Fritz+Fränzi 08-17: Resilienz

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Fr. 7.50 9/September 2017

Cybermobbing Wie Mitschülerinnen das Leben von Laila, 14, zur Hölle machten Jesper Juul Wie Eltern mit ihren pubertierenden Kindern umgehen sollten

Was die Seele stark macht

Resilienz


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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

Bild: Geri Born

Neulich fragte ich unsere sechsjährige Tochter, wen sie im Kindergarten besonders gerne mag. «Also der Paul und die Josefine sind nett, die Finja hat tolle Spielsachen, und der Jonda kann mich sogar hochheben», kam es wie aus der Pistole geschossen. Dann schaute sie mich mit grossen Augen an: «Und weisst du, wen ich am liebsten mag? Mich!»

Nik Niethammer Chefredaktor

Es gibt wenige Dinge, die Eltern glücklicher machen, als wenn das Kind mit sich und der Welt im Einklang ist. Wenn es zu Kindergeburtstagen eingeladen wird, Freunde hat, nicht gehänselt oder gemobbt wird. Und wenn es auch schwierige Momente meistert, mit Enttäuschungen, Frust und Niederlagen umzugehen weiss. «Resilienz» nennt die Wissenschaft diesen besonderen Schutz der Seele. Sie hilft uns, auch grosse Herausforderungen zu bewältigen, an schweren Krisen nicht zu zerbrechen.

Die Resilienzforschung ist noch relativ jung; erst seit dem Zweiten Weltkrieg befassen sich Forscher intensiv mit der Frage, wie wir gesund bleiben, was uns im Umgang mit Belastungen schützt und wie wir Wohlbefinden erlangen. Was man heute mit Sicherheit weiss: Resiliente Men«Du könntest dich auch schen besitzen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung, sie einfach selber mögen. können ihre Gefühle regulieren, Probleme analysieren und lösungsorientiert bewältigen. Insbesonere können sie negative Denk nur an all die Zeit, die Gedanken vergleichsweise gut aushalten und ablegen; sie du mit dir verbringen musst.» fokussieren sich auf ihre Kräfte, sind in der Regel optimistisch Jerry Lewis, US-amerikanischer Komiker, und wenig ängstlich. Sänger und Schauspieler (1926–2017)

Wir haben die Psychologen Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler gebeten, uns zu erklären, wie Kinder diese Widerstandskraft erwerben. Und was Eltern dabei tun können. Die gute Nachricht: Resilienz ist lernbar. Was die Seele stark macht – ab Seite 10. «Der Weg zur inneren Stärke» ist auch Thema unserer nächsten Hausveranstaltung im Kulturpark Zürich. Am 24. Oktober sind die Autoren dieses ­Dossiers (und des Dossiers «Was Kinder stark macht» aus dem Frühjahr 2015) zu Gast – und Sie sind herzlich eingeladen. Infos und Anmeldung: www.fritzundfraenzi.ch/resilienz Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit dieser Ausgabe – und lege Ihnen ­diese drei Texte besonders ans Herz: • «Die Eltern als Sparringspartner» von Jesper Juul – ab Seite 40. • «Üben, wie man Frust erträgt» von Ruth Fritschi – ab Seite 46. • «Wo Schule Freude macht» von Claudia Landolt – ab Seite 52. Herzlichst – Ihr Nik Niethammer

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt Ausgabe 9 / September 2017

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf fritzundfraenzi.ch und

Psychologie & Gesellschaft 38 Armes, verwöhntes Einzelkind? Zahlreich sind die Vorurteile über Kinder ohne Geschwister. Was stimmt und was ist längst überholt? Dazu: vier Tipps für Eltern.

facebook.com/fritzundfraenzi. Augmented Reality

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und Zusatzinformationen zu den Artikeln.

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Dossier: Resilienz

18 S o stärken Sie das psychische Immunsystem Ihres Kindes Drei einfache und alltagstaugliche Übungen für Eltern. 28 Wie kommt man als Familie durch eine Lebenskrise? Der Buchautor Georges Morand und seine Kinder erzählen, wie sie die Zeit gemeistert haben, als die Mutter die Familie verliess.

Bild: Kate Parker

Cover Das Foto stammt von der US-Fotografin Kate Parker. Es entsprang der Idee, Mädchen möglichst autark und authentisch zu zeigen: als starke Kinder, die sie sind. 4

Bilder: Kate Parker, Herbert Zimmermann / 13 Photo, Samuel Trümpy / 13 Photo, Stephan Rappo / 13 Photo

10 Was die Seele stark macht Warum meistern manche Menschen Schicksalsschläge und andere zerbrechen daran? Alles über diese Widerstandskraft, Resilienz genannt.


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Margret Bürgisser, warum sollten Paare sich Familien- und Erwerbsarbeit egalitär teilen?

Ein Besuch in einer integrativen Klasse ohne Prüfungen, Ufzgistress und Wettbewerb.

Cybermobbing: Eine Mutter berichtet, was ihre Tochter und sie durchmachen mussten.

Erziehung & Schule

Digital & Medial

42 Interkulturelle Liebe Verlieben sich die Kinder in einen Menschen aus einem anderen Kulturkreis, haben ihre Eltern nicht selten Vorurteile.

68 C ybermobbing Eine Mutter beschreibt zusammen mit ihrer Tochter, wie es ist, in Chats gemobbt zu werden und sich nicht mehr in die Schule zu trauen.

49 Ellen Ringier Warum der Satz «Ich weiss nichts, macht nichts» abgrundtief falsch ist.

46 Mit Frust umgehen Kinder können lernen, Wünsche und Bedürfnisse besser zu kontrollieren.

76 « Etwas mehr Geduld, bitte!» Tiefere Frustrationstoleranz wegen Smartphones? Was Eltern bei der Medienerziehung beachten sollten.

64 M ichèle Binswanger Über das Smartphone und die iGen.

80 S icher im Internet Über Inhalte im Netz, die wirklich kindgerecht sind.

90 E ine Frage – drei Meinungen Was tun, wenn die Tochter glaubt, der Vater liebe die Kinder seiner neuen Frau mehr als sie?

48 Da treffen sich Bücherwürmer Ein Überblick über Veranstaltungen. 52 Wo Schule Freude macht Eine Reportage über eine öffentliche Schule ohne Hausaufgaben, Prüfungen und Lehrmittel – und mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen. 62 Sackgeld Wer bekommt wie viel?

Ernährung & Gesundheit 82 W as tun gegen Akne? Tipps, um die Pickelplage einzudämmen.

Rubriken 03 Editorial 06

Entdecken

32 M onatsinterview Margret Bürgisser forscht über Paare, die sich Erwerbs- und Familienarbeit teilen. 40 Jesper Juul Der Familientherapeut kennt einen Kniff, wie Eltern mit pubertierenden Kindern entspannter werden: sie als «Austauschstudenten» betrachten.

50 F abian Grolimund Wie es Eltern gelingt, ihre Zeit konstruktiv einzuteilen.

66 Leserbriefe

Service 86 Unser Wochenende … … in Arosa 88 Verlosung 88 Sponsoren/Impressum 89 Buchtipps

Die nächste Ausgabe erscheint am 5. Oktober 2017.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 5


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Spätes Mutterglück

3 FRAGEN

Starten Sie die aktuelle pp, itz Fr +Fränzi-A Seite e es scannen Sie di en ein e Si n und sehe die er üb g ra eit -B Film . ils neuen Bergtra

Frauen, die ihre Kinder spät – ab Mitte 30 – bekommen haben, sind die besseren Mütter, ergab eine dänische Studie. Und dies ausschliesslich wegen ihres höheren Alters und der damit einhergehenden psychischen Reife, so die Forscher. Die 7bis 11-jährigen Kinder älterer Mütter hatten demnach weniger soziale, emotionale und Ver­ haltensschwierigkeiten. Bei den 15-jährigen Kindern fand sich kein Unterschied. Befragt wurden 4741 Mütter des Danish Longitudinal Survey of Children in Kopenhagen.

an Christina Hanke, Operations Manager von Foxtrail

Diesen Sommer eröffnete der Luzerner Veranstalter Foxtrail seine ersten Bergtrails in der Lenzerheide. Christina Hanke von Foxtrail erzählt, wie sich die Schnitzeljagd in den Bergen gestaltet. Interview: Evelin Hartmann Christina Hanke, was erwartet Familien auf den neuen Bergtrails? Ziel ist es, den Fuchs in seinem natürlichen Revier, dem Wald beziehungsweise den Bergen, zu jagen. Einmal auf einem grösstenteils flach verlaufenden Trail rund um den Heidsee sowie auf einem etwas anspruchsvolleren Bergtrail von Heidbüel hinab ins Tal. Natürlich nur symbolisch, dafür aber mit vielen spannenden Aufgaben, die Teilnehmern die Bergwelt näherbringen sollen. Wo bekomme ich die Tickets? Auf unserer Homepage sind die Trails beschrieben und buchbar. Die Startunterlagen bekommt man per Mail zugeschickt. Die Tickets inklusive Bus- und Bergbahntickets liegen dann im Tourismusbüro Lenzerheide zum Abholen bereit. Kinder sind meist keine begeisterten Wanderer. Wie wollen Sie diese erreichen? Das macht der Fuchs für uns. Auf den Trails gibt es so viel zu erleben und zu entdecken, dass Kinder gar nicht merken, dass sie wandern. Da gilt es zum Beispiel einen Wasserfall zu stoppen, um trockenen Fusses zu einer Aufgabe zu gelangen. Den leichteren und kürzeren Trail um den Heidsee empfehlen wir für Kinder ab 6 Jahren, den etwas anspruchsvolleren Bergtrail ab etwa 7 beziehungsweise 8 Jahren. Die Trails sind übrigens das ganze Jahr über begehbar. www.foxtrail.ch

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92 Prozent der Schweizer Eltern setzen in der Erziehung auf disziplinierende Massnahmen, zwei Drittel von ihnen auf ein Computer- und Smartphoneverbot. (Quelle: Studie, in Auftrag gegeben von der Credit Suisse, bei der 7200 Mütter und Väter mit Kindern im Alter von 5 bis 14 Jahren befragt wurden.)

Die Käfer kommen «Mama, wie heisst der Käfer da?» Eltern stossen schnell an ihre Grenzen, wenn es um die Benennung heimischerKäfer geht. Um Kindern die Artenvielfalt in unseren Wiesen und Wäldern näherzubringen, geht der Verein Coleoptera (lat. für Käfer) mit Schulklassen oder auch kleineren Privatgruppen regelmässig im Raum Biel, Bern und Solothurn auf die Pirsch. An diesen sogenannten Forschertagen untersuchen die Buben und Mädchen zusammen mit einer Biologin, was in ihrer Umgebung so kreucht und fleucht. Übrigens: Auch wenn die meisten Käfer im Frühjahr und Sommer zu entdecken sind, ist die Biologin Lea Kamber noch bis in die Herbstferien für Coleoptera im Einsatz. Alle Infos auf www.coleoptera.ch

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bilder: ZVG

«Kinder merken gar nicht, dass sie wandern»


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 7


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Blitzschnell rechnen 243 minus 57 = 251. Oder etwa nicht? Viele Schüler tun sich mit dem Rechnen schwer. Was ihnen fehle, sei nicht selten das Verstehen. Und um zu verstehen, müssten Kinder die Vorstellung von Zahlen, Grössen und Operationen selbst im eigenen Kopf aufbauen oder konstruieren können, sagen die Gründer von Mathiblitz, einem schweizweit tätigen Nachhilfeinstitut. Seit beinahe 20 Jahren greifen deren Lehrkräfte rechenschwachen Schülern unter die Arme – wollen Ängste und Unsicherheiten abbauen und dadurch die Freude an den Zahlen wecken. Alle Infos auf www.mathiblitz.ch

Tierisch schweizerisch

Sagen wir mal, die Schweiz hätte ein offizielles Nationaltier, so wie Australien das Känguru. Kuh, Murmeltier, Steinbock und Bernhardiner wären wohl die Topkandidaten. Diesen vier Tieren widmet das Landesmuseum Zürich jetzt die Ausstellung «tierisch schweizerisch». Lebensechte Tierpräparate, überraschende Exponate und interaktive Erlebnisstationen laden zu einer Erkundungstour ein. Dabei entdecken grosse und kleine Besucher Murmeltiere, die tanzen können, Bernhardiner, die Leben retten, Kühe, die Königinnen werden, und Steinböcke, die auch auf den steilsten Felsen klettern. Alle Infos auf www.nationalmuseum.ch

Stefan Wolter in einem Interview auf www.aargauerzeitung.ch

Stefan Wolter ist Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung.

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Das Okapi hat Husten Welchen Berufswunsch haben Ihre Kinder? Tierarzt beziehungsweise Tierärztin? Dann sei ihnen dieses Buch empfohlen: «Das Okapi hat Husten. Geschichten aus dem Alltag eines Zootierarztes». Dieses liebevoll gestaltete Buch zeigt, wie im Zoo Basel die Tiere gepflegt, umsorgt und geheilt werden – und dass ihre Wehwehchen von unseren gar nicht so weit entfernt liegen, etwa wenn der Elefant Zahnschmerzen hat, der Hornrabe wegen grauem Star zum Augenarzt muss oder eben, das Okapi Husten hat. «Das Okapi hat Husten – Geschichten aus dem Alltag eines Zootierarztes», Christian Wenker, Stefan Hoby und Tanja Dietrich, Christoph Merian Verlag, etwa 31.90 Franken

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Bilder: ZVG, iStockphoto

« Bis ins Jahr 2025 werden die Schülerzahlen in einigen Kantonen historische Höchststände erreichen, ohne dass die Politik mehr Mittel zur Verfügung stellt. »


Rubrik

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Der Weg zur inneren Stärke Manche Menschen pustet ein Lüftchen um, andere ­trotzen Orkanen. «Resilienz» nennt die Wissenschaft jene Widerstands­fähigkeit, die Menschen Krisen meistern und ein gutes Selbstwertgefühl ­bewahren lässt. Die gute Nachricht: Diese Widerstands­fähigkeit können K ­ inder ­lernen. Doch wie geschieht das? Und was können Eltern dafür tun? Eine Annäherung. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler Bilder: Kate Parker

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Dossier

Die Bilder zu diesem Dossier stammen von der Amerikanerin Kate T. Parker, die mit ihrer Arbeit «Strong is the New Pretty» bekannt wurde. Ihr gleichnamiges Buch erscheint im Herbst. Parker lebt mit ihrer Familie in Atlanta. www.kateparker.com

H

allo Stefanie …» sang mein Grossvater je­­ weils aus voller Keh­ le, wenn ich an der Tür klingelte. So fröhlich war er, egal, ob es sich dabei um uns Enkel, den Briefträger oder Kinder aus der Nachbarschaft han­ delte. Jeder war willkommen und wurde angesteckt von seiner unbän­ digen Lebensfreude. Als ich ihm erzählte, dass ich in der Schule nun Französisch lerne, antwortete er mir: «Ah, vous parlez français, Mademoiselle!», und sprach fliessend auf mich ein. Es waren meist alltägliche Begebenhei­ ten, die Bruchstücke seiner Lebens­ geschichte zutage förderten. Als ich erstaunt nachfragte, wo­­ her er Französisch könne, meinte er: «Das ist eine lange Geschichte.» Er strich sich über die Glatze mit ver­ einzelten weissen Haarbüscheln, die hügelig und vernarbt war von den Granatsplittern, die sich nicht ent­ fernen liessen, und erzählte vom Krieg und der Gefangenschaft: den vielen Jahren, die er in Kriegsgefan­ genenlagern an der italie­ >>>

Resiliente Kinder und Jugendliche besitzen eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung. 12

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Dossier

Einem resilienten Kind geht es nicht einfach schlecht: es weiss, ob es traurig, wütend, enttäuscht ist. Oder einfach nur mies gelaunt.

>>> nisch-französischen Grenze verbrachte, den Minenfeldern, die sie räumen mussten, und den jungen Männern in seiner Umgebung, die durch Explosionen zu Tode kamen, erfroren oder verhungerten. Wann immer ich etwas zum Thema Resilienz (siehe Box Seite 16) lese, muss ich an ihn denken. An seine Widerstandsfähigkeit, seinen Optimismus, seine Besonnenheit und seine Fähigkeit, sich über scheinbare Kleinigkeiten zu freuen. Woher nahm er diesen ungebrochenen Lebenswillen und seine Fröhlichkeit? Die Entstehung von Gesundheit

Seit dem Zweiten Weltkrieg befassen sich Strömungen der Psychologie mit der Frage, wie wir gesund bleiben, was uns im Umgang mit Belastungen schützt und wie wir Wohlbefinden erlangen. Der Erste, der sich mit der «Entstehung von Gesundheit» auseinandersetzte, war Aaron Antonovsky. Er untersuchte Überlebende des Holocaust und ging der Frage nach, warum es einigen der Menschen, die die Schrecken der Konzentrationslager überlebten, gelang, trotz dieser Erfahrungen ein zufriedenes Leben zu führen. Seine Untersuchung zeigte, dass diese Menschen die Welt als verstehbar und sinnhaft und sich selbst als wirksam wahrnahmen. Einige Jahre später wurden viele seiner Ergebnisse durch einen neuen Forschungszweig bestätigt. Die Entwicklungspsychologin Emmy Werner startete 1955 gemeinsam mit ihrer Kollegin Ruth Smith >>> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 15


Dossier

>>> eine bahnbrechende Untersuchung. Sie begleitete den gesamten Geburtsjahrgang 1955 der Insel Kauai, insgesamt 698 Kinder, über mehrere Jahrzehnte hinweg. Dabei stellte sie fest, dass sich rund ein Drittel der Kinder, die unter schwierigsten Bedingungen aufwachsen mussten, trotz aller Widrigkeiten positiv entwickelte. Kinder, die trotz grösster Armut, alkohol- oder drogensüchtiger Eltern oder zerrütteten Familienverhältnissen zu psychisch gesunden Erwachsenen heranwuchsen, bezeichnete sie als resilient. Weitere Forscher schlossen sich dieser Strömung an, führten eine Vielzahl an Studien durch und fanden mehrere Faktoren, die Kinder, Ju­­ gendliche, aber auch Erwachsene im Umgang mit Belastungen stärken. Während diese Forschungsbereiche der Frage nachgingen, wie wir mit Stress und Belastungen umgehen können, befassen sich die positive Psychologie und die Glücksforschung mit der Frage, wie wir ein gelingendes Leben führen und unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit steigern können. Die Grundlage für ein zufriedenes Leben

Aus dieser Forschungslandschaft möchten wir Ihnen einige Ergebnisse vorstellen, die es Ihnen erleichtern, Ihre Kinder auf das Leben vorzubereiten, ihre Widerstandskräfte zu stärken und die Grundlagen für ein zufriedenes Leben zu legen. Vorausschicken möchten wir einen zentralen Befund der Resilienzforschung: Fast jedes der resilienten Kinder hatte zumindest eine

Ein resilientes Kind hat zumindest eine erwachsene Bezugsperson, die ihm Liebe und Geborgenheit vermittelt. 16

Resilienz – die psychische ­Widerstandsfähigkeit Resilienz bezeichnete ursprünglich die Beschaffenheit von Baustoffen, die nach Krafteinwirkungen wieder in ihre Ursprungsform zurückkehren, etwa ein Schaumstoffball, den man zusammendrücken kann. In der Psychologie versteht man unter Resilienz die psychische Widerstandkraft. Resiliente Menschen besitzen die Fähigkeit, schwierige Lebensumstände, Krisen und Traumata zu verkraften und trotzdem psychisch gesund zu bleiben. Wie sich diese Fähigkeit entwickelt, steht seit mehreren Jahrzehnten im Zentrum der Resilienzforschung. Heute geht man davon aus, dass sich Resilienz in einer komplexen Wechselwirkung zwischen einem Kind, seinen engsten Bezugspersonen und Umwelteinflüssen entwickelt und sich im Laufe des Lebens auch verändern kann.

erwachsene Bezugsperson, die ihm Liebe und Geborgenheit vermittelte. Häufig war dies ein Elternteil, oft aber auch nähere Verwandte oder eine Lehrperson. Die im Folgenden beschriebenen Eigenschaften setzen eine solche stabile Beziehung voraus und entwickeln sich im Austausch zwischen Kind, Bezugsperson und Umwelt. Selbstwahrnehmung und ­Selbststeuerung

Bin ich mir meiner Gedanken und Gefühle bewusst? Kann ich diese ausdrücken und reflektieren? Resiliente Kinder und Jugendliche besitzen eine gut ausgeprägte Selbstwahrnehmung. Es geht ihnen nicht einfach schlecht: Sie wissen, ob sie traurig, wütend, enttäuscht oder nur mies gelaunt sind. Dadurch kennen sie nicht nur sich selbst besser, sondern können auch die Gefühle und Stimmungen anderer besser «lesen» und adäquat darauf reagieren. Gleichzeitig können sie ihre Gefühle regulieren. Dies bedeutet, dass sie ihren Emotionen >>>


Dossier

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Dossier

Drei Übungen, um das psychische ­Immunsystem Ihres Kindes zu stärken Seelische Widerstandsfähigkeit lässt sich trainieren, ganz einfach im Alltag. 1. Wenn dich etwas belastet, dann schreib es auf Was passiert, wenn jemand an fünf Tagen für jeweils 15 Minuten beschreibt, was ihn belastet, und dabei seinen Gefühlen und Gedanken freien Lauf lässt? Die Forschung zum expressiven Schreiben zeigt: sehr viel! Diese simple Übung verbesserte die Stimmung und das Wohlbefinden. Darüber hinaus konnten Forscher eine Menge zusätzlicher Effekte feststellen, die man fast nicht für wahr halten könnte, wenn sie nicht so gut abgesichert wären: Eine Stärkung des Immunsystems und weniger Arztbesuche konnten sogar über ein Jahr nach der Schreibwoche noch festgestellt werden.

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Studierende, die am Experiment teilnahmen, schrieben bessere Noten, und Arbeitslose fanden rascher eine neue Stelle. Sogar bei Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen konnten die Sympto­ me durch das Schreiben gelindert werden. Während des Schreibens nehmen die negativen Gefühle zu. Die positiven Effekte lassen aber nicht lange auf sich warten. Das expressive Schreiben ist eine wirksame Möglichkeit, sich belastenden Erlebnissen und Gefühlen mit voller Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie aktiv zu verarbeiten. Es hilft dabei, einen anderen Umgang damit zu finden oder mit schwierigen Episoden abzuschliessen. Probieren Sie es aus: Sie benötigen dazu nicht mehr als einen Stift und ein Blatt Papier oder den Computer. Kinder können auch eine Zeichnung machen. Was für eine lebensverändernde Erfahrung das Schreiben eines Tagebuchs für Jugendliche sein kann, zeigt das Beispiel von Erin Gruwell. Die junge Lehrerin unterrichtete an der Wilson Classical High School in Kalifornien eine Klasse von Jugendlichen, die aus schwierigsten Familienverhältnissen

stammten. Viele waren bereits straffällig geworden. Der Alltag der Jugendlichen war gezeichnet von Bandenkriegen, Schiesse­ reien und Drogen. Die meisten hatten bereits eine wichtige Bezugsperson durch Gewalt verloren. Erin Gruwell nutzte unter anderem das Tagebuchschreiben als Möglichkeit, den Jugendlichen bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu helfen. Wenn Sie sich und Ihre Kinder oder Schüler/innen zum Tagebuch­ schreiben inspirieren möchten, empfehlen wir Ihnen das Buch «Freedom Writers: Wie eine junge Lehrerin und 150 gefährdete Jugendliche sich und ihre Umwelt durch Schreiben verändert haben». Lesemuffel könnten sich von der Verfilmung mit Hilary Swank mitreissen lassen. 2. Begegnen Sie unnötigen Sorgen mit einem psychologischen Kniff Manchmal müssen wir mit wirklich belastenden Ereignissen zurechtkommen. Wir alle machen uns im Alltag aber auch viele unnötige Sorgen, bei denen wir im Nachhinein sagen müssen: «Da hätte ich mich jetzt wirklich nicht so verrückt machen müssen – die ganze Grübelei hätte ich mir sparen können.»

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>>> nicht ausgeliefert sind, sondern Möglichkeiten kennen, um ihre Gefühle zu beeinflussen. Dadurch können Sie beispielsweise trotz Wut im Bauch darauf verzichten, ein anderes Kind zu schlagen. Sie können ihre Ängste überwinden, an einer Aufgabe bleiben, obwohl sie keine Lust darauf haben, oder sich selbst beruhigen. Ein Kind kann diese Kompetenzen eher erwerben, wenn es Erwachsene um sich hat, die: • über eigene Gefühle sprechen. • ihm dabei helfen, seine Gefühle auszudrücken. • ihm einen kompetenten Umgang mit Emotionen vorleben. Die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen,

Nachts im Bett oder wenn wir uns müde, ausgelaugt oder ängstlich fühlen, quälen uns Sorgen, die wir in einem nüchternen Moment kaum ernst nehmen würden. Dabei begleiten uns negative Gedanken wie «Wenn ich das nicht schaffe, bin ich der totale Versager», «Warum muss gerade mir das passieren?», «Das könnte ich nicht aushalten» oder «Was ist, wenn xy passiert?». Bei genauerer Betrachtung sind die meisten dieser Gedanken übertrieben und einseitig. Aber dennoch können sie uns zusetzen, uns vom Schlafen abhalten und uns hilf- und hoffnungslos machen. Je nachdem, in welcher Stimmung wir über eine schwierige Situation nachdenken, sieht diese ganz anders aus. Sobald wir etwas besser gelaunt sind, fällt uns plötzlich ein, dass wir nicht so alleine, schwach und hilflos sind, wie wir uns eben noch gefühlt haben. Ein wirksamer psychologischer Kniff besteht darin, sich im Gefühlsstrudel seine negativen Gedanken aufzuschreiben und sich etwas später – in einem neutralen oder positiven Moment – damit auseinanderzusetzen. Dies ist besonders lohnenswert bei Sorgen, die uns und unsere Kinder immer wieder befallen.

