlags-

da­rüber diskutiert.

häuser. Belletristik-Verlage haben viel Glamour, aber die Margen sind leider dünn.

Wurde Ihr Vorschlag umgesetzt? Nein. Niemand hat verstanden, was ich damit meinte und

Weil immer weniger Leute Bücher lesen? Die

die Idee wurde abgeschossen. Mich persönlich

junge Generation liest 20 Minuten ... (unter-

hätte dieses interne Projekt sehr fasziniert. Übri-

bricht) Also 20 Minuten und die ganzen Online-

gens, wenn Sie meine ersten Romane lesen, wer-

Newsseiten sind ganz schlimm. Es gibt Untersu-

den Sie merken, dass dort das Denken als Thema

chungen, die zeigen, dass der Konsum von diesen

an vielen Stellen vorkommt. Sie sehen, es beschäf-

Newslawinen die Konzentration einschränkt. Die

tigt mich also wirklich schon sehr lange.

junge Generation kann heute ja kaum mehr einen Text linear über eine lange Zeitdauer lesen. Die

Was halten Sie eigentlich von Managern?

schaffen es auch nicht, 20 Seiten in einem Buch

Ich habe hohen Respekt vor denen, die es schaffen, ihre Mitarbeiter täglich neu zu motivieren, und das, obwohl sie die Firma nicht besitzen. Vor jemandem, der von Berufs wegen Tausende von ­Mitarbeitern begeistern muss, habe ich höchste Achtung. Ein Beispiel? Riet Cadonau (CEO der Kaba Gruppe; die Red.). Er führt das Unternehmen mit viel Herzblut und Leidenschaft. Oder Ton Büchner. Er war früher bei Sulzer, jetzt bei Akzo Nobel. Ei-

am Stück zu lesen. Das ist schade, denn komple-

«Ich glaube nicht, dass es ­jemals einen Schweizer ­Manager gab, zurück bis ­Alfred Escher, der fünf Weltkonzerne aufbaute. Nur im Flugbereich ist Bruggisser

xe Zusammenhänge brauchen Zeit und Platz. Die kann man nicht in einem kurzen Artikel abbilden. Kann man der jungen Generation diese ­Fähigkeiten wieder antrainieren? Das konnte­ man bis jetzt noch nicht herausfinden. Aber ich ­sehe immer weniger Leute, die einen langen Text lesen können, ohne dabei zwischendurch einen Blick auf einen Screen zu werfen.

gescheitert.» Ist das der Tod von Büchern? Ich befürchte, es

ne ausgesprochen beeindruckende Persönlichkeit.

ist das Ende von langen Magazin- und BuchtexWarum? Er kann Feuer entfachen und Leute be-

ten, ausser für die Wenigen, die den Nutzen von

geistern ohne zu «bullshiten». Er versteht etwas

langen Texten erkennen. Doch die Masse verblö-

vom Geschäft, und wenn ich mit ihm rede, ist je-

det am Infotainment. Wer das realisiert, kann

der Satz logisch. Mir fällt noch ein ganz Grosser

ausbrechen. Aber das ist hart.

der Schweizer Wirtschaft ein: Philippe Bruggisser­

ist der Konzern die weltgrösste Servicegesellschaft

(ehemaliger Konzernchef der Swissair-Gruppe;

für Airlines und Flughäfen. Nuance, der Dutyfree

Sie leben ohne News. Doch heute laufen auch

die Red.).

Betreiber, hatte damals in Zürich, Basel und Genf

in der Öffentlichkeit überall Newsscreens.

ein paar Shops. Mittlerweile ist Nuance der zweit-

Das muss für Sie der blanke Horror sein.

Wie bitte? Bruggisser scheiterte … (unter-

grösste Dutyfree-Retailer weltweit. Und die Swis-

Ja, das ist furchtbar. Ich versuche, nicht auf diese

bricht) … am Flugbereich. Der war nie wirklich

sôtel-Gruppe bestand früher aus wenigen Häu-

Bildschirme zu schauen. Wenn ich beispielsweise

profitabel.

sern, heute findet man diese Hotelgruppe überall.

im Zug sitze, verwende ich Ohrpfropfen. Das sieht

Warum Bruggisser? Was er leistete, hat kein an-

Also Bruggissers Kreationen? Genau. Das wa-

derer Wirtschaftsführer in der Schweiz je geschafft.

ren alles kleine Abteilungen innerhalb der Swiss-

Bruggisser stellte fünf Weltkonzerne auf, die in ih-

air. Es war Bruggisser, der damals sagte: Ihr müsst

Wissen Sie wirklich nicht, welche News ges­

rer Branche allesamt zu den Marktführern zählen.

raus, ihr müsst selbständig werden, ihr müsst in-

tern die Schlagzeilen-Hitparade dominier­

ternational wachsen. Ich glaube nicht, dass es je-

ten? Nein, keine Ahnung. Selbstverständlich erfah-

Das müssen Sie mir erklären. Die SR Technics

mals einen Schweizer Manager gab, zurück bis

re ich das Wichtigste durch Freunde oder Bekannte

war zu Bruggissers Zeit eine interne Abteilung,

­Alfred Escher, der fünf Weltkonzerne aufbaute.

innerhalb einiger Tage. Aber was bringt mir diese

heute ist es eines der weltweit grössten Unterneh-

Nur im Flugbereich ist er gescheitert. Und es ist

Information heute und jetzt ­gerade? Nichts.

zwar oberdoof aus, aber es nützt. Die Konzentra-

60

WIRTSCHAFT

tion ist wieder da.

4 4



4 4 Was ist denn so schlecht an News? News

Schulden und Krisen dominieren das Bild.

sind grell, schrill, personalisiert, skandalös und

Es braucht Erklärungen und vor allem Lö­

laut. Damit sie funktionieren, braucht es Bilder

sungen. Dass es «Busts and Booms» gibt, ist

und Personengeschichten. Sie verzerren, und sie

völlig natürlich. Aber die von der Politik ange-

bilden etwas völlig anderes ab, als was es in der

strebte Stabilisierung ist unnatürlich.

Rea­lität ist. Hauptsache, man zieht die Aufmerksamkeit der Leser auf die Seite und damit auf

Was läuft falsch? Was falsch läuft ist die künst-

die Werbung. Stellen Sie sich mal vor, ich würde

liche Stabilisierung. Seit Keynes versucht man zu

auf das Thema Antibiotikaresistenz hinweisen,

stabilisieren. Das führt dazu, dass mehr Risiken

das in zehn Jahren aktuell werden könnte. Die-

und vor allem versteckte Risiken entstehen, da-

ses Thema ist weder skandalös noch grell. Diese­

durch werden die Ausschläge immer grösser. Wenn

Story kann man nicht verkaufen. Es gibt kein

es knallt, dann knallt es heute einfach viel stär-

­Geschäftsmodell für abstrakte Informationen im

ker als früher.

Massenmarkt. Was würden Sie in solchen Fällen empfeh­ Es hängt doch davon ab, welche Quellen ein

len? Besser wäre, man würde die Schwankun-

Leser nutzt, beispielsweise eine NZZ oder

gen Schwankungen sein lassen. Das ist urliberales

­eine Zeit. Eine NZZ ist noch heikler als 20 Minu-

Denken. Das ist, als ob man Fieber hat. Man greift

ten. Ich meine damit nicht die gut recherchierten,

sofort zum Fiebersenkungsmittel. Dabei ­wäre es

langen Hintergrundgeschichten der NZZ, sondern

gescheiter, man würde Fieber Fieber sein lassen.

die Nachrichten in Kurzform. Die NZZ schafft

Der Temperaturanstieg ist eine natürliche Reakti-

durch ihren seriösen Brand die Illusion, dass der

on des Körpers, der sein Immunsystem stärkt und

Leser die Welt besser verstehe. Da wirkt der Bran-

Krankheitserreger schwächt.

ding-Illusionsfaktor, und dieser ist gefährlich. News sind eine Verzerrung von Wahrnehmungen.

Jetzt sind wir bei der Biologie. Sie würden

Oftmals purer Opinion-Journalismus. Wenig Facts.

heute lieber Biologie studieren als Ökono­

HÜST & HOTT

News geben ein falsches Bild. Ich habe lieber gar

mie. Was könnte die Wirtschaft aus diesem

Ovomaltine oder Kaffee?

kein Bild als ein falsches.

Gebiet lernen? Das Verständnis für komplexe

New York oder Tokio?

Systeme. Wenn Sie im Körper an einem «Schrübli»­

Fisch oder Fleisch?

Sie sind auch gegenüber Professoren kri­

drehen, passieren ganz unterschiedliche Dinge.

tisch. Das sage ich so nicht. Ökonomen gegen-

Diese unheimliche Komplexität haben wir auch

über bin ich skeptisch. Wir verstehen einfach noch

in der Wirtschaft. Doch wir sehen sie nicht. Man

nicht, wie das komplexe Ding namens «Ökono-

denkt immer, man könne eine Massnahme ergrei-

mie» funktioniert. Das ist nicht der Fehler der

fen und es käme dann so, wie man es geplant habe.

Ökonomen. Aber von anderen Wissenschaften,

Dem ist aber nicht so. Man kann nicht mehr wirk-

beispielsweise der Biologie, lasse ich mich gerne

lich planen, einzig korrigieren kann man.

instruieren. Planen Sie gar nichts mehr? Lieber schnell, Sie sind wirklich kein Fan von Ökonomen.

flink und häufig agieren – und korrigieren, wenn

Kein Fan der Ökonomie.

man feststellt, dass es nicht so läuft wie man will. Das ist wie beim Autopilot im Flugzeug: Der kor-

Sie sind selber Ökonom. Ich habe BWL stu-

rigiert pro Sekunde x Mal.

diert. Aber ich bin kein Ökonom und betreibe diese­ Wissenschaft nicht aktiv.

Machen Sie eigentlich nur noch Dinge, die Ihnen Spass machen? Mit dem Schritt in die

Ökonomen versuchen doch nur, die Welt zu

Selbständigkeit konnte ich erstmals das tun, was

erklären. Das ist heute noch wichtiger als frü­

ich immer wollte. Wenn man diesen Braten mal

her. Vor zwei- bis dreihundert Jahren gab es in Eu-

gerochen hat, will man nicht mehr zurück. Zu

ropa vielleicht 100 000 Ärzte, doch keiner schaffte

­einem guten Leben gehört, dass man eine grosse

es, ernsthafte Krankheiten zu besiegen. Wer damals

Autonomie über sein Zeitbudget hat.

zu einem Arzt ging, war danach kranker als vorher. Erst im 19. Jahrhundert, als man einigermassen ein

Damit liegen Sie im Trend. Ich weiss nicht, ob

Verständnis für die Medizin bekam, änderte sich

es ein Trend ist. Dazu müsste ich zuerst schauen,

das. Die Ökonomie ist heute dort, wo die Medizin

ob viele Artikel darüber geschrieben werden. Aber

damals war. Darum geht man besser gar nicht zu

das bringt mich dann auch nicht weiter.

einem Ökonomen. Es wäre erstaunlich, wenn wir ein intuitives Verständnis für die Ökonomie hät-

Ertappen Sie sich selber noch bei Denk­

ten. Wir haben es auch nicht für Quantenmecha-

fehlern? Oh ja, bei allen. Das passiert mir die

nik und viele andere Bereiche. Warum sollten wir

­ganze Zeit. Ich werde keinen dieser Denkfehler für

dieses Wissen in der Ökonomie haben?

