Fritz+Fränzi 10-17: Digitale Revolution

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Fr. 7.50 10/Oktober 2017

Jesper Juul Wie man als Eltern eine erfüllte Paarbeziehung lebt Fabian Grolimund Was Eltern wissen müssen, wenn das Kind ein Träumer ist

Digitale Revolution im Klassenzimmer


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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser Jetzt mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal der Lehrerin, dem Lehrer Ihres Kindes Danke gesagt? Danke für die Leidenschaft, Ihrem Dreikäsehoch die Neu­ nerreihe beizubringen? Danke für die Geduld mit Ihrer pubertierenden Tochter, deren Hormone seit Wochen verrückt spielen? Danke für die Bereitschaft, auch mit sperrigen Eltern konstruktiv zusammenzuarbeiten? Bild: Geri Born

Eben!

Nik Niethammer Chefredaktor

Eine Lehrperson habe ihm kürzlich erzählt, sie bekomme nur Anrufe von Eltern, wenn etwas nicht gut laufe, sagt Urs Gfeller von der Pädagogischen Hochschule Bern in unserem Monatsinterview (ab Seite 36). «Es gibt nie eine positive Rück­ meldung.» Gfeller leitet ein Internetforum für Lehrpersonen; 1700 Lehrkräfte sind registriert und können sich beraten lassen. Der erfahrene Coach appelliert auch an die Lehrpersonen, sich wenigstens einmal im Jahr mit einer ausschliess­ lich positiven Nachricht an die Eltern zu wenden. «Über einen solchen Anruf freut sich jede Mutter und jeder Vater.»

«Der wichtigste Ort, an dem junge Menschen all jene Erfahrungen sammeln, die darüber bestimmen, ob sie sich später im Leben etwas zutrauen, ist die Schule.» Gerald Hüther, Neurobiologe und Buchautor

Meine Frau und ich haben das übrigens gleich mal ausprobiert und der Lehrerin unseres Sohnes nach den Sommerferien eine Mail geschickt: «Wir wünschen Ihnen und der 2. Klasse ein glückliches und vielseitiges neues Schuljahr. Das Zeugnis fanden wir sehr treffend und einfühlsam formuliert. Wie schön, dass Sie unseren Sohn so differenziert wahrnehmen. Lassen Sie uns gerne weiterhin im Gespräch bleiben.» Sie glauben ja gar nicht, wie sehr sich die Lehrerin unseres Sohnes über diese Nachricht gefreut hat. Wollen Sie die Lehr­ person Ihres Kindes auch strahlen sehen? Dann greifen Sie zum Hörer oder in die Tasten! ***

Bald benötigen wir in 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen. Wie berei­ ten die Schulen unsere Kinder darauf vor? Warum ist es so schwierig, digitales Lernen einzuführen? Wann macht der Einsatz eines Tablets Sinn? Und braucht es, um mit der technologischen Entwicklung mithalten zu können, ein eigenes Schulfach Informatik? Diesen Fragen geht meine Kollegin Bianca Fritz in unse­ rem Dossier «Digitale Revolution im Klassenzimmer» auf den Grund. Eines ist gewiss: Ohne Lehrpersonen gelingt der digitale Wandel nicht. Auf sie kommt vieles zu. Nicht alle haben Lust darauf. Das Zauberwort heisst: Fortbildung. Ich wünsche Ihnen spannende Einsichten mit dieser Ausgabe. Ausgewählte Geschichten aus dem Heft sowie Texte, die wir nur online publizieren, finden Sie wie immer auf unserer Website unter www.fritzundfraenzi.ch. Herzlichst, Ihr Nik Niethammer

850 Lehrstellen in 25 Berufen | www.login.org


Inhalt Ausgabe 10 / Oktober 2017

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf fritzundfraenzi.ch und

Psychologie & Gesellschaft 44 Kettenbriefe aufs Handy Von harmlosen Spässen über Falschmeldungen bis zu Drohungen: Kinder sind mit manchen Nachrichten überfordert. Was Eltern tun können.

facebook.com/fritzundfraenzi. Augmented Reality

Dieses Zeichen im Heft bedeutet, dass Sie digitalen Mehrwert erhalten. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos und Zusatzinformationen zu den Artikeln.

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Dossier: Medien und Schule

30 Keine Angst vor neuen Medien! Philippe Wampfler ist Lehrer und berät Kollegen beim Thema ­«digitaler Unterricht». Ein Interview. 32 Wer soll das bezahlen? Jürg Brühlmann vom LCH über die Anforderungen, die auf die Schule der Zukunft zukommen. Fr. 7.50 10/Oktober 2017

Jesper Juul Wie man mit Kindern eine erfüllte Paarbeziehung lebt

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo

Fabian Grolimund Was Eltern tun können, wenn das Kind ein Träumer ist

Digitale Revolution im Klassenzimmer

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Cover Rico, 12, schreibt viel lieber auf dem Tablet als im Heft – «weil da Fehler gleich korrigiert werden».

Bilder: Christian Aeberhard / 13 Photo, Raffael Waldner / 13 Photo, Sibylle Dubs, Désirée Good / 13 Photo

10 Die digitale Schule Der Lehrplan 21 bringt «Medien und Informatik» in die Volksschule. Doch wie weit sind unsere Schulen in Sachen Digitalisierung?


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Urs Gfeller, womit haben Lehrpersonen heute am meisten zu kämpfen?

Du musst noch üben! – Dieser Satz verdirbt Kindern die Freude am Musizieren.

Lilani ist das Nesthäkchen unter drei älteren Brüdern – und trotzdem immer dabei.

Erziehung & Schule

Digital & Medial

46 Wie ein Fisch im Wasser? Schwimmen lernen ist bubileicht? Nicht für jeden, sagt Schwimm­lehrerin Nadja Winter und erklärt im Interview, wieso.

78 K inder besser schützen Der Bundesrat verlangt für Games und Videos einen schweizweit einheitlichen Rahmen für Altersbeschränkungen. Ist das sinnvoll?

58 F abian Grolimund Verträumte Kinder sind kreativ und fantasievoll, aber oft vom Alltag überfordert. Tipps für Eltern.

50 Kinder und Musik Ihr Kind will auf seinem Instrument nicht üben? 15 Tipps, die wirklich helfen. 56 Kindesunterhalt Neues Recht – neue Pflichte 60 Lernen und Üben der Schrift Spiele mit Buchstaben und Wörtern motivieren. 68 Grossfamilien Viele junge Paare wünschen sich wieder mehr als zwei Kinder. Wie fühlt sich das Leben zu sechst an? Ein Hausbesuch.

Rubriken 03 Editorial 06

Entdecken

36 M onatsinterview Urs Gfeller berät Lehrer, die sich im Berufsalltag Unterstützung wünschen. Ein Gespräch über neue Anforderungen im Lehrerberuf. 42 Jesper Juul Wie können aus Verliebten Liebende werden? Der Familientherapeut antwortet einer Mutter. 57 M ikael Krogerus Unser Kolumnist findet es an der Zeit, Jungs feministisch zu erziehen.

64 Leserbriefe 67 Stiftung Elternsein Ellen Ringier macht sich Gedanken zum Thema Loslassen und über den Herbst als Erntezeit. 82 Eine Frage – drei Meinungen Aufräumen, mehr üben, Tisch decken – was tun, wenn die Tochter jede Bitte als Kritik auffasst?

Service 76 Verlosung 80 Sponsoren/Impressum 81 Buchtipps 83 Abo

Die nächste Ausgabe erscheint am 2. November 2017.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 5


Entdecken

Lass uns reden!

3 FRAGEN

Starten Sie die aktuelle pp, Fritz+Fränzi-A Seite e es di e scannen Si en ein e Si n he se und line Märki ro Ca n vo ag Beitr und familylab.

Paare, die Konflikte lösen wollen, sollten versuchen, das während eines gemeinsamen Spaziergangs zu tun. Dies ist das Ergebnis einer US-Studie. Demnach entspannt synchrones Gehen offenbar die Konfliktsituation: Es verbessert die Stimmung, setzt Kreativität frei und fördert so die Bereitschaft zur Versöhnung. Ausserdem scheint Spazierengehen beide Partner in die Lage zu versetzen, wieder konsensfähige Standpunkte einzunehmen und weniger zu konkurrieren, schreiben die Autoren.

an Caroline Märki, Leiterin von Familylab Schweiz

2004 gründete der dänische Familientherapeut Jesper Juul das Elternberatungsprojekt «Familylab – Familienwerkstätten». Das Netzwerk ist inzwischen in 21 Ländern aktiv. Das Schweizer Familylab wird von der Elternbildnerin Caroline Märki geleitet. Interview: Evelin Hartmann Frau Märki, Familylab bietet neben Familienberatung und Eltern­ kursen auch Elterngruppen an. Worin unterscheiden sich diese von anderen Elterngruppen? Statt eine bestimmte Erziehungsmethode zu lehren, vermitteln wir den Eltern, dass es auf eine innere Haltung gegenüber ihren Kindern und sich selbst als Mutter oder Vater ankommt. Der Austausch mit anderen Eltern unter fachlicher Leitung und die theoretischen Inputs sollen die Eltern stärken und zu mehr Sicherheit und Klarheit führen. Als Ausgangspunkt für die gemeinsame Arbeit sollen die Fragen, Konflikte oder Probleme dienen, die die Eltern im Umgang mit ihren Kindern erleben. Patentrezepte für klassische Konfliktsituationen gibt es also nicht. Wie laufen diese Elterngruppen organisatorisch ab? Die Teilnehmer treffen sich alle zwei bis drei Monate, an insgesamt fünf Terminen. Nach einem halben Jahr gibt es dann ein sechstes Treffen, eine Art Supervision, bei der wir fragen, wie es ihnen nun in ihrem Familien­ alltag ergeht. Und wie sind die Rückmeldungen? Mehrheitlich sehr positiv! Leider ist unser Angebot nicht überall bekannt, weshalb einige Gruppen in manchen Regionen nicht zustande kommen. Das ist für Interessierte immer sehr frustrierend. Daher arbeiten wir daran, von offiziellen beziehungsweise staatlichen Stellen anerkannt und dadurch bekannter zu werden. Alle Infos auf www.familylab.ch

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114 Franken zahlen Schweizer Eltern im Schnitt pro Monat für das Hobby ihres Kindes. (Quelle: Umfrage unter 300 Eltern, in Auftrag gegeben vom Kleinanzeigenportal tutti.ch)

Auf ins grösste Aquarium ­Europas! Piranhas, Leopoldrochen, Alligatorhechte – die spannendsten Fische leben im Meer? Von wegen: In diesen Tagen eröffnet in Lausanne das grösste Süsswasser-Aquarium Europas – mit spektakulären Einblicken in die SüsswasserWelt. AQUATIS Aquarium – ­Vivarium heisst es und lädt Besucher auf eine Süsswasser-Odyssee durch fünf Kontinente ein. In 46 Aquarien, Vivarien und Terrarien tummeln sich an die 10 000 Fische und mehr als 100 Reptilien und Amphibien. Ziel sei es, den Menschen das Wasser und die Süsswasser-Lebensräume näherzubringen. Denn was man kennt und liebt, das schützt man. www.aquatis.ch

Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bilder: iStockphoto, ZVG

«Auf die innere Haltung kommt es an»


«Die grosse Mehrheit der Jugendlichen erlernt einen positiven Umgang mit dem Smartphone. Sie entwickeln zum Teil neue Verhaltensformen und legen das Handy auch mal bewusst weg.» (Gregor Waller in einem Interview auf tagesanzeiger.ch)

Gregor Waller ist Psychologe und forscht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Er leitet den Schwerpunkt Medienpsychologie.

Mutig, mutig! Bibbern, Staunen und ganz viel Gänsehauteffekt. «Mutig, mutig!» lautet das Motto der diesjährigen Schweizer Erzählnacht, wenn sich am 10. November in der ganzen Schweiz Kinder, Jugendliche und Erwachsene in literarische Abenteuer stürzen. Initiiert wird die Schweizer Erzählnacht als Leseförderprojekt vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM in Zusammenarbeit mit Bibliomedia und Unicef. Schulen, Bibliotheken, Buchhandlungen, Jugendtreffs und andere Organisationen sind herzlich eingeladen, teilzunehmen und sich auf www.sikjm.ch anzumelden.

Schule im Koffer Sie würden gerne mal auf Weltreise gehen, aber das Kind muss in die Schule? Kein Problem! Das Angebot «Schule im Koffer» will Eltern die Möglichkeit bieten, ihre Kinder auch auf Reisen zu unterrichten – und zwar mit auf die Bedürfnisse ihres Kindes angepasstem Lernmaterial. Und da Familien meist keinen Platz für noch mehr Gepäck haben, ersetzt das iPad den (symbolischen) Koffer voller schwerer Schulbücher. Alle Infos auf www.schuleimkoffer.ch

Fit für die Zukunft

Was macht eigentlich eine Zimmerin? Oder ein Logopäde oder ein Visagist? Ja, das Geschlecht ist bewusst gewählt, auch wenn die meisten bei diesen Berufsbezeichnungen jeweils eine Frau oder eben einen Mann vor Augen haben. Beim Nationalen Zukunftstag, der dieses Jahr am 9. November stattfindet, sollen Mädchen und Buben die Seiten wechseln und so untypische Arbeitsfelder und Lebensbereiche kennenlernen. So sollen sie den Mut finden, ihre Zukunft losgelöst von starren Geschlechterbildern in die Hand zu nehmen. www.nationalerzukunftstag.ch

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Wer Skiferien sagt, muss auch Tirol sagen Zauberteppich? Geschenkt! Spezialisierte Tiroler Regionen haben weit über die Minimalanforderungen an Familienskigebiete hinaus gedacht und liebevoll gestaltete Erlebniswelten geschaffen. Wir haben eine Skischule besucht und herausgefunden, dass Skifahren nicht nur cool ist, sondern auch fordert und fördert – und sogar schlau machen soll.

Gerhard Told wirft den Drachen an. Röhren, Kindergeschrei. Langsam fährt Told los. Hinter sich zieht er einen Schlitten, der aussieht wie ein Zugwaggon, nur steht er auf Kufen statt auf Rädern. Ein Dutzend Kinder hängt an den offenen Seiten, winkt, lacht. „Das lieben sie“, hatte Told vorhin versichert. Jetzt, auf dem mit Holz und Pappmaché als Drache verkleideten Ski-Doo, lächelt er. Auch Told scheint diese Momente zu lieben. Mit den Kindern im Schlepptau dreht er eine Runde auf den verschneiten Gipfel. Dann hält er an. Aussteigen! Der Skiunterricht geht weiter. Früher waren Skikurse für Kinder fast eine Selbstverständlichkeit. Inzwischen hat sich das geändert, seit Jahren sinkt die Zahl junger Menschen, die den Sport erlernen. Was schade ist: Denn Skifahren fordert und fördert. Manche Experten sagen sogar: Macht schlau. Eine Frage der Motorik In Spitzenzeiten üben in einer Skischule wie jener von Told jede Woche bis zu 200 Kinder. Die meisten beginnen das Skifahren mit etwa vier Jahren. Ein gutes Alter, sie stehen dann schon recht sicher auf den Beinen, lernen gleichzeitig schnell neue Bewegungsabläufe. Und die zu beherrschen, ist beim Skifahren entscheidend. Schon ein einfacher Parallelschwung erfordert eine Menge Motorik: Der Fahrer muss im richtigen Moment die Hüfte knicken und den Stock einsetzen, ohne dabei Balance und Geschwindigkeit zu verlieren. Mediziner verweisen ausserdem darauf, dass sich beim Skifahren schnell Muskulatur aufbaut, in den Schultern, im Rücken, in den Beinen und im Gesäss. Vor allem starke Rückenund Gesässmuskeln sind wichtig: Sie können Haltungsschäden vorbeugen, weil sie helfen, den Oberkörper in einer aufrechten Position zu halten. Die Bewegung an der frischen Luft kurbelt den Kreislauf an. Wer sich bewegt, ist besser in der Schule Skiahren soll sogar schlau machen. Sagt jeden falls Frieder Beck, Hirnforscher und Lehrer. Beck war Trainer der deutschen Nationalmannschaft im Ski-Freestyle und ist überzeugt:

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unterwegs sind, beschäftigen wir uns selten mit schulischen oder anderen Problemen. Trotzdem unterstützt uns der Sport bei deren Lösung“ – eben wegen der positiven Effekte auf unser Arbeitsgedächtnis. Rücksichtnahme und Vertrauen Physisch fitter, psychisch aufgeräumter – und sozial? Auch da können Kinder was dazulernen, sobald sie sich die Bretter anschnallen. Etwa Rücksichtnahme auf andere Menschen, schliesslich sind sie selten allein auf der Piste unterwegs. Auch Vertrauen in sich selbst, in die eigenen Fähigkeiten kann man aus dem Skifahren mitnehmen. Mit jeder Abfahrt schätzen Kinder ihr Können und ihre körperlichen Möglichkeiten realistischer ein. Erfolge stärken zudem das Selbstbewusstsein und motivieren zum Weitermachen. „Wer sich bewegt, ist besser in der Schule. Das ist statistisch erwiesen.“ Warum das so ist, liegt laut Beck am Aufbau des menschlichen Gehirns, das sich seit der Urzeit nicht mehr nennenswert verändert habe. Unsere Vorfahren seien immer in Bewegung gewesen, sie mussten raus aus ihrer Höhle, eine Wasserstelle suchen, Beeren oder Wild. Wer sich dabei ganz auf seine Aufgabe konzentrieren konnte, hatte einen evolutionären Vorteil, sagt Beck. Das führte dazu, dass Gehirnleistung und Bewegung quasi Hand in Hand gingen. „So wie damals reagiert unser System heute noch auf Bewegung.“ Heisst: Eine Sportart wie Skifahren, in der komplexe Bewegungsabläufe gesteuert werden müssen, hilft dabei, die Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses zu steigern – und damit die Konzentration. „Kinder, die sich besser konzentrieren können, können besser lernen und schreiben bessere Noten“, sagt Beck. Mit Schlauwerden allein ist es aber für Beck nicht getan. Er sieht im Skifahren noch einen weiteren Vorteil: die Umgebung. „Ein Wintertag mit Bergpanorama und glitzerndem Schnee steckt voller Glücksmomente, das gibt es so nirgends“, sagt er. Deshalb helfe Skifahren dabei, im Alltagsleben organisierter und psychisch aufgeräumter zu werden. „Wenn wir auf der Piste

Bei Gerhard Told lässt sich das gut beobachten. Anfangs weinen manche Kinder noch, sie fremdeln mit der unbekannten Umgebung, ihnen fehlen die Eltern. Nach den ersten Übungen ändert sich das in der Regel schnell. Sie freuen sich über jede gelungene Fahrt, über jedes Lob des Skilehrers. Manche kommen dann aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. „Spass ist das Wichtigste“, wiederholt Told. „Wer die Lust am Skifahren verliert, ist mindestens für die Saison verloren.“ Vielleicht auch für immer. Dann geht Told noch einmal zu seinem umgebauten Ski-Doo hinüber, wirft den Drachen an. Röhren. Die Kinder antworten mit begeistertem Geschrei. Noch eine Runde. Skifahren macht ja Spass. Die Skischule von Gerhard Told ist eine der qualitätsgeprüften Tiroler Skischulen, die das Programm „Spielplatz Schnee“ anbieten. Kinder ab drei Jahren machen hier auf spielerische Art und Weise ihre ersten Versuche auf Skiern. Und damit das Skifahren lernen kinderleicht fällt und ganz ohne Stress passiert – gerade sehr jungen Skianfängern ist ein ganzer Tag auf den Brettern ohnehin zu anstrengend – werden den jüngsten Gästen auch abseits der Pisten alle möglichen Abenteuer im Schnee geboten, ob Tierspurensuche, Rutschtellerrutschen oder das gute alte Schneemannbauen. www.tirol.at/familie

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Die digitale Schule Schon bald benötigen wir in 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen. Wie bereiten die Schweizer Schulen unsere Kinder auf diese Berufswelt vor? Warum ist es so schwierig, digitales Lernen einzuführen? Und lernt man am Tablet besser als mit dem Schulheft? Eine Spurensuche. Text: Bianca Fritz, Virginia Nolan (Porträts) Bilder: Rita Palanikumar / 13 Photo

Programmierende Primarschüler? An der Bläsi-Schule Basel ist das bereits Realität.

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Bild: Christian Aeberhard / 13 Photo

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Dossier

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Dossier

Die einen recherchieren fix am eigenen Smartphone, die anderen streng überwacht am langsamen Schul-PC.

Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo

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Im HofmattSchulhaus in Arth arbeiten die Kinder am eigenen Tablet.

lanarbeit im HofmattSchulhaus Arth, einer Projektschule für «Bring your own device» («Bring dein eigenes Gerät mit»): Auf den Tischen der 5. Klasse liegen Tablets und Smartphones neben Heften und Stiften. Viele der meist 12-jährigen Schüler tragen Kopfhörer. Ein Schüler lümmelt auf dem Fensterbrett, scannt einen QR-Code mit seinem Tablet, schaut sich ein Youtube-Video an und beantwortet Fragen dazu. Ein anderer hört einen Text auf Französisch, den der Lehrer in der virtuellen Cloud hinterlegt hat. Gleichzeitig liest er den Text im Arbeitsheft mit und stoppt, um in einer Vokabel-App Wörter nachzuschlagen. Diese schreibt er wiederum mit Bleistift ins Heft. Nebenan hören Schülerinnen mit Kopfhörern gemeinsam ein Diktat auf dem Tablet und schreiben von Hand mit. Ob alles richtig ist, können sie anschliessend selbst kontrollieren – die Datei dazu liegt in der Cloud. Szenenwechsel, Primarschule Bläsi in Basel. Die Lehrerin Ursula Grunder eröffnet die Programmierstunde. Die Primarschüler sollen mit einer virtuellen Schildkröte eine Blume auf dem Bildschirm zeichnen. «Wer kann mir helfen, mit dem Repeat-Befehl eine Blumenform zu programmieren?» Rascheln. Niemand meldet sich. Sie versucht es anders: «Wie viel Grad macht die Schildkröte, wenn sie sich viermal um 90 Grad dreht?» Jetzt schnellen die Hände in die Höhe. «360 Grad», ruft ein Mädchen. «Sehr gut!», sagt

Grunder. «Wenn die Schildkröte 360 Mal einen Schritt macht und sich um ein Grad dreht, dann bekommen wir einen Kreis. Welchen Befehl müssen wir nun der Schildkröte geben, damit sie einen Kreis zeichnet?» Wieder schnellen ein paar Hände hoch. «repeat360 Klammer fd 1 rt 1 Klammer!», tönt es aus der anderen Ecke. «Genau! Super gemacht!» Ursula Grunder dreht sich zur Wandtafel und schreibt den Befehl auf. So geht es weiter, bis die Schüler den ganzen Code haben – dann hopsen die Kinder vom Stuhlkreis zurück an die Rechner, um den Befehl auszuprobieren. Noch ist das digitale Lernen keine Selbstverständlichkeit in Schweizer Schulhäusern. Aber Projektschulen wie die beiden oben genannten weisen die Richtung, in die es geht: ein selbstverständliches Hin und Her zwischen Heft und Tablet, Primarschüler, die mit ihrer eigenen Programmiersprache die Regeln der Programmierung verstehen lernen. Wie digital sind die Schweizer Schulen heute schon? Was können Eltern erwarten? Während in vielen Primarschulen noch analog gelernt wird, kommen Schweizer Schülerinnen und Schüler spätestens in der Sek I und Oberstufe wohl überall mit digitalen Medien in Berührung. Wie viel und was die Kinder am Computer machen, ob sie auf alte Schulgeräte im Computerraum oder das Handy zugreifen und wie schnell ihre Internetverbindung ist, ist allerdings extrem unterschiedlich. Es hängt von der Schule und vor allem von der jeweiligen Lehrperson und ihrer Technikaffinität ab. >>>

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Dossier

Bald lernen bereits Primarschüler das Hinterfragen von Medien. >>> Mit der Einführung des Moduls «Medien und Informatik» des Lehrplans 21 werden Lernziele rund um digitale Medien allerdings fest in der Volksschulbildung verankert. Ein grosser Teil der Kantone hat diesen Lehrplan unterzeichnet und setzt ihn Schritt für Schritt um. Demnach lernen Schülerinnen und Schüler künftig schon in der Primarstufe Anwendungskompetenzen und das kritische Hinterfragen von Medien. Und sogar der Bereich Informatik ist mit Grundkenntnissen von Programmiersprachen enthalten. (Mehr dazu unter «Medien und Informatik» auf Seite 28.) Diese digitale Bildung wird im Lehrplan als eine Notwendigkeit beschrieben, um die Schülerinnen und Schüler auf die immer stärker digitalisierte Berufswelt vorzubereiten. Nach EUSchätzungen erfordern bald 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen. Die pädagogischen Hochschulen (PH) bieten eine Weiterbildung für Lehrpersonen an, die «Medien und Informatik» unterrichten werden und oft gerade im Bereich Informatik Wissenslücken aufweisen. Laut Rahel Tschopp, Bereichsleiterin Medienbildung und Informatik an der PH Zürich, füllen sich die Plätze für diese Weiterbildung sehr schnell, und auch in der Grundausbildung für neue Lehrpersonen erhält der Bereich einen immer grösseren Stellenwert. Ziel sei, dass mittelfristig alle Lehrpersonen über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, Inhalte aus Medienbildung und Informatik in den Unterricht einzubringen. Momentan würden dies vor allem Lehrerinnen und Lehrer >>> mit einer Affinität für Medien 14

«Im Unterricht herrscht Handyverbot» Sarina Blöchlinger, 11, aus Dürnten ZH verbringt zu Hause viel Zeit vor dem Bildschirm. In der Schule arbeitet die Sechstklässlerin regelmässig am Computer, würde aber auch Tablets und Smartphones im Klassenzimmer begrüssen. «Wir haben zu Hause haufenweise elektronische Geräte: Tablets, Laptops und Smartphones, auch die Apple-Watch. Wahrscheinlich liegt das daran, dass mein Papa Informatikspezialist ist. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich mein erstes Handy bekommen habe. Den Umgang damit habe ich mir mehrheitlich selbst beigebracht, das ist ja auch nicht schwer. Wenn ich Fragen habe, gehe ich damit zu meinem Vater oder zu meinen älteren Geschwistern. In der Klasse arbeiten wir pro Woche ein bis zwei Mal am Computer, jeweils in unterschiedlichen Fächern, wo es gerade passt. So dürfen wir uns beim Zeichnen Inspiration aus dem Internet holen, auch in Mathe üben

wir oft am Computer. Auf der Website des Lehrmittelverlags Zürich gibt es viele Zahlenspiele und gute Übungen für logisches Denken. Bei Vorträgen lassen uns die Lehrerinnen die Wahl, ob wir Informationen aus Büchern zusammentragen oder uns im Internet schlaumachen wollen. Ich mache meist beides, bevorzuge aber eigentlich das Internet. Man kommt schneller zu seinen Infos. Allerdings sind es so viele, dass es nicht einfach ist, den Überblick zu behalten. Wenn ich Angaben aus dem Internet nutze, achte ich darauf, dass unterschiedliche Webseiten zu einem Thema mehr oder weniger das Gleiche sagen. Dann wirds schon stimmen. Ich würde mich freuen, wenn wir nicht nur Laptops, sondern auch Tablets oder Smartphones zum Arbeiten nutzen könnten. Im Unterricht herrscht aber leider Handyverbot. Dafür verbringe ich privat viel Zeit damit. Ich surfe am liebsten auf Youtube, schaue mir Pferdefilme an oder Videos von Dagi Bee, da geht es um Styling und Mode. Zum Gamen benutze ich meinen Laptop oder Papas iPad. Meine Eltern machen mir wenig Vorschriften. Bei schlechtem Wetter darf ich allerdings höchstens eine halbe Stunde gamen, weil meine Eltern nicht wollen, dass ich dann den ganzen Tag vor dem Bildschirm rumhocke. Wenn die Sonne scheint, gehe ich lieber raus.»


