FURIOS Winter 20/21
WINTER 20/21 AUSGABE 24
STUDENTISCHES CAMPUSMAGAZIN AN DER FU BERLIN
UND IHR SEID INDIVIDUELL? Irrtum Individualität
Masse gegen Masse
Exklusive Gemeinschaft
Was mit uns in der Masse geschieht
Was Urberliner*innen über Zugezogene denken
Undercover in der Burschenschaft
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FURIOS 24
Winter 20/21
Moin! Wir sind die Redaktion des Campusmagazins FURIOS. Als wir anfingen, über dieses Heft nachzudenken, wurde uns eins schnell klar: Masse und Individualität lassen sich nicht voneinander trennen. Wir verstecken uns in der Menge, um gefunden zu werden, stechen aus ihr heraus, um mit ihr zu verschmelzen. Wir grenzen uns ab, weil wir Gemeinschaften schließen, und grenzen automatisch aus. In Berlin zu leben, an den riesigen Unis zu studieren, heißt immer auch, Teil einer unüberschaubaren Masse zu sein, und sich manchmal in ihr aufzulösen. Dabei wollen doch alle individuell sein, oder?!
* t t a b a R i d u t S % 30
Erstmals widmen wir eine gesamte Printausgabe – die 24. seit Gründung der Redaktion – einem einzigen Thema. Das Heft erzählt von Leuten, die völlig isoliert von der Masse sind. Von denen, die ausgegrenzt werden, weil sie nicht der Mehrheit angehören, wie etwa asexuelle Menschen. Und jenen, die durch ihre dubiose Gemeinschaft ausgrenzen, wie die Burschenschaften es tun. Wir porträtieren Menschen, die etwas über die Kraft dieser ominösen Masse herausgefunden haben. Darüber, wie sie die Musik verändert und warum sie im Internet viel größer scheint, als sie ist. Und wir erzählen von jenen, die sich der Gewohnheit der Vielen bewusst widersetzen, ja, sie sogar ändern wollen, wie die Berliner Gendermedizin-Forscherin.
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ltigen Studierendena
*bei Vorlage eines gü
r ü f s e All e n e g i e die Bude!
Damit seien nur ein paar der folgenden Texte erwähnt, aber wie es in so einem Editorial eben ist: für mehr fehlt der Platz. Platz für einen kleinen Schnaps auf alle, die mitgewirkt haben, und die, die es lesen, ist aber immer. In diesem Sinne: Wohlsein!
Stellvertretend für die Redaktion: Elias Fischer und Jette Wiese
inhalt Forschen Filterblasen: wenige hetzen, viele schweigen
Inspirieren
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chtes abgeben u ra b e G s te u g d n u n Nachhaltig einkaufe er BSR d s u a fh u a k n re a tw h im Gebrauc
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Abseits der Massen: Nischen-Forschung an der FU
»Sowas wie Individualität gibt es nicht«
Wie Streamingdienste die Musik verändern
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Operation Gleichberechtigung: 22 Wie Geschlecht die Medizin beeinflusst
Abseits des Sextreams: Tabu-Thema Asexualität
Streiten
Studieren
Kommentar: Wenn schon isoliert, dann 25 bitte arbeitseifrig?
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Zu alt, zu jung zum Studieren? »Es gibt für alles einen Zeitpunkt!«
Wie wenige Profs die vielen Menschen an der FU regieren
12 Wie es ist, im Gefängnis zu studieren 14 Burschenschaften - Gemeinschaft
Gegen den Strom: neue Opposition im Stupa?
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um jeden Preis
wWw.nochmaLl.de 2
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Zugezogen oder Urberliner*in - Was eine Masse über die andere denkt
Quiz: Eine*r für alle 29 Impressum und Kontakt 30 3
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»Sowas wie Individualität gibt es nicht«
FOTO: TIM GASSAUER
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URIOS: Wir stellen in diesem Heft Masse und Individuum gegenüber. Sind die beiden Begriffe für Sie überhaupt gegensätzlich? Sven Rücker: Laut traditioneller Massentheorie vom Ende des 19. Jahrhunderts wird Individualität zerstört, sobald sich eine Masse bildet. Gustave Le Bon sagt gar, ich bin dann nur noch durch Rückenmark gesteuert, also ich bin wie ein Zombie nicht mehr zu höheren kognitiven Funktionen fähig. Insofern würde nach der traditionellen Massentheorie eine Masse die Individualität auslöschen. Individuum und Masse wären somit Gegensätze. Wir haben unser Buch jedoch hauptsächlich geschrieben, um der These mal was entgegenzusetzen. Nämlich, dass sich Individuum und Masse gegenseitig stärken.
ist. Wenn Volkstribun*innen heute nicht zeigen, dass sie Teil der Masse sind, verlieren sie Einfluss. Zeitgleich müssen sie aber permanent die Meinungen der Masse abhorchen, um diese dann anzunehmen.