­immer abstellen können.

62

WIRTSCHAFT

Kreditkarte oder Cash? Oper oder Rock? Klassik Wohnung oder Haus? Zeit oder Geld?


DOSSIER L U X U S // L U X U R Y // L U X E

Hast Du Zeit? Der Beruf des Uhrmachers ist zeitlos, wie eine Tour de Suisse zeigt.

Luxusprodukte und ihr Image Porsche und Rolex kann jeder. Wahre Kenner setzen auf Newcomer.

Genuss für besondere Momente Schweizer Hersteller von Luxus-­ Schokolade sind dick im Geschäft.

Grosse Marken für wenig Geld Warum Outlet-Konzepte nicht überall gleich gut funktionieren.

WIRTSCHAFT IST MEHR. PUNKTMAGAZIN DOSSIER # 05 | 2013 «LUXUS» PUNKTMAGAZIN.CH


Luxusprodukte und ihr image «Wir verkaufen teure Dinge, die kein Mensch braucht. Daher müssen wir den Menschen einreden, dass sie sie unbedingt haben müssen». So hat Karl Lagerfeld anlässlich einer Reportage zu seinem 80. Geburtstag seine Arbeit be-

LUXUS

schrieben. Mit dieser Aussage trifft er den Kern von Luxusgütern. Denn qualitativ hochwertige Autos, Uhren, Taschen und Kleider sind auch günstiger zu haben. Tragen sie jedoch das Logo von Lamborghini, IWC, Louis Vuitton oder Gucci und stimmt das Marketing, glüht die Kreditkarte. Luxusgüter werten das Selbstbewusstsein und Image ihrer Besitzer auf, wecken Begehrlichkei-

– DOSSIER –

ten, sorgen fürs Hingucken – und das beginnt bereits beim Kauf. Bei Luxus­ gütern greifen selbst die einfachsten wirtschaftlichen Gesetze nicht mehr. Hier definiert nicht der Preis Angebot und Nachfrage, Preissensibilität ist in der Branche ein Fremdwort. So würden Studien zufolge die Kunden für Chanel

Käufer Luxusgüter

2012

und Co. sogar noch tiefer in die Tasche greifen, als die Unternehmen fordern. Man will das Produkt besitzen – koste es, was es wolle. Wie viel mehr es um

MÄNNER 41 %

FRAUEN

das Image statt ums eigentliche Produkt geht, zeigt das Beispiel der «Säckli-­

59 %

Schnorrerinnen» an der Zürcher Bahnhofstrasse. Hier betreten täglich gut angezogene Damen teure Boutiquen, schauen sich interessiert um – und verlangen am Ende nur nach einem Katalog und einer Tragetasche. Und während

6% REST

25 %

der Katalog gut drapiert auf dem heimischen Wohnzimmertisch der Marke

CHINESEN

Joghurt, Obst und Wasser zur Arbeit getragen. Seit ein paar Jahren zeichnet

20 % AMERIKANER

sich ein weiterer Trend in der Luxusbranche ab. Es sind nicht mehr die altbe-

14 % JAPANER 11 % ANDERE ASIATEN

24 % EUROPÄER

Imitation oder Original

KAUFEN IMITATIONEN

2012

KAUFEN ORIGINALE

23%

60%

DEUTSCHLAND 37%

51%

38%

49%

45%

46%

23%

78%

SCHWEIZ

ÖSTERREICH USA CHINA

Wachstumsraten Luxusmarkt weltweit 2008

2009

-2%

-8%

2010

2011

2012

+ 13 %

+ 11 %

+ 10 %

Quelle: McKinsey, Bain & Company, Altagamma, Brandtrust

64

Ikea sein Dasein fristet, werden in den kommenden Wochen im noblen Säckli­

DOSSIER LUXUS

kannten Marken, die Aufsehen erregen, sondern die unbekannten, die kleinen feinen Raritäten, die in geringer Stückzahl hergestellt werden. Frei nach dem Motto «Porsche und Rolex kann jeder» setzt der Kenner auf Newcomer. Hier kommt nämlich zum luxuriösen Image auch noch das des Trendsetters hinzu. Eine perfekte Kombination, um unter den Besten noch besser zu sein.


Der neue luxus Bling Bling hat Hochkonjunktur. Nie verfügten Private über mehr Geld als heute, nie gab es mehr Millionäre. Doch das Luxusverständnis hat sich seit den Anfangsjahren des 21. Jahrhunderts grundlegend verändert – zumindest in der westlichen Welt. Im 20. Jahrhundert wurde ­Luxus gezeigt. Extravaganz war en vogue, Reichtum wurde öffentlich zelebriert. Heute spielen Produkte eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger sind die Erlebnisse und Emotionen, die mit ihnen verbunden sind. Auch das Bewusstsein, sozial- und umweltverträglich zu konsumieren und so Verantwortung zu übernehmen, ist viel stärker ausgeprägt als noch vor einigen Dekaden. Der neue Luxus definiert sich immer weniger über den Preis, sondern zunehmend stärker über nichtmaterielle Faktoren. Luxus soll intellektuell stimulieren und erstklassige Dienstleistungen sollen ein Mehr an Lebensqualität bieten. Das muss nicht zwangsläufig übermässig teuer sein. Der italienische Modedesigner Giorgio Armani sagte einst: «Ich glaube, dass das Prädikat Luxus nicht allein durch den Preis definiert wird, sondern eher anhand von Qualität, Echtheit, einem Grad von Exklusivität und Zeitlosigkeit festzumachen ist». Der neue Luxus bedeutet eine astreine Markenphilosophie, eine transparente Produktion, ausgewählte und erstklassige Rohstoffe, begrenzte Produktion, idealerweise im eigenen Land oder dort, wo ­Arbeitsplätze, Handwerk, Ressourcen, aber auch Kinder und Tiere geschützt werden. Das ist die einzige vertretbare Philosophie, um mit reinem Gewissen Produkte herzustellen.

nach gewicht bezahlen Als Kalorien noch schick waren, war Dicksein ein Zeichen für einen guten, wenn nicht luxuriösen Lebensstil. «Seht her, ich kann mir Fett und Zucker leisten», war die Devise der obersten Gesellschaftsschicht. Inzwischen hat sich das ins Gegenteil verkehrt. In der westlichen Denke

Grosse marken zum kleinen Preis

verbindet man Dicksein schnell mal mit einem niedrigen Status, schlechter Ausbildung oder mangelnder

Silvio Tarchini hat gut lachen, wenn er an sein Out-

Selbstkontrolle. Das gilt aber nicht

let-Center FoxTown in Mendrisio südlich von Luga-

überall. In Samoa und anderen Pazi-

no denkt. Hier wühlen sich sieben Tage die Woche

fikinseln gilt Fettleibigkeit noch im-

sämtliche Nationalitäten durch die Waren in den

mer als Zeichen von Reichtum und

Markenstores. Und das nicht zu knapp: Die erste

einem guten Leben – dick sein als

Jahreshälfte brachte gegenüber 2012 ein Umsatz-

ist Fashion Fish in Schönenwerd. Ideal zwischen

modernes Statussymbol. Nach Anga-

plus von zehn Prozent. Mitte der 1990er-Jahre mit

Basel und Zürich gelegen, treffen sich hier beson-

ben der Weltgesundheitsorganisa-

gerade einmal neun Läden gestartet, hat sich Fox-

ders Deutschschweizer Kunden zum Einkaufs-

tion WHO sind in Samoa 75 Prozent

Town zu einem wahren Shoppingtempel mit 160

rausch. Im Durchschnitt wandern dabei mehrere

der Menschen schwer übergewich-

Läden entwickelt. Bauchschmerzen dagegen be-

hundert Franken über den Tresen. Dass die Mar-

tig. Ein Luxus, den die Samoaner mit

reitet dem Tessiner Tarchini aktuell das Pendant in

kenartikel kleine Fehler haben oder aus dem letz-

Herzkrankheiten, Bluthochdruck

Shanghai. Er will die Immobilie abstossen. In China­

ten Jahr stammen, tut der Shoppingfreude keinen

oder Zuckerkrankheit teuer bezah-

funktioniert sein Konzept nämlich nicht. Den

Abbruch. Man nimmt Teil am Luxuskonsum – und

len. Auch die Air Samoa hat mit der

Grund können nicht einmal die asiatischen Analys-

das zum Schnäppchenpreis. Auch für die Marken-

Fettleibigkeit zu kämpfen. Im Zeital-

ten sagen. Denn schliesslich stehen Chinesen auf

firmen rechnen sich die Outlet-Center. Sie geben

ter steigender Kerosinpreise ändert

Luxusmarken. Aber vielleicht ist es eben nicht das

zwar bis zu zwölf Prozent des Umsatzes an den

die Airline ihre Preispolitik: «pay as

gleiche, wenn man sie für ein Viertel des Original-

­Inhaber der Ladenflächen ab, werden hier aber

you weigh» heisst die neue Devise.

preises erhält? Im europäischen Raum funktionie-

los, was sonst zum Ladenhüter oder es nicht ein-

Passagiere­müssen mit dem Gepäck

ren Outlet-Center dagegen hervorragend und prä-

mal in die Regale schaffen würde. Und da die meis-

auf die Waage. Ob diese Massnahme­

sentieren sich besonders an den Wochenenden,

ten Kunden mit klaren Kaufabsichten kommen,

das Bewusstsein für dieses heikle

da auch sonntags geöffnet, als wahre Pilgerstät-

braucht es am Ende auch wenig überzeugende

Thema schärfen wird?

ten für Shopper. Jüngster Ableger in der Schweiz

Verkäuferkraft.

PUNKTmagazin LEISTUNG

DOSSIER LUXUS

65


– Luxus –

Hast du etwas Zeit für mich? Uhrmacher ticken anders, das lässt sich nicht leugnen. PUNKT auf den Spuren eines Berufes, der Geduld, Zeit und Ausdauer verlangt.

Text & Bild WILMA FASOLA

M

66

DOSSIER LUXUS

it der Quarzuhr des japanischen Kon-

zerns Seiko kam die Krise, 50 000

schickte Zusammenführung verschiedener Schweizer

Erst als Swatch-Gründer Nicolas Hayek durch ge-

Schweizer verloren ihren Job. Spezi-

Uhrenunternehmen und Zulieferer die Quarzuhr «Ma-

alisiert auf handgemachte, mechani-

de in Switzerland» auf den Markt brachte, ging es wie-

sche Zeitmesser wurden die hiesigen Manufakturen

der bergauf. Doch die fast 15-jährige Talfahrt hinterliess

von dem Erfolg der vollelektronischen Uhren kalt er-

eine riesige Lücke in der Zunft der Uhrmacher, die bis

wischt. Ganggenauer und günstiger wurden sie zum

heute spürbar ist. Und so findet sich in den namhaften

Kassenschlager und liessen die Umsätze von me-

Schweizer Handwerksbetrieben derzeit eine interessan-

chanischen Uhren in den 1970ern dramatisch ein-

te Kombination aus erfahrenen, fast allwissenden Uhr-

brechen. In der Folge schrumpfte die Zahl der Uhr-

machern und heutig geprägten, voller Enthusiasmus

macher auf ein Drittel, Hunderte Betriebe mussten

schaffenden Twens, die sich in ihrem Kern jedoch gar

schliessen und die Ausbildung des Nachwuchses kam

nicht so sehr unterscheiden: Sie alle nehmen sich viel

fast vollends zum Erliegen.