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Dossier

«Ich selbst habe kein Handy, was echt nervt» Noé Gächter aus Fehraltorf ZH ist in die Oberstufe übergetreten und hofft, dass digitale Medien dort auch auf dem Stundenplan stehen. In der sechsten Klasse übte sich der 13-Jährige bereits im Programmieren. «In der sechsten Klasse hatte ich das Glück, dass unser Klassenlehrer seinen Kollegen mit den digitalen Medien weit voraus war. Wir arbeiteten vier Stunden pro Woche am Computer, zwei davon zu fixen Zeiten. Jeder Schüler hatte

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einen Account auf profaxonline.com, wo wir Geografie und Deutsch übten. Vom Karteikärtchen über Grammatikspiele bis zur interaktiven Landeskarte gibt es ganz verschiedene Lernvarianten. Wir gestalteten auch Plakate zu Lernthemen, vermischten Handschriftliches mit Bildern und Textelementen aus dem Internet. Unser Lehrer zeigte uns auch Aussergewöhnliches: So realisierten wir mit der Software Audacity ein Hörspiel, auch die Programmiersprache Scratch lernten wir kennen. Das Ganze hat natürlich nichts mit der Art von Programmieren zu tun, wie sie Papa als Informatiker kennt. Für Scratch braucht es keine schwierigen Textbefehle, man programmiert mit bunten Blöcken, zum Beispiel Spiele oder Animationen. Mit unserem Lehrer diskutierten wir auch den Umgang mit Hasskommentaren

oder die Frage, welche Informationen vertrauenswürdig sind. Ich persönlich setze auf Wikipedia, den herkömmlichen Medien hingegen traue ich nicht. Vor einigen Monaten lösten Freunde von mir ver­­sehentlich einen schlimmen Unfall aus, als sie mit Feuer experimentierten. Im Internet kursierten daraufhin Falschmeldungen, die mich traurig machten. Unser ehemaliger Klassenlehrer war überzeugt davon, dass digitale Medien in der Schule der Zukunft immer wichtiger werden. Ich hoffe es! Ich werde wohl nicht mehr erleben, wie wir mit Tablets und Smartphones lernen. Ich sehe viele Kinder mit Smartphone, die gar nicht wissen, was sie da in der Hand haben. Ich selbst habe kein Handy, was echt nervt. Meine ältere Schwester bekam ihr erstes mit 12, ich bin jetzt 13 und warte immer noch darauf.»

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Dossier

«Online lernt man vielseitiger» Noés Bruder Luc spielt gern mit Mathe-Apps, allerdings eher zu Hause als in der Schule. Die dürfte digitale Medien ruhig öfter einsetzen, wenn es nach dem 11-Jährigen ginge. «Mathe ist mein Lieblingsfach. Ich rechne sogar in der Freizeit gerne, am meisten Spass macht es mir mit Apps wie Math Attax oder König der Mathematik, das ist mein liebstes Rechenspiel. Dabei sammelt man Punkte und kämpft mit anderen Nutzern um den Königstitel. Ich spiele solche Spiele meist auf dem iPad meiner Mutter, selten auf dem Tablet, das meinem Lehrer gehört. Manchmal dürfen wir es als Belohnung benutzen, wenn wir einen Auftrag gut erledigt haben. Ich besuche eine kleine Privatschule, da gibts natürlich auch Com-

puter. Wir nutzen sie vielleicht einmal pro Woche. Online lernt man vielseitiger als mit Büchern. Ich hasse Bücher, weil mir Lesen Mühe macht. In Deutsch machen wir Übungen online. Wir Schüler nutzen den Computer meist, um Vorträge zu schreiben. Recherchieren im Internet ist einfacher als in der Biblio­thek. Mir gefällt, dass Google Informationen so schnell findet. Und doch sind es zu viele. Wenn ich wählen könnte, würde ich lieber Menschen befragen, die auf einem bestimmten Gebiet Experten sind. Ich habe gehört, dass gewisse Architekten mein Lieblingsgame Minecraft nutzen, um ihre Modellhäuser zu basteln. Das finde ich echt cool. Mein Bruder Noé und ich lieben es, Minecraft zu spielen. Wir haben beide einen eigenen Laptop, den Papa mit seinen vielen Sicherheitseinstellungen kontrolliert. Wer mir den Umgang mit dem Internet beigebracht hat? Ich selbst, da gibts ja auch nicht viel beizubringen. Ein paar Mal dar­ überwischen, und drin bist du. Sowas muss man einfach können, sonst ist das ziemlich uncool. Es ist auch ziemlich uncool, kein Handy zu haben.»

Beim Programmieren haben auch sprachlich schwache Schüler Erfolgserlebnisse.

>>> und Informatik oder einer abgeschlossenen Weiterbildung umsetzen, so Rahel Tschopp. Digitales Lernen ist individuell und integrativ

Die Digitalisierung der Schule hat viele Fürsprecher, zum Beispiel den ETH-Informatikprofessor Juraj Hrom­­kovič: «Die Informatik fördert wichtige Grundkompetenzen wie eigenständiges und kritisches Denken. Darum ist sie für mich so wichtig wie Sprach- und Matheunterricht», sagte er in einem Interview mit Fritz+Fränzi Online. Lehrpersonen wie der Zürcher Gymnasial­ lehrer Phi­l­ippe Wampfler, die digitale Medien schon selbstverständlich im Unterricht nutzen, sind überzeugt: Das Digitale macht die Schulen besser. Ein Argument für die digitale Schule: Digitale Lernprogramme passen sich individuell an den Leistungsstand des einzelnen Schülers an und senden gleichzeitig die Er­­ gebnisse an die Lehrperson, die dann besser auf Stärken und Schwächen eingehen kann. Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung sieht darin gar einen Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit in der Schule: «Die Digitalisierung macht gute Bildung für alle möglich.» In der Basler Primarschule Bläsi betonen die Lehrpersonen den integrativen Aspekt: Beim Programmieren können auch Schülerinnen und Schüler mit schwachen Sprachkenntnissen Erfolgserlebnisse haben. Die Schweizer Schülerinnen und Schüler seien für einmal nicht im Vorteil. Doch längst nicht alle sehen die Entwicklung hin zur digitalen Schule so positiv. Während so manchen Eltern die Entwicklung gar nicht schnell genug gehen kann, verstehen andere nicht, dass das Kind jetzt auch noch in der Schule am Handy hängen soll, wenn es das doch zu Hause schon zwei bis drei Stunden >>> am Tag macht. Die Zahl

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Dossier

>>> stammt aus der repräsentativen JAMES-Studie 2016, in der Schweizer Jugendliche zu ihrem Medienverhalten befragt wurden. Als in den Schulgebäuden leistungsstarke WLAN-Geräte installiert werden sollten, regte sich an einigen Orten sehr starker Widerstand, weil die Eltern eine grosse Strahlenbelastung der Kinder fürchteten. «Dafür haben wir inzwischen eine Lösung gefunden», sagt Schulleiterpräsident Bernard Gertsch: Statt einem starken Gerät werden mehrere schwächere Geräte installiert, die sich nur einschalten, wenn sie genutzt werden. Wenn die Schule bestimmt, welche Geräte die Kinder nutzen

Für andere Reibungspunkte mit dem Elternhaus gibt es allerdings keine so einfache Lösung. «Wir sind uns bewusst, dass die Mediennutzung neben den Hausaufgaben der zweite grosse Bereich ist, in welchem Schule in den privaten Bereich übergreift – und wir sind hier auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen», sagt Bernard Gertsch. Für «Bring your own de­ vice»-Unterricht zum Beispiel brauchen die Kinder ein eigenes Gerät. Besitzen sie keines, dürfen sie Schultablets mit nach Hause nehmen und nutzen – selbst dann, wenn die Eltern noch warten wollten mit der Einführung eines solchen Gerätes. Anderseits bekommen die Lehrpersonen so auch mit, ob die Kinder zu Hause einen vernünftigen, regulierten Umgang mit den Medien erlernt haben.

Bis vor Kurzem noch ging man davon aus: Medienerziehung ist Elternsache. Zu Hause wird demnach geklärt, welche Webseiten und Programme genutzt werden dürfen und wann das Gerät ausgeschaltet sein muss. Die Schule hingegen unterstützt die Eltern, indem sie Schülerinnen und Schülern Medienkompetenz beibringt. Hier klärt man Fragen wie: Welche Mechanismen stecken hinter den Programmen und Internetanwendungen? Wo findet man verlässliche Informationen und wie erkennt man Fake-News? So weit die Theorie. In der Praxis aber sind die Grenzen längst flies­­ send: Lehrpersonen fordern auf, bestimmte Programme zu installieren, die sie für die gemeinsame Arbeit brauchen, und sie sprechen mit den Kindern darüber, welche Regeln sinnvoll sind, damit die Ge­­ räte keinen Stress auslösen. Gleichzeitig haben sie damit zu kämpfen, wenn Schülerinnen und Schü- >>>

Bei der Medienbildung ist die Schule auf die Mithilfe der Eltern angewiesen. 18

«Ich bestimme das Tempo» Flurin Meier, 8, fällt Mathe leichter, wenn er auf dem Tablet üben kann. Im Schulunterricht habe das Gerät aber nichts verloren, findet der Zweitklässler aus Zernez GR. «Rechnen ist ganz schön schwierig. Manchmal stellt uns die Lehrerin eine Aufgabe, und während ich noch am Nachrechnen bin, ist sie schon bei der nächsten angelangt. So schnell geht das. Auf dem Tablet meiner Mama macht Rechnen mehr Spass, auch, weil ich das Tempo selbst bestimmen kann. Und lustig sind die Mathespiele

auch, ich habe schon eine Menge Smileys gesammelt. Mein Bruder und ich dürfen Mamas Tablet manchmal auch für Computerspiele nutzen. Wir spielen dann Lego oder Bauernhofspiele, die gefallen mir besonders gut. Da muss man sich um einen ganzen Hof und die Tiere kümmern, pünktlich aussäen und ernten. Meine Mutter möchte aber jeweils, dass ich zuerst ein paar Zahlenübungen mache, bevor ich ein Spiel beginne. Das ist okay. Das Tablet ist cool – in der Schule möchte ich jedoch keines haben. Ich wüsste nicht wozu. Mit dem Computer haben wir im Unterricht bisher nie gearbeitet. Es interessiert mich auch nicht so besonders, ich habe andere Hobbys. Zum Beispiel bin ich eine Wasserratte und schwimme fürs Leben gern.»

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Wenn das Internet mehr weiss als der Lehrer, ändert sich auch dessen Rolle. Das ist nicht immer leicht für Lehrpersonen.

«Digitales sollte Bücher nicht ersetzen» Chiara Caviezel, 15, aus Rapperswil SG findet, dass digitale Medien einem das Lernen vereinfachen. Dennoch ist die Schülerin der dritten Oberstufe dagegen, dass Tablets und Co. Bücher und Papier ersetzen. «Ich finde es sinnvoll, wenn die Schule digitale Medien im Unterricht einsetzt, mit ihnen lernt es sich manchmal echt einfacher. In Geografie, Geschichte oder für politische Themen nutzen wir zum Beispiel toporopa.eu, da gibts interaktive Quizspiele um Europa und die EU. So fallen einem diese Themen leichter. Auch Mathe übe ich oft online, bei uns hat jeder Schüler einen Account auf der Plattform mathbuch.info, die eine Ergänzung zu unserem Mathebuch darstellt. In der Schule arbeiten wir durchschnittlich zweimal pro Woche am Computer. Wenn der Computerraum besetzt ist, erlauben uns manche Lehrer, Infos auch übers Handy zu recherchieren. Das hat mich zunächst ganz

schön erstaunt – erwischen sie einen in der Pause mit dem Gerät, ist es weg. Wie und wo wir recherchieren, ist uns überlassen. Welchen Informationen ich vertraue? Das haben wir im Unterricht noch nie diskutiert. Zu Hause verbringe ich zwei bis drei Stunden pro Tag am Bildschirm, je nachdem, wie viel es für die Schule zu erledigen gibt. Was mir auffällt: Prüfungsstoff bleibt mir häufig besser im Kopf, wenn ich Zusammenfassungen handschriftlich aufschreibe, statt sie im Laptop einzugeben. Ich arbeite gerne mit digitalen Medien, wünsche mir aber nicht, dass sie in der Schule Bücher und Papier ersetzen. Ich finde es gut, wenn wir zwischendurch auch mit etwas Handfestem arbeiten, wo wir sonst schon die ganze Zeit am Bildschirm hängen. Die Vorstellung, dass im Unterricht alle nur noch ein Tablet brauchen, mag ich nicht. Ich verbringe auch viel Zeit am Handy, für den Umgang damit gibts zu Hause aber klare Regeln: An einem Abend pro Woche darf ich mich damit ins Zimmer zurückziehen, an zwei Abenden kann ich es im Wohnzimmer benutzen. Die restlichen zwei Abende sind handyfrei und gehören der Familie – zum gemeinsamen Essen, Reden oder Filmeschauen. Am Wochenende schauen wir jeweils, wie es gerade passt. Das finde ich ganz gut so.»

>>> ler von klein auf Mediengeräte unreguliert nutzen konnten. Diese haben oft wenig Verständnis dafür, wenn sie einmal etwas im Kopf rech­ nen oder etwas von Hand schreiben sollen. Neben den Eltern sind auch viele Lehrpersonen skeptisch bis kritisch, wenn es um die Nutzung von digi­ talen Medien im Unterricht geht. Das liegt zum einen daran, dass sich laut einer Studie von Ralf Biermann (2009) häufig gerade die Menschen für den Lehrberuf entscheiden, die Medien ohnehin schon kritisch ge­­ genüberstehen. «Sie haben selbst positive Erfahrungen mit der analo­ gen Schule gemacht und werden Lehrerinnen, um das weiterzugeben. Nicht um etwas zu ändern», fasst Philippe Wampfler, Lehrer und Medienpädagoge, die Situation zu­­ sammen (siehe Interview Seite 30). Für die Lehrpersonen ändert sich mit der Digitalisierung der Schul­ welt auch ihre Rolle: Sie sind nicht mehr die einzige Wissensquelle, sondern Begleiter und Coach, wenn Kinder sich Wissen selbst aneignen und Aufgaben lösen. Sie zeigen Kin­ dern, wie man Informationen be­­ wertet und verarbeitet, müssen aber auf der anderen Seite akzeptieren, dass viele Kinder und Jugendliche ihnen in der flinken Handhabung der digitalen Geräte voraus sind. Der Kulturkrieg um die Digitalisierung verunsichert Eltern

In den konträren Meinungen von Eltern und Lehrpersonen spiegelt sich ein Kulturkrieg wider, der rund um die Digitalisierung tobt. >>>

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«Es mangelt an Aufklärung» Stefan Bienz findet, dass die Schule das Potenzial digitaler Medien zu wenig ausschöpft. Der Vater zweier Teenager aus Rapperswil SG wünscht sich, dass man vorwärtsmacht – nicht nur, was die Nutzung digitaler Medien angeht, sondern auch in Sachen Risikoaufklärung. «Ich bin Fotograf und war früher Infor­ matiker – beide Berufe bedingen, dass ich mich stark mit digitalen Medien beschäftige. Ich sehe in der Schule grosses Potenzial dafür, aber da gibt es viel Luft nach oben. Es beginnt schon damit, dass Kinder und Jugendliche mit Rucksäcken unterwegs sind, die so schwer beladen sind, als ginge man damit auf Weltreise. Ist das noch zeit­ gemäss, wo eigentlich sämtliche Lehr­ bücher auf ein Tablet geladen werden könnten? Wohl kaum. Einige werden jetzt argumentieren, das käme zu teuer. Dieser Meinung bin ich definitiv nicht. Ich denke sogar, die elektronische Lösung

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Mathe und Physik machen als Lern-App, die piept und blinkt, einfach mehr Spass.

im Computer betreibe, hat das Gehirn nichts gelernt», sagte er in einem Interview mit dem Deutsch­ landfunk. Unter Wissenschaftlern jedoch sind seine Thesen umstritten. Und mehr noch die Schlüsse, die er daraus zieht, nämlich, dass Compu­ ter in Schulen nichts verloren hät­ ten. >>>

würde auf lange Sicht weniger kosten als Bücher, sie würde – als weiterer Vorteil – zudem eine einfachere Aktua­ lisierung der Lehrmittel erlauben. Es muss auch niemand Ablenkung durchs Internet befürchten, wenn das Tablet entsprechend eingestellt wird. Ich per­ sönlich bin dafür, dass es ausschliesslich als Arbeitsinstrument genutzt wird. Die meisten Kinder beschäftigen sich gerne mit digitalen Medien. Das hat einen motivierenden Effekt, der umso stärker ist, wenn interaktiv und spielerisch gelernt wird. Dieses Potenzial sollte die Schule besser ausschöpfen. Mir scheint, unsere Tochter Chiara lerne motivierter, wenn sie Mathe am Computer üben kann, auch die Plattform Toporopa, die sie in Geografie nutzt, ist toll: Die Kinder schulen ihr Wissen in einem Quiz, wo sie Länder-, Fluss- oder Städtenamen per Mausklick zuordnen. Wenn ich daran denke, wie mühsam Geografielernen zu meiner Schulzeit war: Karten kopieren, Ländernamen abdecken, alles neu einzeichnen – das macht keinen Spass. Elektronische Medien sind ergiebig, der Computer kann ständig neue Auf­ gaben generieren, wo ein Übungsbuch irgendwann durchgearbeitet ist. Bei Chiara ist derzeit die Lehrstellen­

Voll motiviert schreiben diese Schülerinnen ihre ersten Programme.

suche aktuell. Mich erstaunt, wie viele Betriebe bereits eine Online-Bewerbung erwarten. Dokumente einscannen, PDFs generieren und zusammenfügen – wir als Eltern mussten unserer Tochter zeigen, wie es geht. Das wäre doch Aufgabe der Schule. Ich frage mich, was Kinder machen, denen zu Hause niemand weiterhelfen kann. Ich bin digitalen Medien gegenüber in jeder Hinsicht aufgeschlossen, woran es mir in der Schule aber ganz klar mangelt, ist Aufklärung. In der Schule unserer Tochter musste es zuerst zu einem tragischen Vorfall von Cybermobbing kommen, damit das Thema überhaupt auf den Tisch kam und auch die Eltern vorbeikommen mussten, um sich etwas über Risiken im Internet anzuhören. Kindern ist nicht bewusst, dass das Internet nichts vergisst. Dass ihnen zum Verhängnis werden kann, was sie von sich preisgeben. Auch Eltern sind zu wenig sensibilisiert. Meine Frau und ich versuchen, es unseren Kindern so zu erklären: Verschickt nur Inhalte, die ihr ohne Bedenken auch ans schwarze Brett beim Hauseingang hängen würdet. Alles andere gehört ins persönliche Gespräch.»

Bild oben: Christian Aeberhard / 13 Photo

>>> Auf der einen Seite stehen die Technikbegeisterten, die davon schwärmen, dass dank spielerischer Programme auf dem Smartphone sogar unbeliebte Aufgaben gerne gelöst werden. Auf der anderen Sei­ te Psychiater und Kinderärzte, die vor den Folgen von zu hohem Me­­ dien­konsum warnen. Der bekannteste Kritiker, Hirn­ forscher Manfred Spitzer, schreibt in Büchern wie «Digitale Demenz» und «Cyberkrank», dass Computer die Auseinandersetzung mit der wirklichen Welt und damit das wichtigste geistige Training verhin­ dern. «Wenn ich Informationsver­ arbeitung nicht im Gehirn, sondern


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 23


Medien können dick, dumm und faul machen. Oder kreativ und schlau. Es kommt darauf an, wie man sie nutzt.

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>>> Kritiker wie Befürworter der Digitalisierung führen sich wider­ sprechende Studien ins Feld und werfen der jeweils anderen Seite vor, bestechlich und tendenziös zu sein. Das verunsichert Eltern zusätzlich. Wer in der Diskussion etwas genau­ er hinsieht, bemerkt allerdings, dass die Seiten häufig von verschiedenen Annahmen ausgehen. Medienpäda­ gogen und technikbegeisterte Lehrer sprechen oft davon, dass Schüler die Medien als Hilfsmittel nutzen sollen, um etwas zu produzieren: Präsenta­ tionen vorbereiten, Informationen

zusammentragen, Aufgaben lösen und sofort Feedback erhalten. Kriti­ ker hingegen sprechen vom Me­­ dienkonsum zur Unterhaltung, der dick, dumm und unglücklich macht. Tatsächlich zeigt auch die JAMES-Studie, dass viele Jugendli­ che in ihrer Freizeit Medien haupt­ sächlich passiv konsumieren. Die internationale Vergleichsstudie zur Medienkompetenz eines unabhän­ gigen Verbunds wissenschaftlicher Institutionen für Bildungsforschung (ICILS) zeigte 2013: Die Digital­ kompetenz der «Digital Natives»

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Bild: Christian Aeberhard / 13 Photo

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vention zu betreiben, so der Hirnforscher. «Ein völlig verkürztes Verständnis von Medienbildung», meint dazu Thomas Merz, Medienpädagoge und Prorektor der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Schulleiterpräsident Bernard Gertsch sieht die ganze Diskussion unaufgeregt: «Die Digitalisierung betrifft uns alle, die Schule ist als Teil der Gesellschaft verpflichtet mitzumachen. Wir wollen den Mediengebrauch der Kinder nicht forcieren, sondern Medien dort verwenden, wo sie Sinn machen», sagt er. Rahel Tschopp von der PH Zürich sagt, sie möchte die Eltern mit ins Boot holen und sie von der Wichtigkeit von digitalen Medien in der Schule überzeugen: «Die Kinder nutzen die Geräte ohnehin. In der Schule können Lehrpersonen sie dafür sensibilisieren, dies kompetenter und bewusster zu tun, und ihnen Wissen zur Funktionsweise von Medien vermitteln.» Schulsponsoring: Wenn Firmen Geräte und Software bezahlen Digital und Analog vereint: Ein Programmcode auf der Wandtafel.

geht über das Öffnen einer E-Mail nur selten hinaus. Davon, gefährliche Inhalte zu erkennen oder selbst eine Webseite zu gestalten, sind viele Jugendliche weit entfernt. Spricht das nicht umso mehr dafür, Kindern in der Schule einen kritischen und kreativen Umgang mit Medien beizubringen? Manfred Spitzer tut dieses Argument in einem «Zeit»-Interview mit den Worten ab: «Medienbildung? Hier geht es doch nur darum, die Kinder anzufixen.» Man gebe Kindern doch auch keinen Alkohol, um Suchtprä-

Unbestritten ist, dass sich mit dem Einsatz neuer Medien in der Schule auch neue Fragen stellen. Wie geht man zum Beispiel mit den Unternehmen um, die im Schulzimmer einen neuen Markt wittern und grosszügige Sponsoring-Angebote an die Schulhäuser schicken? Potenzial gibt es in der Schweiz genug. Laut Schulleiterpräsident Gertsch herrscht tendenziell ein Stadt-Land-Gefälle, was die technische Ausstattung der Schulen angeht. Mittel zur Ausstattung machen grosse Firmen schnell und unkompliziert locker. Die Finanzierung mit Geldern aus Schulgemeinde und Kanton ist hingegen komplex und langwierig. Spezielle Bundesmittel für die Umsetzung des Lehrplans 21 gab es bisher nicht (mehr dazu auf Seite 32). Für die Konzerne ist Schulsponsoring eine gute Sache: Ihre Namen werden schon früh in den Köpfen der Kinder verankert, und die Fir-

men können sich die Finanzierung gleichzeitig als gesellschaftliches Engagement auf die Fahnen schreiben. Laut New York Times gibt es in den USA einige Schulen, die sich ihre PC- und Internetausstattung komplett von Google finanzieren lassen. Das Ergebnis: Die Schüler haben Google als Synonym für «gute Technologie» abgespeichert. In der Schweiz gibt Samsung nach SRFInformationen zum Beispiel pro Jahr etwa eine halbe Million Franken aus, um Schüler mit Tablets auszustatten, eine Studie zu finanzieren, die untersucht, wie sich dadurch der Unterricht verändert, und die Lehrerausbildung an der PH Zürich zu unterstützen. Swisscom sponsere den Schulen Leistungen im Wert von jährlich 20 Millionen Franken, unter anderem den schnellen Internetanschluss. Wenn die Schülerinnen und Schüler sich erst einmal an ein be­­ stimmtes Gerät oder Programm ge­­ wöhnt haben, dürfen sich die Hersteller Hoffnungen machen, dass sie dieses auch nach ihrer Schulzeit kaufen werden. Microsoft beispielsweise stellt Lehrpersonen und Schülerinnen neben Schulungen auch kostenlose Office-Pakete zur Verfügung. Diese laufen mit Ende der Schulzeit aus. «Das ist eine Winwin-Situation», sagt Marc Weder, Geschäftsbereichsleiter Bildungskunden bei Microsoft Schweiz. Wie viel Schulsponsoring erlaubt ist und ob die Schulen das tatsächlich nutzen, ist sehr unterschiedlich, und noch wird keine Statistik dar­ über geführt. In der Romandie ist die Gesetzgebung sehr viel strenger als in der Deutschschweiz, in der Waadt ist das Schulsponsoring gesetzlich komplett verboten. Um einer Vereinnahmung der Schulen durch Unternehmen ent­ gegenzuwirken haben der Dach­ verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, die Jacobs Founda­ tion und die Mercator-Stif- >>>

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«Ich sehe das kritisch» Manuela Krattiger aus Arlesheim BL glaubt, dass der Umgang mit digitalen Medien eine gewisse Reife voraussetzt. Ihre Buben hält sie darum davon fern. Sie ist gegen den Einsatz von Tablets und Co. schon in der Primarschule. «Ich bin Mutter eines Kindergärtlers und eines Drittklässlers. Als mein älterer Sohn in der ersten Klasse nach Hause kam und mir erzählte, er arbeite im Unterricht am Computer, staunte ich nicht schlecht. Gerade, weil wir Eltern nicht informiert worden waren. Die Schüler übten Rechnen am Computer. Mir missfiel, dass sie diesen nicht nur als Arbeitsinstrument nutzten: Wer schnell mit Mathe fertig war, durfte Computergames spielen. Auch in der zweiten

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Klasse kam der Computer zum Einsatz, nicht ständig, aber regelmässig. Mir geht das gegen den Strich, weil ich die Kinder zu Hause von digitalen Medien fernhalte – noch jedenfalls. Ich bin nicht weltfremd, nutze entsprechende Geräte selbst. Den Umgang der Kinder damit sehe ich aber kritisch. Wie können wir von ihnen erwarten, massvoll mit digitalen Medien umzugehen, wenn selbst Erwachsene das Handy kaum beiseitelegen können? Damit ein junger Mensch sich diesem Sog mit der nötigen Kraft entgegenstellen kann, braucht er eine gewisse Reife. Vor dem zehnten, zwölften Lebensjahr dürfte die, wie ich vermute, noch nicht erreicht sein. Ich besuche häufig Elternbildungskurse. Da erlebe ich Mütter und Väter, die berichten, dass sie ihre zehnjährigen Kinder nicht vom Bildschirm wegkriegen. Ich glaube, dass eine entsprechend konsequente Haltung der Eltern dem entgegenwirken kann. Es ist aber schwierig, wenn die Schule untergräbt, was einem wichtig ist. Natürlich

ist es normal, dass in der Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus auch Konflikte entstehen. Schwierig wirds, wenn es um Grundwerte geht, und da gehört für mich der Umgang mit digitalen Medien dazu. Unsere Gemeinde plant, die Primarschule mit iPads auszurüsten. Das finde ich unangemessen, weil die Geräte Kinder um wertvolle sinnliche und feinmotorische Erfahrungen bringen. Man weiss auch, dass LED-Displays zu Überreizung führen können – sicher nicht das Beste für Kinder, die ohnehin Schwierigkeiten haben mit Stillsitzen. Mein älterer Sohn besucht seit dem neuen Schuljahr die Steiner-Schule. Für mich ist es eine Erleichterung, dass digitale Medien dort explizit nicht erwünscht sind, zumindest auf Primarstufe. Das gibt mir als Mutter einen besseren Rückhalt. Selbstverständlich werde ich meinen Söhnen später erlauben, den Computer zu nutzen. Sollten dann auch Games zur Debatte stehen, finden wir eine Lösung.»

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>>> tung eine Charta aufgesetzt, die viele Firmen unterzeichneten, die mit Schulen zusammenarbeiten. Darin verpflichten sie sich, unter anderem auf Product Placement und das Verteilen von Vergünsti­ gungen für Produkte zu verzichten. So soll eine zu starke Werbewirkung durch Kooperationen ausgeschlos­ sen werden. Der gläserne Schüler?