Elias Canetti verwendete den Begriff der Gegenmasse, das heißt, eine Masse braucht eine zweite Masse, um sich zu erhalten. Medial präsent waren zuletzt die ›Querdenken‹-Demonstrationen, die sich gegen alles und jede*n zu richten schienen. Brauchen Massenbewegungen zwingend Feindbilder? Es ist auf keinen Fall so, dass jede Massenbildung eine zweite Masse braucht, um zu funktionieren: Klassische Festmassen, bei Musikfestivals etwa, genügen sich selber. Für politische Massen ist es jedoch sehr Laut Gustave Le Bon braucht die Masse eine*n wichtig, Feind zu definieren, weil nichts so sehr mobiAnführer*in, um eine wirksame Akteurin in der lisiert wie ein gemeinsamer Feind. So werden alle, die Geschichte zu sein. Freud geht noch das gleiche Anliegen mit mir teilen, auch weiter und sieht den Zusammenhalt ex negativo definiert. Das lässt sich an »Heute einer Masse gar in der quasi libidinödiesen Querdenken-Demos ganz gut sewollen alle sen Beziehung der Individuen zur*m hen. Der Feind, gegen den man gemeinFührenden begründet. Sind wir heute sam antritt, ist das Establishment, das im einzigartig für einen richtigen Führer*innenkult Besitz der (medialen) Produktionsmittel sein« eigentlich noch anfällig? ist, die die Öffentlichkeit beherrschen – Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht, wenn unabhängig davon, ob dieses ›EstablishFührende so sind, wie sie immer waren: also Feld- ment‹ existiert, und ob es überhaupt eine Gegenmacht herr*innen, die nur auf dem Hügel stehen und Sol- bildet. Entscheidend für die Mobilisierung ist nur, dass dat*innen mit dem Fernrohr angucken. Das wird nicht sie das glauben. mehr funktionieren. Natürlich gibt es trotzdem noch Leute, die Massen gut manipulieren können: Volks- Massen bilden sich heute schneller als je zuvor – tribun*innen. Trump ist ein aktuelles Beispiel für je- zumindest virtuell. Inwiefern können wir von einer manden, der relativ virtuos in der Kommunikation mit Masse reden, wenn die Teilnehmer*innen räumlich Massen agieren kann. Der Witz ist, dass das eben kein voneinander getrennt sind? hierarchisches Verhältnis, sondern ein wechselseitiges Das kann man meines Erachtens nicht. Massenerfah-
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rung ist immer auch eine körperliche Erfahrung. Die Funktion virtueller Zusammenkünfte ist es, die realen vorzubereiten und zu organisieren. Der Soziologe Gabriel Tarde hat sich Ende des 19. Jahrhunderts in Masse und Meinung auf damals neue Medien wie Zeitungen und Zeitschriften bezogen. Wenn ich weiß, ich lese eine Zeitung und andere lesen die auch, haben wir schon etwas gemeinsam. Und wenn in der Zeitung steht: ›Versammelt euch!‹ - können und werden wir das auch tun. Dann kann es sogar sein, dass sich an verschiedenen Orten zeitgleich Massen bilden, wenn die gleichen Medien benutzt werden. Das war vorher undenkbar und durch die sozialen Medien geht dasselbe eben noch schneller. Kann es große, vor allem politische Veränderungen ohne Massen geben? Das glaube ich nicht. Um politisch wirklich was zu verändern, muss man immer die Massen überzeugen, auf sie einwirken oder sie irgendwie formen oder verändern können. Ansonsten ist es eben keine politische Wendung, sondern nur eine strukturelle Reform. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das anders funktio-
nieren soll. Andernfalls müsste man dieses Verschwörungsparadigma benutzen. Demnach verändert sich permanent etwas, wir kriegen es nur nicht mit. Und daran glaube ich nicht. Heutzutage würde alles sofort publik werden. Masse beschreibt ja nicht nur Bewegungen, sondern auch Gesellschaften. Heute wollen alle aus der Masse herausstechen. Leben wir in einer Massengesellschaft, in der alle dasselbe wollen: Individualität? Ja, ganz genau. Individualität als Massenphänomen. Heute wollen alle einzigartig sein und das auch herausstellen. Dafür braucht jede*r ein einzelnes Publikum. Da aber das Publikum meine Einzigartigkeit bekunden soll und gleichzeitig die eigene bekundet haben will, ist das immer reziprok. Insofern bildet sich eine Masse von Individuen. Diese Individualität ist keine in dem Sinne, wie sich das der Existenzialismus früher vorgestellt hat; ein Subjekt, das sich selber entwirft. Sowas gibt‘s nicht. Alle meine individuellen Entscheidungen sind letztlich auch versteckte kollektive Entscheidungen, die ich nur nicht als solche, sondern als individuelle wahrnehme. Im Buch zitieren Sie eingangs Elias Canetti: »Der Drang zu wachsen ist die erste und oberste Eigenschaft der Masse.« Wachstumsdrang, das klingt doch nach Kapitalismus. Ist der Kapitalismus selbst vielleicht eine Massenbewegung, die längst keine richtige Opposition mehr hat? Ja, das kann man so sagen. Es ist jedenfalls interessant, dass die Entwicklung des Kapitalismus mit der Entwicklung neuzeitlicher Massen zusammenhängt. Die gibt es tatsächlich erst, seitdem es den Kapitalismus gibt. Und der Kapitalismus ist ein System, das spezifische Massen generiert, die es für seinen Produktionsprozess braucht, wie Marx im Kapital wunderbar beschreibt. Der Kapitalismus selber ist ja auch gekennzeichnet durch Akkumulation, also durch Massenbildung, und auch das Kapital ist nichts anderes als eine Massenbildung von investierbarem Geld. Möglicherweise ist das ein metaphorischer Begriff von Masse, weil es sich hier nicht um Menschenmassen handelt. Es geht aber nicht nur um symbolische, sondern auch um konkrete Massenbildung, weil die Arbeitskraft an bestimmten Punkten konzentriert werden muss. Julia Hubernagel träumt vom Bad in metaphorischer Masse
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Wer sich in einem Meer aus Menschen bewegt, spürt ihn: den Sog der Masse. Der Philosoph und FU-Professor Sven Rücker hat über Massen im Zeitalter der Individualität ein Buch geschrieben. Ein Gespräch über Führer*innenkultkult, Massen im Internet und den Kapitalismus.
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wartungshaltung einnehmen: »Wenn wir aufmerksam sind, etwas erwarten, werden Neurotransmitter wie beispielsweise Dopamin ausgeschüttet«, erklärt Ursula Koch, Neurobiologin an der FU. Ähnlich wie beim Drogenkonsum würde dadurch das Belohnungszentrum aktiviert und Klänge schließlich als angenehm empfunden. Andererseits ist die Sozialisation entscheidend, wie in einer Studie mit dem bolivianischen Amazonasvolk Tsimane deutlich wurde. Die Tsimane empfanden Klänge, die in der westlichen Welt als dissonant gelten, weniger unangenehm als beispielsweise Europäer*innen. »Klänge, die wir als angenehm empfinden, hängen mit unserer Vokalisation, mit unserer Sprache zusammen«, sagt Koch. Für sie sei die Hitformel demnach sicherlich ein »soziales Konstrukt«, das womöglich auf Erlerntem und positiven Erfahrungen fuße, wie beispielsweise dem gemeinsamen Musizieren.