Zeit. Wobei man sich schon fragen darf, ob ­Menschen,44


PUNKTmagazin LEISTUNG

DOSSIER LUXUS

67


4 4 die vier Tage an einem kleinen Teil herumpolieren

seiner Arbeitszeit für die sogenannten Watchmaking

oder staubkorngrosse Schrauben in ebenso kleine

Master Classes zur Verfügung stellen würde. «Ich arbei-

­Gewinde friemeln, selber noch richtig ticken.

te zwar gerne stillschweigend wie viele Kollegen, auf der

Doch wer sich einmal an die Fersen eines Uhr-

anderen Seite macht es mir aber auch Freude, über mei-

machers heftet, ihm zuhört, wenn er von seiner Pa­

ne Arbeit zu reden», gesteht er. «Und so haben wir ge-

ssion spricht, und ihm bei er Arbeit über die Schulter

meinsam beschlossen, dass ich neben der neuen Auf-

schaut, erfährt schnell, dass diese Menschen sich Zeit

gabe als Workshop-Coach weiterhin in der Abteilung

für das Richtige nehmen.

Komplikationen arbeite, den Posten des stellvertretenden Leiters aber an meinen Kollegen abgebe. Schliess-

Ständig neue Komplikationen Die «Zeitreise» be-

lich braucht alles seine Zeit.»

ginnt bei IWC in Schaffhausen. Hier arbeitet seit 13 Jahren der 41-jährige Christian Bresser. Seine Frau ist zwar wie er bei IWC angestellt, kann aber dennoch nicht verstehen, warum er schon wieder für eine neue Uhr der hauseigenen Kollektion spart. «Ist fast so schlimm wie mein Autotick», sagt der in der Abteilung Komplikationen tätige Uhrmacher und lacht. «Aber einen ewigen Kalender, der über die normalen Stunden-, Minuten- und Sekundenanzeige hinaus noch weitere Komplikationen besitzt, ist einfach faszinierend. Zudem bleibt es nicht aus, dass man zu einem Stück, das man in vielen, vielen Stunden Arbeit zusammengefügt hat, eine Beziehung aufbaut. Und

Ein Tempo wie ein Schnellzug Im Rahmen der IWC

manchmal ist sie besonders stark.»

Watchmaking Master Classes versammelt er Freunde der Zeit um sich und erklärt ihnen, wie man sich richtig um eine von Hand gefertigte mechanische Uhr kümmert und wie sie im Detail funktioniert. Während die eigenen Uhren sorgfältig in ihre Einzelteile zerlegt werden, erfahren die Besitzer, was diese nahezu unbemerkt leisten. Etwa die kleine Unruh, die 691 200 Halbschwingungen pro Tag vollbringt und deren Achse sich genauso schnell dreht wie die eines Schnellzugs. Dann gibt es das Sekundenrad, das 1440 Mal pro Tag eine 360-GradDrehung vollbringt.

Das Auseinandernehmen der Uhren hat aber auch

handfeste Gründe. Eine Uhr ist – je nach Beruf oder Lebensweise des Trägers – täglich bis zu 41 000 Erschütterungen ausgesetzt. «Daher ist es wichtig, die verschiedenen Einzelteile alle drei bis fünf Jahre während eines Services auf Abnutzung zu untersuchen und vor allem neu zu ölen», erklärt Christian Bresser.

Wenn er an solchen exklusiven Anlässen über

seine Leidenschaft als Uhrmacher spricht, wird er oft gefragt, warum er gerade diesen Beruf ergriffen habe. Schliesslich hat die eingangs angesprochene Quarzkrise gezeigt, wie schnell eine Produktinnovation eine ganze Branche vernichten kann. Bresser gibt unNicht zuletzt deswegen führt Bresser im Unter-

umwunden zu, dass er wie so viele seiner Kollegen eher

nehmen gewissermassen ein Doppel-, um nicht zu

zufällig zur Uhrmacherei kam. «Als Kind baute ich lei-

sagen ein Tripleleben. Am 1. August 2000 als Uhrma-

denschaftlich gerne Flugzeugbausätze zusammen und

cher für die Feinregulierung gestartet, wechselte er

wollte Kampfjetpilot werden. Während meiner Matur-

später in die Abteilung des Kalibers 5000. Von 2008

zeit wurden meine Augen jedoch zunehmend ungeeig-

bis 2012 war er stellvertretender Leiter der Abtei-

neter.» Wenn man jedoch sieht, wie er auch ohne Lu-

lung Komplikationen. Sein Wissen und seine Hand-

pe die kleinsten Teile zu einem Ganzen zusammenfügt,

werkskunst setzt er zudem regelmässig in der haus-

wird klar, dass der Luftfahrt mit Christian Bresser ein

eigenen Boutique an der Zürcher Bahnhofstrasse ein,

Argusauge verlorengegangen ist. Im Nachhinein ist es

wo er den Kunden Einblicke in die Finessen der Uhr­

für ihn eine glückliche Fügung. «Ich liebe meinen Be-

macherkunst gibt.

ruf, und es begeistert mich jedes Mal aufs Neue, wenn

Vor einigen Monaten kamen die Verantwortli-

ich alleine durch die richtige Komposition von Schrau-

chen von IWC zu Bresser und fragten, ob er einen Teil

ben und Federn etwas zum Leben erwecken kann. Dann

68

DOSSIER LUXUS


vergesse ich vollkommen die Zeit, obwohl ich ja gera-

Uhrenunternehmen tätig war, wechselte in den mecha-

de an ihr arbeite. Aber als Uhrmacher ist es das Wich-

nischen oder technischen Bereich, in dem sehr klei-

tigste, sich Zeit zu nehmen und Geduld zu haben.»

ne Dimensionen und extreme Präzision unabdingbar sind. Wer in die Ausbildung kam, tat dies ebenfalls eher

Unterschiedliche Uhrmacher Die nötige Zeit nimmt

in diesem Segment. Noch heute gehört die Mikro- und

sich auch Thierry Pellaton, Uhrmacher aus Le Locle.

Nanotechnologie – neben der Uhrenindustrie, die wie-

Über kleine Dörfer und sich windende Landstrassen

der ein Drittel der Arbeitsplätze stellt – zu den wichtigs-

erreicht man das Städtchen im Kanton Neuenburg

ten Wirtschaftszweigen im Kanton Neuenburg.

nahe der französischen Grenze. Hier, in der Chemin

des Tourelles 10, nimmt sich Pellaton Zeit. Zeit für ein

ein Glücksfall. Er gehört zu einer Generation, deren

Gespräch, aber vor allem Zeit, um der nachwachsen-

«Stückzahl» stark limitiert und die damit sehr begehrt

den Generation im Rahmen seiner Arbeit als Trai-

ist. «Heute finden sich in den Manufakturen entweder

ning Manager bei Montblanc, das Uhrmacherhand-

alte oder ganz junge Uhrmacher», sagt er. «Daher habe

werk nahe zu bringen.

ich bis heute nie wirklich nach Aufgaben suchen mü­

Thierry Pellaton ist «Horloger» in der 4. Gene-

ssen, sie wurden mir meistens angeboten.» Da er fer-

ration: Sein Urgrossvater Albert entwickelte in seiner

ner auch noch zehn Jahre im Bereich der Restauration

Funktion als technischer Leiter bei IWC den Pellaton-

und Reparatur von Uhren tätig war, beherrscht er auch

Aufzug, sein Grossvater James war Direktor der Uhr-

die Königsdisziplin der Uhrmacherkunst. «Ich unter-

macherschule in Le Locle und auch sein Vater und

scheide drei Typen von Uhrmachern. Der erste ist der

seine Mutter sind vom Fach. «Für mich gab es daher

Mechaniker, der eine solide, aber eben nicht extrem

in Bezug auf meinen zukünftigen Beruf eigentlich

komplizierte Uhr bauen kann und darum eher in der

nie eine Verunsicherung», sagt der 52-Jährige. «Selbst

Fertigung der klassischen Dauerkollektionen einge-

dann nicht, als ich gerade meine Ausbildung begann

setzt wird. Dann gibt es den zweiten Typ, der auch in

und die Quarzkrise der Branche beinahe den Garaus

der Lage ist, ‹Grandes Complications› und Einzelstücke

machte.»

zu realisieren. Und als letzten gibt es den Typen, der zu-

dem in der Lage ist, ein bestehendes Kaliber auseinan-

Denkt er an diese Zeit zurück, erinnert er sich

Für Thierry Pellaton war die Krise rückblickend

noch gut daran, dass es damals nur zwei Schweizer

derzunehmen und zu reparieren.»

in der Schule gab. Der Grossteil der Schüler stammte­

Mitte der 1970er-Jahre aus Frankreich. Wer in dieser

gesprochene Zeit. «Wer in der höchsten Liga mitwirken

Zeit in Le Locle, Villeret, Biel und auch Genf für ein

möchte, darf niemals davon ausgehen, ausgelernt zu44

PUNKTmagazin LEISTUNG

Um das zu erreichen, braucht es die mehrfach an-

DOSSIER LUXUS

69


zieht. «Techniker lassen sich einfacher von der Umsetzbarkeit überzeugen, wenn man es ihnen unter die Nase halten kann», scherzt er. «Aber auch ich bin immer wieder erstaunt, was schon damals alles möglich war.»

2001 wechselte Demetrio Cabiddu als Leiter des

technischen Bereichs zu Minerva. Seit die kleine Manufaktur vom Richemont-Konzern aufgekauft und 2007 der Marke Montblanc zugeordnet wurde, entwickelt er als Ergänzung zum Werk in Le Locle die Sonderkollektionen und Sammlerstücke der Luxusmarke. Ebenso erhalten hier junge Talente eine Plattform, die sie in dieser Form anderswo nicht finden.

Unter der Bezeichnung Timewriter kriegen ange-

hende Uhrmacher, aber auch jeder andere, der eine Idee für eine aussergewöhnliche Uhr hat, bei Montblanc die Möglichkeit, sie als Einzelstück zu bauen. Dafür bekommen sie Zugang zu allem technischen Equipment, auch das notwendige Material wird gestellt. Überzeugt der Prototyp, wird er in stark limitierter Stückzahl umgesetzt. Entstanden ist so unter anderem der «Metamorphosis Timewriter», der manuell von einer Uhr mit Zeigerdatum zu einem Chronografen mit Minutenzähler verwandelt werden kann und in einer Auflage von nur 4 4 haben», sagt Pellaton. «Denn so konstant wie ­eine

28 Exemplaren Sammler zu Jägern werden lässt.

Uhr geht, so konstant entwickelt sich die Branche ­weiter. Stehen bleiben ist daher keine Option.»

Eine Uhr als Ganzes bauen Nicolas Gaillard, der selber noch keinen Timewriter gefertigt hat, weiss um

70

Das Alter spielt keine Rolle Die letzte Station unserer

die grosse Chance, die diese Offenheit mit sich bringt.

