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Beurteilung der Knochenreife
Befunderhebung
Scheitelwirbel durch zwei senkrechte Linien an dessen Taillen beiderseits begrenzt und der konvexseitige Pedikel durch eine Längslinie halbiert. Durch Anlegen der Messschablone kann dann die Rotation an der Lage der Pedikelmarkierung nach Perdriolle abgelesen werden. Das Messverfahren nach Raimondi basiert auf denselben Messpunkten, der Ablesevorgang gestaltet sich jedoch etwas anders. Auf der Messschablone wird nach Ausmessen des Wirbels die Breite des Wirbelkörpers im Fenster des Schiebereglers eingestellt und oberhalb dessen der Abstand der konvexseitigen Wirbelkörperbegrenzung/Pedikelmarkierung gesucht. Neben diesem ist dann auf dem Deckblatt des Messschiebers die Rotation in Grad abzulesen. Beide Verfahren haben eine gute Messgenauigkeit (Weiss 1995).
Beurteilung der Knochenreife
Für die Verlaufskontrolle, Prognoseerstellung und für die Behandlungsplanung von Skoliosen ist die Beurteilung der Knochenreife ausschlaggebend. Eine Wirbelsäulenverbiegung von 25° bei einer 10-jährigen Patientin ohne Reifezeichen ist sicherlich sehr ernst zu nehmen. Der pubertäre Wachstumsschub steht unmittelbar bevor, währenddessen eine unbehandelte Krümmung dieses Ausmaßes teilweise gar in wenigen Monaten operationswürdige Ausmaße annehmen kann. Demgegenüber verliert eine Krümmung gleichen Ausmaßes bei einer 16-jährigen Patientin, welche seit einem Jahr nicht mehr gewachsen ist und von ihren Geschlechtsmerkmalen her voll ausgereift ist, an Bedeutung. Bis zu den Wechseljahren wird sich bei letztgenannter Patientin in der Regel auch ohne jegliche Behandlung nicht mehr viel ändern. Die Kenntnis der körperlichen Reife bzw. des Knochenalters ist daher von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob therapeutische Maßnahmen überhaupt noch gerechtfertigt sind und welche Therapiemaßnahmen vorgeschlagen werden müssen. Grob lässt sich die Knochenreife mit dem sogenannten Risser-Zeichen bestimmen (siehe Abbildungen 4 und 57). Kinder vor Auftreten der Regelblutung oder des Stimmbruches sind in der Regel bei einem Risser-Stadium 0 anzusiedeln. Der pubertäre Wachstumsschub ist hier noch zu erwarten. Ab einem Risser-Stadium von 3 ist die Hauptphase des Wachstums abgeschlossen und die Prognose wird dann deutlich günstiger. Ab einem Risser-Stadium von 4 ist kein wesentliches Wachstum mehr zu erwarten, ab einem Risser-Stadium von 5 ist das Wachstum vollständig abgeschlossen. Es ist zwar bekannt, dass auch nach dem Schluss der Epiphysenfugen im Röntgenbild noch ein geringes Restwachstum besteht, dies ist jedoch für Krümmungen unter 30° nicht mehr von wesentlicher Bedeutung. Bei einer Wirbelsäulenverbiegung von mehr als 45° würde man aber dennoch unter Berücksichtigung auch eines nur geringen Restwachstums noch ein Korsett neu verordnen. Auf diese Weise wäre die bei so ausgeprägter Krümmung höchstwahrscheinliche weitere Krümmungszunahme während des Restwachstums zu beherrschen. Oftmals ist jedoch leider das Risser-Zeichen am Beckenkamm auf der Wirbelsäulenganzaufnahme im Stehen nicht deutlich ablesbar. Die Ursachen hierfür liegen einerseits manchmal im Bereich der Aufnahmequalität, andererseits häufiger in LESEPROBE
Ansammlungen von Darmgas, welches auf dem Röntgenbild als schwarze Flecken in Erscheinung tritt und so den Beckenkamm überlagern kann. In diesen Fällen können das Knochenalter und das Restwachstum mithilfe einer Röntgenaufnahme der linken Hand AP ermittelt werden (Abbildung 58). Dieses Verfahren gilt als Standardverfahren für die Bestimmung des Knochenalters und wird auch von Kieferorthopäden zur Reifebestimmung herangezogen. Bei kleineren Kindern lässt sich am Erscheinungszeitpunkt einzelner Knochenkerne – hier insbesondere am Erscheinungszeitpunkt der Knochenkerne der Handwurzelknochen – eine Bestimmung des Knochenalters durchführen. Im Jugendalter ist es hauptsächlich der Schluss der Epiphysenfugen, welcher in einer bestimmten Reihenfolge abläuft und somit Knochenalter und Restwachstum mithilfe eines hierfür erstellten Atlas (Greulich und Pyle 1959) bestimmen lässt.
Befunderhebung
Abbildung 57: Röntgenganzaufnahme im Korsett mit Metallmarkern zur Markierung der Pelottenlage. Am Beckenkamm kann man erkennen, dass der Knochenkern der Beckenkammapophyse sich bereits bis nach zentral ausgedehnt, sich aber noch nicht mit dem Ilium verbunden hat. Dies entspricht einem RisserStadium von 3–4. Abbildung 58: Röntgenaufnahme der linken Hand (anterior – posterior/AP) zur Bestimmung des Knochenalters. In diesem Fall sind sämtliche Wachstumsfugen an den Phalangen noch offen. Das Sesambein am Daumen 85 (metacarpophalangeal) ist jedoch bereits gut sichtbar. Nach Greulich und Pyle (1959) lässt sich daraus ein Knochenalter von 12 Jahren ablesen. Die Patientin befindet sich mitten im pubertären Wachstumsschub und es besteht bei einer Skoliose in diesem Alter ein hohes Progressionsrisiko. LESEPROBE