Die Hitformel soll der musikalische Schlüssel für einen Charterfolg sein. Doch Streamingdienste spielen nicht nur Hits, sie formen sie – mithilfe von Streams und Playlisten. FOTOS: THORSTEN SALZMANN, JULIA HUBERNAGEL
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opmusik besteht meist aus nur drei Akkorden: Grundakkord, Subdominante und Dominante. So lautet ein alter, hämischer Witz gegenüber dem Genre und gleichzeitig – das zeigte Volker Kramarz, Musikwissenschaftler an der Universität Bonn, 2014 in einer Analyse etlicher prämierter Pop-Hits – dessen Hitformel. Für einige der 470 FU-Studierenden, die an einer Umfrage von FURIOS teilgenommen haben, mache einen Hit aus, dass er »mitsingbar« sei. Die meisten hielten aber ein »Bestimmtes Verhältnis von Strophen und Refrain« für wichtig. Allerdings werden durch die Dominanz der Streamingdienste Variablen der Musikkomposition und -produktion immer weiter in den Hintergrund gedrängt, während ökonomische Komponenten mehr und mehr in den Vordergrund rücken.
Zahllose Softwareprodukte und technisches Equipment haben vor allem im letzten Jahrzehnt die Schwelle zur Musikproduktion gesenkt, Streamingdienste die zur Veröffentlichung. Das führe zu einem schnelllebigeren Musikgeschäft, folgert Ilhan Coskun. »Das ist einfach. Du kannst Musik hochladen und die ist verfügbar für alle.« Der Journalist des Y-Kollektivs probierte sich für eine Reportage selbst als Musiklaie an der Hitproduktion. Die generelle Kritik an kürzeren Release-Zyklen, dass ihretwegen immer häufiger Abstriche bei Text und musikalischer Vielfalt – besonders im deutschsprachigen Hip Hop – gemacht werden, teilt Coskun: »Scheißegal, was für einen Song du machst: Mach eine Hook, die catched, und du kannst im Rest sagen, was du willst!«
Musik fasziniert, berührt und bewegt uns. Das liegt einerseits daran, dass wir beim Musikhören eine Er-
Leichter Zugang zu und einfache Bedienung der Technik erlauben es heute beinahe allen Musikinteressierten, klanglich solide Tracks zu produzieren: ob im Heimstudio (Keyboard) oder in einer kleinen Aufnahmekabine.
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Nicht alle Musikströmungen folgen einem so simplen Schema. Vor allem die Independent-Musikszene erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Indie-Sängerin und Musikerin CATT schreibt ihre Songtexte und komponiert die Musik selbst; bei Live-Auftritten singt sie, spielt Klavier und Trompete – dank einer LoopStation teilweise gleichzeitig. Eine Hitformel führe ihrer Meinung nach dazu, dass die Kreativität eingeschränkt werde: »Ich finde das nicht schön, weil man versucht, Kunst oder Musik irgendwie in Formeln zu bringen, um es zu reproduzieren, zu nutzen, zu automatisieren oder zu digitalisieren.« Komponieren und texten ohne Freiheit? Das ist für die junge Indie-Musikerin unvorstellbar.
diversen zwielichtigen Webseiten. Auf die Anfrage, welchen Schaden Fake-Streams verursachen und wie groß dieser sei, möchte uns Spotify keine Informationen zur Verfügung stellen. Ilhan Coskun machte bereits mit der Reportage Der Rap Hack auf den Betrug aufmerksam. Darin zeigte ein Informant und Hacker an Ilhans Track, wie sich die Streams manipulieren lassen. Auch dem Bundesverband Musikindustrie ist dieses Problem schon länger bekannt. Mit einem internationalen Zusammenschluss verschiedener Labels und Streamingdienste gehe man gerichtlich gegen Webseiten vor, die Manipulationen von Streamingzahlen anbieten. Ein halbes Dutzend sei so bereits verboten worden. Das Problem ist dadurch aber noch nicht gelöst. Offenbar fährt Spotify bereits eine Konterstrategie. Laut hiphop.de testet der schwedische Streamingdienst bald eine neue Funktion, mit der Künstler*innen und Labels für Reichweite und Playlist-Platzierung offiziell bezahlen können – höchst umstritten.
Doch auch die Independent-Szene ist zunehmend von einer weniger musikalischen als durch und durch ökonomischen Variable einer neuen Hitformel abhängig: Streamingerfolg. Der wiederum wird besonders effektiv dadurch generiert, dass Songs oder Künstler*innen in Playlisten der Streamingdienste landen. So veröffentlichte CATT vor kurzem ihr zweites Album Why, Why, auch auf dem Streamingportal Spotify. »Mit höheren Streamingzahlen wird man in schönere Venues gebucht. Diese ganzen Sachen hängen so krass zusammen.«
Leider verwundert dieser Schritt kaum, bedenkt man eine Aussage des Spotify-CEO Daniel Ek gegenüber dem Medienunternehmen Music Ally. Es reiche nicht mehr aus, alle drei, vier Jahre ein Album zu veröffentlichen. Die ökonomische Gier und der damit einhergehende Überfluss scheinen die Utopie von einer Hitformel, die auf musikalischen Elementen beruht, zu ersticken. Es sind die Spielregeln einer gewinnorientierten Branche und die heißen: musikalische Quantität statt Qualität.
Unsere Studie zeigt: Spotify ist der mit Abstand beliebteste Streaminganbieter unter den Studierenden der FU. Der aus einem schwedischen Start-Up erwachsene Onlinedienst lässt Playlisten von eigens dafür eingestellten Kurator*innen pflegen. »Das ist das A und O, wie und wo du als Künstler*in platziert wirst«, findet auch Ilhan Coskun. Deswegen sei der entscheidende Faktor der Hitformel für Musiker*innen neben dem Label, den Kontakten und der Berichterstattung letztlich die Anzahl der Streams. Der starke Fokus auf die Streamingzahlen weckt jedoch kriminelle Energien. Besonders Künstler*innen, die kurz vor dem Durchbruch stehen, nutzen sogenannte Fake-Streams, um den Erfolg ihrer Musik zu steigern. Bei diesen zweckentfremdeten Streams werden tausendfach bestimmte Songs über gekaufte oder gehackte Accounts in Dauerschleife abgespielt und so die Streamingzahlen nach oben getrieben. Erwerben kann man sich diesen Service auf
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Elias Fischer
Johannes Bauer
Wenn jemand Streams ermogelt, ist er*sie dann playlistig?
