›› FRIZZ LITERATUR
Redaktion: Magdalena Schäfer
BÜCHERTIPPS Paula Irmschler
Superbusen
100 Jahre Reich-Ranicki ›› Digitale Ausstellung, Jüdisches Museum, juedischesmuseum.de
Ullstein, 20 €
Dirk Steffens, Fritz Habekuß
Über Leben
Penguin, 20 Euro Für das ZDF reist Steffens durch die Welt. Und eines ist überall gleich: das Artensterben. Dabei geht es nicht nur um Eisbären oder Maikäfer. Jeden Tag sterben rund 150 Arten aus. Gemeinsam mit Habekuß legt er ein faktenreiches und überraschendes Buch vor, das Mut macht. Dabei verlassen die Wissenschaftsjournalisten das Jammertal und zeigen, wie Politik, Wirtschaft und Rechtsprechung agieren könnten. Denn: Auch ein Fluss hat Recht auf sauberes Wasser.
Er machte aus Literaturkritik eine Lebenskunst. Marcel ReichRanicki wurde 1920 in Polen in eine assimilierte jüdische deutsch-polnische Familie hineingeboren. Als Schüler lebte er in Berlin, als junger Mann flüchtete er mit seiner Frau aus dem Warschauer Ghetto, er arbeitete für den kommunistischen Geheimdienst, wurde aus der Partei ausgeschlossen und erhielt Publikationsverbot. 1953 kam er nach Frankfurt und schrieb u. a. für die FAZ. Nach einem Intermezzo bei der ZEIT ging er zurück an den Main, wo er von 1973 bis 1980 die Literaturredaktion der FAZ leitete. Er duellierte sich voller Leidenschaft für die Literatur. War dabei überschwänglich oder respektlos, scharfsinnig und unbestechlich. Er förderte Autoren, er kritisierte „Die Blechtrommel“, für die Günter Grass den Nobelpreis bekam, und provozierte Martin Walser zu dem Roman „Tod eines Kritikers“. Mit der Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“ wurde der „Literaturpapst“ zu einer Kultfigur. Er zeigte uns, dass die Begegnung mit dem richtigen Text unser Leben retten kann. Das jüdische Museum widmet ihm aktuell eine digitale Ausstellung. Im Historischen Museum kann man ganzjährig seinen Schreibtisch beschauen.
ANTI-RASSISMUS LEKTÜRE/MUST-READS Toni Morrison: Die Herkunft der anderen Der Band fasst Vorlesungen der LiteraturNobelpreisträgerin zusammen. Morrison thematisiert die einstige Brutalität gegenüber Sklaven und schreibt darüber, was es heißt, in Amerika schwarz zu sein.
Taffy Brodesser-Akner:
Fleishman steckt in Schwierigkeiten Gerade als Toby Fleishman die Vorzüge von Tinder & Co entdeckt – als frischgetrennter Arzt der Upper East Side – verschwindet seine karrieresüchtige Frau Rachel und lässt ihn mit beiden Kindern zurück. Brodesser-Akner erzählt die Geschichte von Tobys gescheiterter Ehe sowohl aus seiner Perspektive als auch aus der seiner langjährigen Freundin Libby. Wer tatsächlich das „Opfer“ in dem Szenario ist, entscheidet die Leser*in selber. Das Debüt der Redakteurin des New York Times Magazine ist klug, witzig und mitfühlend.
Tupoka Ogette: Exit racism Verlasst „Happyland“ und macht euch eure Privilegien endlich bewusst(er)! Antirassismus-Trainerin und Aktivistin Tupoka Ogette liefert wertvolle Handreichungen sowie Übungen (inkl. QR-Codes), sich rassismuskritisches Denken erst mal bewusst zu machen. Dazu gehört endlich, den strukturellen Rassismus Deutschlands zu erkennen und zu durchbrechen. Schmerzhaft, aber so wichtig! Dieses Buch sollte Schullektüre sein! (Ebenfalls empfehlenswert: TuPodcast)
City of Girls
© University of Florida, Hannah Pietrick
S. Fischer Verlag, 16,99 €
Juli 2020
Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Fatma Aydemir („Ellenbogen“) und Hengameh Yaghoobifarah vereinen Essays, die laut Verlagsankündigung kluge „schonungslose Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft“ thematisieren. Denn die deutsche Gesellschaft begreift und markiert einen Teil seiner Mitglieder als „anders“ und schützt und wertschätzt diese weniger.
