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3.1 Die Schroth-Methode und das Schroth Best Practice-Programm®

Die aktuelle Literatur zur Physiotherapie bei Skoliose – eine kritische Einschätzung

In einer weiteren randomisierten Untersuchung von 2015 zeigten die Autoren, dass Schroth-Übungen allgemeinen Übungen klar überlegen sind (Schreiber et al. 2015). 2016 veröffentlichte eine Schülerin des Erstautors ihre randomisierte Untersuchung (Kuru et al. 2016). In dieser Untersuchung wurde das Schroth Best Practice-Programm® mit einer unbehandelten Kontrollgruppe verglichen. Es ist bislang die erste und einzige Untersuchung zur Übungsbehandlung bei Skoliose mit einer unbehandelten Kontrollgruppe. Ferner hat die Arbeitsgruppe um Kuru auch das physio-logic®-Programm, einen Teil des Schroth Best Practice-Programms®, genauer untersucht (Colak-Kuru et al. 2015). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass schon allein die sagittale Korrektur der skoliotischen Fehlstellung zu einer Verringerung der Seitausbiegung führt. Somit ist das Schroth Best Practice-Programm® auf Stufe-I-Evidenz basiert.

3.1 DIE SCHROTH-METHODE UND DAS SCHROTH BEST PRACTICE-PROGRAMM®

Die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth hat das Leben vieler von einer Skoliose betroffenen Menschen positiv beeinflusst und ihnen die Möglichkeit gegeben, selbst wesentlichen Einfluss auf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu nehmen. Die Behandlungsmethode wurde über viele Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt, wissenschaftlich untersucht und hat letztendlich zu dem aktuellen Behandlungsstandard geführt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind mittlerweile recht vielfältig und belegen einen positiven Einfluss der Methode auf den Krümmungswinkel (Weiss, Weiss und Petermann 2003; Otman 2005; Lehnert-Schroth 2007; Abbildung 46), auf die Körperhaltung (Lehnert-Schroth 2007), auf das muskuläre Ungleichgewicht (Weiss 1993a), auf bestehende Schmerzbeschwerden (Weiss 1993b) sowie auf Vitalkapazität und Rippenmobilität (Weiss 1991). Ein saudi-arabisches medizinisches Journal veröffentlichte eine unabhängige türkische Studie, wonach belegt wurde, dass die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth einen positiven Einfluss auf viele klinische Zeichen und Symptome der Skoliose hat. Aus dieser Studie ließ sich schlussfolgern, dass die Atemtechnik und die Korrekturübungen nach Schroth den Cobb-Winkel, die Vitalkapazität, die Muskelkraft und die Haltungsschwäche bei adoleszenten Skoliosepatienten positiv beeinflussen (Otman et al. 2005). Zusätzlich untermauert werden diese Aussagen nun durch eine prospektive kontrollierte Untersuchung, innerhalb derer die Ergebnisse der von Schroth behandelten Patienten mit den Ergebnissen einer unbehandelten Kontrollgruppe im Wachstumsalter verglichen wurden. Dabei wurde ersichtlich, dass ein Teil der behandelten LESEPROBE

Abbildung 46: Dieser vierzehnjährige Patient hat nie ein Korsett getragen und im Juli 2008 am ersten Schroth Best-Practice-Kurs in den USA teilgenommen. Cobb-Winkel zu Beginn: (Links) 6/2008 bei 26° links thorakal (T5-T10) und rechts thorakolumbal bei 41° (T10-L3). Röntgenbilder Mitte links (ML), Mitte rechts (MR) und rechts (R) wurden 01/2009 aufgenommen. (ML) 22°/37°, (MR) unter Autoelongation bei 21°/30°, und (R) mit Autoelongation und „Sideshift“ 18°/22°. 7/2008 ATR°: 7° thorakal/13° thorakolumbal. Fünf Jahre später, 2/2014 ATR (Angle of Trunk Rotation, gemessen mit dem Scoliometer™) 4° thorakal/9° thorakolumbal. (Röntgenbild mit Erlaubnis von Dr. Marc Moramarco, Scoliosis 3DC™, Woburn, MA).