Eine weitere sensible Frage lautet: Wie werden die Daten in einer digi­ talisierten Schule geschützt? Solange Klassenarbeiten nur in Hefte ge­ schrieben wurden und auch Einträge bei schlechtem Benehmen nur im Klassenbuch der Lehrperson zu fin­ den waren, bedurfte es noch eines grossen Aufwandes, diese Daten zu kopieren und zu verbreiten. Heute haben einige Kantone eine digitale

Viele Lehrpersonen verwenden Programme, die aus Datenschutzsicht sehr kritisch sind. ID eingeführt, die jedem Schüler und jeder Lehrperson seine/ihre Daten eindeutig zuordnet. Die ID soll einen Schulwechsel erleichtern, auch kan­ tonsübergreifend. Hier gibt es klare Regeln, welche Daten verschlüsselt sein müssen und welche nicht (mehr dazu auf Seite 34). Wenn Schülerinnen und Schüler allerdings im Unterricht ins Internet gehen, ob für eine Recherche oder um bestimmte Programme in einer internetbasierten Cloud zu nutzen, hinterlassen sie auch dort eine Daten­

spur. Marc Weder von Microsoft ver­ sichert, dass Daten in der MicrosoftCloud Office 365 entsprechend den Richtlinien des Verbandes Schweizer Datenschützer gespeichert werden. Nur: Lehrerinnen und Lehrer benut­ zen an Schweizer Schulen auch sehr oft Programme von Firmen, die kei­ ne Charta unterzeichnet haben oder nicht den Datenschutzrichtlinien der Schulen entsprechen – Google, Dropbox oder die iCloud zum Datenaustausch zum Beispiel. Diese haben ihre Datenserver in den >>>

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 27 27


Bild: Salvatore Vinci / 13 Photo

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«Medien und Informatik» im Lehrplan 21 Der Lehrplan 21 legt die Kompetenzen fest, die die Schülerinnen und Schüler in ihrer Volksschulzeit, vom Kindergarten bis und mit 9. Klasse, erlernen sollen. Im Modul «Medien und Informatik» geht es zum einen darum, den Mediengebrauch ausserhalb der Schule aufzugreifen und zu reflektieren. Zum anderen sollen Schüler mit Anwendungskompetenzen und grundlegenden Informatikkenntnissen auf die Berufswelt vorbereitet werden, da diese heute «praktisch in jedem Beruf erforderlich» seien, so die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz. Thomas Merz von der PH Thurgau, der am Lehrplan mitgearbeitet hat, weist darauf hin, dass der Lehrplan weit mehr als die Nutzung von Medien im Unterricht fordert: «Es geht darum, Schülerinnen und Schüler auf die neuen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft vorzubereiten. Da gehört viel Hintergrundwissen dazu, da setzen sich Schülerinnen und Schüler mit den Einflüssen von Medien auf die Gesell-

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schaft auseinander, mit Risiken in ihrer Nutzung, mit der Bedeutung digitaler Medien für die Demokratie, mit neuen beruflichen Kompetenzen, mit der Fülle an negativen Nachrichten, deren Wirkungen und vielem mehr.» Zielsetzungen des Moduls «Medien und Informatik» sind, 1. dass Schülerinnen und Schüler Medien und ihre Bedeutung für die Gesellschaft verstehen, kritisch hinterfragen und kompetent und verantwortungsvoll nutzen; 2. dass Schülerinnen und Schüler verstehen, welche grundsätzlichen technischen Mechanismen hinter den digitalen Medien stecken, damit sie diese Grundkonzepte der Informatik nutzen können, um eigene Probleme zu lösen; 3. dass Schülerinnen und Schüler Hardund Software kompetent nutzen, um Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schule, im Alltag und im Berufsleben einzusetzen. Im Zyklus I, der die ersten vier Jahre einschliesslich Kindergarten umfasst, soll die Medienkompetenz nicht in einem eigenen Fach vermittelt werden, sondern immer wieder fächerübergreifend dort aufgegriffen werden, wo es passt. Ziele des ersten Zyklus sind zum Beispiel,

dass die Schülerinnen und Schüler ein Gerät einschalten und sich anmelden können oder dass sie lernen, Medien stufengerecht kreativ zu nutzen und sich über ihre eigene Medienerfahrung auszutauschen. In den Zyklen II ( 3.– 6. Schuljahr) und III (Sekundarstufe) empfiehlt der Lehrplan, dass die Kinder mindestens zwei Jahreswochenstunden Medien und Informatik besuchen, um zentrale, grundlegende Themen systematisch zu erarbeiten. Ob und wie diese Zeiten eingehalten werden, entscheiden die jeweiligen Kantone. Mit den Schülern wachsen auch die Kompetenzziele. So sollen sie im dritten Zyklus unter anderem lernen, die Absicht hinter Medienbeiträgen zu erkennen, Medien zur Veröffentlichung eigener Ideen zu nutzen und Algorithmen für Computerprogramme mit Variablen und Unterprogrammen zu erstellen. Auf Gymnasialstufe ist das Fach Informatik ein wählbares Ergänzungsfach. Die Erziehungsdirektorenkonferenz berät derzeit, ob es hier Pflichtfach werden soll. An den Berufsschulen ist das Bild noch heterogener als an anderen Schulen, weil die Integration neuer Medien hier stark vom angestrebten Berufsbild abhängt.

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>>> USA. In einer Schweizer Schule dürften sie daher offiziell nicht verwendet ­werden. Ein weiteres Problem: Der einzelnen Lehrperson wird beim Unterrichten nicht auf die Finger geschaut. Und wie bereits erwähnt, ist nicht jeder, der den Lehrberuf ergreift, ein Freund des Einsatzes neuer Medien und kennt sich gut aus. Leitfäden zu den Themen Datenschutz und Sponsoring geben eine Orientierungshilfe, aber die tatsächliche Umsetzung liegt bei der einzelnen

Lehrperson. Sie entscheidet darüber, ob die Geräte sicher, gewinnbringend und pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden. Oder um es mit den Worten von Schulleiterpräsident Bernard Gertsch zu sagen: «Es gibt bisher keine überzeugenden Langzeitstudien, die uns zeigen, dass man mit digitalen Medien besser lernt – aber sehr viele, die zeigen, dass eine gute Lehrperson einen Unterschied macht.» Da die Digitalisierung der Schulen in vollem Gang ist, wird sich eine gute Lehrperson mindestens genauso stark mit den Chancen und Risiken der «Generation Smartphone» auseinandersetzen müssen wie die Eltern der Kinder. Denn die digitale Welt ist zu komplex und zu wichtig, als dass wir unsere Kinder damit alleine lassen sollten. >>>

Nicht jeder, der Lehrer wird, ist ein Freund der neuen Medien und kennt sich darin gut aus.

Scannen Sie r die Seite mit de d un , pp Fritz+Fränzi-A ode Vi ein e sehen Si ofessor Interview mit Pr m Thema Beat Döbeli zu Sc digitale hule.

Bianca Fritz leitet die Online-Redaktion von Fritz+Fränzi. In ihrer Schulzeit hat sie nur wenige Stunden IT-Unterricht im muffeligen Computerraum verbracht. Die strenge Aufsicht des Lehrers war dabei eigentlich überflüssig, denn die Internetverbindung war ohnehin viel zu langsam, um im Netz zu surfen.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 29


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« Kinder lernen Sprache und Bilder digital kennen» Er arbeitet mit digitalen Tafeln, Smartphones und lässt seine Schülerinnen und Schüler Youtube-Videos drehen: der Lehrer Philippe Wampfler über die Vorurteile von Kolleginnen und Kollegen und die Grenzen des Digitalen. Interview: Bianca Fritz

Herr Wampfler, Sie waren eine der ersten Lehrpersonen der Schweiz, die digitale Medien im Unterricht eingesetzt haben. 2012 haben Sie ein Buch über soziale Medien in der Schule geschrieben, mit welcher Motivation?

diese wirkt künstlich. Ich brauche die Tafel noch oft – manchmal digitalisiere ich sie. Ich schaue immer, was didaktisch sinnvoll ist.

Wir hatten an unserer Schule eine sehr theoretische Fortbildung zum Thema soziale Medien mit externen Experten. Was dabei zu kurz kam, war die Frage, wie Jugendliche diese Netzwerke nutzen. Da gibt es eine Wissenskluft zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen. Kurz darauf bin ich in Weiterbildungsferien gegangen, habe einen Blog zum Thema begonnen, Tagungen besucht und das erste Buch zum Einsatz von Social Media in Schulen geschrieben. Seither werde ich selbst als Experte zu Weiterbildungen in Schulen eingeladen. Wobei ich den Schulen sage: «Ihr könnt die Verantwortung nicht dauerhaft an Externe delegieren. Ihr müsst euch selbst mit neuen Medien auseinandersetzen.»

Zum Beispiel, wenn sich die Schülerinnen und Schüler zusammensetzen, um einen Konflikt zu lösen. Da wäre es problematisch, wenn es digitale Aufzeichnungen geben würde. Oder wenn die Motorik wichtig ist: Was beim Von-Hand-Schreiben in der Primarschule passiert, kann mit digitalen Medien nicht gefördert werden.

Machen digitale Medien den Unterricht grundsätzlich besser?

Ein Unterricht ohne den Einsatz von Medien ist gar nicht möglich. Auch die Wandtafel ist ein Medium. Digitale Medien sind einfach zeitgemässe Medien. Ein Unterricht ohne 30

Was sind denn die Vorurteile oder Ängste, die im Lehrerkollegium verbreitet sind?

Wo ist der Einsatz von digitalen Medien nicht sinnvoll?

Sind Sie auf Widerstände bei Kollegen gestossen, als Sie neue Medien im Unterricht eingesetzt haben?

Im Prinzip war den anderen egal, was ich im Klassenzimmer machte. Nach und nach hat aber die Schulleitung gemerkt, dass sie auf den Mediengebrauch der Kinder reagieren muss. Zunächst hat man es mit einem Handyverbot probiert. Das liess sich aber nicht umsetzen. Also wurde umgeschwenkt auf «Bring your own device»: Die Geräte, welche die Jugendlichen ohnehin dabei hatten, sollten im Unterricht genutzt werden. Das hat zu einigen negativen Reaktionen geführt.

Manche Lehrpersonen an Gymnasien unterrichten ihr Fach noch so, wie sie es im Studium gelernt haben. Gerade in den Sprachwissenschaften heisst das: in Bibliotheken gehen, Bücher suchen und lesen. Dann kommen Schüler und sagen: «Ich finde das aber alles im Netz!» Das kann bei der Lehrperson zu einer Sinnkrise führen. In einer digitalisierten Welt ändert sich auch deren Rolle. Sie ist nicht mehr die einzige Wissensquelle. Zudem begibt man sich mit den neuen Medien auf ein Feld, auf dem die Schülerinnen und Schüler souveräner sind. Damit verschieben sich die Machtverhältnisse. Aber es gibt ja auch jüngere Lehr­ personen, die selbst schon seit Jahren digitale Medien benutzen.

Ja, das ist ein Grund, warum sich die Lage langsam entspannt. Allerdings zeigen Untersuchungen auch, dass die Menschen, die sich für den Lehrerberuf ausbilden lassen, dem Einsatz der digitalen Medien in der Schule generell eher kritisch gegenüberstehen. Wie kommt das?

Sie haben selbst positive Erfahrungen mit der analogen Schule gemacht und werden Lehrerin oder Lehrer, um das weiterzugeben. Nicht um etwas zu ändern. Gibt es auch von Seiten der Eltern Gegenwind?

Eltern sind eine sehr heterogene Gruppe. Die einen sagen: «Ich kämpfe ja zu Hause schon gegen das Gerät, warum wollt ihr es jetzt auch noch in der Schule einsetzen?» Andere

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arbeiten selbst mit digitalen Medien und finden die Schule völlig veraltet. Die meisten Eltern aber stehen dem Thema unaufgeregt gegenüber. Ganz anders als noch vor fünf oder zehn Jahren. Sie haben inzwischen eigene Erfahrung mit Smartphones und Computern gesammelt und sich eine Vorstellung davon geschaffen, welche Regeln es im Umgang mit den Geräten geben soll. Trotzdem gibt es natürlich einen Legitimationsdruck, wenn Schulen digitaler werden. Und das ist gut so. Warum?

Weil wir immer wieder überlegen und begründen müssen, was wir tun. Das tut uns gut, Lehrpersonen sind ja keine Halbgötter.

Wie viel digital wäre zu viel?

Es gibt dieses amerikanische Modell, eine echte Schreckensvision: Jeder Schüler ist abgetrennt hinter dem PC, und für 100 Schüler hat es vielleicht drei Lehrpersonen, alles andere regeln individuell angepasste Lernprogramme. Und hinter denen steht eine mächtige Industrie. Der wichtigste Aspekt von Schule ist doch der soziale. Man muss hier Beziehungen knüpfen können. Ihre Schülerinnen und Schüler sind um die 15 Jahre alt und haben alle ein eigenes Smartphone. Wie setzen Sie neue Medien im Unterricht ein?

Nehmen wir den Deutschunterricht als Beispiel: Ich könnte einfach an die Wandtafel schreiben, was «erlebWie beeinflussen die Medienregeln te Rede» ist. Oder ich lasse es die aus dem Elternhaus den Unterricht? Schülerinnen und Schüler selber mit Kinder aus einem Elternhaus mit dem Smartphone suchen, erstelle ein hohem Bildungsstand haben oft Google Doc und darin tragen die strenge Regeln und die Kinder Schüler verschiedene Informationen bekommen meist auch erst spät ein zusammen. Anschliessend können Smartphone, zum Beispiel mit Über- sie vergleichen: Was ist eine gute tritt in die Oberstufe. Bei niedrigem Quelle? Dabei stellen sie fest, dass es Bildungsstand wird das Handy hin- verschiedene Definitionen gibt, also gegen häufig früher gegeben und mit keine Einigkeit herrscht. Ich bin weniger Regeln verbunden, zum überzeugt, dass sie es sich so besser Beispiel, damit das Kind ruhig ist. merken können, als wenn ich es Die Kinder, die schon jung, mit sechs ihnen nur erzähle. oder sieben, ein Handy besitzen, Haben Sie noch ein Beispiel? haben also oft keine Mediennut- Alles Organisatorische läuft über zungsregeln gelernt. Das sehen dann einen WhatsApp-Chat. Hier können die Lehrpersonen und sagen: «Also mir die Schülerinnen und Schüler bei so jungen Kindern sollte man Fragen zu den Hausaufgaben stellen Handys nicht einsetzen.» und ich weiss, wo sie stehen. Daran Und wie sehen Sie das? Sollte es kann ich im Unterricht anknüpfen. schon in der Primarschule Kontakte mit digitalen Medien geben?

Das heisst, Sie als Lehrer müssen 24 Stunden erreichbar sein?

Ganz klar ja. Nicht als Ersatz für den Wald und motorische Erlebnisse, aber zusätzlich. Die Primarschule prägt unser Verständnis von Schule und Wissensaneignung stark. Sie ist – bis auf ein paar Vorzeigeprojekte – stark analog geprägt. Dabei lernen Kinder in der Welt ausserhalb der Schule Sprache und Bilder oft digital kennen. Meine Kinder haben das Schreiben an den Tram-Automaten gelernt, wo sie Buchstaben eingegeben haben.

Nein, da muss man eine Kommunikationskultur finden. Ich habe feste Zeiten, wann ich bei WhatsApp online bin und Fragen beantworte. Man entwickelt auch eine Filterkompetenz und sieht, auf welche Nachrichten man sofort antworten muss. Eine Kompetenz, die auch die Schüler erlernen sollten.

Ja klar, darüber sprechen wir im Unterricht. Es gibt unterschiedliche Erwartungen, wie schnell jemand antworten muss. Das kann in Stress

ausarten. Vor Prüfungen haben manche meiner Schülerinnen und Schüler die Strategie entwickelt, den Klassenchat stumm zu schalten. Damit sie sich nicht gegenseitig verrückt machen können. Müssen Handys in Ihren Prüfungen ausgeschaltet bleiben?

Klassische Prüfungen mache ich persönlich nicht. Ich arbeite kompetenz­ orientiert. Zum Beispiel habe ich Schülerinnen und Schülern gerade einen Kommentar zu einem Roman schreiben lassen – in Google Docs. Dazu geben dann andere Schülerinnen und Schüler und ich nach strengen Regeln Feedback. Danach können sie ihren Text fertig schreiben. Wir arbeiten zusammen daran, einen Text zu verbessern. Das wird auch dem heutigen Textverständnis ge­­ recht: Digitale Texte sind nie einfach fertig. Ich möchte, dass die Schülerinnen und Schüler bei mir so arbeiten lernen, wie sie es später in der Berufswelt brauchen. Aber geben sie sich nicht weniger Mühe mit einem Text, wenn sie wissen, dass es nur eine erste Version ist?

Bei Aufsätzen hat es schon immer Texte gegeben, die eher unüberlegt schienen und die man besser noch einmal überarbeitet hätte. Der Wille, einen bereits fertigen Text zu verbessern, war hingegen eher noch kleiner. Wie gehen Wampflers Schüler damit um, dass er in den sozialen Medien so bekannt ist? Wie ­beurteilt er die Medienkompetenz an den Schulen? Die lange Version des Interviews finden Sie auf fritzunfraenzi.ch oder in der ARApp – einfach damit diese ­Seite scannen.

Philippe Wampfler ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Philosophie, Dozent für Fachdidaktik Deutsch und Autor mehrerer Bücher zum Thema Schule und Social Media. Er wohnt in Zürich und hat drei Kinder.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 31


Die Schule von morgen Jürg Brühlmann vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH ist überzeugt: Die Digitalisierung wird die Volksschule grundlegend verändern. Text: Jürg Brühlmann

«Das Sponsoring wird forciert, bezahlt wird mit den Daten unserer Kinder.» Jürg Brühlmann, lic. phil., ist Primar-, Sekundar- und Sonderklassenlehrer und leitet die Pädagogische Arbeitsstelle des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.

D

er Lehrplan 21 bringt den Unterricht zu den Informationsund Kommunika­ tionstechnologien (ICT) und Medien in die Volksschule. Kinder recherchieren Informa­ tionen und lernen sie zu bewerten, können Bildsprache interpretieren und hinterfragen, nutzen selbstver-

Recherchieren, Bewerten, Programmierlogik – das alles lernen Kinder in Zukunft in der Schule. 32

ständlich unterschiedlichste Programme und lernen, zu verstehen, wie die Programmierlogik funktioniert. Solche Inhalte und Kompetenzen lernen die Kinder in Zukunft in der Schule. Bis die Schulen so weit sind, kann es noch einige Jahre dauern: je nachdem, wie rasch der je­­ weilige Kanton den Lehrplan 21 einführt, ob genug Zeit und Geld zur Verfügung gestellt werden für die Weiterbildung der Lehrpersonen, ob die Lehrmittel aktualisiert werden und ob die Schule ausreichend mit Hard- und Software ausgerüstet wird. Digitalisierung kostet

In Winterthur wurden auf das neue Schuljahr hin 40 Schulhäuser für 2,5 Millionen Franken mit 2000 Notebooks und 900 Tablets ausgerüstet. Jedes Kind erhielt einen USB-Stick mit Linux-Betriebssystem, Lernund Softwareprogrammen, die auch zu Hause laufen sollen. Es scheint, als ob nun in den Gemeinden das grosse Aufrüsten beginnt. Die schulische Infrastruktur wird nicht vom Kanton gestellt, sondern muss von den Gemeinden finanziert werden, teilweise mit Beiträgen des Kantons. Die Volksschule ist gemäss Bundesverfassung, Artikel 19 unentgeltlich. Daher ist es richtig, dass die Eltern nicht mit Anschaffungen oder Abokosten belastet werden. Kinder wollen als Individuen gesehen und gefördert werden. Ers-

te öffentliche Schulen setzen als Pioniere für alters- und leistungsdurchmischte Lerngruppen voll auf die Personalisierung mit digitalem Lernwegmanagement und digitalen Lernaufgaben einschliesslich Lernmaterial im Hintergrund. Das Lernen jedes Kindes kann auf übersichtlichen Kompetenzrastern im Auge behalten werden und bleibt für Lehrpersonen und Eltern nachvollziehbar. Andere Schulen stellen um auf flexible Stundenpläne, erste private Schulen verzichten sogar auf fixe Ferienzeiten und bieten Ferncoaching für die Hausaufgaben oder bei Abwesenheiten. Gelernt werden kann immer, auch abends, Auszeiten und Ferien sind jederzeit möglich. Elternbussen aufgrund von unentschuldigten Absenzen werden abgelöst durch Lernzielvereinbarungen im Dreieck Kind – Eltern – Schule. Die Lehrpersonen fördern als Coaches die Kinder, damit sie die gewünschten standardisierten Tests bestehen, welche anstelle der Lehrpersonen die promotionswirksame Beurteilung und Selektion übernehmen. Digitalisierung bringt völlig neue Zukunftsszenarien

Im Hintergrund warten bereits gros­ se Unternehmen, die all dies im Abonnement anbieten: CloudLösungen, Social Media, interaktive Webseiten, alle Arten Apps und Lernprogramme, Videotutorials,

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modulares Lernmaterial, Lernweg­ tracking und internationale Tests. Vielleicht umfassen die Pakete bald auch spezialisierte Lehrpersonen, die teilweise vor Ort sind und ande­ res im Ferncoaching abdecken. Kor­ rekturen können weitgehend auto­ matisiert erledigt werden. Schreiben wird unwichtiger, weil den Compu­ tern Texte diktiert werden können. Menschenähnliche Roboter können Fragen beantworten, emotionale Be­­ dürfnisse abdecken, singen oder erzählen. Derartige Angebote verlangen einen enormen Investitionsbedarf und sind dafür nach oben skalierbar. Nur die immer noch notwendige soziale Betreuung der Kinder muss lokal sichergestellt werden, entwe­ der professionell gegen Bezahlung durch die Eltern oder kostengünsti­ ger mit Freiwilligen. Regionale Lehrmittelverlage und einzelne Kantone können mit Eigenentwick­ lungen da nicht mehr mithalten. Digitalisierung erfordert politische Willensbildung

Mit derartigen Szenarien werden wir uns bald schon politisch als Wahl- und Stimmberechtigte, aber auch persönlich als Eltern auseinan­ dersetzen müssen. Die Bildungskos­ ten sind neben den Gesundheitskos­ ten die auffälligsten Ausgaben in den Gemeinden und Kantonen. Um in Kantonen und Gemeinden weiter Steuern senken zu können, schlagen führende Politiker und Medien eine

Menschenähnliche Roboter können Fragen beantworten, emotionale Bedürfnisse abdecken, singen und erzählen. massive Senkung der Kosten auch im Bildungswesen vor. Wie in den USA bereits zu sehen ist, sind auch digitale Billigstlösungen möglich: Das Sponsoring wird forciert, be­­ zahlt wird mit den Daten und der Beeinflussung der Kinder, Kosten werden nach dem Prinzip BYOD (bring your own device) und über Gebühren auf die Eltern abgewälzt, einfach testbare Fächer bilden die Grundbildung, der Rest muss privat dazugekauft werden. Wir sehen im Gesundheitswesen bereits ähnliche Entwicklungen, wo Menschen nach Betreuungsintensi­ tät «taxiert» werden. Das Verur­ sacherprinzip kennen wir bereits. Das Prinzip der Finanzierung von Grundangeboten via progressive Steuern wird abgelöst durch das Verursacherprinzip, wie bereits bei den TV/Internet-Gebühren, den Autobahnvignetten, beim Wasser oder beim Kehricht. Heute ist noch kaum vorstellbar, dass eines Tages auch die heute noch vielfältigen Berufsaufgaben der Lehrpersonen auf andere Berufs­ gruppen, Laien und Assistenzperso­ nal aufgeteilt und damit modulari­

siert werden könnten: die Planung von Unterricht, das Vermitteln von prüfungsfähigen Kompetenzen (das «Lehren»), das Trainieren und Üben, die soziale Betreuung und die Füh­ rung der Gruppen, das Herstellen von Lernmaterial, das Prüfen, Testen und Beurteilen. Schauen wir uns in anderen Berufen und Wirtschafts­ zweigen um, geschieht aber genau das. Digitalisierung schafft die Allrounderin ab

Die Vorstellung der Allrounderin, die neun Fächer möglichst in­divi­ dual­isiert unterrichtet, eine maximal heterogene Klasse führt, die sozialen und personalen Kompetenzen jedes Kindes fördert, rund um die Uhr auf die Sorgen der Eltern eingeht und auch abends online bei Aufgaben hilft, Kinder beurteilt und für späte­ re schulische und berufliche Karrie­ ren selektioniert – von diesem Bild werden wir uns vielleicht schon bald verabschieden müssen, wenn sich die Trends fortsetzen. Alles nur Utopien? Vermutlich nicht, wenn wir schauen, was um uns herum gerade passiert.

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Dossier

«Schulen sollen nur Clouds aus Europa brauchen»

Weiterführende Informationen Um Datenschutz an Schulen geht es im Leitfaden für Lehrpersonen und Schulleiter auf www.mediendatensicherheit-schulen.info. Dieser wurde in trinationaler Zusammenarbeit (Deutschland, Österreich, Schweiz) unter Mitarbeit des ­Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH erstellt.

Macht die Digitalisierung aus unseren Kindern gläserne Schüler? Markus Willi von von der eidgenössischen Fachstelle educa.ch erklärt, was mit deren Daten passiert. Interview: Bianca Fritz

Herr Willi, immer mehr Schüler beantworten Testfragen digital oder schreiben in Google Docs. Wie werden diese Daten geschützt?

Das kommt ganz auf die Schule und ihre IT-Infrastruktur an – da lassen sich keine generellen Aussagen machen. Manche Schulen speichern ihre Daten auf lokalen Festplatten, andere nutzen dafür webbasierte Cloud-Dienste. Aber es gibt ja sicher Empfehlungen.

Absolut. So sollen die Schulen beispielsweise nach Empfehlung der Konferenz der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten privat nur Cloud-Dienste verwenden, die ihre Server im europäischen Datenraum stehen haben. Und besonders schützenswerte Personendaten wie zum Beispiel über Religionszugehörigkeit, Gesundheitszustand oder Massnahmen der Sozialhilfe, dürfen nur

verschlüsselt in der Cloud abgespeichert werden. Und Testergebnisse der Schüler?

Wenn es sich nicht um besonders schützenswerte Daten handelt, dürfen diese gespeichert werden. Aus unserer Sicht ist das aber bei den meisten Tests nicht der Fall. Sie unterstützen die Kantone dabei, Schüler- beziehungsweise BildungsIDs anzulegen und diese kantonsübergreifend zu vereinheitlichen. Was hat es mit diesen IDs auf sich?

Um einen sicheren Zugang zu Online-Diensten zu gewährleisten, sollen alle Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen zukünftig eine digitale Identität erhalten. In einigen Kantonen bestehen bereits solche zentralen Lösungen, etwa in Genf oder Basel-Stadt. Wir versuchen, auf nationaler Ebene alle diese Lösungen zusammenzufassen, sodass die Da­

ten bei einem Wohnortswechsel über die Kantonsgrenzen hinaus mitgenommen werden können. Dürfen Eltern diese ID sehen?

Sie dürfen nicht nur, sie müssen der Speicherung zustimmen. Zudem haben sie ein Anrecht auf Einsicht in die Daten ihres Kindes und dürfen auch deren Löschung veranlassen. Damit können Kinder wohl nicht mehr behaupten, dass sie eine bessere Note geschrieben haben ...

(lacht) Da finden gewitzte Schüler bestimmt andere Wege.

Markus Willi

arbeitet bei educa.ch, der eidgenössischen Fachagentur für Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) und Bildung.

Im nächsten Heft:

Zuckerfrei und ohne Kohlenhydrate, dafür vegetarisch oder sogar vegan: Ernährungstrends gibt es viele. Doch welcher ist der richtige Weg zu einer gesunden Ernährung? Und wer gibt diesen vor? Das Dossier-Thema im November.

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Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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Ernährung


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 35


Monatsinterview

« Es braucht ein Bündnis mit den Eltern» Vielen Lehrpersonen machen die hohen Anforderungen an ihren Beruf zu schaffen, sie sind Burn-out-gefährdet, steigen aus. «Es reicht heute nicht mehr, eine ambitionierte Lehrperson zu sein, die ihren Beruf liebt», sagt Urs Gfeller von der Pädagogischen Hochschule Bern. Der Pädagoge über den allgemeinen Autoritätsverlust, zu hohe Ideale und wichtige Sätze am ersten Elternabend. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Raffael Waldner / 13 Photo

Ein heller Raum in der Pädagogischen Hochschule Bern. Zusammengeschobene Tische sollen kleinen Gruppen die gemeinsame Arbeit ermöglichen, Loungemöbel das Entspannen. Hinter einem Raumteiler erwartet den Besucher das Herzstück des grossen Zimmers: ein alter, wunderschöner Holztisch. «So etwa soll der Klassenraum von morgen aussehen», sagt Urs Gfeller, Bereichsleiter Berufsbiografie, Beratung und Unterstützung an der PH Bern. «Wollen wir uns setzten?» Herr Gfeller, Studien zufolge gibt jede fünfte Lehrperson in den ersten vier Jahren ihren Beruf auf. Sind es wirklich so viele?

Ich kenne diese Studien auch. Ob dies viele sind oder ob dies vergleich­ bar mit andern Berufsgattungen ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber welches sind die Gründe für diesen frühen Ausstieg aus dem Beruf?

Trotz einer guten Grundausbildung, trotz ausgebauten Praktika, trotz speziellen Angeboten für Berufsein­ steigende ist der Schritt zur selbst­ verantwortlich handelnden Lehrper­ son noch immer gross. Viele fühlen sich all den Ansprüchen, die sie 36

selbst an sich stellen und die von aussen auf sie zukommen, nicht gewachsen. Andere haben das Lehr­ amtsstudium von Anfang an als Grundausbildung gesehen, auf der sie weiter aufbauen möchten. Sie leiten an der Pädagogischen Hochschule Bern den Bereich Berufsbiografie, Beratung und Unterstützung. Dieser bietet unter anderem ein

«Viele Lehrer nutzen solche Beratungsangebote wie unsere recht spät.» Internetforum an, über das sich Lehrpersonen beraten lassen können. Mittlerweile sind dort rund 1700 Lehrpersonen registriert. Was brennt Lehrerinnen und Lehrern heute unter den Nägeln?