Klug analysiert deckt Hasters Rassismus und Alltagsrassismus auf, mit dem sie als Schwarze Frau in Deutschland immer wieder konfrontiert wird. Sehr informatives Glossar im Anhang für diskriminierungssensible Sprache.
Elizabeth Gilbert:
44
Fatma Aydemir & Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.): Eure Heimat ist unser Albtraum
Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
dtv, 24 €
New York in den 40er Jahren und mittendrin die 19-jährige Vivian, die nach dem College-Rauswurf bei ihrer Tante Peg, Betreiberin des heruntergekommenen Lily Playhouse in Midtown Manhattan, unterkommt. Musicals, Bars, Jazz und Gangster – Vivian taucht voll in den Glamour New Yorks ein und geniesst ihre Freiheit. Bis ihr ein fataler Fehler passiert. Der neue Roman der „Eat Pray Love“ -Autorin spielt im Showbiz –thematisiert Sex, den Krieg und die Ungleichbehandlung der Geschlechter – und stand monatelang auf der New York Times-Bestsellerliste.
Geschichte des Rassismus in den USA. Von Post-Rassismus keine Spur. Leider. Kendi ist Professor und Gründungsdirektor des Zentrums für Antirassismusforschung und -politik an der American University in Washington/D.C.
Ibram X. Kendi: Gebrandmarkt Warum liegt die Gefahr, von der Polizei erschossen zu werden als Schwarzer USAmerikaner 21-mal höher als für Weiße? Der Historiker schreibt in seinem StandardWerk schonungslos über die wahre
Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen
© Juliane Werner
Wer will schon nach Chemnitz? Studentin Gisela stellt fest, dass sie hier viel Spaß haben kann. Und den hatte sie nicht immer im Leben. Gisela kommt aus einfachen Verhältnissen, fühlt sich zu dick und verehrt Britney Spears. Gemeinsam mit ihren Freundinnen schlägt sie ein neues Kapitel auf. Sie feiern das Leben, kämpfen gegen rechts und gründen die Band „Superbusen“. Titanic-Schreiberin Irmschler präsentiert einen feministischen Musikroman, der Laune macht.
Wie fühlt es sich an, ein Theaterstück über die Wende zu besuchen und die einzige schwarze Zuschauer*in zu sein? Oder die eigene Großmutter davon zu überzeugen, die AFD nicht zu wählen. Die Weimarer Autorin Olivia Wenzel schreibt über Herkunft, Verlust, Lebensfreude und Einsamkeit in ihrem Debüt und über Rollen, die von der Gesellschaft zugewiesen werden.
Angie Thomas: On The Come up Bri möchte Rapperin werden. Als ihr Vater stirbt, gehören plötzlich Essensausgaben, Zahlungsaufforderungen und Kündigungen ebenso zu Bris Alltag wie Reime und Beats. „Thomas verbindet die ganz eigene Welt der Heranwachsenden mit einem
frizz-frankfurt.de
der größten und dringendsten Probleme unserer Zeit: Rassismus und wie wir ihn überwinden können.“ (Focus)
Colson Whitehead: Underground Railroad Das geheime Fluchtnetzwerk für Sklaven – Underground Railroad – eröffnet Cora, die auf den Baumwollplantagen Georgias schuftet, den Weg in die vermeintliche Freiheit. Whitehead erhielt 2017 den Pulitzer Preis. Sein Werk macht schmerzhaft deutlich „was es bedeutete und immer noch bedeutet, schwarz zu sein in Amerika“, so der Verlag.
Esi Edugyan: Washington Black Eine Abenteuergeschichte, die an Jules Verne erinnert. Der Sklavenjunge Washington Black wird Leibdiener Christopher Wildes – Erfinder, Entdecker, Naturwissenschaftler – und Gegner der Sklaverei! Die beiden fliehen von der Plantage in einem Heißluftballon. Das Buch stand auf der Shortlist für den Man Booker Prize 2018 und erhielt den Giller Prize.
Weitere Tipps: Mohamed Amjahid: Unter Weißen Reni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche Layla F. Saad: Me and White Supremacy (New York Times-Bestseller) Chimamanda Ngozi Adichie: Die Gefahr einer einzigen Geschichte (Das Buch basiert auf einem Vortrag, den Adichie 2007 auf einer TED-Konferenz hielt, TED ist die Abkürzung für Technology, Entertainment, Design, bekannt wurden vor allem die TED-Talks im Internet.) RosaMag, erstes Online-Lifestylemagazin für Schwarze Frauen: rosa-mag.de Robin J. DiAngelo: Wir müssen über Rassismus sprechen (ET August 2020)