Mach einen Autorenkasten, der catched, und du kannst im restlichen Text schreiben, was du willst.
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DER STREAM. MACHT. DIE MUSIK.
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xuell. Zu Asexualität gehört ein weites Spektrum an Lust- und Romantikempfinden. So geht diese nicht automatisch mit Verzicht einher: Einige Betroffene haben Sex, beispielsweise um Kinder zu bekommen oder ihre*n nicht-asexuelle*n Partner*in zu befriedigen. Ebenso sind viele Asexuelle durchaus in der Lage, romantisches Interesse zu empfinden oder eine Beziehung zu führen. Asexualität ist keine Krankheit, sondern eine sexuelle Orientierung. Daher ist diese auch nicht automatisch auf eine fehlende Libido oder andere biologische Ursachen zurückzuführen, sondern beschreibt ein allgemeines Empfinden. Als Sophie sich zum ersten Mal bewusst mit Asexualität auseinandersetzt, studiert sie bereits. Seit einigen Wochen ist sie an der Freien Universität für Publizistik und Filmwissenschaft eingeschrieben, nach einem Seminar im November 2018 geht sie mit Kommiliton*innen essen. Sie reden über Gott und die Welt und kommen schließlich auch auf Sex zu sprechen: »Wir haben festgestellt, dass man früh den Druck verspürt, Sex haben zu müssen, weil das ein Statussymbol ist. Single zu sein ist eher negativ konnotiert«, erzählt Sophie. 25 Prozent aller Suchanfragen im Internet beziehen sich laut einer Studie des Vergleichsportals Netzsieger auf Pornographie. Der Großteil der Jugendlichen macht auf diese Weise die ersten explizit sexuellen Erfahrungen. Kein Wunder also, dass Sex nie bloß Sex ist, sondern aufgeladen mit kulturellen Vorgaben und unrealistischen Erwartungen. Obwohl Jugendliche heute immer später ihr erstes Mal erleben, wie kürzlich eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung belegte, verspüren viele den Druck, früh sexuell aktiv werden zu müssen. »So sind wir dann auf Asexualität zu sprechen gekommen«, erinnert sich Sophie. Ihre Kommilitonin Maria weiß schon seit dem Biologieunterricht in der Schule über das Thema Bescheid und kann erst kaum glauben, dass sie damit in der Minderheit ist. Fasziniert von dem Thema, den vielen Vorurteilen und Wissenslücken, beschließen die beiden spontan, einen Film über Asexualität zu drehen. »Maria hatte Filmequipment zu Hause und so kam es zu dieser ungewöhnlichen Idee«, schildert Sophie. Doch bis sie mit den Dreharbeiten beginnen werden, dauert es noch fast zwei Jahre. Im Wintersemester 2019/20 besuchen Sophie und Maria schließlich ein offenes Treffen der Freien Filmwerkstatt der FU. Das Institut für Theaterwissenschaft will Interessierten so die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen. Ohne fertiges Drehbuch, nur mit der Idee
Kein Sex ist auch kein Problem – könnte man meinen. Doch asexuelle Menschen leiden oft unter Stigmatisierung. Zwei Studentinnen der FU haben einen der ersten Filme über das Thema gedreht. FOTOS: ELISA DANIEL, MIGUEL MARTIN BETANCOR
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ex ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Er wird zugleich glorifiziert und mystifiziert, er ist überall und doch unsichtbar. Jede HollywoodRomanze ist voller neurotischer, sexueller Anspielungen und gleichzeitig merkwürdig prüde, da es nie wirklich zur Sache geht. Von der Badezimmerfliese bis zum Schokoriegel werden in der Werbung sexualisierte Körper eingesetzt, um Produkte zu verkaufen. Diese Allgegenwärtigkeit von Sexualität und das gleichzeitige Schweigen darüber festigt bestimmte Vorstellungen und Erwartungen in unseren Köpfen. Aber was, wenn man mit Sex grundsätzlich nichts anfangen kann? Zwischen einem bis drei Prozent der Bevölkerung geht es so: Sie identifizieren sich als ase-
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Das Team hat einen der ersten deutschsprachigen Kurzfilme über das Thema Asexualität gedreht.
Der Film »Ace up my sleeve« soll voraussichtlich im Sommer 2021 Premiere haben.