«Zeitreise» ist die Manufaktur von Montblanc in Vil-

«Mein Vater ist ebenfalls Uhrmacher und besitzt einen

leret. Hier arbeiten der 24-jährige Uhrmacher Nicolas­

kleinen Laden im Wallis», sagt er. «Aber dennoch war

Gaillard und sein 62-jähriger Lehrmeister Demetrio

es nie mein Traumberuf. Ich habe es vielmehr einfach

Cabiddu. Während der eine ein bisschen an Harry

mal ausprobiert und bin dabei geblieben.» Und wenn er

Potter erinnert, ist der andere ein Patron alter Schu-

«dabei geblieben» sagt, meint er eine für Aussenstehen-

le. Doch während des Gesprächs wird schnell deut-

de beeindruckende Ausbildung. Nach drei Jahren obli-

lich, dass die beiden sich nicht so sehr unterscheiden,

gatorischen Unterrichts an der Uhrmacherschule hat er

wie man bei fast 40 Jahren Altersunterschied erwar-

bei seinem Vater ein Jahr praktische Erfahrung als Re-

ten könnte. Der gebürtige Italiener Cabiddu kam zu-

parateur von Kalibern gesammelt. Danach ging er nach

sammen mit seiner Mutter in die Schweiz, nachdem

Le Locle und schloss zwei weitere Ausbildungsjahre in

sie eine Anstellung in einer Uhrenfabrik im Vallée de

der technischen Restaurierung an. «Um mein Sackgeld

Joux fand. Der französischen Sprache nicht mächtig,

aufzubessern und auch, weil es mir Spass gemacht hat,

entschied der damals 15-Jährige, dass Schule wenig

habe ich mich bei Montblanc vorgestellt und die Chan-

Sinn machen würde und eine Anstellung in einem

ce erhalten, an meinen zwei Nachmittagen hier ein

Beruf zudem einen wichtigen Teil zur Haushaltska­

Praktikum zu machen.» Heute ist er fest angestellt und

sse beitragen würde. Er stellte sich beim Rohwerke-

entwickelt zusammen mit seinen wenigen Kollegen –

hersteller Lémania vor, wo er 14 Jahre blieb.

insgesamt sind nur 37 Mitarbeiter in der kleinen Ma-

Auch er erlebte die Quarzkrise während sei-

nufaktur tätig – neue Komplikationen. Es gibt auch Ta-

ner Ausbildung. «Die Krise war schlimm, ohne Fra-

ge in seinem Leben, an denen Nicolas Gaillard speziell

ge. Sie hat aber auch dafür gesorgt, dass viele Manu-

viel Geduld aufbringen muss. «Wenn ich vier Tage lang

fakturen und Uhrenunternehmen wieder die Qualität

an nur einem kleinen Teil herumpoliere, um es pass­

und nicht die Quantität in den Fokus setzten.» Als er-

genau in das Kaliber einfügen zu können, zweifle ich

gänzenden Vorteil erlebt er zudem den damals über-

doch schon mal, ob es wirklich sinnvoll ist, was ich tue»,

all stattfindenden Ausverkauf. «Während dieser Zeit,

gibt er zu. «Doch wo sonst habe ich die Chance, eine Uhr

man muss es leider so sagen, verramschten die Manu-

als Ganzes zu bauen und damit Erfahrungen in allen

fakturen ihre Maschinen und Werkzeuge. Man spa-

Bereichen der Uhrmacherkunst zu erwerben?»

zierte quasi in die Unternehmen hinein, packte sich

seine ganz persönliche Schatzkiste zusammen und

ne auf jeden Fall Gold wert. Denn der junge Uhrmacher

­bezahlte Schleuderpreise.»

möchte irgendwann das Geschäft seines Vaters überneh-

Für ihn, einen Uhrmacher mit Leidenschaft, ein

men. Und wer weiss, vielleicht reisen wir irgendwann

Schlaraffenland. Noch heute besitzt er unzählige alte

auch zur Haute Horlogerie Manufaktur Gaillard. Zeit

Werke, die er als Inspiration für neue Modelle zu Rate

würden wir uns dafür auf jeden Fall nehmen.

DOSSIER LUXUS

Letztere ist im Hinblick auf seine Zukunftsplä-


Genuss für besondere Momente Text WILMA FASOLA Bild BORIS GASSMANN & FABIAN WIDMER

Die Hersteller von Schweizer Luxusschokolade sind dick im Geschäft, auch international. Kein Wunder, denn ­Premium-Schokolade ist kein ­Nischenmarkt, sondern ein Segment mit ­gro­s­s­em Wachstumspotenzial.

PUNKTmagazin LEISTUNG

Süsse Verführung erhält bei der Schoko-

Cru-Pralinen sind ganz klar nicht für den

lade von Melt of Switzerland eine ganz neue

Massenkonsum gemacht, sondern für den

Bedeutung, denn einmal auf den Geschmack

bewussten Genuss», erklärt Sylvia Rutschke.­

gekommen, werden viele zum Wiederho-

Die in Zürich lebende Rheinländerin ist

lungstäter. Daran ändert auch der Preis von

­Inhaberin der Manufaktur von Melt of

45 Franken pro 200 Gramm nichts. «Grand-

Switzerland und produziert ein kleines,44

DOSSIER LUXUS

71


4 4 aber sehr feines Sortiment an Edel-Pra-

linen. Nach beruflichen Stationen bei Dr. Oetker, Gerolsteiner und Lindt & Sprüngli­ entschied sie 2010, ihren Traum zu verwirklichen. «Ausschlaggebend war das Zusammentreffen mit meiner heutigen Geschäftspartnerin Mirian Rocha. Schon nach unserer ersten Begegnung war uns klar, dass wir die gleiche und vor allem aussichtsreiche Idee haben», erinnert sich die 42-Jährige.­ Und so begann sie zusammen mit der in Brasilien geborenen Pâtissière und Chocolatière, die ersten Rezepturen zu entwickeln, kündigte ihre Festanstellung und gründete an der Seestrasse 328 in Zürich Melt of ­Switzerland.

Ganz bewusst hat sie dabei ihre Pra-

linen als hochwertiges Nischenprodukt platziert. «Wir wollen und wir müssen klein bleiben», sagt sie. «Wie im Weinsegment steht Grand Cru auch bei Pralinen für höchste Qualität». Und dies bedeutet neben einer zeit- und kostenintensiven Produktion vor allem auch, dass die verwendeten Kakaobohnen von derselben Plantage stammen, in der Regel sogar aus demselben Jahrgang. Im Fall von Melt of Switzerland sind dies die brasilianischen Plantagen Sagarana­ und Boa Sentença. Aktuell erwartet Sylvia Rutschke die Ernte von 2013, die laut der regelmässig in ihrer Heimat tätigen Mirian­Rocha «eine Nuance mehr nach Kaffee schmeckt».

Sobald diese Zürich erreicht, werden

sich die beiden Frauen gemeinsam mit dem Team an die Entwicklung der neuen Kreationen machen. Dazu Sylvia Rutschke: «Kakaobohnen sind ein Naturprodukt und jeder Jahrgang hat seine Eigen-, aber vor allem Feinheiten. Wir sehen unsere Aufgabe und Passion darin, diese zu nutzen und durch entsprechende weitere Zutaten hervorzuheben.» So entstehen neben den beiden sortenreinen Grand-Cru-Pralinen

72

­Sagarana und Boa Sentença geschmackvol-

mittelingenieur, der seit 1992 an der Spitze

den, halten auch die Einkäufer von Felch-

le Kombinationen aus Rosmarin und Scho-

von Felchlin steht. «Wir vertrauen im wahrs-

lin direkten Kontakt zu den Plantagen.

kolade, Pralinen mit Caramel und Meersalz

ten Sinne des Wortes alter Tradition und pro-

Langfristige Verträge sichern den Bauern

sowie ein Trio aus weisser Schoggi, Limet-

duzieren immer noch mit den historischen

vor Ort eine Perspektive, ökonomisch wie

tensaft und Basilikum.

Maschinen. Denn auch wenn sie langsamer

ökologisch.

arbeiten und mehr Wissen und handwerkli-

Der Traditionalist Genauso fein und eben-

chen Geschickes der Mitarbeiter bedürfen,

und, wie die Bezeichnung Manufaktur be-

falls klein ist der hiesige Schokoladen-

sind sie unsere Garantie für das Felchlin ei-

sagt, den Menschen in den Mittelpunkt

produzent Felchlin. Gerade einmal zwei

gene Aroma.»

der Arbeit stellen, das war der Wunsch des

Prozent der gesamten Schweizer Jahrespro-

Ähnlich wie für Sylvia Rutschke und

Gründers Max Felchlin. Sein Sohn hat dies

duktion stammen aus der von Geschäfts-

Mirian Rocha ist die Bohne auch für Cho-

auf moderne Art fortgesetzt», sagt Chris-

führer Christian Aschwanden betreuten

colatiers so etwas wie ein kleines Überra-

tian Aschwanden. «Damit die notwendi-

Schwyzer Manufaktur. «Rarität, Qualität

schungsei, sie gibt sich jedes Jahr ein klein

gen elementaren Voraussetzungen dau-

und Exklusivität sind die drei Begriffe, die

wenig anders und bringt somit Ideen für

erhaft bestehen, hat Max Felchlin junior

unsere tägliche Arbeit am besten beschrei-

Neuentwicklungen mit. Um die qualitativ

kurz vor seinem Tod im Jahr 1992 nahezu

ben», erklärt der 56-jährige gelernte Lebens-

hochwertigsten Ausgangsprodukte zu fin-

das gesamte Aktienpaket in die Hände des

DOSSIER LUXUS

«Sich Zeit nehmen für die Details


Vereins zur Förderung der Wirtschaft und

handelt es sich um internationale Betriebe,

des Kulturschaffens im Kanton Schwyz ge-

vornehmlich aus dem Luxussegment. Da ist

legt.» Dieser verfolgt – solange dies wirt-

es möglich, eine eigens für den jeweiligen

schaftlich sinnvoll ist – allein den Zweck,

Kunden entwickelte Rezeptur oder Form zu

Felchlin die Autonomie und den Standort

fertigen. Einer der sicher bekanntesten hei-

Schwyz zu sichern.

mischen Abnehmer ist Mövenpick, die von

Im Gegensatz zu Melt of Switzerland

der Grand-Cru-Manufaktur eine eigene

produziert Felchlin nicht für den Endver-

Sorte zur Herstellung des Glacésortiments

braucher. «Unsere Kunden sind Confise-

­bezieht.

rien, Restaurants und Hotels», erklärt der Geschäftsführer. «Sie erhalten von uns

Der etwas andere Goldhändler Individuel-

das hochwertige Halbfabrikat zur Weiter-

le und genussvolle Luxusprodukte sind auch

verarbeitung und Veredelung ihrer Wa-

das Markenzeichen von DeLafée. In Neuchâ-

ren.» Die Hälfte der Kunden stammt aus

tel fertigen Unternehmensinhaber Sébastien­

der Schweiz. Bei den restlichen 50 Prozent

Jeanneret und sein Team Lebensmittel mit

Alle Zeit der Welt seit 1760

Blattgold. «Nachdem mir in einem New Yorker Sushi-Restaurant zum ersten Mal essbares Gold serviert wurde, war für mich klar, dass das auch in der Schweiz funktionieren würde», erinnert sich der 42-Jährige. «Fakt war aber auch, dass ich eine Alternative zum Sushi finden musste – und was lag da in der Schweiz näher als Schokolade.» Blattgold auf dunkler Schokolade sehe nicht nur gut aus, sondern hat für Jeanneret auch symbolischen Charakter: «Schokolade schenkt man Menschen, die man mag. Diese durch Gold zu veredeln, zeigt, wie wertvoll der andere für einen selbst ist.»