Das Spektrum an Themen, mit denen Lehrpersonen auf uns zukom­ men, ist sehr breit und reicht von schwierigem Schülerverhalten oder anspruchsvollen Unterrichtssitua­ tionen, fehlender Unterstützung

durch die Schulleitung über Rechts­ fragen bis hin zu Fragen zur Eltern­ arbeit. Leider machen wir die Beob­ achtung, dass viele Lehrpersonen solche Beratungsangebote wie unse­ res recht spät nutzen ... … und diese tauchen dann in den Sta-

tistiken als diejenigen Lehrpersonen auf, die ihren Job nach 10 oder sogar 15 Jahren an den Nagel hängen. Warum?

Sagen wir, manche von ihnen. Eini­ ge haben das Gefühl, dass sie selbst immer älter und die Kinder immer jünger werden. Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran, viele Lehrpersonen meinen, mit den neu­ en Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Schüler diesbezüglich nicht Schritt halten zu können. Sie können sich schlichtweg nicht vorstellen, mit diesem Beruf in Pension zu gehen. Einen anderen Grund sehe ich in den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. Die da wären?

Ich spreche insbesondere den allge­ meinen Autoritätsverlust an. Früher galten Ärzte, Pfarrer und auch Lehr­ personen als die unumstösslichen Instanzen auf ihrem Gebiet. Heute gibt es das Internet. Wir können uns zu jeder Zeit über alles infor­ >>> Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview

Urs Gfeller leitet ein Internetforum fßr Lehrpersonen. Rund 1700 Lehrkräfte sind dort registriert und kÜnnen sich beraten lassen.


Monatsinterview

>>> mieren und ausgewiesene Experten mit unserem (Halb-)Wissen konfrontieren. Was bedeutet das für den Schulalltag?

Es reicht heute nicht mehr aus, eine ambitionierte Lehrperson zu sein, die ihren Beruf liebt. Lehrpersonen müssen sich als Fachkräfte, als Pädagoginnen und Pädagogen ausweisen. Gegenüber den Eltern?

Vor allem gegenüber den Eltern, ja. Als Lehrperson muss ich überzeugt sein von mir und meiner Art, zu unterrichten, und ich muss meinen Auftrag als Lehrperson klar kommunizieren können. Und das bereits am ersten Elternabend: «Liebe

Eltern, von diesem Menschenbild gehe ich aus, dies verstehe ich unter Lernen, ich wende diese oder jene Didaktik an, dies erwarte ich von Ihnen, liebe Eltern, und das können Sie von mir erwarten. Meine Eltern­ information ist wie folgt. Zu diesen Zeiten können Sie mich telefonisch erreichen, zu jenen nicht.» Wenn eine Lehrperson heute nicht genau sagen kann, was sie unter Lernen versteht, haben Eltern sehr schnell das Gefühl, dass sie es anstelle von ihr sagen müssen. Wer sich vor den Eltern nicht klar definiert, wird verständlicherweise von ihnen definiert. Familien stehen heute unter einem hohen wirtschaftlichen Druck. Und

viele Eltern haben Sorge, dass ihr Kind den Anschluss in dieser globalisierten Welt nicht schafft.

Das ist oft so. Dazu kommt noch, dass viele Eltern ein schlechtes Gewissen plagt, für ihre Kinder zu wenig Zeit zu haben. Und dieses schlechte Gewissen projiziert man auf die Schule: Wenigstens dort muss ihr Kind zu dem kommen, was es braucht. Dass dem so ist, ist absolut verständlich. Mit welchen Folgen?

Sehen Sie, es geht darum, zum Wohle des Kindes ein Wir-Gefühl zu schaffen. Es braucht ein Bündnis mit den Eltern, das aufzeigt, was ihre Aufgabe und was Aufgabe der Schu-


le ist. Wenn sich Eltern aber nur kritisch gegenüber der Schule positionieren, dann ist das eine sehr schwierige Aufgabe. Lehrpersonen müssen sich das Vertrauen der Eltern heute verdienen, es ist nicht mehr «kraft ihres Amtes» gegeben. Die Elternarbeit kommt heute immer noch zu kurz?

Meiner Ansicht nach ja. Dabei ist die Elternarbeit ein Schlüssel zum Lern­ erfolg der Kinder. Und zur Gesund­ erhaltung der Lehrperson. Es gilt, die Eltern in einem für sie möglichen Mass einzuladen, am Entwicklungsprozess ihrer Kinder im Rahmen der Schule teilzunehmen und Mitverantwortung zu übernehmen. Es gilt, die

«Es geht darum, ein Wir-Gefühl zu erzeugen», sagt Urs Gfeller.

Eltern als Partner auf Augenhöhe ernst zu nehmen. Als Partner, der uns sein Liebstes anvertraut, seine Kinder. Das ist sehr wichtig. Dort verharren wir oft noch zu sehr in alten Formen. Nun stellen wir uns eine Klasse mit 20 Schülern vor, von denen sich 3 gegen die Lehrperson verschworen haben. Deren Eltern wollen die Fehler aber nicht beim eigenen Kind sehen. Was wollen Sie denn da machen? Das ist doch alles andere als einfach!

Da haben Sie recht. Und so etwas kommt nicht selten vor. Aber es kommt auch auf das Verhalten der Lehrperson an. Kinder und Jugendliche sehnen sich danach, so angenommen zu werden, wie sie sind. Wenn ein Kind aggressiv handelt, dann ist das nicht per se ein aggressives Kind, sondern das Verhalten ist immer an ein Setting gebunden. Dieses Kind ist nicht rund um die Uhr aggressiv. Oft steht hinter der Aggression eine Not, die von der Lehrperson gesehen werden sollte. Wenn dies geschieht, ist im Verhältnis Lehrperson - Schüler oder Schülerin schon viel gewonnen. Können Sie ein Beispiel nennen?

Als ich vor vielen Jahren selbst unterrichtet habe, gab es in meiner Klasse einmal einen Reto. Der 17-Jährige hat alles sabotiert, was ich gemacht habe, reingeschwatzt, die Klasse zur Unruhe verführt. Er hat meine komplette Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Was haben Sie unternommen?

Wir haben einen Lernvertrag aufgesetzt, den Reto, seine Eltern und ich unterschrieben haben. Doch das hat alles nichts gebracht. Irgendwann habe ich ihn dann durch Zufall Fussball spielen sehen. Am Wochenende, fernab vom Schulhaus. Ich war verblüfft. War dieser talentierte Bub der Reto, der mir das Lehrerleben so schwer macht? Am Montag habe ich ihn dann angesprochen: «Reto, ich habe dich Fussball spielen sehen und ich war tief beeindruckt.» Es mag kitschig klingen aber von diesem

Moment an gab es keine Probleme mehr mit ihm. Ich hatte Reto dort erlebt, wo er jemand ist, wo er seine Begabung lebt. Er fühlte sich von mir in seinem Wert erkannt.

«Über ein Kind, das fleissig seine Arbeit macht, weiss die Lehrperson meist wenig zu sagen.» Was heisst das für die Beziehung von Lehrpersonen zu ihren Schülern?

Dort, wo Lehrpersonen in die Beziehung zu ihren Schülern investieren, können Dinge, die nicht gut laufen, undramatischer angesprochen und gelöst werden. Ein «Bis hierhin und nicht weiter» wird von Kindern und Jugendlichen letztendlich geschätzt. Es muss aber auf der Ebene des «Angenommenseins» passieren. Nicht umsonst heisst es, dass «Beziehung vor Erziehung kommt». Doch in unserer Kultur sind wir oft zu defizitorientiert. Wie meinen Sie das?

Wir schauen vor allem auf das, was schlecht läuft. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass im Elternhaus zigmal mehr sanktioniert wird als gelobt. Wie oft weisen wir ein Kind zurecht, das sich beim Znacht unangepasst benimmt: «Zapple nicht so herum», «Benutz Messer und Gabel», «Sprich nicht mit vollem Mund» und so weiter. Ebenso in der Schule. Über das Kind, das unauffällig und fleissig seine Arbeit macht, weiss die Lehrperson oft wenig zu sagen – aber auch dieses Kind möchte wahrgenommen werden. Oder stellen Sie sich einen Elternabend vor: 18 Elternpaare sind zufrieden mit der Lehrerin, 2 be­­ schweren sich über ihren Unterrichtsstil – worüber denkt die Lehrperson wohl nach, wenn sie nach Hause geht? >>>

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Monatsinterview

>>> Wahrscheinlich über das, was sie vermeintlich falsch gemacht hat – und eigentlich besser machen müsste. Eine wesentliche Aufgabe von Lehr­ personen ist, ein Kind zu beGUTach­ ten, das Gelingende in den Fokus zu nehmen. Dadurch entstehen Be­zie­ hung und das Vertrauen, Defizitäres angehen zu können. So entsteht auch eine andere Stimmung in der Klasse. Sie erwähnten zu Beginn unseres Gesprächs das Verhältnis zwischen Lehrpersonen und Schulleitung.

Das ist in unserer Beratung häufig ein Thema. Ich erlebe Lehrpersonen, die beklagen, dass die Schulleitungen vor den Eltern kuschen. Andere Lehrpersonen gehen Kollegen, die unter Beschuss stehen, aus dem Weg, weil sie nicht selbst in die Schusslinie geraten möchten. Wir raten betrof­ fenen Lehrpersonen, sich in diesen Fällen Hilfe zu holen, damit das ge­ klärt wird. Das passiert leider zu selten. Mit welchen Folgen?

Es besteht die Gefahr, in die Einsam­ keit abzudriften, weder von der Schulleitung noch von Kollegen oder den Eltern verstanden zu werden. Oft führt dies in die Krankschreibung.

Sprechen Sie von Einzelfällen?

Nein, eine von 15 Lehrpersonen fühlt ähnlich. Das Einzelkämpfer­ tum ist immer noch ein grosses The­ ma. Dabei können nur in kooperie­ renden Teams die vielfältigen Aufgaben erfüllt werden, die an die Schule gestellt werden.

«Das Gefühl, ich werde von manchen Eltern nicht gemocht, weil ich in ihren Augen ihrem Kind nicht gerecht werde, tut weh.» Welche Persönlichkeiten laufen am meisten Gefahr auszubrennen?

Diejenigen, die ihre Bestätigung hauptsächlich von aussen suchen. Die hohe Ideale haben, wenig Ambi­ guitätstoleranz, das heisst, eine ge­­ wisse «Unsicherheitstoleranz», kaum selbstregulative Fähigkeiten und wenig soziale Kontakte. Ausserdem

sind natürlich Menschen gefährdet, die perfektionistisch veranlagt sind, die es allen recht machen wollen. Das Gefühl, ich werde von manchen Eltern nicht gemocht, weil ich in ihren Augen ihrem Kind nicht ge­­ recht werde, tut weh. Das muss man aushalten können. Wer das nicht kann, kommt ins Rechtfertigen. Ich kann erklären, informieren, aber wer rechtfertigt, der hat verloren. Was kann ich denn als Mutter beziehungsweise Vater für ein gutes Verhältnis zur Lehrperson meines Kindes tun?

Wichtig ist, Achtung und Respekt zu zeigen. Auch vor der Grösse der Auf­ gabe, mit 20 Kindern unterwegs zu sein. Das verdient höchste Achtung, vor allem wenn spürbar ist, dass die­ se Lehrperson ihren Beruf – natür­ lich – nicht fehlerfrei, aber doch von ganzem Herzen ausübt. Ich habe vor Kurzem mit einer Lehrperson ge­­ sprochen, die gesagt hat, es sei schon traurig, sie bekomme nur Anrufe von Eltern, wenn etwas nicht gut laufe. Es gebe nie eine positive Rück­ meldung. Was haben Sie dieser Lehrperson gesagt?

Fritz+Fränzi-Autorin Evelin Hartmann im Gespräch mit Urs Gfeller an der Pädagogischen Hochschule in Bern. Zur Person Urs Gfeller, M. A., war Primar- und Sekundarlehrer, studierte Theologie und Psychologie und liess sich zum Coach/Supervisor BSO und zum Ehe- und Familientherapeuten weiterbilden. Heute leitet er den Bereich Berufsbiografie, Beratung und Unterstützung an der Pädagogischen Hochschule Bern. Er ist Vater dreier erwachsener Kinder und wohnt in Bern.

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Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ein Klassiker wäre der Satz: «Ich kann die Hausaufgaben nicht machen, weil

die Lehrerin das schlecht erklärt hat, erklär du es mir.»

Dann geht es nicht darum, als Vater oder Mutter noch einmal die Aufgabe zu erklären, sondern zu sagen: «Dann geh doch morgen noch einmal zur Lehrerin und sag, du hättest es nicht begriffen.» Dies machen aber viele Eltern nicht. Was auch nachvollziehbar ist. In der Pubertät sind die Momente, in denen Eltern und Kinder gemeinsam über die Schule schimpfen, oftmals die einzigen, in denen sie sich noch einig sein können.

an­derseits die Lehrperson be­­wusst machen würde, dass sie das Kostbarste dieser Eltern in die Zukunft hinein begleitet, dann wäre viel gewonnen. Denn Kinder brauchen eine Gemeinschaft, die sie trägt, sie brauchen Herausforderungen, an denen sie wachsen können, und sie brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. >>>

Ich habe sie gefragt, ob sie denn die Eltern anrufe, wenn etwas Schönes vorgefallen sei. Wie gesagt, Eltern haben nicht viel Zeit. Aber über einen Anruf im Jahr, in dem die Lehrperson ausschliesslich etwas Positives über ihr Kind berichtet, darüber würde sich jede Mutter, jeder Vater freuen. So würden Eltern die Schule auch noch einmal anders kennenlernen. Es ist doch so, dass wir die Schule über die Schilderungen unserer Kinder wahrnehmen. Und die Kinder erzählen auch manchmal Dinge, die objektiv betrachtet nicht so gelaufen sind. Weil sie dann gut dastehen oder sich Freiraum erkämpfen möchten. Das Bild von der Schule wird vom Kind vermittelt.

Was längerfristig gesehen für das WirGefühl zwischen Elternhaus und Schule nicht besonders förderlich ist.

Das ist so. Wenn es Eltern aber gelingen würde, der Lehrperson wertneutral zuzuhören und das ernst zu nehmen, was sie sagt, und wenn sich

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Kolumne

Eltern oder Liebende sein – oder beides?

F Jesper Juul ist Familientherapeut und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familien. 1948 in Dänemark geboren, fuhr er nach dem Schulabschluss zur See, war später Betonarbeiter, Tellerwäscher und Barkeeper. Nach der Lehrerausbildung arbeitete er als Heimerzieher und Sozialarbeiter und bildete sich in den Niederlanden und den USA bei Walter Kempler zum Familientherapeuten weiter. Seit 2012 leidet Juul an einer Entzündung der Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im Rollstuhl. Jesper Juul hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter Ehe geschieden.

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rage einer Mutter: «Seit Längerem haben mein Mann und ich keine gute Beziehung mehr. Wir sind sehr jung zusammenge­ kommen und waren verrückt nach­ einander. Seit unsere zwei Buben, drei und sechs Jahre alt, auf der Welt sind, existiert unsere Beziehung fast nicht mehr. Ich gehe voll auf in der Mutterrolle und in der Liebe zu unseren Kindern. Sex hatten wir seit meinen Schwangerschaften kaum mehr, auch nicht auf meine Initiative hin. Ich fühle mich von meinem Mann schlecht behandelt. Er kriti­ siert mich oft, verspottet mich und gibt mir, wenn überhaupt, einsilbige Antworten. Er ist unfreundlich zu meiner Familie und oft gereizt. Für unsere Buben ist mein Mann ein wunderbarer Vater. Er spielt mit ihnen und tollt mit ihnen im Wald herum. Aber er kann dann ganz plötzlich sehr wütend und laut wer­ den, etwa, wenn die Jungs am Mor­ gen etwas länger haben, um sich anzuziehen.

Eine Beziehung braucht ­dringend die Aufmerksamkeit beider Erwachsenen, um zu überleben.

Im Beisein von unseren Kindern versuchen mein Mann und ich uns zu beherrschen. Wir organisieren uns gut, sodass die Kinder nicht zu viel mitbekommen. Ich halte mich zurück mit meiner Meinung, weil ich Angst habe, dass er dann gemeine Kommentare fallen lässt. Wir strei­ ten eigentlich nicht, aber es herrscht eine unruhige Stimmung. Es gibt aber immer wieder Zei­ ten, in denen alles völlig normal abläuft. Wir erledigen unseren All­ tag, und mein Mann sagt vor den Kindern, dass er glücklich sei und er die Welt in Ordnung finde. Er ist kein Mann der grossen Worte, und es fällt ihm schwer, Gefühle und Gedanken zu äussern. Ich habe mei­ nem Mann eine gemeinsame Ge­­­ sprächstherapie vorgeschlagen. Das will er aber ganz klar nicht. Ich bin bereit, an unserer Bezie­ hung zu arbeiten, denn ich weiss, wie wichtig das für das Umfeld unserer Kinder ist. Aber wenn mein Mann das nicht will, frage ich mich, ob es nicht besser wäre, mich zu trennen, solange die Kinder noch so klein sind. Ich möchte unseren Kin­ dern während ihres Aufwachsens eine sichere Umgebung geben, im Idealfall mit Vater und Mutter. Ich empfinde es als Niederlage und habe Angst davor, den Kindern emotional zu schaden, wenn sie mit getrennt lebenden Eltern aufwachsen müs­ sen. Die Vorstellung, getrennt zu sein, macht mich unendlich traurig.

Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Eltern haben ein Recht auf Zweisamkeit, denn es sollten nicht immer nur die Kinder im Zentrum stehen. Wie kann man mit Kindern in einer erfüllten Paarbeziehung bleiben? Und wann ist es besser, getrennte Wege zu gehen?


Der Übergang vom Verliebtsein zur Liebe gelingt immer mehr Paaren kaum oder gar nicht.

Ich wünsche mir so sehr, dass wir als Familie bestehen, als Eltern gemeinsam am Leben unserer Kinder teilnehmen können, und ich kann mir nicht vorstellen, mit einem anderen Partner all das zu erleben. Ich möchte auch nicht daran denken, wie es wäre, wenn unsere Kinder eine «Stiefmutter» hätten. Antwort von Jesper Juul In der Fachwelt wird seit vielen Jahren darüber geschrieben, dass die Eltern in modernen Familien zwischen Fürsorge für die Kinder und dem Versuch, die intime Paarbeziehung miteinander weiterzuleben, hin- und hergerissen sind. Das zeigt Ihr Beispiel ganz gut. Klar ist: Im Familienleben beeinflussen alle Mitglieder einander – sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Dass die Beziehung zu Ihrem Mann gerade jetzt, nach zwei Kindern, in der Krise steckt, ist normal. Sie sind zwei Erwachsene mit unterschiedlichen Bedürfnissen, wobei meist die Kinder im Zentrum des Familienlebens stehen. Das ist schlecht für alle Beteiligten. Das Leben der Erwachsenen ist auf diese Weise gefährlich auf ein Minimum und auf bestimmte Rollen reduziert – das ist ungesund für die ganze Familie. Sie haben völlig recht damit, dass es nicht gut für die Kinder ist, wenn sie in einem Zuhause aufwachsen, in dem die Liebe zwischen den Erwachsenen verblasst ist und zusehends verschwindet. Es tut den Kindern nicht direkt «weh», aber es raubt ihnen die Möglichkeit, wichtige Erfahrungen zu machen, die sie in ihrem eigenen Erwachsenenleben benötigen werden. Immer mehr Paare lassen sich zwei bis vier Jahre nach der Geburt des ersten Kindes scheiden. Der Übergang vom Verliebtsein zur Liebe gelingt ihnen kaum oder gar nicht. Ich empfehle Ihnen, sich selbst zu fragen, ob Sie Sehnsucht

nach Ihrem Mann verspüren. Nicht nur, was sexuelles Verlangen betrifft, sondern als «Herzenswunsch». Ist diese Sehnsucht da, gibt es Hoffnung, und Sie könnten Ihrem Mann in Ihren eigenen Worten etwa Folgendes sagen: «Ich bin unglücklich mit dir, kann aber selbst nicht herausfinden, warum oder was ich anders machen kann. Deshalb möchte ich professionelle Hilfe. Diese bekomme ich nur, wenn du mit dabei bist. Wenn du das nicht möchtest, müssen wir uns trennen.» Oder Sie suchen sich einen erfahrenen Familientherapeuten, der sich auf die Beziehung der Erwachsenen konzentriert. Denken Sie daran, dass Ihre Beziehung quasi Ihr erstes gemeinsames «Baby» war und dass dieses Baby dringend die Aufmerksamkeit beider Elternteile braucht, um zu überleben und sich weiterzuentwickeln. Ihre Gedanken und Sorgen über das Wohlergehen Ihrer Kinder nach einer Trennung oder Scheidung sind verständlich und auch realistisch. Aber auch wenn Sie mit Ihrem Mann nicht zusammenleben können, hängt das Wohlergehen Ihrer Söhne von Ihrer beider Bereitschaft und Fähigkeit ab, miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren. Ihre Kinder können bestimmt über Jahre mit dem emotionalen Abstand zwischen ihren Eltern leben. Dagegen würde eine de­­ struktive Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Mann das Leben Ihrer Kinder für Jahre beeinflussen.

Es gibt Menschen, die nicht zusammenleben können, obwohl sie sich tief lieben. Und es gibt Bedingungen, unter denen der Wille zur Intimität und für den Kampf für die Entwicklung beider verloren gegangen ist. In beiden Fällen gibt es keinen direkt «Schuldigen». Beide Parteien sind meist gleichermassen, also 50:50, verantwortlich für ihr gegenwärtiges Leben – einschliesslich der Tatsache, dass Kinder vielleicht durch ein bestimmtes Verhalten seitens dieser Erwachsenen leiden.

Haben auch Sie eine Frage an Jesper Juul, die er persönlich beantworten soll? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion@fritzundfraenzi.ch oder einen Brief an: Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen in Zusammenarbeit mit

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 43


Psychologie & Gesellschaft

Nachrichten, die Panik auslösen Heute kommen Kettenbriefe übers Smartphone. Längst nicht all diese Nachrichten sind harmlos: Kinder brauchen die Begleitung ihrer Eltern, um damit richtig umzugehen. Text: Susan Edthofer

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ia WhatsApp, Instagram oder andere Social-Media-Kanäle werden Menschen blitzschnell informiert oder mobilisiert. Nicht verwunderlich, dass der Versand von Kettenbriefen, die früher per Post verschickt wurden, neuen Aufschwung erhält. Umso wichtiger ist es, Kinder im Umgang mit Nachrichten sorgfältig zu begleiten. Denn es gibt Inhalte, die Angst und Panik auslösen können. Das Spektrum von Kettenbriefen reicht von harm­ losen Mitteilungen über Schreckensmeldungen bis zu üblen Drohungen. In jedem Fall sind die Inhalte aus der Luft gegriffen und schlicht falsch. Absichtlich in Umlauf gebrachte Falschmeldungen bezeichnet man auch als Hoax (neuerdings als Fake News). Im Englischen steht dieser Begriff für Scherz oder Schwindel. Falschmeldungen erkennen lernen

Aufgabe von Eltern und Lehrpersonen ist es, Kindern zu helfen, solche Hoaxes zu erkennen und ihnen zu erklären, dass die Drohungen oder Prophezeiungen haltlos sind. Das klingt einfacher, als es ist. Dass Kinder ob solchen Meldungen erschrecken, ist nicht verwunderlich. Zu lesen, dass man sterbe oder Angehörige in den Tod treibe, wenn man eine Nachricht nicht weiterleite, kann verständlicherweise Panik auslösen. Auch wenn sich bloss ein mulmiges Gefühl breitmacht, diese Art von Mitteilungen bleibt nicht wirkungslos. Mittlerweile gibt es Hoax-Datenbanken wie www.hoaxmap.org oder www.mimikama.at, die helfen, Gerüchte und Falsch­meldungen zu erkennen. Meldungen, die kursieren

Kettenbriefe lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen: Vor Gefahren zu warnen, gehört zu den Klassikern. Durch die Verbreitung von Gerüchten und Hassmeldungen Empörung auszudrücken, ist ebenfalls ein beliebtes Mittel. Mit Wenn-dann-Drohungen werden Ängste geschürt. Klickköder oder Clickbaiting möchte die Neugierde wecken und bewirken, dass etwas angeklickt wird. Ankündigungen, dass Gebühren erhöht würden oder ein Account gelöscht werde, sollen Ver­ 44

«Mit Wenn-dannDrohungen werden Ängste geschürt.»

unsicherung auslösen. Harmlosere Kettenbriefe sind sogenannte Sozialbarometer. Wer zum Beispiel viele Herzchen Susan Edthofer ist Redaktorin be­­kommt, kann so die eigene Beliebtheit im Bereich Kommunikation von Pro Juventute. messen. Auch Eventorganisation ge­­ schieht immer häufiger via Kettenmeldungen. Dazu gehören Aufrufe wie «Morgen kommen alle Mädchen in Pink in die Schule» oder «Nach dem Unterricht treffen sich alle Fussball spielenden Jungs auf dem Pausenplatz». Punkto Vielfalt scheint die Kreativität keine Grenzen zu kennen. Schade, wenn dieses Ideenpotenzial für angst­einflössenden Blödsinn genutzt wird.

Was Eltern tun können – vier Tipps • Bringen Sie Ihrem Kind bei, nicht alle WhatsApp-Meldungen zu glauben. Regen Sie Ihr Kind an, Dinge zu hinterfragen und skeptisch zu sein. Oft deuten reisserische Formulierungen und drastische Bilder auf Falschmeldungen hin. • Erklären Sie Ihrem Kind, was Kettenbriefe bezwecken und wie man sie erkennen kann. Weisen Sie darauf hin, dass mit erfundenen Meldungen Leute erschreckt und verängstigt werden sollen. • Schauen Sie sich gemeinsam solche Inhalte an und lassen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter entscheiden, welche Meldungen gelöscht oder weitergeleitet werden. So trägt Ihr Kind dazu bei, dass andere Kinder und Jugendliche nicht ebenfalls unnötig erschreckt werden. • Nutzen Sie Hoax-Datenbanken wie www.hoaxmap.org oder www.mimikama.at, um zusammen mit Ihrem Kind die Richtigkeit von Meldungen zu überprüfen.

Pro Juventute Elternberatung Bei Pro Juventute Elternberatung können Eltern und Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen jederzeit telefonisch (058 261 61 61) oder online (www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag, zu Erziehung und Schule stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen keine Kosten an. In den Elternbriefen und Extrabriefen finden Eltern ­Informationen für den Erziehungsalltag. Mehr Infos: www.projuventute.ch

Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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«Schwimmen ist nicht so einfach!» Nach Verkehrsunfällen ist Ertrinken die häufigste Unfalltodesursache für Kinder in der Schweiz. Zwischen 2005 und 2014 sind 33 Kinder unter 10 Jahren in den hiesigen Seen, Flüssen und Bädern ertrunken. Wie wichtig und wie schwierig Schwimmen sei, werde völlig unterschätzt, sagt Schwimmlehrerin Nadja Winter. Deshalb muss sie manchmal sogar Eltern retten. Interview: Bianca Fritz

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Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule

Kinder sollten auch tauchen, die Augen unter Wasser öffnen und im Wasser schweben können.

Frau Winter, warum ertrinken immer wieder Kinder in der Schweiz?

Bei kleinen Kindern ist das Problem, dass Eltern oft denken, dass es reicht, wenn die Kleinen Schwimmflügel anhaben. Sie wiegen sich in Sicherheit und schauen nicht mehr genügend hin. Aber die Luft kann aus den Schwimmflügeln entweichen, und Kinder können umfallen. Kleine Kinder bleiben dann einfach mit dem Gesicht im Wasser liegen. Sie kommen nicht mehr hoch und können innert 20 Sekunden im flachen Kinderbecken ertrinken. Und was ist das Problem bei grösseren Kindern?

Dass sie sich falsch einschätzen. Insbesondere bei Teenagern kommen Mutproben, waghalsige Sprünge und Schwimmen unter Alkoholeinfluss dazu. Es ertrinken viel mehr Buben als Mädchen. Auch Eltern überschätzen die Schwimmfähigkeiten ihrer Kinder sehr oft. Sie denken, dass ihr Kind schwimmen kann, wenn es ein paar Züge Brustschwimmen am Stück hinkriegt. Aber Schwimmenlernen ist so viel mehr.

Bilder: Evi Gwerder, Glarus

Nämlich?

Im Wasser machen Kinder oft intuitiv die richtigen Bewegungen, wenn man sie zu nichts zwingt.