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»Man versucht, sich selbst zu heilen, obwohl man gar nicht krank ist«
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genauer auf, besetzen Positionen von Teammitgliedern neu, die zwischenzeitlich abgesprungen sind, und suchen im Spätsommer schließlich nach neuen Drehorten – in der FU dürfen sie wegen des Virus nämlich nicht mehr filmen. Mit strengem Hygienekonzept gehen Mitte Oktober, kurz vor dem Lockdown Light, schließlich die Dreharbeiten los. Der Dreh, so erzählen sie, ist für sie sowohl fachlich als auch persönlich eine unheimliche Bereicherung: »Immer wieder haben sich Personen bei uns gemeldet, die sich selbst auf dem asexuellen Spektrum einordnen. Wir haben natürlich eine Zielgruppe angesprochen, aber trotzdem war es krass zu sehen, wie viele Leute wir tatsächlich mit dem Thema erreichen können«, berichtet Maria. Sophie bestätigt das: »Viele aus der Crew haben sich erst wegen des Films mit Asexualität auseinandergesetzt und konnten am Set im Gespräch und Kontakt mit den Leuten viele Vorurteile abbauen.« Nach den Dreharbeiten bewerben die beiden sich noch bei einem Filmförderprogramm für junge Leute – mit Erfolg. Rückwirkend bekommen sie 2.000 Euro Förderung. Das reicht zwar nicht, um alle Kosten, die die Studentinnen aus eigener Tasche bezahlt haben, zu begleichen, aber es sei besser als nichts. Aktuell ist der Film in der Postproduktion, die Premiere ist für Frühling oder Sommer 2021 geplant, je nach Verlauf der Pandemie. Auch bei Festivals wollen Sophie und Maria ihr Werk einreichen: »Wir haben schließlich einen der ersten deutschsprachigen Kurzfilme über Asexualität gedreht.«
im Kopf, schlagen sie ihr Thema vor und stoßen auf offene Ohren. In Eigenregie stellen sie schließlich ein Team zusammen, starten Castingaufrufe über Social Media, teilen sich in Arbeitsgruppen ein, schreiben ein Drehbuch und haben im Januar 2020 einen Cast von 13 Leuten beisammen. Der Kurzfilm begleitet schließlich die junge Protagonistin Grace, die sich im Alltag von der sexorientierten Gesellschaft unter Druck gesetzt fühlt. Sie ist asexuell, weiß das allerdings noch nicht und versucht so, ihren eigenen Weg zu finden: »Wenn man nicht weiß, dass es okay ist, zu sein, wie man ist, dann versucht man, sich selbst zu ›heilen‹, obwohl man ja gar nicht krank ist.« Der Begriff Asexualität fällt im Film jedoch nicht explizit, vielmehr gehe es darum, sich nicht durch Sex definieren zu müssen: »Es ist zwar klar, dass es um Asexualität geht, aber wir nennen den Begriff nicht direkt, weil wir nicht wollten, dass der Film mit einem weiteren Label endet. Dementsprechend ist er auf verschiedene Lebensbereiche übertragbar«, erklärt Sophie. Ihr Ziel sei es, zu zeigen, dass ein vorurteilsfreier Umgang mit Sex uns alle etwas angehe: »Hat man viel Sex, wird man beurteilt, hat man wenig Sex, wird man auch beurteilt«, sagt Maria. Wichtig sei ihnen einfach, zu zeigen, dass es sowohl okay ist, (einvernehmlichen!) Sex mit jeder*m zu haben, als auch gar keinen Sex zu haben. Eigentlich sollen die Dreharbeiten im März 2020 starten, doch dann macht die Coronapandemie ihnen einen Strich durch die Rechnung. Sie nutzen die Zeit und verbessern das Drehbuch, teilen sich Aufgaben
Greta Linde empfiehlt die Serien ‘Sex Education‘ und ‘Girls‘ - gegen unrealistischen Hollywood-Sex Matthäus Leidenfrost hält Sex für grundsätzlich unrealistisch.
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»Es gibt für alles einen Zeitpunkt«
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Studium, inklusive WG-Leben, sei also der nächste logische Schritt gewesen.
Charlotte ist 16, Jeannette ist 53. Beide sind Erstis. Gemeinsam besuchen sie die Einführungsvorlesungen an der FU. Wie ist es, nicht der Masse der Studierenden zu entsprechen? Ein Doppelporträt. FOTOS: PRIVAT (L.), MAYA MEINERS (R.)
Für ihr Umfeld sei das Studium deshalb nur eine logische Folge dessen, was sie bisher gemacht hat. »Die Familie findet es ganz toll«, berichtet die dreifache Mutter lachend. Ihre Kinder sind nun gewissermaßen ihre Kommiliton*innen. Ihre Tochter, die an der FU Biologie studiert, habe ihr bei der Immatrikulation geholfen, der Umgang mit der Technik im digitalen Semester falle ihr leicht. Das normale Campusleben fehle ihr aber genauso wie den meisten Studierenden. Ihr Sohn, der Elektrotechnik studiert, habe im Digitalsemester das Gefühl, den ganzen Tag nur YoutubeVideos zu schauen, meint Jeannette nachdenklich. Mit ihm und ihrer Tochter tauscht sie sich oft über das Studium aus. – so alt
Mit ihrer Immatrikulation für die Fächer Politikwissenschaft und Physik wurde sie eine von einer halben Million Erstis in Deutschland – Durchschnittsalter 21,6 Jahre. Mit ihren kurzen grünen Haaren und den politischen Statements auf ihrem Gepäck fällt sie unter ihnen kaum auf, 21,6 dennoch gibt es einen entscheidenden sind StudienanUnterschied. Charlotte ist 16. Vor weniAuch Charlottes Familie unterstützt gen Monaten erst hat sie auf einem Insie bei ihrem Studienvorhaben – anfänger*innen in ternat in Baden-Württemberg ihr Abitur ders wäre das Leben als MinderjähDeutschland im gemacht. Der Grundstein für ihre ungerige in einer neuen Stadt auch kaum wöhnliche Laufbahn sei durch die verzu bewältigen, erzählt sie. »Meine Durchschnitt. frühte Einschulung direkt in die zweite Eltern müssen halt jede KleinigKlasse gelegt worden. Doch ihre Biokeit für mich unterschreiben, das ist graphie sei nicht so klischeehaft elitär, wie man auf schon manchmal nervig. Vor allem weil ich ja durchden ersten Blick vermuten könnte, betont sie. Weder aus fähig wäre, das selbst zu tun«, betont sie. Den eigene Überambitionen noch Helikoptereltern hät- Mietvertrag unterzeichnen, einen Bibliotheksausweis ten zu ihrer Entscheidung geführt, mit 16 Jahren den beantragen, selbst Ärzt*inbesuche erforderten einen Schritt ins Berliner Unileben zu wagen: »Ich wollte umständlichen Schriftverkehr in die Heimat. Ansonshalt erst mal aus der Kleinstadt raus, aber mit 16 ein ten sei der Kontakt zu ihrer Familie aber nicht häufiGap-Year im Ausland zu machen ist schwierig.« Das ger als bei anderen Studierenden. »Ich rufe halt hin
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und wieder mal an, zu Besuch fahre ich aber eigentlich nur an Weihnachten«, gesteht sie lachend.
Seine Aussage – »Jetzt hast du mir den Studienplatz weggenommen« – habe sie zum Nachdenken gebracht, auch wenn das natürlich nur Spaß gewesen sei. Bisher ist Jeannette sehr zufrieden mit ihrem Studium. Natürlich habe sie die gleichen Probleme wie ihre Kommiliton*innen. »Mir fällt es auch nicht leicht, einen Text von Platon zu lesen.« Begeistert berichtet sie von ihrem Russischkurs, in dem sie ihre Fremdsprachenkenntnisse endlich wieder auffrischen könne. Selbst beim Onlinestudium sehe sie die Vorteile. Dank fehlender Fahrzeiten könne sie ihr bisheriges Leben relativ problemlos weiterführen. Die Studentin übt weiterhin ihren Beruf als Selbstständige aus und kann viel Zeit mit ihrer Familie verbringen.