Der Vertrieb der Gold-Pralinen wur-

de durch diverse Medienbeiträge vor allem international schnell zu einem Erfolg. Auch das US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» berichtete über den «Goldhändler aus der Schweiz» und räumte auch mit der Unsicherheit auf, ob man Blattgold überhaupt essen könne. «Ja, Gold ist essbar», sagt Sébastien Jeanneret, «aber nur, wenn es sich um eine reine Form des Edelmetalls handelt, ohne Zusätze und Verunreinigungen. Für Blattgold hat man sich aus Freundlichkeit gegenüber dem eigenen Gebiss entschieden.»

Heute machen die Pralinen etwa zehn

Prozent des Umsatzes von DeLafée aus. Der grösste Teil wird durch den Verkauf weiterer

«Wir führen nur Marken, die Geschichte geschrieben haben. So wie wir auch.»

konsumierbarer Goldprodukte erwirtschaftet. Ebenso wird das reine, aus Deutschland importierte Blattgold an Kunden aus der Gastronomie und Hotellerie weiterverkauft. Diese garnieren damit in der Regel ihre oft

René Beyer

ebenfalls aus Schokolade bestehenden Dess­ ertkreationen. Aber auch im Champagner, als fein glänzende Späne auf Pasta oder als «Nobel-Kruste» auf dem Filet sorgen sie für Als Sébastien Jeanneret in New York Sushi mit Blattgold serviert bekam, hatte er die

einen Wow-Effekt. «Wir haben unser Portfolio konstant erweitert, oft auch auf Kundenwunsch hin», sagt Sébastien Jeanneret. «Den-

Idee für DeLafée. Das Sorti-

noch werden die Goldpralinen immer einen

ment umfasst 19 mit Blattgold

besonderen Stellenwert bei ­DeLafée haben,

veredelte Produkte.

brachten sie doch alles erst ins ­Rollen.»

PUNKTmagazin LEISTUNG

Uhren & Juwelen Bahnhofstrasse 31 8001 Zürich beyer-ch.com


– Wirtschaft –

Die nickerchenRevolution Text FLORIAN SCHAFFNER Bild STUDIO BANANA

Wir schlafen halb soviel wie unsere ­ r-Grosseltern. Darunter­leidet unsere U Leistungs­f ähigkeit. Zwei Jungunternehmer haben sich dazu entschlossen, den chronischen Schlafentzug zu beenden.

da Vinci, der Künstler Salvador DalÍ und Eng-

Die Botschaft kommt langsam an. Die

lands Ex-Premier Winston Churchill dösten

Harvard Business Review diskutiert Power-

tagsüber regelmässig weg.

Napping inzwischen auf ihrem Blog. Airlines haben «Fatigue Management Officers» beauf-

Der grösste Fehler der Evolution?

Dass

tragt, Schlafpläne für die Piloten auszuarbei-

Schlaf für irgendetwas gut ist und Schlafent-

ten. In Tokio können sich erschöpfte Arbeiter-

zug richtig ungemütlich werden kann, haben

ameisen in Nap Salons regenerieren. Google

wir alle im Bauchgefühl. «Wenn Schlaf nicht

stellt seinen Nerds Schlafräume zu Verfügung.

eine absolut vitale Funktion übernimmt, ist

Doch nicht nur Ärzte, Investmentbanker und

es der grösste Fehler, den die Evolution je be-

Berater arbeiten immer noch zu viel und

gangen hat», sagt Schlafforscher Allan Recht-

schlafen zu wenig: Die meisten von uns krie-

schaffen von der University of Chicago. Dass

gen nach wie vor nicht genügend Schlaf.

Schlaf kein Fehler der Natur ist, hat er zusam-

men mit seinem Kollegen Bernard Bergmann

mura beschlossen an jenem Nachmittag in

längst gezeigt. In einem Experiment haben

Madrid, eine «Napping Revolution» zu star-

die beiden Forscher gezeigt, dass Ratten un-

ten. «Wir begannen, uns im Bereich Power-

ter komplettem Schlafentzug nach zwei bis

Napping schlau zu machen, und fanden he-

drei Wochen tot umfallen. Das sind schlech-

raus, dass es die Produktivität um bis zu 34

te Neuigkeiten für einen Planeten unter kol-

Prozent steigert», sagt Portilla-Kawamura. «An

lektivem Schlafentzug. «Wenn wir heute nur

diesem Punkt sagten wir: Das muss offiziell

Ali Ganjavian und Key Portilla-Kawa-

noch halb so lange schlafen wie vor hundert

werden. Wir erfinden ein Produkt für Power-

Key Portilla-Kawamura und Ali Gan-

Jahren, läuft irgendetwas falsch», sagt Portilla-

Napping am Arbeitsplatz und für unterwegs.»

javian hatten viel gearbeitet in den letzten

Kawamura. «Was falsch läuft, ist, dass wir ver-

Angelehnt an den übergestülpten Pullover

Wochen, und die Schläfrigkeit hatte sich in-

suchen, den fehlenden Schlaf mit Kaffee und

entwarfen sie das Ostrich Pillow, einen grauen

zwischen auch tagsüber in den Köpfen ein-

Cola zu kompensieren.» Koffein allein reicht

Kopfschlafsack mit drei Öffnungen. Die Form

genistet. Es war früher Nachmittag in Mad-

jedoch nicht. Ein Hirn unter Schlafentzug ist

erinnert an die alten metallenen Taucherhel-

rid, die beiden Architekten kamen eben vom

wie ein Teenager am Freitagabend: Er schreit

me; der Träger sieht mit dem überdimensio-

Mittagessen zurück in ihr Studio. «Wir dach-

nach Nikotin, Alkohol und Kohlehydraten.

nierten Ding auf dem Kopf aus wie ein Alien.

ten beide, ein kurzes Nickerchen würde uns gut tun», erzählt Portilla-Kawamura. «Und so

Schräg, dafür ausgeschlafen «Das Ostrich

stülpten wir uns einen alten Pullover über

Pillow stiess von Anfang an auf grosses Inte-

den Kopf, legten den Kopf auf die Tischplatte

resse», so Portilla-Kawamura. Wobei «grosses

und dösten ein.» Ein Mitarbeiter knipste ein

Interesse» als die diplomatische Form von

Foto. Als sie das Bild später sahen, war beiden

«die Welt konnte kaum darauf warten» gele-

sofort klar: Wow, da haben wir was.

sen werden muss. Die Crowdfunding-Kampa-

gne auf Kickstarter wurde dreifach überzeich-

Schlafen hatte in den letzten hundert Jah-

ren einen schweren Stand. Vielschläfer würden

net. Die versandten Prototypen landeten vor

wenig leisten, hiess es; gemeint waren Studen-

Das Ostrich Pillow soll nicht nur gestressten

den Kameras der Jimmy Kimmel Show, bei

ten, Arbeits- und Antriebslose oder Katzen. Wer

Berufstätigen zu mehr Schlaf verhelfen, son-

CNN, Fox News und auf französischen Sen-

das Maximum aus dem Leben schöpfen woll-

dern auch Kindern.

dern. Blogs berichteten über das Napping-

te, sollte den Schlaf auf ein Minimum redu-

Tool, später folgten die Zeitungen. Die ersten

zieren. Und so sanken die geschlafenen Stun-

Die Wissenschaft ist sich zwar noch

Käufer luden Fotos mit dem Kopfschlafsack

den von durchschnittlich zehn pro Tag um

nicht einig, weshalb wir schlafen, aber sie

ins Internet, eine Facebook-Gruppe wurde ge-

1900 auf heute noch sieben in Europa, sechs in

ist sich einig, dass zu wenig Schlaf die Leis-

gründet. Hollywoodstars kauften das Ostrich

den USA und fünfeinhalb in Japan. «Schlafen

tungsfähigkeit schmälert. Die Aussage stützt

Pillow gleich zwanzigfach. Selbst hochrangige

ist für Weicheier», soll Margaret Thatcher ge-

sich auf einen ganzen Katalog voller positi-

UNO-Funktionäre haben gegenüber den bei-

sagt haben. Für Thomas Edison war Schlaf «ei-

ver Effekte des Schlafes: Er erhöht die Kon-

den Erfindern zugegeben, sich das Pillow im

ne kriminelle Verschwendung von Zeit». That-

zentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit und

Büro überzuziehen und wegzudösen. Marke-

cher soll mit nur vier Stunden Schlaf pro Nacht

Kreativität. Er verbessert die Entscheidungs-

tingbudget für die gesamte Umsetzung: null

Grossbritannien regiert haben. Thomas Edison

findung und Gesundheit. Er reduziert Stress,

Franken. Erwartete verkaufte Exemplare: 900.

prahlte damit, manchmal 72 Stunden am Stück

Stimmungsschwankungen und Suchtverhal-

Tatsächlich verkaufte Exemplare: 12 000.

durchzuarbeiten.

ten. Ausgeschlafene Menschen bauen weni-

Dank Biographen wissen wir inzwi-

ger Autounfälle und sind eher in der Lage,

es ist eine Geste. Napping ist eine gute Sache,

schen, dass diese Zitate heisse Luft waren.

Probleme zu entdecken und zu vermeiden.

es macht dich glücklicher und gesünder»,

Thatcher und Edison haben beschissen: Edi-

«Wir verstehen Schlaf als eine Art Upgrade

sagt Portilla-Kawamura. Noch zählen die Pro-

son war notorischer Power-Napper, und auch

von Economy- in die Business-Klasse. Aber

fi-Napper in der Öffentlichkeit zu den schrä-

Lady Thatcher pflegte eine Mittagsschlaf-

Schlaf ist kein Luxus», meint der Neurowi­

gen Vögeln, doch das stört Portilla-Kawamura

routine. Es sind nur zwei Namen aus einer

ssenschaftler Russell Foster. «Die Wahrheit

nicht. «Der erste Mensch mit einem Regen-

langen Liste von Koryphäen mit Napping-­

ist, dass Sie ohne Schlaf gar nicht erst fliegen

schirm sah auch ziemlich dämlich aus. Aber

Gewohnheit: Auch Allroundgenie Leonardo

werden. Sie werden nie ankommen.»

er war trocken.»

74

WIRTSCHAFT

«Es ist keine politische Revolution, aber


PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

75


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kolumne

Zu Ihren Diensten!

