Furios
Kostenlos
06 Jun 2011
Studentisches Campusmagazin an der Freien Universit채t Berlin
HEIMAT
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Ihre Stadt. Ihre Karriere. Ihre Chance! Eintritt frei!
6. Juli 2011, Axel-Springer-Passage/Ullstein-Halle
>>> Jetzt anmelden unter absolventenkongress.de/berlin Unter der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit
Regierender B端rgermeister von Berlin
Editorial
Mitmachen? www.fucampus.de/mitmachen mitmachen@furios-campus.de
Liebe Kommilitoninnen, Für die Optik sorgen: Rachel Edelstein studied fine art at the University of California Santa Cruz. She enjoys reading and exercising in her free time.
Cora-Mae Gregorschewski studiert Biologie, malt leidenschaftlich gern und hat ihre Fotos aus FURIOS auch schon in der SZ und im TIP veröffentlicht.
Christian Güse studiert Nordamerikastudien und fühlt sich am eigenen Zeichenbrett so heimelig, dass er dort auch gern mal übernachtet.
Julia Schönheit studiert Spanisch und Nordamerikastudien im 4. Semester.
Christoph Spiegel studiert Mathe und VWL und geht nächstes Semester nach Australien.
Sarah Ungan studiert Geschichte und Kultur des Vorderen Orients und fotografiert auch mal ganz gerne.
liebe Kommilitonen, lehnt Euch einen Moment zurück, macht es Euch bequem. Denkt an zu Hause, an den moosigen Geruch des Schwarzwaldes, die bayrische Blasmusik, den wohltuenden Kölner Dialekt: Fühlt Euch ganz daheim! Und – spürt ihr es, das Heimatgefühl? Selbst wenn es gerade für einen kleinen Moment da war, wurde es doch schon im nächsten von der gierigen Meute in der Mensa niedergetrampelt oder zwischen den anderen tausend unbekannten Gesichtern beim Spurt zum Seminar verpufft. Wer soll hier heimisch werden? Die meisten von uns haben ihr Zuhause zurückgelassen. Es zieht uns in die Ferne, neue Orte zu entdecken, Erfahrungen zu sammeln. Auf dieser ständigen Flucht nach vorn bleibt uns selten die Zeit, darüber zu sinnieren, wo wir uns tatsächlich zu Hause fühlen. Also begeben wir uns auf die Suche – nach einem Gefühl, das sehr flüchtig scheint, obwohl es doch eigentlich an einen festen Ort gekoppelt ist. Anchalee Rüland spürt den Wurzeln des Begriffs nach und erkennt, dass Heimat für uns umso mehr Bedeutung gewinnt, je weiter sie entfernt ist. Catharina Tews traf sich mit Moritz von Uslar, der für kurze Zeit die Hauptstadt gegen die brandenburgische Provinz eintauschte und dabei eine selbstverständliche Verbindlichkeit vorfand. Ein besonders vertracktes Gefühl ist es, fern von daheim zu sein, wenn sich dort gerade eine Revolution abspielt. Michael Wingens und Filip Tuma unterhielten sich mit zwei Studentinnen aus Kairo, die genau das durchleben mussten. Ob es letztlich möglich ist, sich in Berlin ein warmes Nest einzurichten, diese Frage stellt sich Hendrik Pauli und beschreibt dabei eine nicht ganz unkomplizierte Liaison. Der Flaneur schließlich ließ sich dazu bewegen, für uns ein paar Orte der Ruhe und Besinnung ausfindig zu machen. Auf was er dabei stieß – lest selbst! Wer mit dem Heft durch ist und nicht genug haben kann, findet aktuelle Nachrichten, Reportagen und Veranstaltungstipps rund um die FU auf www.furios-campus.de. In unserer Redaktion gibt es stets Platz für neue Furiose. Egal ob Ihr schreiben, fotografieren oder gestalten wollt – kommt vorbei! Die Termine für unsere Redaktionstreffen findet Ihr online. Viel Spaß beim Lesen wünscht Euch Eure FURIOS-Redaktion
Furios 06 Impressum Herausgeber: Freundeskreis Furios e.V. Chefredakteur: Filip Tuma (V.i.S.d.P., Am Toch 6, 26605 Aurich) Stellvertretender Chefredakteur: Hendrik Pauli Ressortleitung Campus: Anchalee Rüland Ressortleitung Kultur: Eliese Berresheim Ressortleitung Politik: Hendrik Pauli Layout: Christoph Spiegel, Christian Güse, David Goldwich Redaktionelle Mitarbeiter dieser Ausgabe: Catharina Tews, Margarethe Gallersdörfer, Jonna Lüers, Valeria Schönian, Jonas Breng, Björn Stephan, Furios 06/2011
Matthias Bolsinger, Max Krause, Katharina Hilgenberg, Henrice Stöbesand, Viktoria Deßauer, Rebecca Ciesielski, Fanny Gruhl, Konstanze Renken, Vincent Novak, Galina Haak, Laura Gertken Illustrationen: Rachel Edelstein, Christian Güse, Julia Schönheit, Cora-Mae Gregorschewski Fotografien: Sarah Ungan, Cora-Mae Gregorschewski, Christian Güse, Julia Schönheit Titelfoto: Sarah Ungan Lektorat: Carolin Benack Inserate: Michael Wingens – inserate@furios-campus.de
www.furios-campus.de redaktion@furios-campus.de Jeder Autor ist im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt seines Artikels selbst verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Ansicht der Redaktion wider. Gemäß dem Urheberrecht liegen die Rechte an den einzelnen Werken bei den jeweiligen Autoren.
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Inhalt
Inhalt 06
Politik Interview mit Peter-André Alt 16 Der Präsident im Gespräch über Hochschulnovelle, Schleudersitze und politische Ambitionen.
Titelthema: Heimat Das Plan-B-Gefühl
sage t s f io Fur ell au u t de . ak pus m a fu-c
Atemnot im Hörsaal 18
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Jeder hat sie. Entziehen kann man sich ihr kaum. Doch woher kommt sie, die Heimat? Auf der Suche nach den Wurzeln eines schwer fassbaren Begriffs.
Wenn die Doppeljahrgänge kommen, rücken wir alle zusammen. Einsamer Protest 19 Das Berliner Hochschulgesetz kommt und keiner geht hin.
Heimatgespräch 8
Akademische Ängste 20
Moritz von Uslar im FURIOS-Gespräch über sein neues Buch »Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung«. Für die Recherche verbrachte er drei Monate in der brandenburgischen Provinz Zehdenick alias »Oberhavel« – irgendwo zwischen Hartz IV-Avantgarde, magischen Spielautomaten und dem Witz des Dahingelaberten.
Was Hartz IV mit der Uni zu tun hat.
Campus Gefundenes Fressen 22 Frisches aus dem Müllcontainer.
Kairo Calling 10
Licht aus in der großen Stadt 24
In Ägypten bricht die Revolution aus – alles über Nacht. Die Studentinnen Hend und Masouda müssen in Berlin mitverfolgen, was in ihrer Heimat passiert, abgeschnitten von ihren Familien.
Unsere Industrie verfällt. Zeit für eine Entdeckungsreise.
Berlin – so nah, so fern 12 Sie kommen um zu bleiben. Jedes Jahr wird Berlin für zigtausende junge Menschen zur neuen Heimat.
Maybe Baby 26 Eine gute WG zu finden, ist schwer... Hot Stuff 27 …einen passenden Mitbewohner, umso mehr. Ein unmoralisches Angebot 30 Ghostwriter verschaffen geplagten Studenten Atempausen.
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»Eltern haften für ihre Kinder« – wen hat das je abgehalten? 4
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Empörter Student
»Warum sie aufgehört haben, Nazis zu sein? Weil sie endlich mal wieder einen Döner essen wollten.«
Kultur 4 aus 40 000 14 Liebe lieber Afrikanisch 28 Die Sexkunst Kunyaza im Selbsttest. Warenfetisch: 31 Moleskine – Leere Seiten statt Charakter. »Da kommste nich’ raus« 32 Die Slam-Poeten Marc-Uwe Kling und Sebastian Lehmann im Gespräch. Tütensuppentotalitarismus 32 Klings Känguru-Chroniken in der Rezension. Der Flaneur 33 Im Rausch der grünen Triebe. Veranstaltungskalender 34
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Das ägyptische Regime wurde nicht im Internet zu Fall gebracht, sondern auf den Straßen Kairos. Hend und Masouda kennen die Menschen hinter den Medienberichten.
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Titelthema: Heimat
Das Plan-B-Gefühl Jeder hat sie. Entziehen kann man sich ihr kaum. Doch woher kommt sie, die Heimat? Auf der Suche nach den Wurzeln eines schwer fassbaren Begriffs. Von Anchalee Rüland. Illustration von Rachel Edelstein.
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Kilometer. Der Weg nach Hause ist weit. So weit, dass Nina die Fahrt nur selten auf sich nimmt. Heute sitzt sie im Zug, die dunkle Nacht rauscht vorbei, drinnen herrscht gedämmtes Licht und dösige Stimmung. Noch drei Minuten. Ninas Herz klopft. Der Zug bremst ab, wird langsamer und dann endlich: die hell erleuchtete Skyline von Frankfurt am Main. »In dem Moment weiß ich, jetzt ist es nicht mehr weit«, sagt Nina, die im vierten Semester Geschichte und Publizistik an der Freien Universität studiert. Nicht mehr weit bis nach Hause meint sie, denn Nina kommt aus einem kleinen 200-Seelen-Dorf in der Nähe von Frankfurt am Main. So wie Nina geht es den meisten Menschen. Sei es der Dormitzer Kirchturm, das Freienwalder Ortsschild oder der Kölner Dom: Wenn sie in die Heimat zurückkehren, steigt der Adrenalinpegel und neben der Freude macht sich eine leichte Nervosität breit. Trotzdem bleibt Heimat für jeden etwas sehr Individuelles. Jeder hat sie – für sich. Doch es ist nahezu unmöglich, zu beschreiben, in welchem Verhältnis Gefühl, Erinnerung und Geografie zusammen kommen müssen. Das macht eine klare Definition schwierig. »Heimat ist dort, wo man sehr viele Erfahrungen zum ersten Mal hatte. Wo man also biologisch betrachtet in der Kindheit und Jugend möglichst viele Informationen wie Gerüche und Farben im Gehirn abspeichern konnte«, sagt Michael Cugialy, Diplom-Psychologe an der Freien Universität. Er arbeitet in der Zentraleinrichtung für Studienberatung und psychologische Beratung und hat dort häufiger mit Heimweh und Einsamkeitsgefühlen zu tun. Für Nina ist Heimat ein »Plan-B-Gefühl«. »Ich weiß, dass ich immer nach Hause kommen kann. Deshalb macht mich Heimat glücklich. Ich muss aber auch nicht bleiben, ich kann jederzeit wieder gehen«, sagt sie. Für sie ist am wichtigsten, dass ihre Familie und Freunde da sind, dann fühlt sie sich zu Hause. Thomas Stodulka sieht das ähnlich. Er ist Ethnologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Exzellenz-Clusters »Languagess of Emotion«– ein echter Gefühlsexperte also. »Auch wenn es heute in Mode gekommen ist, dass man sich von seiner Familie lossagen und sich eine Wahlfamilie suchen kann, gehören für mich Mutter, Vater und Geschwister zu Heimat dazu«, sagt er.
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Der Begriff bereitet Kopfzerbrechen. Unzählige Literaten und Dichter, darunter Max Frisch und Joseph von Eichendorff, haben sich mit ihm beschäftigt. So lag für Max Frisch das Besondere in der Unübersetzbarkeit des deutschen Wortes »Heimat«. Ein Blick ins Wörterbuch genügt, um zu sehen, dass eine Übertragung in andere Sprachen schwierig ist. »Home« oder »homeland« im Englischen, »Patrie« im Französischen, »Roma« im Indonesischen. Gemeint ist entweder das Haus oder das Vaterland. Beides gibt die Bedeutung des Wortes »Heimat« nur unvollständig wieder. »Im Deutschen hat man eine sprachliche Repräsentation gefunden, die sowohl Ort als auch Gefühl einschließt, ohne dass eins von beiden linguistisch wirklich betitelt wird. Denn Heimat ist nicht gleich Heimatort oder Heimatgefühl, sondern beides«, sagt Thomas Stodulka und sieht darin die Besonderheit des deutschen Begriffs. Verfolgt man die Spur des Wortes zurück zu seinen Anfängen, dann zeigt sich ein gemeinsamer Ursprung des Begriffs in den verschiedenen Sprachen. Von dem germanischen Wort »heim«, das so viel bedeutete wie Wohnplatz oder Haus, leitet sich nicht nur das deutsche »Heim« ab, sondern auch das englische »home«. Beides bezeichnet den Ort, an dem man lebt. »Heimat« meint aber vor allem immaterielle Werte und damit mehr als das Gebäude, in dem man aufwächst. Dieser Aspekt kam im 8. Jahrhundert durch das althochdeutsche »heimoti« und später das mittelhochdeutsche »heimote« hinzu, das sich mit »zu dem Heim gehörig« übersetzen lässt.
• Mit der Zeit wandelte sich die Bedeutung von Heimat stark – vor allem vergrößerte sie ihren Radius und bezog nun auch den rechtlichen und literarisch-sehnsüchtigen Zusammenhang ein. Denn wer im Mittelalter das »Heimatrecht« besaß, der durfte sich in einer Siedlung niederlassen: Heimat als klar definierter Rechtsbegriff. Im 18. Jahrhundert, der Epoche der Romantik, wurde Heimat als Gegenentwurf zur Realität entwickelt – eine vertraute Landschaft oder Natur, nach der man sich in der Fremde zurücksehnte. Ein Gedanke, der auch heute noch gilt: »Was einem Heimat bedeutet, merkt man vor allem dann, wenn man Mentalitätsunterschiede feststellt, wie zum Beispiel im Ausland oder in einer fremden Stadt«, sagt Michael Cugialy. Im 19. Jahrhundert, der Zeit der industriellen Revolution und der großen Bevölkerungswanderungen, erhielt der Begriff eine
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Titelthema: Heimat
politische Färbung. Der Ruf nach einer Deutschen Nation wurde laut. Dem französischen »Patrie« folgend wurde Heimat zum Synonym für Vaterland und Nation und hatte damit immer noch eine positive Bedeutung. So wie heute, weiß Cugialy und verweist auf die selektive Erinnerung: »Der Begriff Heimat und eine negative Beschreibung schließen sich eher aus. Negative Erfahrungen sind zwar nicht eliminierbar, aber ihre Bewertung kann sich ändern. Das Gedächtnis ist so organisiert, dass man sich an unangenehme Erfahrungen weniger gut erinnert als an positive.« Auch Nina fällt zu Heimat spontan nichts Negatives ein: »Seitdem ich ausgezogen bin, nehme ich störende Aspekte nicht mehr so wahr. Vielleicht sehe ich Zuhause durch die Entfernung auch etwas durch die rosarote Brille. Ich möchte einfach nicht negativ darüber denken.«
erinnern sich daran, dass sie an diesem Ort eine gute Kindheit hatten. Im Gehirn wird bei der Rückkehr viel aktiviert, sodass einem Geschichten wieder einfallen, die vorher vielleicht nicht mehr präsent waren.« Diese Sehnsucht nach alten Zeiten verspürt auch Nina. Trotzdem soll Berlin noch für eine Weile ihr Zuhause bleiben. Zurückkehren möchte sie erstmal nicht.
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Anchalee Rüland ist Leiterin des Campus-Ressorts. Zu Hause fühlt sie sich in Bonn. Berlin ist aber auch ganz schön.