Ein Sozialleben an der Uni aufzubauen, falle Charlotte wegen der reinen Onlinelehre schwer – doch sie gibt sich gelassen. Sie umgehe es anfangs oft, mit Kommiliton*innen über ihr Alter zu sprechen. »Das schafft ja schon erstmal einen gewissen Graben. Ich möchte als gleichberechtigt wahrgenommen werden.« Wenn nach näherem Kennenlernen rauskomme, dass Charlotte so jung ist, sei die Überraschung umso größer. Die Beziehung zu ihren Mitstudierenden habe das aber noch nie beeinträchtigt. »Ich wurde ja immer schon zwei Jahre älter sozialisiert«, erzählt sie und fügt lachend hinzu: »Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so richtig, was andere 16-Jährige so machen.«
Was die Zukunft für die beiden bringt? »In erster Linie mache ich das ja aus Interesse. Also ein konkretes Ziel habe ich noch nicht vor Augen«, erklärt die 16-jährige Charlotte und stimmt dabei mit der fast vier Jahrzehnte älteren Jeannette überein. »Wenn man in Bewegung bleibt, ergeben sich Sachen«, sagt sie. In welchem Alter man dabei sei, spiele letztlich nur eine untergeordnete Rolle.
Während Charlotte ihr Alter vor ihren Kommiliton*innen eher zu kaschieren versucht, sieht Jeannette den Altersunterschied positiv. Sie finde die Zuversicht und die Besonnenheit der Jugend toll. »Es hat den Aspekt, dass man wach bleibt«, erzählt die 53-Jährige. Inwieweit sie am typischen Campusleben teilnehmen will, wisse sie aber noch nicht. Allein schon aus praktischen Gründen wolle sie Mensa und Bibliothek nutzen. Sich auch in Hochschulgruppen zu engagieren, kann sie sich grundsätzlich vorstellen. »Aber ich bin vorsichtig, weil ich nicht weiß, wie sehr das gewünscht ist.« Ein Freund ihrer Tochter habe sich auf den gleichen Studiengang wie sie beworben, wurde aber abgelehnt.
Lena Rückerl: jünger als sie aussieht, älter als sie sich manchmal fühlt. José-Luis Amsler: älter als er aussieht, jünger als er sich manchmal fühlt
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ls Charlotte aus dem Bus steigt, verschwimmt sie mit der Masse der in alle Richtungen ausschwärmenden Student*innen. In einer Hand hält sie einen großen dampfenden Pappbecher mit Filterkaffee, die andere umfasst gelassen den Träger ihres schwarzen Rucksacks. Von den vielen darauf angepinnten Buttons trägt einer den Schriftzug Refugees Welcome, ein anderer zeigt ein rot umkreistes A. Charlotte studiert seit einigen Wochen am Otto-SuhrInstitut der FU.
Wesentlich spontaner war Jeannettes Entscheidung, Politik zu studieren. »Es gibt für alles irgendwie einen Zeitpunkt«, stellt die 53-Jährige fest. Politisch interessiert und engagiert sei die Berlinerin schon lange. Die Schikane, die sie als junge Frau in der DDR erlebt habe, und ihre ersten Erlebnisse nach der Ausreise in die BRD hätten ihren Gerechtigkeitssinn geweckt. Das politische Geschehen zu verstehen und einen besseren Einblick in gesellschaftliche Zusammenhänge zu bekommen, sei seitdem ihr Ziel, erklärt sie gestikulierend. In ihrem Beruf als Autorin und freie Journalistin beschäftige sie sich zwar immer wieder mit Politik, erzählt Jeannette. Sie habe aber das Gefühl, immer nur an der Oberfläche kratzen zu können.
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»Wir wollen nur in Ruhe saufen«
Burschenschaften schwören auf ihre exklusive Gemeinschaft – doch diese kommt zu einem hohen Preis. FURIOS hat die Zehlendorfer Gothia besucht und herausgefunden, warum sich Studenten anschließen. FOTO: TIM GASSAUER
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arl* ist Mitte 20, kommt aus Berlin, trägt einen leichten Bart und Jogginghose. Er steht am Zapfhahn und schenkt Bier aus. Noch ist es ruhig im Raum. Auf dem Tresen vor ihm steht eine gusseiserne, schwarze Sparbüchse in Form einer Büste mit Fliege und Zylinder. Auf ihrem Hinterkopf steht »Jolly N***** Bank«. Im Hintergrund läuft Marschmusik.
Die Burschenschaft Gothia, der Karl angehört, besitzt eine Villa im Stadtteil Zehlendorf. Gute Lage, großer Garten. Die Kneipe, wie der Aufenthaltsraum genannt wird, ist rustikal eingerichtet und voll mit Bildern alter Herren und diversen orange-weiß-schwarzen Fahnen der Gothia. Im Nebenraum wird gefochten. Allerdings nicht mit Florett und weißem Schutzanzug, sondern mit einem Degen aus hartem Stahl. Den schlagen die Männer über ihren Köpfen gegen einen Schaumstoffball, der auf einem Holzgestell aufgebaut ist. Das diene der »körperlichen Ertüchtigung«, sagt Karl.
Karl ist Mitglied einer Burschenschaft. Das sind Zusammenschlüsse männlicher Studenten, die gemeinsam wohnen, studieren und trinken. Dabei berufen sie sich auf eine lange Geschichte: Die erste Burschenschaft wurde 1815 in Jena gegründet und auf diese Tradition sind sie stolz. So stolz, dass sie sich gerne lustige Mützen aufsetzen, fechten und rechtes Gedankengut pflegen. Allein in Berlin gibt es mehr als 20 dieser Männerbünde. Allerdings sei es hier unüblich, in »voller Couleur«, also mit Mütze und Band herumzulaufen, während das Farbentragen in klassischen Universitätsstädten wie Göttingen oder Heidelberg fast zum Stadtbild gehört.