René Allemann

M

it Leistung verhält es sich wie

motivierte Mitarbeiter, die mit ihrer Art zu

mit Mozzarella: Ohne Zusatz

einem Markenerlebnis beitragen, das un-

hat beides einen relativ undefi-

vergesslich bleibt. Die Verkäuferin, die extra

nierbaren Geschmack. Mozza­

nochmals anruft, um über die Ankunft eines

rella braucht Basilikum, Tomate und Aceto,

bestimmten Produktes zu informieren, ohne­

um im Gaumen etwas Stimmiges auszulösen.

dass sie darum gebeten wurde. Oder die VBZ,

Das Wort Leistung braucht zusätzliche Worte,

die mir meinen im Tram liegengelassen­en

um etwas zu werden, das in unseren Köpfen

Schlüssel im Handumdrehen an die Halte-

Assoziationen auslöst. So klingt Höchstleis-

stelle in meiner Nähe zauberte.

tung nach Spitzensport, Gipfelstürmer, Usain

Bolt. Und Dienstleistung klingt vor allem nach

schlechten Form nicht nur für gute Unter-

vielen guten Geschichten in geselliger Runde.

haltung, sondern birgt, in ihrer besten Form,

Sofort fallen jedem viele schlechte Service-­

auch ein enormes Potenzial an Differenzie-

Erlebnisse ein. Ich zum Beispiel: «Chönd mir

rung. Wer liebt, was er tut, tut es meist sehr

no zahle?» Kellnerin: «Bi mir nöd!» Danach

gut. Viele Unternehmen verstehen das offen-

absurd langes Warten. Oder: «Isch dä Schal us

sichtlich noch nicht. Sie investieren lieber in

Merinowulä?» Verkäufer: «Du kä Ahnig, lueg

Webseiten, einen Prospekt oder in eine Fla-

doch mal ufem Zäddel.» Oder der Kellner im

sche Champagner, die es zum Autokauf da-

Szenelokal mit den Fischknusperlis, nachdem

zugibt. Aber es ist die Interaktion der Mitar-

man auf 20.45 Uhr an den Stadtrand pilgerte,

beiter, die Nachbereitung von Meetings und

weil es am Telefon hiess, dass es dann wieder

Verkäufen und das Weiterleben der Mar-

Platz habe: «Isch natürli scho chli Kamikaze,

kenwerte, die eine Marke stark machen. Was

eifach so zu eus cho ohni Reservation, alles

nützt mir der Dom Pérignon, wenn ich dann,

volle!» Tja, Adieu, liebe Servicekultur.

wenn ich Unterstützung bräuchte, nieman-

Zahlreich sind die kleinen Alltagsge-

den mehr erreiche oder ganz anders bedient

schichten an Kassen, Schaltern und in Res-

werde? Das Markenerlebnis darf nie mit dem

taurants, in Warteschlangen oder am Telefon.

Verkauf eines Produkts oder einer Leistung

Doch es gibt auch schöne, überraschende und

aufhören. Im Grunde beginnt die Beziehung

erfreuliche Erlebnisse im Dienstleistungsbe-

zwischen Käufer und Verkäufer ja erst mit

reich. Und wenn sie denn mal gut sind, sind

dem Kauf. Dann kommt sie auf eine andere

sie meistens so gut, dass sie einem jahrelang

Ebene. Eine Marke soll konsistent sein und

in Erinnerung bleiben. Das wirft nicht nur

zu jeder Zeit an jedem Kontaktpunkt dassel-

die Frage auf, warum sie denn so selten sind,

be Gefühl auslösen.

sondern auch: Was macht eine gute Dienst-

leistung aus? Drei Dinge: 1. Eine objektive Be-

im richtigen Leben: Beziehungen brauchen

ratung. 2. Eine echte Hilfestellung im tägli-

intensive Pflege – erst recht, wenn man sie

chen Überdruss von Angeboten. 3. Intrinsisch­

eingegangen ist.

Das zeigt: Dienstleistung sorgt in ihrer

Und hier ist es mit dem Branding wie

René Allemann ist Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Branders, das sich auf Markenberatung ­spezialisiert hat. Er ist zudem Herausgeber des Online-Magazins thebrander.com.

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

77


78

WIRTSCHAFT


– Wirtschaft –

DECKMEISTER DER NATION Das Leben von Zuchtstieren ist kein Zuckerschlecken. Doch auch wenn bei Fehlschüssen der Schlachter droht, kennen Orgetorix, Fantastic und Hobel keine Versagensängste.

Text FLAVIAN CAJACOB Illustration CSA IMAGES Bild LAUREN BURKE, SWISSGENETICS, FLAVIAN CAJACOB

In Reih und Glied stehen sie da, prä-

Monaten durfte Orgetorix zum ersten Mal

zehn Jahren. Ein äusserst rentables Geschäft:

sentieren sich von ihrer Filetseite und lassen

richtig ran. Jetzt stellt sich im Stall von Fami-

Zählt man die knappe Million Portionen hin-

sämtliche Belästigungen über sich ergehen.

lie Honegger Nachwuchs ein. Auf das Konto

zu, die jährlich im Inland verkauft werden,

Mal betatscht einer ihre Flanke, mal wird ih-

von Orgetorix und dessen Fortpflanzungs-

bringt es Swissgenetics auf einen Jahresum-

nen ans Schienbein oder in den Hintern ge-

trieb gehen aktuell 25 Trächtigkeiten – wie

satz von über 55 Millionen Franken.

treten. Und zwischendurch greift ihnen sogar

Schwangerschaften im Tierreich genannt

einer zwischen die Beine. Nein, zartbesaitete

werden.

«Made in Switzerland» so erfolgreich? «Ent-

Tiere haben es am Zuger Stierenmarkt nicht

Doch was macht das tierische Erbgut

scheidend sind Qualität, Transparenz und na-

leicht, hier geht es rustikal zu und her. Es wird

Gleichgeschlechtliches Vorspiel Das Ejaku-

türlich Zuverlässigkeit», sagt Richard Schmid,

geschnaubt, gesabbert und geboten. Mitten-

lat des helvetischen Stiers ist im Ausland ähn-

Regionalleiter bei Swissgenetics. Er vergleicht

drin im tauringeschwängerten Teilnehmer-

lich gefragt wie Schweizer Schoggi oder Uh-

sein Business mit der Reisebranche. «Dort bu-

feld: Orgetorix vom Hof des Zürcher Ober-

ren. Der hiesige Marktführer Swissgenetics

chen Sie ein Hotel, von dem Sie nicht wissen,

länders Felix Honegger.

exportierte im letzten Jahr rund 500 000 Por-

wie es tatsächlich ist, aber Sie vertrauen der

Eineinhalb Jahre hat der schöne Stier

tionen stierischen Spermas. Das entspricht

Empfehlung des Reisebüros. Genau gleich

auf seinem preisgekrönten Buckel, vor neun

einer Verfünffachung des Absatzes binnen

verhält es sich bei uns: Die Leute wissen,44

PUNKTmagazin LEISTUNG

WIRTSCHAFT

79


4 4 dass wir nur Ware liefern, die einwand-

Ob der Vorstellung vorgegaukelter

nicht alle Kühe gleichzeitig brünstig sind.»

frei ist und Aussicht auf Erfolg verspricht.»

Schäferstündchen würde Orgetorix, der jun-

Und Orgetorix somit genügend Zeit hat, sich

Den pa­ssenden Samenspender für seine Her-

ge Stier aus dem Zürcher Oberland, wohl nur

zwischen den einzelnen Zeugungssessions

de findet der Bauer im Katalog. Dort sind die

die Hörner schütteln. Künstliche Besamung

von seinen Strapazen zu erholen. Dasselbe

potenten Kandidaten mitsamt Bild und allen

kennt er nicht, auf dem Hof seines Meisters

gilt für die ihm zugeteilten Kühe. Schliesslich

wichtigen Eckdaten aufgeführt.

bei Hinwil darf er klassisch zum Natursprung

stammt der Name Orgetorix aus dem Kelti-

Mit seinen hundert Besamungstech-

ansetzen. Das bedeutet zweimal täglich Ernst-

schen und bedeutet soviel wie «König der Tot-

nikern und Vertragstierärzten sorgt Schmid

kampf, falls eine Kuh «stierig», also empfäng-

schläger».

in mehr als 12 000 Ställen zwischen Basel

lich ist, was alle drei Wochen vorkommt.

und Chiasso­dafür, dass es bei den Kühen or-

Angesichts der 30 Kühe, die in einem durch-

Stierenscharf mit viel Hafer Am Zuger Stie-

dentlich «einschlägt». Denn jeder Landwirt

schnittlichen Schweizer Stall stehen, ist von

renmarkt, dem Mekka der hiesigen Züchter-

wünscht sich in erster Linie schöne, gesunde­

den Superstechern einiges an Stehvermögen

szene, nehmen die Experten die Tiere in Au-

Kühe, die viel Milch geben. Und diese wirt-

gefordert. Bauer und Züchter Felix Honegger

genschein. Ihr Urteil ist mitentscheidend für

schaftlichen ­Kühe sollen ebenfalls schönen,

winkt ab und signalisiert Nachsicht: «Als Hal-

die Verkaufspreise. Und die sind in den letz-

gesunden und ertragreichen Nachwuchs

ter schaut man natürlich schon darauf, dass

ten Jahren völlig zusammengebrochen. Der

zur Welt bringen. Mittels DNA-Analyse fin-

Grund dafür ist laut Martin Rust vom Ver-

det Swissgenetics bereits bei jungen Stieren

band Braunvieh Schweiz primär im Zerfall

heraus, ob sie dereinst tolle Töchter zeugen

des Milchpreises zu suchen. Angesichts dess­

werden und so das Rüstzeug zum Superstar –

en wenden sich immer mehr Bauern von der

oder besser: Superstier – haben.

Milchwirtschaft ab, was mit sich bringt, dass

Über 2000 Stiere aus 38 Rassen verrich-

weniger Kühe in den Ställen benötigt werden.

ten bei Swissgenetics ihren Dienst: bereit-

Ergo: Wo weniger Nachwuchs gebraucht wird,

willig und vor allem zuverlässig. Andernfalls

braucht es auch weniger Erzeuger. «Mein ers-

droht ihnen der Gang zum Schlachthof. Der

ter Stier, den ich vor zwanzig Jahren gekauft

absolute­ Star im Stall von Swissgenetics ist

habe, hat mich 9000 Franken gekostet. Heute­

Fantastic. Am Ende seiner Tage wird der Ver-

bekommt man für ein gleichwertiges Tier im

treter der Rasse Brown Swiss dereinst locker

besten Fall noch 4000 Franken», sagt Felix­

10 000 Nachkommen gezeugt haben. Jedoch

Honegger, dessen Paradestier Orgetorix in

nicht im direkten «Nahkampf», sondern in-

seiner Kategorie lauter Bestnoten erhält.

direkt über ein Plastiksäckchen, in dem das

Ejakulat aufgefangen wird, welches anschlie-

gen nicht. «Züchter ist man ja auch aus Liebe­

Verkaufen will ihn sein Besitzer deswe-

ssend gefriergetrocknet in der Empfänger­

Dass die Preise eingebrochen sind, ändert

zu den Tieren. Man hegt und pflegt einen

in landet, also der Kuh. In die richtige Stim-

nichts am grossen Enthusiasmus, mit dem die

Muni­ Tag für Tag, das verbindet natürlich.»

mung gebracht werden Fantastic und seine

Züchter am Zuger Stierenmarkt zu Werke ge-

Damit Orgetorix letztlich zu dem geworden

Kollegen durch Zugucken und Nachmachen in der Sprunghalle. Wobei es häufig Ochsen sind, die fürs Vorspiel als Partner herhalten müssen.