Patienten eine Stabilisierung ihres Zustandes verbuchen konnte. Des Weiteren fand man heraus, dass im Vergleich zur unbehandelten Patientengruppe bei den stationär behandelten Patienten keine kurzfristigen Krümmungszunahmen zu verzeichnen waren (Weiss, Weiss und Petermann 2003). Das Ergebnis der Weiterentwicklung der dreidimensionalen Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth war im letzten Jahrzehnt schließlich das Schroth Best Practice-Programm®. Dieses fokussiert sich auf die Korrektur der Alltagsaktivitäten (Weiss und Klein 2006). Voraussetzung für eine selbstständige Korrektur der Alltagsaktivitäten ist ein korrigiertes Haltungsgefühl und eine Mobilisierung der WirDie aktuelle Literatur zur Physiotherapie bei Skoliose – eine kritische Einschätzung belsäule in Richtung Korrektur. Daher sind zunächst hoch korrigierende, dem individuellen Krümmungsmuster entsprechende, Korrekturübungen vonnöten. Dies steht in Übereinstimmung mit der Erkenntnis, dass die selbstständige Korrektur der Deformität eine wesentliche Schlüsseltechnik in der Skolioserehabilitation ist 69 (Fusco et al. 2010; Monticone et al. 2014). Das Schroth Best Practice-Programm® beinhaltet Übungen mit größtmöglicher Korrektur weit über die Korrekturen des klassischen Schroth-Konzepts hinaus und folgt damit auch den Erkenntnissen aus der Korsettbehandlung, nach denen die größtmögliche Korrektur das bestmögliche Endergebnis verspricht (Landauer et al. 2003). Die neuesten Entwicklungen des Schroth Best Practice-Programms® (Weiss, Hollaender und Klein 2006; Weiss und Klein 2006) enthalten auch den sogenannten LESEPROBE

Die aktuelle Literatur zur Physiotherapie bei Skoliose – eine kritische Einschätzung

„Sideshift“. Wenn man mit der Selbst- oder Autokorrektur arbeitet, spielt der Sideshift eine wesentliche Rolle. Der Einsatz des Sideshift hilft dabei, die erforderliche Translationsbewegung zu erzielen, um die Krümmung in der Frontalebene maximal zu korrigieren (Maruyama et al. 2002). Es stellte sich heraus, dass bei der täglichen Anwendung von Sideshift-Übungen das Fortschreiten der Krümmung auch bei Erwachsenen verlangsamt werden kann (Maruyama et al. 2012). Bei skoliotischen Krümmungen unter 50° sind Translationskorrekturen in der Frontalebene günstig (White und Panjabi 1976) und unterstützen die asymmetrische Autokorrektur besser als eine axiale Elongation (Traktion). Im biomechanischen Modell ist die Elongation lediglich bei Krümmungen von mehr als 50° besser geeignet als die Translation (White und Panjabi 1976). In der Praxis jedoch kann auch eine Kombination dieser beiden Korrekturmanöver durchgeführt werden, unabhängig vom Grad der Krümmung. Die Übungen aus dem physio-logic®-Programm sind für die Korrektur des Sagittalprofils entwickelt worden und stellen eine wesentliche Komponente des Schroth Best Practice-Programms® dar. Es ist wichtig, das sagittale Profil anzusprechen (van Loon et al. 2008; Monticone 2014). Die physio-logic®-Übungen wurden im Rahmen einer Pilotstudie untersucht (Weiss und Seibel 2010), allerdings war bereits 2006 bekannt, dass das physio-logic®-Programm neben der Korrektur des Sagittalprofils auch die Korrektur der Seitabweichungen unterstützt (Weiss und Klein 2006). Mit zunehmender sagittaler Dysbalance nimmt auch der CobbWinkel linear zu (Glassman et al. 2005). Eine kyphotische Einstellung ist im Bereich der oberen thorakalen Region physiologisch, wird jedoch im Bereich der Lendenwirbelsäule langfristig kaum ohne Funktionsstörungen und Schmerz bleiben. Durch eine experimentelle Untersuchung (Weiss 2005) und in zwei klinischen Studien (Weiss und Klein 2006; van Loon et al. 2008) ließ sich belegen, dass die ausschließliche Korrektur der Sagittalebene zu einer dreidimensionalen Korrektur der Skoliose führt. Bei der skoliosespezifischen Übungsbehandlung, aber auch bei der modernen Korsett-Behandlung der Skoliose, liegt damit ein wesentlicher Fokus auf der Korrektur des Sagittalprofils (Weiss 2011). Im Vergleich zum vierwöchigen, traditionellen, stationären Schroth-basierten Programm brachte ein zweiwöchiges Programm, bestehend aus einer Kombination von Sideshift, physio-logic®, 3D-ADL-Übungen und Schroth-basierten Korrekturübungen, ähnliche Verbesserungen von Seitenabweichung und Rumpfrotation. Die Anwendung der genannten Behandlungsmodule, welche heute im Schroth Best Practice-Programm® integriert sind, führte demnach zu einer besseren Prozessqualität der Behandlung und zu einer bedeutsamen Zeitersparnis (Weiss, Hollaender und Klein 2006).

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Das Schroth Best Practice-Programm® ist Endprodukt all dieser evidenzbasierten Entwicklungen und wird mittlerweile weltweit angewendet. LESEPROBE

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