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Digitale Revolution? Das Büro der Zukunft

Digitale Revolution?

Das Büro der Zukunft

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„Neue Ideen entstehen nicht, wenn jemand acht Stunden lang in den Bildschirm starrt.“

von Herbert Lechner

// Lange Reihen von Tischen, an denen – überwiegend – Frauen an Schreib- oder Rechenmaschinen sitzen. Man kennt diese Bilder aus der Frühzeit der Büroarbeit, die ein wenig an Legebatterien erinnern. Werden uns bald unsere modernen Arbeitsplätze ähnlich antik erscheinen?

Mit der Digitalisierung wurde ein grundlegender Wandel der Arbeitswelt eingeleitet, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Das betrifft nicht nur die zunehmende Automatisierung ganzer Produktionslinien durch den Einsatz immer intelligenterer Roboter oder das viel berufene papierlose Büro, sondern ebenso den Arbeitsplatz der „Schreibtischtäter“. Deutlich wird das etwa beim Besuch von Unternehmen, die in Zukunftsbranchen unterwegs sind. Häufig sind es wahre Fantasielandschaften, die hoch qualifizierte Mitarbeiter zum Nachdenken oder Diskutieren innovativer Konzepte animieren sollen. Der Kickertisch als kreative Minimalausstattung reicht dafür ebenso wenig aus wie die Pizzalieferung an den Arbeitsplatz, wenn’s wieder später wird.

Mit dem Ende von „Nine-to-Five“ und Stechuhren am Eingang hat die Bedeutung interner Ruhe- und „Spiel“-Zonen zugenommen. „Neue Ideen entstehen nicht, wenn jemand acht Stunden lang in den Bildschirm starrt“, weiß Lucas Stolwijk, verantwortlicher Facility-Manager des neuen europäischen Entwicklungszentrums von Google in Zürich, das größte außerhalb der USA. Im Gebäude der ehemaligen Sihlpost sollen dort in den nächsten Jahren bis zu 5.000 Menschen aus 75 Nationen arbeiten. Diese Dimension ebenso wie die Innovationskraft des Arbeitgebers lassen dieses Projekt beispielhaft erscheinen. Obwohl Flexibilität großgeschrieben wird, fällt auf, dass neben den verschiedenen Meetingräumen jeder Mitarbeiter seinen festen Arbeitsplatz hat, anders, als das heute in vielen Großunternehmen gehandhabt wird. Dies sei wichtig für die Orientierung des Einzelnen, der hier auch private Gegenstände aufstellen könne. Um die frühere Start-up-Stimmung beizubehalten, sitzen die Mitarbeiter relativ nahe zusammen, jeweils zu sechs Tischen gruppiert. Doch esbesteht die Möglichkeit, sich auch in separate Arbeitsräume zurückzuziehen. Eine

zentrale Rolle im neuen Google-Gebäude spielt das Restaurant. Das ist keine herkömmliche Kantine, es geht nicht bloß um die tägliche Verpflegung. Vielmehr soll es ein Treffpunkt für die Kommunikation sein. Schon die Lage in der Mitte der mittleren Etage signalisiert die Bedeutung. Wie auch im früheren Hürlimann-Gebäude sind bei Google die Speisen und Getränke kostenlos, doch soll das Restaurant nicht nur zu den Essenszeiten genutzt werden, sondern den ganzen Tag als MeetingPoint funktionieren.

Doch es geht beim Arbeitsplatz der Zukunft nicht nur um ein ansprechendes und funktionales Design der Räume. Das zeigt das Projekt „Next Generation Workplace“ der Munich Re. Der Rückversicherer ist mit 12.000 Mitarbeitern in 50 Ländern vertreten, das bedeutet besondere Anforderungen an die technische Ausstattung, aber auch an die Sicherheit. Es genügt dabei nicht, den Mitarbeitern zum Beispiel die Wahl ihrer mobilen Geräte zu überlassen. Notwendig ist deshalb ein Gesamtansatz, mit Einbindung unterschiedlichster Technologien und entsprechender Management-, Support- und Security-Dienste. Doch der Arbeitsplatz der Zukunft ist nicht nur technikgeprägt, auch der Erfolgsfaktor Mitarbeiter muss – vielleicht sogar stärker als in der Ver gangenheit – Berücksichtigung finden. Motivation und Ergonomie, die sich nicht auf Sitzposition oder Beleuchtung beschränkt, wirken sich unmittelbar auf Leistung und Innovationsfähigkeit des Einzelnen aus. So sind auch die HR-Verantwortlichen in diesen Prozess zu integrieren. Eine moderne Arbeitsumgebung ist nicht zuletzt auch ein Imagefaktor und ein wichtiges Recruiting-Instrument.

Lichtdurchflutet, freundlich und unterhaltsam wie die neue Europazentrale von Google in Zürich, mit viel Farbe, Cafeteria und Kickertisch – geht dahin der Bürotrend? Oder sind ergonomische Hightech-Arbeitsplätze (z.B. Emperor, unten Mitte, oder Altwork, oben links), wie sie schon seit den 1970er-Jahren (oben Mitte) entworfen werden, die Zukunft? Dagegen wirken die „antiken“ Schreibbüros direkt human.

Eine etwas andere Form des Büros der Zukunft lebt bereits Dr.-Ing. Gero Kempf, lange bei BMW in der Automobilentwicklung tätig und heute Chief Engineer Body Strategy, Architecture, Advanced Product Creation von Jaguar: „Ich bin fast den ganzen Tag im Werk unterwegs und setze mich dahin, wo gerade ein Platz frei ist. Mein Büro ist hier in dieser Ledertasche.“ //

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