Resiliente Kinder regulieren ihre Gefühle. Sie sind ihren Emotionen nicht einfach ausgeliefert, sondern können ihre Gefühle beinflussen. entwickelt sich über viele kleine Alltagssituationen hinweg: Nehmen wir an, ein Kind wurde in der Schule von einer Lehrperson ungerecht be­handelt. Es musste eine unpädagogische Äusserung über sich ergehen lassen oder wurde ungerecht benotet. Wie wsähe eine Reaktion aussehen, bei der ein Kind lernen kann, >>>

Und so gehen Sie vor: Schreiben Sie die Sorgen, Selbstzweifel oder Befürchtungen, die Sie oder Ihr Kind plagen, auf Kartei­ karten. Nehmen Sie für jeden einzelnen Gedanken eine neue Karteikarte. Wenn Ihr Kind beispielsweise Gedanken äussert wie «Mich mag eh keiner!», «Ich bin sowieso zu blöd» usw. können Sie diese zu Papier bringen. Hören Sie einfach nur zu, argumentieren sie nicht dagegen. Schreiben Sie die Gedanken für später auf. In einem besseren Moment nehmen Sie und Ihr Kind die Gedankenkärtchen hervor. Ziehen Sie beide jeweils einen negativen Gedanken und rücken Sie diesem zu Leibe. Sicher werden Ihnen nun viele Argumente einfallen, weshalb dieser Gedanke übertrieben oder sogar falsch ist. Schreiben Sie die Gegenargumente auf die Rückseite des Kärtchens. Auf der Vorderseite stünde zum Beispiel «Keiner mag mich», auf der Rückseite die Namen der Menschen, die das Kind gern haben, sowie die liebenswerten Seiten des Kindes. Sie machen das Gleiche für einen Ihrer Stressgedanken. Wenn Sie das für zwei, drei Gedanken gemacht haben, kommt die Herausforderung: Sie oder Ihr Kind ziehen einen Gedanken und das

Gegenüber muss so rasch wie möglich dagegen argumentieren. Mit etwas Übung fallen uns die Gegenargumente in immer schwierigeren Situationen ein, wodurch Stress und Hilflosigkeit reduziert werden. 3. Starten Sie gut in den Tag Die Frage «Worauf freust du dich heute?» kann uns den ganzen Tag versüssen. Sie hilft uns, auch kleine Glücksinseln im Alltag auszumachen und diese auszukosten. Das können ganz banale Dinge sein: der Schulweg mit der besten Freundin, die Stunde bei der Lieblingslehrerin, die Lieblingsserie, die heute Abend im Fernsehen läuft. Gerade wenn Sie oder Ihr Kind einen stressigen oder mühsamen Tag vor sich haben, lohnt es sich, solche Momente bereits im Vorfeld bewusst zu machen. Damit verbessert sich automatisch die Stimmung und man gewinnt mehr Energie, um auch den unliebsamen Punkten zu Leibe zu rücken. Manchmal merkt man bei dieser kurzen Übung auch, dass zu wenig schöne Momente auf einen warten und man noch etwas mehr davon einbauen sollte. Mit der Frage «Was würde den Tag heute besser machen?» lassen sich auch graue Tage aufpeppen.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 19


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>>> sein­e Gefühle auszudrücken und mit diesen umzugehen? Der Resilienzforscher Klaus Fröhlich-Gildhoff unterscheidet drei Reaktionsmöglichkeiten, von denen nur eine sinnvoll ist: • Manche Eltern möchten das Kind trösten, indem sie das Problem als Bagatelle abtun: «Ist doch nicht so schlimm.» Das birgt das Risiko, dass das Kind sich nicht ernst genommen fühlt. Vielleicht vertraut es mit der Zeit den eigenen Gefühlen nicht mehr oder behält diese lieber für sich. • Ähnlich ungünstig ist es, wenn die Eltern von ihren eigenen Gefühlen übermannt werden und sich dadurch nicht mehr um das Kind kümmern können. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sie derart wütend werden, dass sie das Ruder an sich reissen und gleich die Lehrperson anrufen oder in der Schule vorstellig werden. Manchmal werden dadurch Schwierigkeiten, die für das Kind zuvor noch gut zu handhaben schienen, durch die Eltern derart aufgebauscht, dass sie plötzlich unüberwindbar wirken. • Hilfreich wäre, wenn die Eltern dem Kind zunächst nur zuhören: Was ist genau passiert? Wie hast du dich dabei gefühlt? Sie können dazu die Gefühle des Kindes spiegeln: «Das hat dich sicher sehr geärgert.» Doch wie können wir in solchen Situationen beim Kind bleiben, anstatt uns in eigenen Gefühlen zu verlieren? Vielleicht hilft es, wenn wir unsere Emotionen mit dem Kind

Widerstandskraft ist nicht angeboren. Sie entwickelt sich, indem das Kind sich mit seiner Umwelt auseinandersetzt. 20

teilen: «Das ärgert mich gerade auch!» Beruhigend wirkt auch der Gedanke, dass wir nicht gleich etwas unternehmen müssen. Wir dürfen uns darauf konzentrieren, für unser Kind da zu sein, zuzuhören und mit ihm gemeinsam zu überlegen, wie es mit der Situation umgehen will. Dabei wird sich zeigen, ob es überhaupt weitere Hilfe von uns will und, wenn ja, in welcher Form. Sich um die Emotionen des Kindes kümmern

Bei der Arbeit mit Eltern durften wir immer wieder erfahren, dass es für Kind und Eltern entlastend ist, wenn sich Eltern zunächst ausschliesslich um die Gefühle des Kindes kümmern und nicht schon an eine Lösung denken. Wenn wir starke unangenehme Emotionen wie Ärger, Wut, Enttäuschung oder Angst empfinden, ist ein spezifischer Bereich in unserem Gehirn aktiv: die Amygdala. Wenn dieser Bereich feuert, geht die Hirntätigkeit in unserem präfrontalen Kortex, dem Sitz unseres bewussten Denkens, zurück. Genau diesen Bereich benötigen wir jedoch, um uns eine Lösung zu überlegen. In diesem Zustand werden auch Ideen und Lösungsvorschläge von aussen keinen Anklang finden: Sie reden gegen eine Wand. Ganz egal, ob es sich beim Gesprächspartner um ein Kind oder einen Erwachsenen handelt. Eltern können ihr Kind in diesem Moment aber fragen, was ihm jetzt guttun würde, und ihm versichern, dass sie gemeinsam mit ihm nach einer Lösung suchen werden, sobald es sich etwas besser fühlt: «Wir werden etwas unternehmen. Aber jetzt kochen und essen wir erst mal. Und nach dem Essen überlegen wir uns, was wir tun könnten.» «Fabian, hast du Zeit für mich?» Wenn meine Frau nach Hause kommt und enttäuscht oder wütend ist, schätzt sie es, wenn ich ihr eine halbe Stunde konzentriert zuhöre und vielleicht auch gemein- >>>


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September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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>>> sam mit ihr überlege, wie sie reagieren könnte. Ich hingegen möchte kurz sagen können, wie es mir geht – und dann bitte nicht darüber sprechen müssen. Ein Glas Wein und ein guter Film sind für mich genau das Richtige, wenn ich frustriert bin. Um eine Lösung kümmere ich mich gerne am nächsten Tag, falls das dann überhaupt noch nötig ist. Was tut Ihnen gut, wenn Sie gestresst sind? Was benötigt Ihr Partner / Ihre Partnerin, wenn er oder sie frustriert oder enttäuscht ist? Was hilft Ihren Kindern, wenn sie traurig sind? Je genauer einzelne Familienmitglieder wissen, welche Bedürfnisse die anderen haben, desto besser können sie sich gegenseitig unterstützen. Je besser ein Kind weiss, was ihm guttut, desto leichter kann es einen guten Umgang mit schwierigen Gefühlen finden. Vielleicht sorgen diese Fragen während eines Ausflugs, einer Zugfahrt oder einer Wanderung für spannenden Gesprächsstoff? Selbstvertrauen und Problem­ lösekompetenz

Widerstandskraft ist kein angeborenes Merkmal. Sie entwickelt sich im Laufe der Zeit, indem sich das Kind mit seiner Umwelt auseinandersetzt. Dabei erstarkt unser «psychisches Immunsystem» nur dann, wenn es ab und zu aktiviert wird, wenn Herausforderungen da sind, die unsere Widerstandskräfte mobilisieren. Jedes Problem, mit dem ein Kind konfrontiert wird, stellt auch eine Möglichkeit dar, Fähigkeiten im Umgang mit Problemen zu entwickeln, Selbstvertrauen zu gewinnen und sich als wirksam zu erleben. Hat ein Kind eine Belastung erfolgreich bewältigt oder ein Problem gelöst, geht es gestärkt aus dieser Erfahrung hervor. Nur so entwickelt es die realistische, positive Erwartung, dass es auch künftige Schwierigkeiten meistern kann. Was bedeutet das für uns als Eltern oder Lehrpersonen? Studien

zur Resilienz haben immer wieder gezeigt, dass die Bezugspersonen, die für die resilienten Kinder prägend waren, dem Kind nicht nur Liebe und Wertschätzung entgegenbrachten, sondern es auch herausforderten und ihm etwas zutrauten. Wenn ein Kind das Gefühl hat, zu dumm zu sein oder etwas nicht zu schaffen, dann benötigt es keine «Du schaffst das!»-Parolen oder jemand, der ihm alles abnimmt, sondern Erwachsene, die die Unsicherheit des Kindes aushalten können und die Geduld aufbringen, mit ihm nach einer Lösung zu suchen. Auch hier ist es hilfreich, zunächst die Gefühle des Kindes zu spiegeln: «Das scheint dir im Moment wie ein riesiger Berg» oder «Du kannst dir gerade nicht vorstellen, dass du das jemals können wirst». Problemlösekompetenzen entwickeln Kinder, wenn wir ihnen dabei helfen, sich in Ruhe mit einer Aufgabe auseinanderzusetzen: «Komm, jetzt lesen wir die Aufgabe mal durch», «Weisst du, was du machen musst?», «Was hast du davon verstanden?». Wir können ihm den aktuellen Stand bewusst machen und ihm helfen, Ziele und einen Plan zu entwickeln. Vielleicht hat sich Ihre Tochter heftig mit der besten Freundin zerstritten? Eine wunderbare Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu trainieren und die Erfahrung zu machen, dass Konflikte lösbar sind. Die Eltern könnten sagen: «Bei so einem Streit hat man oft das Gefühl: Das wird nie wieder gut. Weisst du, ich glaube, für Amelie ist es genauso schwierig wie für dich. Und ich glaube, nach der ersten Wut würde sie sich auch gerne wieder mit dir vertragen. Wollen wir überlegen, wie ihr das wieder hinbekommt?» Problemlösekompetenzen und Selbstvertrauen entwickeln Kinder dann, wenn sie zwar Hilfe erhalten, aber nur so wenig wie nötig – ganz nach dem Motto von Maria >>>

Je besser ein Kind weiss, was ihm guttut, desto leichter findet es einen guten Umgang mit schwierigen Gefühlen.

Literaturtipps Für Forschungsinteressierte • Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Von Dr. Corina Wustmann Seiler sowie Dr. Wassilios E. Fthenakis (Hrsg.). 6. Auflage. Cornelsen Verlag 2004. • Resilienz. Von Klaus Fröhlich-Gildhoff und Maike Rönnau-Böse. 4. Auflage Auflage. UTB GmbH 2015. Biografien von resilienten Persönlichkeiten Viele Menschen, die Spuren hinterlassen haben, mussten Schreckliches erleben: Charles Chaplin wuchs in einem Armenhaus auf, Anne Frank starb in einem KZ, Viktor Frankl und Nelson Mandela mussten Jahre der Gefangenschaft erdulden. Ihre Geschichten inspirieren Jugendliche und Erwachsene gleichermassen. • Tagebuch. Anne Frank. Fischer Taschenbuch Verlag 2011. • Die Geschichte meines Lebens. Charles Chaplin. Fischer Taschenbuch Verlag 1998. • … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Viktor E. Frankl. Kösel-Verlag 2009. • Der lange Weg zur Freiheit. Nelson Mandela. Fischer Taschenbuch Verlag 1997.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 23


Dossier

>>> Montessori «Hilf mir, es selbst zu tun». Wann immer es Ihrem Kind gelungen ist, ein Problem zu lösen, können Sie mit ihm darüber spre­ chen, wie es das geschafft hat. Damit helfen Sie ihm, sich nützliche Stra­ tegien bewusst zu machen und sich diese für spätere Gelegenheiten zu merken. Mit der Zeit fühlt es sich für eine immer grössere Bandbreite an Herausforderungen ge­­wappnet. Der Umgang mit Problemen beeinflusst jedoch nicht nur die Selbstwirksamkeit, sondern prägt auch die Persönlichkeit. Oftmals bleibt uns angesichts der kleineren und grösseren Widrigkeiten des Lebens kaum etwas anderes übrig, als uns in wichtigen Tugenden wie Aus­ dauer, mentaler Stärke, Geduld oder Hilfsbereitschaft zu üben. Wir können mit Kindern und Jugendlichen von Zeit zu Zeit einen Blick zurück werfen auf diejenigen Momente, an denen sie als Persön­ lichkeit gewachsen sind. Oftmals wird ihnen dabei bewusst, dass sie bereits einige Hürden genommen haben und mittlerweile mehr Kraft und innere Stärke in ihnen steckt, als sie vielleicht bisher angenommen haben. Eine Möglichkeit, diese Refle­ xion im Klassenverband anzuregen, bietet die sogenannte Heldenreise, die wir Ihnen auf Seite 26 vorstellen. In unserer Kultur gelten Optimis­ ten oftmals als realitätsfremd und naiv. Als wir in einem unserer Semi­ nare darüber sprachen, wie wichtig es für Kinder sei, eine optimistische Grundhaltung zu entwickeln, ent­ gegnete eine Mutter: «Das sehe ich anders. Ich muss mein Kind doch

Menschen mit einem gesunden Optimismus leben länger, sind körperlich fitter und haben glücklichere Beziehungen. 24

auf die Realität vorbereiten! Wenn man vom Schlimmsten ausgeht und sich innerlich darauf vorbereitet, dass die Welt nun mal ungerecht ist und dass andere Menschen einen ausnützen wollen, wenn man zu nett zu ihnen ist, ist man besser dran und wird seltener enttäuscht!» Letzteres ist definitiv nicht der Fall. Menschen, die davon ausgehen, dass die Welt schlecht ist, und tief im Inneren bangen, dass eine düstere Zukunft vor ihnen und ihren Kin­ dern liegt, sorgen schlussendlich dafür, dass es ihnen selbst und ihren Familien tatsächlich schlechter geht. Wer dem Leben mit einer pessimis­ tischen Haltung gegenübertritt, lenkt seine Aufmerksamkeit auto­ matisch auf alle Aspekte, die dieser Einstellung entsprechen: auf das «gemeine Kind» auf dem Spielplatz, die Schulfreundin, die ein Geheim­ nis ausplaudert, die rücksichtslosen älteren Schüler, die einen Teil des Pausenhofs für sich beanspruchen, auf den ungerechten Lehrer, die strenge Sporttrainerin.

reicher. Mit Optimismus ist kein blauäugiges positives Denken ge­­ meint, sondern die Überzeugung, dass das Leben lebenswert ist, viel Schönes bereithält und sich Krisen und Schwierigkeiten überwinden lassen. Doch wie können Familien opti­ mistischer werden? Bei dieser Frage kommt man fast nicht an der Dank­ barkeit vorbei. Die bekannte Talk­ masterin Oprah Winfrey, die als Kind in bitterer Armut aufwuchs und sexuellen Missbrauch erleben musste, schreibt dazu: Ein Dankbar­ keitstagebuch zu führen «war der wichtigste Schritt, den ich in mei­ nem gesamten Leben gemacht habe. Egal, was gerade in deinem Leben vorgeht. Wenn du dich darauf kon­ zentrierst, was du hast, wirst du letztlich immer mehr haben als zuvor. Wenn du dich darauf konzen­ trierst, was du nicht hast, wirst du nie, nie, nie genug haben.» Auch die Familie Morand (die Sie im Interview auf Seite 28 kennenler­

Fit und glücklich dank Optimismus

All diese Erlebnisse werden zur Bestätigung, wie schlimm und unge­ recht die Welt ist. Wer mit dieser Brille durchs Leben geht, empfindet negative Gefühle länger und stärker. Und ihm entgehen die vielen Momente, in denen andere Kinder hilfsbereit, freundlich oder loyal sind, die Lehrpersonen sich wert­ schätzend auf das Kind einlassen und die strenge Sporttrainerin durch kla­ re Regeln und Rückmeldungen dafür sorgt, dass das Kind sich über Fort­ schritte freuen kann. Momente, die für positive Gefühle sorgen, geraten in den Hintergrund, gleichzeitig wer­ den negative Gefühle wie Ärger, Missgunst, Neid oder Enttäuschung geschürt. Die Forschung zeichnet ein deut­ liches Bild: Menschen mit einem gesunden Optimismus leben länger, sind körperlich fitter, haben glückli­ chere Beziehungen und sind erfolg­ September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier

Den Moment geniessen

Als Eltern können wir unsere Kinder dazu anleiten, ab und zu innezuhalten und den Moment zu geniessen. Wir können uns gemeinsam mit ihnen Zeit nehmen, um dankbar zu sein für all das Gute, das uns manchmal selbstverständlich erscheint. Wenn wir selbst oder unsere Kinder einen Schicksalsschlag oder eine schwierige Lebenssituation bewältigen müssen, ist es nicht leicht, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Manchmal finden wir Trost und

Wie können Familien optimistischer werden? Zum Beispiel durch die Einführung eines Dankbarkeitsrituals. neue Zuversicht in den Geschichten von Menschen, die Ähnliches durchmachen mussten. Immer wieder stossen wir auf inspirierende Biografien von Persönlichkeiten, die sich trotz schwerer Vergangenheit ein zufriedenes und erfolgreiches Leben erkämpft haben. Indem wir solche Beispiele mit belasteten Jugendlichen teilen, vermitteln wir ihnen ein wenig Hoffnung, dass Unglück nicht zwangsläufig von Dauer sein muss. >>>

nen) hat sich in ihrer schwierigen Lebensphase aktiv darum bemüht, ein Dankbarkeitsritual in der Familie zu pflegen. Vor Weihnachten wurde die Wohnung mit Zetteln dekoriert, auf die George und seine Kinder schrieben, wofür sie trotz allem Schwierigen dankbar sind.

Stefanie Rietzler

Fabian Grolimund

sind Psychologen, leiten die Akademie für Lerncoaching in Zürich und sind Autoren der Bücher «Mit Kindern lernen» sowie «Erfolgreich lernen mit ADHS». www.mit-kindern-lernen.ch www.biber-blog.com

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Dossier

Mit Geschichten zu innerer Stärke Ein Mittel, um Kinder in ihrer Resilienz zu fördern, ist die sogenannte «Heldenreise». Eine Anleitung für Lehrpersonen. Text: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler

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edes Kind bringt seine Ge­­ schichte mit ins Klassenzim­ mer. Manche sind geprägt von einem liebevollen Familienkli­ ma, schulischen Erfolgserleb­ nissen und stabilen Freundschaften. Andere kämpfen an allen Fronten. Der Lehrer Daniel Pennac schreibt dazu in seinem Buch «Schulkum­ mer»: «Unsere ‹schlechten Schüler› (jene, aus denen angeblich nichts wird) kommen nie unbeschwert. Was da die Klasse betritt, ist eine Zwiebel: mehrere Schichten aus Kummer, Angst, Sorgen, Groll, Wut, ungestillten Begierden, zorniger Resignation, die sich um einen Kern schmachvoller Vergangenheit, bedrohlicher Gegenwart und ver­ bauter Zukunft legen. Wirklich be­­ ginnen kann der Unterricht erst, wenn dieses Gepäck abgestellt und die Zwiebel geschält ist.» Doch wie kann man als Lehrper­ son dazu beitragen, dass Schüler/ innen ihren Rucksack für einen Moment abstellen und sich auf den Unterricht einlassen können? Und wie stärkt man Kinder für den Umgang mit schwierigen Situatio­ nen? Eine Möglichkeit dazu bietet die Heldenreise. Sie regt Kinder und Jugendliche dazu an, Modelle für den Umgang mit Krisen und Wid­ rigkeiten zu entdecken, und sensibi­ lisiert sie dafür, das Heldenhafte an ihrer eigenen Lebensgeschichte auf­

Helden sind stark, loyal und klug, aber es gibt auch die andere, zweifelnde Seite. 26

zuspüren. Sie inspiriert zu Lösungen und Tugenden wie Tapferkeit, Mut, Ausdauer, Hilfsbereitschaft, Gross­ zügigkeit oder Hingabe. Die Arbeit am Thema Helden eröffnet die Mög­ lichkeit, Kinder in schwierigen Situa­­tionen zu begleiten, ohne sich als Lehrperson in der Rolle des Hel­ fers zu verlieren. Darüber hinaus können sich die Schüler/innen aus­ tauschen, einander besser kennen­ lernen und sich gegenseitig eine Hilfe sein, während ganz normaler Unterricht stattfindet. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Hel­ denreise in den Unterricht zu integ­ rieren. Eine Variante stellen wir Ihnen nachfolgend vor. 1. Heldengeschichten sammeln

In einem ersten Schritt tragen die Kinder Heldengeschichten zusam­ men. Sie können dazu: • einen Aufsatz über das Thema «Wer ist für mich eine Heldin oder ein Held?» schreiben; • Figuren oder Bilder ihrer Lieb­ lingshelden aus der Realität, aus Filmen oder aus Comics mitbrin­ gen; • ihre Eltern oder Bezugspersonen in­­terviewen, wer für diese aus welchem Grund heldenhaft ist. Es lohnt sich gerade bei jüngeren Kindern, auch die Eltern oder Gross­ eltern zu diesem Thema befragen zu lassen. Andernfalls läuft man Gefahr, dass sich die Beispiele auf Batman, Spiderman & Co. beschränken. Die Schüler/innen können der Klasse ihre Helden vorstellen, indem sie eine Passage aus einem Buch vorle­ sen, wichtige Stationen aus dem Leben in einem Kurzvortrag be­­ leuchten oder die wichtigsten Eigen­

schaften auf einem Plakat oder Steckbrief festhalten. 2. Das Heldenhafte herausarbeiten

Nachdem einige Heldinnen und Hel­ den vorgestellt und deren Geschich­ ten besprochen wurden, werden in der Klasse Gemeinsamkeiten her­ ausgearbeitet. Sie können sich dabei an den folgenden Leitfragen orien­ tieren: • Was zeichnet eine Heldin bzw. einen Helden aus? • Wie ist eine typische Heldenge­ schichte aufgebaut? Welchen chronologischen Verlauf weist sie auf? Welche Elemente gehören dazu? Meist stellen die Kinder zuerst das Offensichtliche fest: Helden sind stark, loyal, klug, mutig oder tapfer. Langsam, oft auch durch Anleitung, entdecken sie die anderen Seiten: Sie merken, dass ihre Helden zu Beginn unsicher sind, sich weigern, die ihnen gestellte Herausforderung anzunehmen, und immer wieder an sich zweifeln. Es wird ihnen bewusst, dass Helden nicht alleine stark sind, sondern auf Gefährten und eine/n Mentor/in angewiesen sind. Sie erkennen, dass jemand nicht von Anfang an ein Held ist, sondern sich die charakteristischen Eigenschaften in einem inneren und äusseren Rin­ gen erwirbt, indem er sich Heraus­ forderungen stellt, Verletzungen aus der Vergangenheit überwindet, Ver­ suchungen widersteht – und dabei über sich hinauswachsen muss. 3. Den Transfer ins eigene Leben anregen

In einem dritten Schritt werden die Schüler/innen dazu angeregt, sich

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Das Ziel besteht darin, die Schüler/ innen erkennen zu lassen: Auch ich habe heldenhafte Momente in meinem Leben. Ich kann mit Herausforderungen umgehen, Ausdauer, Tapferkeit und Mut entwickeln und darf mir Hilfe holen. Jugendliche können ihre persönliche Heldenreise schreiben. Dabei orientieren sie sich an den Merkmalen der Heldenreise, die im zweiten Schritt herausgearbeitet wurde, und überlegen sich: Wo bin ich mit einer Herausforderung konfrontiert worden, die Zweifel, Unsicherheiten, Wut oder Scham in mir ausgelöst hat? Gab es Gefährten, die mir in dieser Situation beigestanden sind? Welche Eigenschaften musste ich entwickeln, um die Herausforderung anzunehmen? Wie habe ich diese Situation bewältigt? Wie kann ich die dadurch entwickelten Eigen-

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Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen können: Auch ich habe heldenhafte Momente in meinem Leben.

schaften, Charakterstärken und Fähigkeiten nutzen, um zukünftige Schwierigkeiten zu meistern? Dabei ist es wichtig, dass diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte als Schreib- und Refle­ xionsübung verstanden wird und nicht als Aufsatz, der bewertet wird. Wichtig ist, dass die Schüler/innen selbst entscheiden dürfen, ob und wie viel sie davon mit der Klasse und der Lehrperson teilen möchten.

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an diesen Modellen zu orientieren und die Eigenschaften ihrer Heldinnen und Helden zu verinnerlichen. Jüngere Primarschulkinder können sich mündlich oder schriftlich mit Fragen befassen, die sie ihren Helden näherbringen: • Wo und wann habe ich schon einmal Mut gezeigt bzw. Angst und Zweifel überwunden? • Wo habe ich mich schon einmal durchgebissen, obwohl es schwierig war und ich dachte: «Ich schaff das nicht!»? • Wann habe ich mich schon einmal für andere oder für eine Sache eingesetzt, die mir wichtig ist? • Wer sind für mich wichtige «Gefährten» und «Mentoren»? • Welche Situation ist für mich im Moment schwierig? Was würde mein/e Held/in tun?

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 27


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« Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie krisenfest Kinder werden können» Nach 21 Jahren Beziehung bricht die Ehe von Georges Morand auseinander. Die Scheidung stürzt die Familie in eine schwere Krise. Die Kinder, damals 14, 14, 16 und 19, entscheiden sich, zusammenzubleiben und beim Vater zu wohnen. Im Interview erzählen Vater und Kinder, wie sie damit umgegangen sind. Interview: Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler

Georges Morand, wie haben Sie die Trennung von Ihrer damaligen Frau erlebt?

Georges Morand: Die Familie war neben dem Beruf mein grosser Traum. Ich musste Abschied nehmen von diesem Traum und dem, was ich mir für das Aufwachsen meiner Kin­ der gewünscht hatte. Die ganze Situa­ tion konnte ich kaum einordnen. Da 28

war so viel Wut, Trauer, Verzweif­ lung. Ich war überfordert. Plötzlich musste ich für mich einen Umgang damit finden und mir gleichzeitig überlegen, wie die Kinder das schaf­ fen. Ich musste ja auch 100 Prozent weiterarbeiten und wusste nicht, wie das alles gehen soll. Sie haben sich viele Sorgen um die Kinder gemacht?

Georges Morand: Ja. Ein zerbroche­ nes Elternhaus ist immer schwer für Kinder. Ich weiss, dass kein perfektes Lebensumfeld nötig ist, aber ich fand, dass unsere Trennung zu um­­ gehen gewesen wäre. Für euch kam die Trennung ähnlich überraschend?

Nadine: Ja. Mama und Papa haben sich vor uns nie gestritten. In unse­ September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo

Die Morands (von links): Patric, Nadine, Georges, Nicola und Viola.


rem Umfeld waren sie oft ein Vorbild für andere Paare. Ich war damals 19 und hatte eine sehr enge Beziehung zu meiner Mutter und hätte nie gedacht, dass sie sich einfach so neu verlieben könnte. Ich glaube, deswegen war es besonders tragisch, weil meine Eltern vorher so ein gutes Team waren. Nicola: Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem wir erfahren haben, dass Mama sich neu verliebt hat. Das war ein riesiger Schock. Nach dem emotionalen Gespräch meinte mein Vater, dass er uns für diesen Tag von der Schule abmelde. Aber ich wollte trotzdem hin, den Alltag normal weitermachen. In der Schule habe ich gemerkt, dass das nicht so einfach ist. Aber wir hatten in den ersten Monaten alle

die Hoffnung, dass unsere Eltern wieder zusammenkommen und alles wieder gut wird. Viola: Als wir aber realisierten, dass wir als gesamte Familie nicht zusam-

«Papa braucht uns mehr als unsere Kollegen beim Feiern.» menbleiben können, war es für uns Kinder eine unfassbare Tragödie. Wir haben viel geweint. Ich konnte mir kaum vorstellen, was nun auf uns zukommt, wie sich ein Zuhause ohne unsere Mutter anfühlt und wann

wieder Normalität und der «Alltag» einkehren. Wie seid ihr damit umgegangen?

Patric: Für mich brach eine Welt zusammen. Ich fiel in ein Loch, war wütend und konnte es nicht verstehen. Wir verloren einen Teil der Familie, damit konnte ich nicht umgehen. Nicola: Am Anfang mussten wir alle einfach funktionieren. Wie Papa immer gesagt hat, waren wir jetzt eine WG, und alle mussten mit anpacken. Die Aufgaben im Haushalt wurden aufgeteilt: kochen, Wäsche machen, putzen. Viola: Mein Zwillingsbruder Nicola und ich haben sicher ein Stück weit auf unsere Pubertät verzichtet. Andere gingen am Wochenende aus, wir wollten lieber daheim >>>

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Heidis Heimat entdecken

Dem Heidi-Mytho s auf der Spur Fotocredit: Heidi land Tourismus/B oris Baldinger

Besuch im Heididorf in Maienfeld. «Vom freundlichen Dorfe Maienfeld führt ein Fussweg durch grüne, baumreiche Fluren bis zum Fusse der Höhen, die von dieser Seite gross und ernst auf das Tal herniederschauen». Seit Johanna Spyri im Jahr 1880 ihr weltberühmtes Buch «Heidis Lehr- und Wanderjahre» mit diesem Satz begann, wird Maienfeld in der Ferienregion Heidiland mit Heidi in Verbindung gebracht. Heute spazieren Besucher gemütlich vom Bahnhof Maienfeld durch die Gassen des historischen Städtchens, vorbei an einigen prächtigen Brunnen mit erfrischendem Trinkwasser hoch nach Rofels. Der friedliche Weiler mit herrlichem Blick ins Tal ist Standort des Heididorfes, welches das «Original Heidihaus» (ein Wohnhaus mit Einrichtung wie zu Heidis Zeiten), Heidis Alphütte sowie echte Geissen

beheimatet. Ausserdem findet man im Heididorf ein kleines Museum, welches Johanna Spyri gewidmet ist, sowie einen Dorf- und Souvenirladen mit der kleinsten Poststelle der Schweiz und dem Heididorf-Sonderstempel. Im Restaurant Heidihof können sich die Besucher stärken, bevor es auf dem Heidi-Erlebnisweg mit 12 Stationen in gut 1,5 Stunden Gehzeit vom Heididorf hoch zur Heidialp geht. Und wer schon einmal den Ausblick von der Heidialp ins Tal genossen hat, kann gut nachvollziehen, weshalb sich Johanna Spyri hier zu ihren Heidi-Romanen inspirieren liess. www.heidiland.com/heidi

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 29


Dossier

>>> sein. Wir dachten, Papa brau­ che uns mehr, als unsere Kollegen uns beim Feiern brauchten. Wir mussten schneller erwachsen und selbständig werden. Schlimm fan­ den wir das aber nicht. Georges Morand: Das war wiederum meine Hauptsorge! Dass sie etwas verpassen, weil sie zu viel Verant­ wortung übernehmen wollen, anstatt einfach jung zu sein und zu pubertieren. Nicola: Wir hatten immer diese Angst: Schafft unser Papa das? Hält er das durch? Da dachten wir, wir müssen ihm möglichst viel abneh­ men. Was hat euch in dieser Krise am meisten geholfen?