Zum einen sollten Kinder tauchen. Sie müssen unter Wasser die Augen aufmachen und lernen, die Orientierung wiederzugewinnen. Ausserdem sollten sie im Wasser schweben können – den natürlichen Auftrieb des Wassers nutzen. So können sie eine Pause machen, wenn sie müde werden. Auch ein kräftesparender Schwimmstil, bei dem die Kinder viel gleiten, ist wichtig. Das klingt jetzt nicht so schwierig.

Täuschen Sie sich nicht! Nicht nur Kinder überschätzen ihre Schwimmfähigkeiten gerne, sondern auch deren Eltern. Wenn ich die Eltern aber in meinen Kursen bitte, die Übungen mitzumachen, sieht es ganz anders aus. Neulich ist ein Vater beim Versuch, auf dem Rücken zu schweben, untergegangen. Er hatte unterschätzt, wie viele Muskeln es braucht, um auf dem Wasser flach liegen zu bleiben. Wann können Eltern Ihre Kinder mit gutem Gefühl in der Badi alleine lassen?

Hier empfehle ich den BFU-Wassersicherheitscheck. Kinder müssen da recht viel können: ein Purzelbaum unter Wasser, 1 Minute im tiefen Wasser auf der Stelle treten, ohne unterzugehen, und anschliessend noch 50 Meter schwimmen. Damit sind auch viele Erwachsene überfordert. Viele Kinder sind im Alter von 8 bis 10 Jahren so weit, dass sie den Test bestehen können. Warum macht man den Test nicht verbindlich in der Schule?

In manchen Kantonen funktioniert das. Aber was Schwimmunterricht angeht, fehlt ein flächendeckendes Angebot. Mit dem Lehrplan 21 soll zwar allen Kindern in der Primarschule Schwimmunterricht zur Verfügung stehen, aber für manche Schulen wird die Umsetzung sehr schwierig. Gerade wenn es weit und breit kein Hallenbad gibt. Ich kenne Schulen, wo nur einmal jährlich ein einwöchiger Schwimmkurs angeboten werden kann. Dann gibt es solche, die gerade mal eine Stun- >>>

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Erziehung & Schule

>>> de im Stundenplan eingeplant haben – inklusive umziehen und föhnen. Da ist effizienter Schwimm­ unterricht sehr schwierig. Auch sind nicht immer Fachpersonen da, dann übernehmen manchmal einfach die Klassenlehrer den Schwimm­ ­ unterricht. Wie gut sind die Schwimmkenntnisse der Kinder, wenn sie in die Schule kommen?

Da haben wir die ganze Bandbreite. Je nach Wohnort, Bildungsstand und auch religiösen Überzeugun­ gen der Eltern sind die Kinder ent­ weder schon recht passable Schwim­ mer, oder das Element Wasser ist ihnen noch fremd und sie haben vielleicht sogar Angst davor. In mei­ nen Kursen sind hauptsächlich

­ inder aus Familien, denen das K Schwimmenlernen sehr wichtig ist und die sich einen Schwimmkurs leisten können. So ein Kurs ist natürlich auch eine finanzielle Belastung.

Das stimmt. Aber ich habe schon Fälle gehabt, wo das Sozialamt den Kurs übernommen hat, wenn es für die Familie schwierig war. Das Pro­ blem ist eher, dass Eltern Schwim­ men als Plausch sehen, als nettes Hobby und nicht als das, was es ist: überlebenswichtig in einem Land, in dem so viel gebadet wird wie in der Schweiz. Was macht man, wenn Kinder Angst vor dem Wasser haben?

Wir lassen den Kindern vor allem viel Zeit und die Möglichkeit, das

Schwimmen ist in unserem Land nicht ein Plausch oder ein nettes Hobby, sondern überlebenswichtig.

Element spielerisch und auf ihre Weise zu erkunden. Ich baue die Übungen so auf, dass die Kinder Freude am Wasser haben und gar nicht merken, dass sie dabei ganz viel lernen. Spannend ist, zu beobachten, dass Kinder oft intuitiv die richtigen Bewegungen machen, wenn man sie lässt und sie zu nichts zwingt. Wie Frösche?

Eben nicht. Das Kraulen ist für Kin­ der einfacher, weil sie den Beinschlag oft schon selbst einbringen und die Bewegungen nicht in einem so kom­ plexen Rhythmus koordinieren müs­ sen wie beim Brustschwimmen. Ausserdem ist es auch ergonomisch sinnvoller. Daher lehrt man seit rund 13 Jahren das Kraulen vor dem Brustschwimmen. In den Medien ist derzeit viel vom sekundären Ertrinken die Rede.

Wenn beim reflexartigen Einatmen unter Wasser grössere Mengen Was­ ser in die Lunge strömen und trotz Abhusten Restflüssigkeit zurück­ bleibt, kann dieses zu einer Lungen­ entzündung mit Ödem führen. Und das kann wieder­um innert weniger

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Der Unterricht muss Spass machen – dann geschieht das Lernen ganz nebenbei.

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Stunden tödlich sein. Folgende Symptome können auf Restwasser in der Lunge hindeuten: • andauerndes Husten seit dem Verschlucken; • das Kind wirkt etwas atemlos, • dem Kind ist vom verschluckten Wasser übel; • das Kind verhält sich seltsam: es ist müde oder besonders euphorisch (grössere Kinder); • die Lippen wirken bläulich; • Gänsehaut, Zittern oder Frösteln; • Druckgefühl oder Schmerz hinter dem Brustbein (Achtung: kleine Kinder können das meist noch nicht klar äussern); • Zuckungen der Gesichts­muskeln. Bei diesen Symptomen und nach einer Bewusstlosigkeit oder einer Reanimation gehört das Kind unbedingt zur Beobachtung ins Spital, auch wenn es ihm scheinbar gut geht. Dies gilt übrigens auch für Erwachsene. Beim normalen Verschlucken von wenig Wasser beim Baden besteht jedoch keine Gefahr. Dieses Wasser kann von gesunden Kindern gut abgehustet werden.

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Nadja Winter ist Schwimmschulinhaberin und Kursleiterin in Glarus. Sie ist Mutter dreier Kinder, 3, 5 und 7, und hat mit swimsports.ch ein Lehrmittel zum Schwimmen publiziert. facebook.com/ gumpifrosch, gumpifrosch-lernt-schwimmen.ch.

Bianca Fritz

erinnert sich noch, wie sie stolz ihr «Seepferdchen»Abzeichen auf den Badeanzug nähte. In der Schule landete sie dann trotzdem bei den Nichtschwimmern, weil sie – wie heute noch – gemächlich schwamm.

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Erziehung & Schule

Spielen statt üben! Ein Kind möchte ein Instrument lernen. Die Eltern unterstützen diesen Wunsch, mieten ein Instrument und melden das Kind bei der Musikschule an. Bald folgt die Ernüchterung: das Kind will nicht üben. Damit zu Hause Musik statt Streit erklingt, brauchen kleine Anfänger die richtige Unterstützung. Text und Bilder: Sibylle Dubs


Wo die Familie zusammenkommt, musiziert sichs besser.


Erziehung & Schule

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iele Kinder wünschen sich ein Instrument, weil sie eine Vorstellung haben, wie sie diesem Töne und Klänge entlocken. Diese Lust und Neugierde sind die besten Voraussetzungen, ein Instrument zu lernen. Oft haben die Kinder mit der Lehrperson im Unterricht Freude am Spiel, doch zu Hause wird das Instrument zur ungeliebten Pflicht. Eine Ursache dafür ist, dass wir Erwachsenen zwischen dem Üben und dem Musizieren, zwischen dem fehlerhaften und dem perfekt Vorgetragenen unterscheiden. Es gibt

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Eltern, die erzählen, wie schrecklich es klinge, wenn ihr Kind übe. Der Zauber der Musik, dem wir uns bei Konzerten oder Aufnahmen hingeben, wird beim Anfänger-Üben nicht gesucht und daher auch nicht gefunden. Das ist frustrierend für Kinder, die sich eigentlich wünschten, sich auf dem Instrument auszudrücken. Wenn beispielsweise eine kleine Anfängerin ein Lied wie «Der Mond ist aufgegangen» mit viel Mühe auf dem Instrument gelernt hat, wird das Stück selten zelebriert, sondern abgehakt. Dabei wären schon die ersten zwei Takte es wert, sie zu wür-

digen. Man kann sie mit viel Hingabe oder auch mal witzig schnell, laut oder leise spielen. Das ist nicht kindisch, sondern das Wesentliche, was der Musik innewohnt. Wir Erwachsenen soll­­­ten Anfänger auf dem Weg zum persönlichen Aus>>>

Wir Erwachsenen unterscheiden leider zwischen dem Üben und dem Musizieren.

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15 Tipps gegen Frust beim Üben 1. Lachen Sie niemals jemanden aus, der musiziert, schon gar nicht Ihr Kind. 2. Überprüfen Sie den Ort, an dem Ihr Kind musiziert. Steht das Klavier in einem Abstellraum oder Keller? Ist der Notenständer mitten im Chaos platziert? Nehmen Sie das Instrument in den Wohnraum oder in die Küche, dort, wo sich die Familie am wohlsten fühlt. 3. Setzen Sie sich zum Üben zu Ihrem Kind. Nehmen Sie sich anfangs genauso Zeit, wie es Ihr Kind tut. Sagen Sie zum Beispiel «Machst du etwas Musik?» statt «Du musst noch üben!». 4. Hören Sie aktiv jedem Ton zu und laden Sie das Kind dazu ein, seinem Spiel zuzuhören. Bald können dazu die Augen geschlossen werden. 5. Die Stimme (Ihre oder die des Kindes) kann mitsingen oder als Echo oder Pausenfüller erklingen – und schon haben Sie ein Duett. 6. Viele Kinder beginnen mitten im Üben zu experimentieren. Versuchen Sie in dem Moment nicht, es auf den vermeintlich seriösen Pfad der Noten zurückzubringen. Halten Sie das wilde Spiel aus. Hören Sie auch dort aktiv zu und fragen Sie nachher, was das Kind gesucht und vielleicht gefunden hat. Berichten Sie auch darüber, was Ihnen aufgefallen ist. 7. Seien Sie ehrlich zum Kind. Jedes Training braucht hin und wieder Überwindung. 8. Sorgen Sie dafür, dass Geschwister nicht stören. So wie man dem Redenden nicht ins Wort fällt, unterbricht man nicht, wenn jemand am Instrument spielt. Regelmässiges Musizieren führt zu einem neuen Tagesablauf, an den sich die Familie vielleicht gewöhnen muss. 9. Reduzieren Sie in Krisen Dauer und Inhalt beim Üben. Manchmal genügt ein einziger Takt. Vorzugsweise wählt das

Kind die Stelle selber aus. Erklären Sie Ihrem Kind, dass der Körper das Stück abspeichert und dass es wichtig ist, langsam und entspannt zu üben. Der Körper speichert eben auch den Stress ab. 10. Das Üben muss nicht ausschliesslich mit dem Instrument stattfinden. Schauen Sie sich zusammen das Notenheft auf dem Sofa an. Reden Sie über die Namen der Stücke. Falls Sie selber Noten lesen können, reden Sie über die Partitur: Was ist es für eine Tonart, was für eine Taktart, wie viele Stellen mit Sechzehntelnoten hat es, wo muss man die Töne lange halten? Singen Sie die Melodie zusammen, hüpfen und klatschen Sie die Rhythmen. Vergleichen Sie im Internet verschiedene Aufnahmen des Stücks. 11. Falls Sie selber ein Instrument spielen können, begleiten Sie Ihr Kind. Das kann auch ein Geschwister oder Nachbarskind übernehmen. Viele Musikschulen bieten Anfängerensembles an. Gemeinsames Musizieren ist eine tiefgreifende Erfahrung. 12. Wenn Sie keine Zeit haben, Ihr Kind aber gerne beim Üben unterstützen möchten, fragen Sie in der Musikschule, ob ein Jugendlicher gegen Entgelt regelmässig vorbeikommt, um mit Ihrem Kind zu musizieren. 13. Führen Sie Ihrem Kind den Fortschritt vor Augen und freuen Sie sich darüber. Vielleicht machen Sie regelmässig kleine Aufnahmen. 14. Nehmen Sie alte Stücke hervor. Es ist wertvoll, wenn das Kind das eigene Repertoire pflegt. 15. Ein Anfängerkind in den Unterricht zu begleiten, signalisiert Interesse und Wertschätzung. Gerade bei jüngeren Kindern kann es hilfreich sein, wenn die Eltern Tipps der Lehrperson mithören.

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Erziehung & Schule

>>> druck be­­gleiten, denn dieser ist so anspruchsvoll wie lustvoll. Musizieren heisst spielen, nicht üben

Leider hat ein Instrument zu spielen in unserer Gesellschaft mehr mit Leistung als mit Genuss zu tun. Das beginnt damit, dass wir das Kind auffordern, «zu üben» – und nicht, «Musik zu machen». Andreas Zihler, Musikprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste, mahnt seine Studentinnen und Studenten: «Es heisst ‹ein Instrument spielen› und nicht ‹ein Instrument arbeiten›.» Wenn das Üben zur Arbeit wird,

Wird das Üben zur Arbeit, beginnen die Kinder sich zu verweigern. beginnen die Kinder zu schummeln und sich zu verweigern, bis schliess­ lich der Unterricht gekündigt wird. Bei so manchem Kind stellt sich nicht bloss Erleichterung, sondern auch das Gefühl ein, versagt zu haben. Musikalisches Versagen ist in 54

vielen Köpfen schon so eingebrannt und akzeptiert, dass man diese Ab­­ surdität kaum hinterfragt. Wie wäre es, wenn ein fussballbegeistertes Kind täglich Konditionstraining und Balljonglage machen und Spielstra­ tegie büffeln müsste und es nur sel­ ten einen Match spielen könnte? Es käme dem Zauber des Spiels gar nicht mehr auf die Spur. Es würde wenig Fortschritte machen und die­ se selber kaum erkennen. Schliess­ lich würde das Kind das Hobby auf­ geben, weil es zu anspruchsvoll ist. Ein unvorstellbares Szenario. In der Musik ist es für viele Menschen die eigene Erfahrung. Das Üben ist in manchen Fami­ lien ein Streitthema wie die Haus­ aufgaben. Während letztere von der Schule vorgeschrieben sind, hat das Üben eines Instruments eine Schuld-Komponente: «Du wolltest doch Harfe spielen!», «Weisst du, was die Miete des Klaviers kostet?», «Wir haben ein halbes Jahr Klari­ nettenunterricht bezahlt, jetzt halte so lange durch». Von solchen Sätzen ist nicht viel zu halten. Sie zementie­ ren die Ansicht, dass ein Instrument zu spielen etwas für besonders pflichtbewusste oder hochbegabte Kinder sei. Eltern sollten sich fragen: Warum soll unser Kind ein Instrument ler­ nen? Um Musik zu leben und zu erleben, wäre die Antwort der ele­ mentaren Musikpädagogik. Um dem Kind die Möglichkeit zu geben, aus sich selbst künstlerisch tätig zu werden. Dazu gehört auch, dass das Kind die Technik und das Noten­ lesen lernt. Denn damit kann der Ausdruck differenziert und Musik zum Teil sogar in Worte gefasst wer­ den. Wie wird also aus dem täglichen Üben Musik? Indem die Eltern sel­ ber diese Haltung einnehmen und das Kind unterstützen. Eltern sollten ihren musizierenden Kindern aktiv zuhören. Töne, und seien sie noch so wacklig und ungenau, werden zur Musik, wenn ihnen Aufmerksam­

keit geschenkt wird. Dadurch lau­ schen die Kinder selber von Beginn weg ihrem Spiel, welches einen ganz anderen Wert erhält. Hören ist auch bei Profimusikern ein zentrales Thema. In der Musik­ pädagogik wird zwischen verschie­ denen Hörarten unterschieden. Eine davon ist das integrierte Hören. Die­ ses bedeutet, die Musik zu geniessen

Wacklige Töne werden zur Musik, wenn ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird. und sich von ihr berühren zu lassen, auch wenn Fehler oder Unsicherhei­ ten da sind. Hört ein Kind sich sel­ ber auf diese Weise zu, verbessert sich das Spiel automatisch und es bleibt motiviert. Eine Studienfreundin erzählte mir, ihr sei das Üben als Kind leicht­ gefallen, weil ihre Mutter sich mit der «Lismete» zu ihr hingesetzt und gestrickt habe, während sie Klavier spielte. Bei allen drei Töchtern der Familie war die Mutter täglich die strickende Zuhörerin. Meine Freun­ din spielt heute virtuos und hem­ mungsfrei Klavier. Natürlich kann bei schwierigen Stücken mit neuen Techniken jede Motivation einmal zusammenfallen. Hier ist die Erkenntnis wichtig, dass es sich beim Lernen eines Instru­ mentes um Bewegungslernen han­ delt und nicht um analytischen Denksport. Der Körper lernt subtil und schnell. Es ist wesentlich, ihm zu vertrauen, dass er sich Griffe, Haltung, Anschläge, Ansätze (bei Blasinstrumenten) automatisch merkt. Es fasziniert Kinder wie auch Erwachsene, festzustellen, wie eine langsam eingeübte Stelle immer bes­ ser geht, weil der Körper diese

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mehr in die Haltung, dass die geübten Töne Musik sind. Dass die Musik Kommunikation bedeutet zwischen Ihrem Kind und der Umwelt. So können schon die ersten sieben Töne von «Der Mond ist aufgegangen» ein kleines Konzert werden auf dem Klavier, der Flöte oder dem Cello Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes. >>>

«abgespeichert» hat. Dies ist nicht anders als bei Bewegungsabläufen im Sport. Den Ball richtig zu werfen oder zu kicken, braucht Wiederholung und gelingt unter Druck nicht besser. Schliesslich tut es gut, darauf zu achten, dass künstlerisches Üben zielorientiert ist. Das Kind soll das Instrument mit einer Absicht zur Hand nehmen. Zum Beispiel, um den Noten auf dem Papier zum ersten Mal Leben einzuhauchen oder auch mal eine bestimmte Passage fehlerfrei zu spielen. Üben bedeutet nicht Tastendrücken, bis die Zeit um ist. Eine Tonleiter darf nicht erledigt werden wie eine Seite Rechnungen. «Ich zahle so viel Geld in den Musikunterricht, nun ist es auch noch meine Aufgabe, mit dem Kind zu üben?», höre ich nicht selten. Es braucht diese Investition. Allerdings

Sibylle Dubs

übt selber viel mehr, seit das Klavier zu Hause in der Küche steht. Die ganze Familie der Musikpädagogin musiziert in der Küche. Der Esstisch wurde ins Wohnzimmer ausquartiert. Doch auch wenn die Musik in den Alltag integriert ist, müssen die Kinder, 7 und 10 Jahre, noch regelmässig ans Spielen erinnert werden.

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Arosa lädt Ihre Sprösslinge ein «Skischule inklusive» für die Kinder Ob das erste Mal auf den Skiern stehen, im Snowpark über die Kicker springen oder beim Skirennen eine Medaille holen – am schönsten geht das in der Skiund Snowboardschule in Arosa – und erst noch geschenkt! Denn alle Kinder bis und mit 17 Jahre kommen hier in den Genuss von kostenlosem Gruppenunterricht bei der Schweizerischen Ski- & Snowboardschule Arosa und der ABC Schneesportschule, wenn sie mindestens während zwei Nächten in einer der teilnehmenden Ferienwohnungen oder Hotels Winterferien geniessen. In Arosa haben die Kinder die perfekten Voraussetzungen, um zum nächsten Gian Simmen oder Roger Staub – beides Olympiasieger – heranzuwachsen: 225 Pistenkilometer für jedes Niveau, zwei

Kinderländer für die Kleinsten und sympathische Skilehrer, die bei jedem Kind die Begeisterung für den Schneesport wecken können. So lernt man in Arosa kinderleicht Skifahren oder Snowboarden. Arosa freut sich, seit der Wintersaison 2012/13 mit der «Skischule inklusive» einen Beitrag an die Nachwuchsförderung leisten zu können und die jüngsten Gäste zurück auf die Piste zu bringen. Detaillierte Informationen zum Angebot finden Sie unter arosa.ch/skischuleinklusive.

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In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post

Erziehung & Schule

Spielend Schreiben lernen Beim Spielen lernt es sich wie von selbst. Spiele mit Buchstaben und Wörtern ­motivieren Kinder zum Lernen und Üben der Schrift – und machen auch sonst Spass. Eine Spielauswahl zum Ausprobieren. Text: Johanna Oeschger Spielen und Lernen gehen Hand in Hand: Spiele wecken Emotionen, sie aktivieren und fordern uns. Das sind ideale Voraussetzungen fürs Lernen. Beim Spielen eignen sich Kinder ganz nebenbei soziale, kommunikative und kognitive Fähigkeiten an. Spiele rund um die Schrift motivieren zum Schreibenlernen und regen zum Erkunden von neuen Buchstaben, Wörtern und Schreibweisen an. Schriftmemory Aus Prospekten werden gleiche Wörter ausgeschnitten (oder von Schildern, Plakaten usw. abgeschrieben oder fotografiert) und auf Karten geklebt. Mit dieser Memory-Variante lernen Leseanfänger, erste Schriftbilder zu erkennen. Buchstaben-Twister Sechs (oder mehr) Karten werden mit Buchstaben beschriftet und in einem 3×2-Raster auf den Boden oder Teppich geklebt. Der Spielleiter nennt nacheinander Buchstaben, die Spieler stellen abwechselnd Hand oder Fuss auf der entsprechenden Buchstabenkarte ab. Geübten Spielern nennt der Spielleiter

kurze Wörter, die mit Händen und Füssen buchstabiert werden.

jede Kategorie möglichst schnell einen Begriff zu einem Anfangsbuchstaben, welcher zu Beginn des Spiels ermittelt Stadt-Land-Fluss wurde, also zum Beispiel «L» wie «LebOder auch: Süssigkeit-Quatschwort-­ kuchen», «Lussel» und «Lillifee». Trickfilmheldin. Die Spieler notieren für

App-Tipp Was haben Pilz, Baum und Bär gemeinsam? In diesem Assozia­ tionsspiel für Kinder ab Grundschulalter gilt es, die Gemeinsamkeit dreier Bilder zu finden und das Lösungswort aus den passenden Buchstaben zusammenzusetzen. Erhältlich für iOS. Kosten: Fr. 2.–.

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Johanna Oeschger

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin, unterrichtet Deutsch und Englisch auf der Sekundarstufe II und arbeitet als Mediendidaktikerin bei LerNetz.

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Bild: iStockphoto

Happi Wörter


Kolumne

Wie erziehe ich meinen Sohn feministisch?

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren

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s ist eigentlich unglaublich, wenn man darüber nachdenkt, dass in unserer Welt noch immer Männer den Ton angeben. Seit Jahrtausenden sitzen wir am Steuer, und unsere Bilanz ist, gelinde gesagt, eine Katastrophe: In den Konzernzentralen und auf den Pausenplätzen, in den Terrorzellen und Kommentar­spalten, auf metaphorisch und in echt – Gewalt scheint unser Ding zu sein. Natürlich sind nicht alle Männer gewalttätig – es gibt Frauen, die uns punkto Rücksichtslosigkeit in nichts nachstehen –, und natürlich sind wir Männer nicht an aller Unbill schuld, und doch haben wir bei vielem, was schiefläuft, unsere Finger im Spiel. Die Gründe hierfür sind ebenso vielfältig wie komplex. Mindestens einer aber handelt von uns Eltern. Hat es allenfalls etwas mit der Art zu tun, wie wir unsere Jungs erziehen? Die wichtigsten Skills sind heute vermutlich Kommunikation, Koopera­tion, Empathie. Schaut man sich aber in der Welt um, regiert eine breitbeinige, selbstgefällige Weltmännischkeit, die nie zögert, nie Fehler begeht, niemals zweifelt, sich nie Unsicherheit oder Ratlosigkeit eingesteht, niemals anderen Recht gibt. Die Logik dieser Welt: Der Klügere gibt nicht nach, er setzt sich durch. Es ist nebenbei bemerkt auch eine Welt, in der Frauen noch immer Nebenrollen spielen. Gleichzeitig scheinen wir paradoxerweise davon überzeugt, dass Gleichberechtigung schon lange verwirklicht wurde, weshalb sich Alltagssexismus und Antifeminismus derzeit wieder ungestört ausbreiten. Dieses Denken und Gebaren kommt natürlich nicht von ungefähr, denn das sind die Werte, denen wir Männer seit Jahrtausenden nacheifern und die wir Väter, bewusst oder unbewusst, auch unseren Söhnen vorleben. Kleine Idee: Wie wäre es, wenn wir das ändern? Denn ich fürchte, dass wir die Welt an die Wand fahren, wenn wir an den uralten Männlichkeitsidealen von Überlegenheit und Unangreifbarkeit festhalten. Als Ausgangspunkt unseres kleinen Umerziehungsversuchs steht der kluge Satz von Gloria Steinem: «Schön, dass wir angefangen haben, unsere Töchter wie unsere Söhne zu erziehen. Aber es wird erst funktionieren, wenn wir auch unsere Söhne mehr wie unsere Töchter behandeln.» Anders gesagt: Es ist an der Zeit, unsere Jungs feministisch zu erziehen. Aber was kann man machen? Als Vater zum Beispiel das hier: Begegne Frauen auf Augenhöhe, besonders jenen, die dir nahestehen – dein Sohn wird seine Haltung gegenüber Frauen daraus erlernen. Mach das Maul auf, wenn Männer sexistische Witze reissen – es wird mehr Mut kosten, als du glaubst. Pflege Freundschaften zu Frauen – überhaupt: beziehe dich auf Frauen; spreche auch von Sportlerinnen, Politikerinnen, von Denkerinnen, die dich beeinflussen. Sei zu Hause nicht der Assistent deiner Partnerin – gehe selbst in die Verantwortung. Erzähle dein Leben nicht ständig als Erfolgsgeschichte – erwähne auch Niederlagen, Unsicherheiten, Widerstände. Kurz: Sei respektvoll, sei mutig, unterwandere rein männliche Bezugssysteme, übernimm Verantwortung und vor allem: Sei stark, indem du Schwächen zeigst.

Mikael Krogerus ist Autor und Journalist. Der Finne ist Vater einer Tochter ­ und eines Sohnes, lebt in Biel und schreibt regelmässig für das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi und andere Schweizer Medien.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 57


Elterncoaching

Hilfe, mein Kind ist ein Träumer!

Fabian Grolimund ist Psychologe und Autor («Mit Kindern lernen»). In der Rubrik «Elterncoaching» beantwortet er Fragen aus dem Familienalltag. Der 38-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes, 5, und einer Tochter, 2. Er lebt mit seiner Familie in Freiburg. www.mit-kindern-lernen.ch www.biber-blog.com

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ls Eltern eines ver­ träumten Kindes hat man es nicht leicht. Ständig muss man das Kind an alles Mögliche erinnern, mit ihm planen, es strukturieren und anleiten, kurz vor knapp noch seine unauffind­ baren Sachen suchen, alles dreimal sagen und mit dem dabei aufkom­ menden Ärger fertig werden. Vielleicht macht man sich Sor­ gen: Was soll nur aus meinem Kind werden? Wie soll es die Schule schaffen, wenn es in Gedanken stän­ dig woanders ist? Wie soll es später nur im Berufsleben Fuss fassen, wenn es selbst einfachsten Anwei­ sungen nicht nachkommt, alles ver­ gisst und verliert und für simple Aufgaben Stunden benötigt? Besonders verunsichernd sind oftmals die Rückmeldungen der Schule. Was soll man als Mutter oder Vater tun, wenn das Kind es in der Schule «schon könnte, aber einfach

Verträumte Kinder sind empfindsam. Sie haben das Gefühl, dass alle dauernd irgendetwas von ihnen wollen. 58

nicht zuhört und zu langsam ist» und «sich im Unterricht ständig ablenken lässt und vor sich hin­ träumt»? Die Eltern stehen unter Druck, den Kindern geht es nicht besser. Sie hören den ganzen Tag Sätze wie: «Geht das auch ein bisschen schnel­ ler?», «Jetzt ist echt nicht die Zeit zum Spielen!», «Was starrst du denn schon wieder Löcher in die Luft?», «Jetzt hast du schon wieder deine Handschuhe verloren! Meinst du eigentlich, wir sind Millionäre?», «Schau, die anderen sind schon fast fertig und du hast noch gar nicht angefangen». Empfindsam, wie viele verträum­ te Kinder sind, spüren sie die dau­ ernde Sorge um ihre Zukunft. Sie möchten es ihrem Umfeld recht machen, schaffen es aber nicht. Sie haben das Gefühl, dass alle dauernd irgendetwas von ihnen wollen, das sie nicht leisten können. Daraus kann ein immenser Leidensdruck entstehen und das Gefühl, «nicht richtig» zu sein. Dieses Leiden wird von Aussen­ stehenden oft unterschätzt. Viel­ leicht gerade deshalb, weil sich Träu­ merchen unter Druck in ihre Traumwelt zurückziehen und dann so wirken, als würden sie nichts an sich heranlassen und die Notwen­ digkeit all der Veränderungswün­ sche, die an sie herangetragen wer­ den, nicht sehen.

