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7.5 „Power Schroth“
Das Schroth Best Practice-Programm®
vierbogigen Muster kosmetisch bedeutend weniger auffallen und nach Wachstumsabschluss am wenigsten zunehmen (Asher und Burton 2006). Die Übungen aus diesem kleinen Programm sind äußerst effektiv und erleichtern die Einstellung der Übungen aus dem Schroth-Programm derart, dass sie auch als „Vorübungen“ zum Schroth-Programm geeignet sind. Zusätzlich zeigen sich in diesem Programm die fundamentalen Unterschiede in der Übungseinstellung bei funktionell drei- und vierbogigen Krümmungen. Einziger Unterschied ist die Beckeneinstellung. In frontaler Ebene wird das Becken bei dreibogiger Krümmung unter den Rippenbuckel verschoben (Abbildung 102), also auf die Paketseite; bei funktionell vierbogiger Krümmung auf die schwache Seite. Dieses Prinzip wird auch in der dreidimensionalen Physiotherapie nach Schroth beibehalten. Diese wurde dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand angepasst, wodurch es möglich geworden ist, auch die 3D-Korrektureffekte zu verstärken. Zudem streben wir heutzutage eine klinische Überkorrektur der Krümmungen an, im Gegensatz zu der veralteten einfachen Begradigung (Lehnert-Schroth 2007). Daher wird diese Behandlungstechnik auch als „Power Schroth“ bezeichnet.
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Das ursprüngliche Schroth-Programm bestand lediglich aus Übungen zur Behandlung der funktionell dreibogigen Skoliose. Erst in den 70er-Jahren wurde die funktionell vierbogige Skoliose von Lehnert-Schroth entdeckt, ebenso wie die funktionelle Beinverkürzung, die mit diesem Krümmungsmuster gesetzmäßig einhergeht. Auf dieser Grundlage wurden die Skoliosen klassifiziert, um sie einer möglichst mustergerechten Therapie zuführen zu können. Die Klassifikation nach Lehnert-Schroth (funktionell dreibogige Skoliose/funktionell vierbogige Skoliose) wurde auch von Chêneau zur musterspezifischen Korsettkonstruktion verwendet. Wie im letzten Kapitel deutlich wurde, findet diese Klassifikation auch heute noch Anwendung, obwohl – oder gerade weil – die sich heute verbreitenden Klassifikationen immer genauer, aber auch komplexer und damit schwerer fassbar werden. In der letzten Auflage dieses Buches wurden Schroth-Übungen für verschiedene Krümmungsmuster vorgestellt. Die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth ist aber keineswegs eine beliebige Ansammlung von Übungen; es handelt sich vielmehr um ein Behandlungsprinzip. Die Vielzahl von Übungen, wie sie auch im Buch von Lehnert-Schroth (2007) zu finden sind, hat sich historisch entwickelt, um Betroffenen bei ursprünglich drei- bis sechsmonatigen Rehabilitationszeiten etwas Abwechslung in den Übungen zu verschaffen. Diese historische Bedeutung wird heute vielfach verkannt, weshalb auch aktuell eine Vielzahl an Übungen den Blick auf das Wesentliche oft noch verstellt. In diesem Kapitel wird daher eher das Übungsprinzip beschrieben, als eine unüberschaubare Zahl unterschiedlicher Übungen für verschiedene Krümmungsmuster, LESEPROBE
Abbildung 103: Meistens werden die Übungen in Horizontallage ausgeführt. Außerdem werden mehr und mehr Hilfen genutzt. Hocker, Rollen, Kissen und Gummibänder werden verwendet, wodurch die Übungen weniger alltagstauglich werden.
Das Schroth Best Practice-Programm®
zumal man die meisten Übungen in dem historisch bedeutenden Buch „Dreidimensionale Skoliosebehandlung“ von Christa Lehnert-Schroth (englische Ausgabe, 2007) findet. Nach Meinung des Erstautors gibt es keine Übung für drei- oder vierbogige Krümmungen. Die Übungen aus der von Lehnert-Schroth beschriebenen Auswahl können bei sachgerechter Anwendung immer drei- oder vierbogig eingestellt werden. Es ist zudem üblich geworden, die Mehrzahl der Übungen im Liegen und mit einem Therapeuten durchzuführen, der sich auf Knien um den Patienten herumbewegt, um die bestmöglichen Korrekturhilfen zu geben. Dabei wird übersehen, dass in diesen Ausgangspositionen ein wesentlicher „Korrektur-Booster“ fehlt, nämlich die Nutzung automatisch korrigierender Stellreflexe. Diese sind allerdings für den Aufbau eines korrigierten Haltungsempfindens unabdingbar, denn nur durch eine asymmetrische Rumpfmuskelspannung lässt sich die Korrekturhaltung leicht wahrnehmbar machen. Im Liegen muss man sich die asymmetrische Korrekturspannung mühsam neben vielen anderen, an der Aufmerksamkeit zehrenden, Übungsanteilen erarbei153 ten, während sie im Stehen automatisch erfolgt. Ferner hat sich eingebürgert, immer mehr Hilfsmittel bei den Übungen einzusetzen (Abbildung 103). Es werden Hocker, Rollen, Kissen, elastische Bänder und vieles mehr für die Übungen verwendet, wodurch man sich immer mehr von den Alltagsaktivitäten entfernt. Die Übung wird mehr und mehr zum akrobatischen Selbstzweck. Nach der Übung bleibt im Alltag kein wesentliches Engramm, das dazu beitragen könnte, die verkrümmte Wirbelsäule zu korrigieren oder zu entlasten.LESEPROBE