Doch manche Erinnerungen sind so verstörend, dass sie nur negativ betrachtet werden können. So wurde Heimat im Dritten Reich für viele zu etwas abgrundtief Schlechtem. Von der NaziPropaganda missbraucht, bestimmte die Blut- und Bodenideologie den Einheitsgedanken. Heimat war gleichbedeutend mit dem Ausschluss aller Nicht-Deutschen. Für Millionen ein Todesurteil. Nach dem Krieg war Heimat für lange Zeit etwas sehr Konservatives. Der Heimatfilm feierte seine Erfolge und gaukelte der Nachkriegsgeneration eine heile Welt vor. Gleichzeitig sorgte die ständige Auseinandersetzung mit den deutschen Vertriebenen für politischen Zündstoff. Sie forderten das »Heimatrecht im Osten« – die Rückgabe von Pommern und Schlesien – und diskreditierten somit das Motiv für Jahrzehnte.
• »Heute wird der Begriff wieder sexy«, meint der Ethnologe Thomas Stodulka. »Vielleicht erfahren wir in Zukunft eine Zweiteilung entlang des Begriffs Heimat. Für eine kosmopolitische Klasse wird sich herausstellen, dass Heimat für sie nur noch wenig Bedeutung hat. Für die Meisten wird Heimat aber weiter von Bedeutung sein – vielleicht umso mehr.« Es ist kein Zufall, dass viele Menschen später an ihren Heimatort zurückkehren. Dies liege vor allem an positiven Erinnerungen, erklärt Michael Cugialy. »Die Leute
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Titelthema: Heimat
Herr von Uslar, es ist 11.41 Uhr. Wäre es in Oberhavel jetzt schon Zeit für ein Hackepeterbrötchen? Absolut. Ich saß immer um neun Uhr in der Gaststätte Schröder und dann kamen ein Pott Kaffee, zwei »Hacke«, ein Marmeladenbrötchen und das Schönste auf der Welt: ein Eibrötchen. Sie hatten Lust auf ein Abenteuer und suchten sich einen Ort, an dem faktisch nichts passiert. Wie passt das zusammen? Mir ging es tatsächlich um eine andere Lebenswirklichkeit. Ich wollte andere Gespräche hören, einen anderen Beat, einen anderen Humor kriegen, als diesen super ironischen, abgehängten Berliner Hipsterquark. Eins härter, eins direkter, eins prolliger. Der angebliche Proll ist natür-
passiert. Ich habe mich saufend zur Verfügung gestellt – so umschreibe ich meine Recherchetechnik. In der Wiederholung an sich liegt schon Unwahrheit. Jeder Tag, an dem man nicht urteilt, ist ein gewonnener Tag. Die Menschen in Oberhavel haben sich als äußerst kommunikativ und verbindlich herausgestellt. Meine Beziehung zu den Leuten geht bis heute weit über das Buch hinaus. Den Großteil Ihrer teilnehmenden Beobachtung verbrachten Sie mit den Mitgliedern der Band »5 Teeth Less«: Raoul, Eric, Rampa und Crooner. Was macht deren Freundschaft aus? Die heißen in echt Paul, Carl, Drüse und Spooner. I love the names! Der Ort und die Band hält diese Jungs zusammen. Wichtig
unverzweifelt und untrostlos auf mich. Paul arbeitet jetzt sogar wieder. Es gibt so großartige Sätze in Ihrem Buch wie: »Alkoholiker: Kopfschmerzen habe ich heute. Weiß gar nicht von was. Vielleicht vom Fahrrad fahren ohne Mütze.« Genauso gefallen! Riesig! (Lacht.) Sowas hab ich gerne. Kann ich nicht genug hören. Das ist ja auch der Sinn, dass man einfach diesen Bla abschreibt. Es heißt, in Oberhavel leben nur drei Schwarze. Der Ethos der Jugend bleibt der Rechtsradikalismus – wie passt das zusammen? Ich habe dort alles andere als einen Naziort gefunden. Aber die Leute, mit denen ich rumhing, sagten von sich selbst, sie seien früher Nazis gewesen. Dabei war das echt
»Jeder Tag, an dem man nicht urteilt, ist ein gewonnener Tag.« Für die Recherche verbrachte er drei Monate in der brandenburgischen Provinz Zehdenick alias »Oberhavel« – irgendwo zwischen Hartz IV-Avantgarde und dem Witz des Dahingelaberten. MORITZ VON USLAR über sein neues Buch »Deutschboden/Eine teilnehmende Beobachtung«. Das Gespräch führte Catharina Tews — Foto von Cora-Mae Gregorschewski
lich auch keiner. Das musst du schreiben! (Lacht.) Der Proll ist mit seiner eigenen Selbstinszenierung so sehr beschäftigt, dass es ihn praktisch nicht mehr gibt. Wie haben Sie das hinbekommen, keine Stereotypenreportage zu schreiben? Ich wollte einfach kein scheiß PlattenbauTourist sein – der tausendste, der da mit der berühmten Reporter-Neugier und ganz viel tollem Verständnis gucken kommt, was die tätowierten Assi-Kids so treiben. Besser: sich einfach an die Theke mit hinstellen, mitsaufen, die Klappe halten, sehen, was
Info
Moritz von Uslar, 40, ist der Erfinder der legendären »100 Fragen an...«-Interviews der Süddeutschen Zeitung. Er war Redakteur beim SPIEGEL und schreibt heute für die ZEIT die Beiträge »99 Fragen« und »Freitagnacht«. Nach Theaterstücken und einem Roman ist »Deutschboden« sein aktuellstes Buch.
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ist die Band natürlich auch deshalb, weil die Arbeit wenig taugt und auch sonst Wenig taugt. Alle die Jungs, die ich beschreibe, sind in der Kneipe Schröder zu Oberhavel großgeworden – ein fast mystischer Ort: Hier spielen sich am Freitagabend wahre Western-Szenen ab. Paul, der selbst Hartz IV bezieht, definiert den typischen Hartz IV-Empfänger als »dreckigen Hund, dicke Alte dazu, zwei Kinder und immer versoffen.« Reden sich alle ein, sie wären anders? Der Hartz-IV-Empfänger an sich nimmt sich immer als den untypischen Hartz-IVEmpfänger wahr. Der sagt: »Das ist nur ein Übergang bei mir, ich hab mit den Assis nichts zu tun«. Und logischerweise gibt es auch unter Hartz-IV-Empfängern verschiedene Stufen der Selbstwahrnehmung, aber auch des sozialen Absturzes. Das gehört zur Selbstbehauptung und zum Selbstschutz. Die Jungs aus der Band wirkten extrem
schwierig, meinten sie. Man wollte immer Ausländer hassen, es waren aber irgendwie gar keine da. Das sagten sie mit einem Lächeln und einem Kopfschütteln. Warum sie aufgehört haben? »Na ehrlich gesagt, wollten wir endlich mal wieder einen Döner essen.« Find ich so gut! (Lacht.) Das sagt mehr über die Nazizeit aus als viele lange Aufsätze. Ohne etwas verharmlosen zu wollen, erklärt es, was Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern damals auch sein konnte: ein Style, eine Jugendkultur, einfach die letzte Möglichkeit, seinen Eltern auf die Nerven zu gehen. Sie haben es selbst so beschrieben: »Es ging darum, dass man die Straße runtergelaufen ist und die Leute den Bürgersteig gewechselt haben.« Und wenn wir das so sagen, dann sind wir da, wo jede Jugendkultur seit Rockabilly, seit den Teds hin will: Leute erschrecken. Ein Alptraum sein.
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Titelthema: Heimat
Uslar erzählt von seinen Erfahrungen in der Kleinstadt, einer anderen Welt, an die er sich gewöhnen könnte.
Welche Rolle spielt die Heimat in der Provinz? Es gibt eine ganz starke Verbundenheit zu der Kleinstadt und der Region. Die Einwohner werden da auch im Zweifelsfall nicht weggehen. Kennen jeden Baum, jedes Haus, jeden Typen, haben zu allem ne Geschichte. Ich als Reporter habe keine Heimat. Für mich ist Heimat so ein abstrakter Begriff wie Freiheit. Ich bin in Köln geboren, bin dann in Berlin aufgewachsen, dann ins Internat im Schwarzwald, später Hamburg, München und seit zehn Jahren bin ich wieder in Berlin. Einen Ankerpunkt im wörtlichen Sinne habe ich nicht. Um es kitschig zu sagen: Ich bin heimisch im Film, in der Literatur, in der Popkultur, im Lebensstil. Ich brauche keine Heimat, weil ich sie so nicht kenne. Gleichzeitig wirkt sie natürlich wahnsinnig attraktiv auf mich. Ein Zuhause zu haben, wie die Jungs es mir vorgelebt haben, finde ich unheimlich schön. So eine Ruhe liegt darin. Königlich. Rumgammeln an der Tanke und angeheiterte Autorennen – irgendwie hört sich das aus Ihrem Mund alles ganz romantisch und dufte an? Das kommt daher, weil ich es auch wirklich als dufte und romantisch erlebt habe. Ich bin ja Fan von diesem Leben da. Es hat Furios 06/2011
Würde und Humor. Ich schaue voller Respekt darauf und ich kann wirklich irre gut nachvollziehen, warum die so leben. Man kann sich nicht aussuchen, wie man lebt. Es ist deswegen auch so ein wahnsinniger Luxus gewesen, dieses andere Leben mal drei Monate ausprobieren zu können. Mich berührt dieses Leben in Oberhavel, in der Kleinstadt, mehr als ein luxuriöses Leben. Ich überlege, ob man da nicht irgendwann mal ein Ferienhaus baut. In einem Absatz fragen Sie sich, ob die Randexistenzen der Gesellschaft in Wahrheit keine Problemfälle, sondern eine Art der Avantgarde sind. Wie jetzt? Der Begriff »Avantgarde« ist keine qualitative Aussage. Er meint, dass gewisse Leute gedanklich oder im Lebensstil einer großen Entwicklung vorausgehen. Wenn man sieht, wie sich in Brandenburg Orte entvölkern und wie Leute eine Lebenspraxis entwickeln, um damit zurecht zu kommen, dann würde ich das als Avantgarde bezeichnen. Sie haben keine Arbeit, hängen in Jungsgangs miteinander rum und dabei halten sie trotzdem ihre Würde und familiäre Strukturen hoch. Ich finde diese Art des Lebens total untrostlos und in Ordnung. Ich kann hier sagen, macht mal weiter so Männer!
g Lässt sich in tzun e s t Ihrem Buch For ine auf ein tieferer onl e Sinn entdeus.d p m cken? a fu-c Hoffentlich nicht. Also ich kenne ihn nicht. Ich darf ihn nicht kennen. So wie es Rainald Goetz sinngemäß immer gesagt hat: »Aller Sinn ist Erkennen, ist Festhalten der Gegenwart.« Die Aufgabe der Literatur liegt im genauen Abschreiben der Welt, der Gegenwart, der Wirklichkeit: Hierin sehe ich meine Aufgabe. Was im Alltag dieses Landes passiert, das ist das Dramatischste, Irrste, Überraschendste und gleichzeitig Poetischste, was ich als deutscher Autor beschreiben kann. Das im O-Ton festzuhalten und literarisch zu verdichten, was in gutgehenden Lokalen in Zehdenick um halb zwölf mittags beim fünften Pilsbier besprochen wird – gut, das ist der Traum. Schöner wird es nicht.
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Catharina Tews studiert Spanisch und Publizistik. Sie wird diesen Sommer ihr erstes Pils bei Schröder trinken gehen.
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Titelthema: Heimat
Kairo calling In Ägypten bricht die Revolution aus – alles über Nacht. Die Studentinnen Hend und Masouda müssen in Berlin mitverfolgen, was in ihrer Heimat passiert, abgeschnitten von ihren Familien. Von Michael Wingens und Filip Tuma. Fotos von Sarah Ungan.
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Titelthema: Heimat
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gypten ist stabil. Das dachten zumindest alle. Doch Tunesiens Regierung war gerade erst gestürzt, als ein Facebook-Mitglied unter dem Pseudonym ElShaheed zum Protest aufrief: »Kommt zum Tahrir-Platz, am Samstag dem 25. Januar.« Die Nachricht verbreitete sich über die sozialen Netzwerke wie ein Lauffeuer. Innerhalb weniger Tage versammelten sich tausende Menschen in mehreren ägyptischen Städten und demonstrierten für Freiheit und Reformen. Auch für Hend Labib waren die Unruhen eine Überraschung. Jäh wurde sie aus ihrem Alltag an der Freien Universität gerissen. Die junge Ägypterin studiert Politikwissenschaft am Otto-SuhrInstitut. Was sie hier nur in der Theorie behandelt, wurde in ihrer Heimat plötzlich Realität. Hend wuchs in der Nachbarschaft des Tahrir-Platzes auf, der als Ausgangspunkt der Revolution zum Symbol für den arabischen Frühling wurde. Wenn sie nun die Berichte von den Straßen Kairos in den Medien verfolgt, dann sieht sie keine exotischen Plätze voller Demonstranten und Sicherheitskräfte, sondern Schauplätze ihrer Kindheit, wo ihre Familie noch immer wohnt. Die 24-jährige Masouda Stelzer ist Tochter eines deutschen Einwanderers. Zum Studieren ist sie nach Berlin gekommen. Viele ihrer Schulfreunde und Bekannte protestierten auf dem Tahrir-Platz gegen das Regime. Nichts konnte sie einschüchtern. Sie wichen auch nicht, als der Innenminister Scharfschützen postieren ließ und die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas auf sie losging. Masouda macht sich aber nichts vor. Sie ist sich bewusst, dass die Bewegung von einer privilegierten Jugend angetrieben wird. Anders als die Menschen, die am meisten unter dem Regime litten, haben sie die Zeit, Proteste zu organisieren und Zugang zu höherer Bildung. Gerade deshalb sehen sich die jungen Ägypter in der Verantwortung dafür zu kämpfen, auch den Ärmsten eine Perspektive zu geben – bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 30% keine einfache Aufgabe. »Das Mubarak-Regime hat zu lange versäumt, das Land zu reformieren. Jetzt hat sich der Unmut darüber entladen«, fasst Masouda die Situation zusammen.
• Während sich der Druck auf den Straßen erhöhte, standen für Hend schlaflose Nächte bevor. Das Regime kappte sämtliche Kommunikationswege. »Ich hatte keine Möglichkeit mehr, meine Familie in Kairo zu erreichen, weder über Telefon noch per Internet.« Unterdessen rollten wenige Schritte vom Arbeitsplatz ihrer Mutter Panzer auf. Die Lage in Kairo eskalierte. Zur gleichen Zeit konnte Hend in Berlin lediglich Videozusammenschnitte im Internet verfolgen. Hend und Masouda war klar, dass sie sofort in ihre Heimatstadt zurückkehren mussten. Zu Tatenlosigkeit verdammt zu sein, während zuhause alles aus den Angeln gehoben wird, war für beide schwer zu ertragen. Schließlich waren es
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ihre Mütter, die sie davon abhielten, nach Ägypten zu kommen. Masouda erinnert sich: »Meine Mutter sagte mir immer wieder, es wäre gar nichts los.« Dabei war allen klar: Die Realität sah anders aus. Es gab massenhaft Überfälle und Plünderungen. Die Untätigkeit der Polizei war Kalkül des Regimes. »Ohne uns versinkt ihr im Chaos« lautete die Botschaft. Eine Drohgebärde, auf die sich die Bevölkerung nicht einließ. Sie bildete eine Bürgerwehr, um die Straßen und Geschäfte zu sichern. Masoudas Bruder, gerade erst achtzehn geworden, half Straßensperren zu errichten, um Plünderer aufzuhalten, während Hends Vater jede Nacht mit dem Gewehr in der Hand in der Nachbarschaft patroullierte. Derweil erreichte die revolutionäre Stimmung vom Tahrir-Platz auch Berlin. Dutzende demonstrierten vor der ägyptischen Botschaft und am Brandenburger Tor. Hend war oft dabei. »Ich hatte aber nicht das Gefühl, einen echten Beitrag zu leisten«, sagt sie. Die Anspannung entlud sich erst in dem Moment, als klar wurde: Mubarak war zurückgetreten. Jubel brandete auf am Brandenburger Tor.