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Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren

Kleine Träumer sind kreativ und fantasievoll, aber oft vom Alltag überfordert. Und in der Schule wird ihre Neigung zum Problem. Wie Eltern ihrem verträumten Kind helfen und es unterstützen können.


Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, wie entmutigt und traurig viele dieser Kinder sind. Wenn der Alltag müde macht

Für viele verträumte Kinder ist der Alltag ein Kraftakt. Fast alles, was unsere moderne Welt von uns fordert, ist für sie mit einer besonderen Anstrengung verbunden. Verträumte Kinder haben selten Langeweile. Sie können sich oft stundenlang mit sich selbst beschäftigen und benötigen nur wenig Anregung von aussen. Wenn sie ihren Interessen in ihrem Tempo nachgehen dürfen, wirken sie manchmal wie in Trance, so versunken und konzentriert, dass sie kaum davon loszureissen sind. Ihre Fantasie und der Reichtum ihrer Innenwelt versetzen Aussenstehende immer wieder in Erstaunen. Diese Kinder sehen sich einer Gesellschaft ausgesetzt, die von ihnen Tempo und rasches Reagieren erwartet und sie mit Plänen, To-doListen und Aufgabenbergen überhäuft. Einer Welt, in der man wach und fokussiert von aussen vorgegebene Aufträge erledigen soll; in der die Uhr den Takt vorgibt; in der die Zeit stets gut genutzt werden soll, um immer höher gesteckte Ziele zu erreichen; in der es laut und geschäftig zu und her geht und man sich durchsetzen und behaupten muss. Wie Sie Ihr Kind unterstützen können

Wie kann man als Eltern ein verträumtes Kind unterstützen? Sie können ihm zum einen helfen, mit den Anforderungen der Aussenwelt besser zurechtzukommen: • Visualisieren Sie die einzelnen Teilschritte von Abläufen wie «Schulthek packen» oder «Zimmer aufräumen» zum Beispiel mittels bebilderter Checklisten. • Bitten Sie Ihr Kind vor dem Einschlafen, sich wichtige Abläufe bildlich vorzustellen, als würde es einen Film ansehen.

• Weisen Sie unliebsamen Auf­ gaben ein begrenztes Zeitbudget zu und stellen Sie dieses visuell dar, etwa mithilfe einer Eierkocher-Uhr. • Führen Sie einfache Ordnungssysteme ein, beispielsweise verschiedene Rollkisten für Spiel­ sachen und Schulmaterial oder eine Farbkodierung für die Materialien verschiedener Schulfächer. • Helfen Sie Ihrem Kind, sein Ar­­ beitsgedächtnis zu entlasten, in­­ dem Aufgaben und Termine aufgeschrieben und – je nach Alter des Kindes – abfotografiert bzw. ins Handy einprogrammiert werden. • Planen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind und zerlegen Sie die Auf­ gaben in überschaubare Teilschritte. Noch wichtiger ist jedoch, dass Sie Ihrem Kind die Möglichkeit geben, sich selbst zu sein und sich von den Herausforderungen des Alltags zu erholen. Falls Ihr Kind nach einem anstrengenden Schultag nicht auch noch davon erzählen mag, können Sie sich bewusst zurücknehmen. Vielleicht sagen Sie zu ihm: «Ich glaube, du brauchst ein wenig Ruhe.» Achten Sie auf genügend Er­­ holungsphasen, in denen das Kind nicht auf die Uhr schauen muss und ungestört seinen Neigungen nachgehen kann. Seien sie einfach da: Viele Träumer geniessen es, wenn sie im gleichen Raum sein dürfen, ohne interagieren zu müssen. Wenn sie lesen, Lego bauen oder malen dürfen, während die Eltern ebenfalls lesen, in der Küche hantieren oder ihrer Arbeit nachgehen. Und das Wichtigste: Akzeptieren Sie, dass Sie Ihr Kind nicht ändern können. Verträumte Kinder hören immer wieder die Drohung: «Wenn das so bleibt, sehe ich schwarz.» Dahinter steckt der Glaube, dass das Kind zuerst ein anderer Mensch werden muss, damit es als Erwachsener

Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, sich selbst zu sein und sich zu erholen von den Herausforderungen des Alltags.

Erfolg haben und glücklich werden kann. Immer wieder begegnen uns in unserer Arbeit Eltern mit dieser Haltung. Dieser Veränderungswunsch ist nicht nur unerfüllbar, sondern auch unnötig. Verträumte Kinder bleiben meist etwas chaotisch, langsam und zerstreut. Sie werden auch in Zu­­ kunft vieles vergessen, zu wenig planen und vorausdenken. Und sie können trotzdem zu zufriedenen Erwachsenen werden. Dazu müssen sie sich aber nicht grundlegend verändern, sondern sich selbst kennen und annehmen können. Sie müssen wissen, wo ihre Stärken liegen, und diese kultivieren und ausbauen. Und sie müssen sich mit ihren Schwächen auseinandersetzen und Wege finden, um mit diesen umzugehen.

In der nächsten Ausgabe: Wer wohnt da eigentlich unter meinem Dach? – Warum wir uns immer wieder neu kennenlernen müssen.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 59


Erziehung & Schule

Wer zahlt im Falle einer ­ Scheidung? Und wie viel? Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist der Zivilstand der Eltern für die elterliche Sorge und die Unterhaltspflicht im Falle einer Trennung unerheblich – das verändert einiges. Ein Überblick. Text: Sandra Hotz

E

lias ist 12 Jahre alt und hat Probleme in der Schule, sodass sich die Mutter täglich intensiv um Struktur und Hausaufgabenhilfe kümmert. Anna ist 15 Jahre alt und eine talentierte Reiterin. Sie beginnt demnächst eine Lehre als Tierpflegerin. Mara, 19 Jahre alt, wohnt seit Herbst in Zürich und studiert an der ETH Ingenieurswissenschaften. Die Familie lebt in Poschiavo GR. Betreuungsunterhalt

Die Beziehung der Eltern kriselt seit längerer Zeit. Sie möchten sich trennen, machen sich aber Sorgen darüber, wie sie die Mietkosten für eine zweite Wohnung und das Geld für den Lebensunterhalt von Mara aufbringen können, sowie darüber, wer künftig die Hausaufgabenhilfe für Elias übernimmt, falls die Mutter ihr Arbeitspensum als Primarschullehrerin erhöhen müsste.

Ein Betreuungsunterhalt verhindert eine Aufstockung des Arbeitspensums. 60

Kinder kosten, keine Frage. Eltern wissen um die Kosten für den Lebensunterhalt, wie für Essen, Turnschuhe, Computer, Hobbys Schul- und Studiengelder. Zum Unterhalt eines Kindes zählt aber mehr als dieser Barbedarf (Bar­ unterhalt), nämlich auch die Pflege und die Betreuung eines Kindes. Das Recht spricht neu von einem Betreuungsunterhalt, der im Falle einer Trennung geleistet werden muss. Der Anspruch des Kindes auf Pflege und Betreuung soll mit der Leistung des Betreuungsunterhalts umgesetzt und gewährleistet werden, indem der betreuende Elternteil die Möglichkeit hat, weiterhin zu Hause präsent sein zu können und nicht sein Arbeitspensum aufstocken zu müssen. Doch lassen Sie mich vorne beginnen. Alle Eltern haben ihren Kindern gegenüber eine umfassende Unterhaltspflicht. Das ist ihre Verantwortung und die Kehrseite ihres elter­ lichen Sorgerechts. Recht und Pflicht begründen sich mit dem rechtlichen Kindesverhältnis. Egal also, ob die Eltern von Elias, Anna und Mara verheiratet sind oder nicht, die Kinder haben kraft des Kindsverhältnisses einen Anspruch auf Unterhalt. Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das ist eine beachtliche Rechtsent­ wicklung: Der Zivilstand der Eltern ist für die gemeinsame elterliche Sorge (seit 1. 7. 2014) und die Unter­ haltspflicht (nun seit 1. 1. 2017) unbedeutend geworden. Individuelle Ansprüche

Elias, Anna und Mara haben je einen individuellen Anspruch auf Unter­ halt, der sich nach ihren Bedürfnis­ sen richtet. Für das eine Kind fallen etwa Studienkosten an, für das ande­ re mehr Unterstützung bei den Hausaufgaben. Jede Geburt weiterer Kinder führt zu neuen Unterhalts­ pflichten, die den Unterhaltsan­ spruch früherer Kinder wohl etwas schmälern mögen, aber nicht aufhe­ ben. Eine Ausnahme besteht höchs­ tens dann, wenn ein Kind seinen Lebensunterhalt selbständig bestrei­ ten könnte.

Angenommen, Anna kann künftig auf einem grossen Hof ihre Lehre antreten, erhält dort neben Kost und Logis einen Lehrlingslohn und ver­ dient sich mit zusätzlichem Reitun­ terricht, den sie erteilt, einiges dazu, könnte es theoretisch sein, dass sie selbständig für ihren Lebensunter­ halt aufkommen kann. Auf jeden Fall müssten die Eltern ihre teuren Reitstunden nicht mehr bezahlen. Das Recht auf Kindesunterhalt kann unter Umständen auch über die Volljährigkeit hinaus bestehen. Dann, wenn es sich beispielsweise um eine Erstausbildung handelt wie im Falle von Mara, die für die nächs­ ten vier Jahre studieren und in Zürich leben wird. Eine Trennung oder Scheidung sowie eine erneute Heirat der Eltern ändern im Grundsatz nichts an der Unterhaltspflicht gegenüber den

Das Recht auf Kindesunterhalt kann auch über die Volljährigkeit hinaus bestehen.

drei Kindern. Faktisch ändert sich aber aufgrund eines getrennten Haushalts der Eltern deren Zusam­ menwirken in der Pflege, Erziehung und Betreuung der Kinder. Die persönlichen Betreuungsleis­ tungen wie Pflege und Hausauf­ gabenhilfe werden bei einer Tren­ nung praktisch aber oft alleine (und deshalb besonders intensiv) von jenem Elternteil erbracht, unter des­ sen Obhut die Kinder stehen. Der andere Elternteil kommt dann sei­ nen Unterhaltspflichten vor >>>

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Erziehung & Schule

>>> allem durch Geldleistungen nach. Damit die Mutter ihr Arbeitspen­ sum nicht erhöhen muss, sondern Elias weiterhin persönlich unterstüt­ zen kann, bekommt Elias neu einen Betreuungsunterhalt vom Vater. Es kann aber auch sein, dass die Eltern sich nach einer Trennung oder Scheidung in der persönlichen Pflege und Betreuung abwechseln. Demnach würde eine «alternierende Obhut» bestehen und sich der Be­­ treuungsunterhalt diesbezüglich reduzieren. Wie hoch ist ein Betreuungsunterhalt?

Grundsätzlich orientiert sich das Gericht jedoch am während der Ehe oder in der Beziehung gelebten Betreuungsmodell. Eine Mutter, die immer in Teilzeit arbeitete und die Kinder intensiv betreute, wie im Fall von Elias, hat gute Chancen, dies auch nach einer Trennung tun zu dürfen, ohne ihr Arbeitspensum zu erhöhen. Der Gesetzgeber hat leider darauf verzichtet, genau festzulegen, wie sich ein Betreuungsunterhalt be­ misst. Er hat festgehalten, dass die Lebenshaltungskosten der betreuen­ den Person gedeckt sein sollen. Was sind Pflege und Betreuung wert? Wie viel die Unterstützung bei der Hausaufgabenhilfe oder das Kü­­ chengespräch beim Zvieri? Ist oder soll die Hausaufgabenhilfe eines Elternteils in Poschiavo anders bewertet werden als die in Zürich?

Unverheiratete Väter ohne Betreuungsaufgaben sind die Hauptbetroffenen der neuen Regelung. 62

Das Kindesunterhaltsrecht in Kürze Das revidierte Kindesunterhaltsrecht (Art. 277 ff. ZGB), in Kraft seit 1.1.2017, ist der 2. Teil der Familienrechtsrevision zu gemeinsamer elterlicher Sorge und Verantwortung:

• Das Kindesinteresse steht im Zentrum. • Der Kindesunterhalt steht dem Kind persönlich zu. • Der Kindesunterhalt ist unabhängig vom Zivilstand der Eltern. • Der Kindesunterhalt richtet sich nach dem Bedarf des Kindes; unter Umständen auch über die Volljährigkeit hinaus. • Der Betreuungsunterhalt wird als Teil des Kindesunterhaltes anerkannt. • Der Kindesunterhalt geht anderen familienrechtlichen Verpflichtungen vor.

Es ist also noch offen, welches Gericht den Betreuungsunterhalt wie berechnen wird: mit genauen Tabellen, pauschalisierenden Pro­ zentregeln (zum Beispiel 10 bis 15 Prozent des Nettoeinkommens der Eltern bei einem Kind, 30 bis 35 Prozent bei drei Kindern) oder nach Massgabe von Fremdbetreu­ ungskosten? Doch auch da besteht eine Vielfalt an Optionen: nach Mass­gabe der Kinderkrippenkosten, der Pflegekinderkosten oder der durchschnittlichen Kosten einer Nanny? In der Literatur werden derzeit laufend Ansätze i vorgeschlagen und diskutiert. Das Zürcher Obergericht hat einen Leitfaden herausgegeben, der die «Lebenshaltungskosten», die durch den Betreuungsunterhalt zu decken wären, am betreibungsrecht­ lichen Minimum ausrichten will. Mit der Zeit wird es die Rechtspre­ chung des Bundesgerichts richten müssen und richten. Der nacheheliche Unterhalt be­­ steht in Geldleistungen an die ge­­ schiedene Ehegattin beziehungswei­ se den ge­­schiedenen Ehegatten, weil dieser/diese nach Beziehungsende in seiner/ihrer Kapazität zur Eigen­ versorgung eingeschränkt ist, auf­ Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die Frage, wann einem geschiedenen Elternteil die Erwerbstätigkeit zur Eigenversorgung zugemutet werden kann, ist eine Frage, die den nachehelichen Unterhalt betrifft, nicht den Betreuungsunterhalt. >>>

grund gemeinsam entschiedener Aufgabenteilung, der Dauer der Ehe, des Alters, der Berufsbildung und -entwicklung. Dazu gehört wesentlich, dass die Erwerbsfähigkeit wegen der Pflicht zur Kinderpflege und -betreuung massiv eingeschränkt war. Ein nachehelicher Unterhalt dient also dem Schutz der Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Achtung: Diesen Schutz gibt es in nichtehelichen Partnerschaften nicht. Ziel des Kindesunterhalts ist dagegen der Schutz des Kindes. Im Fall des Betreuungsunterhalts ist das Kind berechtigt, im Fall des nachehelichen Unterhalts ist es der (ehemals) betreuende Elternteil. Das zeigt, dass beide Unterhaltsarten nicht vermischt und auch nicht

Sandra Hotz

ist Juristin und Co-Leiterin des Projekts «Kinder fördern. Eine interdisziplinäre Studie zum Umgang mit ADHS» am Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg. Sie beschäftigt sich mit Kinderrecht und Fragen der Selbstbestimmung von Patienten.

Der nacheheliche Unterhalt dient dem Schutz der Ehegatten nach der Ehe, der Kindesunterhalt dem Schutz des Kindes.

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Leserbriefe

r re e d n so e b n e b e L m a , ll «To Menschen teilhaben zu können» «Solche Artikel sind wichtig, damit die Gesellschaft Verständnis entwickelt»

Dossier

Das andere Kin leben mit Autismd – us

«Die komischen Blicke sind verletzend» (Dossier «Autismus», Heft 8/2017)

Eine Störung für die einen, eine Wesensar und eine Herausfor t für die anderen derung für alle. Jedes hundertst e Kind in der Schweiz Das ist Autismus. Was heisst das ist davon betroffen für das Kind? . Was für seine Eltern? Und vor allem: Wer hilft? Text: Sarah King Bilder: Daniel

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Das Schweizer ElternMagazin

Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin

Fritz+Fränzi

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Auf der Mauer

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Der 9-jährige Emilio hat Autismus. Rituale bestimmen sein Leben. Mehrmals am Tag geht er in den Wäscheraum und beobachtet die drehenden Trommeln.

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Mir persönlich hat der Artikel sehr gut gefallen. Ich finde es toll, dass Sie uns am Leben besonderer Menschen teilhaben lassen. Ich kenne Bruna und Emilio persönlich, aber es hat mir trotzdem wieder aufs Neue imponiert, wie toll Bruna ihren Sohn Emilio unterstützt und wie spannend und faszinierend das Leben eines Autisten sein kann ... Ich wünsche den beiden Familien alles Gute in der Zukunft und den Kindern viel Akzeptanz von anderen Menschen. Ich selber hatte als Kind eine ADHS-Diagnose und galt selbst in der Familie als schwer erziehbar. Der wahre Grund meines Verhaltens hat damals niemanden interessiert, und ich wurde mit Medikamenten ruhiggestellt. Durch einige Tests auf freiwilliger Basis, als ich 20 Jahre alt war, wurde klar, warum ich dazumal so war. Ich selber konnte Erlebnisse meiner frühen Kindheit nicht verarbeiten und habe vieles mit meinem aufgedrehten und aufmüpfigen Verhalten überspielt. Auch Konzentrationsschwierigkeiten, die einem ADHSler eigen sind, kamen von den Erlebnissen und den damals nicht einfachen Umständen in meiner Familie. Ich wurde wegen meines Verhaltens und meines Charakters oft gemobbt und ausgegrenzt. Eltern brauchen Unterstützung und die Anerkennung der Gesellschaft, auch um eventuelle Fehldiagnosen zu vermeiden. Ich kann mit Emilio sehr mitfühlen, wie es ihm ergeht, wenn er wegen des Autismus von Gleichaltrigen ausgestossen wird. Ich verstehe, wie verletzend all die komischen Blicke sind. Ich habe das auch erlebt. Auch die Familie Leupold hat mich sehr beindruckt. Ich wünsche allen Kindern mit Behinderung so starke Eltern. Der Redaktion gilt mein Dank für diese wertvolle Arbeit.

(Dossier «Autismus», Heft 8/2017) Gerne möchte ich Ihnen mitteilen, wie gut mir der Artikel über den neunjährigen autistischen Jungen Emilio gefallen hat. Der Artikel ist sehr ehrlich und emotional. Ich habe viele Jahre mit Menschen mit Behinderung zusammengearbeitet (in Deutschland) und habe auch einige Autisten kennengelernt. Ich finde es wichtig, dass es mehr solche Artikel zu lesen gibt, damit sich in der Gesellschaft ein Verständnis dafür entwickelt. Weiter so! Insa Nordhoff (per Mail)

«Danke für Ihre super Arbeit, die Sie leisten» (Allgemein) Besten Dank für die Hefte zum Abgeben und für die tollen Berichte, die Sie immer in Ihrem Magazin haben. Ich selber lese das Heft auch immer und kopiere mir zum Teil gerne mal was, um dies auch den Eltern «vortragen» zu können. Von den Eltern höre ich ebenfalls Positives über Ihr Magazin, das sie gerne entgegen­ nehmen und lesen. Auf jeden Fall wollte ich mich einfach einmal bedanken für Ihre super Arbeit, die Sie da leisten. Besten Dank! Regina Borer, Kindergartenlehrperson (per Mail)

Selina Mauch (per Mail)

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Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule

80 Prozent aller Menschen haben ein sogenanntes auch verstecktes Schielen, genannt. Winkelfehlsichtigkeit

n Mama, die Buchstabe

und krakelig schreiben, klagen, schlecht lesen ibüber Kopfschmerzen selten auf eine Lese-Rechtschre Wenn Kinder häufig sind, wird dies nicht latenten motorisch unsicher aber auch in einem unkonzentriert und Die Ursache könnte Anja Lang ADHS zurückgeführt. tigkeit, liegen. Text: Schwäche oder gar lich einer Winkelfehlsich Schielen, umgangssprach

L

Bild: iStockphoto

«Meistens reicht die Verordnung einer Entlastungsbrille»

August 2017

aus kleine Abwei­ stellung von Natur oder aussen, chungen nach innen oder unten.» seltener auch nach oben vom Idealzu­ Diese Abweichung stand nennt man Winkelfehlsichtig­ spricht keit. In der Augenmedizin oder man auch von Heterophorie «Versteckt verstecktem Schielen. Fehlstellung deshalb, weil die leichte wird, wenn sich nur dann sichtbar befindet das Auge im Ruhezustand Müdigkeit oder – beispielsweise bei erklärt der beim abgedeckten Auge», Augen ein die «Sobald doof. Schielexperte. justiert das uca findet Lesen geht, Objekt fokussieren, Wann immer es Abweichung in Sekun­ davor. Gehirn die nach, sodass die drückt er sich fällt denbruchteilen wer­ Schreiben gestellt das Auch Augen wieder synchron ihm schwer. Er verrutscht den.» Anders als ein echtes Schielen die Buchsta­ im Alltag in den Zeilen, verdreht das latente Schielen Rechtschreib­ fällt auf. ben und macht viele deshalb auch nicht Sehenden Kopfschmerzen fehler. Oft hat er Rund 80 Prozent aller eit. halt fleissiger und ist müde. «Musst haben eine Winkelfehlsichtigk verkraften zu hören. Doch üben», kriegt er oft meisten Menschen anstrengt, die Die die Gehirn so sehr er sich auch ständige Zusatzarbeit, ihm einfach die für die opti­ Buchstaben «hüpfen» Hilfe be­ und Augenmuskulatur ohne vor den Augen davon. ihm eine male Fusion leisten müssen, als bei «Ein gewisser kommt Luca erst, grössere Probleme. Anstren­ eit als Ursache Winkelfehlsichtigk Prozentsatz aber entwickeltmitunter wird. seiner Probleme entdeckt ist keine gungsbeschwerden, die die eit Auswirkungen auf Winkelfehlsichtigk Krankheit im massive können», Fehlsichtigkeit oder Lebensqualität haben «Es handelt sich eigentlichen Sinne. weiss Bruun. latente Abwei­ vielmehr um eine im Ruhezustand Winkelfehlsichtigkeit kann krank chung der Augen Position», erklärt machen optimalen der aus für mögli­ Augenarzt und Daniel Bruun, «Ein deutliches Zeichen Kreuzlingen TG. dem versteckten Augenchirurg aus che Probleme mit kann aber Aus­ Patienten immer «Diese Abweichung Schielen ist, wenn simultane beid­ sehen», sagt wirkungen auf das wieder Doppelbilder Bruun. «Auch seitige Sehen haben.» Augenexperte Daniel die vor häufige Kopfschmerzen, ein Latentes Schielen auftreten, können Bild allem abends darauf sein.» Bei Kindern Damit ein dreidimensionales wie zwei Einzelbil­ Hinweis zudem Symptome entsteht, müssen die der bei­ zeigen sich Orien­ der, die auf den Netzhäuten Gehirn häufiges Stolpern, schlechte beim vom Probleme den Augen entstehen, tierung im Raum, räumlichen Bild von bewegten Objekten zu einem einzigen Diesen Vor­ Verfolgen Aufgaben, die konzen­ verschmolzen werden. wie Bällen. der Fachsprache erfordern wie gang nennt man in trierte Augenarbeit optimale Fusion Ausmalen oder Ausschnei­ Fusion. «Für eine stets gleich Basteln, gemieden. sollten die beiden Augen den, werden konsequent leiden oft an weiss Bruun. «Bei ausgerichtet sein», Betroffene Schulkinder Mehrheit finden ierigkei­ >>> der überwiegenden Konzentrationsschw Augen­ sich aber in der entspannten

Fritz+Fränzi Das Schweizer ElternMagazin

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Symptome durch keit Winkelfehlsichtig

• Zeitweiliges Doppelbildsehen vor allem • Kopfschmerzen abends • Konzentrations­ schwierigkeiten auch • Bei kleinen Kindern Bauchschmerzen

Hindernisse • Stolpern, gegen laufen, Probleme beim Ballfangen Basteln, • Vermeidung von Ausmalen, Ausschneiden Lesen: • Probleme beim Zeilenspringen, stockendes Lesen, schnelle Ermüdung

Schreiben: • Probleme beim krakelige Schrift, Zeilen werden nicht gehalten, verdreht Buchstaben werden

Monatsinterview

Was ist eine Prismenbrille?

Die Gläser einer Prismen­ Damit brille sind prismatisch. zwei rund sehen sie aus wie In der geschliffene Keile. Augenheilkunde werden bestimmten Prismengläser bei ein­ Schielerkrankungen gesetzt, um Doppelbilder Bei einer zusammenzuführen. sollen sie Winkelfehlsichtigkeit die gemessene Abweichung des Auges im Ruhezustand den Mehr­ ausgleichen. Durch aufwand sind Prismenbrillen Brillen, und teurer als normale die Gläser sind schwerer.

Monatsinterview

«Ich will den Müt tern das schlechte Gewissen nehmen» Das heutige Mutterbild treibt die Frauen in die Erschöpfung österreichische Politikwissenschaftlerin , sagt die Mariam Irene Tazi-Preve. vermeintliche Ideal der Kleinfamilie. Schuld Text: Claudia Landolt

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Bilder: Martin

Mischkulnig / 13

sei das

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Grosse Ehrfurcht. Ich treffe Mariam Irene Tazi-Preve, Können Sie das die Retterin erklären? Frauen. Die österreichische der Die Kleinfamilie ist falsch aufgesetzt. die lebenslange romantische Politikwissensch ZweiFamilie ist ein erbeziehung nur aftlerin, die als weiterer Begriff, in Ausnahmefällen Erste umfasst die Vereinbarkeitslüg er Suggeriert . Geschwister, wird aber, sie sei e publik gemacht hat, sitzt die NorDoch in der Politik, Onkel, Tanten. malität. im Café Sacher den Medien, der in Innsbruck, ihrer Die ewige Liebe Geburtsstadt. Lüster Gesellschaft ist stets von der existiert nicht? Klein- Nein. glitzern, das Holz familie die Rede. Die Statistik zeigt ist poliert, die es ja. Die Sessel laden in Was ist daran falsch? Hälfte aller Ehen rotem Plüsch. An wird geschieden. den Die Kleinfamilie Wänden Bilder aus der kaiserlichist ein winzig klei- Die Paare, die im Konkubinat königlichen Zeit leben nes, sehr fragiles und sich trennen, Österreichs. Die Konstrukt, das werden statistisch Männer tragen sich gar nicht Kaiser-Wilhelmerfasst. Trennungen Schnäuze, die Frauen und Scheidungen rauschende aber Roben. Eine Kulisse, immer moralisch werden noch die besser nicht sanktioniert. Die passen könnte zu Politik spricht von Mariam Irene «Die Kleinfam Verfall der Tazi-Preve, einer ilie Werte. Oder man einem Frau, welche die beschuldigt die Lebensumstände muss Frau, die sich von Müttern und immer gehen. sich anmasst, arbeiten zu Vätern erforscht. Ein wieder emotiona vielen Doppelmokkas Gespräch mit l Trotzdem sehnen wir uns alle nach und zwei Stück Sachertorte. selbst romantischer

(«Winkelfehlsichtigkeit», Heft 8/2017)

aufladen.

» Das muss uns nicht verwundern. Frau Tazi-Preve, Uns wird ununterbrochen warum sind Mütter oft müde? suggeriert, dass die romantische, legitiSie sind müde vom permanent emotional mierte Liebe, die Dauerspagat zwiein Leben lang selbst aufladen schen Job und Familie, muss. In diese hält, die anzustrebende isolierte Einheit, Haushalt und Norm sei. den vielen Tausend die dass jene, die Politik gern die daran scheiterten,Und anderen Dingen, die kleinste Zelle um die sie sich des ber schuld Staates nennt, selkümmern. Doch seien. Die Ironie das ge zusammensperrt man zwei Din- Die dabei ist: ist nicht ihre Schuld. romantische Idee und behauptet, von der Ehe das ist historisch müsse so sein. ist es dann? erst spät Welche beiden Schon die Römer, aufgekommen. Dinge? die das juristische Erstens die lebenslange Fundament für die Ehe- und Famiromantische Beziehung und zweitens das sichere liengesetze legten, haben sich überAufziehen von haupt keine Kindern. Nun gibt Illusionen darüber es gemacht, was Das Schweizer sie für die MenElternMagazin Fritz+Fränzi >>> August 2017 Die in Innsbruck geborene Mariam IreneTazi-Preve ist Professorin in den USA.

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Das Schweizer ElternMagazin

Fritz+Fränzi

Zweisamkeit.