80

WIRTSCHAFT

hen. «Züchter ist man aus Liebe zu den Tieren. Man hegt und pflegt einen Muni Tag für Tag. Das verbindet», sagt Züchter Felix Honegger.

ist, was er heute ist, hat Züchter Honegger nichts dem Zufall überlassen, schon gar nicht bei der Fütterung. Mais beispielsweise macht die Tiere träge und allzu viel frisches Heu fett.


Für einen Stier, der stramm seinen Mann ste-

planen», begründet er seinen Entscheid zu-

hen soll, eine fatale Kombination. Also gibts

gunsten der Besucherlösung.

viel Hafer und auch mal zusätzlich Kraftfutter

in den Trog von Deckmeister Orgetorix.

hörnter Damenwelt die Aufwartung. Das In-

Als Letzter machte Hobel Wirths getermezzo des Alpencasanovas dauerte drei Monate und hatte neun Monate später zehn Geburten zur

«Hätte ich den ‹Köfferlidok-

Folge. Die Trefferquote betrug also

tor› kommen lassen, wäre­

sagenhafte hundert Prozent. «Hätte­ ich den ‹Köfferlidoktor› kommen

mich allein eine einzelne

lassen, wäre mich allein eine einzel-

­Dose auf neunzig Franken zu

ne Dose auf neunzig Franken zu stehen gekommen», erklärt Wirth. «Bei

stehen gekommen.»

zehn Tieren kann das schnell einmal ganz schön ins Geld gehen.» Für ihn ist klar: Die Natur hält bei der Nach

Die natürliche Fortpflanzung ist in

zucht seines Viehs die beste Lösung bereit.

Schweizer Ställen heutzutage die absolute

Ausnahme. Lediglich zehn Prozent der Bau-

neggers Orgetorix in der Blüte seines (Lie-

Mit eineinhalb Jahren steht Felix Ho-

ern lassen den Stier zwecks Kontaktaufnahme­

bes-)Lebens. «Bis zum vierten Lebensjahr

in eindeutiger Absicht zu den Kühen. Einer

sind die Stiere voll im Saft, danach nimmt die

von ihnen ist der Engadiner Bauer und Blog-

Zeugungsfähigkeit langsam aber sicher ab»,

ger Jürg Wirth. Da er keinen eigenen Stier

sagt der Züchter. Und so sind es denn auch

besitzt, mietet er jeweils ganz einfach einen.

eher die kleineren und somit jüngeren Tie-

«Einen Muni verstellen» heisst das im Fach-

re, die am Zuger Stierenmarkt Abnehmer fin-

jargon. «Statt dass ich das Tier übers Jahr

den, und nicht, wie von Laien vermutet, die

durchfüttern und mir überlegen muss, was

mächtigen Bullen. Deren Libido hat ihren Ze-

ich mit ihm anstelle, wenn die Kühe auf der

nit nämlich bereits überschritten. Da helfen

Alp sind, kann ich den Einsatz ganz gezielt

­weder Schnauben noch Scharren. Werbung

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– Wirtschaft –

Frauen auf dem Vormarsch Die Behauptung, es gebe zwischen Mann und Frau keinen Unterschied, ist gewagt – oder schlicht falsch. Das gilt nicht nur für biologische Merkmale, sondern auch die Art, wie sie Unternehmen führen.

Text SIMON JACOBY Bild BORIS GASSMANN

Aufgrund der gesellschaftlichen Strukturen, die den Mann in

­Unternehmen waren es 2011. Ob das mit den bäuerlichen Struktu-

den letzten Jahrhunderten stark bevorzugten, hinken Frauen bezüg-

ren des Kantons zusammenhängt? Denn die meisten Frauen bie-

lich Lohn und Karrierechancen auch heute noch hinterher. Aber sie

ten mit ihrer Einzelfirma Dienstleistungen an. Sehr beliebt sind

holen auf. Bei den Universitätsabschlüssen haben die jungen Frau-

Beauty, Kosmetik, Kleidung, Werbung, Grafik oder Soziales wie Be-

en die Männer bereits überholt. In der Schule unterscheiden sich

treuung und Bildung. Im Unterschied zu den Männern informie-

die Leistungen der Jungen und Mädchen zwar nicht generell, doch

ren sich die Unternehmerinnen offensichtlich besser, bevor sie mit

einige Bildungs- und Entwicklungspäpste sehen die Mädchen auch

der Selbständigkeit loslegen. Während bei Männern 42 Prozent in

hier im Vorteil. Und beklagen sich, dass die heutige Volksschule eher

den ersten fünf Jahren wieder dichtmachen müssen, sind es bei den

auf die Bedürfnisse der Mädchen ausgerichtet sei und die Knaben

Frauen nur 33 Prozent. Sie verursachen aber nicht nur weniger Kon-

vernachlässige. An der Bildung kann es also nicht liegen, dass die

kurse als Männer, sie verfügen auch über den längeren Atem. Im

Arbeitswelt immer noch von Männern dominiert ist.

Durchschnitt verbleiben sie 4,8 Jahre in der Geschäftsleitung. ­Ihre

Damit sich das ändert, haben Frauen eine gewaltige Lobby im

männlichen Kollegen wechseln den Job dagegen schon nach 3,7 Jah-

Rücken. Gewaltig nicht im Sinn von mächtig, sondern in Bezug auf

ren wieder. Nur mit dem Lohn ist es so eine Sache. Frauen verdie-

ihre Anzahl: Eine schiere Menge an Verbänden und Organisationen

nen nicht nur im Anstellungsverhältnis weniger als ihre männli-

bemüht sich darum, dass sich Frauen ihre Situation in der Arbeits-

chen Konkurrenten. Auch Unternehmerinnen, die sich den Lohn ja

welt verbessern können. Der Erfolg stellt sich – wenn auch zögerlich

selber auszahlen können, haben weniger Geld auf dem Konto als ih-

– vermehrt ein. Er zeigt sich unter anderem bei den Unternehmens-

re männlichen Pendants.

gründungen. Noch 2006 gründeten Frauen nur gerade 1505 Firmen

– das entspricht nicht einmal 13 Prozent der 11 715 Gründungen in

weiter, sähe sich Platon knapp 2500 Jahre nach seinem Tod doch

diesem Jahr. Bereits fünf Jahre später waren es über 17 Prozent.

noch bestätigt. Er war überzeugt davon, dass es keine Beschäftigung

eigens für die Frau gibt, nur weil sie Frau ist. Auch gibt es keine­

Am rarsten sind von Frauen gegründete Unternehmen im

kleinen Halbkanton Appenzell Ausserrhoden. Nur gerade 14

PUNKTmagazin LEISTUNG

Geht der Trend der vermehrt unternehmerisch tätigen Frauen­

­Beschäftigung nur für den Mann, weil er Mann ist.

WIRTSCHAFT

83


– NeuerDings –

DIREKT VOM POLARKREIS Stilvoll beim Après Ski in den Bergen oder beim Flanieren in der Stadt. Die Lodenjacke mit nordischen Pelzeinsätzen wird von Hand gefertigt vom Design­label Duohtavuohta, der einzigen Modemarke aus Lappland mit internationaler Bekanntheit. CHF 2300.– | duohtavuohta.com

WELTPREMIERE

Was vor vier Jahren auf der Automo-

bilmesse in Frankfurt als Concept Car vorgestellt wurde, ist nun ein schickes Serien­ fahrzug geworden. Der BMW i8 kombiniert

EXTRAKLASSE Fabergé

die Performance eines Sportwagens mit dem

bietet Schmuckstücke

Verbrauch eines Kleinwagens. Der Sportwa-

der Extraklasse. Diese­

gen ist ein Plug-In-Hybrid, der die Vorteile

Cufflinks bestehen aus

von Elektromobilität und Motorentechno-

18-Karat-Rosegold und

logie in sich vereint. Das Auto wird angetrie-

sind mit runden cham-

ben von einem kompakten Drei-Zylinder-

pagnerfarbenen Dia-

Turbomotor mit einer Leistung von 170 kW

manten ausgestattet.

(231 PS), der auf die Hinterachse wirkt, und

CHF 11 657.–

einem 96-kW-Elektromotor (131 PS) auf der

faberge.com

Vorderachse. Der i8 kann rein elektrisch betrieben werden. Die Reichweite beträgt etwa 35 Kilometer, die Höchstgeschwindigkeit ist auf 120 Kilometer pro Stunde begrenzt. Bei höherem Tempo oder bei niedrigem Akkuladestand springt automatisch der Verbrennungsmotor an. Ab CHF 155 000.– | bmw.ch

FÜR DEN SCHREIBTISCH Das exklusive Schreibtischaccessoires-Set beinhaltet Brieföffner, Zettelbox, Stifteköcher, Ablageschale, Schreibunterlage und sechs Guilloche-Bleistifte. Gefertigt wird es aus feinstem italienischen Kalbsleder. CHF 1290.– | graf-von-faber-castell.com

84

NEUERDINGS


– Verlosung –

TRANSPARENZ AM HANDGELENK Das Geheimnis der Zeit findet einen ungewöhnlichen Verbündeten: die Transparenz. Bei diesem Modell wird das Tourbillon mit Century-Saphir kombiniert. Eine ästhetisch wie auch technisch gelungene Verbindung. CHF 82 500.– | century.com

LASS BAUMELN Das 5-Sterne-Superior-Hotel Tannenhof befindet sich auf der Sonnenseite von St. Anton am Arlberg und bietet alle Voraussetzungen für perfekte Erholung.

Das Hotel Tannenhof ist das erste Fünf-Sterne-Hotel in St. An-

ton, das mit dem Zusatz «Superior» ausgezeichnet wurde. Mit nur sieben luxuriös ausgestatteten und grosszügig gestalteten Suiten erfüllt das Haus alle Ansprüche an Privatsphäre und Komfort. Für die Ausstattung der Suiten wurden hauptsächlich heimische Materialien verwendet. Auch saniertes Altholz aus dem Bestand des ursprünglichen Tannenhofes findet sich im Neubau wieder und untermauert die gelungene Kombination aus dem Erhalt traditioneller Werte und modernem Komfort. Unter dem Motto «Tiroler Naturküche» präsentiert das Restaurant täglich à la carte variierende Gerichte und Menüs mit frischen, grossteils biologisch zertifizierten Produkten kleiner Familienbetriebe aus der Region – zelebriert von Küchenchef ­Markus Kurz und seinem Team sowie dem Michelin-Sternekoch Eduard Hitzberger. Der Spa-Bereich ist grosszügig gestaltet und umfasst einen 15 Meter langen Swimmingpool mit Gegenstromanlage und Massagedüsen, Whirlpool, Aroma-Dampfbad, rustikale InnenPURER (SITZ-)GENUSS

und Aussensauna, Fitness- sowie Massage- und ­Kosmetikräume.

Wer einmal im Schoss von Emma gesessen

CHF 2300.– | hoteltannenhof.net

hat, will nicht mehr von dort weg. Emma ver-

WETTBEWERB PUNKTmagazin verlost mit dem Hotel Tannenhof zur Sai-

führt mit gepflegten

soneröffnung eine Übernachtung für zwei Personen in einer Suite inklusi-

Kurven, perfekter hand-

ve 6-Gänge-Menu und Skipass im Wert von rund 2300 Franken*. Eine Email

werklicher Verarbei-

an wettbewerb@punktmagazin.ch mit dem Stichwort «Tannenhof» ge-

tung und kompakten

nügt. Einsendeschluss ist der 24. November 2013, der Rechtsweg ist ausge-

Dimensionen.

schlossen.