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Mittlerweile sieht Masouda die Dinge nüchterner. »Ob das mit der Demokratie klappt, ist für mich die große Frage. Ein Regime ist schneller abgeschafft, als ein neuer Staat errichtet«, sagt sie. »Die Bevölkerung hat zwar eine Chance, sich neu zu orientieren, doch die Menschen sind sehr ungeduldig und fordern sofortige Ergebnisse.« In Ägypten stellt die Armee inzwischen eine Übergangsregierung, für den Herbst sind Neuwahlen geplant. Kritiker wie der Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei halten das für verfrüht. Den Parteien bleibe zu wenig Zeit, sich zu organisieren. Gespräche über Politik stehen in Kairo nun an der Tagesordnung. »Vor der Revolution waren alle Fußballexperten, nach der Revolution sind alle Politikexperten,« fasste es eine Freundin Masoudas zusammen. Fürs erste hat das Militär die Zügel in die Hand genommen und begleitet den politischen Wechsel. Die Sorge ist groß, dass der erfolgreiche Regime-Sturz nicht zu echten Reformen führt und der Umschwung versiegt. Neue Proteste formieren sich. Doch unabhängig davon, was in den nächsten Monaten geschieht, sind die beiden FU-Studentinnen stolz auf das, was bereits erreicht wurde. »Früher galt die ägyptische Jugend als passiv und politikverdrossen. In den letzten Monaten hat sich das als falsch erwiesen.«
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Michael Wingens studiert Politikwissenschaft im 2. Semester und freut sich darauf, nächstes Jahr das neue Kairo zu erkunden. Filip Tuma studiert Sinologie, Politik- und Musikwissenschaft. Er beobachtet mit Neugier, wie sich in China Netzaktivisten ihren Weg bahnen.
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Titelthema: Heimat
Berlin – so nah, so fern Sie kommen um zu bleiben. Jedes Jahr wird Berlin für zigtausende junge Menschen zur neuen Heimat. Hendrik Pauli kam vor anderthalb Jahren – und fremdelt immer noch. Illustration von Rachel Edelstein.
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ch bin kein gutes Vorbild. Für einen Berlinbewohner unter dreißig gehört es sich, von dieser Stadt uneingeschränkt begeistert zu sein. Vor allem als Zugezogener, für den Großstadtluft überall sonst kaum erschwinglich ist. Berlin ist keine Stadt, Berlin ist eine Marke, die mittlerweile als Lebensgefühl Karriere gemacht hat: arm, aber sexy. Ich bin nicht uneingeschränkt begeistert. Seit fast anderthalb Jahren versuche ich, mir die Stadt zu eigen zu machen, versuche ich heimisch zu werden. Der gute Vorsatz ist da, aber gelingen will es mir nicht so richtig. Begeisterte Neu-Berliner würden meine Integration wahrscheinlich für gescheitert erklären. Eigentlich habe ich mein ganzes Leben in der Provinz verbracht. Zuerst in der westfälischen, dann einige Jahre in der fränkischen, zwischendurch auch mal ein paar Monate in Düsseldorf und Mainz, was im Grunde auch Provinz ist. Nun also Berlin, das nicht wenige für die derzeit aufregendste Metropole der Welt halten. Großstadtabenteuer in einer Stadt mit 24-Stunden-BVG und flächendeckender Billig-Gastronomie. Wie viele andere hatte auch ich meinen persönlichen Berlin-Moment. Der Moment, in dem mir klar wurde: Da will ich hin – ohne zu bedenken, dass ich dort auch leben muss. Einfach so dahinleben, das geht in Berlin nicht. Jedenfalls nicht für
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einen Binnenmigranten wie ich es bin, der nicht nur zum Studieren hier ist, sondern auch auf seinem persönlichen Kreuzzug ins Glück. Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. »Give me your tired, your poor, your huddled masses«, das ist das Liebesversprechen am Fuß der New Yorker Freiheitsstatue für alle mit einer Idee von einem anderen, besseren Leben.
Mehr als 700 Jahre organische Stadtgeschichte. Geschichte quasi über Nacht getilgt; danach dreimal die Stunde Null: 1945 Teilung, 1961 Mauerbau und 1989 Mauerfall. Berlin, die verspätete Hauptstadt, die ich vor 16 Jahren zum ersten Mal für ein paar Tage besuchte, ist also gerade erst der Pubertät entwachsen. Wer ist da schon zu wahrer Liebe fähig.
Berlin will Neuankömmlingen auch etwas besonderes bieten, aber nicht unbedingt eine Aufstiegsgeschichte. Die Stadt ist arm und will sexy sein. Das klingt halb nach Versprechen, halb nach Warnung. Ein Flirt mit allen Vergnügungssüchtigen, mehr aus Verlegenheit, denn aus Überzeugung. Ich habe meine Flegeljahre längst hinter mir. Ich will nicht mehr flirten, sondern eine ernsthafte Beziehung, ein Glück, das länger hält, als die nächste Trendblase.
»Die Stadt gibt dir nichts«, sagt der Schriftsteller Maxim Biller, »sie nimmt nur.« Vor zwei Jahren hat der Filmmacher Igor Paasch den Autor und andere Lokalprominente für seine Dokumentation »Willkommen in Berlin« zu ihrem BerlinGefühl befragt. Das reicht von seliger Verzückung bis blanker Verachtung. Berauscht sein, angewidert sein, verliebt sein – jede Empfindung ist oft nur eine Straßenecke entfernt.
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Wer sein Glück machen und wer der Stadt etwas abtrotzen will, der muss sie mögen. Er muss sie verteidigen gegen ungerechtes Urteil und wenn er es wirklich ernst meint, muss er ihr irgendwann auch seine Liebe erklären. Doch Liebe wird nur gegenseitig oder sie wird gar nicht.
Man muss Ringen mit der Stadt, weil sie mit sich selbst ringt. »Frag die Leute aus New York, wo sie glauben, dass gerade alles passiert«, sagt Biller. Ich will gar nicht in New York nachfragen, sondern in Passau, Bonn und Braunschweig. Und ich will dabei in glänzende Augen sehen. Weil Berlin ihnen gefällt und nicht nur, weil sie leicht zu beeindrucken sind.
Mit 3,4 Millionen Menschen teile ich diese Stadt, mit hundertzwanzigmal mehr als der Kleinstadt, aus der ich komme. Besonders viel Liebe kann ich wohl nicht erwarten. Wenn überhaupt.
Paris ist die Diva, Moskau die Hure und New York die Stadt, die niemals schläft. Was ist Berlin? Die Metropole mit den meisten innerstädtischen Grünflächen? Das
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Titelthema: Heimat
Wie sagt er es ihr bloß: der Mensch und seine Stadt.
wäre eine ehrliche Marke. Patenschaften für Baumscheiben, Gemeinschaftsgärten auf dem Tempelhofer Feld und demnächst die erste Urban Farm auf einem Dach über der Stadt. Das ist die Versöhnung von Landkommunenhippies und grüner Bürgerlichkeit. Das klingt nett, aber nicht nach Weltstadt.
ihr Kabinett könnten eigentlich von einem beliebigen Ort aus über meinen Bildschirm flimmern. Mir fehlt jegliches Gefühl, dass alles nur ein paar Kilometer entfernt stattfindet.
Ich habe nicht das Gefühl, hier fehl am Platz zu sein – noch nicht. Wahrscheinlich auch, weil die Stadt jemanden, der auf der Suche ist, mit ihrer sich wandelnden Kulisse jederzeit neu verführen kann. So bin ich zur einen Hälfte der Dauertourist und zur anderen der Stadtaffe, den Peter Fox so kraftvoll-rotzig besang, der »die Stadt im Blut haben muss«.
Berlin ist weder im besseren Sinn quirlig noch im schlechteren Sinn gehetzt. Aber wo sonst kann man als junger Mensch mit überschaubarem Budget an einem Ort sein, wo sich das Leben so schnell dreht wie in Berlin. Die 25-jährige Autorin Juleska Vonhagen hat in ihrem Buch »Groß.Stadt.Fieber« 33 Geschichten von jungen Berlin-Einwanderern aufgeschrieben. »Nach Berlin zieht man nicht um, man geht nach Berlin«, schreibt sie. »Du willst was erleben, spüren, dass du in Berlin lebst«, erzählt Hannah, die Tanzlehrerin aus Wattenscheid, in einem Kapitel. Darum trifft sie sich mit einem mäßig attraktiven amerikanischen Schriftsteller, der eine Deutschnachhilfe sucht. Nach ein paar Mi-
Doch nicht alles, was man im Blut hat, wirkt berauschend. Vieles betäubt bloß. Den warmen Dunst aus Öl und Stahl, den ich als Berlinbesucher in den U-Bahnhöfen förmlich aufgesogen habe, rieche ich schon lange nicht mehr. Oft spielt sich mein Leben tagelang zwischen Wohnung, U-Bahn und Hörsaal ab. Die Bundeskanzlerin und
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nuten ungelenken Smalltalks landen sie im Bett. Diese Art von Vergnügungssucht ist mir fremd und soll es auch bleiben. Ich will etwas Dauerhaftes. Ein Freund sagte mir einmal: »Wenn im ersten Monat auch nur die kleinste Missstimmung aufkommt, dann kannst du eine Beziehung eigentlich vergessen. Dann wird das nichts mehr.« Die Frist ist schon seit langem vorbei. Es gab schöne Momente, aber gehadert habe ich auch. Wenn wir uns aber die ganze Zeit nur taxiert und gar nicht richtig aufeinander eingelassen haben, dann stünde unser erstes Rendezvous noch bevor. Es ist Sommer. Berlin, fass dir ein Herz, oder ich geh’ nach Braunschweig.
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Hendrik Pauli studiert Politikwissenschaft. Nebenbei lernt er Plattdeutsch, um seine Verwandten beim nächsten Heimatbesuch zu beeindrucken.
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* 40.000 Menschen verirrten sich an die Freie Universität. 4 von ihnen haben wir aufgestöbert.
40 000* »Ich sehe mich als Europäer« Benjamin, 23, ist Franzose und studiert Geschichte und Philosophie. Seit April 2011 ist er Vizepräsident des Internationalen Clubs und leitet dort den Deutsch-Spanischen Stammtisch. Was für mich Heimat ist? Das ist eine schwierige Frage, weil ich denke, dass ich nicht der typische Franzose bin. Vor vier Jahren bin ich nach Berlin gekommen, um Deutsch zu lernen. Ich wollte Erfahrungen im Ausland sammeln. Mein Studium in Paris habe ich abgebrochen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mein ganzes Leben in Frankreich zu verbringen, ohne eine Fremdsprache zu können. Ich bin vor allem an dem Austausch zwischen Studenten aus unterschiedlichen Kulturen interessiert. Als Dolmetscher begleite ich deutsch-französische Jugendbegegnungen. Ich habe auch ERASMUS in Madrid gemacht und habe Spanisch gelernt. Ich sehe mich als Europäer und ich bin für das Konzept Europa. In Berlin fühle ich mich heute heimisch. Ich habe mir hier was aufgebaut und mir teilweise die deutsche Kultur angeeignet. Manchmal fühle ich mich aber immer noch fremd – wegen der Sprache. Am Anfang habe ich mich nach jedem Seminar unverstanden und wie ein halber Mensch gefühlt. Meine Kultur und meine Sprache prägen mich. Ich denke wie ein Franzose. Aber das heißt nicht, dass ich mich in Frankreich wohler fühle als in Berlin. Heimat bezieht sich für mich nicht auf einen Ort, sondern auf eine Wertvorstellung.
Weniger Tabus und fades Gemüse Saki Kojima, 21, studiert für ein Jahr Germanistik an der FU. Hier sieht sie ihre japanische Heimat mit anderen Augen. Nach Berlin zu kommen war ein Kulturschock. Küssen in der Öffentlichkeit, das macht man in Japan nicht. Mittlerweile schätze ich es aber, dass das Leben hier mit weniger Tabus behaftet ist. Seit Ende des schrecklichen Winters fühle ich mich sogar wohl in Berlin. Schade nur, dass nicht alle Deutschen so offen sind. Ich bin vor allem mit Austauschstudenten befreundet. Das Bewusstsein für meine japanische Herkunft ist durch meinen Aufenthalt hier stark gewachsen. Vor allem durch die Atom-Katastrophe in Fukushima. Ich verfolge die deutschen und japanischen Medienberichte und kann die Passivität in meinem Land nur schwer nachvollziehen. In Deutschland wird die Meinung offener und mit weniger Rücksicht auf Hierarchien geäußert. Die Diskussionskultur an der Uni zum Beispiel war neu für mich. Das werde ich vermissen. Trotzdem freue ich mich auf meine Rückkehr nach Japan, auf meine Familie, Freunde und auf gut gewürztes Gemüse. Ich bin überzeugt, dass mich zu Hause ein erneuter Kulturschock erwartet!
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Notiert von Eliese Berresheim, Margarethe Gallersdörfer, Jonna Lüers und Valerie Schönian. Fotos: Cora-Mae Gregorschewski
»Ich hab einen groSSen Stein« Doris, 25, studiert Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Afrika an der FU und Kultur und Religion an der HU. I bin jetza des fünfte Joar in Berlin, aber man hört immer no’ deutlich, wo i herkomm, also aus Regensburg in Bayern. Um halbwegs Hochdeutsch zu sprechen, muss ich mich schon ganz schön anstrengen. Ursprünglich komme ich aus einem Dorf mit sieben Häusern. Das ist der Ort, wo ich zur Ruhe komme. Heimat finde ich als Begriff schwierig. Für mich sind das kleine Dinge, die ein Kindheitsgefühl hervorrufen. Zum Beispiel Rinde vom Baum. Ich bin früher gern auf Bäume geklettert und wenn ich heute einen Ast anfasse, dann merke ich: Das habe ich schon hundert Mal gemacht. Mir ist es wichtig, dass ich Dinge von zu Hause um mich habe. Ich habe einen großen Stein mit nach Berlin genommen, auf dem ich früher immer gesessen bin. Der liegt jetzt in meinem Zimmer. Vom Freundeskreis her fühle ich mich eher in Berlin zu Hause. Aber zu sagen, ich bin in Berlin daheim, das geht irgendwie nicht. Schon allein, weil die Leute mir das nicht abkaufen würden. Die meisten, die mich hören, denken, ich bin erst seit ein paar Tagen hier! Was ich neben dem Dialekt mit meiner Heimat verbinde: ich brauche irgendwas, das den Horizont zustellt. Im Flachland, so ganz ohne Berge oder Hügel, werde ich unruhig. In der Stadt geht das aber. Schon witzig, wahrscheinlich können mir hohe Häuser die Berge ersetzen.
»Heimat ist wie Mami« Dima, 20, studiert Wirtschaftswissenschaften. Er schätzt sich glücklich, zwei Heimaten zu haben. Ich komme ursprünglich aus der Ukraine. Mit sechs Jahren bin ich mit meinen Eltern nach Magdeburg gezogen. Dort bin ich aufgewachsen, jedoch mit ukrainischem Pass. 2007 habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Dreieinhalb Jahre später wurde sie mir durch den Magdeburger Oberbürgermeister überreicht. Magdeburg war schon meine Heimat, bevor ich die Staatsbürgerschaft bekam. Um ein Stück Papier gegen ein anderes zu tauschen, musste ich viel Zeit und Geld investieren. Jetzt habe ich sie, na und? Ich kann jetzt eben wählen gehen. Meinen Alltag tangiert das nicht. Trotzdem bin ich stolz. Vorher war ich auf Zeit hier. Jetzt habe ich alle Rechte und kann nicht zurück geschickt werden. Das gibt mir Sicherheit. Heimat ist für mich der Ort, an dem ich groß geworden bin. Es ist wie mit Mami: Sie geht einem nie auf die Nerven. Für mich ist das Magdeburg. Aber auch die Ukraine. In dieser Hinsicht bin ich doppelt glücklich. Seit eineinhalb Jahren lebe ich in Berlin. Aber meine Heimat kann ich es noch nicht nennen.