Wessen Schuld

Die Schuld trägt unser dell, die Kleinfamilie. LebensmoQuell unseres Unglücks. Sie ist der

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Winkelfehlsichtigkeit ist keine Diagnose im medizinischen Sinne, hier müssten wir korrekt von einer Heterophorie sprechen. Jedes Kind und jeder Erwachsene mit unklaren Sehstörungen muss von einer geeigneten Fachperson beurteilt werden, in diesem Fall den Orthoptistinnen und Orthoptisten. Die Heterophorie ist eine Ausschlussdiagnose, es gilt abzuklären, was die Sehstörungen verursacht. Meistens reicht bei unauffälligem Befund die Verordnung einer Entlastungsbrille ohne Prismen. Christina (auf www.fritzundfraenzi.ch)

«Der Augenarzt hatte das Problem nicht erkannt» («Winkelfehlsichtigkeit», Heft 8/2017) Bei mir hat sich das Problem erst im mittleren Alter gezeigt, als ich abends immer ein Auge zudecken oder zudrücken musste, wenn ich lesen wollte. Mit beiden Augen konnte ich nicht mehr scharf fokussieren. Hinzu kamen Kopfschmerzen und ein ständig leicht verkniffenes Gesicht. Der Augenarzt, den ich als Erstes aufsuchte, hatte das Problem nicht erkannt. Erst als ich zwei Jahre später den Optiker aufsuchte, wurde die Sache klar. Caroline (auf www.fritzundfraenzi.ch)

«Hier werde ich nie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angesprochen» (Monatsinterview mit Mariam Irene Tazi-Preve, Heft 8/2017) Herzlichen Dank für diesen wichtigen, glasklaren Artikel. So fundiert und deutlich spricht selten jemand zu uns Eltern. Ein richtiger Augenöffner, für Mütter und Väter (hätte gerne etwas mehr über die Väter gehört). Ich würde gerne wissen, ob das Thema der Vereinbarkeit(slüge) auch ausserhalb des deutschsprachigen Raums so stark thematisiert wird. Ich arbeite (100 Prozent und mehr, leitende Funktion, internationale Tätigkeit) im Ausland, postsowjetischer Kontext, bin Mutter eines kleinen Kindes, habe einen erwerbstätigen Partner und werde hier NIE auf die Vereinbarkeit angesprochen (muss auch keine Fragen zu irgendwelchen Hüten beantworten – Gott sei Dank!). Zu Hause in der Schweiz aber ständig. Warum ist das so? Warum ist es schon in Frankreich kaum ein Thema? Ist diese Kleinfamilie als allselig machendes Konzept nur bei uns verbreitet? Simonetta (auf www.fritzundfraenzi.ch)

>>>

Praktische Ausbildung

Kleinkinderbetreuung

Infos unter www.ibk-berufsbildung.ch


Leserbriefe Kolumne

«Was soll ich mac hen, wenn ich traurig bin?»

W

Mikael Krogerus ist Autor und Journalist. Der Finne ist Vater einer Tochter und eines Sohnes, lebt in und schreibt regelmässig Biel für das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi und andere Schweizer Medien.

Illustration: Petra

Dufkova / Die

Illustratoren

und Fabian Grolimund

W

ie sieht «richtiges Lernen» aus? Dazu gibt es eine Menge Vorstellungen und Ratschläge, die seit Jahrzehnten weitergegeben werden. Kind oder JugendlicherLernt ein auf eine andere Art und Weise, wird er rasch dazu aufgefordert, sich beispielsweise «ordentlich hinzusetzen und nicht herumzuhampe ln». Es wird ihm erklärt, dass man nicht konzentrieren sich so «doch kann» und er sich nicht wundern müsse, wenn am Ende nichts hängen bleibe. Doch dürfen wir den gängigen Lernratgebern trauen, einen festen Arbeitsplatz wenn sie und Ruhe verordnen und betonen, Kind die Hausaufgaben dass das in einer ordentlichen Arbeitshaltung alleine in seinem Zimmer machen soll? Die Forschung zeigt: Wir dürfen den Kindern und guten Gewissens Jugendlichen deutlich mehr Freiheiten lassen als bisher angenommen.

Mythos 1: Mach aus! So kannst die Musik du dich doch nicht konzentrieren !

Fritz+Fränzi

Dieser Ratschlag ist für viele Menschen hilfreich. Vor allem introvertierten Personen gelingt gut, sich zu fokussieren,es besonders Ruhe arbeiten können wenn sie in – das zeigt die Forschung eindrücklich. Es gibt jedoch auch Menschen, die das Arbeiten bei Stille als Qual

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(Kolumne von Mikael Krogerus: «Papa, was mache ich, wenn ich traurig bin?», Heft 8/2017)

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«Ich habe es meinen Kindern überlassen, wie und wo sie die Hausaufgaben machen» («Lernmythen auf dem Prüfstand», Heft 8/2017)

Erziehung & Schule

Die Wünsche eine r Lehrerin an die Eltern ihre r Erstklasskinder

Unsere Autorin hat nach den Sommerferie 30 Jahren Erfahrung n eine hat sie klare Erwartunge erste Klasse übernommen. Als Lehrerin mit fast Grundsatz für die n an die Eltern ihrer Eltern aller Kinder, Erstklasskinder. bis hin zur Oberstufe. Diese gelten im Eine Wunschliste! Text: Marion Heidelberger

Für mich ist auch nach fast 30 Berufsjahren die ge. Nirgends Übernahme einer können Freund­ neuen Klasse ein schaften besser Abenteuer geblie­ gepflegt werden. ben. So wie Kinder Zudem verhindern und vor allem Sie, dass Ihr Eltern Wünsche Kind rennen an mich haben, muss so habe ich einige Verkehr zu wenig und so den an sie. Schulerfolg hat sehr viel mit • Seien Sie Vorbild, beachtet. der das ist die beste zwischen Elternhaus Kooperation «Schulerfolg hat Verkehrserziehu und Schule zu viel ng. tun. Ein Am­gleichen­Str • Kinder lieben mit der Kooperation Schnee und Regen, ick­Ziehen bietet die Grundlage, es ist auch an garstigen Tagen zwischen Elternhaus sich in der Schule dass das Kind nicht nötig, Ihr wohl fühlt und Kind mit dem sein ganzes Potenzial und Schule zu tun.» Auto zur Schule entfalten kann. zu fahren. Meine Wunschliste an die Eltern Marion Heidelberger meiner neuen Unterstützen Erstklasskinder ist Sie Ihr Kind dabei, Vizepräsidentin (die Dinge selbst Wünsche gelten des Dachverbands Lehrerinnen und zu aber tun – leicht ange­ passt – auch für und Pädagogin Lehrer Schweiz (LCH) mit Herzblut. Eltern von älteren • Das ist der wichtigste Grundsatz Kindern): überhaupt. Nicht Ihrem Kind den Sie packen Turnsack und Sorgen Sie für räumen ihm sein genügend Schlaf Zimmer auf – des Kindes das soll es selbst erledigen. • Genügend Schlaf • Machen Sie einen Ämtliplan erhöht die Leis­ für tungsfähigkeit. einfache Arbeiten zu Hause (Tisch • Ihr Kind sollte decken oder abräumen, auf jegliche Bild­ Haustier schirmnutzung füttern, Blumen enn Sie diese ab 90 giessen, Zimmer dem Zubettgehen Minuten vor aufräumen). So Zeilen lesen, verzichten. trainieren Sie mit Ihrem Kind jeden haben meine Tag Achten Sie auf digkeit, PflichtbewusstsSelbstän­ eine ausgewogene neuen Erst­ ein und Ernährung Eigenverantwor tung, drei wichti­ erste Schulwoche klasskinder die • Mit leerem ge Faktoren für schon hinter sich. Bauch Schulerfolg. Ich habe mich schlecht. Achten lernt es sich • Übernehmen sehr Sie darauf, dass Sie nicht die Haus­ und Mädchen mit auf die Buben Ihr Kind sich aufgaben für Ihr ihren am Morgen und Kind! Sie sollten sen Theks am Rücken viel zu gros­ während des Tages Sie auch nicht gefreut. korrigieren, das Ob ich allen ausgewogen ernährt. gesund und ist mein Job. Aber gerecht werden Sie dürfen kann? Ob mein Ihr Kind ruhig fragen, Unterricht für was es zu tun alle Lassen Sie passt? Ob mich hat und ob es Ihr Kind den Schulweg die die Aufgaben erle­ und Schüler mögen?Schülerinnen alleine gehen digt hat. Ob ich mit allen Eltern klarkomme? • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind Wie wohl die einzelnen jeweils früh genug Setzen Sie Regeln Erwartungen aus dem Haus und Grenzen und Wünsche sind? kommt. Auf dem • Lehren Sie Ihr Schulweg pas­ Kind, Regeln sieren die wirklich zu respektieren. wichtigen Din­ Kinder Grenzen und Leitlinien.brauchen Am bes­

ten geht das, wenn es auch zu Hause ein paar gen werden Sie Regeln gibt. Lieber auch merken, nicht zu viele, wenn etwas nicht dafür in Ordnung ist wenigen konsequentwerden die oder es Konflikte gibt. durchge­ setzt. So helfen Sie sich in einer GruppeIhrem Kind, Vertrauen Sie auf Ihre Fähigkeiten zu integrie­ ren. und die Ihres Kindes • Eine gute Sozialkompeten • Haben Sie eine positive Haltung z ist eine Eigenschaft, der Schule und die der Berufslehre einen auch in einer gegenüber. Denn Lehrperson hohen Stellen­ alle haben ein wert hat. Je früher gemeinsames Ziel: das Beste ein für lernt, desto einfacher Kind dies Ihr Kind. ist es. Dazu • gehört auch, Sanktionen Vertrauen Sie auf heit, Todesfall, Ihre Umzug, ein neues für das Nichtbefolgen und die Fähigkeiten Erziehung Haustier). von Regeln zu Ihres Kindes. akzeptieren. Das macht Ihr • Fragen Sie unbedingt Kind stark. So nach, wenn unterstützen Sie Sie etwas nicht Ihr Kind am bes­ verstehen oder Zeigen Sie Interesse Sie ten und tragen das Gefühl haben, an der Schule damit viel zum Ihr Kind fühle • Fragen Sie bei Schulerfolg bei. sich nicht wohl. Ihrem Dann kann man was es beschäftigt, Kind nach, gemeinsam eine was es in der Lösung suchen. Schule erlebt hat Suchen Sie das Oft genug sind Gespräch und was es gera­ es Missverständ­ de lernt. • Zögern Sie nicht, nisse, die schnell die Lehrperson geklärt werden • Durch aktives zu informieren, können. Zuhören zeigen wenn Sie Ihrem Kind, dass Hause Veränderungen sich zu • Eine gute Gesprächskultu für Sie Schule ergeben wichtig ist. Bei r zwi­ (Erwerbslosigke schen Schule und diesem Nachfra­ it, Trennung, Ge Elternhaus ist ­ burt eines Geschwisters, das A und O des Schulerfolges Krank­ Ihres Kindes.

Vertrauen Sie auf Ihre Erziehung und die Fähigkeiten Ihres Kindes.

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MACHE KARR IERE AUF DEM BAU!

Fritz+Fränzi

(«Eine Lehrerin schreibt ihre Wunschliste an Eltern von Erstklässlern», Heft 8/2017) Unsere Kinder meistern ihren Schulweg schon seit dem Kindergarten selber. Wir wohnen etwas ausserhalb (3 km mit dem Velo), am Anfang haben eine Kollegin und ich uns abgewechselt und sind immer ein Stückchen mit. Bis heute (1. und 3. Klasse) machen es beide super. Auch bei uns sehen wir viele, die die Kids mit dem Auto bis fast vor die Schultüre chauffieren. Wenn sie könnten, würden sie sie vermutlich ins Gebäude hinein fahren ... die Lehrer mussten schon einmal einen Zettel an die Eingangstür hängen, auf dem stand, dass die Eltern die Kinder doch bitte wenigstens die letzten paar Meter alleine gehen lassen sollen. Der Schulweg ist doch so wichtig: Die Kinder lernen, Verantwortung zu tragen (Pünktlichkeit), streiten auch manchmal und lernen, sich wieder zu versöhnen, und nehmen die Natur wahr (Vögel, Füchse, Schnecken …). Die Verantwortung, wenn etwas passiert, werden dann wohl wir als Eltern übernehmen. Aber es kann auch etwas vor dem Schulzimmer passieren. Zum Beispiel, dass sie von einem Auto anderer Eltern erfasst werden (ist alles schon passiert!). Und dass man mit dem Velo mal einen Sturz hat oder die Kette rausfällt: Solche Dinge passieren und machen die Kinder meiner Meinung nach nur selbständiger. Petra (auf Facebook)

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Fritz+Fränzi

Ein Kinderzim mer Freizeitstimmung ist mit Es ist ein denkbar assoziiert. Ort zum Lernen. schlechter

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Irma (auf www.fritzundfraenzi.ch)

August 2017

Das Schweizer ElternMagazin

Erziehung & Schule empfinden. Gerade ablenkbaren Kindern bei leicht gierten Müttern und Vätern pilgern wird oft emp­ fohlen, dass die Lernumgebung mit dem Nachwuchs in die möglichst reizarm teilungen, um ergonomisch Büroab­ sein soll. Neuere geform­ Studien deuten te Schreibtischstüh jedoch darauf le, höhenverstell­ hin, bare Pulte dass dies kontraprodukti v ist. Die Leselampen und augenfreundliche Stille führt bei auf Herz und Nieren unaufmerksam en Kindern dazu, dass sie innerlich prüfen. Kurze Zeit später ist der zu opti­ unruhig werden male Arbeitsplatz und unbewusst im Kinderzimmer nach Ablenkung suchen. In Studien eingerichtet. So weit, so gut. Vieles machten diese spricht dafür, die Kinder von Mathematikaufg beim Lösen im KinderzimmerHausaufgaben stets aben weniger zu erledigen: das Fehler, wenn sie Kind kann sich dazu zurückziehen, durften. Sie konnten Musik hören nicht von den wird Geschwistern bei sich bei einem Gedächtnistest der stärker auf Arbeit unterbrochen auch Wissen verlassen, und sollte nach nern, wenn während an mehr erin­ und nach das man an unterschiedlich lernen, selbständig der Lernphase en Orten moderate Hintergrundger zu gelernt hat. arbeiten. äusche zu hören waren. Für einen fixen Ähnlich verhält Arbeitsort Viele Jugendliche nen auch Konditionierun schei­ ditionierungsef es sich mit Kon­ berichten zu­ fekten: Macht gseffekte Kind dem, dass sie die zu sprechen: Wird ein regelmässig sehr richtige Musik immer am in chen Ort die nötige Stimmung gearbeitet, verbindetglei­ Erfahrungen beim Lernen, positive versetze, um hilft ihm auch unliebsamen das ein fixer Gehirn diesen Arbeitsort, in seine Aufgaben zu Lei­ Ort nach und nach stimmung be zu rücken. Arbeits­ Neben der Konzen­ mit dieser Tätigkeit. Das kann zu kommen. Bei tration kann also sehr Kindern, vielen die das Lernen auch die Motiva­ nützlich sein: Sobald Sie sich eher tion durch die ins passende Musik Büro setzen und den Computer Frust und Mühsal verbinden, mit gefördert werden. hochfahren, pas­ siert genau das fühlen Sie sich Gegenteil. Kaum in sitzen sie Wenn Ihr Kind Arbeitsstimmun auf ihrem Bürostuhl mit g versetzt. ten möchte, empfehlenMusik arbei­ am Zudem zeigen Pult, kann man Studien aus der wir Folgen­ zusehen, wie des: Erstellen Gedächtnisforsc sie innerlich abschalten Sie gemeinsam hung, dass man und eine besser Playlist mit Liedern, an Inhalte erinnert, sich erschlaffen. Das Gesicht körperlich die sich zum schläft ein, wenn der Blutdruck Lernen eignen (eher ruhige Stücke man diese mehrmals am sinkt ab und gleichen beginnen ohne Text). Das sie Drücken der Play­ Ort lernt und dort abruft. Zu zu gähnen. diesem taste kann von Thema wurden In diesem Fall diesem Moment kann ein Orts­ an Experimente einige interessante wechsel zum Startsignal einen Neustart werden durchgeführt. mit sich Kind helfen, anzufangen und dem konnten beispielsweise So bringen und dem Kind dabei und in die sich Taucher, die Arbeit einzutauchen. helfen, neue, positivere unter Wasser Listen Erfahrungen mit mit Wör­ dem Was jedoch stört, tern eingeprägt Lernen zu verknüpfen. sche, die zum Hinhörensind Geräu­ Wasser besser hatten, diese unter Konditionierung erinnern als an und Mitma­ seffekte machen Land auch das chen einladen und umgekehrt. – beispielsweise eigene Zimmer Diese Wirkung der Umgebung für viele Ton eines spannenden der Kinder und auf die Lern­ und Films, der im Abruf­ günstigsten Jugendliche zum un­ Hintergrund läuft, leistung wird als eine Radioansage kontextabhängig Lernort überhaupt. oder Gespräche es Denn was Erinnern bezeichnet. von anderen. tut das Kind normaler­ Zum Thema Musik Genau diese beiden weise in seinem gilt also: aus­ Effekte kön­ Schlafzimmer? probieren! Wir Spielen! Dieser Menschen reagieren nen aber auch zur Falle werden. Ort ist demnach unterschiedlich Der darauf. Für den Mechanismus des kontextabhängi­ Freizeitstimmung assoziiert. mit einen ist sie eine Kaum rollt Ihr Kind Lernhilfe, für den gen Erinnerns spricht nicht unbe­ geformten mit dem ergonomisch anderen eine Belastung dingt Stuhl an und Ablen­ zu dafür, immer am gleichen Ort kung. lernen. Prägt man stellbaren Tisch, den höhenver­ fallen ihm die immer in derselben sich den Stoff spannenden Spielsachen ins Umgebung ein, Mythos 2: Kinder Auge. kann man sich Die Sehnsucht, dort zwar besser benötigen aufzustehen und einen fixen Arbeitsplatz! an damit zu das Gelernte erinnern sich beschäftigen, – dafür wird Wenn der Schuleintritt es an allen anderen Nun benötigt das wächst. Orten schwieri­ Kind eine gros­ haben die Möbelhäuser bevorsteht, ger. Wenn man also nicht die Chan­ se Portion Selbstdisziplin, einmal mehr um seine Hochkonjunktu Aufmerksamkei r. Scharen an enga­ ce hat, genau dort zu lernen, t weiterhin auf wo Aufgaben auch geprüft wird, die zu lenken. kann man sich vielleicht: «Eigentlich Es sagt sich Das Schweizer wür­ >>> ElternMagazin Fritz+Fränzi August 2017

Vielen herzlichen Dank für diesen wunderschönen Artikel. Kurz und gut. Nach der Lektüre fühle ich mich momentan nicht mehr traurig, sondern nur noch leicht sentimental, mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht.

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Vinci /13 Photo

Das Schweizer ElternMagazin

«Wenn sie könnten, würden gewisse Eltern ihre Kinder in die Schule hinein fahren»

dem Prüfstand

Es gibt viele Vorstellungen und Ratschläge jüngste Forschung, darüber, wie Kinder dass wir unseren «richtig» lernen. Kindern deutlich Dabei zeigt die bisher angenommen mehr Freiheiten . Eine Bestandsaufn lassen können als ahme. Text: Stefanie Rietzler

Bild: Salvatore

«Nach der Lektüre fühle ich mich nicht mehr traurig»

Lernmythen auf

as soll ich machen, wenn ich traurig etwas unvermittelt, bin?» aber meine Tochter Die Frage kam und nun schaute hatte sie gestellt, sie mich fragend konnte ich nicht an. eindeutig erkennen, In ihrem Gesicht ob es sich um eine mer oder einfach klinische Depression handelte, einen frühen Liebeskum­ um jene bodenlose merkwürdigsten Momenten anfällt Traurigkeit, die uns Menschen in den Schock, dass es wie ein böser Hund. meinem Kind Ich schluckte. Zu schlecht gehen die ungute Einsicht, dem könnte, gesellte sich schleichend immer nicht weiss, dass ich, im fortgeschrittenen Alter von 40 Jahren, was Traurigkeit lindert. noch Vor vielen Jahren hatte ich der österreichischen Mayröcker die gleiche Schriftstellerin Friederike um ihren verstorbenenFrage gestellt. Sie war damals tief in Lebenspartner «Und ich schüttelte Paul Jandl versunkender Trauerarbeit einen Liebling» und hatte mit einen Nachruf auf Jandl verfasst. so etwas wie eine persönliche Erinnerung, Das Buch war in Worte zu kleiden ihr Versuch, und ihm so den einem Wiener Schrecken zu nehmen. das Unsagbare Kaffeehaus der Ich sass damals alten, gebückten «Was lindert die in Dame gegenüber Trauer?» und fragte sie: Sie überlegte lange, und dann sagte Das ist gut, wenn man einen grossen sie: «Gehen. Sehr rasch und viel gehen. brücken.» Schmerz hat. So kann man den über­ Ich verstand auf Anhieb. geholfen. Paradoxerweise Auch mir hat Gehen in so manch dunkler endet beim Gehen Denken. Und wer Stunde das Grübeln richtig weit läuft, gut geht es sich bei dem hört beides und beginnt das übrigens auf. Besonders auch mit dir herumträgst,in Grossstädten, denn wie viel Kümmernisse so genügen doch jemanden zu stossen, du oft nur wenige der im Spiel des Schritte, um auf hat als du. Lebens noch schlechtere Karten gezogen Gleichzeitig ist das kein Ratschlag «Was machst du, für eine Zehnjährige. wenn du traurig Also fragte ich bist?» Sie dachte kurz sie: nach, dann sagte zu Mamma. Und sie: «Ich weine. Dann gehe ich dann mache ich zu dir oder etwas, was mir Sie schaute mich Spass macht.» musste zum Zirkus. an und schaute dann auf ihre Uhr: Es war 14 Also sprang sie Uhr, sie hinaus. auf, küsste mich und rannte zur Tür Ich schaute ihr aus dem Fenster Gefühle zulassen; hinterher und hatte ihre Worte Leute suchen, bei im Kopf: tun, die dir etwas denen du dich aufgehoben fühlst; bedeuten. Das waren ziemlich drehte sie sich Dinge gute Ratschläge. um und winkte mir. Ich winkte Plötzlich sie für eines der zurück grossen Rätsel des Lebens deutlich und dachte bei mir, dass hatte als ich. weniger Zeit gebraucht

«Musik aus und setz dich an den Tisch!» Standardspruch meiner Mutter, denn ich liebte es, meine Hausaufgaben liegend auf dem Fussboden zu machen – bei … Musik! Denn sie war meine freiwillig gewählte Geräuschkulisse. Aber das alles durfte nicht sein, weil «man» das so nicht macht! Auch das habe ich überlebt und vor allem daraus gelernt. Ich habe es meinen Kindern überlassen, wie und wo sie ihre Hausaufgaben machen. Denn alles ist erlaubt, was glücklich macht und hilft, Lernerfolge zu erzielen. Wir sind nun mal alle Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, und die sollten auch bei Kindern berücksichtigt werden. Ingrid (auf Facebook)

«Meine Söhne fanden Adi & Jess cool» («Lernmythen auf dem Prüfstand», Heft 8/2017)

Kompliment für Ihre neue Serie Adi & Jess! Habe sie meinen Söhnen auch gezeigt und sie fanden es cool. Ich warte gespannt auf die weiteren Episoden. Danke. Sandy (auf www.fritzundfraenzi.ch)

Schreiben Sie uns! Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut? Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich. Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi oder Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi. Kürzungen behält sich die Redaktion vor.

Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Stiftung Elternsein

Herbst ist Erntezeit Ellen Ringier über das Loslassen.

Bild: Maurice Haas / 13 Photo

Dr. Ellen Ringier präsidiert die Stiftung Elternsein. Sie ist Mutter zweier Töchter.

Zwei Monate sind seit meiner Rückkehr aus den Ferien vergangen. Es war das erste Mal, dass wir alle – und damit meine ich beide Töchter, deren Partner und die beiden Enkel, meine beiden Schwestern, meinen Schwager mit Nichte und Neffe, zwei Hunde, meinen Mann und ich – gemeinsam in die Ferien gefahren sind! Ein wenig kam ich mir vor wie die legendäre Rose Kennedy. Sie war die Mutter des 35. Präsidenten der USA, John F. Kennedy, des ehemaligen Justizministers Robert F. Kennedy und des US-Senators Edward Kennedy. Rose Kennedy hat neun Kindern das Leben geschenkt! Sie war «berühmt-berüchtigt» dafür, dass sie jeweils die gesamte Familie in den Sommerferien in ihr legendäres Sommerhaus in Hyannis Port be­orderte. Nun, ich habe niemanden beordert, nur allen nahegelegt, dass es schön wäre, sich am französischen Strand des Atlantiks zusammenzufinden. Und: Es war schön, sehr sogar! Zwischendurch gesellten sich noch zwei Freunde des Partners meiner älteren Tochter dazu, sie halfen zusammen mit meinen jungen Erwachsenen und denen meiner Schwester nach Kräften mit, ein Geburtstagsfest, mehrere Strandpartys und Grill­ abende zu organisieren. Mein Mann und ich schauten dem fröhlichen Treiben mit grosser Freude zu, staunend, wie viel Energie die junge Truppe an den Tag legte. Eine neue Empfindung machte sich Platz: Gelassenheit. Es ist vielleicht das erste Mal, dass ich mir bewusst wurde, wie viel Energie mir im Laufe meines 65-jährigen Lebens schon abhandengekommen ist. Zum ersten Mal wurde mir auch bewusst, was es heisst, langsam loslassen zu müssen. Bis zu diesem Sommer waren alle anderen, meine 92-jährige Mutter, auch meine gleichaltrigen Freunde, mehr oder wenig offensichtlich älter geworden. Nur ich nicht!

Und dann starb, drei Tage nach unserer Rückkehr, aus heiterem Himmel unser bester Freund, der uns die letzten 30 Jahre begleitet hatte, von dessen Energie und beneidenswerter Vitalität wir so unglaublich viel profitiert hatten. Herzversagen. Nun will ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, selbstverständlich keinen Nachruf zumuten! Vielmehr liegt mir daran, Ihnen etwas mitzugeben, das ich gerne schon früher erfahren hätte. Vermutlich hätte ich mir viele Narben auf der Seele ersparen können. Ich lebte nach dem Motto «Vertrauen ist gut, Kon­ trolle ist besser», und meine Töchter haben mich wohl als Kontrollfreak erlebt. Meine Gedanken kreisen seit diesem unvergesslichen Sommer um das Thema des Loslassens. Es wird in jedem Leben einmal Herbst. Herbst ist Erntezeit. Ich empfinde den Frieden, die Freude und Fröhlichkeit meiner Familie in diesem Sommer gewissermassen als «Ernte». Die vielen Jahre der Sorgen um unsere Kinder sind nun der Gewissheit gewichen, dass diese ihren Weg gehen werden und dass der von ihnen gewählte Weg ein guter ist. Von nun an ist es ihr Weg. Ich wüsste zu gerne, wie schwer es Rose Kennedy gefallen ist, ihre neun Kinder, eins nach dem anderen, rechtzeitig loszulassen. Rose Kennedy hat zu Protokoll gegeben: «Man sagt, die Zeit heile alle Wunden, dem stimme ich nicht zu. Die Wunden bleiben. Mit der Zeit schützt die Seele den gesunden Verstand und bedeckt ihn mit Narbengewebe und der Schmerz lässt nach. Aber er verschwindet nie ganz.»

STIFTUNG ELTERNSEIN «Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten, Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern, Kindern, Lehrern und die Vernetzung der elternund erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschs­prachigen Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch

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Erziehung & Schule

Aus zwei mach drei.

Oder vier. Immer mehr junge Menschen wünschen sich drei oder mehr Kinder. Noch klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander – doch es ist ein Trend weg vom Zweikindfamilien-Ideal auszumachen. Aus dem Leben zweier Grossfamilien. Text: Sandra Casalini Bilder: Désirée Good / 13 Photo

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Ohne Lilani hätte Andy, Lorin, Nael, Andris und Mara Jacob (v.  l.) jemand gefehlt.