Nadine: Gespräche mit Freunden, Ablenkung, Gott und unser Umfeld unterstützten uns. Wir hatten Freunde von meinen Eltern, die sofort eingesprungen sind. Sie haben uns zum Beispiel die Wäsche gemacht und sogar monatlich etwas zur Wohnungsmiete beigesteuert. Dafür sind wir sehr dankbar! Viola: Unsere Freunde haben sich bewusst darum bemüht, dass wir abgelenkt werden, Schönes erleben und weg von zu Hause kommen. Somit hatte auch unser Vater mal etwas Ruhe und Zeit für sich. Das hat mir viel Kraft gegeben.

«Es war schön, dass die Kinder sich für mich entschieden hatten. Aber auch schön schwer.» Nicola: Für uns war auch die Ver­ einsmitgliedschaft im Cevi (YMCA) ein wichtiger Teil. Das hat uns ein Fundament gegeben und auch Ablenkung – mit Freunden etwas erleben. Es war wie ein zweites Zuhause. Viola: Meine älteste Schwester Na­­ dine lernte in dieser Zeit ihren heu­ 30

tigen Mann kennen. Auch er nahm eine wichtige Rolle ein. Er gab anfangs seine Wohnung für unsere Mutter frei, damit sie ausziehen konnte, und zog zu uns. Er wurde schnell zu einem wichtigen Mitglied der Familie. Nadine: Er ist humorvoll und brach­ te uns in dieser Zeit viel zum Lachen. Oft hat er einzeln etwas mit uns Geschwistern unternommen. Wir gingen grillieren, Fussball spielen oder setzten uns in den Golf und fuhren durch die Gegend. Wie war es unter euch Geschwistern?

Viola: Für uns war klar, wir möchten als Geschwister zusammenbleiben und bei Papa wohnen. Wir sind in dieser Zeit zu einer unzertrennli­ chen Einheit zusammengewachsen. Wir konnten gemeinsam heulen und wütend sein, aber auch lustige Momente erleben. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass es weitergeht und dass wir es schaffen. Patric: Es ist ein Geschenk, dass wir mit Papa ein Team waren und ein­ ander geholfen haben. Es war wich­ tig, zu wissen, dass wir diesen Zu­­ sammenhalt nicht verlieren. Georges Morand: Die Küche wurde in dieser Zeit sehr viel genutzt, eben­ so die Stube. Jeder suchte Nestwär­ me. Stundenlang haben wir zu Abend gegessen oder am Sonntag gebruncht und geredet. Nicht nur über schwierige Dinge, auch über viel Schönes. Die Einzelzimmer waren in dieser Zeit nicht so beliebt (lacht). Georges Morand, Sie waren voll berufstätig, hatten vier Kinder zu versorgen und eine Trennung zu verarbeiten. Wie sind Sie damit zurechtgekommen?

Georges Morand: Es war schön, dass sich die Kinder für mich entschie­ den hatten, aber auch schön schwer. Ich wusste nicht, wie ich das alles bewältigen sollte. Die Scheidung habe ich als persönliches Scheitern erlebt. Aber wir gaben unser Bestes, und mehr und mehr gelang es uns, wieder Boden zu gewinnen. Nach

zehn Monaten – als vieles wieder rundlief – brach ich zusammen, hat­ te eine Erschöpfung. Zehn Wochen war ich krankgeschrieben, mit an­­ schliessender langsamer Aufbau­ phase. Hilfreich war in dieser Zeit die therapeutische Begleitung, um die Situation aus mehr Distanz zu reflektieren.

«Es gibt Menschen, die haben viel Schlimmeres erlebt und haben es auch geschafft.» Was haben Sie in der Therapie erfahren?

Ein wichtiger Gedanke, den ich aus der Therapie mitgenommen habe, war: «Sie sind nicht dafür verant­ wortlich, Ihre Kinder vor jeglichen Nöten zu schützen.» Ebenso waren auch einige Männerfreundschaften für mich sehr wichtig. Zudem habe ich viel gelesen. In einem Buch stiess ich auf die Sätz «Sie können an Ihrer Scheidung wachsen» und «Auch Ihre Kinder können an Ihrer Schei­ dung wachsen». Das hat mir eine neue Sicht eröffnet. Und schliesslich war Tagebuch schreiben enorm hilf­ reich. In Ihrem Buch sprechen Sie auch von einer Art Urvertrauen, das Sie in sich tragen.

Ich meine dieses Gefühl: «Ich weiss momentan zwar nicht, wie es wei­ tergehen soll, aber es geht weiter. Es gibt Menschen, die haben viel Schlimmeres erlebt und haben es auch geschafft.» Woher ich dieses Urvertrauen habe, weiss ich nicht. Von meinen Eltern habe ich das nicht mitbekommen. Aber schon als Kind hatte ich etwas in mir, von dem ich dachte, dass ich mir das nicht nehmen und von niemandem kaputt machen lasse. Es ist eine Art innerer Bunker. Später habe ich bei Anselm

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Gab es einen speziellen Wendepunkt für euch?

Viola: Ich empfand es als Befreiung, dass mit Papas neuer Partnerin nach Jahren wieder jemand da war, der die engste Bezugsperson in seinem Leben sein konnte. Nicola und ich spürten, dass wir das nun nicht mehr abzudecken brauchten. So war es leichter, wieder loszulassen. Dann konnten wir auch endlich in Ruhe pubertieren (lacht). Patric: Mir war es sehr wichtig, dass Mama und Papa beide glücklich sind. Ich bin froh, dass es heute wie­ der jemanden gibt, der in Papas Herzen einen besonderen Platz hat. Was würdet ihr anderen Familien raten, die in einer Krise stecken?

Patric: Gebt einander Kraft, stützt euch gegenseitig und schaut, dass alle Beteiligten zu Freunden gehen können und auch schöne Dinge erleben können. Das gibt Halt. Viola: Rückblickend hat es mir sehr geholfen, dass unser Vater authen­ tisch war. Er zeigte offen seine Gefühle, hat auch ab und zu geweint, war wütend und hat uns offen ge­­ sagt, was er momentan verträgt und was nicht. So wussten wir immer,

woran wir sind. Und er gab zu, wenn er am Ende war und nicht mehr konnte. Dadurch war es auch für mich leichter, zu meinen Gefühlen zu stehen und Schwäche zu zeigen. Gleichzeitig wusste ich, es gibt auch Platz, um Glücksgefühle auszudrü­ cken. Georges Morand: Den Kindern den Rücken zu stärken, dass sie ausdrü­ cken können, was sie möchten und was nicht. Mir war es wichtig, dass wir alle ehrlich zu unseren Gefühlen stehen können. Viola: Es braucht die Akzeptanz untereinander, dass jeder eine schwierige Lebenssituation anders verarbeitet. Den anderen zugeste­

Georges Morand: Dieser Respekt für die Gefühle der anderen war immer wichtig für uns. Es geht auch darum, die Jahre davor zu würdigen; zu merken, dass nicht alles kaputt ist, dass so viel Gutes in Kinderherzen haften bleibt und gespeichert ist. Eine Scheidung schafft es nicht, all das zu zerstören. Ich habe anfangs so gefühlt, aber heute weiss ich es besser. >>>

Grün gelesen, dass man dies den inneren Raum nennt – die Würde des Menschen.

«Es bleibt viel Gutes in Kinderherzen haften und wird gespeichert.» hen können, dass es beim einen länger dauert, bis er/sie bereit ist für gewisse Schritte, und dass einen gewisse Themen stärker beschäfti­ gen als andere.

Interviewpartner: Georges Morand, 57, ist Theologe und Coach. Nadine, 32, aktuell in Elternzeit und Mutter zweier Kinder. Patric, 30, wohnt und arbeitet als Gärtner in der Stiftung Brunegg, die Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit einer Behinderung anbietet. Viola, 26, ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Nicola, 26, ist Sozialpädagoge in Ausbildung.

Im nächsten Heft:

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo

Digitale Schule Programmieren in der Primarschule, Vorträge am Tablet in der Sek: die Schweizer Schulen werden immer multimedialer. Wie verändert sich dadurch das Lernen? Und wie viel digital ist zu viel? Mehr dazu in unserem grossen Dossier im Oktober.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 31



Monatsinterview

« Es geht um die Qualität des Zusammenlebens und nicht um Geld und Karriere» Seit 1993 begleitet Margret Bürgisser im Rahmen einer Studie Paare, die sich sowohl die Erwerbsarbeit als auch die Kinderbetreuung gleichwertig teilen. «Egalitär» nennt sie diese Rollenteilung und spricht von einem Erfolgsmodell. Die Soziologin über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Verzicht auf Status und das Gefühl des «Ungenügendseins». Interview: Evelin Hartmann Bilder: Herbert Zimmermann / 13 Photo

Ein Familienquartier am Luzerner Stadtrand. Zwischen den gepflegten neuen Häusern spielen Kinder, fahren Velo und Trottinett. Für die Eltern stehen Bänke bereit. In der obersten Etage eines dieser Häuser wohnt Margret Bürgisser mit ihrem Mann. Von ihrer Dachterrasse aus kann sie die Kinder beobachten. «Schön, dass Familien hier so viel Raum haben», sagt die Soziologin, und: «Wollen wir das Gespräch hier draussen oder im Wohnzimmer führen? Ich richte mich nach Ihnen.» Margret Bürgisser, Sie haben die Lösung für ein Problem gefunden, dass viele Mütter und Väter umtreibt. Wie lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren?

Als Patentrezept für jeden Mann und jede Frau würde ich meine Studien­ ergebnisse nicht bezeichnen. Aber ja, meinen Erhebungen zufolge er­weist sich das «egalitäre» oder partnerschaftliche Rollenmodell als Weg zur besseren Vereinbarkeit von

Familie und Beruf und zum Errei­ chen einer hohen Lebensqualität für die ganze Familie. Sie haben 28 Elternpaare aus der Deutschschweiz in Abständen von etwa zehn Jahren dreimal über ihre Rollenteilung interviewt.

«Das Modell gewährleistet, dass die Hausarbeit – das ungeliebte Stiefkind – auf beide Partner aufgeteilt wird.» Als ich 1993 mit meinen Recherchen begann, gab es nur sehr wenige Paa­ re, die solch ein Familienmodell lebten. Um eine substanzielle Betei­ ligung der Väter an Kinderbetreuung und Hausarbeit zu gewährleisten, habe ich bewusst diejenigen Paare

gewählt, bei denen die Männer 50, 60 oder maximal 70 Prozent berufs­ tätig waren. Heute würde ich das egalitäre Modell offener definieren. Und wie?

Unter egalitärer Rollenteilung ver­ stehe ich eine Arbeitsteilung zwi­ schen Mutter und Vater, die in einem ähnlich grossen Teilzeitpensum berufstätig sind und sich die Verant­ wortung für Berufsarbeit, Kinderbe­ treuung und Hausarbeit gleichver­ antwortlich teilen. Im September erscheint Ihr Buch: «Partnerschaftliche Rollenteilung – ein Erfolgsmodell», die Quintessenz Ihrer Erkenntnisse. Damit wollen Sie jungen Eltern Mut machen, dieses Modell zu leben. Worin liegen denn die Vorteile?

Die partnerschaftliche Rollenteilung bietet Eltern die Möglichkeit, sowohl ihrem Beruf nachgehen zu können als auch an der Entwicklung der Kin­ der teilzuhaben. Und es gewährleis­ tet, dass die Hausarbeit – das un­­ geliebte Stiefkind – auf beide >>>

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 33


Monatsinterview

>>> Partner aufgeteilt wird. Wenn die Verantwortung für die Erwerbs­ arbeit auf zwei Schultern ruht, ver­ teilt sich ausserdem das Risiko der Existenzsicherung. Das hört sich traumhaft an. In der Praxis klagen aber vor allem Mütter, dass sie sich zwischen Job und Familie zum Teil bis zur Erschöpfung aufreiben.

Ich vermute, dass dieses Gefühl des Unvermögens in der ersten Fami­ lienphase, wenn die Kinder klein sind, sehr verbreitet ist. Irgendwo kommt immer etwas zu kurz. Man hat als junge Mutter oder junger Vater nun mal nur begrenzte Mög­ lichkeiten – unabhängig vom Fami­ lienmodell. Wenn aber die Mutter zu Hause bleibt, um einem Ideal zu entsprechen, obwohl sie eigentlich andere Ambitionen hätte, kann auch das in ihr Gefühle des «Ungenügend­ seins» auslösen. Meines Erachtens liegt das Problem auch darin, dass die meisten Paare die Rollen trotz Berufstätigkeit der Frau oftmals nicht wirklich teilen. Der Vater arbeitet weiterhin 100 Prozent und die Mutter trägt neben ihrem 50-ProzentErwerbspensum zu Hause weiterhin die Hauptverantwortung.

Paare mit jüngstem Kind unter drei Jahren arbeiten in der Schweiz in etwa gleich viel, nämlich die Frauen 71,7 und die Männer 71,4 Stunden pro Woche. Das ist die Summe aus Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Hausarbeit. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern liegt darin, dass die Arbeit der Männer mehrheitlich bezahlte Erwerbsarbeit ist und die der Frauen unbezahlte Familienarbeit. Verständlicherweise haben Frauen immer noch das Gefühl, dass die Koordination von Kinderbetreuung und Hausarbeit mehrheitlich bei ihnen liegt. Die Frau ist also so etwas wie die logistische Schaltzentrale der Familie.

Genau. Von daher stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass mehr Fami­ lienarbeit an der Mutter hängen bleibt als am Vater. Aber es hängt eben von der Höhe der Arbeitspen­ 34

sen ab. Arbeiten Mann und Frau ähnlich viel, gleicht sich die Rollen­ teilung in der Praxis an. Wenn ein Vater (mindestens!) einen Tag pro Woche zu Hause für alles allein ver­ antwortlich ist, vom Kochen übers Waschen bis hin zur Kinderbetreu­ ung, fühlt er sich ebenso für den häuslichen, familiären Bereich ver­ antwortlich.

«Paare, die sich gemeinsam entwickeln, haben stabilere Beziehungen als andere Paare.» Aber in dem Fall bleibt nicht nur ein Partner, sondern gleich beide hinter ihren beruflichen Möglichkeiten zurück.

Die von mir befragten Paare betonen mehrheitlich, dass die Karriere für sie nicht im Vordergrund stand. Ver­ stehen sie mich nicht falsch: Das sind zum Teil hochqualifizierte Fachleu­ te, die sich als leistungs- und berufs­ orientiert beschrieben haben. Doch die Balance zwischen Familie und Beruf war ihnen immer wichtig. Vie­ le Paare haben auch betont, dass sie, als die Kinder klein waren, auf man­ ches bewusst verzichtet haben. Es ging ihnen primär um die Qualität ihres Zusammenlebens und nicht um Geld und Karriere. Ich habe auch festgestellt, dass Paare, die sich gemeinsam entwickeln, stabilere Beziehungen haben als andere Paare. Die Scheidungsrate egalitär organi­ sierter Paare liegt unter dem schwei­ zerischen Durchschnittswert. Verzicht ist bei diesen Familien demnach ein Schlüsselbegriff.

Im Sinne von Verzicht auf Geld und Status, ja. Nicht im Sinne von inhalt­ licher Weiterentwicklung im Beruf. Bezeichnend ist, dass ein Grossteil

der Studienteilnehmer zu einem spä­ teren Zeitpunkt sein Arbeitspensum aufgestockt hat und ein Viertel sogar noch Karriere machen konnte. Das partnerschaftliche Familienmodell schliesst demnach eine – verzögerte – berufliche Karriere nicht aus. Ich stelle mir das aber auch nicht einfach vor: Da hat man diese Ab­­ machung und dann kommt ein tolles berufliches Angebot. Halten diese Beziehungen so etwas aus?

Das muss kein Beziehungskiller sein, sofern man das gut miteinander aus­ handelt. An meiner Studie hat bei­ spielsweise ein Paar teilgenommen, das zusammen eine Grafikagentur geführt hat, bis die Frau das Angebot bekam, in einem Verlag eine Füh­ rungsposition zu übernehmen. Ihr Mann riet ihr, die Chance zu ergrei­

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


fen, und das Ganze hat sich gut entwickelt. Allerdings waren ihre Kinder schon grösser. Wichtig ist in solchen Situationen, dass keiner den Eindruck hat, der andere lebe auf seine Kosten. Sie sprachen es eben an: Bei Ihren Studienteilnehmern handelte es sich um qualifizierte bis hochqualifizierte Fachkräfte. Welche Voraussetzungen braucht es, dass das Modell funktioniert?

Zunächst einmal braucht es von beiden Partnern den Willen, diese Rollenteilung zu leben, sowie ein hohes Mass an Organisations-, Verhandlungs- und Konfliktfähigkeit. Man muss auch akzeptieren können, wenn der Partner etwas andere Vorstellungen von Kindererziehung und Ordnung hat. Auch die gerechte Ver­

teilung der Hausarbeit war bei manchen Paaren immer wieder ein Zankapfel. Ausserdem müssen die Rollen stetig neu definiert werden: Wie geht

«Die Rollen müssen stetig neu definiert werden. Das ist anstrengend, hält die Beziehung aber lebendig.» es uns gerade als Paar? Als Familie? Wie sieht es mit meinen Bedürfnissen aus, wie mit deinen? Stimmt es noch so für uns? Das ist mitunter

anstrengend, hält die Beziehung aber längerfristig lebendig. Man bleibt im Gespräch. Welche wirtschaftlichen Faktoren spielen eine Rolle?

Für Geringverdiener ist es sehr schwierig, so zu leben, da oft beide Partner voll arbeiten müssen, um die Existenz zu sichern. Ein Teilzeitpensum ist in solchen Fällen kaum möglich. Das geht nur bei Paaren, bei denen beide einen recht guten Lohn verdienen. Ausserdem ist es schwierig für selbständig Erwerbende, die hochpräsent für ihre Kundschaft sein müssen, und auch in Branchen, in denen die Bereitschaft, Teilzeit zu ermöglichen, gering ist. Aber die Nachfrage steigt! Das Bundesamt für Statistik hat 2013 junge Menschen nach ihrem favorisierten Er­­ >>>

Margret Bürgisser plädiert für eine egalitäre Aufteilung der Rollen zwischen Eltern.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 35


Monatsinterview

>>> werbsmodell befragt. Ein Grossteil der Befragten hat sich für das partnerschaftliche Modell mit beidseitiger Teilzeitarbeit ausgespro­ chen. Aber die Realität sieht doch bei vielen anders aus. Kaum ist das Baby auf der Welt, finden sich viele Paare in einem annähernd klassischen Rollenmodell wieder. Warum das?

Das ist eine gute Frage. Vielleicht weil viele junge Männer immer noch den­ ken, sie müssten zwingend und schnell Karriere machen. Oder weil die Arbeitgeber zu wenig entgegen­ kommend sind in Sachen Teilzeit­ arbeit. Oder weil die Männer immer noch nicht den Mut haben, sich für eine Pensenreduktion starkzuma­ chen. Der Typus des Karriereman­ nes, der bereit ist, im Job eine über­ durchschnittliche Leistung zu bringen, ist immer noch das ideale Männerbild, dem die Männer nach­ eifern. Zu sagen: solange die Kinder nicht zur Schule gehen, werde ich 80 Prozent oder sogar noch weniger arbeiten, dazu fehlt vielen Männern der Mut.

«Statistisch gesehen stagniert das egalitäre Modell im niedrigen Prozentbereich.» Eine partnerschaftliche Rollenteilung würde auch bedeuten, dass manche Frauen mit ihren Pensen hochgehen oder zumindest häusliche Verantwortung an die Väter abgeben müssten. Und dazu sind nicht alle Mütter bereit – weil sie die Zeit mit den Kindern verbringen wollen oder weil sie es auch ganz schön finden zu Hause …

… dann sollen sie das so machen. Ich bin dafür, dass die Leute das realisie­ ren, was sie sich wünschen. Wenn dieses Modell für sämtliche Fami­­ 36

lienmitglieder stimmt, ist das doch auch eine Lösung. Ich bin überzeugt vom partnerschaftlichen Modell – unter bestimmten Rahmenbedin­ gungen –, aber ich bin keine Missio­ narin, die es allen überstülpen will.

essen und Kosten-Nutzen-Überle­ gungen geleitet sein. Stattdessen sollte sie auf die Frage fokussieren: Welche Rahmenbedingungen brau­ chen Eltern und Kinder in der heu­ tigen Zeit, um ein erfülltes Leben in Sicherheit und Geborgenheit zu füh­ ren?

Das stimmt und hat nicht zuletzt auch politische Gründe. Es mangelt an griffigen Fördermassnahmen. Das 1996 in Kraft getretene Gleich­ stellungsgesetz zielt fast ausschliess­ lich auf Gleichstellungsmassnahmen im Erwerbsbereich ab.

«Ich plädiere dafür, dass Paare, wenn sie Eltern werden, das Wohl des Kindes ins Zentrum stellen.»

Statistisch gesehen stagniert das egalitär­e Rollenmodell seit Jahren im niedrigen Prozentbereich.

Was sinnvoll klingt.

Aber sehr einseitig ist. Bisher wur­ den ausgewählte Fachstellen dabei unterstützt, Mütter und Väter in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu beraten. 2016 hat der Bundesrat jedoch entschieden, ab 2019 keine Finanzhilfen mehr an Frauenberatungs- und Wiederein­ stiegsfachstellen zu zahlen. Wenn junge Paare sich also beraten lassen wollen, müssen sie diese Dienstleis­ tung künftig selbst bezahlen. Ab 2019 werden nur noch unterneh­ mensbezogene Projekte, welche der Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt und der Gleichstellung von Frau und Mann im Erwerbs­ leben dienen, von Finanzhilfen pro­ fitieren können. Die Gleichstellungs­ politik wird damit faktisch in den Dienst der Wirtschaftspolitik ge­­ stellt. Was braucht es Ihrer Meinung nach, um mehr Paaren eine egalitäre Rollenteilung zu ermöglichen?

Um Vätern den Weg in die Fami­ lienarbeit zu ebnen, bieten sich ver­ schiedene Massnahmen an. Eine davon ist die Förderung von Teilzeit­ arbeit – auch für Männer in an­­ spruchsvollen Positionen. Eine Chance wäre auch ein Vaterschaftsoder Elternurlaub beziehungsweise ein «Elterngeld» – analog dem deut­ schen Vorbild. Die Diskussion über die Zukunft der Familie sollte auch weniger von wirtschaftlichen Inter­

Sie selbst haben keine Kinder. Hätten Sie das partnerschaftliche Modell im Falle einer Familiengründung auch gewählt?

Ja, das hätte ich mir gewünscht. Ich plädiere dafür, dass Paare, wenn sie Eltern werden, das Wohl des Kindes ins Zentrum stellen – so wie es mei­ ne Studienteilnehmer getan haben. Das bedeutet aber nicht den Verzicht auf berufliche Herausforderung und Erfüllung. In Ihrer letzten Befragung sind auch die mittlerweile erwachsenen Kinder zu Wort gekommen. Wie beurteilen diese das Lebensmodell ihrer Eltern?

Mehrheitlich sehr positiv. Und auf die Frage, welche Eigenschaften sie an ihren Eltern jeweils bewundern, wurden andere als die typisch ge­­ schlechtsspezifischen Eigenschaften genannt. So schätzt man an der Mut­ ter insbesondere ihr Durchsetzungs­ vermögen, ihre Power und ihre Ziel­ strebigkeit, während die Väter für ihre Sozialkompetenz, ihre Ruhe und Ausgeglichenheit bewundert wer­ den. Das finde ich sehr spannend, ebenso, dass drei Viertel aller Befrag­ ten es – wenn sie einmal Kinder haben – ebenso machen möchten wie ihre Eltern. Das spricht doch klar für dieses Modell. <<<

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Zur Person Dr. phil. Margret Bürgisser ist Soziologin und Inhaberin des Instituts für Sozialforschung, Analyse und Beratung ISAB (www.isab.ch) sowie Buchautorin. Seit über 20 Jahren forscht sie über sozialen Wandel, Gleichstellung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, partnerschaftliche Rollenteilung sowie andere Themen. Margret Bürgisser: Partnerschaftliche Rollenteilung – ein ­Erfolgsmodell. Hep Verlag 2017.

Die Soziologin Margret Bürgisser im Gespräch mit Fritz+Fränzi-Autorin Evelin Hartmann.

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Psychologie & Gesellschaft

Armes Einzelkind? Einzelkinder sind verwöhnt, haben Mühe, sich in einer Gruppe einzufügen, und können nicht teilen. Und das, weil sie dies nicht mithilfe von Geschwistern lernen konnten. Doch was ist wirklich dran an den Vorurteilen über Einzelkinder? Eine Spurensuche. Text: Susan Edthofer

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it dem Begriff Familie verbinden sich traditionelle Vorstellungen, die vielfach weit von der Realität entfernt sind. Hartnäckig hält sich das Idealbild eines Familiengefüges, das aus Mutter, Vater und zwei bis drei Kindern besteht. Warum ein Paar nur ein Kind hat, kann verschiedene Ursachen haben. Möglicherweise sind es biologische Gründe, vielleicht reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um eine grössere Familie zu ernähren. Oder die berufliche Verwirklichung ist ebenso wichtig wie die Familie. Natürlich spielt auch die Tatsache mit, dass Ehen geschieden werden, bevor Geschwister zur Welt kommen.

«Freunde bedeuten für Einzelkinder oft eine Art erweiterte Familie.» Susan Edthofer ist Redaktorin im Bereich Kommunikation

dass Eltern darin keine Bedrohung sehen von Pro Juventute. und nicht annehmen, dass dem Kind die eigene Familie nicht genügt. Strategien, welche Kinder selber entwickeln, helfen, die Kindheit zu einer Wunschkindheit werden zu lassen: Manchmal dienen Cousinen und Cousins als Geschwisterersatz. Gewisse Kinder erschaffen sich zudem ein imaginäres Zwillingsgeschwister, dem sie ihr Innerstes anvertrauen und mit dem sie gemeinsam spannende Abenteuer erleben.

Einzelkinder und ihr Ruf

Studien belegen, dass Einzelkinder nicht egoistischer sind als andere Kinder. Für die Charakterbildung entscheidender ist, welche Werte Eltern ihrem Kind vermitteln. Dass Einzelkinder oft mehr Aufmerksamkeit erhalten als Kinder mit Geschwistern, ist unbestritten. Schliesslich müssen sich Einkindeltern bei der Erziehungsaufgabe nur auf einen Sohn, eine Tochter fokussieren. Das heisst aber nicht, dass diese Kinder deswegen zu Egoisten werden. Nicht selten gewichten Einzelkinder Freundschaften höher als materiellen Besitz und haben keine Mühe, Dinge zu teilen. Wenn Eltern sich nicht einig sind, befinden sich Einzelkinder schnell in einem Loyalitätskonflikt. Fakt ist: Auch bei den Einzelkindern gibt es unterschiedliche Persönlichkeiten, und das typische Einzelkind existiert vor allem in unseren Vorstellungen. Glückliche oder unglückliche Kindheit

Dass ein Kind inmitten von Geschwistern aufwächst, ist noch kein Garant für eine glückliche Kindheit. Es gibt Kinder, die gerne allein sind und das Fehlen eines Bruders, einer Schwester nicht vermissen. Andere wiederum wünschen sich nichts sehnlicher als ein Geschwister oder fühlen sich trotz Geschwistern innerhalb der Familie alleine. Freundinnen und Freunde bedeuten für Einzelkinder oft eine Art erweiterte Familie. Wichtig ist, 38

Was Eltern von Einzelkindern tun können – vier Tipps • Achten Sie darauf, dass Ihr Kind auch in der Freizeit oft mit anderen Kindern zusammen sein darf. Zeigen Sie Verständnis, wenn Ihr Kind zwischendurch auch gerne alleine sein möchte. • Nehmen Sie auf Ausflüge Freundinnen und Freunde Ihres Kindes mit. Lassen Sie Ihr Kind selber wählen, wen es mitnehmen möchte. Gewähren Sie Ihrem Kind genügend Freiraum, damit es auch Zeit in anderen Familien verbringen kann. • Passen Sie auf, dass Ihr Kind nicht in einen Loyalitätskonflikt gerät, wenn Sie sich als Eltern uneinig sind. Ihr Kind kann sich nicht mit seinen Geschwistern zusammentun und opponieren und ist deshalb noch stärker von Ihnen abhängig als Geschwisterkinder. • Oft betrachten Einzelkinder ihre Freundinnen und Freunde als erweiter­te Familie. Freuen Sie sich, wenn Ihr Kind gut integriert ist, und denken Sie nicht, es fühle sich in seiner Familie zu wenig wohl.