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Politik
»Politiker sind realitätsfern« Präsident Peter-André Alt über die Berliner Hochschulnovelle, Schleudersitze im Turbostudium und warum er gerne mal Politiker wäre. Das Gespräch führten Jonas Breng und Björn Stephan. Fotos von Cora-Mae Gregorschewski. Herr Alt, mal ehrlich, brauchte Berlin überhaupt ein neues Hochschulgesetz? Juristen sagen immer, Gesetze sollen das Nötigste regeln, aber nicht jedes Detail. Insofern hat das Gesetz eine Tendenz zur Überregulierung. Die Novellierung ist ein Vorhaben vom Anfang der Legislaturperiode, das dann erst einmal auf die lange Bank geschoben wurde. Was jetzt entstanden ist, ist ein Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern, der zum Ende der Legislaturperiode noch verabschiedet werden sollte. Sie waren einer der größten Kritiker der Novelle. Bildungssenator Zöllner hat das Gesetz auch gegen Ihren Widerstand durchgeboxt. War es ein politischer Alleingang? Nicht ganz. Vieles, was ärgerlich ist, bleibt leider bestehen. Letzten Endes haben wir aber auch in einigen Punkten Verbesserungen erreicht. Es ist beispielsweise nicht mehr nötig, Prüfungsordnungen der Senatsverwaltung vorzulegen, wenn sie neu
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geschrieben werden. Das ist ein gewisser Fortschritt, den wir mit Mühe und Not ausgehandelt haben. Sie verbuchen den Ausgang nicht als persönliche Niederlage? Nein. Wir waren realistisch. Von Anfang an war klar, dass die Koalitionsfraktionen SPD und Linke die Novelle gemeinsam tragen – zwischen die beiden passte kein Blatt. Warum haben Sie die Studierendenvertreter dann nicht mit ins Boot geholt? Selbst Ihr Vorgänger Dieter Lenzen – nicht gerade als Freund der Studierenden bekannt – hatte zu Demonstrationen aufgerufen. Ich bin der Meinung, dass einige Zielsetzungen der Studierendenvertreter nicht richtig sind, zum Beispiel was die Zwangsexmatrikulation betrifft. In anderen Punkten wie der Einführung von Lehrprofessuren waren wir einer Meinung. Deshalb haben wir dazu im Akademischen
Senat auch drei gemeinsame Resolutionen verabschiedet. Aber bei der letzten AS-Sitzung haben Sie verhindert, dass der Demonstrationsaufruf in die Resolution aufgenommen wurde. Jeder kann zu einer Demonstration gehen. Ich möchte dem aber nicht so ein Gewicht geben. Wir haben im AS über die einzelnen Punkte gesprochen. Am Tag der Verabschiedung des Gesetzes konnten die studentischen Proteste keinen Ausschlag mehr geben. Wenigstens in Sachen Überregulierung waren Sie sich mit den Studierenden einig, blieben aber ungehört. Wurden der Hochschulautonomie durch die Novelle die Flügel gestutzt? Ja, auf jeden Fall. Das ist der wesentliche Aspekt, bei dem das Gesetz in die falsche Richtung läuft. Denn die Botschaft, die davon ausgeht, ist falsch. Die lautet nämlich: Wir vertrauen euch nicht, deshalb müssen wir alles möglichst genau regeln.
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Politik
Was bedeutet die Hochschulnovelle aus Ihrer Sicht konkret für die Studierenden? Ich nenne ein paar Beispiele. Erstens soll die Wahlfreiheit im Studium verbessert werden. Für die Bachelorstudiengänge ist das ganz klar ein Gewinn. Zweitens gibt es eine große Entlastung bei der Benotung. In Zukunft sollen in der Regel drei Viertel der Leistungen benotet werden, das heißt, es wird nicht mehr jedes Modul benotet. Gerade in der Studieneingangsphase ist das wichtig. Diese Entscheidungen müssen jetzt in den einzelnen Fachbereichen umgesetzt werden. Einer der Hauptkritikpunkte der Studierenden waren die Zwangsexmatrikulationen. Hat das Turbostudium nun auch noch einen Schleudersitz bekommen? Nein. Sie müssen sich mal überlegen, was das für Wenn-dann-Konstruktionen sind. Erst muss eine Studienvereinbarung geschlossen werden, die besagt: »Du musst innerhalb von drei Semestern bestimmte Anforderungen erfüllen.« Nur wenn Sie nicht einmal ein Drittel der Zielsetzung erreichen, würden Sie zu einer Studienberatung eingeladen werden. Und auch nur falls man dieser Einladung nicht nachkommt, würde eine Exmatrikulation drohen. Das ist ein sehr unwahrscheinlicher Fall. Ich glaube, dass Beratungen dabei das richtige Mittel sind. Ich habe in meinem Leben mindestens tausend Studienberatungen durchgeführt und die Betroffenen haben das als sehr sinnvoll empfunden. Aber ist es nicht dennoch eine subtile Kriegserklärung an die sogenannten Bummelstudenten? Ja. Bei der Formulierung stimme ich Ihnen zu. Aber das ist auch in unserem Sinne. Wir werden vom Land finanziert für Studienerfolg. Es ist unsere Aufgabe, gut zu betreuen und zum Erfolg zu führen. Bei den Teilzeitstudiengängen zaudern Sie auch. Muss eine fortschrittliche Uni solche Angebote nicht bereitstellen? Darüber streite ich mich auch mit Ihren Kommilitonen im Akademischen Senat. In der modernen Lebenswelt muss man solche Angebote unterbreiten – das stimmt. Es gibt viele Menschen, die berufstätig sind und die das Studium nicht in Vollzeit realisieren können. Aber es gibt einfach Studiengänge, die sich nicht in Teilzeit studieren lassen. Ist Herr Zöllner in dieser Hinsicht realitätsfern? Auch Herrn Zöllner fließen die Mittel nicht wie Milch und Honig zu, er hat nur begrenzte Möglichkeiten.
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Ein ähnlich kritischer Punkt bleibt die Einführung der Lehrprofessuren. Warum wehren Sie sich nach wie vor dagegen? Ich habe mich vor allem vehement gegen die Einführung des Typus des wissenschaftlichen Mitarbeiters für die Lehre ausgesprochen, weil der Nachwuchs immer in beiden Bereichen, also auch in Forschung, qualifiziert sein muss. Bei Lehrprofessuren würde ich mich für moderate zwölf Stunden Lehre pro Woche aussprechen. Das sollte das Limit sein. Wir sind ja keine Fachhochschule. Wozu diese Zurückhaltung? Wir befinden uns da in einem Zwiespalt. Wir wollen die Besten berufen und werden Probleme haben, wenn wir zu viele Lehrprofessuren ausschreiben, weil sie einfach nicht attraktiv für die Wissenschaftler sind. Bei zwölf Stunden Lehrdeputat findet man keine guten Naturwissenschaftler. Und wir können doch froh sein, wenn wir die herausragenden Leute überhaupt bekommen und sie nicht in die Welt gehen – das bringt doch auch den Studierenden was. Ist der Ton zwischen der Politik und den Hochschulen nun rauer geworden? Nein, das war in Berlin schon immer so. Wobei wir in vielen Punkten auch eine gemeinsame Linie haben. Wir wollen den Senator ja nicht brüskieren. Er unterstützt uns gegenüber dem Finanzsenator und vertritt uns über die Grenzen Berlins hinaus bei der Kultusministerkonferenz. Was denn nun? Ist Zöllner Verbündeter oder Gegner? Zöllner ist ein Verbündeter und Kenner der Hochschulen. Schwierigkeiten macht
er nur dann, wenn er zu viele Detailregelungen vornehmen will. Warum tut er das? Herr Zöllner weiß, dass die drei Berliner Universitäten unter schwierigen Rahmenbedingungen vorzügliche Arbeit leisten. Aber als Ressortchef muss er auch die Forderungen des Koalitionspartners berücksichtigen. Vieles an der Hochschulnovelle war Wunsch der Linkspartei. Er kann ja nicht alles allein durchsetzen. Sie haben gesagt, Politik sei nichts für Sie. Aber wollen Sie Zöllner nicht mal zeigen, wie man es richtig macht und einfach tauschen? Rollentausch ist immer interessant, das sollte man viel öfter machen. Das bemerke ich schon, wenn ich im Hörsaal sitze, anstatt vorne zu stehen. Wir könnten ja mal eine Woche tauschen. Auch für eine ganze Legislaturperiode? Nein, das wäre zu lang. Es ist zwar eine interessante Aufgabe, aber man braucht ein hohes Frustrationspotential. Die Lebendigkeit der Hochschule würde mir fehlen – obwohl bestimmt auch die SPD sehr lebendig sein kann.
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Jonas Breng studiert Politikwissenschaft im 4. Semester und leitet in seiner Freizeit Kochkurse für Paare. Björn Stephan hat ein halbes Jahr lang Waisenkinder in Ghana gehütet. Bis Oktober schlägt er sich mit Praktika durch, dann wird wieder studiert – diesmal an der HU.
»Bei zwölf Stunden Lehrdeputat finden sie einfach keinen guten Naturwissenschaftler«. Peter-André Alt über die Lehrprofessuren.
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Politik
Atemnot im Hörsaal Die Doppeljahrgänge kommen! Wegen eindimensionaler Umsetzung des Hochschulpaktes müssen auf dem Campus in Zukunft alle etwas enger zusammenrücken. Von Matthias Bolsinger. Illustration Stephan GaRin.
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ehr Bildung, mehr Leistungsfähigkeit, das war das Ziel. Vor vier Jahren beschlossen Bund und Länder den »Hochschulpakt 2020«, um das Studienangebot der steigenden Nachfrage anzupassen. Ab Herbst drängen die doppelten Abiturjahrgänge an die Universitäten. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht fehlt eine wichtige Entlastung. Den Universitäten drohen Engpässe. Noch in diesem Jahr sollen 1500 Studienplätze in Berlin geschaffen werden. Auch die Freie Universität stockt auf, auf den ersten Blick. »Die Aufnahmekapazität wird zeitlich befristet erhöht«, heißt es im feinsinnigen Verwaltungssprech. Nur so würden die Finanzierungshilfen des Bundes für Berlin bis 2013 gesichert. Mehr voll finanzierte Studienplätze wird es an der FU also nicht geben. Doch man bleibt gelassen. »Wir haben gelernt, wie man mit der Situation der Überlastung umgeht«, äußerte Präsident Peter-André Alt in der »Berliner Zeitung«. Sollten einzelne Fachbereiche mit dem Andrang überfordert sein, hat die Hochschulleitung zusätzliche, temporäre Mittel zugesagt. Das Schiff scheint auf Kurs. Doch da könnte der Käpt’n die Rechnung ohne die Matrosen gemacht haben. Die Verantwortlichen für die Umsetzung des Hochschulpaktes scheinen auf einem Auge blind zu sein, denn mit höherer Aufnahmekapazität allein ist nichts getan. Das werden sowohl die »alten Hasen« als auch die FU-Frischlinge zu spüren bekommen, denn für Lehrräume, Mensen und Wohnheime sind keine Mittel des Hochschulpaktes vorgesehen. »Immerhin müssen wir keine Container aufbauen, um den Ansturm der Doppeljahrgänge zu bewältigen«, so FU-Präsident Alt mit Blick auf die Raumkapazitäten. Obwohl die Raumkapazitäten Matthias Bolsinger studiert Politikwissenschaft und ist gespannt, wie solidarisch sich die FU in Engpässen wirklich erweisen wird.
anscheinend noch nicht ausgeschöpft sind, zeigt die Lernrealität der Studierenden ein anderes Bild. Schon jetzt verfolgen viele die Vorlesungen vom Boden aus. In Zukunft wird man zusammenrücken müssen auf dem Campus. Das wird Auswirkungen auf den Alltag der Studierenden haben: »Die Fachbereiche sind gehalten, die räumliche Kapazität auch in sogenannten Randzeiten voll auszunutzen«, heißt es von zentraler Stelle. Im Klartext: Mehr Veranstaltungen zu unbeliebten Zeiten, auch samstags. Besonders hart wird es die jobbenden Studierenden treffen. Auch Studierende mit Kind werden umdisponieren müssen. An chronischer Überfüllung werden nicht nur die Lehrveranstaltungen leiden. Noch garantiert die Mensa in der Silberlaube auch zu Stoßzeiten jedem einen Platz. In der Veggie-Mensa sieht das anders aus: Lange Schlangen an der Ausgabe und zur Neige gehende Gerichte. Freie Platzwahl hat man dort schon lange nicht mehr. Das Studentenwerk mahnte bereits vor vier Jahren, im Hochschulpakt würden die Mittel für soziale Infrastruktur fehlen – vergeblich. Das letzte Wohnheim wurde vor zehn Jahren eröffnet. Seither ist die Zahl der freien Wohnheimplätze stetig zurückgegangen. Insgesamt sind es zu wenige für eine Studentenstadt wie Berlin, in der günstiger Wohnraum immer knapper wird. Nicht nur in den Hörsälen heißt es Zusammenrücken.
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Einsamer Protest Beim neuen Berliner Hochschulgesetz stand viel auf dem Spiel. Doch das Interesse daran blieb erstaunlich gering. Ein Rückblick von Max Krause. Illustration Christian Güse.
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Gehört wurde Arvids Kritik aber nur von Wenigen. Zu einer zweiten Vollversammlung zum Thema kamen etwa 150 Menschen, eine leichte Steigerung immerhin. Doch Anfang Mai wurde dem Widerstand dann ganz der Wind aus den Segeln genommen. Der Grund: Rot-Rot veröffentlichte eine Änderung der Novelle, in der viele Kritikpunkte der Studierenden aufgenommen wurden. So wurden etwa die Möglichkeiten zur Zwangsexmatrikulation eingeschränkt oder der Passus zur Kürzung der Laufzeit studentischer Verträge gestrichen. Zöllner zeigte sich großherzig gegenüber den Studierenden – womöglich auch aus wahltaktischen Motiven. Furios 06/2011
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Denn auffällig ist, dass die Kritik der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten (LKRP) und des akademischen Mittelbaus am Bildungssenator abperlte. Dabei hatten sich die Universitätspräsidenten viel Mühe gegeben, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und »die Beschneidung der Hochschulautonomie«, wie LKRP-Präsident Alt erklärte, heftig angeprangert. Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter beschwerten sich über die Einführung einer neuen Stellenkategorie, die kaum noch Raum für die Forschung lässt. Doch erhört wurden nur die leisen Stimmen der Studierenden. Vielleicht steckt dahinter ja, dass Zöllner vor dem Hintergrund der anstehenden Abgeordnetenhauswahlen den Grünen ein Bein stellen wollte. Schließlich hatten die die Novelle bis zuletzt abgelehnt und sich so als Fürsprecher studentischer Interessen profilieren können.
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Die Änderungen für die Studierenden sind also letztlich eher kosmetischer Natur. Für Präsident Alt dagegen bleibt das Gesetz eine bittere Pille, denn seine Strategie ist nicht aufgegangen: Bis zuletzt verteidigte er die neu geregelte Zwangsexmatrikulation und machte sich so für die Studenten zu einem unmöglichen Bündnispartner. Dabei hätte ein gemeinsamer Widerstand von Präsident und Studierenden gegen Zöllners Hochschulnovelle möglicherweise viel mehr bewirken können.