Ursprünglich habe es innerhalb der Burschenschaften liberale und deutschnationale Strömungen gegeben, erzählt der FU-Historiker Arnd Bauerkämper. Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzten sich jedoch die Deutschnationalen durch und auch der Antisemetismus nahm immer mehr zu. Viele Mitglieder fanden in den 1920er und 30er Jahren schnell Anschluss an die nationalsozialistische Bewegung, mit der es große inhaltliche Überschneidungen gab. Einige hochrangige Nationalsozialisten wie Heinrich Himmler waren selbst Mit-
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4.500 Mitglieder zählt die Deutsche
glied einer Burschenschaft. Innerhalb der konservativen Sphäre der Studentenverbindungen, die teilweise auch liberale oder christliche Werte vertreten, stellen Burschenschaften heute den rechten und deutschnationalen Flügel dar. Die Gothia selbst ist wohl am äußeren rechten Rand einzuordnen, sogar innerhalb der Szene spricht man von einer »braunen Wolfsschanze aus Zehlendorf«. An der FU sind sowohl das Tragen der Couleur als auch Burschenschaften unerwünscht. Nach einem Vorfall 2012, der auch in Verbindung mit Mitgliedern der Gothia stand, wurden die Dekanate angehalten, darauf zu achten, dass auf dem Campus keine Uniformen getragen werden.
Burschenschaft nach eigenen Angaben. Sie ist der Dachverband von 66 Gruppen in Deutschland – auch die Gothia gehört ihr an habe er durch Beziehungen zu einer anderen Verbindung bekommen. Er betont immer wieder, er könne vollkommen akzeptieren, wenn jemand eine andere Meinung habe, weshalb er auch jede*n respektiere, der überzeugt sei vom Sozialismus. Auf die Frage, ob es denn Meinungen gebe, die die Gothia nicht akzeptiere, antwortet Karl: »Wenn jemand für Hitler oder Stalin ist, muss er das halt gut argumentieren. Aber Tabu-Themen gibt es nicht.« Zum Holocaust etwa bilde er sich seine eigene Meinung, indem er beiden Seiten zuhöre. »Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen.«
Zwölf Aktive zählt die Gothia nach eigenen Angaben. Neueinsteiger, im Burschi-Slang »Füchse« genannt, bekommen Nachhilfe in »politischer Bildung«, erzählt ein anderes Mitglied. Die Kneipe hat sich mittlerweile mit einigen Männern gefüllt. Frauen sind bei der Gothia nicht erwünscht. »Das ist eben unser safe space«, meint ein anderer. Damenbesuch sei zwar prinzipiell gestattet, dann allerdings nur auf den Zimmern. Im Rest des Hauses wird der Vergangenheit sehr viel Raum gegeben, besonders dem frühen 20. Jahrhundert. An der Wand im Flur hängt eine große Steintafel mit den Namen gefallener »Bundesbrüder« aus beiden Weltkriegen. Im Treppenhaus und an den Wänden im ersten Stock hängen Plakate, die zum Beispiel auf die Luftwaffe anspielen. Eines davon wirbt für die Rekrutierung zur Reichswehr, die bis 1935 bestand.
Bei der Gothia sieht man sich selbst gerne in der Opferrolle: »Uns wird vorgeworfen, wir seien gegen Frauen. Dabei haben wir Damenbesuch. Uns wird vorgeworfen, wir seien gegen Ausländer. Dabei haben wir einen Ungarn bei uns.« In Heidelberg kam es bei einer befreundeten Burschenschaft kürzlich zu einem Vorfall, bei dem ein jüdischer Gast von Mitgliedern mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen wurde. Nach einer Anzeige wurde der aktive Teil der Burschenschaft aufgelöst, bestätigt die dortige Studierendenzeitung ruprecht. Bei der Gothia spielt man den Vorfall herunter. Das sei genauso wenig Körperverletzung wie ein leichter Schlag auf die Schulter.
Solche Darstellungen seien nah an der Verfassungsfeindlichkeit, sagt der Historiker Bauerkämper. Was bewegt diese jungen Männer dazu, sich einer Burschenschaft anzuschließen? Im Gespräch mit den Mitgliedern ergibt sich, dass alle hier etwas gefunden haben, was ihnen sonst an der Uni oder der Hochschule offenbar fehlt: eine Gemeinschaft. »Du bist mit hundert Leuten in einer Vorlesung und lernst nicht einen davon kennen«, sagt einer. In einer Burschenschaft brauche man sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Die Freundschaften machen sich später bezahlt – es ist kein Geheimnis, dass die hier geknüpften Netzwerke im Berufsleben intensiv genutzt werden. Ein Mitglied sagt: »Wenn ich Leute aus meiner Burschenschaft nehme, weiß ich, dass ich denen vertrauen kann.«
Die enge Gemeinschaft der Gothia kommt zu einem hohen Preis. Die Rückwärtsgewandtheit der Burschenschaft ist Programm. Kritik wird als haltlos abgetan und Probleme werden verharmlost. Und obwohl sie an Berliner Universitäten nur ein Randphänomen sind, reicht ihr Einfluss bis in die Bundespolitik. »Wir wollen nur in Ruhe saufen und unser Studium zu Ende machen«, sagt Karl. *Name von der Redaktion geändert Philipp Gröschel ist weder für Hitler noch für Stalin, sondern für mehr Käse auf Fertigpizzen.
Wenn man Karl nach seinem politischen Standpunkt fragt, holt er weit aus. Er spricht die Bundeswehr an, sagt, sie werde kaputt gespart von den Regierungsparteien. Einzig die AfD würde das verhindern. Für deren Fraktion arbeitet Karl im Bundestag. Den Job
Matthäus Leidenfrost kann nie wieder guten Gewissens fechten.
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fährt er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Taxi dorthin. Für seine Noten interessiere er sich kaum, doch da er nur wenige Ablenkungsmöglichkeiten habe, seien sie meistens im sehr guten Bereich.