Pro Juventute Elternberatung Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online (www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch

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Wir sind die Chefs – von morgen. Lernende bei Coop

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Kolumne

Die Eltern als Sparringspartner Warum es sinnvoll sein kann, seine pubertierenden Kinder als Austauschstudenten zu betrachten, und wieso man ihnen dennoch Verantwortung übertragen sollte.

Jesper Juul ist Familientherapeut und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familien. 1948 in Dänemark geboren, fuhr er nach dem Schulabschluss zur See, war später Betonarbeiter, Tellerwäscher und Barkeeper. Nach der Lehrerausbildung arbeitete er als Heimerzieher und Sozialarbeiter und bildete sich in den Niederlanden und den USA bei Walter Kempler zum Familientherapeuten weiter. Seit 2012 leidet Juul an einer Entzündung der Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im Rollstuhl. Jesper Juul hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter Ehe geschieden.

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Seien Sie für Ihren Sohn ein Sparringspartner: Sie leisten maximalen Widerstand und richten minimalen Schaden an.

glücklich. Er sieht ständig das Negative, nie etwas Gutes oder Positives. Wenn etwas passiert, dann gibt er immer den anderen die Schuld. Seine negative Haltung uns und seinem Zuhause gegenüber zermürbt uns. Wir versuchen ganz ruhig mit ihm zu reden, und oft scheint er zu verstehen. Doch am nächsten Tag ist er wieder ablehnend. Mario ist beliebt bei den anderen, aber er erlebt nicht so viel, mit dem er sich rühmen kann, wie die anderen Burschen in seiner Klasse. Wie können wir uns Mario annähern und ihn erreichen? Jesper Juul antwortet Was Sie beschreiben, ist das normale Bild eines Zwölfjährigen in der Pubertät. Er trifft auf neue Referenzen in seinem Leben – auf Freunde –, und es beginnen grosse Umbauarbeiten in seinem Gehirn, das bis jetzt immer zur Zufriedenheit aller gearbeitet hat. In den nächsten Jahren werden sich sein Verhalten und sein Charakter ändern. Nicht nur in Bezug auf seine Stimmungen, sondern auch in Bezug auf die Fähigkeiten, die er vorher hatte. Die scheinen im Moment verschwunden zu sein. Betrachten Sie Ihren Sohn jetzt, als wäre er ein Austauschstudent aus einer «anderen Kultur», und lernen Sie dabei, wie Sie mit ihm umgehen können.

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Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

E

in Leser schreibt: In den letzten drei Monaten stellten wir bei unserem Sohn Mario, 12, eine grosse Veränderung fest. Er ist oft launisch und macht sowohl uns als auch seinem achtjährigen Bruder das Leben schwer. Es geht rauf und runter. Wenn wir die Wochenenden oder Feiertage mit­ein­­ander verbringen, kommt er wieder zurück zu seinem alten Selbst, aber sobald er in der Schule und mit seinen Freunden zusammen ist, wird er mürrisch und reagiert nicht mehr auf uns Eltern. Besonders schlimm ist es, wenn er von seinen Freunden zurückkommt. Wir glauben, dass er das Gefühl hat, seine Freunde hätten viel mehr Freiheiten als er: Sie würden später ins Bett gehen, kauften sich ständig Süssigkeiten und andere Dinge vom Geld ihrer Eltern. Wir versuchen, einige der Wünsche von Mario zu erfüllen. Wir wissen auch, dass wir ihn loslassen müssen, aber er ist nie zufrieden und


Ihre Beschreibung erinnert mich an eine Erfahrung, die ich bei einem Ge­­spräch mit einer Patchworkfami­ lie gemacht habe. Die Mutter stellte ihre Familie vor und schloss mit folgenden Worten über ihren elfjäh­ rigen Sohn: «Er ist jetzt in einem Alter, in dem ihm die Familie nicht mehr so wichtig ist.» Die Frau sass neben ihrem Sohn, dem ein paar Tränen über die Wan­ gen rannen. Als ich ihn danach frag­ te, sagte er: «Das ist nicht wahr, Mama! Meine Familie bedeutet immer noch sehr viel für mich. Ich verbringe jetzt nur mehr Zeit mit meinen Freunden!» Ihr Sohn Mario sucht nun seine eigene Art und Weise, um sich in der Welt zurechtzufinden. Würde ich ihn bitten, ein Abendessen für die Familie zuzubereiten, würde er wohl versuchen, ein guter Koch zu sein und mit allem zu experimentie­ ren, was zur Verfügung steht, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn aber seine Eltern sich stän­ dig einmischen und sagen, dass sie so etwas niemals essen würden, dann fühlt er sich bewertet. Er fühlt, dass die Energie, die er einsetzt, nicht geschätzt wird. Es wurde ihm sozusagen eine Aufgabe erteilt, aber nicht die Möglichkeit gegeben, für deren Erfüllung auch verantwortlich zu sein. Der beste Weg für Sie als Eltern, ihrem Sohn in seiner neuen Rolle zu begegnen, ist, wenn Sie in die Rolle eines Sparringspartners schlüpfen. Das bedeutet, ihm eine Art Trainingspartner zu sein, maxi­ malen Widerstand zu leisten und minimalen Schaden anzurichten. Er braucht jetzt Ihre Antworten und Rückmeldungen, mit der tra­ ditionellen Form der Erziehung in Form von «Unterricht» ist es nun vorbei. Er braucht ehrliches, authentisches und persönliches Feedback. Je mehr Sie über seine neuen Ver­ suche und Möglichkeiten des Menschseins richten und diese

Sie werden die verdiente Belohnung für Ihre wunderbare Arbeit als Eltern bekommen – allerdings dauert es noch etwa zehn Jahre bis zur Auszahlung.

bewerten, desto mehr wird er Ihren Weg des Seins ablehnen. Wenn wir das Bild mit ihm als Koch für die Familie herbeiziehen, so ist es nicht nur in Ordnung, son­ dern es ist sogar sehr wichtig, zu sagen: «Das hat mir nicht gefallen» oder «Mmmh, das hat gut ge­­ schmeckt». Das kann zu Konflikten führen, aber es sind Konflikte, an denen bei­ de Parteien wachsen. Das wiederum stärkt die Beziehung in beide Rich­ tungen. Wenn Sie glauben, dass Ihr Sohn von Ihrer Erfahrung und Perspekti­ ve profitieren kann, dann warten Sie zuerst auf seine Einladung. Das bedeutet, ihm zu vermitteln: «Ich möchte mit dir über das reden, was wir gestern zu essen bekommen haben. Hast du Zeit?» Dabei müssen Sie auch ein Nein aushalten können. Sie haben nicht mehr automatisch Zutritt zu seinem Bewusstsein und nicht mehr seine Erlaubnis, jederzeit alles sagen zu dürfen. Ihre Zeilen, die Sie an mich gerichtet haben, vermitteln mir den Eindruck einer Familie mit zwei engagierten, liebevollen und verant­ wortungsbewussten Eltern, die wunderbare Arbeit geleistet haben. Vielleicht mit der Tendenz, ein wenig «zu vernünftig» zu sein. Sie werden Ihre wohlverdiente Beloh­ nung dafür bekommen – allerdings wird es noch etwa zehn Jahre dau­ ern, bis Sie die Auszahlung erhalten werden. Bis dahin gibt es, ausser dass Sie anwesend sind, nur eine Sache zu tun: Lieben Sie Ihren Sohn so, wie

er in seiner Einzigartigkeit ist, selbst wenn das das Schwierigste ist. Das ist es, was er wirklich braucht, um das er aber nicht fragen kann. Sie haben ihm das Vertrauen und die Grundlage gegeben, die beste Person zu sein, die er sein kann – auch mit seinen Fehlern.

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul, die er persönlich beantworten soll? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion@fritzundfraenzi.ch oder einen Brief an: Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen in Zusammenarbeit mit

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 41


Erziehung & Schule

Grenzenlose Liebe? Wenn sich zwei Menschen aus unterschiedlichen Kultur­kreisen ineinander verlieben, stossen sie nicht selten auf Vorurteile. Doch wie entstehen diese? Und wie können Vorurteile überwunden werden? Text: Maximiliane Uhlich, Michael Ackert

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Bild: © Thinkstock

F

reya schwärmt schon lange für Konstantin, 16. Als die 15-Jährige erfährt, dass es ihm ebenso er­­ geht, ist sie überrascht und glücklich. Als sie Konstantin jedoch ihren Eltern als festen Freund vorstellt, erlebt sie eine herbe Enttäuschung. Dass Konstantin aus dem ehemaligen Jugoslawien kommt und bekennender Muslim ist, spielt für Freya keine Rolle. Sie liebt ihn. Sie selbst war als Diplomatentochter viel in der Welt unterwegs, erst vor zwei Jahren entschieden sich ihre Eltern, zurück in die Schweiz zu kommen. Dass sie nun gegen ihre Beziehung sind, weil Konstantin einer anderen Religion angehört, ist für Freya ein Schock. Besonders Freyas Mutter macht ihrer Tochter klar, dass sie nichts gegen eine romantische Beziehung habe, mit der Beziehung zu Konstantin jedoch nicht einverstanden sei. Was sie ihrer Tochter jedoch nicht sagt, ist, dass ihre Reaktion für sie selbst überraschend ist. Als Mutter will sie nur das Beste für ihr Kind. Der Gedanke, ihrer Tochter in Sachen Liebe etwas vorzuschreiben, er­­ schreckt sie, doch fühlt es sich in diesem Fall richtig an. Sie kennt Konstantin nur flüchtig, von einem ersten Treffen abgesehen, sind die Eindrücke spärlich. Die Mutter vertraut mehr ihrer Intuition. Ausserdem ist ihr der Gedanke, dass ihre

Die Mutter kennt Konstantin nur flüchtig. Vertraut aber ihrer Intuition. September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Enkelsöhne irgendwann beschnitten werden könnten, sehr fremd. Unsichtbare Mauern

Freya und Konstantin sind nur ein Beispiel. Konstantin könnte auch Yusuf oder Jamal heissen, dunkelhäutig sein oder aus China kommen. Vielleicht spräche er einen arabischen Dialekt oder Swahili. Vielleicht hätte sich die Familie von Konstantin gegen seine Beziehung mit Freya gestellt. Bei allen Kombinationen bleibt, dass Stereotype schnell zu Vorurteilen führen und unsichtbare Mauern zwischen dem «Wir» und «den Anderen» entstehen (siehe Box Seite 45). Was Freya und Konstantin erleben, kann verschiedene Ursachen haben. Für das Paar ist es in erster Linie eine schmerzhafte Enttäuschung über das Unverständnis für ihre Liebe. Ohne eine bestimmte Absicht durchbricht ihre Zuneigung zueinander die Grenze zwischen dem «Wir» der Mutter und «den Anderen». Nun stehen der Partnerschaft Vorurteile im Weg. Wie kann ein Umgang gefunden werden, der auf beiden Seiten Verständnis schafft? Verschiedene Arten von Vorurteilen

Ausgrenzung oder Diskriminierung findet entlang von (aus-)gedachten gesellschaftlichen Grenzen meistens zwischen einer Minderheit und einer Mehrheit statt. Erkennbar ist oft nur das abweisende Verhalten, da die Meinungen, wenn überhaupt, nur im Privaten offengelegt werden. Dabei können das äussere Verhalten und die innere Einstellung in unterschiedliche Richtungen zeigen. Die Sozialpsychologie unterscheidet deshalb bei Diskriminierung verschiedene Arten von Vorurteilen (siehe Box Seite 45). Die Ungerechtigkeit für Freya und Konstantin ist, dass Freya als Diplomatentochter die Erwartung hat, seitens ihrer Eltern eine offene Haltung gegenüber einem Partner wie Konstantin zu treffen. Nun erlebt sie die Dis-

krepanz zwischen der Einstellung ihrer Mutter auf der Arbeit und im Privaten, ihrem beruflichen Um­­ gang mit der Vielfalt der Welt und der Haltung gegenüber einem Mitglied innerhalb der eigenen Familie. Die Haltung der Mutter ist nachvollziehbar, doch wie kommt es dazu? Menschen brauchen, um der Komplexität der Umwelt Herr zu werden, schnell verfügbare und einfach strukturierte Informationen. Ohne dass Personen es bewusst bemerken, klassifiziert das Gehirn die soziale Umwelt in Gruppen und versieht sie mit einfach zugänglichen Informationen – den Stereotypen. Solche Stereotype sind hilfreich und notwendig. Sie erlauben schnelle Entscheidungen und geben Sicherheit durch die empfundene Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie rechtfertigen und schaffen zum Teil

Menschen brauchen schnell verfügbare und einfach strukturierte Informationen.

jedoch auch die ungleichen Machtverhältnisse in einer Gesellschaft. Häufig passiert zudem, dass diese «Filter» in der Wahrnehmung neue Informationen über eine soziale Gruppe nur in einer bestimmten Weise interpretieren lassen. Eine besondere Rolle spielen dabei aussergewöhnliche Ereignisse, wobei besonders auffällige Mitglieder einer Gruppe das Bild prägen. Die Mehrheit der Gruppe wird nicht wahrgenommen, bekommt aber dieselbe Bewertung. Einem solchen Urteil zufolge werden auf der >>>

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 43


Erziehung & Schule

>>> einen Seite alle Informatio­ nen ausgeschlossen, die der eigenen Meinung widersprechen, und auf der anderen Seite bringen die Neuig­ keiten, die in das Muster passen, Bestätigung für die eigenen Stereo­ typen. Die Welt wird nach einem einfachen und v­ erfestigten Muster wahrgenommen («stereo» kommt vom Altgriechischen und bedeutet «fest, steif, solide»). Grenzen überwinden

Im sozialen Bereich kann sich etwa ein gesellschaftliches Bild in «Wir» und «die Anderen» verfestigen. Dass Konstantin von Freyas Mutter nicht als Teil der eigenen Gruppe wahrge­ nommen wird, hat vielleicht mit ihren persönlichen Erfahrungen in der Vergangenheit zu tun. Vielleicht hat sich die Mutter ihre Meinung über die Gruppe «der Anderen» aus den Medienberichten gebildet. Sich einzugestehen, dass dies eine Rolle spielt, ist ein erster Schritt. Danach können viele weitere Schrit­

te erfolgen, die den Weg für einen Abbau von Vorurteilen und Stereo­ typen ebnen. Als Elternteil können Sie ein Beispiel für die eigenen Kin­ der sein, wenn Sie an den eigenen Stereotypen arbeiten. In der Sozial­ psychologie haben sich über die Zeit einige Empfehlungen herausgebil­ det, die die unsichtbaren Grenzen zwischen zwei Gruppen überwind­ barer machen. Hierzu zählen die bewusste häufige und individuelle Begegnung mit Gruppenmitgliedern «der Anderen» in verschiedenen Situationen. Lassen Sie dabei die Vorurteile in Ihrem Bewusstsein hochkommen. Dabei können Sie Ihre eigenen Emotionen überprüfen.

Zum Schluss die Frage: Mit wem konnten Sie sich in dieser Geschich­ te am besten identifizieren? War es Freya, Konstantin, das Paar oder doch die Mutter? Alle drei haben mit Hürden zu kämpfen. Was die Risiken und die Chancen in solchen Situati­ onen sind, untersucht gerade eine Forschungsgruppe am Institut für Familienforschung und -beratung an der Universität Freiburg zusam­ men mit dem Institut für Empirische Religionsforschung der Universität Bern in einer Online-Studie (siehe nächste Seite). >>>

Lassen Sie die eigenen ­Vorurteile bewusst hochkommen und überprüfen Sie Ihre Emotionen.

Maximiliane Uhlich

Chancen und Risiken

Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie Ihre eigenen Eindrücke über die Begegnung mit den Menschen auf sich wirken. Versuchen Sie nicht, etwas «Typisches» zu finden oder den Eindruck entstehen zu lassen, dass gerade diese «Anderen» eine Ausnahme sind und nicht zu der Gruppe gehören, die Sie sonst be­­ fremdet. Somit gewinnen Sie neue Erfahrung und können die Gedan­ ken und Gefühle Ihrer Kinder, die solche Begegnungen im schulischen Kontext einer multikulturellen Ge­­ sellschaft häufig erleben, aus einer anderen Position besser nachvoll­­ ziehen.

ist Psychologin und Doktorandin im Forschungsprojekt «Interkulturelle und interreligiöse Partnerschaften» am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. Sie forscht über das Funktionieren von Beziehungen.

Michael Ackert

hat Psychologie an der HumboldtUniversität zu Berlin studiert. Er promoviert zurzeit am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg zum Thema Wertetransformation in interreligiösen Partnerschaften.

Ausbildung

Seniorenbetreuung

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch


Auf jeden Fall bewegen! Stereotyp und Vorurteil • Stereotypen: Annahmen über eine soziale Gruppe. Sie beinhalten Überzeugungen über typische Merkmale und Verhaltensweisen der Gruppe, die entweder (teilweise) zutreffen, aber auch gänzlich falsch sein können. Was immer zutrifft, ist, dass sie übertrieben und bewertend sind. Die Bewertung einer Gruppe aufgrund von verbreiteten Annahmen führt schliesslich zu Vorurteilen. • Vorurteile: Eine positive oder negative Bewertung einer sozialen Gruppe und ihrer Mitglieder. Vorurteile führen seltener zu bevorzugendem, oft zu benachteiligendem Verhalten gegenüber einer Gruppe oder einem Gruppenmitglied.

Arten von Vorurteilen • Klassisches Vorurteil: Jemand ist gegen bestimmte Menschen, äussert es öffentlich und verbirgt seine innere Einstellung nicht. Dass dabei bestimmte Menschen diskriminiert werden, ist dieser Person klar. • Modernes Vorurteil: Jemand ist negativ eingestellt gegenüber einer bestimmten Gruppe von Menschen, möchte dies jedoch nicht öffentlich zeigen. Er oder sie verbirgt seine innere Einstellung und leugnet dabei die Tatsache der Diskriminierung. • Aversives Vorurteil: Jemand hat eine negative Einstellung gegenüber einer bestimmten Gruppe Menschen, sagt nach aussen jedoch, dass diese Menschen diskriminiert werden und deshalb positiv gesehen werden müssen. Er oder sie muss sich anstrengen, seine/ihre innere Einstellung zu verbergen. Der Widerspruch zwischen innerer und äusserer Einstellung wird in diesem Fall als Aversion bezeichnet.

Studie: Ein Paar – zwei Religionen In einem interdisziplinären Projekt untersuchen Psychologen und Religionswissenschaftler, was zum Gelingen einer interreligiösen oder interkulturellen Partnerschaft beiträgt und welche Risiken zum Scheitern führen. In einer breit angelegten Online-Umfrage werden individuelle und paarpsychologische, religiöse sowie soziologische Aspekte untersucht. Paare und Einzelteilnehmer bekommen ein wissenschaftlich fundiertes Feedback zu ihren Angaben. Die Studie wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert und läuft ab sofort bis Ende 2018. Gesucht werden Paare, die einen unterschiedlichen religiösen oder kulturellen Hintergrund haben, oder Personen, die in einer solchen Partnerschaft waren. Die Studie führen das Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg und das Institut für Empirische Religionswissenschaft der Universität Bern duch. Mehr Informationen sowie den Link zur Studie finden Sie unter: www.paare.unibe.ch.

«Nein, da steigst du jetzt nicht hoch!» Ist Ihnen dieser Satz auch schon über die Lippen gekommen? Eltern sind oft ein wenig besorgt, wenn ihre Kinder spielend die Welt erkunden. Dabei sind diese Erfahrungen so wichtig, damit die kleinen Entdecker lernen, Risiken einzuschätzen und körperliche Grenzen auszutesten. Natürlich kann es zu kleinen Unfällen kommen – mehr als eine Schürfung gibt es meist aber nicht zu verarzten. Deshalb zeigt Ihnen der EGK-Ratgeber «Bewegung, Spiel und Spass in der ganzen Familie» nicht nur Bewegungstipps für Grosseltern, Eltern und ihre Kinder. Er zeigt auch, wie Sie dem Forschungs- und Entwicklungsdrang der Kleinen gerecht werden. Den Ratgeber «Bewegung, Spiel und Spass in der ganzen Familie» der EGK-Gesundheitskasse erhalten Sie unter: www.egk.ch/spiel-und-spass

Lukas Zahner Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit der Universität Basel

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 45


Erziehung & Schule

Üben, wie man Frust erträgt Viele Kinder reagieren auf Enttäuschungen und Niederlagen mit Wut und Aggression. Wie Eltern und Lehrpersonen einem Kind helfen können, seine Frustrationstolerenz zu verbessern und Bedürfnisse und Wünsche besser zu kontrollieren. Text: Ruth Fritschi

U

nser Erstklässler hat immer wieder Wutanfälle, zu Hause und manchmal auch in der Schule. Er ist viel aggressiver als sein älterer Bruder. Wie können wir das in den Griff bekommen?» Für viele Eltern und Lehrpersonen eine bekannte Situation. Und eine grosse Herausforderung. Klar ist, dass nicht Sie als Eltern das in den Griff bekommen sollen, sondern Ihr Sohn oder Ihre Tochter selber. Aber natürlich müssen Sie, liebe Eltern, und wir Lehrpersonen dem Kind dabei helfen. Dazu braucht es erstens eine Grundhaltung, dass Konflikte gewaltfrei zu lösen sind, und zweitens ein nicht wertendes Verständnis dafür, wie die Wut zustande kommt. Alle Gefühle, auch negative wie Ärger und Wut, sind berechtigt. Aber die Form, wie sie ausgedrückt werden, soll zivilisiert und fair sein. Das muss und kann man lernen. Viele Kinder kommen nur sehr schlecht mit Kritik und Misserfolgen zurecht. Sie reagieren mit Wut und Aggressionen, wenn ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht null Komma plötzlich erfüllt werden. Mal abwarten zu müssen oder hin und wieder enttäuscht zu

Alle Gefühle, auch negative wie Ärger und Wut, sind berechtigt. Aber die Form, wie sie ausgedrückt werden, soll fair sein. 46

«Kinder beim emotionalen Lernen zu begleiten, ist eine Herausforderung.» Ruth Fritschi ist Mitglied der Geschäftsleitung des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), schulische Heilpädagogin und Lehrperson Kindergarten.

werden, weil das Gewünschte nicht zu bekommen ist, halten sie nicht aus. Dies gehört im Kleinkindalter zum normalen Entwicklungsprozess. Bis zum Eintritt in die Primarschule sollte jedoch jedes Kind eine gewisse Frustrationstoleranz aufgebaut haben. Bei manchen Kindern geschieht dies ganz von selbst, andere brauchen auf dem Weg zu einem «reiferen» Umgang mit Frustrationen mehr Unterstützung. Findet diese Entwicklung nicht statt, weil etwa Eltern aus falsch verstandener Sorge ihrem Kind keine Enttäuschungen zumuten wollen, wirkt sich das für das Kind verheerend aus. Was ist Frustrationstoleranz? Es ist die Fähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen. Sie gehört neben anderen Kompetenzen wie zum Beispiel Beziehungs- und Konfliktfähigkeit oder auch Einfühlungsvermögen zum Bereich der emotionalen Intelligenz. Emotionale Intelligenz bedeutet, dass man seine Gefühle wahrnehmen kann, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Und dass man auch die Gefühle anderer erkennen und respektieren kann. Wie äussert sich geringe Frustrationstoleranz? Tisch abräumen, Zimmer aufräumen, Flöte üben? «Keine Lust.» Wenn Eltern solchem Verhalten der Harmonie wegen immer wieder nachgeben oder sich ständig in Endlosdiskussionen verstricken, kann das problematisch werden. Das Kind lernt so, dass es mit seiner bockigen Haltung Erfolg hat. Wie soll es wissen, dass ein ähnliches Verhalten später in der Schule weniger Erfolg verspricht und es bei den Mitschülerinnen und Mitschülern und bei den Lehrpersonen nicht mit derselben elterlichen Nachsicht rechnen darf? Mangelnde Frus­ trationstoleranz äussert sich häufig auch beim Kontakt September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


mit anderen Kindern. Die Betroffenen spielen zwar gerne mit Nachbarskindern und Freunden, aber nur solange alles nach ihren Wünschen läuft. Ist dies nicht der Fall, reagieren sie schnell aggressiv und verärgert. Sie empfinden das Nichterfüllen ihrer Wünsche als so starke Zumutung, dass sie sich gar nicht anders verhalten können. In der Schule reden diese Kinder ständig dazwischen, weil sie in jungen Jahren nicht gelernt haben, dass sie jemanden nicht einfach unterbrechen dürfen, sondern warten müssen, bis sie an der Reihe sind. Und weil ihnen dieses unsoziale Verhalten bei Lehrpersonen und Mitschülerinnen und Mitschülern nur Misskredit beschert, spielen viele der betroffenen Kinder den Klassenclown. Die Folge: Die Situation spitzt sich weiter zu. Die Kinder beim emotionalen Lernen zu begleiten, ist für Eltern und Lehrpersonen eine Herausforderung. Machen wir uns klar, dass es in der Erziehung nicht darum geht, einem Kind Enttäuschungen zu ersparen. Diese gehören zum Leben. Eltern können Kindern den positiven Umgang mit Fehlern und Niederlagen vor allem dadurch vermitteln, indem sie ihnen ein gutes Vorbild sind. Denn Kinder wollen gross werden, und sie wollen gross sein wie die Eltern. Sie beobachten genau, wie die Eltern sich verhalten. So ist Erziehung vor allem Selbsterziehung. Tipps für Eltern

Sie müssen Ihrem Kind klarmachen, dass das gezeigte Verhalten nicht akzeptabel ist. Zeigen Sie Alternativen auf.

an und erklären Sie, dass negative Gefühle zum Leben gehören. Gleichzeitig müssen Sie klarmachen, dass das gezeigte Fehlverhalten nicht akzeptabel ist. Zeigen Sie Alternativen auf. Zum Schluss wünsche ich Ihnen zu Hause und uns Lehrpersonen im Schulalltag viel Ausdauer beim Begleiten von Kindern, die beim emotionalen Lernen mehr Unterstützung brauchen. Auch wenn ich die oben genannten Punkte nur zu gut kenne und versuche, diese konsequent umzusetzen, komme ich immer wieder in Situationen, die ganz viel von mir abverlangen. Routiniertes Vorbild sein gelingt oft, aber nicht in jedem Fall.