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Der Kampf gegen die Novelle ist an der FU stets die Sache einiger Weniger geblieben. Arvid Peschel, damals Referent für Hochschulpolitik im AStA, war der Hauptakteur an der Freien Universität. Er und seine Mitstreiter an den anderen Berliner Hochschulen sorgten dafür, dass die schärfsten Veränderungen noch abgeschwächt wurden. Vor allem die neuen Regelungen zur Zwangsexmatrikulation, die es ermöglichen, Studenten schon vor Ablauf der Regelstudienzeit aus der Uni zu werfen, empörten Arvid. »Die Novelle widerspricht allen Forderungen nach einem selbstbestimmten Studium.«
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er Protest gegen die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes endete so, wie er begonnen hatte: leise. Gerade einmal 250 Studierende gingen am 12. Mai, als das Gesetz beschlossen wurde, auf die Straße. Das unterbot selbst pessimistische Schätzungen. »Wir schaffen es nicht mal, die ganze Straße zu füllen«, berichtete ein Teilnehmer enttäuscht. Der Schlussakkord verhallte also so ungehört wie der gesamte Protest. Dabei war die Empörung groß, als Bildungssenator Jürgen Zöllner im Januar 2011 seinen ersten Entwurf zur Hochschulnovelle vorstellte. Viele an den Universitäten fühlten sich übergangen, forderten weitreichende Änderungen. Als der Protest im Februar jedoch konkret wurde, zeigte sich ein ungleiches Bild. Während an der Technischen Universität Berlin zur Informationsveranstaltung mehrere hundert Menschen kamen, blieb es an der FU still: lediglich 30 Menschen waren bei der Versammlung in der Silberlaube anwesend. Ein einsamer Protest.
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Politik
Akademische Ängste Von Prekariat spricht man, wenn die Unterschicht gemeint ist. Hartz IV ist nicht gerade das, was man an der Uni erwartet. Doch das akademische Prekariat ist bittere Realität. Von Katharina Hilgenberg. Foto von Christian Güse.
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va Lahnsteiner schmeißt hin. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Rechtswissenschaften liebt ihre Tätigkeit. »Ich wäre überglücklich, wenn ich diese bis ans Ende meines Lebens machen könnte«, sagt die 29-jährige. Aber der Unialltag macht die zierliche Doktorandin fertig. »Wenn ich noch zwanzig Jahre bleibe, bin ich ein Psychowrack.« Die Österreicherin zieht ihre Konsequenz und will der Uni endgültig den Rücken kehren. Eva ist kein Einzelfall. Es rumort im akademischen Mittelbau, dieser heterogenen Gruppe irgendwo zwischen Studienabschluss und Professur. Wissenschaftliche Mitarbeiter, Lehrbeauftragte, Stipendiaten, die vor allem eines eint: unsichere Zukunftsperspektiven und die Angst vor dem sozialen Abstieg. Der Mittelbau trägt die Hauptlast von Lehre, Forschung und Studierendenbetreuung, vor allem da der wissenschaftliche Sektor zwischen 1992 und 2009 expandierte: Während die Zahl der Professoren in dieser Zeit um 20 Prozent stieg, gab es bei den Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter einen Zuwachs von 80 Prozent. Eine wissenschaftliche Karriere ist in Deutschland mit besonderen Risiken verbunden. Sichere Stellen unterhalb der Professur sind hierzulande selten. Britische und US-amerikanische Hochschulen hingegen bieten ihrem promovierten Nachwuchs sofort eigenverantwortliche Fünf-Jahres-Stellen mit guten Chancen auf Entfristung an. 2009 waren laut einer Studie der Hochschul-Informations-System GmbH 83 Prozent der Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mit-
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arbeiter befristet, über die Hälfte davon auf weniger als ein Jahr. Eva Lahnsteiner beklagt den enormen Druck. »Morgens wache ich auf und denke: Welche Stelle hast du in ein paar Wochen? Und: Ich muss endlich mit meiner Dissertation fertig werden! Dazu steht täglich ein Berg von Arbeit vor mir und ich weiß – das schaffe ich nie!« Eva hat eine halbe Stelle, 19,25 Wochenstunden laut Vertrag. Doch daran halten sich die wenigsten. Allein die Lehrverpflichtungen, Vor- und Nachbereitung, Studierendenbetreuung und Forschung sprengen meist den gesetzten Rahmen, ganz zu schweigen von Aufgaben, die nicht zum Stellenprofil gehören und trotzdem immer öfter von wissenschaftlichen Mitarbeitern erledigt werden: vom Kopieren, über Hotelbuchungen bis zum Catering. Dabei sollte dem Nachwuchswissenschaftler ein Drittel der Arbeitszeit zur Anfertigung seiner Promitions- oder Habilitationsschrift zu Verfügung stehen. Das tatsächliche Arbeitspensum nähert sich dem einer vollen Stelle. Nur gerüchteweise hat Eva von Professoren gehört, die die Arbeitslast den bezahlten Wochenstunden anpassen. »Das Problem der unbezahlten Überstunden betrifft 99,9 Prozent des Mittelbaus«, sagt Christof Mauersberger. Der Politikwissenschaftler ist Mitglied der
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Politik
Initiative FU-Mittelbau, in der sich auch Eva Lahnsteiner engagiert. »Wir fordern, dass die Arbeitsverträge realistischer gestaltet werden.« Die Initiative gründete sich 2009 als uniweiter Zusammenschluss des Mittelbaus. Problembewusstsein wollen sie schaffen und ein Netzwerk zur Artikulation ihrer Interessen organisieren. »Die Leute denken, sie stehen alleine da. Wir haben einen Blog eingerichtet um zu zeigen: Vielen geht es wie euch!« Die erste Aktion war ein Rundbrief, der die Situation des Mittelbaus thematisierte und mit 280 Unterschriften auf große Resonanz stieß. Daraufhin erklärte sich das Präsidium zu Gesprächen bereit. Das erste Treffen mit Präsident und Kanzler fand im Januar statt. »Mich hat wirklich überrascht, wie wenig Bewusstsein für die grundsätzlichen Strukturprobleme beim Präsidium existiert«, resümiert Mauersberger. Von Strukturproblemen mag FU-Präsident Peter-André Alt wirklich nicht sprechen. Er meint, die Universität biete hochattraktive Arbeitsbedingungen. »Wir bringen junge Menschen in eine Situation, in der sie sich unabhängig und selbstbestimmt ihre eigenen Ziele und Projekte setzen.« Natürlich verstehe er die Ängste des Nachwuchses, er war ja selbst einmal jung. Die Akademie brauche innerhalb ihrer »Qualifikationsdynamik« einen Mittelbau mit befristeten Stellen. Jeder müsse sich darüber im Klaren sein, welches Risiko er mit einer wissenschaftlichen Karriere eingehe, sagt Alt. Doch so sehr das Präsidium dies auch beschwört, manche Probleme sind mit ein bisschen Eigenverantwortung nicht zu lösen. Deutsche Universitäten produzieren seit langem einen Überschuss an Nachwuchswissenschaftlern, die auf lange Sicht keinen Platz im System haben. Doch die Entscheidung darüber, wer es letztendlich schafft, fällt spät. Nur die Berufung auf eine Professur bringt Sicherheit und ist im Durchschnitt erst mit 42 Jahren zu erwarten. Zwischen Studium und Berufung liegen Zeiten extremer Unsicherheit und häufiger Job- und Ortswechsel, die sich noch dazu mit der Phase der Familienplanung überschneiden. Was also zieht junge Menschen dennoch an die Uni? Für Eva war es der Traum von einer besseren Zukunft, sie spezialisierte sich auf Menschenrechte. »Wir sind Idealisten«, meint sie. Das wissenschaftliche Arbeiten, Schreiben und Lehren sei ein Traumjob. »Und die Professur ist immer noch eine attraktive Position«, ergänzt Christof Mauersberger. Doch die Zahl der Professuren ist eng begrenzt. Lange nicht jeder Nachwuchswissenschaftler kann darauf hoffen, berufen zu werden. Trotzdem bleibt die Professur die einzige Position im akademischen System, die die Möglichkeit bietet, unbefristet als Wissenschaftler tätig zu sein. Wer nicht berufen wird ist mit Mitte vierzig viel zu qualifiziert und spezialisiert für die freie Wirtschaft. Ein großer Teil
derjenigen, die hier aus dem System fallen, bleibt dennoch an der Uni und arbeitet als Privatdozent oder Lehrbeauftragter. Wenn sie überhaupt bezahlt werden, liegt das Honorar zwischen 800 und 1000 Euro brutto pro Seminar. Von der Möglichkeit, Lehraufträge zu vergeben, wird inflationär Gebrauch gemacht. Sie leisten zwischen 10 und 50 Prozent der Lehre. In einer Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin geben 50 Prozent an, ihre Lehrtätigkeit hauptberuflich auszuüben. Zwei Drittel von ihnen haben ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1000 Euro. Für die unter chronischer Finanznot leidende Universität lohnt sich das Konzept. Zum einen sind Lehraufträge mit geringen Lohnkosten verbunden, zum anderen stehen die Lehrenden in keinem Anstellungsverhältnis mit der Uni, weshalb diese keine Sozialversicherungsbeiträge leisten muss. So wirken sich die Unsicherheiten bis ins Rentenalter aus. Hier sieht auch Präsident Peter-André Alt Handlungsbedarf. Er spricht sich gegen unbezahlte Lehraufträge aus. Eine höhere Entlohnung sei allerdings nicht drin. Für vielversprechende Nachwuchswissenschaftler plant er das sogenannte Karrierewege-Modell mit flexiblen Fonds für die Übergangsperioden. Für die weniger Aussichtsreichen setzt er auf einen qualifizierten Ausstieg. »Wir stehen in der Pflicht, dem Nachwuchs auch eine Ausstiegsperspektive zu geben«, sagt Alt. Dazu gehöre die Vermittlung von Kompetenzen, die auch in anderen Berufen wichtig sind. Mehr Dauerstellen als Alternative zur Professur, wie sie der Mittelbau fordert, wird es nach dem Willen des Präsidiums nicht geben. Die Logik dahinter: Das System werde so nur verstopft und weniger Nachwuchswissenschaftler bekämen die Chance zum Einstieg. Eva Lahnsteiner, die Idealistin, hat das Vertrauen in diese Dynamik verloren. Doch zumindest ist sie keine perspektivlose Aussteigerin. Als Juristin hat sie viele Möglichkeiten. Unbezahlte Überstunden kann sie überall leisten, woanders allerdings mit der Aussicht auf eine sichere Zukunft. So verabschiedet sie sich vom Traumjob an der Uni. Denn dort herrscht eine Moral, die Brecht mit den Worten beschrieb: Die Mittel kärglich und die Menschen roh. Wer möchte nicht in Fried und Eintracht lehren – doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!
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Katharina Hilgenberg studiert Sozial- und Kulturanthropologie und freut sich auf ihre eigene prekäre Zukunft. Sie wird mit 7 Katzen im brasilianischen Amazonasbecken leben.
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Gefundenes Fressen 20 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in deutschen Mülltonnen. Das meiste ist noch essbar. Wie einige verpasste Stunden Schlaf zu einem Festmahl verhelfen können, hat Henrice Stöbesand herausgefunden. Illustration von Cora-Mae Gregorschewski. Friederike und Josef sind auf der Pirsch. Sie haben Beute gewittert. Vermummt bewegen sich die beiden durch die Nacht, ihre Silhouetten sind kaum erkennbar, so dunkel ist es. In ihren Händen halten sie leere Plastiktüten, Josef umklammert eine kleine Taschenlampe. Die beiden sind Anhänger einer Bewegung, die vor einigen Jahren in den Vereinigten Staaten entstand und sich über das Internet bis nach Europa verbreitete: Sie holen ihr Essen aus dem Müll. Genauer: aus den Containern der Supermärkte. Alle ein bis zwei Wochen begeben sich die beiden auf nächtliche Exkursionen. Nur im tiefsten Winter, zwischen Januar und De-
zember, setzen sie aus. »Bei der Kälte und dem Schnee hatten wir einfach keine Lust«, sagt Josef. Mit den Temperaturen steigt auch die Freude an der Sache – heute Nacht sind sie sichtlich aufgeregt. Zielgerichtet und schnellen Schrittes steuern die Studenten die umzäunte Ecke eines verlassenen Geländes an. Ihr Ziel: genügend Obst und Gemüse für die kommende Woche. Dabei können es sich die beiden eigentlich leisten, ganz normal im Supermarkt einzukaufen. Doch um Geld sparen geht es beim »Containern« nicht, jedenfalls nicht nur. Für viele steht der Protest im Vorder-
grund – eine Gegenbewegung zur »Wegwerfgesellschaft«. »Es ist verrückt, wie viele gute Lebensmittel man in den Tonnen findet«, entrüstet sich Friederike. »In anderen Ländern ist die Nahrung knapp, während wir hier mit Essen umgehen, als sei es wertlos«. So öffnen Friederike und Josef in Zehlendorf nachts Mülltonne um Mülltonne und fördern das zutage, wofür der Rest der Gesellschaft keine Verwendung mehr findet: Äpfel mit Druckstellen, falsch abgepackte Tomaten, mitunter Gemüse und Obst ohne erkennbare Mängel – Überschussware. Die Tonnen quietschen leise, als Josef sie öffnet. Ein unangenehm stechender Geruch steigt aus dem dunklen Inneren hervor. Der Strahl der Taschenlampe fällt auf Berge von Obst und Gemüse – Orangen, Clementinen, Grapefruits, Brokkoli, Tomaten. Friederike zückt ihre gelben Gummihandschuhe: jetzt heißt es aussortieren. In Deutschland steht das Kramen im Müll, auch »Dumping« genannt, unter Strafe, denn die Container sind Privatbesitz der Supermärkte. Wer sich am Müll der Märkte bedient, macht sich also des Diebstahls schuldig. Um sich gegen diese vermeintlichen Diebe zu schützen, halten viele Supermärkte ihre Container versteckt, andere lassen ih-
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ren Müll von Videokameras überwachen. »Jeder Containerer ist ein potenzieller Kunde«, lautet das Credo der Eigentümer. Durch Schloss und Riegel versuchen sie, die Müllsammler an die Einkaufskassen zurückzuholen. In Schweden sollen Mitarbeiter eines Supermarkts die weggeworfenen Lebensmittel aus »Schutz vor Dumpstern« sogar vergiftet haben und in den USA werden mitunter Glasscherben auf den Müll gekippt, um die Müllsucher fern zu halten. Friederike und Josef ist so etwas noch nicht untergekommen. »Wir wurden zwar schon öfters erwischt«, so Friederike, »aber die Konfrontationen sind harmlos.« Auch die Reinigungskraft des Supermarktes lässt sich von den Dumpstern bei ihrer nächtlichen Raucherpause nicht stören. »Macht ruhig weiter«, winkt sie ab, als Josef sich entschuldigt. »Ist ja schließlich nur Müll, will ja eh keiner mehr haben.« Drei Tüten voller frischer Orangen, zwei Tüten zum Bersten gefüllt mit allerlei Gemüse, als besonderes Bonbon eine Mango aus Kenia und Pflaumen aus Süditalien: Die Schatzsuche von Friederike und Josef hat sich gelohnt. »Heute war mal wieder ein guter Tag«, meint Josef zufrieden. »Morgen können wir uns eine bunte Gemüsesuppe kochen.« Nur wenige Male hatten sie beim Containern weniger Erfolg. »Die Tonnen sind oft noch viel voller als heute«, erzählt Friederike. Eigentlich könne man seinen ganzen Bedarf an Vitaminen über das Containern decken – doch müsse man dann bereit sein, das zu essen, was man eben so finde. »In den nächsten Tagen werde ich mich wohl hauptsächlich von Orangen ernähren«, lacht Friederike. PHAbo11_210x74_4c_SpreePresse:Layout 1 Anzeige
Rund 20 Millionen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich weggeschmissen, betonte jüngst Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung. Genauere Zahlen zur großen Verschwendung existieren allerdings noch nicht – doch auf das Problem mit dem Müll sind bereits zahlreiche Politiker und Verbraucherschützer aufmerksam geworden. Über Leute wie Josef und Friederike kann sich Kommilitonin Julia nur aufregen. »Ich kann ja wohl mal 1,49 Euro für Orangen hinblättern. Warum gibt man die Reste nicht an die Leute, die es wirklich nötig haben?« Das Wühlen im Müll kommt für sie nicht in Frage. »Man könnte das Essen doch an die Tafeln geben«, fügt ihre Freundin hinzu. Tatsächlich liefern einige Märkte die aussortierten Nahrungsmittel an Berliner Tafeln aus – doch oft ist es kostengünstiger, die Lebensmittel einfach in den Müll zu werfen. Sehr zur Freude von Josef und Friederike, die durch das nächtliche Containern zwar einiges an Schlaf einbüßen, aber auch Geld sparen. »Manchmal finden wir sogar Bio-Lebensmittel«, freut sich Friederike. Die seien im Alltag für einen Studenten fast unbezahlbar. Friederike lässt viel warmes Wasser in das Spülbecken laufen. Die Beute muss nun noch sorgfältig abgewaschen werden, denn Dunkelheit und Feuchtigkeit machen die Container für Bakterien und Pilze zum Paradies. Besonders gefürchtet unter Dumpstern sind Mykotoxine, Schimmelpilzgifte, die bereits in geringen Mengen schädlich sind. Drei Waschgänge sind da Mindest-
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maß und Aussortierung von Schimmelobst Pflicht.
