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2.4 Schroth Best Practice® goes global

Geschichte

Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Übungen in horizontaler Ausgangsstellung mit möglichst vielen Korrekturhilfsmitteln eingeführt (Abbildungen 41 und 42). Allerdings hatten die Patienten einige dieser Hilfsmittel zu Hause eher nicht zur Verfügung. Zudem können die genannten reflektorischen Vorkorrekturen in horizontalen Ausgangspositionen nicht ausgelöst werden, weshalb die angestrebten Haltungskorrekturen in horizontaler Ausgangsposition nicht so effektiv sein können, wie in vertikaler. Ende der 80er-Jahre führten Dr. Weiss und seine Frau, die Physiotherapeutin Grita Weiss, einen professionellen Ausbildungskurs für Schroth-Therapeuten ein. Der spanische Arzt Dr. Manuel Rigo wurde in der Katharina Schroth-Klinik ausgebildet. Er lernte dort die Grundlagen der Schroth-Behandlung und führte die Behandlung im Institut seiner Schwiegermutter, im Elena Salva Institut in Barcelona, fort. Im Laufe der Zeit wurde die Behandlungsmethode immer mehr verkompliziert. Man versuchte, möglichst alle noch so kleinen Abweichungen zu korrigieren und verlor dabei den Blick für die Korrektur der Hauptkrümmungen aus den Augen. Die Gruppen von manchmal 15 bis 16 Patienten waren zu groß für einen einzelnen Therapeuten, um signifikante Erfolge zu erzielen. Die Übungen in der Katharina Schroth-Klinik verloren an Effektivität. Patienten mit einem Krümmungswinkel von weniger als 40° und typischen Flachrücken-Deformitäten wurden zwar behandelt, aber man konnte noch keine systematische Korrektur des sagittalen Profils vorweisen. Die einzige Korrektur des thorakalen Flachrückens erfolgte durch die Anwendung der Dreh-Winkel-Atmung, wobei die Ausgangsposition der Übungen mit erhobenen Armen den Flachrücken wiederum verstärkte (Abbildungen 40 und 41). Das originale Schroth-Programm war ursprünglich für thorakale Krümmungen von mehr als 80° entwickelt worden, bei denen die Rumpfrotation und der Rippenbuckel ein kyphotisches Bild des Rumpfes vortäuschen.

Im Jahr 2001 bat der Co-Autor Dr. Marc Moramarco Dr. Weiss bezüglich der Skoliosebehandlung seiner Tochter um Rat. Anfang 2002 besuchte die amerikanische Familie Dr. Weiss in Deutschland, als dieser der medizinische Direktor der Katharina Schroth-Klinik war. Dies war der Grundstein für eine andauernde Freundschaft der beiden Autoren. Dr. Moramarco begann daraufhin, die originale Schroth-Technik zu erlernen, besuchte 2004 einen Kurs von Dr. Rigo und begann eine informelle Ausbildung bei Christa Lehnert-Schroth. Im Jahr 2006 veröffentlichte Dr. Weiss seine Studien zur Korrektur des sagittalen Profils und führte eine systematische und skoliosespezifische Schulung der LESEPROBE

Alltagsaktivitäten in das Behandlungsprogramm der Katharina Schroth-Klinik ein (Weiss et al. 2006; Weiss und Klein 2006). Diese neuen Behandlungsansätze wurden 2006 auch im Buch „Best Practice in Conservative Scoliosis Care“ beschrieben und auf der Jahreskonferenz der SOSORT 2006 in Poznan erstmals vorgestellt. 2007 stellte Dr. Weiss das neue Konzept auch auf der Geschichte SOSORT-Konferenz in Boston vor. Dort lud er Dr. Moramarco zum ersten internationalen Schroth-Kurs nach Deutschland ein. Dr. Moramarco wurde der erste in der Asklepios Katharina Schroth-Klinik ausgebildete US-Therapeut. Zurück in den USA etablierte er in Woburn bei Boston das erste ambulante Schroth-Institut mit einem Behandlungsprogramm von weniger als einer Woche unter Einschluss der neuesten Behandlungsansätze (Weiss et al. 2006; Weiss und Klein 2006). Erst Anfang der 2000er wurde die Schroth-Methode außerhalb Europas weitläufig bekannt. Zunächst in den USA, später auch in der Ukraine, in Russland, China, Südkorea und einigen anderen Ländern. Allerdings haben sich zwischenzeitlich mehrere Schroth-Schulen herausgebildet, wodurch das Behandlungsprogramm weltweit in recht unterschiedlicher Weise dargeboten und vermarktet wird. Das Fehlen eines einheitlichen Qualitätsmanagementsystems hat zu einer Verwässerung der heute gelehrten Methoden und damit zu mitunter mangelhaften Behandlungsergebnissen geführt. Aus diesen Gründen wurde 2010 die Schroth Best Practice Academy gegründet, um einen einheitlichen Qualitätsstandard und eine konstante Weiterentwicklung des Schroth-Konzepts unter Einbeziehung der neuesten Evidenz basierten Entwicklungsschritte zu gewährleisten. Das Schroth Best Practice-Programm® (SBP) wird heutzutage auf der ganzen Welt angewendet. Gemeinsam mit einer wachsenden Zahl internationaler Instruktoren der Schroth Best Practice Academy bildet Dr. Weiss national und international Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Chirotherapeuten, Osteopathen und Ärzte im Schroth Best Practice-Programm® aus. Außerdem hat er die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung des neuesten Schrothkompatiblen Korsetts im Fokus. Das Gensingen Brace nach Dr. Weiss® (GBW) wird heutzutage ebenfalls weltweit angewendet. Der Fokus dieses Buches liegt auf der Darstellung des Schroth Best Practice-Programms®, welches bereits bezüglich seiner Wirkungsweise umfassend untersucht ist (Weiss und Seibel 2010; Weiss und Moramarco 2013; Borysov und Borysov 2012; Pugacheva 2012; Lee 2014; Kuru et al. 2016). Tugba Kuru, eine Schroth-Therapeutin aus Istanbul, besuchte 2009 den ersten Schroth Best Practice Kurs, welcher im Rahmen des 5. Weltkongresses der International 57 Society of Physical and Rehabilitation Medicine (ISPRM) abgehalten wurde. Sie untersuchte in den folgenden Jahren das Programm umfassend und veröffentlichte 2016 die einzige randomisierte kontrollierte Untersuchung mit einer unbehandelten Kontrollgruppe zur Schroth-Behandlung (Kuru et al. 2016). Ferner untersuchte sie auch das physio-logic®-Programm, den Teil des Schroth Best Practice-Programms®, der zur sagittalen Korrektur der Skoliose herangezogen wird. Sie konnte bestätigen, dass das physio-logic®-Programm alleine angewendet bereits zu einer Verringerung der LESEPROBE