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Fünf Tipps, wie Eltern ihrem Kind helfen können, seine Frustrationstolerenz zu verbessern und mit Enttäuschungen und Frustrationen besser umzugehen: • Übergeben Sie Ihrem Kind Aufgaben wie Tisch abräumen oder Wäsche zusammenlegen. Diese Arbeit muss erledigt werden, bevor Ihr Kind spielen darf. Gehen Sie auf wiederholtes Klagen nicht ein. • Erfüllen Sie Ihrem Kind nicht jeden Wunsch sofort, nur ein- oder zweimal in der Woche ein Glace oder eine Kleinigkeit aus dem Supermarkt. Grössere Spielzeugwünsche sollten nicht sofort erfüllt werden. Verweisen Sie auf Weihnachten oder den nächsten Geburtstag. • Spielen Sie mit Ihrem Kind Gesellschaftsspiele und lassen Sie es verlieren! Aus Mitleid die Regeln zu verändern oder vom älteren Bruder zu erwarten, dass er das schnell frustrierte Kind gewinnen lässt, hilft nicht weiter. • Loben und belohnen Sie positives Verhalten Ihres Kindes. Für viele Kinder ist ein visuelles System hilfreich, zum Beispiel ein Sternchen- oder ein SmileyKalender. Wichtig ist, genau zu erklären, welches Verhalten zu einem Sternchen führt und wann ein erstes Ziel für eine Belohnung erreicht ist. • Nehmen Sie das Gefühl Ihres Kindes, das hinter dem «Ausflippen» steht, ernst. Erkennen Sie das Gefühl Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 47


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post

Erziehung & Schule

Wo sich kleine und grosse Bücherwürmer treffen An verschiedenen Festivals und Veranstaltungen in der Schweiz können Kinder gemeinsam G ­ eschichten lauschen und in Büchern stöbern. Ein Überblick über die wichtigsten Events der nächsten Wochen. Text: Johanna Oeschger

Schweizer Erzählnacht, 10. November, diverse Durchführungsorte Jeweils am zweiten Freitag im November laden verschiedene Bibliotheken, Buchläden, Schulen und andere Institutionen zum gemeinsamen Geschichtenerlebnis ein. Dieses Jahr versammelt sich Klein und Gross unter dem Motto «Mutig, mutig!»: Kinder lauschen heldenhaften Geschichten, bewältigen abenteuerliche Lese-Parcours und schlafen vielleicht sogar alleine auswärts. www.sikjm.ch

Bild: Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Abraxas-Festival, 4. und 5. November, Zug Am jährlich stattfindenden Zentralschweizer Kinder- und Jugendliteraturfestival entführt der Rabe Abraxas die Besucher in die magische Welt der Geschichten. Hier erleben Kinder aller Altersstufen ihre Lieblingsautoren und Buchstabenkünstler aus dem In- und Ausland hautnah: An Lesungen und in Workshops wird gemeinsam gelesen, gesungen, gerätselt, gebastelt, gelacht und gestaunt. www.abraxas-festival.ch

Verschiedene Schreib- und Lesever­anstaltungen • Eine Auswahl kleinerer Veranstaltungen an diversen Standorten ist auf der Website des Vereins Kinder- und Jugendschaffende Schweiz aufgeführt: www.autillus.ch.

• Im Rahmen des Projekts Buchstart ver­ ­anstalten Bibliotheken der ganzen Schweiz erste Begegnungen mit Büchern, Versen und Schrift für ­Kleinkinder. Den aktuellen Veranstaltungskalender finden Eltern unter www.buchstart.ch.

So gehts 2018 weiter • Basler Bücherschiff: www.edubs.ch • St. Galler Kinder- und Jugend­literaturfestival: www.stadt.sg.ch •S chreibwettbewerb für 8- bis 18-Jährige: www.schreibzeitschweiz.ch • Digitaler Jugendwettbewerb: www.bugnplay.ch

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Links direkt zu den Veranstaltungen finden Sie im Online-Artikel auf www.fritzundfraenzi.ch.

Johanna Oeschger

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin, unterrichtet Deutsch und Englisch auf der Sekundarstufe II und arbeitet als Mediendidaktikerin bei LerNetz.

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Stiftung Elternsein

Ich weiss nichts, macht nichts Ellen Ringier über die Gefahren, die Unwissenheit in sich birgt, und die Bedeutung von Bildung.

Bild: Maurice Haas / 13 Photo

Dr. Ellen Ringier präsidiert die Stiftung Elternsein. Sie ist Mutter zweier Töchter.

Am 1. Mai 2003 erklärten die USA dem Irak den Krieg. Wie sich später herausstellte, aus einem falschen Grund. Denn trotz intensivster Suche konnten keine Massenvernichtungswaffen gefunden werden. Fake News! Das Resultat dieses Krieges und der anschliessenden Besetzung des Landes heisst keineswegs Befriedung. Bürgerkriegsähnliche Zustände und die Expansion des Islamischen Staates waren und sind bis heute die Folge. Einer US-Studie der Washington University in Seattle zufolge starben während des Krieges und der anschliessenden Besetzung mindestens eine halbe Million Iraker! In diesen Sommerwochen fand und findet ein Duell zwischen zwei der grössten derzeit regierenden Vollidioten statt: den Präsidenten von Nordkorea und den USA. In Pjöngjang und Washington sitzen zwei Männer an den Schalthebeln der Macht und auch am Drücker zum Atomschlag, die ausschliesslich von Irrationalität, dem Willen zum Machterhalt und ihrem Ego getrieben werden und daher nicht zurückschrecken, mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen. Das Unaussprechliche, nämlich ein Atomkrieg, ist von einer virtuellen Möglichkeit zu einem denkbaren Szenario geworden. Das jahrzehntelang währende Gleichgewicht des Schreckens hat ausgedient, ein Atomkrieg, ja ein dritter Weltkrieg, ist denkbar geworden. Nach dem Gedanken folgt bekanntlich das Wort, und dann droht die Tat! Präsident Donald Trump hat ein seit dem Zweiten Weltkrieg auf der ganzen Welt gültiges Tabu geritzt. Und das Aberwitzigste dabei ist, dass er auf die Unterstützung aus Teilen der US-Bevölkerung zählen kann! Dahinter steht ein bodenloses Unwissen vieler Bürger der USA. Weit weniger als die Hälfte der US-Bürger wusste damals, wo sich der Irak auf der geografischen Weltkarte befindet, geschweige denn, weshalb man gegen dieses Land Krieg führen sollte!

Neulich hat die New York Times 1746 erwachsenen US-Amerikanern eine Asienkarte vorgelegt. 36 Prozent haben Nordkorea gefunden. Die restlichen 64 Prozent tippten auf China, Indien oder gar Australien, alle asiatischen Länder hatten einen Treffer. Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man über das Resultat dieser Umfrage lachen, wie wir es jeweils taten, wenn Amerikaner die Schweiz mit Schweden verwechselten: «You make good chocolate in ­Sweden!»  … In einer Demokratie, auch in einer repräsentativen, müssen die Bürger sich eine Meinung zu den anstehenden Sachfragen bilden oder wenigstens Repräsentanten wählen können, die sich in den verschiedensten Materien auskennen, auch in Geografie und Geschichte! Wer die Schrecken des US-Atomangriffs auf Hiroshima und die tödlichen Folgen nicht kennt, kann die Tragweite eines atomaren Erstschlags gar nicht nachvollziehen, der ahnt allenfalls, aber weiss nicht wirklich um dessen Gefährlichkeit. Der redet dann von und droht mit Atomkrieg, als handle es sich um «War Games». Fehlendes elementares Wissen macht alles denkbar und alles möglich. Darum ist der beliebte Satz «Ich weiss nichts, macht nichts» abgrundtief falsch! Im Gegenteil: Mehr Wissen bringt bessere Entscheidungen. Fürwahr ein Motto zum neuen Schuljahr, das soeben begonnen hat!

STIFTUNG ELTERNSEIN «Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten, Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern, Kindern, Lehrern und die Vernetzung der elternund erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschs­prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 49


Elterncoaching

«Mir wird alles zu viel» Wie es Eltern gelingen kann, die ständige Verknappung der Zeit zu stoppen.

Fabian Grolimund ist Psychologe und Autor («Mit Kindern lernen»). In der Rubrik «Elterncoaching» beantwortet er Fragen aus dem Familienalltag. Der 37-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes, 4, und einer Tochter, 1. Er lebt mit seiner Familie in Freiburg. www.mit-kindern-lernen.ch www.biber-blog.com

Wir fürchten den Verlust, wenn wir auf eine neue, interessante Möglichkeit verzichten. 50

kürzerer Zeit erledigt werden. Wie kommen wir da wieder raus? Wie können wir dem täglichen Stress begegnen? Durch einen Zeitmanagementkurs? Yoga? Entspannungsübungen? Das ist alles sinnvoll, braucht aber dummerweise – Zeit. Machen Sie weniger!

Wenn wir über Stress klagen, denken wir meist darüber nach, wie wir all unserer Aufgaben Herr werden können. Wir versuchen schneller zu arbeiten, uns noch besser zu organisieren, uns effektivere Arbeitsmethoden anzueignen oder auf Erholung und Schlaf zu verzichten. Wirklich hilfreich ist nur: weniger tun. Das klingt banal. Aber es ist das Einzige, das uns langfristig aus der Überforderung heraushilft. Und es ist gleichzeitig eine Herausforderung, die wir nur meistern können, wenn wir uns darauf einlassen und entschlossene Schritte unternehmen. Mit etwas aufzuhören, etwas zu reduzieren oder zu etwas Nein zu sagen, fällt den meisten Menschen schwer. Wir fürchten den Verlust, wenn wir auf eine neue, interessante Möglichkeit verzichten. Wir sehen, wie sich eine Tür schliesst, und beeilen uns, Ja zu sagen. Auch dann, wenn wir hinterher fast in Arbeit und Verpflichtungen ersticken. Denn wenn wir Nein sagen, erteilen wir nicht nur anderen Menschen eine Absage, sondern auch unserem eigenen Ehrgeiz, unseren Ansprüchen, Zielen und Wünschen. Wenn wir dies aber lernen, verschaffen wir uns Luft und holen uns

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Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

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s ist sechs Uhr morgens. Ich bin auf dem Weg zu einer Lehrerfortbildung, der ich noch den letzten Schliff geben müsste. Dummerweise muss ich auch noch diesen Artikel hier zu Ende schreiben und vor Seminarbeginn einreichen. Zum Glück sind solche LastMinute-Aktionen viel seltener geworden. Ich muss aber zugeben: Als Vater von zwei Kindern alles unter einen Hut zu bekommen, ist manchmal ziemlich schwierig. Eltern stehen heute unter einem immensen Druck. Das Bundesamt für Statistik zeigt einen klaren Anstieg der Gesamtarbeitszeit: Mütter von kleinen Kindern arbeiten insgesamt 68 Stunden pro Woche, die Väter 70. Bei den Vätern hat die Arbeit im Haushalt und in der Kinderbetreuung zugenommen, bei den Frauen die Erwerbsarbeit. Die Gleichstellung – ein wichtiges Ziel – führt momentan dazu, dass Männer und Frauen mehr zu tun haben, weil beide den Anspruch haben, alles zu sein und alles gut zu machen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen und die Hektik in der Arbeitswelt: Immer mehr soll von immer weniger Menschen in immer


unser Leben zurück. Wir machen weniger, das dafür mit mehr Freude, Ruhe und Qualität. Und wir können die Zeit mit Menschen, die uns wichtig sind, wieder geniessen, ohne ständig an unsere To-do-Liste zu denken. Egal, ob Sie gefragt werden, ob Sie dem Elternrat beitreten, ein politisches Amt übernehmen, eine Beförderung annehmen oder Ihrem Kind ein zusätzliches Hobby ermöglichen wollen: Erlauben Sie sich, auf Zeit zu spielen. Wann immer Sie zusagen möchten, könnten Sie von nun an sagen: «Ich überlege es mir und gebe dir morgen Bescheid» oder «Das klingt interessant – ich muss es aber zuerst mit meiner Partnerin, meinem Partner besprechen». Nehmen Sie sich diese Momente, um die Vorteile und die Kosten abzuwägen. Denken Sie an die Kosten Ihrer Zusage

Anfangs sehen wir oft nur die Vorteile einer Zusage. Die Kosten kalkulie­ren wir zu wenig ein. Wir unterschätzen den erforderlichen Aufwand meist gewaltig. Und wir führen uns nicht vor Augen, wozu wir implizit Nein sagen, wenn wir Ja sagen. Unser Tag hat 24 Stunden. Wenn wir Ja sagen zu einer neuen Aufgabe, sagen wir automatisch Nein zu etwas anderem: zu Zeit mit unseren Kindern, dem Partner oder der Partnerin, zu Erholung, Schlaf oder einem Hobby. Oft geben wir die wertvollsten Dinge her, um vermeintliche Pflichten zu erfüllen oder jemanden zufriedenzustellen, der laut genug auftritt. Sich diese Kosten im richtigen Moment bewusst zu machen, kann uns die nötige Courage verleihen, um uns gegen fordernde Chefs und Kollegen abzugrenzen, Kundenanfragen ab­­ zulehnen oder eine schmerzhafte Entscheidung zu treffen. Brian Tracy hat einmal darauf hingewiesen, dass es nur vier Mög-

lichkeiten gibt, sein Leben zu ändern. Sie können: 1. mit etwas Neuem beginnen 2. etwas öfter tun 3. etwas seltener tun 4. etwas nicht mehr tun Wenn die meisten Veränderungen in Ihrem Leben darin bestehen, etwas Neues hinzuzufügen oder sich vorzunehmen, bestimmte Dinge öfter zu tun, bauen sich zusehends mehr Druck und Stress auf. Es wächst das Gefühl, dass Ihr Leben vom Wort «müssen» geprägt ist. Für Erholung, Schönes und Geselligkeit bleibt rasch weniger Raum. Wann immer es uns zu viel wird, können wir uns darauf konzentrieren, im nächsten halben Jahr ausschliesslich Ziele zu verfolgen, die darin bestehen, bestimmte Dinge seltener oder nicht mehr (selbst) zu tun. Ein Ziel könnte lauten, das Arbeitspensum zu reduzieren oder im nächsten Jahr keine Überstunden mehr zu leisten. Vielleicht ist es sinnvoll, ein Amt abzugeben, die Mitgliedschaft in einem Verein zu überdenken oder die Regel einzuführen, dass an zwei Wochenenden im Monat weder etwas unternommen noch jemand eingeladen wird. Eventuell reicht es auch schon, wenn Sie alle Ziele und Projekte, die Sie momentan verfolgen, auflisten – und den Rotstift ansetzen. Wie wäre es, wenn Sie ein halbes Jahr nicht versuchen, abzunehmen oder mehr Sport zu treiben? Wie würde es sich auswirken, wenn Sie Ihre Ansprüche im Haushalt eine Zeit lang bewusst senkten?

Eventuell reicht es schon, wenn Sie alle Projekte, die Sie momentan verfolgen, auflisten und den Rotstift ansetzen.

etwas Denkarbeit investieren, lassen sie sich genauso gut erreichen wie andere Ziele. Es ist schade, wenn ein Burnout notwendig ist, um das herauszufinden. Kurztipps:

• Sagen Sie «Vielleicht» statt «Ja». • Wägen Sie die Kosten vorsichtig ab und machen Sie sich bewusst, was zu kurz kommen wird, wenn Sie zu einer Aufgabe oder einem Amt Ja sagen. • Nehmen Sie sich ab und zu Zeit, um Ihr Leben auszumisten. Was möchten Sie in Zukunft seltener oder nicht mehr tun? Und wie liesse sich das erreichen?

Ziele schriftlich festhalten

Meist befürchten wir allerlei Widerstände, wenn wir ein solches Ziel verfolgen. Wir denken, dass es nicht möglich ist, oder glauben, dass es schwerwiegende Einbussen oder Konflikte mit sich bringen wird. Wenn es uns ernst genug ist, wir solche Ziele schriftlich festhalten und

In der nächsten Ausgabe: Hilfe, mein Kind ist ein Tagträumer.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 51


Erziehung Rubrik & Schule

Wo Schule Freude macht Eine ganz «normale» staatliche Schulklasse in Wil, die so ganz ­anders ist: Hausaufgaben sind freiwil­lig, auf Lehrmittel und Arbeitsblät­ter wird verzichtet, und Prüfungsstress gibt es auch nicht. Dies dazu in einer altersgemischten, integrativen Kindergruppe. Wie geht das? Ein Unterrichtsbesuch. Text: Claudia Landolt Bilder: Samuel Trümpy / 13 Photo

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Rubrik

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 53


Céline ist voll dabei – trotz ihrer Sehbehinderung. Für schriftliche Arbeiten verwendet sie ein Tablet.

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Erziehung & Schule

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elche Schule ist die beste? Eine Schule, in der die Kinder ihr Potenzial entdecken und entfalten können sowie mit Freude lernen, sind sich Mütter und Väter und auch Lehrpersonen jeweils an Elternabenden einig. Eine, in der «jedes Kind selbstbestimmt in seinem Tempo und auf seine Weise lernt», sagt etwa Remo Largo*, der berühmteste Schweizer Kinderarzt. Nun sind alle Kinder verschieden, lernen verschieden und stammen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Diesen unterschiedlichen kindlichen Entwicklungsständen wollen einige Schweizer Schulen entgegenkommen. Sie haben das Altersdurchmischte Lernen (AdL) eingeführt – als pädagogische Antwort auf diese sogenannte Heterogenität. Wir wollten wissen, wie der Schulalltag in einer solchen Mischklasse, die zudem integrativ geführt wird, aussieht, und besuchten eine von acht Klassen des Alleeschulhauses in Wil. Die Schule gilt als Vorzeigemodell und ist für ihr Schulkonzept «Prisma» ausgezeichnet worden. Darinka Egli und Achim Arn sind dort Lehrpersonen und unterrichten als Zweierteam gemeinsam 21 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren – auch Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Zum Beispiel Céline. Sie ist schwer sehbehindert und damit das Kind mit dem sichtbarsten Handicap. Oder der heute so aufgeweckte Tenzin, der im Kindergarten sehr wenig sprach und ansonsten eine

Sprachheilschule besuchen würde. Sowie weitere sechs Kinder, die anderswo separiert unterrichtet würden. Hier jedoch gehören sie alle dazu. Möglich ist dies, weil Achim Arn Klassenlehrer und Heilpädagoge zugleich ist und mit Darinka Egli stets zusammen vor Ort sein kann. Vom echten Leben lernen

Es ist Dienstagmorgen, 7.30 Uhr. Die grosse Eingangstüre des Alleeschulhauses mitten im Stadtzentrum von Wil ist weit geöffnet. Nach und nach trudeln die Kinder der Klasse Egli/ Arn im Klassenzimmer ein. Obwohl der Unterricht erst um 8 Uhr anfängt, sind die Lehrpersonen schon eine halbe Stunde früher vor Ort – um den Kindern einen individuellen und ruhigen Schulstart zu ermöglichen und den Eltern etwas Morgenstress zu nehmen. So kommt es nicht selten vor, dass manche sich im Schulzimmer die Zähne putzen, sich ein Buch schnappen oder an ihren Aufgaben arbeiten. Um 8 Uhr ertönt das Morgenlied auf dem Klavier. Die Schule beginnt. Heute steht ein Ausflug in den Wald an. «Vom Baum zum Stuhl» heisst das Thema. Ihre Entdeckungen bebildern und beschreiben sie in ihrem Arbeitsheft, dem sogenannten Forschungsheft. Vorerst gilt es, den 20-minütigen Fussmarsch in den Wald zu bewältigen. Das gelingt mit wenig Gedränge und Geschubse – zu gross ist die Vorfreude. «Ich finde es toll, dass wir so viel draus­ sen sind», bringt es Mehrin >>>

Was gefällt den Kindern an ihrer besonderen Klasse/Schule?

«Ich finde es toll, dass wir freie Tätigkeit haben, das macht glaube ich sonst keine Schule.» Lilija, 9

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Erziehung & Schule

>>> auf den Punkt. Alle zwei Wochen brechen die Mädchen und Buben in den Wald auf. Im Rahmen ihres Realienthemas haben sie sich viele Wochen mit Bäumen beschäf­ tigt, sie zu unterscheiden gelernt, verschiedene Keimlinge gesammelt und in kleine Tontöpfe gepflanzt. Diese stehen nun auf den Pulten im Schulzimmer. «Wir pflegen sie gut», erklärt uns Vleran unterwegs ganz stolz. «In unserer Baumschule haben wir viele Bäumchen. Wir pfle­ gen sie, bis sie gross genug sind, um in den Wald ausgepflanzt zu werden. Dies haben schon viele Schulklassen vor mir so gemacht. Darum hat es im Wald ganz viele grosse Bäume aus unserer Klasse.» Heute geht es also in den Wald, wo der Wiler Förs­ ter Renaldo Vanzo bereits auf die Kinder wartet. Er sucht an diesem Tag mit ihnen die Bäumchen aus ihrer Baumschule aus, die sie an einer entfernt liegenden Lichtung einpflanzen werden. Keine Schulglocke, die erklingt, kein Sehnen nach der Pause und kein Pressieren auf den Zug. «Das Leben findet draussen statt, das sol­ len die Kinder miterleben», erklärt Darinka Egli. So geht die Klasse nicht nur regelmässig in den Wald, sondern nutzt auch die Stadt als Lernort. Zum aktuellen Thema «Vom Baum zum Stuhl» besuchten sie bereits eine Sägerei und eine Schreinerei. «Kinder sollen Lebens­ stärke entwickeln, das heisst, mit beiden Beinen im Leben stehen. Das bedeutet, dass sich Kindergarten und Schule den echten Inhalten und Situationen des Lebens stellen müs­ sen», sagt Darinka Egli. Einander helfen ist Programm

Wir spazieren zur Waldlichtung. Ein Mädchen in gelber Regenjacke greift nach meiner Hand. Es ist Cé­­ line. «Gehst du gerne in den Wald?», fragt sie mich. Und sagt dann in einer Grosszügigkeit, wie sie nur Kindern eigen ist: «Ich habe eine Sehbehinderung – und dann habe 56

ich noch zwei Geschwister und bin zehn Jahre alt, und du?» Ihre jün­ gere Klassenkollegin Tijana hüpft neben uns, munter wie Pippi Lang­ strumpf. Zwischen zwei Sprüngen und zahlreichen Entdeckungen («eine Schnecke!») berichtet sie mir aus ihrer Welt: von ihrem Morgen, ihrer Familie und ihrem baldigen Geburtstag. Zwischendurch erklärt sie Céline den Weg: «Jetzt musst du nach rechts abbiegen.» Dass man sich gegenseitig hilft, ist in dieser Klasse Programm. Es bedeutet: «Ich weiss, wo ich gebraucht werde, aber auch ich brauche die anderen. Das Erste stärkt das Kind, und das Zwei­ te gibt ihm Sicherheit», erklärt Achim Arn. >>>

«Ich finde die Spielzeit sehr schön, danach kann ich mich wieder gut konzentrieren.» Jonas, 9

Rechnen ist ja lustig! Auch schüchterne Kinder entwickeln Spass an der Mathematik ohne Wettbewerb.

«Wenn sich ein Kind wohlfühlt, kann ich es als Lehrer auch herausfordern» Achim Arn ist Lehrer einer integrativen und altersgemischten Unterstufe in Wil. Für ihn muss Schule ein Ort der Ermutigung sein. Wie das möglich ist, erzählt er im Interview. Interview: Claudia Landolt

Herr Arn, gehen Ihre Schülerinnen und Schüler gern zur Schule? Ja, und genau deshalb zeigen sie grossen Einsatz und tolle Leistungen. Leistung und Freude sind keine Widersprüche, sondern helfen sich gegenseitig. Ihre Klasse ist eine besondere Lerngemeinschaft. So arbeiten Sie beispielsweise ohne Lehrmittel. Warum? Das Leben und Lernen jedes Kindes ist einzigartig. Es findet immer im Hier und Jetzt

statt und lässt sich folglich nicht wiederholen. Wir wollen mit den Kindern neue Wege gehen und nicht ausgetretene Pfade. Das ist spannender und nachhaltiger. Diese Wege dokumentiert jedes Kind in seinem – zu Beginn leeren – Forscherheft. So kommen in drei Schuljahren gut und gerne über 20 sehr individuelle Hefte zusammen. Ein echter Schatz, auf den die Kinder sehr stolz sind! Ganz «nebenbei» fördern wir damit nicht nur das Rechnen, Schreiben, Lesen usw., sondern auch eigenständiges Denken. Was stört Sie an üblichen Lehrmitteln? Aus meiner Sicht orientieren sich die Lehrmittel, Arbeitsblätter, Werkstattposten usw. viel zu wenig an den Fragen und der Erlebniswelt der Kinder. Das können sie auch nicht, denn dazu sind die Kinder, ihre Hintergründe und ihre Möglichkeiten viel zu verschieden. Daneben verleiten Lehrmittel auch zu einer Abarbeitungs- und Erfüllungsmentalität. In Ihrer Klasse sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Alle sind immer voll dabei. Es ist nicht nur normal, verschieden zu sein, sondern richtig toll! Denn erst durch diese unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründe wird das Von- und Miteinanderlernen

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Rubrik

in unserer Klasse so spannend. Um diesen Umstand zu nutzen, arbeiten wir alle meist an demselben Thema oder derselben Aufgabe. Natürlich auf verschiedenen Niveaus und mit verschiedenen Zugängen, aber dennoch miteinander! Dabei merken wir dann alle, wie schön es ist, andern zu helfen, aber auch Hilfe annehmen zu können. Das ist für mich gelebte Inklusion. Bei Ihnen helfen alle Kinder einander ganz selbstverständlich. Sie als Lehrperson geben also Verantwortung ab. Genau. Das geht aber nur, wenn man die Grundhaltung des Miteinanders verinner­ licht. Die Kinder sind mit mir gemeinsam für das Lernen jedes Kindes unserer Klasse verantwortlich. Das heisst aber, dass sie den Unterricht auch mitgestalten dürfen. Diese Haltung fordert gerade auch Kinder, die sehr schnell lernen. Durch ihre Mithilfe habe ich dann wiederum genug Zeit für ihre neuen Lernschritte. «Schwächere Kinder» ist ein Ausdruck, den Sie bewusst vermeiden. Schwäche klingt hier als Abwertung der Leistung eines Kindes. Diese normative Aussage wird niemandem gerecht, der sein Bestes gibt, und ist hinderlich für das

Lernen. Dennoch ist es wichtig, dass jedes Kind lernt, einen selbstbewussten Umgang mit den eigenen Begrenzungen zu finden. Es geht darum, zu den eigenen Grenzen stehen zu können und sich mit der eigenen Fehlbarkeit auseinanderzusetzen. Das wiederum empfinde ich als Stärke. In Ihrer Klasse gibt es keine Prüfungen. Warum? Und wie ist das möglich? Prüfungen und Noten orientieren sich an einer Altersnorm und nicht am einzelnen Kind. Das hat für viele Kinder und ihre Lernbiografie negative Folgen. Deshalb verzichten wir im Unterricht auf Prüfungen. Als Klasse in einer öffentlichen Schule sind wir jedoch gezwungen, halbjährlich Zeugnisse abzugeben. Die dort enthaltenen Noten basieren auf den Leistungen in den Forschungsheften der Kinder und auf Beobachtungen im Unterricht. Aber auch gegenüber diesen Noten sind wir kritisch und besprechen dies auch mit den Kindern und Eltern. Wie wirkt sich das integrative und altersdurchmischte Lernen auf die spätere Laufbahn Ihrer Schüler aus? Zahlen und Statistiken dazu habe ich keine – woher auch? Und allgemeine Aussagen

dazu zu machen, liegt mir fern, denn weder Integration noch Altersdurchmischung garantieren guten Unterricht und Schul­ erfolg. Für die Kinder zählt einzig, was ihre Lehrpersonen und das Umfeld mit ihnen leben und lernen. Was ich zur Frage ganz persönlich sagen kann, ist, dass mich und unsere Klasse immer wieder ehemalige Schülerinnen und Schüler besuchen. Ich staune dabei immer wieder über den Weg, den diese jungen Menschen gehen und gegangen sind. Dass einige von ihnen Dinge erreicht haben, welche ihnen viele nie zu­­­ge­­traut hätten, freut mich dann umso mehr.

Zur Person

Achim Arn ist Primarlehrer und Heilpädagoge. Er unterrichtet mit seiner Kollegin Darinka Egli im Alleeschulhaus in Wil. Er hält Gastreferate im Bereich der «inklusiven Didaktik». Er ist verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter.