Die Emanzipation vom Diktat der Lebensmittelindustrie hat ihre Tücken – schließlich kennen die Dumpster die genauen Gründe für den Wegwurf der Nahrungsmittel nicht. Die grassierende EHECWelle bereitet ihnen Bauchschmerzen. Deshalb verzichten Friederike und Josef zur Zeit lieber auf Gurken und Tomaten im Container. Josef schält währenddessen eine Blutorange. Schiebt sich ein Stück in den Mund und seufzt genüsslich: perfekt. »Ein Adrenalin-Kick ist natürlich auch immer mit im Spiel«, meint er. Man wisse nie, ob man nicht doch mal davonlaufen müsse. Und was in den Mülltonnen zu holen sei. Auf widerlichere Dinge als vergammeltes Obst sei er bisher aber zum Glück noch nicht gestoßen. Von tierischen Produkten wie Milch, Butter und Fleisch lässt er lieber gleich die Finger. Wenn Friederike und Josef containern, dann nur in den Bio-Tonnen. Der Mülltrennung sei Dank.
Henrice Stöbesand studiert Politikwissenschaft und ist gestählt im Kampf gegen Amöben, Parasiten und Typhus – die Orangen hat sie trotzdem nicht gegessen.
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06/2011 WasFurios uns bewegt.
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Licht aus in der groSSen Stadt Alte Industriegel채nde, Fabriken und Bunker vegetieren in der Hauptstadt vor sich hin. Eine handvoll K체nstler und Abenteurer entdecken Berlin auf eigene Art. Furios-Reporterin Viktoria DeSSauer begleitet eine Urban Explorerin auf Erkundungstour in einer alten Brauerei. Fotos von Sarah Ungan. 24
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teffi steht an einer gut befahrenen Straße und blickt auf die bröckelnde Backsteinfassade einer verlassenen Brauerei. Das stillgelegte Gelände mitten in Berlin ist Anziehungspunkt für Graffitikünstler, Fotografen und Abenteuerlustige. Sie sind »Urban Explorer«, Erforscher alter Fabriken und Industriegelände und bewegen sich am Rande der Legalität. Der Reiz, Orte zu entdecken, die von anderen Menschen schon längst aufgegeben wurden, lässt sie immer wieder losziehen. Der Haupteingang der Brauerei ist abgesperrt. Aber Steffi kennt einen geheimen Eingang, der auf das Gelände führt. Das erste Highlight der Tour ist ein altes Bierlabor. Es ist völlig verwüstet. Auf dem Boden liegen Bieretiketten, leere Flaschen und Plastikschrott. Die vollen Bierflaschen, die sie vor kurzem noch hier gefunden hatte, sind inzwischen verschwunden. »Man klaut nichts, man zerstört nichts, man macht Fotos und dann geht man wieder!« So lautet das Credo der Urban Explorer, erklärt sie. Doch nicht alle halten sich daran. Urban Explorer bleiben eher unter sich. Außer in Internetforen, wo sie Erfahrungen, Fotos und Videos ihrer Touren austauschen, geben sie nicht viel über ihr Hobby preis. Sie möchten verhindern, dass die verlassenen Gelände in Undergroundclubs verwandelt oder verwüstet werden. Vom Labor aus führt eine Treppe in den Keller. Unter Steffis Füßen knirschen Glasscherben und mit jedem Schritt wirbelt Dreck auf, der sich langsam auf Kleidung, Haare und Hände legt. Die Luft im Keller ist feucht und muffig. In den finsteren Räumen riecht es nach Lack oder anderen Chemikalien. Aus solchen Gründen hat Steffi immer eine Atemschutzmaske parat. Sie knipst ihre Taschenlampe an. Im Schein des Lichtkegels tauchen riesige Wannen auf. »Wahrscheinlich haben sie hier das Bier gebraut«, sagt Steffi leise. Plötzlich knarrt eine Tür. Es raschelt. »Unheimliche Situationen hat man öfter«, erzählt sie. »Als ich hier einmal in einem alten Lagerraum war, sah ich plötzlich eine dunkle Gestalt. Da bin ich erstmal einen Schritt zurückgegangen und habe tief durchgeatmet. Das war dann aber nur ein Graffiti, das jemand aus Spaß an die Wand gemalt hat.« Inzwischen flüstert Steffi und muss lachen, weil es gar keinen Grund dazu gibt. Sie würde nie alleine auf so eine Tour gehen. Viel zu gefährlich: »Man weiß nie, worauf man tritt.
Außerdem könnte etwas einstürzen. Im Notfall ist es besser, zu zweit zu sein«, sagt sie ernst. In den nächsten Räumen finden sich noch allerlei Fundstücke: Alte Bierfässer, Bier wird hier schon lange nicht mehr gebraut. Ein Feld von Schließfächer, Etiketten erinnert an vergangene Betriebsamkeit. Kaffeemaschinen, Schuhe und eine alte Schreibmaschine. Es blitzt. Steffi macht ein Foto nach dem anderen. Aus den dunklen Kellerräumen geht es nun nach oben aufs Dach. Auch hier muss sie genau aufpassen, wo sie hintritt. Manchmal ist das Dach morsch oder sogar löchrig. Hier oben holt sich die Natur alles wieder zurück, denn mitten auf dem Dach wachsen Bäume. Von hier aus erspäht Steffi andere Besucher. Auf dem gegenüberliegenden Dach liefern sich ein paar Golfer ein kleines Turnier. Das nächste Gebäude ist ein anliegendes Wohnhaus. Steffi wandert von Wohnung zu Wohnung. Sie findet fast unversehrte Badewannen oder Öfen. In den meisten Räumen hängt sogar noch die alte 70er-Jahre-Tapete an der Wand. Wieder draußen setzt sie sich kurz auf eine Treppe, die es vielleicht bald nicht mehr geben wird. Einige der Gebäude sollen abgerissen werden, um einem Baumarkt oder Möbelhaus Platz zu machen. Für Steffi endet die heutige Tour. Sie verlässt das Brauereigelände und steht wieder vor dem alten, unauffälligen Backsteingebäude an der gut befahrenen Straße.
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Viktoria Deßauer studiert im Master interdisziplinäre Lateinamerikastudien.
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luxemburg lecture
Das Kapital lesen
SateLLitenSeMinaRe:
raul ZeliK
Seit 2006 wird in der Rosa-LuxemburgStiftung das Kapital von Karl Marx gelesen. Marx hat den Kapitalismus in seiner allgemeinsten Form analysiert. Räumlich und zeitlich haben kapitalistische Gesellschaften aber ganz verschiedene Gesichter. Um diese zu verstehen, werden ergänzend zur Kapitallektüre sogenannte «Satellitenseminare» angeboten.
11. jULi 2011, 19:30 UhR ra Kein Kapitalismus ohne na (hierarchische) geschlechter-Pe verhältnisse! Mit: ariane Brensell 04
nach deM KaPitaLiSMUS? PeRSPeKtiven deR eManziPatiOn
04. jULi 2011, 20:00 UhR vORSteLLUnG deS neUen BUchS vOn RaUL zeLiK anschließend diskussion mit Gregor Gysi und Wolfgang engler Moderation: Silvia Fehrmann eine Kooperation von Rosa-LuxemburgStiftung und dem Literaturforum im Brecht-haus
weitere informationen unter www.Das-Kapital-lesen.De
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vO vO an daS veRhäLtniS vOn GeSeLLSchaFt un Und natUR in deR KRitiK deR M POLitiSchen ÖKOnOMie … and BeyOnd ein Mit: jana Flemming St Br
10. OKtOBeR 2011, 19:30 UhR natur als gratisproDuKt?
14. nOveMBeR 2011, 19:30 UhR politiK mit Dem «Kapital»?
Kontakt Brecht-Haus: ChristiAn hippe hippe@lfbrecht.de Kontakt Rosa-Luxemburg-Stiftung: utA tACkenberg tackenberg@rosalux.de
Kontakt: AntonellA MuzzupAppA Referentin für Politische Ökonomie, Tel. 030 44310-421, muzzupappa@rosalux.de
literaturforum im brecht-haus
veRanStaLtUnGSORt: rosa-luxemburg-stiftung FRanz-MehRinG-PLatz 1, BeRLinli ch anMeLdUnG UnteR: vaLeantO@daS-KaPitaL-LeSen.de
chaUSSeeStRaSSe 125, BeRLin-Mitte
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Kon Kon ber
SOziaLe KäMPFe zWiSchen StRUKtUR Und handLUnG Mit: Frieder Otto Wolf
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Maybe Baby Wenn Naturalien zur Miete werden: Rebecca Ciesielski stößt auf der Suche nach einer neuen WG auf einen besonders fürsorglichen Vermieter. Illustration von Julia Schönheit. Meine Mitbewohnerin guckt mich ungläubig an. »Da willst du nicht wirklich hingehen?« Wir sitzen in unserer Küche und studieren WG-Gesuche. »Wir sind eine coole WG aus netten, sportlich aussehenden, jungen Mädels und suchen eine Frau zwischen 17 und 26 Jahren. Der Vermieter ist ein cooler Student«, heißt es in der Anzeige. Nur seine Nummer wird in der Kontaktspalte angezeigt. »Schau, da steht noch: ›Zimmer ist möbliert, mit breitem Futonbett.‹« Meine Mitbewohnerin deutet mit angewidert-belustigtem Gesichtsausdruck auf den Bildschirm. »Den solltest du als erstes fragen, ob du die Miete in Form von Dienstleistungen bezahlen musst.« Glücklicherweise suche ich eigentlich gar keine neue WG. Ich mache einen Selbstversuch. Und weder der Text noch die Bilder der Frauen mit den langen Fingernägeln, die ihre Cocktailgläser in die Kamera halten, können mich abschrecken. Ich suche die Herausforderung. »Kannst du mir die Nummer diktieren?«, frage ich, während ich bereits nach meinem Handy krame. »Nö, aber ich rufe gern die Polizei, wenn du nicht mehr wiederkommst.« Am nächsten Tag biege ich von der Karl-Marx-Allee in eine Straße, in der die realsozialistischen DDR-Prestigebauten der 70er-Jahre-Durchschnittsplatte gewichen sind. Noch im Fahrstuhl, auf dem Weg in den 10. Stock, kommen mir Zweifel, ob die ganze Aktion wirklich eine gute Idee war. Meine Neugierde siegt. Oben angekommen stelle ich schnell fest, dass die Bezeichnung »cooler Student« gleich doppelt gelogen war. Cool? Student? Bezüglich der Coolness bin ich mir sicher: lichtes Haar, graues Hemd in hochgezogener Hose, Kölner Akzent – eine Nullnummer. Was den Studenten angeht, ist Spekulation im Spiel. Denn ein Studium ist bekanntlich nicht zwangsläufig an Alter oder Haarfülle gekoppelt. Die Wohnung hat normale Plattenbaugröße, ist also verdammt eng. Das Laminat im Flur ist nur bis zur Hälfte verlegt und in der Küche können sich kleine untergewichtige Personen mit etwas
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Übung sogar umdrehen, ohne nennenswerte Schäden zu verursachen. »Du siehst, es ist alles da: Spülmaschine, Mikrowelle und hier werde ich für die Mädchen noch einen Flatscreen anbringen«, er deutet auf den knappen Quadratmeter zwischen Kühlschrank und Spüle. »Ahhh, einen Flatscreen«, wiederhole ich die Essenz seiner Aussage so neutral wie möglich. Hat er gerade »die Mädchen« gesagt? Wo sind die eigentlich? In einer Parallelexistenz, in der ich erwägen würde, hier einzuziehen, müsste ich meine potentiellen Mitbewohnerinnen doch kennenlernen, oder? »So einen Zinnober wie WG-Castings machen wir hier nicht. Wenn ich ein Mädchen sehe, das mir gefällt, dann kann es hier auch einziehen.« Ein Mädchen, das mir gefällt. Aha. »Um Gebrauchsartikel wie Spülmittel brauchen sich die Mädchen übrigens nicht zu kümmern. Das besorge ich. Ich bin sowieso oft hier.« Sicher denkt er, er spräche von einer Nettigkeit. Für mich hört es sich mehr nach einer Drohung an. »Ich hab den Mädchen auch eine Waage besorgt, damit sie sich jeden Tag wiegen können.« Jetzt reichts. Ich überlege kurz, ob ich etwas sagen soll. Aber was würde es nützen, ihm zu erklären, dass er aus meiner Sicht ziemlich neben der Matrix läuft? Kurz bevor ich gehe, bittet er mich, ihn bei Facebook zu adden. »Ich heiße King Universum1 und bin der Typ mit dem Surfbrett.« Als ich aus der Haustür trete, klingelt mein Handy. »Lebst du noch?«
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Rebecca Ciesielski studiert Kommunikationswissenschaften und Kulturanthropologie. Sie lebt glücklich in geordneten WG-Verhältnissen.
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Adelstitel von der Redaktion geändert
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Hot Stuff Mitbewohner gesucht. Umzugshelfer, Kampfsportler und Ahnenforscher gefunden. Wie sich der Casting-Marathon auf der anderen Seite anfühlt, durfte Fanny Gruhl erleben. Wir hatten sie gefunden, die Traumwohnung, die unser neues Zuhause werden sollte. Freiheit und Selbständigkeit jenseits von Mamis Fittichen. Lediglich zwei Männer fehlten uns drei Mädels noch, um die 5er WG zu vervollständigen. Die Rechnung war einfach. Der Weg zum Ergebnis leider nicht. Dabei klang die Vorstellung von einem Casting so lustig: Ausgedehntes Kaffeekränzchen mit netten Leuten, denen wir ganz unverblümt Löcher in den Bauch fragen konnten. Pustekuchen! 78 Anfragen in 24 Stunden waren nur der Anfang der kräftezehrenden Wochen, die die absonderlichsten Exemplare der Gattung Mensch in unser neues Zuhause locken sollten. 20 Minuten reichen für den ersten Eindruck. So der Plan. Screw the plan! Einer war spät dran, der andere zu früh und plötzlich saßen wir mit drei Bewerbern an einem Tisch oder wir wurden komplett sitzen gelassen.