Geschichte Entwicklung der dreidimensionalen Skoliosebehandlung nach Schroth

Schroth Best Practice Academy

Dr. Hans-Rudolf Weiß

Sohn von Christa Lehnert-Schroth und Enkel von Katharina Schroth *1958 Aktuell

Dr. Budi S. Widjaja

Nan Xiaofeng

Maksym Borysov

Dr. Moramarco

Axel Hennes Dr. Rigo

Dr. Chêneau Elena Salva

Christa Lehnert-Schroth & Dr. Hans-Rudolf Weiß

Christa Lehnert-Schroth

Tochter von Katharina Schroth *1924

Katharina Schroth & Christa Weiß/Lehnert-Schroth

Intermediär

Katharina Schroth

*1894 Original

Abbildung 43: Die Entwicklung der dreidimensionalen Skoliosebehandlung nach Schroth als Synopse nach einem Poster der Schroth-Ausstellung, zu sehen in der Rehabilitationsklinik Miriquidi, Thermalbad Wiesenbad. LESEPROBE

Rumpfasymmetrie führt (Colak-Kuru et al. 2015). Somit besteht für das Schroth Best Practice-Programm® ein hohes Evidenzniveau. Das Schroth Best Practice-Programm® kann für kleine, mittlere und stärkere Krümmungen eingesetzt werden. Sobald jedoch der thorakale Krümmungswinkel 70° übersteigt, sollte das originale Schroth-Programm (Lehnert-Schroth 1973) angewendet werden, um den Patienten den größtmöglichen Vorteil zu gewähren. Für solch große Thorakalkrümmungen wurde das Original-Programm von Katharina Schroth schließlich entwickelt.

Die Entwicklung der dreidimensionalen Skoliosebehandlung nach Schroth hat sich seit der Entstehung vor 100 Jahren in drei Schritten vollzogen. 1. Das ursprünglich von Katharina Schroth entwickelte Programm – das Original – war im Prinzip ein auf ein einziges Krümmungsmuster ausgerichtetes Programm für thorakale Hauptkrümmungen mit individuellen Modifikationen. Die sagittalen

Korrekturprinzipien waren lumbal delordosierend und thorakal antikyphotisch.

Schließlich kann man nur auf diese Weise den ausladenden Rippenbuckel bei solch großen Thorakalskoliosen korrigieren. 2. Die Weiterentwicklung von Christa Lehnert-Schroth trug dem Umstand Rechnung, dass das Originalprogramm Katharina Schroths auf Lumbalkrümmungen nicht anwendbar war. Sie entwickelte daher eine eigene Übungsserie für Patienten mit

Lumbal- und Thorakolumbalkrümmungen und eine kleine, aber sinnvolle Klassifikation (funktionell dreibogig/funktionell vierbogig). Retrospektiv wird heute dieses auf zwei unterschiedliche Krümmungsmuster ausgerichtete Programm das intermediäre Schroth-Programm genannt, welches heute weitgehend unverändert in der Bad Sobernheimer Schule und der Schule in Barcelona weitergeführt wird.

Lediglich die Terminologie hat sich mitunter verändert. 3. Das Schroth Best Practice-Programm®, kurz SBP genannt, ist gekennzeichnet durch ein System an Behandlungsmodulen, welche in einer logischen Abfolge sämtliche heute bekannten Aspekte der spezifischen Skoliosebehandlung berücksichtigen. Diese sind in diesem Buch näher beschrieben.

Geschichte

Historische Videos von Christa Lehnert-Schroth

Der erste Schroth-Film Die Skoliosebehandlung Die Beeinflussung des lumbosakralen WS-Bogens 59 Übungen nach SchrothLESEPROBE

„Kinder und Jugendliche wachsen in manchen Wachstumsphasen schneller als in anderen.“ LESEPROBE

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