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Erziehung & Schule

Schule mit Auszeichnung Das Alleeschulhaus wurde 2006 für sein Schulmodell Prisma mit dem Pestalozzi-Preis ausgezeichnet. Prisma heisst: mit den Kindern die Schule gestalten, nicht für sie. Praktisch geschieht das beispielsweise im Gruppenrat (Klassenverbund) und an der Prisma-Vollversammlung (ganzes Schulhaus). Prisma ist eine geleitete öffentliche Schule, unterrichtet nach dem kantonalen Lehrplan und erfüllt sämtliche Vorgaben, auch die finanziellen. Mehr Informationen: www.prisma-wil.ch

«Ich finde es toll, dass ich etwas Neues lernen kann und wir nach draussen gehen.» Vleran, 10

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>>> Auf der Lichtung zeigt der Förster den Kindern, wie man kor­ rekt einen jungen Baum einpflanzt. Wenig später graben sie zu zweit mit einem Spaten ein Loch in den Boden und schleppen schwere Holzpfähle. Manche schwitzen, zie­ hen ihre Jacken aus. Andere disku­ tieren, wer welche Aufgabe hat. Auch Céline läuft über den un­­ ebenen Waldboden, an der Hand ihrer Kollegin Joy. Ab und zu schaut Céline in den Himmel, als ob sie das gefällige Blau, die schöne Stimmung mit ihren Sinnen einfangen möchte. «Viele unserer Kinder kannten den Wald früher kaum und waren nur selten in der Natur», weiss Achim Arn. Die Unterrichtsform der alters­ durchmischten Klassen und die des integrativen Unterrichts haben

zahlreiche Kritiker. Die schwäche­ ren Kinder würden die schnelleren bremsen. Die Lehrperson habe für die Starken zu wenig Zeit und das Unterrichtsniveau würde sinken, befürchten etwa Eltern. Und auch die Schwächeren hätten Probleme, da sie das Gefühl hätten, nicht zu genügen und am Rande zu stehen. Pädagogen machen den Mehrauf­ wand in der Vorbereitung als auch mangelnde personelle Ressourcen geltend und hegen besonders in Kernfächern wie Deutsch oder Mathematik Zweifel, welche pro­ motionswirksam, also entscheidend für den Übertritt in die nächste Klasse sind. Anderntags im Schulzimmer. Rechnen sei ihr Lieblingsfach, erklä­ ren uns mehrere Kinder voller Freu­ de. Warum? «Weil wir hier Rechnen

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


spielen. Das ist wie ein Rätsel lösen», sagt Leon. Zum Beispiel Subtrakti­ on. An diesem Morgen ge­schieht dies zuerst mit einer selbstgebastel­ ten Kegelbahn mit 7 oder 14 Kegeln, die es mit dem Finger und mit Hilfe einer Murmel wegzukicken gilt. Die Anzahl gefallener Kegel wird von der Startzahl 20 oder 40 subtrahiert. Wer zuerst bei 0 ist, hat gewonnen. Mehr als eine Stunde hochkonzentrier­t

Ein Schulzimmer mit räumlicher Förderung à la carte: gross, hell und mit vielen Möglichkeiten zum Zurückzug.

Die Kinder entscheiden dabei selbst, mit welcher Anzahl Kegel und mit welcher Startzahl sie spielen wollen. Achim Arn erfragt das so: «Welche Anzahl Kegel ist gut für dich? Mit welcher Startzahl möchtest du üben?» Dann setzen sich zwei Kin­ der zusammen, welche die gleiche Herausforderung suchen, unabhän­ gig von ihrem Alter. Die Rechenauf­ gabe wird ins Heft ge­­schrieben, der Kegelpartner rechnet mit und kor­ rigiert, wo nötig. Nach einigen Run­ den treffen sich die Kinder im Kreis und geben sich Tipps, wie man fin­ gerfertig die Kegel trifft und vor allem wie man die daraus entstehen­ de Rechnung schlau lösen kann. Später rechnen die Kinder von der Tafel, an der unzählige Rech­ nungen verschiedenen Schwierig­ keitsgrades stehen. Auch hier wäh­ len sie selbst, welche Aufgaben zu ihnen passen und sie fordern. Sie entscheiden auch eigenständig, mit welchen Hilfsmitteln (Finger, Klötze oder iPad) sie die Rechnung lösen. Mehr als eine Stunde sind alle Kin­ der hochkonzentriert. Dabei ist die Bandbreite sehr gross: Ein siebenjähriger Junge rech­ net im Tausenderraum, während das neunjährige Mädchen daneben bis 20 arbeitet. Beide sind mit grossem Eifer dabei und helfen sich gegensei­ tig. Bei Fragen wenden sie sich zu­­ erst an ihren Nachbarn, dann an eine der beiden Lehrpersonen. Auch Céline übt an ihrem iPad, mit einem Programm, das das Duo Arn/Egli eigens für sie entwickelt hat und ihr

«Es ist sehr cool, dass Lehrer nicht alles alleine bestimmen, sondern wir mitbestimmen dürfen.» Lars, 7

das selbständige Arbeiten an den Klasseninhalten ermöglicht. Am Schluss der Stunde gibt es eine Feed­ backrunde, welche von einem Kind geleitet wird. «Wie ging es dir beim Arbeiten? Was hat dir geholfen? Wo möchtest du weiterarbeiten?» Mehrere Kinder melden sich und geben so Auskunft über ihr Lernen. Weniger rechenkompetente Kinder sind ebenfalls unter ihnen. Sie alle

wollen über ihr Lernen Auskunft geben. «Wir wollen nicht nur die Kinder dort abholen, wo sie stehen, sondern wollen, dass sie es selbst wissen. Von dort aus können wir gemeinsam überlegen, welche Lern­ schritte für sie folgen könnten», sagt Darinka Egli. Leistung sei, so dop­ pelt Achim Arn nach, nicht nur im Verbund mit Wettbewerb denkbar, sondern könne auch aus >>>

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Naturärzte Vereinigung Schweiz

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 59


Rubrik

Gewonnen! Die siebenjährige Asya freut sich über das richtige Resultat beim Kegel­rechnen.

>>> Freude an der Sache heraus entstehen. Dabei ist die selbstgebastelte Kegelbahn keine Ausnahme. In die­ ser Klasse gibt es keine Lehrbücher, Arbeitsblätter, Werkstätten oder Wochenpläne. Gelernt wird am The­ ma selbst, dokumentiert wird in leeren Heften und geübt wird oft mit Spielen. Immer gibt es Raum zur Differenzierung. Und tatsächlich: Es scheint, als ob keines dieser Kinder zu kurz kommt, jedem die Zeit geschenkt wird, die es für seine Lernschritte braucht. Während Da­­rinka Egli einer Gruppe eine Aufgabe erklärt, kann sich Achim Arn länger einem einzelnen Kind widmen. Es muss ihn dringend etwas fragen. «Es ist nett, dass du

«Mir gefällt, dass die Lehrer nicht so streng sind und niemandem Angst machen.» Simon, 10

mir beim Rechnen geholfen hast», sagt das Mädchen später zu Achim Arn. Lernen im Rhythmus der Kinder

Damit die Kinder so konzentriert arbeiten, wie sie es in der Mathema­ tik tun, braucht es einen Tagesrhyth­ mus, der ihnen entspricht. So treffen sich die Buben und Mädchen täglich im Morgenkreis. Auf dem kleinen Holztischchen in der Mitte liegt ein mehrteiliges Holzpuzzle, aus dem sechs Kinder ein Stück herausneh­ men und etwas berichten dürfen. Sei es von ihrem neuen Rucksack oder einem Ausflug am Wochenende. Was immer ein Kind beschäftigt, kann so mit der Klasse geteilt werden. So erzählt ein Knabe zum Bei­ spiel, dass er mit seinem Vater an der Eröffnung einer Moschee gewesen sei. Seine Klassenkollegen denken nach, man sieht förmlich, wie es hin­ ter der Kinderstirn arbeitet. An­­ schliessend fragen sie: «Was ist eine Moschee?», «Was machts du da?», «Hast du da auch gebetet?» und «Sieht sie schön aus?».

Nach der darauffolgenden, etwa ein­ stündigen intensiven Arbeitsphase gibt es den wohlverdienten Znüni. Dieser wird nach dem Znünilied gemeinsam im Stuhlkreis in der Klasse eingenommen. Die Kinder holen ihre Snacks aus dem Schulthek. Es kommen Früchte zum Vorschein, ab und an ein Darvida, manchmal ein Sandwich. «Wenn wir wollen, dass die Kinder gesund essen, weil es zu ihrem Wohlbefinden beiträgt, muss das gesunde Essen Bestandteil des Alltags sein», sagt Darinka Egli. Enge Ernährungsvorgaben gebe es aber nicht, das Züni müsse einfach gesund sein. Dies führe dazu, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder über ihr Znüni diskutieren, ob etwas gesund sei oder nicht. So lernen sie ein Stück weit, sich gesund zu ernähren. Nach der Zwischenverpflegung wischt Tijana die Brösmeli vom Tisch und reinigt mit dem Staubsau­ ger den Boden. Danach geht es hin­ aus zum Aus­toben und Spielen – nicht ohne vorher besprochen zu haben, was man vorhat, damit nie­ Schöner. Günstig. WOHNEN.

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Erziehung & Schule

lienfoto an der Wand hängt. Hier gehören nicht nur alle Kinder, son­ dern auch ihre Familien dazu. Die Eltern sind auch ohne Vorankündi­ gung immer gern als Besucher in der Klasse gesehen. Das sorgt für ein gutes gegenseitiges Verständnis, was bei den vielen nicht alltäglichen Dingen in dieser Klasse wichtig ist. Eine Mutter erzählt mir, dass Konflikte innerhalb der Klasse nicht an den Mittagstisch gelangen, son­ dern in der Schule gelöst werden. Die Sprachkultur schwappe auch auf das Elternhaus über, erzählt sie. «Häufiger als ‹Ich will› hören wir nun ‹Ich hätte einen Vorschlag›.» Manche Kinder empfinden diesen Unterrichtsstil jedoch als «anstren­ gend, weil ich da so viel selber den­ ken muss», sagt etwa eine Schülerin. «Das empfinde ich aber als Kompli­

Joy, 9

mand sich langweilt oder allein bleibt. «Das ge­­meinsame Znüni und das Pausenkonzept wurde entwi­ ckelt, damit Ernährung und Bewe­ gung genug Raum im Alltag haben», erklären die beiden Pädagogen. Auf die Pause folgen oft Phasen des frei­ en Spielens und Lernens, des Sports oder des Gestaltens. Dass in dieser Klasse das Kind in seiner gesamten Entwicklung im Zentrum steht, wird schnell sicht­ bar. Auch darin, dass von allen Kin­ dern der Klasse ein grosses Fami­

Schwebetürenschrank

ment«, antwortet Achim Arn. «Sel­ ber zu denken, ist nicht der ein­ fachste Weg. Doch nur wer alles selber ausprobieren, prüfen und erforschen will, wird echte Lebens­ stärke entwickeln.» >>>

«Wir lachen einander nicht aus und helfen einander.»

* Remo Largo: Das passende Leben. Zürich 2017, 170 Seiten.

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war sehr beeindruckt, wie harmonisch, liebevoll und hilfsbereit die Kinder miteinander umgehen. Und wie inspirierend Lernen ohne Lehrmittel ist. Kegelrechnen übt sie jetzt auch mit ihren Söhnen.

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Sackgeld – wer bekommt wie viel? Den Umgang mit Geld lernen ist wichtig – aber wie? Laut einer grossen Taschengeldstudie sehen es Mütter und Väter klar als ihre Aufgabe, ihren Kindern den Umgang mit Geld beizubringen. Diese sind sogar vernünftiger, als viele Eltern denken. Text: Florence Schnydrig Moser

A Grafik 1

Grafik 2

Anteil der Eltern, die ihren Kindern Taschengeld geben nach Sprachregion

Anteil der Kinder, die Taschengeld erhalten nach Geschlecht

100 %

100 %

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86 % 41 %

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0%

0% 5 – 7 Jahre

Deutsch

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Französisch

8 – 11 Jahre

12 – 14 Jahre

28 %

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8 – 11 Jahre

12 – 14 Jahre

43 %

5 – 7 Jahre

Mädchen

72 % 81 %

Buben

Bild: Martin Barraud / Plainpicture Grafiken: Credit Suisse / sotomo

b welchem Alter sollte man seinen Kindern ein Sackgeld zahlen? Wie hoch sollte dieses sein? Und wie machen das andere Eltern? Diesen und anderen Fragen ging eine grosse Studie zum Thema Taschengeld auf den Grund. Im Auftrag von Credit Suisse und in Kooperation mit Pro Juventute wurden 11 000 Mütter und Väter in der ganzen Schweiz befragt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es Schweizer Eltern ist, ihren Kindern einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld beizubringen

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


In Zusammenarbeit mit der Credit Suisse

– wichtiger noch als die Förderung von Bescheidenheit oder Zielstrebig­ keit. Das sehe ich auch bei mir und meinen eigenen Kindern. Obwohl sie erst sechs und acht Jahre alt sind, sollen sie schon jetzt ein Bewusstsein für den Wert des Geldes entwickeln und lernen, was Sparen bedeutet. Damit bin ich nicht alleine: Die meisten Eltern führen ihre Kinder im Alter von sechs Jahren in die Welt des Geldes ein – also dann, wenn sie in die Schule kommen und das Einmaleins lernen. Mit sieben Jahren dürfen Kinder üblicherweise das erste Mal selbst kleine Einkäufe erledigen und mit zehn Jahren über Geldgeschenke verfügen. Das Sackgeld nutzen die meisten Eltern als wichtiges Übungsfeld: Kinder können so erste Erfahrungen im Umgang mit Geld sammeln, ohne in finanzielle Schieflage zu ge­­ raten. Deshalb erstaunt es wenig, dass etwa die Hälfte aller Siebenjäh­ rigen Sackgeld bekommt – zumin­ dest in der Deutschschweiz. Für die ­Mehrheit der Kinder in der Roman­ die gibt es erst mit dem Übertritt in die Sekundarschule Sackgeld (Grafik 1).

Was überrascht: Mädchen erhalten später Taschengeld als Buben. Be­ sonders bei den fünf- bis siebenjäh­ rigen Kindern fällt der Unterschied auf; so bekommt fast jeder zweite Bub Sackgeld, bei den Mädchen nur jedes dritte. Zumindest bei der Höhe des Sackgeldes herrscht aber Ausge­ glichenheit (Grafik 2). Die Höhe des Taschengelds hängt vom Alter ab. Kinder zwischen fünf und sieben Jahren erhalten im Schnitt vier Franken pro Monat, bei den Acht- bis Elfjährigen sind es zehn und bei den Zwölf- bis Vier­ zehnjährigen 20 Franken (Grafik 3). Zwei Drittel der Kinder können frei über ihr Taschengeld verfügen und selbständig entscheiden, wofür sie das Geld einsetzen. Bemerkens­ wert ist, dass die Kinder diese Frei­ heit nicht ausspielen: Knapp die Hälfte legt einen grösseren Teil des Sackgelds zur Seite und beginnt mit dem Aufbau eines kleinen Vermö­ gens. Natürlich haben Kinder auch Konsumwünsche, für die gespart wird: Häufig genannte Sparziele sind der Computer, ein Töffli oder Smartphone sowie Spielzeug wie Lego. Oft gaben Eltern auch an, dass

Florence Schnydrig Moser ist Leiterin von Products & Investment Services bei der Credit Suisse und Auftraggeberin der Taschengeldstudie.

Die grösste Taschengeldstudie der Schweiz zeigt: • Für die meisten Eltern ist das Sackgeld ein wichtiger Teil der Finanzerziehung.

Grafik 3 Mittelwert des monatlichen Taschengelds (in Franken) nach Alter des Kindes 50

48

40

39

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0

ihre Kinder auf nichts Spezielles sparen, sondern generell für die Zukunft. Als Mutter gefällt mir diese Erkenntnis. Denn offensichtlich sind unsere Kinder im Umgang mit Geld vernünftiger, als wir gemein­ hin annehmen. Der richtige Umgang mit Geld wird in unserer Familie weiterhin Thema bleiben. Die Er­­ gebnisse der Taschengeldstudie geben mir dabei Orientierung.

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5

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5 J.

6 J.

7 J.

8 J.

9 J.

• In der lateinischen Schweiz hat Finanz­erziehung einen geringeren Stellenwert und Sackgeld wird später vergeben als in der Deutschschweiz. • Sechs von zehn Kindern können frei über ihr Sackgeld verfügen. • Die Mehrheit der Mädchen erhält später Sackgeld als Buben, später jedoch einen ähnlichen Betrag. Mehr Informationen finden Sie unter: credit-suisse.com/taschengeldstudie

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10 J. 11 J. 12 J. 13 J. 14 J.

In der Viva Kids World der Credit Suisse finden Eltern Tipps und Tricks für die Finanz­erziehung. Kinder entdecken Finanzthemen gemeinsam mit der Viva-Kids-Bande. credit-suisse.com/vivakidsworld

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 63


Kolumne

Im Haus der Zukunft

Michèle Binswanger Die studierte Philosophin ist Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.

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Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren

E

iner der schönsten Texte für Eltern ist Kahlil Gibrans Gedicht «Über Kinder». «Eure Kinder sind nicht eure Kinder (…), ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen», so heisst es. Ich werde also niemals wissen, in welchem Zimmer meine Kinder im Haus der Zukunft wohnen werden. Aber ich habe eine ganz gute Vorstellung, was ihre Generation prägt: das Smartphone. Meine Kinder gehören zur sogenannten iGen. Gemeint sind die Jahr­ gänge von 1995 bis 2012, die mit Smartphones und sozialen Medien aufgewachsen sind. Wie genau die digita­le Revolution die Adoleszenz verändert, hat Psycho­logie­professorin Jean M. Twenge kürzlich in einem viel diskutierten Artikel dargelegt. Sie bezieht sich auf Statistiken, die in Amerika erhoben wurden. Aber die Veränderungen dürften jede durch Smartphones geprägte Gesellschaft betreffen. Heutigen Teenagern, beobachtet Twenge, geht es in einigen Hinsich­ ten besser als vorherigen Generationen. Etwa bauen sie weniger Auto­ unfälle oder haben weniger Probleme mit Rauchen und Alkohol. Dafür gehe es ihnen psychisch schlecht, denn Depressions- und Suizidraten unter Teens seien explodiert. Die Teenager der iGen sind abhängiger von ihren Eltern als frühere Generationen, sie gehen weniger alleine aus dem Haus, sie daten weniger, lernen später Autofahren, haben weniger Ferienjobs. Sexuell sind sie ebenfalls weniger aktiv. Was sie mit ihrer Zeit anfangen, liegt auf der Hand: Sie liegen alleine im Bett – mit dem Smart­ phone. In einer Zeit, in der meine Generation sich nichts sehnlicher wünschte, als mit anderen Teenagern die Köpfe zusammenzustecken, steckt die iGen ihren Kopf ins Smartphone. Und es macht sie un­­glücklich: Je mehr Zeit Teenager am Handy verbringen, desto weniger glücklich sind sie. Das betrifft Mädchen noch stärker als Buben, weil diese auch öfter Opfer von Cyberbullying sind. Das sind schmerzliche Beobachtungen. Allerdings beleuchtet Autorin Twenge nur eine Seite der Medaille. Wenn ich mich an meine Jugend zurückerinnere, hat die digitale Re­volution doch auch positive Seiten. Wie verzweifelt hätte ich mir in den Achtzigerjahren so etwas wie Spotify gewünscht, um jene Musik zu finden, die ich hören wollte. Stattdessen harrte ich Stunden um Stunden am Radio aus, um im richtigen Moment auf Rec zu drücken – dann nämlich, wenn mein Song endlich gespielt wurde. Mein Sohn kann heute mit dem Smartphone gleich selber Hits produzieren. Meine These ist deshalb: Bringt ein Kind ein stabiles soziales Fundament mit und hat es kreative Interessen, dann ist das Smartphone mehr Segen als Fluch. Allerdings weiss ich, wie süchtig das ewige Surfen in sozialen Medien machen kann. Ich weiss zudem, wie schwer es Kindern manchmal fällt, auf das Smartphone zu verzichten und etwas anderes zu tun. Aber mit etwas Nachdruck kriegt man das hin. Solange man nicht zu bequem ist, zu inter­venieren – weil man selber dauernd ins Handy starrt –, gibt es auch für die iGen Hoffnung. Denn auch sie hat Anrecht auf ein hübsches und helles Zimmer im Haus der Zukunft.

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Leserbriefe

s u sm ti u A it m n e h sc n e «M brauchen unsere Unterstützung» Dossier

Das andere Kin leben mit Autismd – us

«Herzlichen Dank!»

Eine Störung für die einen, eine Wesensar und eine Herausfor t für die anderen derung für alle. Jedes hundertst e Kind in der Schweiz Das ist Autismus. Was heisst das ist davon betroffen für das Kind? . Was für seine Eltern? Und vor allem: Wer hilft? Text: Sarah King Bilder: Daniel

Auf der Mauer

(Dossier «Autismus», Heft 8/2017) 10

August 2017

Das Schweizer ElternMagazin

Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin

Fritz+Fränzi

August 2017

Bruna Rausa (per Mail)

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(Dossier «Autismus», Heft 8/2017)

/ 13 Photo

Der 9-jährige Emilio hat Autismus. Rituale bestimmen sein Leben. Mehrmals am Tag geht er in den Wäscheraum und beobachtet die drehenden Trommeln.

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In der August-Ausgabe Ihres ElternMagazins ist ein Porträt über das Leben von Emilio veröffentlicht worden. Emilio ist mein Sohn. Leben mit Autismus ist unser Alltag. Frau King hat eine wunderbare Arbeit geleistet. Die Bilder haben mich sehr berührt. Ich freute mich auch über Ihre Videopräsentation. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur korrekten Information. Mehr Verständnis bringt auch mehr Toleranz. Für Ihren Beitrag möchte ich mich herzlich bedanken. Ich habe viele Feedbacks bekommen von Eltern und Selbstbetroffenen, die schwierige Lebenskonditionen haben. Durch einen korrekten Zugang zur Öffentlichkeit fühlen sich die Leute nicht mehr alleine. Sie wissen, dass ihr Leiden nicht umsonst ist, dass sich der tägliche Kampf mit Alltag, Umfeld, Schule und Institutionen lohnt und dass sie nicht still in der Verzweiflung untergehen müssen. Gerne leistete ich mit den 30 erhaltenen Exemplaren Ihrer August-Ausgabe Aufklärungsarbeit. Geschäfte, Schulen, Ärzte, Nachbarschaft und Gemeinde haben grosses Interesse gezeigt. Denn Emilios Verhalten löst viele Fragen aus. Bezahlen an der Kasse ist eine hohe Hürde. Unerwartete Bewegungen der anderen Kunden sind für Emilio eine Herausforderung, ebenso Licht oder Lärm. Die Benutzung der öffentlichen Toiletten ist seit dem Aufkommen der Hochdruck-Handtrockner eine Odyssee; das laute Geräusch und der Druck sind für sensible Autisten unerträglich. Auch Bank, Kino und Post haben viele Fragen gestellt. Die Blindenschule Zollikofen hat eine neue Lernumgebung geschaffen und unterrichtet seit August sieben autistische Knaben. Die Beschulung von Kindern mit ASS ist schwierig. Es fehlt an geeigneten Schulen, Lerntools, Assistenzlehrern, Weiterbildungen und oft auch an Verständnis. Kinder mit ASS passen nirgends hin. Sie überfordern sowohl das Sonderschulsystem wie auch Regelschulen. Viele Kinder müssen mit ständigen Schulwechseln leben. Durch den ständigen Wechsel wird die soziale Integration gestört. Viele Kinder entwickeln Selbstmordgedanken. Eltern fühlen sich hilflos. Demnächst führt die Blindenschule einen Info-Anlass durch, an dem ich gerne das Heft verteilen würde. Wäre es möglich, weitere 50 Exemplare zu erhalten?

«Eine Autismus-Strategie ist nötig»

«Autismus deutsche schweiz», die grösste Non-Profit-Organisation zum Thema Autismus in der Schweiz, bedankt sich für das vielseitige Dossier mit den eindrücklichen Porträts von Betroffenen. Sie zeigen, dass eine Autismus-Strategie für die Schweiz dringend nötig ist, damit die vielen ungelösten Themen angepackt werden und alle Beteiligten die nötige Unterstützung bekommen. Frühkindliche und andere Therapien etwa müssen für alle zugänglich sein und die Schulen in ihren Bestrebungen, Inklusion möglich zu machen, besser unterstützt werden. Zum Glück gibt es positive Beispiele dafür, wie dies gelingen kann, und engagierte Personen, die dies ermöglichen. Leider finden diese aber nur selten den Weg in die Medien. Dies ist bedauerlich, da gerade solche positiven Beispiele als Modelllösungen für Betroffene in ähnlichen Situationen dienen können. Menschen mit Autismus brauchen unsere Unterstützung, damit sie in ihrem «Anderssein» mit möglichst wenig Stress und viel Verständnis von ihrem Umfeld leben können. Das ist uns allen klar. Gute Ansätze müssen in der Öffentlichkeit bekannt werden, damit sie möglichst zahlreiche Nachahmer finden. Regula Buehler Geschäftsleitung autismus deutsche schweiz (per Mail) Erziehung & Schule

MEIN STOTTERN UND ICH

«Stottern muss nicht sein» («Mein Stottern und ich», Heft 8/2017)

oft so schwer, hierzulande stottern, ung. Die Etwa 80 000 Menschenund manchmal ihre Lebensplan leidet – alt ist, gegen dass ihr Alltag seit sie fünf Jahre Pasquet kämpft, erzählt sie ihre Autorin Vivian Redefluss. Hier Bruch in ihrem den drohenden Bilder: Olaf Blecker Vivian Pasquet Geschichte. Text:

Mit… – Äpfel?» Die vor- «Die D-d-d-d mich zur Obstausfest, zwischen arbeiterin führt Das Wort steckt mit Äpfeln, wischen Tütensuppen derem Gaumen und Zungenspitze. lage, ich fülle eine Tüte fasse zu schwitzen. und Trockenobst ich nicht brauche. trete, fühle halbe Ich beginne Abendessen eingela- die Strasse ich Mut. Fast eine Als ich auf die Ich bin zum Datteln durch wie eine Versagerin. ich habe versprochen, Stunde bin ich Jetzt ich mich habe gelau- den und vorzubereiten. den Supermarkt ZWEI TAGE ZUVOR Als ich im Speckmantel Warum mehrfach entDel Ferro angerufen. ich mich dafür. fen. An allen Regalen und verfluche vorgeschla- Ingrid alt war, hat die SprechtraiKüchenrollen habe ich nicht Hummus ? 16 Jahre lang, selbst bei meiner schlimmsten ich nachgeschaut. gen, Salat oder Wackelpudding nerin mich aus GrundKlopapier habe ich nichts, das mit befreit. In der im Kopf, die Egal was, Hauptsache mehr als eine Stotterzeit Mit einer Frage in einem Theatertraute. und schule hatte ich mich nicht zu stellen ich eine Ver- einem D anfängt Stunden am Bühhat. stück anderthalb >>> Schliesslich spreche preseinen und », sage Silbe und Augen nenrand gekauert Ich schliesse die käuferin an. «Entschuldigung ich den Gaumen. ein. «Wo finde se die Zunge gegen ich und atme tief 59 die D-d-d …»

Z ElternMagazin Das Schweizer

Fritz+Fränzi

August 2017

Wir hatten selber einen stotternden Sohn. Als er sieben Jahre alt war, besuchten wir für zwei Wochen das Del-Ferro-Institut in Amsterdam, und danach flogen wir ein Jahr lang ein Mal im Monat nach Deutschland, Iserlohn, zur Nachsorge. Heute ist unser Sohn dreizehn Jahre alt und stottert nicht mehr. Es war eine sehr intensive und sehr harte Zeit, doch es hat sich gelohnt, und wir würden es sofort wieder tun. Stottern muss nicht sein: www.stottern-delferro.de. Karin Kauth (per Mail)

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


(Dossier «Pflegefamilien», Heft 6 –7/2017)

Dossier

In guten Händen

000 Kinder in leben rund 15 In der Schweiz Wer sind sie? und Heimen. und Mutter Pflegefamilien sie nicht bei Vater Warum wachsen sich das an: Eltern auf Zeit? fühlt auf? Und wie che. Photo Eine Spurensu Gabi Vogt / 13 Text: Bettina Leinenbach

Bilder:

Weil sich ihr Sohn nach der Scheidung nicht um seine Tochter kümmern konnte, nahmen Ines und Edi Schmid ihr Enkelkind Siriwan in Pflege. 11

ElternMagazin Das Schweizer Juni/Juli 2017

ElternMagazin Das Schweizer

Fritz+Fränzi

Juni/Juli 2017

Fritz+Fränzi

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Vielen Dank für den spannenden Artikel zum Thema Pflege­ familien. Ich bin sehr froh, dass wir heute die Möglichkeit haben, Kindern, die Unterstützung benötigen, diese unter anderem auch in Pflegefamilien anbieten zu können. Im Informationsteil – «Wie werden wir Pflegeeltern?» – bin ich allerdings auf einen Punkt gestossen, der mich nachdenklich stimmt. Und ich gehe davon aus, dass ich da sicher nicht alleine betroffen bin: Pflegeeltern akzeptieren, dass Pflegekinder ein Recht auf Umgang mit ihren leiblichen Eltern haben, und sind fähig, eine wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunfts­­ familie des Kindes einzunehmen. Seit der Scheidung von meinem Exmann vor mehr als drei Jahren hat mich seine Partnerin nie als Mutter der gemeinsamen Kinder (14 und 11) akzeptiert. Sie hat sehr viel negativen Einfluss auf die Kinder, in der Schule auf die Lehrer und vor allem auf die

Kommunikation zwischen uns als Erziehungsberechtigte ge­­nommen, sodass ich gezwungen war, die Mithilfe von Behörden in Anspruch zu nehmen, um diesem Verhalten ein Ende zu setzen. Die Partnerin ist Heilpädagogin und hat keine Kinder. Aber sollten nicht genau diese Personen im Grunde die Fähigkeit besitzen, eine wertschätzende Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie der Kinder einzunehmen? Im Schulalltag klappt das ja normalerweise auch. Seit mein Exmann und ich das aber zumindest erst mal mündlich mit dem Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz geklärt haben, verläuft die Sache um so vieles angenehmer, und zwar für alle. S. Ramseier (per Mail)

Schreiben Sie uns! Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 67

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«Die Partnerin meines Exmannes akzeptierte mich nicht als Mutter»


Digital Digital & & Medial Medial

« Wenn es wehtut, lache ich» Rauswurf aus dem Chat, beleidigende und bedrohliche Textnachrichten: Cybermobbing hinterlässt keine blauen Flecken, richtet aber bei betroffenen Kindern und ­Jugendlichen viel Leid an. So auch bei der 14-jährigen Laila*. Sie lässt ihre Mutter Renata Weiss* beschreiben, wie sehr Eltern mitleiden. Aufgezeichnet: Sarah King Bilder: Stephan Rappo / 13 Photo

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September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 69


Digital & Medial

M

ein Mann und ich haben uns oft gefragt: Was hätten wir besser machen können? Wir haben alles versucht: reden, schweigen, konfrontieren, vermitteln. Nichts nützte. Wir konnten als Eltern nur gemeinsam mit Laila durch diese Hölle gehen. Die Anfänge

Es begann in der Unterstufe. Laila lud eine Schulkollegin nach Hause ein. Die beiden Mädchen verbrachten einen schönen Nachmittag. Am frühen Abend gingen sie ins Kinderturnen. Da drehte sich die Kollegin plötzlich um, kickte Laila mit dem Fuss in den Bauch und beschimpfte sie vor den anderen Kindern. Das kann doch nicht sein, dachte ich. Sie war den ganzen Nachmittag so lieb und dann plötzlich ein umgekehrter Handschuh. Daraufhin nahmen wir mit ihren Eltern Kontakt auf. Sie verstanden diese plötzliche Attacke ihrer Tochter nicht und redeten mit ihr. Ich spürte den Schmerz. Es tut weh, wenn das eigene Kind geplagt wird. Laila: Eigentlich begann das Mobbing schon früher. Aus organisatorischen Gründen kam ich in eine neue Klasse. Ich fand den Anschluss nicht, weil alle schon in ihren Gruppen waren. Ich schenkte dem keine Bedeutung. Dass etwas nicht stimmte, merkte ich erst, als Laila ihren Geburtstag nicht mehr feiern wollte. Sie wurde auch nie an Geburtstagsfeste eingeladen. Als später mein Mann als Begleitperson auf eine Schulreise eingeladen wurde, realisierten wir, wie sehr unsere Tochter in der Schule litt. «Ich erkannte unsere Tochter nicht wieder», sagte er, «Laila war so still. Und wenn sie etwas sagte, hörte niemand zu.» Laila ist eigentlich ein lebhaftes Kind. Eine Weile ging sie an Gespräche mit der Schulsozialarbeiterin. Nicht 70

lange. «Das macht alles nur noch schlimmer», sagte sie. «Die anderen Kinder lästern über mich.» Die Lehrer sagten, sie könnten nichts tun. Laila tat dann etwas. Sie wehrte sich. Eines Tages schlug sie zurück, als sie geschlagen wurde. Eine Lehrerin intervenierte: Sie liess die Klasse einen Kreis bilden, setzte Laila in die Mitte und sagte: «Ich kann dich nicht schützen, wenn du anderen wehtust.» Sie war so blossgestellt. Von da an entwickelte Laila ein neues Muster: «Wenn es wehtut, lache ich.» Laila: Ich entschied mich, in der Schule die Starke zu sein. Bis in die sechste Klasse graute mir davor, morgens in die Schule zu gehen. Nachts heulte ich mich in den Schlaf. Das wollte ich nicht mehr. Mobbing rund um die Uhr

Laila ging nicht mehr gern zur Schule. Aber auch zu Hause erreichten sie die Beschimpfungen. Via Smartphone.