Der erste Bewerber stellte schon vorab klar: »Ich brauche eine Aufenthaltsgenehmigung um in Berlin zu studieren.« Fünf Minuten Smalltalk, dann wollte er wissen, wie schnell er den Mietvertrag unterschreiben könnte. Etwas übereilig, der Gute. Das Trauerspiel nahm seinen Lauf: Der Informatiker, der seinen Blick nicht von der Tischkante abwenden konnte, mit einer Hautfarbe die laut »Keller« zu schreien schien. »Naja, ich mache sehr viel im Internet.« Aha. Fast exotisch, seine Vorliebe für Gesellschaftsspiele. Schon mal was von Tang Lang Quan gehört? Nee? Der Hippie im Leinenhemd und mit Muschelkette beherrscht diese und 99 weitere Kampfsportarten. »Ist klar, Frieden finden wir auch ganz gut. Ach und du wirst schadenfroh, wenn man nicht weiß, was man mit seinem Studium anfangen will?« Dickes Fettnäpfchen, mein Freund. Kein gelungener Gesprächseinstieg, wenn man Geisteswissenschaftlerinnen gegenübersitzt. Der Oldie war der Waghalsige. Mit 40 nochmal was ganz Verrücktes studieren. Optometrie zum Beispiel. Nein, du hättest es nicht dreimal erklären müssen! Oh, Ahnenforschung als Hobby, nicht schön, aber selten. »Ja, unsere Ur-Omas leben alle noch. Wie alt warst du gleich?« Der »Recall« wurde aus Mangel an Möbelpackern auf den Umzugstag gelegt. Während wir uns Gedanken machten, mussten die Bewerber unsere Sachen in den den vierten Stock schleppen. Toller Schachzug! Letzten Endes musste trotzdem das Los entscheiden: Der glückliche Gewinner war ein Jurastudent, der beim Umzug seine Muskeln spielen ließ. Und offen zugab »Die fabelhafte Welt der Amélie« schon viel zu oft gesehen zu haben. 12 Points! Die zweite Zusage ging an einen süßen Amerikaner, der sich auf dem Weg zur Wohnung gleich drei mal verlief. Unsere Mutterinstinkte waren geweckt. Fazit: Drei Meinungen sind zwei zu viel, 78 Bewerber viel zu viele, eine Packung Kaffee zehn zu wenig und umziehen werden wir sobald nicht mehr!
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Fanny Gruhl studiert PuK, Politikwissenschaft und Philosophie. Mit ihren Mitbewohnern kann sie Disneyfilme sehen, der gemeinsamen Knoblauchvorliebe frönen und gute Einzugsfeiern schmeißen.
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s 3x o i Fur The Mit ts für in ke erl 2 Tic port b ! s n ater ewinne g
Theatersport Show 1995 hat Theatersport Berlin die sportlichste aller Bühnenformen nach Berlin gebracht – und feiert über 15 Jahre später jeden Montag eine Premiere: Jede Woche neu, unerwartet, atemberaubend.
Sei auch Du spontan und nimm Teil an unserer Verlosung von 3 x 2 Tickets für die Show am 11.07.2011 um 19.30 im Admiralspalast. Schreib eine Mail bis zum 04.07.2011 an redaktion@furios-campus.de und versuch Dein Glück!
Liebe lieber afrikanisch Bettgeflüster zu Forschungszwecken. Was passiert, wenn eine Studentin die Anleitung für die afrikanische Sexkunst Kunyaza in die Hände bekommt? Ein Erfahrungsbericht von Monika P. Illustration von Christian Güse.
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as mystische Bild einer nackten Frau, umhüllt von Nebelschwaden, fesselt meinen Blick. Das exotische Wort »Kunyaza« steht in orangefarbenen Lettern auf dem Flyer geschrieben. »Multiple Orgasmen und weibliche Ejakulation mit afrikanischer Liebeskunst.« Oha! Das ist auf jeden Fall was anderes als die ewigen Yoga-Flyer. Aus dem Text neben dem Bild erfahre ich, dass im Rahmen einer Studie Paare gesucht werden, die Kunyaza zu Hause ausprobieren möchten. Ich muss herzlich lachen. Die denken echt, wir Studierende wären zu allem bereit. Trotzdem stecke ich den Flyer ein. Mein Gefühl sagt mir, dass das doch nicht so unsinnig klingt, sogar reizvoll sein könnte. Und notfalls kann es immer noch als Partykuriosität herhalten. Abends beim Gespräch mit meinem Freund Lars fällt mir der Flyer wieder ein: »Das wäre doch ganz spannend, oder? Was meinst du?« Seine Antwort kommt prompt: »Lass uns das mal ausprobieren.« Ich verdutzt: »Wie, jetzt ernsthaft?« Das kam unerwartet. »Na klar, das hört sich doch interessant an«, meint Lars. Man könnte meinen, ich hätte ihm angeboten, mit mir zum Paragliding zu gehen. Ich habe das Gefühl, dass Männer da ziemlich spontan und unbekümmert sind. Habe ich das ernst gemeint? Will ich das überhaupt? Schließlich geht mir auf, dass es kein Zurück mehr gibt. Au-
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ßerdem bin ich auch neugierig, ob diese afrikanische Liebeskunst tatsächlich erfüllt, was sie verspricht. »Lass es uns tun, Lars.« Der Link auf dem Flyer führt mich auf die Website des Afrikanischen Instituts für Sexualforschung. »Entfachen Sie das Feuer in Ihrer Frau!« lädt ein zum Weiterklicken. »70% der Frauen bekommen beim üblichen Geschlechtsverkehr, das heißt durch Penetration, keinen Orgasmus.« Das soll wahr sein? »Experten aus der ganzen Welt sind sich darüber einig.« Na dann. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich diese Experten unter anderem als Katja Hertin, Textchefin bei der Zeitschrift »Cosmopolitan« und die ehemalige Pornodarstellerin Dolly Buster. Geballtes Fachwissen. Ich klicke weiter auf den Link »Was tun?«. Verschiedene »westliche und orientalische Lösungen« wie Oralverkehr oder Kamasutra werden vorgeschlagen. Doch dann die Verheißung: die »Lösung aus Afrika«! Das Geheimnis der Liebeskunst heißt Kunyaza. Das Klicken geht weiter. Ich erfahre, dass die Menschen in Afrika seit Jahrhunderten wissen, wie es richtig geht. Warum erfahre ich das erst jetzt? Bei Kunyaza sollen die Frauen nicht nur zum Orgasmus kommen. Das äußere »Klopfen« des Penis auf die Klitoris und die Scheidenwände regt angeblich auch die Produktion von Scheidenflüssigkeit an. Bis zu einem Liter. Ich setze »Bett mit Folie überziehen!« auf meine innere To-Do-Liste und scrolle hinunter zu
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Theatersport Show Immer montags & ein Mal im Monat Samstag Nacht Special im Admiralspalast Bühnenpiraten Jeden Sonntag in der Komödie am Kurfürstendamm Mit dem Stichwort »Jung & Spontan« Tickets zum Sonderpreis von 12 Euro unter 030 43 72 00 918 & www.theatersport-berlin.de
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den Kommentaren von anderen Teilnehmern der Studie. Die sind meist niveaulos, bestätigen aber den Effekt von Kunyaza. Die Antwort auf meine Email an das Institut kommt prompt und liefert eine detaillierte Beschreibung der Technik von Kunyaza, begleitet von einer Skizze der bevorzugten Stellungen und einem Video. Letzteres öffne ich am nächsten Morgen nach dem Frühstück – ein Fehler. Lautes Seufzen und Stöhnen erfüllt das ganze Zimmer. Hoffentlich schlafen meine Mitbewohner tief.
Wir haben Kunyaza noch ein paar Mal ausprobiert, aber mein »inneres Feuer« hat es nicht zum Lodern gebracht. Wahrscheinlich haben wir uns zu verkrampft auf die Technik konzentriert, vielleicht waren wir zu zaghaft oder zu ungeduldig. Spaß hat es trotzdem gemacht. Diese Erfahrung hat uns gezeigt, dass wir miteinander offen über Sex reden können. Let´s do it!
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Am Abend kommt Lars vorbei. Es wird ein stinknormaler Pärchenabend: Essen, Film gucken und irgendwann ins Bett. Wir machen ziemlich lange rum – als ob jeder von uns den entscheidenden Moment so lange wie möglich herauszögern wollte. Nervosität auf beiden Seiten, auch Lars ist offenbar nicht so abgeklärt wie es den Anschein hatte. Der Anleitung folgend lege ich mich mit geöffneten Beinen an den Rand des Bettes. Lars kniet vor mir und beginnt mit seinem Glied meine Klitoris zu massieren. Die erste Berührung ist etwas ungewohnt, hart und weich zugleich. Als Lars seinen Rhythmus gefunden hat, spüre ich ganz deutlich das Klopfen. Ein warmes Kribbeln kriecht langsam meinen Bauch hinauf. Aber darüber hinaus spüre ich keine tiefere Erregung. Irgendwann brechen wir das Unterfangen erschöpft ab. Doch dabei wollen wir es nicht belassen. Beim zweiten Versuch benutzen wir Gleitgel. Das Massieren wird dadurch angenehmer und das Kribbeln setzt schneller ein. Ich versuche, mich zu entspannen, mich auf das angenehme Gefühl zu konzentrieren. Doch irgendwann treffen sich unsere Blicke und die Anspannung entlädt sich in lautes Gelächter.
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Ein unmoralisches Angebot Als Student muss man nicht alles wissen, denn viele Wege führen zum Erfolg. Darauf setzen Ghostwriting-Agenturen und verdienen an unserer Bequemlichkeit ihr Geld. Dürfen sie das? Valerie Schönian auf der Suche nach der Lücke im Gesetz. Foto von Julia Schönheit. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt unwirsch: »Ich hab’ nur zwei Minuten«, plärrt es in den Apparat. Die Begeisterung von Karl-Heinz Smuda über studentische Anrufe hält sich offenbar in Grenzen. Es sei denn es handelt sich, wie in diesem Fall, um ein journalistisches Anliegen. Smuda lacht. Fragen beantworte er gerne. »Dann habe ich natürlich länger Zeit!« Karl-Heinz Smuda ist Ghostwriter. Für ihn heißt Ghostwriting Bücher schreiben – andere Menschen liefern den Inhalt, er das schriftstellerische Können. Die Studenten, die bei ihm anrufen, wollen jedoch etwas anderes. Sie sind auf der Suche nach jemandem, der für sie eine wissenschaftliche Arbeit erstellt, einem akademischen Ghostwriter. Tatsächlich gibt es die wie Sand am Meer. Von wegen zwielichtige Kontakte oder geheime Codewörter: Bei Google erscheinen in 0,23 Sekunden 175.000 Treffer. Allein die ersten sechs Ergebnisse genügen für alle Haus- bis Doktorarbeiten der gesamten Studienzeit. Ganz oben mit dabei, die Textagentur Steven aus Duisburg. Auf ihrer Internetseite werben sie: »Wir bieten Ihnen ein kompetentes und fachlich hochklassiges Ghostwriting von Hausarbeiten und allen anderen Arten von akademischen Arbeiten«. Christoph Steven ist Leiter der Agentur. Der Kontakt zu seinen Kunden läuft nur telefonisch über ihn oder mit einem seiner 50 Mitarbeiter per E-Mail. Ganz bequem und einfach. Die Vorstellungen der Hilfesuchenden sind sehr unterschiedlich. Bei einigen lautet die Devise »Hauptsache bestehen«, andere bieten ältere Hausarbeiten zur Einsicht an, damit es auch ja so klingt, als sei die Arbeit »aus eigener Feder«. Nach dem ersten Kontakt folgt das Anmeldeformular. Ausgefüllt und eingereicht, erhält der Student ein paar Tage später ein auf seine Wünsche zugeschnittenes Angebot mit entsprechenden Honorarvorstellungen zurück. Ist der Sack einmal zugezurrt, geht es ans Eingemachte: Themenschwerpunkt, Gliederung – auf Wunsch wird auch ein Exposé erstellt. Von nun an erhält der Student Teillieferungen zu zehn Seiten, um alles mit dem Professor abklären zu können. Und ein paar Wochen
später ist alles geschafft! Alles natürlich streng geheim, so wie in den AGB der Agenturen vorgeschrieben. Der Clou des Ganzen: Die Texte sind nur Vorlagen, die noch einmal bearbeitet und »an den eigenen Stil angepasst« werden müssen. Laut Steven kostet so eine »Vorlage« ungefähr 1000 Euro, ein akademisches Schnäppchen also. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hingegen rechnet mit dem zehnfachen Betrag. Es bezeichnet Ghostwriting als Sittenwidrigkeit, die von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden dürfe. Damit sei der geschlossene Vertrag zwischen Agentur und Student zwar nichtig, aber weitere rechtliche Folgen blieben aus. Christoph Steven hat das Recht auf seiner Seite. Schuldig macht sich nur der Student, der die Arbeit als die eigene einreicht. Ohne Stevens Wissen versteht sich. Das hält er für legitim. »Sie müssen sich ja trotzdem mit dem Thema beschäftigen«, beschwichtigt er. »Einige haben einfach nicht gelernt, wie«, sagt Stevens. Studenten in der Not unter die Arme greifen – so definiert er seine Dienstleistung. Smuda ist von diesen Studenten genervt. Bis zu fünf Mal täglich erhält er diese Art von Anfragen. »Einmal hat mich eine Mutter angefleht, für ihre Tochter eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen. Die arbeite bei McDonalds und habe einfach keine Lust nach Feierabend noch an ihrer Arbeit zu schreiben.« Es gibt viele Ausreden. Es ist natürlich selten die Faulheit, sondern die Arbeit, Sprachprobleme oder Desinteresse an nur diesem einen Thema. »Dann such dir doch einfach was anderes«, sagt Smuda und löscht die Studenten-Anfragen aus seinem E-Mail-Account.
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Valerie Schönian studiert Deutsche Philologie und Politikwissenschaft im zweiten Semester. Diesen Beitrag hat sie ohne die Hilfe einer Ghostwriting Agentur geschrieben.
Nebulöse Schreibwerkstatt: Wenn die Kasse klingelt aber andere die Lorbeeren ernten.
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Kultur: Warenfetisch
Warenfetisch:
Moleskine
Leere Seiten statt Charakter. Von Catharina Tews. Illustration: Julia Schönheit Gott, wie arty-farty wir wieder sind! Der FU-Möchtegern-Trendsetter ist hochgradig verliebt: in sich selbst und in die Idee etwas zu besitzen, das auch Hemingway, Picasso und Wilde in der Tasche hatten. »Ce n’est pas un livre, c’est Moleskine«, wispert er. »Dit heest Maulwurfshaut, du Vollpfosten!«, nölt das Krömerchen in mir zurück. Warum wird ein Artefakt der Avantgarde zum Sammlerobjekt der Markenaffinen und Pseudokreativen? Moleskine ist zwar eher der Gérard Depardieu unter den Notizbüchern – verwechselbar, wären da nicht die vielen Rundungen – doch gerade die Exklusivität des Simplen sichert dem Büchlein den Platz im Hipster-Herz. Ursprünglich in kleinen Pariser Buchbinderläden gefertigt, bekamen die Bücher ihren Namen von Bruce Chatwin, einem britischen Schriftsteller, Ende der 80er. Mit dem einstigen Underdog-Image hat Moleskine heute bei über 20 Millionen verkauften Exemplaren weltweit
nur noch wenig am Hut. Und bei den heutigen Preisen hätte Moleskine-Besitzer Picasso seine Entwürfe wohl lieber zusammengetackert und Hemingway seine Romane auf einen Stapel Barservietten geschrieben. Vor falscher Bescheidenheit bewahrt neben dem stolzen Preis auch ein bedrucktes Ex-libris-Kärtchen: »Dieses Moleskine gehört XY, einem Genie, das seine Einfälle für die Nachwelt festhalten sollte.« Wer dem cleveren Produktmarketing vollends erliegen möchte, dem sei hiermit die Moleskine-Umhängetasche, Nerdbrille und der unverzichtbare Clip Pen wärmstens empfohlen. Charakter wird nachgeliefert! Auch dieser Trend symbolisiert nur die stete Suche des Hipsters nach dem einen Farbklecks, der ihn von der grauen Masse abhebt. Zu schade, dass das meistverkaufte Moleskine-Exemplar einfach nur schwarz ist.