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Erziehung & Schule

I

ch au! Das sind die beiden Worte, welche Lilani wohl am häufigsten ausspricht. Die Zweijährige will alles machen, was ihre drei älteren Brüder tun. Dass diese sieben bis zehn Jahre älter sind als sie, ist der Kleinen dabei herzlich egal. Eifrig klettert sie zu Lorin, 12, Nael, 11, und Andris, 9, in die Hängematte und quetscht sich zwischen sie. Die Buben kichern und geben mit den Füssen an, um hin- und herzuschaukeln. Klein Lilani tobt heute durch den Garten des Einfamilienhauses der Familie in Thalwil ZH – der ExcelListe ihrer Eltern Mara und Andy Jacob zum Trotz. Auf dieser Liste – die mittlerweile zuvorderst in Lilanis Fotoalbum prangt – hielten ihre Eltern alles fest, was für und was gegen ein viertes Kind spricht. Und die Kontra-Spalte war bedeutend länger als die Pro-Spalte. «Aber wenn Kinderbekommen ein rein rationaler Entscheid wäre, hätte niemand welche. Schlussendlich kam das Ja aus dem Herzen und dem Bauch», sagt Mara Jacob. Das war auch bei Familie Wolf aus St. Antönien GR so. Ohne Simon, mittlerweile 6 Jahre alt, habe sich die Familie nicht komplett angefühlt, sagt Christina Wolf. So bekamen Ramona, 12, und Mario, 10, als Primarschülerin beziehungsweise Kindergärtler nochmals einen 70

Bruder. «Ich habe mich uuuuh gefreut!», sprudelt es aus Ramona heute noch heraus. «Sie wollte das Baby ständig herumtragen und wickeln. Man musste sie fast bremsen», erzählt Vater Hansandrea Wolf lachend. Für Wolfs ist jedenfalls klar: «Drei sind besser als zwei!» Mit drei oder gar vier Kindern sind die Wolfs und die Jacobs hierzulande zwar nach wie vor eher eine Ausnahme. Aber langsam lässt sich eine Trendwende beobachten. Zum einen geben immer mehr kinderlose junge Frauen und Männer an, von mehr als zwei Kindern zu träumen: 2015 waren es laut einer Umfrage des Bundesamtes für Statistik über ein Viertel von 17 000 befragten Personen. Zum anderen steigt die Ge­­ burtenrate der Drittkinder tatsächlich an – so waren es 2010 in der Schweiz 7,5 Prozent mehr als 2007. Helfende Hände beim Wickeln und Schöppelen

Christina Wolf ist mit einer Schwester aufgewachsen, ihr Mann Hans­ andrea mit einem Bruder. Beide sagen, sie hätten als Kinder gern mehr als nur ein Geschwister gehabt. So war ziemlich bald nach Marios Geburt klar: Das war noch nicht alles. Die Pause zwischen Nummer zwei und drei habe sie aber genossen, sagt Christina Wolf. Zumal Ramona in den ersten paar Wochen ein Schreibaby war und wegen eines Blutschwamms an ihrem Ohr einige Operationen und Spitalaufenthalte nötig waren. Die Zeit danach mit Kleinkind und dem zweiten Baby sei sehr anstrengend gewesen. Mit Simon nochmals von vorn anzufangen, nachdem die anderen beiden bereits aus dem Gröbsten raus waren, sei dagegen total pro­ blemlos gewesen, sagt Christina Wolf. «Er war ein sehr pflegeleichtes Baby, schlief mit zehn Wochen durch und wachte auch davor nur ein- oder zweimal auf pro Nacht. Zudem halfen die Grossen beim Wickeln und Schöppelen kräftig

Drei sitzen, einer zieht: das Viererteam der Familie Jacobs.

mit.» Das Geschwistertrio hat von Anfang an gut harmoniert. Auch heute ist selten mal eines das fünfte Rad am Wagen. «Sie können alles sehr gut zu dritt. Auch streiten», erzählt ihre Mutter schmunzelnd. Keines der beiden älteren Kinder sei je eifersüchtig gewesen. Im Gegenteil. Mario freute sich, nicht mehr das Nesthäkchen zu sein, und Ramona liebte ihren kleinsten Bruder von Anfang an heiss. «Ich habe Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


ihn stundenlang in einer Kiste durchs Haus gezogen», sagt sie lachend. Auch bei Familie Jacob war Eifersucht nie ein Thema. Für ihn habe sich mit Lilanis Ankunft nicht viel verändert, meint Lorin, der Älteste, schulterzuckend. Andris gefiel es, nicht mehr der Jüngste zu sein. Nur Nael, der Zweitälteste, findet, manche Dinge seien schon ein bisschen doof gewesen – «zum Beispiel muss-

ten wir immer ruhig sein, wenn Lilani Mittagsschlaf hielt.» Bei der Ruderregatta statt auf dem Spielplatz

Sie habe die Befürchtung gehabt, die Jüngste wachse wegen des grossen Altersabstandes wie ein Einzelkind auf, sagt Mara Jacob. Das sei aber überhaupt nicht der Fall: «Sie ist überall dabei. Natürlich muss man sich ab und zu mal ihr >>>

Ein Viertel aller Kinderlosen in der Schweiz träumt von einer Familie mit mehr als zwei Kindern.

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«Es braucht mehr Teilzeitarbeit und mehr Uni-Kitas» Autorin, Philosophin und FünffachMutter Daniela Nagel über ihre lebendige Grossfamilie, warum sich junge Leute wieder mehr Kinder wünschen und die Herausforderung, allen gerecht zu werden. Interview: Sandra Casalini

Frau Nagel, das erste Baby verändert alles. Welches Ihrer vier nachfolgenden Kinder hat das Familiengefüge am meisten beeinflusst? Nummer drei und vier sind Zwillinge, daher war dies rein praktisch die grösste Zäsur.

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Weder der alte Kinderwagen noch das Auto reichten nun aus. Dennoch hatten wir erst mit dem fünften Kind das Gefühl, eine wirklich kinderreiche Familie zu sein. Lange galt die Zweikindfamilie als ideal. Umfragen zufolge wünschen sich nun immer mehr junge Leute drei oder mehr Kinder. Wie erklären Sie sich das? Zum einen grenzen sich viele jüngere Leute von den alten Lebensmodellen ab. Zum anderen scheint das Familienleben immer weniger ein Widerspruch dazu zu sein, den eigenen beruflichen Weg zu gehen. Die Geburtenrate in der Schweiz liegt bei 1,5 Kindern pro Frau – trotz dem Wunsch nach mehr Kindern. Warum? Die Suche nach dem richtigen Partner, die Ausbildung und die ersten Berufsjahre ziehen sich hin. Oft ist das Zeitfenster für viele Kinder einfach zu klein. Vielleicht würde es helfen, junge Leute stärker darin zu unter-

stützen, den Kinderwunsch früher umzusetzen, etwa durch Kitas an der Uni, Teilzeitarbeit während der Ausbildung und mehr Anerkennung für die mutige Entscheidung, nicht zu warten, bis alle Umstände perfekt sind. Das sind sie nämlich nie. Wenn das Jüngere von zwei Kindern in den Kindergarten kommt, kommt bei vielen Paaren der Wunsch nach einem dritten Kind auf. Warum gerade dann? Zum einen werden wieder Kapazitäten frei, und gerade wenn die ersten Jahre als Familie schön waren, kommt bei vielen Wehmut auf, dass es das nun war mit dem Zauber, einen neuen Menschen willkommen zu heis­sen. So war es bei uns auch. Der Wunsch nach weiteren Kindern kommt meist von der Mutter. Komisch eigentlich, da die Veränderungen für die Frau ja viel grösser sind als für den Mann. Vielleicht sind viele Männer nach

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Mittendrin statt nur dabei: Die Schuhablage bei den Jacobs steht symbolisch für das Zusammenleben der Geschwister.

>>> anpassen, aber meistens ist es umgekehrt.» So findet man die Zweijährige am Wochenende auch eher am Rande eines Handballfeldes oder bei einer Ruderregatta, wo sie ihre Brüder anfeuert, als auf dem Spielplatz. Für sie habe lange jemand gefehlt in der Familie, sagt Mara Jacob. «Ich habe mir selbst oft die Frage gestellt, wer das genau ist. Wäre die Antwort gewesen: ein Mädchen, hätte ich auf ein weiteres Kind verzichtet. Aber sie war wirklich: ein viertes Kind. Natürlich ist es toll, noch ein Mäd-

Die Vorteile einer Grossfamilie: Eltern werden mit jedem Kind gelassener. Und die Familienphase dauert länger.

zwei Kindern vom Gedanken abgeschreckt, immer weniger Raum in der Beziehung zu haben. Glücklicherweise war der Kinderwunsch bei uns immer ähnlich ausgeprägt. Sonst hätte ich mich nicht auf dieses Abenteuer eingelassen. Was sind die Vorteile, wenn man mehr Kinder hat als die gängigen zwei? Die Lebendigkeit in der Familie ist eine ganz andere. Ausserdem werden die meisten Eltern mit jedem Kind gelassener. Und die Familienphase dauert länger. Mein Mann und ich sind nun gerade vierzig. Wenn wir nur die beiden Grossen – 16 und 18 Jahre alt – hätten, wären wir als Eltern bald arbeitslos. Und das, während manche unserer Freunde gerade ihr erstes Baby kriegen. Das wäre irgendwie traurig. Und die Nachteile? Nicht nur die schönen, auch die anstrengenden Familienphasen ziehen sich in die

chen zu haben. Aber wir hätten uns genauso über einen Bub gefreut.» Für Andy Jacob wäre die Familie auch mit drei Kindern komplett gewesen. «Aber für Mara war das viel mehr als ein blosser Kinderwunsch, sondern ein echtes Bedürfnis. Es wäre falsch gewesen, meine Wünsche stärker zu gewichten als ihre.» Wäre Lilani nicht zur Welt gekommen, hätte das die Familie viel stärker belastet, als ihre Geburt es tat, ist Mara überzeugt: «Nochmal von vorne anzufangen, war körperlich und emotional streng. Aber wir wussten ja auch aus Erfahrung, dass diese Zeit vorübergeht. Mit einem ständigen Loch zu leben, wäre gefühlsmässig viel anstrengender gewesen – nicht nur für mich.» Wunsch trifft oft nicht auf Realität

So entschied sich Familie Jacob schliesslich für Lilani. Trotz >>>

Länge. Der logistische und der finanzielle Aufwand wird mit zunehmendem Alter der Kinder recht hoch. Gleichzeitig wird es mit vielen Kindern schwerer, Privat- und Berufsleben unter einen Hut zu bringen. Und die Herausforderung, allen Kindern gerecht zu werden, wird höher. Was hat Ihren Entscheid zu einem weiteren Kind am meisten beeinflusst? Wir sind da sehr intuitiv und wenig rational rangegangen. Und wir hatten das Glück, dass alle fünf die pflegeleichtesten und süssesten Babys waren. Auch die Umstände, wie etwa die unterstützenden Gross­ eltern oder meine Möglichkeit, als Freiberuflerin relativ flexibel zu arbeiten, haben uns Mut für viele Kinder gegeben. Und warum gab es kein sechstes? Wir haben schon öfter gedacht, dass wir eigentlich direkt noch ein sechstes hätten kriegen sollen, weil unser Jüngster manch-

mal fast wie ein Einzelkind dasteht – die Zwillinge sind fünf Jahre älter und ein eingeschworenes Team. Aber jeder hat seine persönlichen Grenzen, und die waren bei uns nach dem fünften Kind erreicht. Jetzt haben wir fünf Schulkinder und geniessen die neu gewonnenen Freiheiten doch sehr.

Zur Person

Daniela Nagel ist studierte Philosophin und Autorin. «Fünf Kinder? Sie Ärmste!» heisst ihr «Survivalguide für gelassene Mehrfachmütter» – so der Untertitel. Die fünffache Mutter schreibt auch Romane, sowohl unter ihrem echten Namen als auch unter dem Pseudonym Marie Adams. Zudem betreibt sie einen Bücherblog und coacht Autorinnen und Autoren. www.danielanagel.de

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>>> der Negativbilanz auf der Excel-Liste. Einer der Minuspunkte auf dieser Liste: Mara war bei Lilanis Geburt 41 Jahre alt. Das Alter ist einer der Gründe, warum Wunsch und Wirklichkeit trotz Trend ausein­ anderdriften. Dem Wunsch nach drei Kindern oder mehr aus der erwähnten Umfrage steht eine Geburten­rate von 1,54 Kindern pro Frau entgegen (vor 15 Jahren: 1,38). Und gemäss einer Erhebung von Euro­stat aus dem Jahr 2015 beträgt das Durchschnittsalter der Erstgebärenden 30,7 Jahre. Die Schweizerinnen gehören damit zu den ältesten Müttern Europas. «Die Suche nach dem richtigen Partner, die Ausbildung und die ersten Berufsjahre ziehen sich hin. Oft ist das Zeitfenster für viele Kinder einfach zu klein», sagt Daniela Nagel, Autorin, Philosophin und fünffache Mutter (siehe Interview auf Seite 68). Das Bundesamt für Statistik sieht im Vergleich verschiedener Generationen Anhaltspunkte dafür, wie weit Kinderwunsch und die tatsächliche Anzahl an Kindern auseinanderdriften. So wünschen sich nur 9 Prozent der 20- bis 29-Jährigen keine oder ein Kind. Von den 50- bis 59-jährigen Frauen haben 16 Prozent ein Kind, 20 Prozent sind kinderlos. 65 Prozent der 20- bis 39-jährigen Frauen befürchten mit jedem weiteren Kind schlechtere Berufsaussichten, und drei Viertel aller Männer und Frauen fürchten, dass ein weiteres Kind ihre finanziellen Möglichkeiten einschränke.

Mit einem Durchschnittsalter von 30,7 bei der ersten Geburt zählen die Schweizerinnen zu den ältesten Müttern Europas. älter die Kinder werden, desto mehr fallen sie auch finanziell ins Gewicht: Skiausrüstung, Hobbys wie Schwingen oder Klettern, Musikunterricht – alles mal drei. «Aber die Finanzen waren nie ein Grund, kein drittes Kind zu bekommen», sagt Vater Hansandrea. Dass bei uns vieles auf die Zweikindfamilie ausgerichtet ist, merken die Wolfs je länger, je mehr. «Zum Beispiel Familienkarten bei Freizeitangeboten oder in den Ferien – die gelten immer für zwei Erwachsene und zwei Kinder», so Christina Wolf. Und dann ist da noch die Sache mit ihrem Haus, das sie geerbt haben. Es hat – natürlich – nur zwei Kinderzimmer. Simons Bett steht derzeit noch im Elternschlafzimmer. Bald werden aber die Eltern in ein kleineres Zimmer ziehen und Simon und Mario teilen sich das grösste Schlafzimmer. Problem gelöst. Im Hause Jacob teilen sich gar alle drei Buben ein Zimmer. Bald steht aber der Umzug ins eigene Haus an, dann bekommt >>>

Wenn das Auto zu klein wird

Glück zu fünft: Simon, Christina, Ramona, Hansandrea und Mario Wolf (v. l.).

Familie Wolf kennt das Thema der finanziellen Einschränkung aus eigener Erfahrung. Christina Wolf ist gelernte Bäckerin/Konditorin, seit Ramonas Geburt kümmert sie sich hauptsächlich um die Familie. Hans­ andrea Wolf ist im Sommer Maurer, im Winter Skilehrer. Mit Simons Geburt musste ein grösseres Auto her. «Das war aber die einzige Neuanschaffung. Sonst hatten wir alles noch», sagt Christina Wolf. Aber je

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Angebote in den Ferien, in der Freizeit, selbst das geerbte Elternhaus: Vieles ist auf die Zweikindfamilie ausgerichtet.

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>>> jedes Kind ein eigenes Zimmer. Finanziell ist das vierte Kind für IT-Spezialist Andy Jacob und seine Frau, die als Doula Geburten begleitet und auch Doulas ausbildet, kein riesiger Schritt. Bis jetzt. «Uns ist schon bewusst, dass sich das mit den Jahren, je nach Ausbildung der Kinder, ändern wird», sagt Andy. Auf gewisse Dinge verzichte man jedoch eher aus praktischen denn aus finanziellen Gründen: «Auswärts essen ist mit vier Kindern stressig. Und auch Ferien sind zu sechst in einer Ferien­wohnung entspannter als im Hotel.» Eine spezielle Organisation verlangen jeweils Skiferien. «Eine riesige Materialschlacht!», sagt Andy Jacob lachend. Er fährt jeweils mit

Lilani und dem Gepäck im Auto, Mara reist mit den Söhnen im Zug. «Aber das wird auch wieder besser, sobald wir keinen Kinderwagen und keine Windeln für die Nacht mehr mitschleppen müssen.» Wenn Jacobs zu sechst unterwegs sind, werden sie oft angesprochen. «Die Reaktionen sind immer positiv», sagt Mara Jacob. «Oft sagen die Leute, sie bereuten es, selbst nicht mehr Kinder zu haben. Uns hat es auch Mut gekostet, aber wir sind heute sehr froh, haben wir diesen Schritt gewagt.» Dreifach-Mami mit nur zwei Händen

Familie Jacob und Familie Wolf haben mit drei respektive vier Kindern ihr Glück gefunden. Richtig viel

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kommen.» Auch bei den Wolfs findet zumindest ein Grossteil der Familie, es sei gut so, wie es ist. Nur einer meint, ein viertes Baby wäre gar nicht so verkehrt. «Ich will auch mal nicht der Kleinste sein!», meint Simon schmollend. >>>

durcheinandergebracht haben weder Simon noch Lilani in ihren Familien. Am meisten verändert habe das erste Kind, da sind sich alle Eltern einig. Vom Paar zur Familie zu werden, ist eine grössere Herausforderung, als die Familie zu vergrössern. «Auch wenn mir als Dreifach-Mami anfangs öfter eine dritte Hand fehlte», meint Christina Wolf. Dieses Gefühl kennt auch Mara Jacob: «Das dritte Kind hat mehr verändert als das vierte, zumal die Buben altersmässig sehr nah beisammen sind. Mit Andris wurde das strenge Leben zum sehr strengen Leben. Mit Lilani war das im Vergleich recht entspannt.» Und wie siehts aus mit weiteren Kindern? Bei Familie Jacob ist man sich einig: «Mit Lilani sind wir ange-

Simon und Lilani haben nicht viel durcheinandergebracht in ihren Familien. Am meisten verändert hat das erste Kind.

Sandra Casalini

ist Zweifach-Mutter und findet zwei Kinder ideal – schliesslich hat sie auch nur zwei Hirnhälften. Dass diese regelmässig für zwei weitere Menschen mitdenken müssen, reicht ihr vollkommen aus.

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Digital & Medial

Gesetzliche Altersbeschränkung? Der Bund will ein schweizweites Gesetz zum Jugendmedienschutz. Entscheidend bleibt aber die Rolle der Eltern.

Bild: fotostorm

Text: Michael In Albon

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er politische Druck, Kinder mittels Ge­­ setz vor ungeeigne­ ten Inhalten zu schützen, lässt nicht nach. Nun verlangt der Bundesrat bei Games und Videos einen schweizweit einheitlichen Rahmen für Altersbeschränkung, Kontrollen und Sanktionen. Das Eidgenössi­ sche Departement des Innern arbei­ tet zusammen mit Branchenverbän­ den und Kantonen bis 2018 eine Vernehmlassungsvorlage aus. Spricht man mit Eltern, fällt auf, dass sie Altersvorgaben auf Filmen und Spielen oft nicht befolgen. Obwohl einige Experten regelmässig daran erinnern und dazu aufrufen. Auch ich. Theorie und Praxis klaffen also auseinander. Das erstaunt we­­ nig. Denn einerseits fehlen Stu­dien zum Umgang mit Altersempfehlun­ gen, andererseits sind sich Fachleu­ te nicht einig, ob Altersangaben in der Medienerziehung sinnvoll sind. Da verlassen sich Eltern lieber auf ihre Einschätzung. Können sie Emp­ fehlungen nicht auf die eigene Situa­ tion übertragen oder weichen diese von ihrer eigenen Einschätzung ab, ignorieren sie diese. Was die einen Eltern als brutal und ungeeignet für Kinder einschät­ zen, ist für andere wenig bedenklich. 78

Bewertungen unterscheiden sich von Familie zu Familie – und erst recht von Kultur zu Kultur. Gerade in der Schweiz mit ihren vier Sprachkulturen. Nicht selten werden Altersfreigaben in der Romandie anders festgelegt als in der Deutsch­ schweiz oder im Tessin. Auch gel­ tende Gesetze sind nicht gleich, denn das Internet ist bekanntlich ein globales Medium. In der EU wird bereits eine neue Richtlinie über audiovisuelle Me­­ diendienste diskutiert. Vorgeschla­ gen wurde ein Mechanismus, in dem Nutzer schädliche Inhalte melden können. Hinzu kommen Alters­ überprüfungssysteme und ein Ver­ haltenskodex für die Branchen. Der Bundesrat erwägt, entsprechende Regeln zu erlassen. Es ergibt keinen Sinn für die Schweiz, einen Sonder­ zug zu fahren. Risiken fallen mit einem Gesetz aber nicht einfach weg. Ludwig Gärtner, Leiter Geschäftsfeld «Fami­ lie, Generationen und Gesellschaft» im Bundesamt für Sozialversiche­ rungen, betonte in der NZZ: «Um­­ gehungsmöglichkeiten der Alters­ limiten wird es immer geben. Das bedeutet aber nicht, dass man nichts tun soll.» Gerade Sie als Eltern tra­ gen besonders viel bei. Der heutige Stand der Forschung zeigt, dass eine

kombinierte aktive und passive Elternbegleitung das Risiko im Internet für Kinder und Jugendliche erheblich minimiert. Und Kinder und Jugendliche verpassen weder Potenziale noch Chancen beim Nut­ zen digitaler Medien. Aktive Elternbegleitung bedeutet: Eltern erklären Medieninhalte, unterscheiden zwischen Realität und Fiktion und begleiten ihr Kind aktiv, indem sie gemeinsam Ange­ bote evaluieren. Passiv bedeutet: Eltern nutzen Medien gemeinsam mit ihrem Kind. Sie schauen also etwa zusammen Sendungen oder Filme am Bildschirm an oder gamen zusammen.

Michael In Albon

ist Beauftragter Jugendmedienschutz und Experte Medienkompetenz von Swisscom.

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive Lernmodule für den kompetenten Umgang mit digitalen Medien im Familienalltag. swisscom.ch/medienstark

Oktober 2017  Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Impressum 17. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich Herausgeber Stiftung Elternsein, Seehofstrasse 6, 8008 Zürich www.elternsein.ch Präsidentin des Stiftungsrates: Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch, Tel. 044 400 33 11 (Stiftung Elternsein) Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder, ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01 Redaktion redaktion@fritzundfraenzi.ch Chefredaktor: Nik Niethammer, n.niethammer@fritzundfraenzi.ch Verlag Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,

Tel. 044 277 72 62, info@fritzundfraenzi.ch, verlag@fritzundfraenzi.ch, www.fritzundfraenzi.ch

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Business Development & Marketing Leiter: Tobias Winterberg, t.winterberg@fritzundfraenzi.ch

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Anzeigen Administration: Dominique Binder, d.binder@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 277 72 62 Art Direction/Produktion Partner & Partner, Winterthur Bildredaktion 13 Photo AG, Zürich

Abo-Service Galledia Verlag AG Berneck Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54 abo.fritzundfraenzi@galledia.ch Für Spenden Stiftung Elternsein, 8008 Zürich Postkonto 87-447004-3 IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3

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Inhaltspartner Institut für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Elternnotruf / Pro Juventute / Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich / Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien

Stiftungspartner Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule Zürich / Elternbildung CH / Marie-MeierhoferInstitut für das Kind / Schule und Elternhaus Schweiz / Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV / Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband Kinderbetreuung Schweiz


Buchtipps

Angie Sage: TodHunter Moon – FährtenFinder / SandReiter / SternenJäger. Hanser, 2017, je ca. Fr. 25.–, ab 10 Jahren

Rick Riordan: Magnus Chase. Das Schwert des Sommers / Der Hammer des Thors

Serielles ist nicht nur auf Netflix beliebt. In einer riesigen Auswahl an B ­ uchreihen für Kinder und Jugendliche lässt sich mit den Lieblingscharakteren über viele Bände hinweg mitfiebern.

Rick Riordan stellt in seiner neuen Serie die nordische Mythologie mit augenzwinkerndem Humor auf den Kopf – für Action in Walhalla und Midgard ist gesorgt! Carlsen, 2016/2017, je ca. Fr. 30.–, ab 12 Jahren

Lesevergnügen in Serie

Bilder:ZVG

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TodHunter Moon

ir alle kennen sie: «Hanni und Nanni» und «Gregs Tagebuch», «Conni» und «Die Schule der magischen Tiere». Mit den immer gleichen Figuren erleben wir nicht nur ein Leseabenteuer, sondern ganz viele – so viele, wie es Bände gibt. Während in einer Buchreihe wie TKKG die Figuren über 120 Folgen in die 9. Klasse gehen und sich nicht entwickeln, sieht das bei abgeschlossenen Serien anders aus: Zum Beispiel in Angie Sages siebenteiliger Fantasy-Serie über den jungen Zauberer Septimus Heap, die von 2005 bis 2013 erschienen ist. Nachdem der einstige Junge erwachsen und zum «aussergewöhnlichen Zauberer» geworden war, war die Ge­­ schichte so weit auserzählt. Doch die

LeserInnen wollten diese fantastische Welt und ihre Figuren noch nicht verlassen, und Angie Sage wusste noch mehr daraus zu berichten: In der neuen Spin-off-Trilogie «TodHunter Moon» wird das ge­­ witzte Mädchen Alice TodHunter Moon, genannt Todi, ins Zentrum gestellt. Im ersten Band muss Todi aus ihrem Fährtenfinder-Dorf fliehen. Sie gelangt an den Zaubererturm und kann mit Unterstützung des aussergewöhnlichen Zauberers Septimus Heap, aber auch mit ihren Freunden Oskar und Ferdie die Fährtenfinder vor dem bösen Hexer Oraton-Marr retten. Im nächsten Band gehen Todis Abenteuer aber schon weiter – die packende Fantasy-Serie für Kinder ist zum Glück noch nicht so schnell zu Ende erzählt!

Aaron Blabey: Böse Jungs Ein Hai, ein Piranha, eine Schlange und ein Wolf tun sich in diesem witzigverrückten Comic zusammen, um gute Taten zu vollbringen: Das kann ja nicht gut kommen! Bisher sind zwei Bände auf Deutsch erschienen. Baumhaus, 2016/2017, je ca. Fr. 15.–, ab 8 Jahren

Die 65-jährige Britin Angie Sage ist die Autorin der FantasyReihe mit der Heldin Todi.

Kate Frey: Cat Deal. Die Kunst zu stehlen / Nach allen Regeln der Kunst Cat ist sechzehn, lebt mit ihrer Ratte auf einem Hausboot und ist Londons beste Einbrecherin. Sie sorgt dafür, dass Raubkunst zu ihren rechtmässigen Besitzern zurückkommt. Eine starke Figur in einem hoch­spannenden Setting! Ueberreuter, 2017, ca. Fr. 21.–, ab 12 Jahren Verfasst von Elisabeth Eggenberger, Mitarbeiterin des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien SIKJM. Auf www.sikjm.ch/rezensionen sind weitere ­B­uch­empfehlungen zu finden.

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi  Oktober 2017 81


Eine Frage – drei Meinungen

Meine Tochter, 9, nimmt alles wahnsinnig persönlich: Meine Bitte, das Zimmer aufzuräumen, Flöte zu üben oder den Tisch zu decken, ­empfindet sie gleich als Kritik. Und reagiert entsprechend aggressiv. ­Wissen Sie mir einen Rat? Patricia, 42, Interlaken BE

Nicole Althaus

Haben wir Menschen nicht alle die Tendenz, Dinge persönlich zu nehmen, die uns nicht in den Kram passen? Vielleicht kommen wir ja noch einmal davon! Ihre Tochter versucht sich mit ihrem Verhalten vor Auf­ gaben und «Ämtli» zu drücken. Fallen Sie nicht darauf herein! Lassen Sie sich nicht provozieren und sagen Sie ruhig, aber bestimmt, was die Tochter zu tun hat.

Tonia von Gunten

Geben Sie grundsätzlich weniger Anweisungen und lassen Sie Ihre Tochter mehr selber bestimmen. Wir Eltern haben die Angewohn­ heit, unsere Kinder ständig zu befragen und Befehle zu erteilen: «Wie war es in der Schule? Hast du Haus­­ aufgaben? Deck den Tisch! Häng die Jacke auf!» Wenn es nicht ohne Anweisungen geht, beachten Sie Folgendes: Lassen Sie Ihrer Tochter genügend Zeit. Äussern Sie sich klar, werden Sie persönlich: «Du bist am Spielen, doch wir können in zehn Minuten essen. Ich will, dass du heute den Tisch deckst. Okay?»

Peter Schneider

Nicole Althaus, 48, ist Kolumnistin, Autorin und Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag». Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger. ch» initiiert und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern, 16 und 12. Tonia von Gunten, 44, ist Elterncoach, Pädagogin und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein Programm, das frische Energie in die Familien bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern, 11 und 8. Peter Schneider, 59, ist praktizierender Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent für klinische Psychologie an der Uni Zürich und ist Professor für Entwicklungspsychologie an der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines erwachsenen Sohnes. Haben Sie auch eine Frage? Schreiben Sie eine E-Mail an: redaktion@fritzundfraenzi.ch

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Oktober 2017

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO

Versuchen Sie, vermeidbare «Kritik» (also das, was Ihre Tochter als unwichtige Kritik empfindet) herunterzufahren, und überlegen Sie, wo Sie ihr stattdessen etwas Nettes sagen können. Das ist der nerven­ schonende Teil meiner Antwort. Der andere Teil lautet: Es hilft nichts, da müssen Sie und Ihre Tochter durch. Das geht am einfachsten, wenn Sie bei den wirklich wichtigen Aufgaben (das sind möglicherweise weniger, als Sie im Moment denken) die besagte «Kritik» als möglichst simples Kommando durchgeben und sich von den Aggressionen nicht zu sehr beeindrucken lassen.


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