Kam sie dann nach Hause, war sie umso wütender und niedergeschlagener. Das nahm zu, als die Klasse auch im privaten Familienalltag präsenter wurde. Zunehmend nutzte sie die sozialen Medien, um Laila zu mobben. Laila: Whatsapp, Instagram, Snapchat. Mit Snapchat kann man ein Bild für 24 Stunden hochladen, das für alle Follower sichtbar ist. Man kann auch Bilder aus einem privaten Chat schicken, die nach zehn Sekunden automatisch gelöscht werden. Eines Tages sassen wir bei uns im Garten, da sagte Laila: «Du, Mami, jetzt haben sie mich gerade aus dem Klassenchat rausgeworfen.» Sie rief das Mädchen an und fragte nach dem Grund. Die Antwort war kurz und klar: «Dich hassen alle, darum habe ich dich rausgeworfen.» Die Lehrerin sagte, das sei ausser- >>>

«Dass etwas nicht stimmte, merkte ich erst, als Laila ihren Geburtstag nicht mehr feiern wollte.» September 2017


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«Ich bringe unsere Tochter unter die Wölfe. So fühlte ich mich.»

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>>> halb der Schule, da könne sie nichts tun. Ich blieb beharrlich. Für mich ist ein Klassenchat nicht ausserhalb der Schule. Also bildete die Lehrerin erneut einen Kreis und setzte das Mädchen in die Mitte. Laila: Es nützte nichts. Danach waren alle in der Klasse gegen mich. Ich wusste nicht, was tun, also ging ich auf die Toilette und weinte. Das Mobbing nahm zu. Auf Instagram wurden Vergleichsspiele

gemacht: Laila versus ein anderes Mädchen. Man kann verschiedenes ankreuzen: wer mehr Style, den schöneren Body oder die schöneren Augen hat. Die Kreuze wurden selten auf Lailas Seite gesetzt. Das sehen viele Leute. Mir drehte es fast den Magen um. Laila: Dieselben Spiele gibt es auch zu anderen Themen: Charakter, zum Beispiel. Es ist grausam (lacht). Eines sonntagabends erhielt sie einen Anruf von einem Mädchen. «Hey, Laila, es ist mega schlimm! Meine Eltern lassen sich scheiden. Ich brauche dich.» Laila war schockiert und bat uns um Hilfe. «Schreib, dass du für sie da bist», sagte ich. Laila tat es. Kurz darauf erhielt sie eine Nachricht: «Es war ein Witz. Du bist so doof, dass du darauf reinfällst.» Laila lachte. Solche Witze gehörten zu unserem Alltag. Einmal schickte ihr ein Junge ein Bild von einem kaputten Fuss und täuschte vor, er sei auf dem Notfall. Ein anderes Mal erhielt sie eine Drohnachricht: «Geh und schmeiss dich vor den Zug.» Das haben wir in der Schule gemeldet. Der Schulsozialarbeiter riet, zur Polizei zu gehen. Darauf verzichteten wir. Wir leben in einem Dorf. Da wird viel geredet. Wir wollten zuerst abwarten, ob noch weitere solche Nachrichten kommen. Das war ein Fehler von uns. Es kamen keine Drohungen mehr, aber der Terror setzte sich dennoch fort. Einmal fuhr ich Laila in die Geigenstunde. Zwei Mädchen grüssten Laila freundlich. Kaum war sie im Gebäude verschwunden, lachten die Mädchen über Laila. Ich bringe unsere Tochter unter die Wölfe. So fühlte ich mich. Nichts mehr spüren

Diesen Frühling ereignete sich etwas. Laila hatte sich in einen Jungen verliebt. Wir freuten uns mit ihr. Ein glückliches Kind ist etwas vom Schönsten. Das Glück währte so lange, bis der Junge eine Nachricht von

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial

einem Mädchen aus der Klasse erhielt. Laila: «Was findest du an dieser Schlampe schön? Wenn du dich weiter mit ihr abgibst, rede ich nicht mehr mit dir.» Auf dem Pausenhof erhielt ich den Befehl, nicht in die Nähe dieses Jungen zu gehen. Ich durfte nicht zu ihm hinschauen und nicht an ihn denken. Sie hielt sich daran. Dem Frieden zuliebe. Sie hielt den Frieden selbst dann bei, als sie stolperte und sich den Ellbogen aufschlug. Die anderen Kinder lachten. Laila lachte mit. Als sie nach Hause kam, sah ich schon von Weitem, dass etwas nicht stimmte. Sie kam strahlend zur Tür herein. Am Arm klaffte ein grosses Loch. Überall war Blut. Ich war entsetzt.

Laila: Der Lehrer hat es abgewischt und ein Papier draufgetan. Ich spürte gar nichts. Beim Zahnarzt war es, wo Laila schliesslich zusammenbrach und nicht mehr aufhörte zu weinen. Auch ich war am Ende mit meinem Latein und ging zum Lehrer. Der Lehrer fiel aus allen Wolken. Das Ausmass des Mobbings war ihm nicht bewusst. Er hatte seine Klasse bisher immer als Traumklasse betrachtet. Am nächsten Tag konfrontierte er die Schüler: «Laila geht es schlecht. Wer denkt, er habe etwas damit zu tun, bleibt sitzen. Die anderen können rausgehen.» Laila: Drei gingen raus. Alle anderen blieben sitzen. Drei oder vier waren die Anführer, die anderen Mitläufer.

«Der Lehrer war der Meinung, dass Laila viel zu lieb ist. Ich glaube, die Sache wuchs ihm über den Kopf.» Sie äusserten ihren Unmut darüber, immer über Laila reden zu müssen. Sie erklärten, alles nur lustig und nicht ernst gemeint zu haben. Am nächsten Tag schon blockierten sie Laila erneut auf dem Handy. In meiner Verzweiflung redete ich einer Mutter auf die Combox: Bitte hilf, dass dieses Blockieren aufhört. Sie rief nie zurück. Der Lehrer war der Meinung, dass Laila viel zu lieb ist. Ich >>>

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 73

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«Kinder ­brauchen ein Bewusstsein dafür, was sie bewirken» Digitale Medien eignen sich besonders für Mobbing, weiss Mobbingexpertin Christelle Schläpfer. Im Interview erklärt sie, wie Lehrer, Eltern und Kinder mit Cybermobbing umgehen können. Interview: Sarah King

Frau Schläpfer, Sie bieten Beratungen und Fortbildungen zum Thema Mobbing und Cybermobbing an. Was ist der Unterschied?

Cybermobbing ist anonymer, was die Hemmschwelle senkt. Im klassischen Mobbing sehe ich, was meine Handlung beim Gegenüber auslöst, und bin deshalb empathischer. Dieser Mechanismus fehlt hinter dem Bildschirm. Cybermobbing macht es zudem möglich, rund um die Uhr Hassnachrichten weltweit zu verbreiten. Das Opfer kann sich diesen nicht entziehen – weder zu Hause noch mit einem Schulwechsel. Manchmal senden Jugendliche und Kinder Morddrohungen per Whatsapp. Wann machen sie sich strafbar?

Drohungen sind nach schweizerischem Strafgesetz eine Straftat – zum Beispiel eine Morddrohung oder Anstiftung zum Selbstmord. Viele Kinder und Jugendliche sind sich nicht bewusst, wie früh sie sich auf strafbarem Terrain bewegen. Sie verwenden bisweilen eine grobe Sprache in digitalen Medien. Ausdrücke wie «hey Alter» oder «du Schlampe» sind oft freundlich gemeint. Dienen sie als Beschimpfung, bewegen wir uns bereits im strafbaren Bereich. Oft wähnen sich Jugendliche auch in

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Sicherheit, weil sie minderjährig sind. Tatsächlich aber sind sie ab zehnjährig strafmündig und unterstehen dem Jugendstrafgesetz. Wie gehen Eltern am besten vor, wenn ihr Kind Opfer von Cybermobbing wird?

Manche Kinder sagen nichts, aus Angst, die Eltern könnten überreagieren – zum Beispiel mit den Eltern des Täters oder mit dem Täter selbst reden. Das stachelt die Mobbingdynamik noch mehr an. Die erste Anlaufstelle ist in der Regel die Lehrperson. Manchmal reicht es schon, wenn diese die Klasse über das Strafgesetz aufklärt. Bei Drohungen und Verleumdungen rate ich aber, die Polizei einzuschalten. Vielleicht genügt vorerst eine Beratung durch den Jugenddienst. Wer sich dann für eine Anzeige entschliesst, muss diese innerhalb von drei Monaten machen. Beweismaterial kann zum Beispiel mit Printscreen gesichert werden. Was aber unter Sexting läuft, wie Nacktfotos oder Pornos, darf man nicht sichern, sonst macht man sich selber strafbar. Ist die Lehrperson bei Cybermobbing verantwortlich? Whatsapp-Nachrichten werden ja auch ausserhalb der Schule verschickt.

Cybermobbing geht meist von Mitschülern aus. Es ist die Lehrperson, die täglich mit ihnen arbeitet. Sie ist die Einzige, die das Mobbing auflösen kann – egal, ob die Kommunikation über das Handy läuft oder im Flur stattfindet. Beliebt ist dabei der NoBlame-Approach: Nicht Schuldige werden gesucht, sondern eine ausgewählte Gruppe von Schülern erarbeitet eine Lösung Richtung Wiedergutmachung (Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi berichtete in seiner September-Ausgabe 2016). Viele Lehrer arbeiten immer noch mit Schuldzuweisung und Sanktionen. Dadurch wird ein Kind jedoch nicht sozialkompetent.

Welche Auswirkungen hat Cyber­ mobbing auf die Opfer?

Jugendliche können daran zerbrechen. Die Leistungen sinken, so auch der Selbstwert. Manche werden depressiv oder gar suizidal. Das Allerwichtigste für Mobbingopfer ist: nie alleine bleiben! Das Kind soll sich trauen, die Eltern einzubeziehen. Auch Die Dargebotene Hand oder Pro Juventute sind Anlaufstellen. Ausserdem braucht das Kind dringend psychologische Unterstützung. Wie können Eltern ihre Kinder vor Cybermobbing schützen?

Manche Eltern verbieten Whatsapp und andere Plattformen. Das senkt zwar das Risiko für Mobbing, verhindert es aber nicht. Mobber tauschen sich trotzdem untereinander aus. Auch Handy ausschalten nützt nichts. Kaum schaltet das Kind das Handy wieder ein, sieht es die Nachrichten. Manchmal raten Eltern ihren Kindern, sich zu wehren, vielleicht gar mit körperlicher Gewalt. Davon rate ich dringend ab. Wird es erwischt, ist es doppelt Opfer. Den besten Schutz bietet Aufklärung. Kinder brauchen ein Bewusstsein dafür, was sie bewirken.

Zur Person

Christelle Schläpfer arbeitete 14 Jahre als Gymnasiallehrerin, bevor sie sich mit ihrer Firma edufamily® im Bereich Elternbildung und Lehrerfortbildung selbständig machte. Sie führt eine eigene Beratungspraxis in Winterthur. www.edufamily.ch

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial

Was mich frustriert, ist, dass alle über Mobbing sprechen, aber keiner weiss, wie damit umzugehen ist. Das zumindest ist unsere Erfahrung. Ich wünsche mir, dass etwas geschieht. Darum möchte ich diese Geschichte erzählen. Lehrer, Eltern und Kinder sollen für das Thema sensibilisiert werden. Das Wichtigste ist nun aber, dass Laila durch diese Situation gestärkt wird und ohne langfristige Verletzungen ihre Schulzeit beenden kann. Laila: Im Moment bin ich noch wütend und enttäuscht. Ich kann mir aber vorstellen, dass ich irgendwann wieder glücklich und fähig bin, meinen alten Schulkolleginnen wieder zu begegnen. >>>

>>> glaube, die Sache wuchs ihm über den Kopf. Wir vereinbarten ein Gespräch mit dem Schulpsychologen, der Schulsozialarbeiterin und mit Laila. Der Schulpsychologe leitete das Gespräch. Laila: Am Anfang sagte er: «Wenn du nicht mehr magst, zeigst du ein Füchslein. So erkennen wir, dass du eine Pause brauchst.» Er behandelte mich wie eine Sechsjährige. Eine Stunde lang versuchte der Psychologe herauszufinden, was unsere Tochter wünscht. Dann klopfte mein Mann auf den Tisch: «Wir versuchen zu erklären, was in dieser Klasse mit unserer Tochter Schlimmes geschieht. Wir denken darüber nach, die Schule zu wechseln.» Dann müssten wir uns an den Schulleiter wenden, sagten sie. Wir standen auf und gingen. Wir wussten weder ein noch aus. Laila ging es zunehmend schlechter. Laila: Ich hatte abgenommen, war böse gegen die Familie und tickte wegen Kleinigkeiten aus. Oft stellte ich mir die Frage, ob jemandem auffallen würde, wenn ich nicht mehr da wäre. Ich wollte nicht mehr sein. Ich rief die Kinderärztin an. Sie schrieb Laila krank. Mir gab sie Schritt für Schritt vor, was ich tun musste: psychologische Betreuung für Laila und mich organisieren, den Schulleiter informieren, eine neue Schule suchen. Laila ging in Begleitung des Schulleiters ein letztes Mal in die Klasse, um Adieu zu sagen.

* Pseudonym, Name der Redaktion bekannt

In der Mai-Ausgabe 2017 berichtete Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi in einem Extra-Dossier über das Thema Cybermobbing.

Sarah King

Die Psychologin und Autorin war beeindruckt von Lailas Mut, durch ihr Erzählen die Gewalt offenzulegen, die sich hinter dem Begriff Mobbing verbirgt. Denselben Mut wünscht sie allen, die im Moment noch lächeln, obwohl ihnen nach Weinen zumute ist.

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Neue Wege gehen

Sie geht nun auf eine Privatschule. Instagram ist gestrichen. Zwischen 12 und 18 Uhr schaltet sie Whatsapp aus. Nachts ab 21 Uhr ist das Handy im Flugmodus.

«Instagram ist nun gestrichen. Zwischen 12 und 18 Uhr schaltet sie Whatsapp ab.» Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 75


Viele Kinder sind schlechte Verlierer – und begeistert von Smartphone und Co. Dabei spricht einiges dafür, dass der Mediengebrauch die Frustrationstoleranz bei Kindern noch weiter senkt. Was Eltern in der Medienerziehung beachten sollten. Text: Kathrin Blum

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Bild: iStockphoto

Etwas mehr Geduld, bitte!

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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D

er elfjährige David wischt wütend die Spielsteine vom Feld, wenn er das Brett­ spiel nicht gewinnt; seine zwei Jahre jüngere Schwester Sophia hingegen rauscht aus dem Zimmer und knallt die Türe zu. Vie­ le Kinder sind schlechte Verlierer. Und manche Eltern lassen den Nachwuchs lieber gewinnen, als dass sie sich mit dem Frust ihrer Söhne und Töchter auseinanderset­ zen – egal ob es dabei um das Wür­ felspiel geht oder darum, wie viel Zeit sie ihrem Smartphone widmen. Dabei spricht einiges dafür, dass eine intensive Smartphonenutzung die Frustrationstoleranz von Kin­ dern und Jugendlichen senkt. Und sie dadurch zu noch schlechteren Verlierern werden. Etienne Bütikofer wollte, dass sei­ ne drei Kinder schon früh lernen, mit Enttäuschungen umzugehen, und ihre Frustrationstoleranz trai­ nieren. Deshalb hat der Dozent und Medienpädagoge an der Pädagogi­ schen Hochschule in Bern sie nie einfach gewinnen lassen. Genauso hält er es für wichtig, dass die Kinder lernen, Siege zu verkraften und nicht überheblich werden, wenn sie ge­­ winnen.

takt zu sein, oder darum, rund um die Uhr Filme und Musik zu strea­ men: «Mit dem Smartphone können alle Bedürfnisse ganz schnell und mit minimalem Aufwand befriedigt werden», sagt Sara Signer. Die pro­ movierte wissenschaftliche Mit­ arbeiterin für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich glaubt, dass die Kinder dadurch ver­ lernen, geduldig zu sein. Das gezielte Warten zu trainieren, hält Signer für äusserst wichtig, auch wenn es für die Eltern herausfor­ dernd sei. «Ich provoziere das War­ ten immer wieder», erklärt Signer, die eine sechsjährige Tochter hat. Dazu gehört für sie auch, dass Eltern nicht alles stehen und liegen lassen, wenn das Mobiltelefon bimmelt oder piepst. «Viele unterbrechen Gespräche oder ihr Tun und sprin­ gen sofort auf, wenn sich das Smart­

Die Kinder verlernen, das Verlieren auszuhalten – und sich anzustrengen, um etwas zu erreichen. phone meldet», beobachtet Signer. Den meisten Erwachsenen sei nicht bewusst, was sie ihren Kindern damit vorleben. «Da steckt selten eine böse Absicht dahinter, vielmehr ist es doch so, dass auch viele Er­­ wachsene mit dem Smartphone überfordert sind», sagt Signer. Bütikofer hält den Eltern zugute: «Als sie selbst Kinder waren, gab es das noch nicht, sie haben das nicht gelernt und müssen sich da selbst erst einfinden.» Und er emp­ >>>

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Kinder verlernen, geduldig zu sein

Bei Kindern, die heute aufwachsen, ist der Spielpartner häufig virtuell, die Spielkarten das Display. Das sogenannte Gamen per Handy setzt viele (Spiel-)Regeln ausser Kraft: Wer verloren hat, klickt oder wischt einmal und fängt einfach von vorne an. «Es gab noch nie zuvor Spiele, bei denen man so schnell auf null zurückgehen konnte», sagt Etienne Bütikofer. Dadurch verlernten Kin­ der, das Verlieren auszuhalten – und sich anzustrengen, um etwas zu erreichen. Nicht nur das Gamen trägt dazu bei, die Frustrationstoleranz zu sen­ ken. Ob es darum geht, immer und überall mit den Freunden in Kon­ Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017

Balance-Akt Psychologische Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern am IAP zhaw.ch/iap


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Tipps für Eltern • Vorbild sein und nicht selber ständig am Smartphone kleben. • Smartphoneregeln aufstellen, zum Beispiel: Am Esstisch und nachts im Kinder-/Jugendzimmer haben die Geräte nichts verloren. • Smartphonezeiten festlegen: Sara Signer empfiehlt, dass Jugendliche allerhöchstens die Hälfte der freien Zeit ausserhalb der Schule mit Medien verbringen – und in der anderen Zeit

mit Bewegung an der frischen Luft einen Ausgleich schaffen sollten.

am Ende der Primarschulzeit, besser erst ab 13, 14 Jahren.

• Primarschulkinder sollten auf keinen Fall mehr als 20 Minuten pro Tag am Smartphone hängen.

• Eingreifen, wenn das Gefühl entsteht, dass das Smartphone Aktivitäten wie Sport, das Üben eines Instruments oder Hobbys mit Freunden verdrängt.

• Kinder beobachten: Wie nutzen sie das Smartphone und wie geht es ihnen dabei? Ist das mobile Gerät Stoppuhr beim Joggen oder Metronom beim Klavierüben? Oder geht es einfach nur um (sinnlose) Game-Apps? • So spät wie möglich ein eigenes Gerät für die Kinder anschaffen, frühestens

>>> fiehlt Eltern den Selbstversuch. Seiner Meinung nach sollten sie sich selbst ein paar Spiele herunterladen, sie ausprobieren und sich möglicherweise selbst dabei ertappen, wie schwer man davon loskommt. Das schadet langfristig

Unabhängig von den eigenen Erfahren sollten Mütter und Väter ihre Kinder beim Umgang mit dem Smartphone genau beobachten, rät Lehrer und Autor Philippe Wampfler. Eltern sollten sich fragen: Was passiert da, wie reagiert das Kind, wenn es am Gerät sitzt? Und wenn sie das Gefühl haben, dass die Kinder auch eine halbe oder ganze Stunde nach der Smartphonezeit noch gereizt sind (weil sie zurück in die virtuelle Welt möchten), sollten

• Das Smartphone sollte nie dazu genutzt werden, ein Kind ruhigzustellen, damit man selber seine Ruhe hat. • Das Warten und das Verlieren gezielt mit Kindern trainieren – in der realen Welt.

Mütter und Väter das Gespräch suchen und den Kindern erklären: «Das schadet euch langfristig!» Die intensive Nutzung falle häufig mit der Pubertät zusammen, deshalb sei in vielen Fällen schwer zu sagen, ob Entwicklungen und Verhaltensmuster hormonell beeinflusst oder dem Smartphone zuzuschreiben seien. Wampfler glaubt: «Das Smartphone kann etwas verstärken, das es ohnehin schon gibt, aber reiner Auslöser ist es wahrscheinlich selten.» Mit Verweis auf eine Studie von Jon D. Elhai aus dem vergangenen Jahr erklärt Wampfler: «Ich gehe davon aus, dass eine tiefe Frustrationstoleranz zu einer intensiveren Smartphonenutzung führt, sie umgekehrt aber davon auch verstärkt wird.» Zudem könne intensive Smart­ phonenutzung eine Reihe psychischer Probleme verstärken. Klare Regeln einführen

Die Frustrationstoleranz muss genauso trainiert werden wie die Sprungkraft, um Hürden überwinden zu können. 78

Kindern die mobilen Geräte deshalb komplett vorzuenthalten, hält Wampfler jedoch für realitätsfern. Er fordert allerdings klare Regeln: «Die Smartphonenutzung muss geübt und dosiert eingesetzt werden.» Bütikofer findet es in diesem Zusammenhang wichtig, dass «die Absprachen auf Vertrauen basie-

ren». Einfach nur den Stecker zu ziehen, also das WLAN zu blockieren, hält er für eine Bankrotterklärung. «Sprechen Sie mit Ihren Töchtern und Söhnen von klein auf über die Gefahren und das Suchtpotenzial – und darüber, wie wichtig eine hohe Frustrationstoleranz ist.» Letztere müsse genauso trainiert werden wie die Sprungkraft. Nur wer übe, könne die Fähigkeit entwickeln, Hürden zu überwinden. Und diese Hürden wüchsen im Laufe des Lebens. Die Frustrationstoleranz sinkt

Genau diese Hürden werden es sein, die Mädchen und Jungen dazu zwingen, Frust, Enttäuschungen und Rückschläge auszuhalten – in der Schule, im Arbeitsleben, in Beziehungen. Deshalb glaubt Sara Signer auch nicht, dass eine dem Smart­ phone geschuldete niedrigere Frustrationstoleranz für ganze Genera­ tionen in der Katastrophe endet. Die Gesellschaft werde die Jugendlichen dazu zwingen, sich zu integrieren, glaubt Signer. Nur könnte das für viele ein schmerzhafter und anstrengender Prozess sein. Und daran sei das Smartphone nicht unschuldig. Einige Hirnforscher sind der Überzeugung, dass Teile unseres

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Frustrationstoleranz ausgerechnet ein Problem von digitalen Medien sein? Man könnte genauso gut argumentieren, dass die permanente Verfügbarkeit von Nahrung die Frustrationstoleranz von Kindern senkt, weil sie nicht mit der Enttäuschung leben lernen, dass Papa heute kein Mammut mit nach Hause gebracht hat.» >>>

Gehirns, die nicht genutzt und gefordert werden, verkümmern. Der Ulmer Professor Manfred Spitzer ist einer der Experten, die befürchten, dass ex­zessive Smartphonenutzung genau dazu führt. Müssen Jugendliche also nicht lernen, Frust oder Niederlagen zu verarbeiten und sich selbst zu regulieren, sinkt die Frustrations­toleranz. Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich, erklärt, dass man das an der Grösse des Frontalkortex sogar se­hen könne. Die einen verteufeln das Smartphone, manche warnen davor und wieder andere sehen überhaupt keinen Zusammenhang zwischen dem Taschencomputer und einer sinkenden Frustrationstoleranz. Ein Wissenschaftler, der namentlich nicht genannt werden möchte, meint dazu etwa: «Warum sollte mangelnde

Das Smartphone sollte nie dazu genutzt werden, ein Kind ruhigzustellen, damit man selber seine Ruhe hat. Warum sind Online-Games auf dem Smartphone so beliebt? Vier mögliche Antworten von Medienpädagoge Etienne Bütikofer: • Mode und Gruppendruck, «alle machen es».

Kathrin Blum Die Journalistin war als Kind eine ganz schlechte Verliererin und beobachtet gespannt, wie sich die Frustrationstoleranz bei ihren Töchtern entwickelt.

• Eltern nehmen sich zu wenig Zeit für die Kinder, bieten ihnen keine Alternativen an und sind teilweise froh, dass die Kinder beschäftigt sind und nicht über Langeweile klagen. • Keine oder nur wenige Geschwister und damit weniger potenzielle Spielpartner. • Verinselung der Freizeit, zu wenig freies Spiel.