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Kultur: Warenfetisch
»Da kommste nich’ raus« Ein Gespräch mit Marc-Uwe Kling und Sebastian Lehmann über ihre Bücher, ihre Lesebühne »Lesedüne« und lustige bis kritische Geschichten aus der anstrengenden Welt des Kapitalismus. Von Rebecca Ciesielski und Konstanze Renken. Fotos von Cora-Mae Gregorschewski. Ihr steht beide oft auf der Bühne. Du, Marc-Uwe, mit Deiner Band »die Gesellschaft«, Ihr beide bei der »Lesedüne« und moderierend beim »Kreuzberg Slam«. Wie geht Ihr mit Lampenfieber um? MU.: Je mehr schiefgehen kann, desto nervöser bin ich. Wenn ich ohne die Band auftrete, bin ich eigentlich nicht aufgeregt. Irgendwann lernt man, damit umzugehen. Jedenfalls gehe ich mit dem Gefühl auf die Bühne, dass ich das kann und hinkriege. SL.: Bei der Lesedüne geht ständig etwas schief. MU.: Hinterher kommen die Leute immer und fragen: »Das war geplant, oder?«. Die Leute glauben sowieso immer, dass alles geplant war. Wenn du mit Ironie arbeitest, kannst du die Fehler thematisieren. Ihr habt beide jeweils Euer erstes Buch veröffentlicht. Was ist das für ein Gefühl? MU: Ich schreibe gerade an meinem zweiten Buch. Ich weiß jetzt schon, dass es ein verdammt gutes Gefühl sein wird, es endlich fertigzustellen. Komisch fühlt es sich aber an, wenn man das Manuskript abgibt und weiß, dass es noch Monate dauern wird, bis man das gedruckte Buch in den Händen hält. Natürlich gibt es immer Geschichten, die ich im Nachhinein nochmal überarbeiten würde.
Gut, dass der Verlag mir eine Frist setzt, sonst würde ich alles ewig überarbeiten und nie veröffentlichen. Marc-Uwe, in einer Geschichte meint das Känguru: »Wenn alle nichts tun würden, gäbe es keinen Kapitalismus mehr. […] Gilt Bud-SpencerFilme gucken noch als nichts tun?« Wie politisch wollt Ihr sein? Oder sind eure Geschichten eher postpolitisch-selbstreflexivironisch? SL.: Postpolitisch-selbstreflexivironisch? Das finde ich gut. Das möchte ich sein. MU.: Ich denke, wenn man Systemkritik üben will, muss man mitreflektieren, dass man Teil des Systems ist. Dadurch ist diese Art der Kritik zwangsläufig gebrochen. Diesen Bruch kittet man mit Ironie. Oder man macht ihn durch Ironie sichtbar. Systemkritik muss Selbstkritik sein, weil niemand außerhalb des Systems steht. Selbst die Kritik wird im Kapitalismus zur Ware. Da kommste nich’ raus. Wie würdet Ihr es finden, in 10 Jahren unter der Rubrik »Poetry Slam« in Deutschlehrbüchern aufgeführt zu werden? SL.: Es gibt schon Poetry Slam-Texte für den Unterricht. Vielleicht sind Slam-Texte näher an der Lebenswirklichkeit der Schüler als zum Beispiel »Der Henker und sein Richter« von Dürrenmatt. Slam-Texte sind wahrscheinlich die gegenwärtigste Gegenwartsliteratur.
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Tütensuppentotalitarismus Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Chroniken. Ansichten eines vorlauten Beuteltiers. Rezensiert von Valerie Schönian. Marc-Uwe Kling wohnt mit einem Känguru zusammen. Wehren konnte er sich dagegen nicht: »Das Känguru ist bei mir eingezogen. Es hat einfach sein ganzes Zeug rübergeschafft und danach gesagt: ›Is’ okay, oder?‹« Eine Wohngemeinschaft auf Abwegen: der Kleinkünstler, der keinen Fisch mag und das kommunistische Känguru, das nur Fischstäbchen zubereitet. Von »Olé«-rufenden Fußballfans bis zum Axel-Springer-Verlag, das Känguru hat sich die Abschaffung des Kapitalismus als sein täglich Ziel gesetzt. In der Fahrschule wehrt es sich gegen die Rechts-vor-links-Regel und bei Monopoly besetzt es Marc-Uwes Häuser auf der Schlossallee. Der nimmt das alles erstaunlich gelassen hin. Er arbeitet weiter an seinen Gedichten, leistet in der Hängematte passiven Widerstand gegen den Kapitalismus oder seilt sich vom Balkon ab. Trotz der unterschiedlichen Gesinnung: Die beiden schließen schnell Freundschaft. Am Ende wirken sie wie ein altes Ehepaar, das seine Zeit zumeist mit Bud-Spencer- und Terence-Hill-Filmen zubringt und dabei über die Welt philosophiert. 32
Der Kleinkünstler dokumentiert die Erlebnisse des ganz gewöhnlichen WG-Alltages natürlich nicht, ohne dass das Känguru seinen Senf dazu gibt. Daraus entstanden sind schließlich »Die Känguru Chroniken«. Wäre es nach dem Känguru gegangen, würde das Buch »HITLER, TERROR, FICKEN« heißen, gemäß der »Essenz der Spiegelbestsellerliste«. Bei ihren philosophischen Streifzügen kommen sie zu ein paar erstaunlichen Erkenntnissen: Es gibt keine wirklichen Wahlen. Eigentlich ist alles vergleichbar mit einer Entscheidung zwischen Tütensuppe von Maggi oder Tütensuppe von Knorr. Aber es ist sowieso alles Nestlé. Das ist der Tütensuppentotalitarismus. Der trockene Humor und der schräge Blick auf das Leben tragen von der ersten bis zur letzten Seite. So wird das Buch zu einem Highlight der Gesellschaftssatire, das man nicht aus der Hand legen kann. Wenn es ein Buch gibt, das Menschen in der U-Bahn laut zum Lachen bringt, dann ist es dieses.
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Furios 06/2011
Flaneur
Flaneur:
Im Rausch der grünen Triebe Der Flaneur im Liebeswahn. Sonnentrunken streift er durch Dahlems Grünanlagen, auf der Suche nach Mutter Natur. Dabei schlägt er hin und wieder über die Stränge und nimmt es auch mit der Wahrheit nicht so genau. Widerwillig aufgezeichnet von Catharina Tews. Illustration und Foto von Christian Güse. Mein Herz gehört nur einer einzigen Dame. Betörend schön ist sie, in all ihren schillernden Farben, ihr Odeur duftet nach tausend Fluren frischer Wiese, getragen von schwungvollen Sommerwinden. Meine Schöne lockt mich zu sich ins Freie. Oh Mutter Natur, drücke mich an deinen grünen Busen, nimm mich gefangen! Ich stürze aus den engen, düsteren Räumen der silbernen Laube in den Hof. Ich will die Alma Mater mit dir betrügen und spüre unter meinen nackten Sohlen den saftigen, gräsernen Teppich. Bunte Skulpturen tun sich wie Windmühlen vor mir auf, die Hügel werden zu einem Gebirge, ich muss sie überwinden um bei dir zu sein. Freiheit, versuche mich nicht! Ich muss zum Sünder werden, meinem zehrenden Verlangen nachgeben. Efeuranken krallen sich meine Bücher und Hefte und ziehen sie die Fassade empor, bis sie im Blattwerk verschwinden. Trunken vor Liebe wandele ich über steinerne Pfade hin zum Thiel-Tal der Verliebten. Küssend räkeln sie sich zwischen den Halmen, wispern sich ewig geltende Treueschwüre zu, während Sonnenstrahlen Schweißperlen auf ihrer Stirn tanzen lassen. Einst war ich genau an diesem Ort unfreiwilliger Beobachter der Zeugung von Alfred Konrad Seiler. Ein kluger Junge mit Hasenscharte und erster Student der Freien Universität.
• Deine Gesandte, die Biene, kann nicht von mir lassen. Leichtes Weib, flieg fort mit deinen Pollen bestäubten Beinchen! Und ihr, scharlachrote Feuerkäfer, liebt ihr euch zu zweit, zu dritt, zu viert? Eine hexapodische Orgie des Sommers! Das lodernde Feuer der Leidenschaft wird euch bald in Asche wandeln! Deinen Verlockungen kann ich nicht standhalten, Mutter Natur! Die kleine Amsel verschwindet im Geäst. Versteckst
Furios 06/2011
du dich? Machst du dich rar? Willst mich um den Verstand bringen? Ich muss weiterziehen. Will dabei die Rinde deiner Pappeln kitzeln und das frische Grün deiner jungfräulichen Blättchen liebkosen. Du vernebelst meinen Sinn, ich möchte die Augen schließen und deinen Duft verschlingen. Meine Füße verlieren die Haftung. Ich taumele. Welch Narr hat diese monströse Skulptur aus rostigen Spießen mitten in dein Herz gestochen? Erdolcht liegst du da. Die Ameise flüstert: »Es war eine Gabe.« Doch wer verschenkt, was der Ästhet auf die Deponie brächte? Ein blinder Betriebswirt soll es einst seiner Maid zuliebe losgeworden sein.
• Meine Augen brauchen Ruhe. Ich schreite voran. Doch dort, konzentrische Kreise aus Menschen. Sozialistische Revolutionen und kapitalistische Verirrungen kriechen aus ihren Mündern. Deine Butterblumen, gepeinigt und erschlagen von einer marmornen Marx-Gedenkplatte. Alma Mater, herrisches, wankelmütiges Weibsbild, du bist vergessen. Hiermit breche ich mit dir und will mich Größerem hingeben. Mutter Natur, das kühle Nass deiner Krummen Flanke schreit willig nach mir, wie der Säugling nach der Brust. Ich hänge mein Beinkleid über ein Gänseblümchen und stürze mich tollkühn in deine Fluten. Wir vereinen uns. Ich möchte in dir ertrinken.
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Die Gedanken des Flaneurs notierte Catharina Tews. Für ihre Richtigkeit übernimmt sie keine Verantwortung.
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Veranstaltungskalender
Got Plans?
Veranstaltungen von, für und mit Studenten der FU. Gesammelt von Eliese Berresheim, Margarethe Gallersdörfer, Laura Gertken, Galina Haak und Vincent Novak Mehr Veranstaltungstipps unter
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www.furios-campus.de/kalender
Ein Arztbesuch mit Risiken und Nebenwirkungen The Rat Trap: englisches Uni-Theater. Dienstag 5. Juli und Mittwoch 6. Juli, 19 Uhr, JFK Institut Berlin Lansstraße 7-9, Eintritt frei.
Schauplatz: Wartezimmer. Die Patienten lesen Zeitung oder sehen betreten zu Boden. Nicht gerade ein Ort des Wohlfühlens. Umso unangenehmer, wenn alle im Raum einen kennen, man selbst jedoch keinen blassen Schimmer hat, wer die anderen sind. Genauso ergeht es George, Protagonist des Theaterstücks »The Rat Trap«. Er versucht herauszufinden, wo er den anderen Personen schon mal begegnet ist. Eine Erinnerungsreise beginnt, auf der George nicht nur etwas über die Fremden erfährt, sondern auch seinen Ängsten nachspürt. Die neugegründete Theatergruppe des JFK Instituts bringt nach kurzer Probezeit dieses skurrile Chaos auf die Bühne. Ein Muss für Theaterfreunde mit Sinn fürs Surreale. jfki.fu-berlin.de
JUN
Gemeinsam sind wir Schriftsteller
»Tentative Experiment to Form a Literary Collective« – Seminar von Daniel Kehlmann und Adam Thirlwell, Veranstaltung in englischer Sprache. Erster von fünf Terminen: 20. Juni, KL 32/202, 12:00h
Große Literatur wird allein im stillen Kämmerlein geschrieben. Ist auf dem Buchdeckel eines Romans mehr als ein Autor verzeichnet, kann man sich die Lesezeit getrost sparen – oder? An der FU soll der Gegenbeweis angetreten werden. Die Forschungsleiter des Seminars sind keine anderen als Daniel Kehlmann (»Die Vermessung der Welt«) und Adam Thirlwell (»Strategie«). Diese beiden Stars der deutschen und britischen Gegenwartsliteratur hat das Peter-Szondi-Institut für seine Sommersemester-Gastprofessur gewonnen. Kehlmann und Thirlwell wollen der Frage nachgehen, ob kollektives Arbeiten in der Literatur überhaupt möglich ist. Die prominenten Profs sind offen für alles: ein Magazin, einen Pop-Up-Store oder eine Radionsendung können produziert werden. Jeder kreative Kopf ist willkommen! geisteswissenschaften.fu-berlin.de
JUN
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Eure Veranstaltungen an
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redaktion@furios-campus.de
KIEZ – GESCHICHTE(N)
Ausstellung: stud.berlin: 200 Jahre Studieren in Berlin. Organisiert von Studenten und Absolventen der FU, HU und TU Berlin. Bis 31.7. Außerdem: Stadtführungen ab Juni durch die Berliner Lieblingskieze. Unigebäude der HU am Hegelplatz, Dorotheenstraße 24, Mo-Fr 8-22 Uhr, Sa 10-18 Uhr. Wie sich Studieren seit 1750 verändert hat und wie Studierende Universitäten und Wissenschaft beeinflusst haben, das zeigt die aktuelle Ausstellung stud.berlin. Besonders spannend sind die verschiedenen Stadtrundgänge, unter anderem die »Hain- und Bergführungen« durch die studentischen Lieblingsstadtteile Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Oder auch die Dahlem-Tour, die mit Geschichten und Fakten zu Orten und Gebäuden auf unserem Campus aufwartet. Einige werden auch von Zeitzeugen oder Experten begleitet. Die Touren können mithilfe des jeweiligen Faltblatts (gibt’s bei der Ausstellung) auch selbst unternommen werden. studberlin.de
JUL
Abschlusskonzerte des Collegium Musicum Freitag, 01.07.2011 und Samstag, 02.07.2011, jeweils um 20 Uhr. Philharmonie Berlin Großer Saal. Karten 12,- / erm. 9,- Euro
Es ist soweit: Nach über 20 Jahren reicht der derzeitige Leiter des Collegium Musicum Manfred Fabricius den Dirigierstab weiter. Um diesen Abschied in besonderem Maße zu würdigen, finden sich Ende dieses Semesters alle vier klassischen Ensembles des CM zu zwei großen Abschlusskonzerten im Großen Saal der Philharmonie Berlin zusammen. Neben ausgewählten Beiträgen der einzelnen Ensembles wird es am Ende ein großes Finale unter Beteiligung aller Musizierenden geben. Ein besonderes Konzert-Event zu einem besonderen Anlass. collegium-musicum-berlin.de
Im singenden Klang des Gayageum
Nicht nur das koreanische Essen in der Mensa dürfen wir uns zu Gemüte führen. Auch die traditionelle Musik Koreas kommt nach Berlin. Nach dem Abschluss Gayageum-Ensemble Sagye. Vier junge ihres Studiums an der National Universität in Seoul haben sich JungMin Song, SunYoung Hwang, DoHui Yaun und JiEun Lee zum Sagye-Ensemble zusammenkoreanische Musikerinnen auf tradigeschlossen. Seit 1999 reisen sie um die Welt; sie sind unter anderem schon in tionellen Instrumenten. 28. Juni, 20 Uhr, Otto-Braun-Saal der Staatsbibli- Vancouver, San Francisco und Spanien aufgetreten. Die vier Musikerinnen spielen othek Berlin, Haus Potsdamer Str. 35, das Gayageum, eine Wölbbrettzitter, die durch ihre seltsam gebogene Form beeindruckt. Eine Gelegenheit für all jene, die einen Einblick in die klassische koreaniEintritt 10/12/15 € sche Musik bekommen möchten. Furios 06/2011
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Foto: Manfred Reschke
Saarow Therme
Hans Otto Theater, Potsdam; Foto: Prof. Dieter Leistner
Mit uns zu den schönsten Ausflugszielen in Berlin und Brandenburg. Bis zu 5 Personen oder Eltern/Großeltern (max. 2 Erwachsene) mit beliebig vielen eigenen Kindern/Enkeln unter 15 Jahren Weitere Informationen, Tickets und Ausflugstipps unter www.bahn.de/brandenburg
Die Bahn macht mobil.