*Eigene Anreise und nur am 5.12.2013 einlösbar

CHF 2150.– | garsnas.se

PUNKTmagazin LEISTUNG

NEUERDINGS

85


– Verlosung –

PC UND TABLET Das neue Vaio Tap 11 ist ­ultraschlank und besonders leicht. TouchDisplays, drahtlose Tastatur und hochauflösende 8-MegapixelKamera sind nur einige der Funktionen. Ab CHF 999.– | sony.ch

POLARJACKEN Elvines Produkte haben ­absolut beste Qualität. Die Winterjacken des schwedischen Modelabels sind für den Nordpol gemacht – wasserdicht und warm. Ab CHF 284.– elvine.se

DIGITALES PERSONAL-SHOPPING Outfittery.ch bietet jedermann eine ganz persönliche ShoppingExpertin, die beim Kleiderkauf mit professioneller Hilfe, Rat und Tat zur Seite steht. Stil-Beratung und Style-Expertise inklusive.

Viele Männer gehen mangels Zeit oder Lust ungern shoppen.

Hier setzt das Berliner Start-up Outfittery an. Der Kunde hinterlässt auf outfittery.ch sein Modeprofil und seine Wünsche. Anschliessend kontaktiert ihn die persönliche Style-Beraterin, die er zuvor aus 20 Expertinnen auswählen kann. Sie stellt ihm typen­gerecht zwei bis drei Outfits zusammen und schickt sie ihm nach Hause. Was gefällt, wird behalten, der Rest geht kostenfrei zurück. Die normalerweise kostenpflichtige Stilberatung, die man in Europa mit bekannten Hollywood-Stars verbindet, ist bei Outfittery gratis. Die Style-Expertin orientiert sich am persönlichen Bedarf und schickt dem Kunden von Zeit zu Zeit auf seinen Typ abgestimmte Style-Vorschläge, die sie aus den 150 Premium-Marken wie Tommy Hilfiger, Levis oder auch Scotch & Soda zusammenstellt. Outfittery positioniert sich im Premiumsegment und adressiert eine anspruchsvolle­ männliche Kundschaft. Auf erstklassigen Service und hochwertige Ware wird grosser Wert gelegt. CHF 500.– | outfittery.ch WETTBEWERB PUNKTmagazin verlost gemeinsam mit outfittery.ch einen Gutschein im Wert von 500 Franken für die erste Stilberatung und die entsprechenden Kleider. Eine Email an wettbewerb@punktmagazin.ch mit dem Stichwort «Outfittery» genügt. Einsendeschluss ist der 24. November 2013. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

86

NEUERDINGS


– NeuerDings –

SCHARFSINNIGKEIT Das etwas andere Kosmetik­ label aus Down Under präsentiert für die kommende Saison 2013-2014 personalisierte Geschenk-Kits. Die diesjährigen Kits, sechs an der Zahl, sind dem italienischen Futurismus gewidmet. Ab CHF 70.– | aesop.com

CINEASTEN AUFGEPASST!

Samsung bringt die von Smartphone­

FIGUGEGL Das Käse-

und Tablet Displays bereits bekannte OLED-

Fondue-Geschirr der an-

Technologie erstmals auf den grossen Bild-

deren Art. Das gussei-

schirm. Cineasten überzeugt der Innova-

serne Caquelon verteilt

tionsträger durch satte, lebendige Farben,

die Hitze optimal und

natürliche Schwarzwerte und hohe Kont-

ist auch für Induktions-

raste. Die Reaktionszeiten der OLED-Ge-

herde geeignet.

räte übertreffen bekannte Bildtechnologi-

CHF 229.–

en um ein Vielfaches, dynamische Szenen

stadlerform.ch

werden wesentlich klarer und realitätsnaher dargestellt. Scheinbar schwebend eingefasst ist der neue Curved OLED TV in einen geschwungenen Rahmen. Die konkave Bildschirmwölbung sorgt für ein intensives TV-Erlebnis. Dem Oval des menschlichen Gesichtsfeldes nachempfunden, wird der Zuschauer förmlich vom Curved UHD TV umgeben. Integrierte Lautsprecher und eine intelligente Kabelführung sorgen für eine homogene Erscheinung. Eine weitere Innovation ist die Samsung Multi-View-Technologie, die mit einem Fernseher doppelten TV-Spass bietet: Dank aktiver Shutter-Brillen können sogar zwei Programme gleichzeitig auf einem Bildschirm laufen. Ab CHF 4699.– | samsung.ch

MINIMALISTISCH Der Libratone Lounge AirPlay Speaker ist einfach in der Handhabung – wähle die gewünschte Musik auf deinem iPod, iPhone, iPad oder Mac aus, drücke die Wiedergabetaste und los geht es. Ab CHF 499.– | libratone.com

PUNKTmagazin LEISTUNG

NEUERDINGS

87


– NeuerDings –

MÄNNERSACHE Schon seit dem Mittelalter

TU GUTES Mit Bo-

versucht Frauenmode, unliebsame Problem-

gobrush hat man

zonen zu kaschieren. Dieser Zweck hat nun

nicht nur eine stil-

auch in der Männermode Einzug gehalten.

volle Zahnbürste,

Die deutsche Marke Strammer Max hat die

sondern man tut

passenden T-Shirts dazu.

Gutes. Die Bambus-

CHF 100.- | strammermax.com

bürste ist kompostierbar, beim Kauf wird automatisch eine­Zahnbürste­ für einen in Armut lebenden Menschen finanziert. CHF 10.– bogobrush.com

REIS IN DER BOX

Wer an Indien denkt, sollte nicht nur

an Fahrräder, Rikschas und heilige Kühe denken, sondern auch daran, dass Kochen in Indien eine tragende Rolle spielt. Wie in vielen asiatischen Ländern ist Curry auch in Indien äusserst beliebt. Damit jeder in seiner Küche einen geschmeidigen Start in die indische Currywelt hinlegen kann, hat Reishunger in der «Indisch Curry Box» alle­ Originalzutaten für ein echtes indisches Korma-Curry zusammengetragen. EUR 11.95 | reishunger.de

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BETONKLOTZ Tetriplugs ist für Architekten, für Mathematiker, für Minimalisten, für Gameboys, für Pharaonen und für all jene, die schon einmal von fallenden Tetrissteinen geträumt haben. Ab CHF 309.– | onktokatuh.net

HÄNDE HOCH! Der ­Leap Motion Controller zeichnet Bewegungen mit einem Sensor­ auf. Winke mit der Hand, greif etwas, hebe es hoch und stelle es wieder hin. CHF 129.– | digitec.ch

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NEUERDINGS


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Ausgabe N°45

Ausgabe N°44

Ausgabe N°43

Ausgabe N°42

Ausgabe N°41

Tempo meint nicht einfach eine

Grenzen zeigen auf, wo es nicht

Die Wirtschaft ist verzweifelt auf

Stadt und Land stehen vor Heraus-

Irgendwo zwischen Erblasten und

­hohe Geschwindigkeit, sondern die

mehr weitergeht. Es sei denn, man

der ­Suche nach neuen Werten.

forderungen, die nur mit gegensei-

Erben blieb die Generationensoli-

den Umständen angepasste.

überschreitet sie einfach.

Nur: Welche sollen es denn sein?

tige Unterstützung lösbar sind.

darität auf der Strecke.

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VORSCHAU

IMPRESSUM

Magazin # 06 | 2013

– VERLAG –

Ausgabe «Spielen»

financialmedia AG, Pfingstweidstrasse 6, CH-8005 Zürich,

ab 5. Dezember 2013

info@financialmedia.ch, financialmedia.ch Verleger Rino Borini, Patrick M. Widmer Auflage 12 500 Exemplare, 40 000 Leser/Ausgabe (LpA) ISSN-Nr. 1661-8068 Erscheinung 2013 N˚01 28. Februar, N˚02 25. April, N˚03 13. Juni, N˚04 04. September, N˚05 23. Oktober, N˚06 04. Dezember

Spielen ist das älteste Kulturphänomen der Welt. Älter als Sprache, Schrift, Kunst und der Homo sapiens selbst – schliesslich spielen auch Tiere. Die Ludologie dagegen, die Lehre vom Spiel, ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft. Noch jünger ist das Phänomen ­Gami­fi­ca­tion, das sämtliche Elemente des Lebens in spielerische

Haftungsausschluss Die Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Die im Magazin veröffentlichten Angaben dienen der Information und sind keine Aufforderung zum Kauf und/oder Verkauf von (Anlage-)Produkten.

Form verpacken will. Doch bei einem Spiel gibt es immer Verlierer.

– REDAKTION – Chefredaktion Rino Borini; borini@punktmagazin.ch Redaktionsleitung David Fehr; fehr@punktmagazin.ch Redaktoren Mark Baer (MB), Rino Borini (RB), Philip Bürkler (PB), Wilma ­Fasola (WF), David­Fehr (DF), Dmitrij Gawrisch (DG), Bastian Henrichs (BH), ­Simon Jacoby (SJ), Barbara Kalhammer (BK), Martin ­Minder (MM), Florian Schaffner (FS), Claudia ­Thöny (CT), Stine Wetzel (SW), Doris Wirth (DW) Kontakt PUNKTmagazin, c/o financialmedia AG, Pfingstweidstrasse 6, CH-8005 Zürich, redaktion@punktmagazin.ch, punktmagazin.ch

Gespielt und verloren

– KREATION & GESTALTUNG – Art Direction, Konzeption, Bildredaktion Boris Gassmann; gassmann@punktmagazin.ch

Seit Jahrzehnten befassen sich Spieltheoretiker mit optimalen Reaktionen in

Layout, Grafik, Postproduktion

­Spielsituationen. Im richtigen Leben machen wir vieles intuitiv richtig; ­

Boris Gassmann; gassmann@punktmagazin.ch,

es ging aber auch schon richtig schief. Auch in der Schweiz.

Fabian Widmer; fwidmer@punktmagazin.ch

Brett und spiele

Fotografie Christine Bärlocher; chbaerlocher.ch, Kathrin Harms; kathrinharms.de, Patrizia Human; patrizia­human.ch Druck pmc, print media corporation, CH-8618 Oetwil am See, pmcoetwil.ch

Die Autoren bekannter Bücher sind meist ebenso bekannt wie ihre ­Werke. ­ Für Spieleentwickler gilt das nicht, sie fristen ihr Dasein abseits der Öffentlichkeit. Einblicke in einen Markt mit vielen Eigenheiten.

(S)Expansion

– VERKAUF – Anzeigenleitung Monika Schneider schneider@punktmagazin.ch, Telefon: +41 (0)44 277 75 30 Marketingleitung Patrick M. Widmer widmer@punktmagazin.ch, Telefon: +41 (0)44 277 75 30

Sextoys haben sich definitiv aus der Schmuddelecke verabschiedet. Heute werden an bester Lage hohe Umsätze erzielt. Ebenso im Internet.

Und vieles mehr ... 90

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