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Digital & Medial

Sicher im Netz Spielen, Videos schauen, im Internet surfen – dies sind oft die ersten Tätigkeiten, mit denen sich Kinder und Jugendliche ihre Online-Welten erschliessen. Doch welche Inhalte im Netz sind wirklich kindgerecht? Ein Überblick. Text: Michael In Albon

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as Kinder bei ihren ersten Schritten im Netz erleben, stellt die Weichen für ihre Medienkompetenz. Damit verbunden ist auch der Umgang mit Risiken. Deshalb sollten Eltern ihre Kinder beim Aufwachsen mit digitalen Medien von Anfang an begleiten. Suchen und Lernen machen Spass

Das Internet ist voller Informationen. Leider sind diese oft widersprüchlich und nicht kindgerecht. Hinzu kommt: Google zeigt bei einigen beliebten Suchbegriffen von Kindern belastende Inhalte und Bilder. Auch Wikipedia enthält ungeeignete Darstellungen für Kinder, zum Beispiel bei Sexualthemen. Eine altersgerechte Alternative sind Suchmaschinen für Kinder: fragfinn.ch, blinde-kuh.ch oder helles-koepf­ chen.ch. Und klexikon.ch ist ein gutes Kinderlexikon. Bilder und Videos anschauen und produzieren

Beiträge auf Youtube sind unterhaltsam, erklären Sachverhalte eingängig und unterstützen zum Teil auch Lernprozesse. Sie können Kinder aber auch dazu verführen, immer weiter zu schauen, sie gar ängstigen oder negativ beeinflussen. Filtern Sie deshalb bei Youtube Videos mit einer Inhaltswarnung aus. Im Browser: Sicherer Modus (am unteren Seiten80

rand) > An > Speichern. In Apps: Einstellungen > Allgemein > Sicherer Modus > Einschalten. Bedenken Sie aber: Ein hundertprozentiger Schutz ist auch das nicht. Lassen Sie Ihr Kind Youtube nicht allein nutzen. Zeigen Sie ihm, worauf es achten kann und soll, um gute Seiten von schlechten Seiten zu unterscheiden. Dabei hilft Ihnen auch die Swisscom-Checkliste: Sie finden sie, wenn Sie im Suchfeld «Swisscom gute Seiten schlechte Seiten» eingeben. Noch mehr Spass macht es zudem, wenn Ihr Kind selbst kreativ wird und eigene Filme und Fotos erstellt und hochlädt. Wie’s geht, lernt Ihr Kind auf redaktionell betreuten Seiten – auf juki.de (Videos) und knipsclub.de (Fotos) zum Beispiel. App-Spiele für die Kleinen

Apps sind unterhaltsam und oft kostenlos – zunächst. Denn viele Spiele ziehen den Spielern durch In-­AppKäufe schon bald das Geld aus der Tasche. Man erhält dafür aber lediglich virtuelle und keine bleibenden Güter. Gute Filme und Serien für Kinder ab vier zeigt die ZDFtivi-Mediathek. Ebenfalls Geschichten und Spiele für Kinder bietet «Unser Sandmännchen»: mit dem Sandmann Fussball spielen, eine Geschichte anhören oder eine Folge sehen. Und auf «Die Maus» kann Ihr Kind interaktiv die Maus-Welt entdecken. Als Eltern erhalten Sie auf app-tipps.net

Bild: jandrielombard

zudem Monat für Monat App-Empfehlungen. Internet im Fernsehen

Seit Kurzem ist «Funk» am Start – ZDF und ARD versuchen damit, Menschen zwischen 14 und 29 abzuholen. Vierzig junge sogenannte «Creators» produzieren Videos und Audiobeiträge für die sozialen Netzwerke – massgeschneidert für Instagram, Snapchat, Youtube und Facebook. Gebündelt werden die Inhalte auf einer eigenen Website und in einer App. Für Eltern ist es eine wunderbare Gelegenheit, in die Welt von Jugendlichen einzutauchen. Und es bietet Ihnen Themen für eine Diskussion mit Ihrem Kind.

Michael In Albon

ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive Lernmodule für den kompetenten Umgang mit digitalen Medien im Familienalltag. swisscom.ch/medienstark

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Ernährung & Gesundheit

s n e h c s a W

? n l e k c i P r o v t z t ü ch

! s r ä w n Schö

Illustration: iStockphoto

Fast alle Jugendlichen sind in der Pubertät von Akne betroffen. Während die einen nur ein paar Mitesser auf der Nase haben, leiden andere an entzündlichen Pusteln und Papeln, die Narben hinterlassen können. Der Akne-Spezialist Severin Läuchli erklärt, was dagegen hilft. Interview: Susanna Steimer Miller

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September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Herr Läuchli, warum leiden vor allem Jugendliche an Akne?

Für die Hautkrankheit sind zwei Vorgänge im Körper verantwortlich. Einerseits führt die steigende Produktion von Sexualhormonen in der Pubertät dazu, dass die Haut mehr Talg herstellt. Talg ist wichtig, denn diese fettreiche Substanz bildet einen Film über der Haut und schützt sie vor äusseren Einflüssen. Anderseits neigen manche Menschen zur Bildung von sogenannten Hornzellen im Kanal der Talgdrüsen, die den Talg nicht abfliessen lassen. In der Folge verstopfen die Poren und es entstehen Mitesser, die sich entzünden können. In der Werbung wird immer wieder von Hautunreinheiten gesprochen. Ist Akne die Folge mangelnder Hygiene?

Nein, keinesfalls. Die schwarze Farbe der Mitesser kommt vom Hautfarbstoff Melanin und von einer Verfärbung des Talg-Hornpfropfes. Sie hat also nichts mit Schmutz zu tun. Jugendliche können Akne nicht

«Wenn beide Eltern von Akne betroffen waren, hat auch ihr Kind ein erhöhtes Risiko.» durch häufige Hautreinigung verhindern. Es reicht aus, wenn sie ihre Haut einmal pro Tag mit einer Reinigungslotion oder synthetischer Seife waschen.

Welche Faktoren sind entscheidend für die Entstehung von Akne?

Fast alle Mädchen und Jungen haben in der Pubertät Mitesser oder Pickel. Das Ausmass der Hornzellenbildung und der Talgdrüsenaktivität wird von den Genen gesteuert. Wenn beide Elternteile in der Jugend von Akne betroffen waren, hat auch ihr Kind ein erhöhtes Risiko für diese Hauterkrankung. Manche Jugendliche versuchen sich vor Akne zu schützen, indem sie zum Beispiel auf Schokolade verzichten. Bringt das tatsächlich etwas?

Über den Einfluss der Ernährung auf die Akne wird viel spekuliert. Wir wissen, dass eine Ernährung mit vielen einfachen Kohlenhydraten und grossen Mengen an Milchprodukten die Entstehung von Akne be­­ >>>

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Dies sind zugelassene Arznei-

mittel. Lassen Sie sich von einer Selbsttest: Wie steht es um Fachperson beraten und lesen Sie die Packungsbeilagen. Max Zeller Ihre Life-Domain-Balance ? Natürlich aus Söhne AG, 8590 Romanshorn Das Schweizer www.zellerag.ch/a4 ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 83 www.zellerag.ch der Schweiz.


Ernährung & Gesundheit

erkennt, als auch bei den geschlossenen, die sich als kleine, hautfarbene Erhebungen manifestieren, helfen Cremes und Gels mit VitaminA-Säure, bei weniger ausgeprägten Fällen ist auch Salicylsäure hilfreich.

Am häufigsten an Stirn, Nase, Kinn sowie am V-förmigen Brust- und Rückenausschnitt. Hier sind besonders viele Talgdrüsen vorhanden.

«Antibiotika helfen bei entzündlichen Formen der Akne, dürfen aber nur eine begrenzte Zeit eingesetzt werden.»

Wo bildet sich Akne?

Was kann Akne begünstigen?

Viele Jugendlichen versuchen, ihre Pickel und Mitesser auszudrücken. Das fördert die Entzündung des umliegenden Hautgewebes, verzögert die Abheilung und erhöht das Risiko für Narben. Heute wissen wir auch, dass bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel Kortison, hochdosierte Vitamin-B-Präparate und Anabolika Akne fördern. Auch stark fettende Hautpflegeprodukte und Rauchen begünstigen Akne.

«Die Produkte entfernen beim Abstreifen Haut. Sie können die Haut irritieren. Ich rate davon ab.» Blackhead-Strips sind bei jungen Mädchen im Trend. Was halten Sie von diesen Produkten, die Mitesser ausreissen und porentiefe Reinigung versprechen?

Die Produkte entfernen nicht nur die oberste Schicht von Mitessern, sondern beim Abstreifen auch zusätzliche Haut. Sie können die Haut irritieren. Zudem bilden sich die Mitesser sofort wieder. Ich rate also davon ab. Was hilft denn bei Mitessern?

Sowohl bei den offenen Mitessern, die man am dunklen Hornpfropf 84

Wie behandelt man Akne, wenn mit Eiter gefüllte Bläschen oder kleine Knötchen auftreten?

Die in der Apotheke frei verkäuflichen Cremes oder Gels mit Benzoyl­ peroxid wirken antibakteriell und entzündungshemmend, helfen alleine allerdings nur bei leichten AkneFormen. Bei Pusteln und Papeln empfehlen wir eine Behandlung mit Vitamin-A-Säure, auch Retinoid genannt, welche leicht schälend wirkt. Diese kann für schwerere Formen auch gut mit Benzoylperoxid oder einem Antibiotikum kombiniert werden.

Bakterien bei längerer Anwendung resistent werden können. Was müssen Jugendliche bei der äusserlichen Behandlung der Haut beachten?

Wichtig ist, dass sie nicht nur die Pickel damit eincremen, sondern alle Hautstellen, an denen keine neue Akne entstehen soll. Die Behandlung braucht ein bisschen Geduld. Erste Erfolge sieht man frühestens nach vier Wochen. Vitamin-A-Säure-Prä­ ­parate bewirken, dass sich die Haut schält und Schuppen bildet. Dadurch können sich weniger Hornzellen bilden und der Talg kann besser abflies­ ­sen. Am Anfang einer Behandlung sind Hautreizungen möglich. Es ist wichtig, dass die Haut jetzt nicht noch mehr durch Peelings oder Sonnenbestrahlung gereizt wird. Kann die Antibabypille bei Akne helfen?

Ja, vor allem Präparate, die die Produktion männlicher Hormone reduzieren. Dadurch wird die Talgproduktion gedrosselt. Oft tritt die Akne dann aber wieder auf, wenn man die Pille absetzen will. >>>

>>> günstigen kann. Wissenschaftlich nicht erwiesen ist hingegen der Einfluss einzelner Nahrungsmittel auf die Haut. Jugendliche müssen also nicht auf Schokolade, Nüsse oder Salami verzichten. Sinnvoll ist aber sicher ein massvoller Konsum.

Und ansonsten?

Bei der schwersten Form von Akne, bei der es zu ausgedehnten entzündlichen Veränderungen mit grossen Pusteln und zum Teil schmerzhaften Knoten kommt, setzen wir meist den Wirkstoff Isotretinoin ein – insbesondere, wenn wir die Entwicklung von Narben befürchten. Mädchen dürfen aber während der Behandlung auf keinen Fall schwanger werden, weil die Substanz das Ungeborene schädigt. Manchmal verschreiben wir auch Antibiotika zum Einnehmen. Diese wirken bei entzündlichen Formen der Akne, dürfen aber nur über einen begrenzten Zeitraum eingesetzt werden, weil die

Zur Person

Severin Läuchli, Dr. med., ist Privatdozent und Oberarzt an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich.

Susanna Steimer Miller ist Chefredaktorin des Elternratgebers «Baby & Kleinkind» und schreibt als Autorin über Gesundheits- und Ernährungsthemen.

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Tipps bei Akne Jugendliche, die an Mitessern und Pickeln leiden, sollten: • ihre Haut nicht mit zu fettigen Präparaten pflegen oder mit pudrigen Kosmetika abdecken, weil diese die Poren zusätzlich verstopfen können, was Akne fördert.

• keine Sonnenschutzmittel verwenden, die fetten. Besser sind Gels mit dem Hinweis «nicht komedogen». Ein mässiges Sonnenbad kann die Akne etwas verbessern.

• ihre Haut einmal pro Tag sanft mit einer Reinigungslotion oder synthetischer Seife waschen.

• nicht an den Mitessern und Pickeln herumdrücken, weil sich dadurch die umliegende Haut entzünden und sich Narben bilden können. Mitesser und Pickel sollten nur von einer entsprechend ausgebildeten Kosmetikerin entfernt werden.

• auf Blackhead-Masken oder Strips verzichten, weil sie die Haut irritieren und die Talgproduktion sogar ankurbeln können.

• aufs Rauchen verzichten. • einen Hautarzt aufsuchen, denn fast jede Akne lässt sich behandeln. Die Beseitigung von Aknenarben ist hingegen schwierig.

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s expres

Hörnli

Erleben … … Entdecken Sie Arosa auf dem Trottinett. Es gibt mehrere Möglichkeiten für eine Tour, welche sowohl Kinder als auch Eltern begeistert. Zum Beispiel von der Weisshorn-Mittel­ station aus über den Arlenwaldweg zurück ins Dorf. Oder via Stausee Isel hinunter nach Litzirüti und mit der Rhätischen Bahn zurück nach Arosa. Eine Trotti-Fahrt lässt sich auch mit einer Wanderung verbinden: etwa ab dem Prätschli über den Rot Tritt oder die Scheidegg zur Ochsenalp. Dort mieten Sie sich ein «Trotti Taxi» für die Rückfahrt. Trottinett-Miete bei Luzi Sport beim Bahnhof. 1 Trottinett inkl. Helm: 18 Franken. Kinder unter 12 Jahren nur in Begleitung Erwachsener. Weisshornbahn und RhB sind mir der Arosa Card kostenlos. Ochsenalp-Trotti: Miete inkl. Helm (obligatorisch) für eine Fahrt nach Arosa: Erwachsene und Kinder je 10 Franken, ohne Restaurant-Konsumation je 16 Franken. Kinder unter 14 Jahren nur in Begleitung Erwachsener. arosa.ch/trottinett … Auf den Themenwegen in und um Arosa werden Wandern und Lernen spielerisch miteinander verbunden, zum Beispiel auf dem Eichhörnliweg. Lesen Sie Ihren Kindern auf dem Weg

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Geniessen … … Möchten Sie den Tag mit einer guten Stärkung beginnen? Dann fahren Sie mit der Luftseilbahn von der Talstation in Arosa auf den Weisshorngipfel auf 2653 m ü. M. und lassen Sie es sich bei einem reichhaltigen Gipfel-Zmorga gut gehen. Das 360°-Panorama-Restaurant bietet Ihnen eine atemberaubende Aussicht. Falls Sie die frisch zugeführte Energie gleich wieder einsetzen wollen, führt Sie eine leichte Höhenwanderung in knapp zwei Stunden zur Hörnlihütte (2511 m ü. M.). Mit dem Hörnliexpress erreichen Sie dann wieder Arosa. Oder Sie wandern vom Weisshorn auf mittelschwerem Weg via Carmennahütte ganz hinunter nach Innerarosa. Weisshorngipfel, sonntags, bei jeder Witterung, bis 22. Oktober 2017. Bergfahrt aufs Weisshorn ab 9 Uhr, Gipfel-Zmorga von 9.20 bis 11 Uhr. Reservation bis 17 Uhr am Vortag. Kosten: Erwachsene 28, Jugendliche (ab 13) 18, Kinder bis 12 Jahre 13, bis 5 Jahre pro Altersjahr 1 Franken. Bahnfahrt gratis mit Arosa Card. arosabergbahnen.com/experience/events … Sind die Beine von den vielen Erkundungen schon schwer und Sie möchten noch weitere Entdeckungen rund um Arosa machen, könnte eine Pferdekutschenfahrt die Lösung sein. Mit dem Zweispänner gehts gemütlich durch das Dorf und die umliegenden Wälder. Auskünfte zu den Pferdekutschen erhalten Sie beim Standplatz am Bahnhof. Auch Reservationen können Sie da vornehmen. Die Fahrten kosten zwischen 100 und 150 Franken pro Stunde. Ab 18 Uhr wird ein Zuschlag von 25 Prozent erhoben. Wartezeit kostet 50 Franken pro Stunde. arosa.ch/ rundumspferd > Pferdekutschen

Übernachten … … An ruhiger Lage am Waldrand nahe dem Dorfzentrum befindet sich das Sunstar Alpine Hotel (4 Sterne). Von hier

September 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service

Bilder: Arosa Tourismus / Nina Mattli

Unterwegs von der Scheidegg Richtung Oberer Prätschsee, Blick vom Weisshorngipfel, auf dem Eichhörnliweg.

haben Sie Ausblick auf die Berge und den Untersee. Bei der Familienpauschale übernachten die Kinder (maximal zwei) bis 15 Jahre im Zusatzbett im Komfortzimmer der Eltern gratis. Weiter in der Pauschale inbegriffen: Getränke aus der Minibar, WLAN im gesamten Hotel, Benützung von Hallenbad (20 x 8 m), Sauna, Dampfbad und Fitness-Center. Sunstar Alpine Hotel Arosa, Seewaldweg. Preisbeispiel für drei Nächte, zwei Erwachsene mit zwei Kindern im Doppelzimmer: 999 Franken inkl. Frühstücksbuffet und 5-Gang-­­Wahlmenü am Abend für die ganze Familie. Die Familienpauschale ist bis 22. Oktober 2017 gültig. parkhotel-arosa.sunstar.ch > Arosa > Familienferien in Arosa … Für Familien gut geeignet ist das Hotel Hohenfels (3 Sterne). Es liegt zentral, und die verschiedenen Kombinationen der Familienzimmer mit 3 bis 6 Betten wie auch das Kinderspielzimmer sind ganz auf die Bedürfnisse der Eltern und der Kinder ausgerichtet. Alle Zimmer im familiären Ambiente haben Bad oder Dusche/WC, TV, Telefon und gratis

WLAN. Sie haben die Möglichkeit, Kleider zu waschen und zu trocknen. Und Eltern steht die Sauna zur Verfügung. Hotel Hohenfels, Poststrasse. Preisbeispiel für drei Nächte, Eltern mit zwei Kindern, 10 und 14 Jahre alt: 1089 Franken inkl. Halbpension; für die Eltern immer ein Doppelbett und für die Kinder Kajüten-, Zusatz- oder Kinderbetten. Die Familienpauschale ist in der Sommersaison 2017 gültig (bis 24. September). hohenfels.ch/sommer/pauschalen

Gut zu wissen … … In Arosa profitieren Übernachtungsgäste vom kostenlosen All-inclusive-Angebot. Mit der Arosa Card sind die Arosa Bergbahnen, die Rhätische Bahn zwischen Arosa und Lüen-Castiel, der Ortsbus und zahlreiche Freizeitaktivitäten wie etwa der Seilpark, das ChippinGolf oder das Strandbad Untersee kostenlos. Mehr Infos: arosa.ch/allinclusive

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 87


Service

Vielen Dank

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:

Finanzpartner

Hauptsponsoren

Heftsponsoren

Dr. iur. Ellen Ringier Walter Haefner Stiftung

Credit Suisse AG Rozalia Stiftung UBS AG

Paradies-Stiftung für soziale Innovation

Impressum 17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich Herausgeber Stiftung Elternsein, Seehofstrasse 6, 8008 Zürich www.elternsein.ch Präsidentin des Stiftungsrates: Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch, Tel. 044 400 33 11 (Stiftung Elternsein) Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder, ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01 Redaktion redaktion@fritzundfraenzi.ch Chefredaktor: Nik Niethammer, n.niethammer@fritzundfraenzi.ch Verlag Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,

Tel. 044 277 72 62, info@fritzundfraenzi.ch, verlag@fritzundfraenzi.ch, www.fritzundfraenzi.ch

Auflage (WEMF/SW-beglaubigt 2016) total verbreitet 101 725 davon verkauft 18 572

Business Development & Marketing Leiter: Tobias Winterberg, t.winterberg@fritzundfraenzi.ch

Preis Jahresabonnement Fr. 68.– Einzelausgabe Fr. 7.50 iPad pro Ausgabe Fr. 3.–

Anzeigen Administration: Dominique Binder, d.binder@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 277 72 62 Art Direction/Produktion Partner & Partner, Winterthur Bildredaktion 13 Photo AG, Zürich

Abo-Service Galledia Verlag AG Berneck Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54 abo.fritzundfraenzi@galledia.ch Für Spenden Stiftung Elternsein, 8008 Zürich Postkonto 87-447004-3 IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3

Korrektorat Brunner Medien AG, Kriens

Jetzt gewinnen!

Inhaltspartner Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich / Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien

Stiftungspartner Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule Zürich / Elternbildung CH / Marie-MeierhoferInstitut für das Kind / Schule und Elternhaus Schweiz / Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV / Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband Kinderbetreuung Schweiz

September-Verlosung

… t s lo r e v i z n ä r F + Fritz

inder) K 2 / . w r E 2 ( lt aufentha is n b le r pieleland E S r r e e g ig r g u ä b t s 2 n e × v 1 ritt ins Ra t in e s e g a -T n ie 9 × Famil Ravensburger Spieleklassiker in XXL entdecken, actiongeladene Abenteuer erleben sowie Käpt’n Blaubär und die Maus treffen: Das Ravensburger Spieleland am Bodensee verspricht unvergessliche Familienmomente. Inmitten schönster Natur laden über 70 Attraktionen in acht Themenwelten zum Entdecken und spielerisch Neues Lernen ein. Trefft eure TV-Lieblinge live und übernachtet bei Maus & Co im neuen Feriendorf. So wird ein Aufenthalt im familienfreundlichsten Themenpark Deutschlands zu entspannten Kurzferien voller Spielspass. Zur Auswahl stehen thematisierte Ferienhäuser und komfortable Forscherzelte oder Stellplätze für das eigene Wohnmobil. Geöffnet ist das Feriendorf bis 02.09. und in den Herbstferien vom 29.09. bis 15.10.2017.

Mehr unter: www.spieleland-feriendorf.ch Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/verlosung Teilnahmeschluss: 4. Oktober 2017. Teilnahme per SMS: Stichwort FF RSL an 959 senden (30 Rp./SMS)


Buchtipps

Über das endlos scheinende Eismeer fährt Siri ihrer entführten Schwester hinterher.

Was WÜRDEst du tun? Auf den doppel­ seitigen Bildern von Tobias Krejtschi ist jeweils eine Szene zu sehen, in der die Würde eines Menschen in Gefahr ist. Wie gehst du mit dieser Situation um? Ein Buch, das zum Nachdenken über Respekt und den Umgang mit­einander einlädt. Minedition, 2016, Fr. 14.90, ab 5 Jahren

Nach welchen ethischen Richtlinien handle ich? Was bedeutet das für andere? Zivilcourage oder moralische Werte können in Kinder- und Jugend­büchern ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt werden.

Das Richtige tun

Bilder:ZVG

E

Siri und die Eismeerpiraten

s gebe Dinge, die man tun müsse, selbst wenn sie gefährlich seien, er­­ klärt Jonathan seinem kleinen Bruder im Lind­ gren-Klassiker «Die Brüder Löwen­ herz». «Weil man sonst kein Mensch ist, sondern nur ein Häuflein Dreck.» Frida Nilsson wird nicht umsonst als Lindgren-Nachfolgerin gehan­ delt. Wohl mag der Name etwas gross sein für die schwedische Auto­ rin, doch macht sie in ihrem Aben­ teuerroman «Siri und die Eismeer­ piraten» kein Hehl daraus, welchem Vorbild sie nacheifert. Auch ihre Heldin Siri zieht nämlich aus, weil es Dinge gibt, die man tun muss, selbst wenn sie gefährlich sind. Zum Beispiel die kleine Schwester aus den Händen des grässlichen Piraten­­

kapitäns Weisshaupt befreien. Kei­ ner der Erwachsenen auf der hei­ matlichen Schäre im Eismeer bringt dafür den Mut auf, also muss Siri die Sache selbst in die Hand nehmen. Auf ihrer abenteuerlichen Reise erfährt sie vom Guten und Schlech­ ten, das im Menschen schlummert. Sie freundet sich mit dem Schiffs­ koch an, wird von einem Kapitän betrogen, gerät an eine Wolfsjägerin und kümmert sich um das verlassene Baby einer Seejungfrau. Immer aber bleibt sie ihrer Überzeugung treu: Kein Lebewesen darf zu Schaden kommen. Daran hält sie sich sogar im Angesicht der Piraten und bringt ihre Mission dennoch zu einem glücklichen Ende. Eine tief berührende Geschichte, die sich zum Vorlesen mit der gan­ zen Familie eignet.

William Grill: Die Wölfe von Currumpaw Ernest Thompson Seton soll den Wolf töten, der die Farmer von Currumpaw in Atem hält. Nachdem er die Kraft dieses Tieres erlebt hat, wird er überzeugter Naturschützer. Grill hat der wahren Geschichte mit eindrücklichen Farbstiftzeichnungen ein Denkmal gesetzt. NordSüd, 2017, Fr. 19.90, ab 7 Jahren

Frida Nilsson: Siri und die Eismeerpiraten. Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger. Gerstenberg, 2017, Fr. 21.90, ab 10 Jahren

Die Königinnen der Würstchen Statt sich zurück­ zuziehen, treten drei Mobbingopfer die Flucht nach vorne an und fahren mit den Velos nach Paris, um sich für ihre Sache einzusetzen. Ein mit viel Witz erzähltes Sommeraben­ teuer von Clementine Beauvais. Carlsen, 2017, Fr. 24.90, ab 14 Jahren Verfasst von Elisabeth Eggenberger, Mitarbeiterin des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien SIKJM. Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind weitere ­B­uch­empfehlungen zu finden.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  September 2017 89


Eine Frage – drei Meinungen

Nach unserer Trennung vor zwei Jahren heiratete mein Exmann wieder. Unsere Tochter, 13, die bei mir lebt, hat das Gefühl, dass ihr Vater die Kinder seiner neuen Frau mehr liebt als sie. Sie ist kaum mehr fröhlich und wird immer pummeliger. Wie kann ich ihr helfen? Kathrin, 37, Chur

Nicole Althaus

Die Gefühle Ihrer Tochter sind so verständlich wie wohl fehlgeleitet. Sie muss erst vieles verarbeiten, bis die Eifersucht auf die neuen Menschen im Leben ihres Papas ihre Wahrnehmung nicht mehr trüben. Dazu kommt noch der Gefühlssturm der pubertären Hormonumstellung. Versichern Sie der Tochter, dass sie im Herzen ihrer Eltern immer einen zentralen Platz haben wird, egal welche Menschen dazukommen. Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie zusammen wandern, radfahren, ins Kino.

Tonia von Gunten

Ihre Tochter sucht nach der Trennung ihren neuen Platz im Familien-Patchwork. Sie muss die Liebe ihres Vaters mit den Kindern seiner neuen Partnerin teilen. Ein schwieriger und schmerz­ voller Prozess, bei dem Sie Ihre Tochter begleiten können. Stehen Sie zu ihr und sorgen Sie für neue, fröhliche Momente in Ihrem gemeinsamen Leben, damit Ihre Tochter ihr Lachen wiederfindet.

Peter Schneider

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger. ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern, 16 und 12. Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein Programm, das frische Energie in die Familien bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8. Peter Schneider, 59, ist praktizierender Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und ist Professor für Entwicklungspsychologie an der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines erwachsenen Sohnes. Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: redaktion@fritzundfraenzi.ch

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO

Sie helfen ihr zunächst mal dadurch, indem Sie sich überlegen, ob an dem Gefühl Ihrer Tochter vielleicht etwas dran ist. Was nicht bedeutet, dass Sie nun mit Ihrer Tochter den Klub der von Ihrem Exmann nicht mehr Geliebten gründen. Aber es ist auch nicht ratsam, Ihre Tochter dadurch zu trösten, indem Sie eine richtige Wahrnehmung als falsch bezeichnen. Die Tatsache, dass Ihr Exmann nicht nur Sie, sondern damit auch Ihre Tochter hinter sich gelassen hat, können Sie Ihrer Tochter nicht ausreden, sondern allenfalls zu erklären versuchen.


Mimo verlost 20 Bausets für ein Vogelhaus.

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Fr. 7.50 9/September 2017

Cybermobbing Wie MitschĂźlerinnen das Leben von Laila, 14, zur HĂślle machten Jesper Juul Wie Eltern mit ihren pubertierenden Kindern umgehen sollten

Was die Seele stark macht

Resilienz


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