Studieren hinter Gittern Peter* studiert Philosophie – ohne den üblichen Austausch mit anderen Studierenden, fast ohne jegliche Ablenkung. Denn: Seit sieben Jahren sitzt er in einer Justizvollzugsanstalt in Berlin in Haft. FOTOS: TIM GASSAUER
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or einigen Jahren hat Peter schon mal studiert: Wirtschaftsrecht in Mainz. Studierende seien dort weniger links und Burschenschaften präsenter gewesen, erinnert er sich. Sein Diplom schloss er erfolgreich ab, er fand Arbeit. Doch er wurde kriminell. Was er getan hat, will er nicht sagen. Das Urteil: mehrjährige Freiheitsstrafe. Sieben Jahre hat Peter in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Berlin nun hinter sich. Das Ende seiner Haftstrafe nähert sich, beruflich müsse er sich wegen seines Diploms anschließend keine Sorgen machen, sagt er. Dennoch studiert er zurzeit ein weiteres Mal: Philosophie an der Fernuni Hagen – unter besonderen Bedingungen fernab der Studierendenschaft.
Leben führen, nur zur Übernachtung müsste er noch in die JVA. Daher bemühe er sich, sein Benehmen den Anforderungen anzupassen und gleichzeitig sein geistiges Potenzial auszuschöpfen, sagt er. »Es ist wichtig, im Knast den Verstand zu nutzen, wenn man über eine gewisse Intelligenz verfügt.« Deswegen studiere er. »Man muss sein Potenzial fördern, um nicht geistig zu verarmen.« Dass Peter sich an Regeln hält, war nicht immer so. Vor allem zu Beginn des Gefängnisaufenthaltes seien viele der Insassen aggressiv gewesen. Wer im Knast studieren will, muss sich zusammenreißen. Auch wenn das Studium größtenteils aus selbstständiger Arbeit an Texten besteht, braucht Peter gewisse Sondergenehmigungen. Einige Prüfungen finden in einem Studienzentrum in Berlin statt. Begleitet von zwei Beamt*innen
Peter hofft, dass er in anderthalb Jahren in den offenen Vollzug darf. Das heißt, er könnte ein relativ normales
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In der JVA werden den studierenden Gefängnisinsassen Arbeitsplätze bereitgestellt – bis zum Anfang des Jahres 2020 noch von 8 bis 15 Uhr. Peter nutzte die Chance, so lange wie möglich dort zu sitzen, aus: volle Konzentration auf die Philosophie, weit weg vom Gefängnisalltag. Seit Beginn der Coronapandemie sind die Räume jedoch nur noch zeitlich begrenzt verfügbar.
Peter findet das Konzept fragwürdig. Die Abschreckung sei auf jeden Fall gegeben. »Im Bunker kann man die Macht der Institution spüren, zusätzlich auch die eigene Ohnmacht.« Viele erlebten anfangs einen Haftschock. Das Gefühl, im Knast des Knastes zu sein, mache sie aggressiv. In den letzten Jahren habe Peter sich einen gewissen Ruf unter den Inhaftierten aufgebaut, das erspare ihm viel Kritik. Wie er das geschafft hat, erläutert er nicht. Abgesehen davon hat er auch richtige Freunde gefunden, Menschen, mit denen er auch »danach« in Kontakt bleiben will. Aggressiv sei er nicht mehr. ist
»Es wichtig, im Knast den Verstand zu nutzen«
Viele, sagt Peter, seien nicht in der Lage, zu Drogen und Gewalt »Nein« zu sagen, aber er habe sein Ziel klar vor Augen. Über all das plaudert er, als würde er bei einem Glas Wein über seine Jugend reden, alles klingt irgendwie locker, fast schon belustigt. Genauso locker spricht er von den neuen Inhaftierten, die immer eine gewisse Aggressivität mitbringen. Und von der Gewalt, die immer wieder aufkommt. Auch wenn er positiv in die Zukunft blickt, umgibt sie ihn jeden Tag. Sie bricht nicht aus, aber sie ist immer da.
Seither verbringt er den Vormittag damit, Texte und Bücher in seiner Zelle zu lesen. Nachmittags widmet er sich aktiv dem Studium, schreibt Texte oder bereitet sich auf Prüfungen vor. Studiert er nicht, nutzt Peter die wenigen Freiräume, um sich abzulenken: Er meditiert oder treibt Sport. Außerdem stehen eine Küche für gemeinschaftliches Kochen, ein Fernseher und ein öffentliches Telefon zur Verfügung. Der Besitz eines Smartphones ist im Vollzug untersagt. Sollte festgestellt werden, dass er illegal in den Besitz eines Gerätes gekommen ist, drohe ihm ein vierwöchiger Einschluss, bei wiederholten Verstößen eine Verlängerung auf sechs oder acht Wochen. Dann dürfte sich Peter ausschließlich in seiner Zelle aufhalten und an keinen Gruppenaktivitäten mehr teilnehmen.
*Um Peters Anonymität zu wahren, wurden sowohl sein Name geändert als auch sein genauer Aufenthaltsort und sein aktuell angestrebter Abschluss nicht genannt. Der Kontakt zu Peter entstand mit Unterstützung der Organisation Tatort Zukunft, die sich für die Rechte von Inhaftierten einsetzt. Ihr Projekt Uni im Vollzug bringt inhaftierte und nicht inhaftierte Studierende in einem Seminar zusammen. Dafür kooperiert Tatort Zukunft mit der Alice-SalomonHochschule und der Freien Universität.
Bei härteren Vergehen wie Schlägereien würden die Inhaftierten in den ›Bunker‹ gebracht und komplett von anderen Insassen isoliert, berichtet Peter. Dort gebe es kein Tageslicht, die Einrichtung beschränke sich auf ein Steinbett, das direkt an die Wand betoniert sei, darauf eine feuerfeste Matratze, eine Toilette
Lena Marie Breuer würde auch im Gefängnis genug Ablenkungsmöglichkeiten finden, um nicht für Klausuren zu lernen.
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studieren
»Vorurteile anderer Inhaftierten mir und meinem Studium gegenüber gibt es nicht«, sagt Peter, zumindest würden sie das nicht zugeben. Auch seine Dozent*innen wissen von seiner Situation, sie reagieren darauf meist unterstützend und vorurteilsfrei. An der Fernuni Hagen ist er ohnehin kein Einzelfall. Peter würde gerne mit mehr Leuten über die Lerninhalte diskutieren. »Philosophie ist spannend, aber ohne Austausch doch etwas trocken.« Gruppenarbeiten und endlose Diskussionen bei Zigaretten und Rotwein kennt er nicht. Mit immerhin zwei anderen Inhaftierten kann er über die gelesenen Texte sprechen.
aus Metall und ein Waschbecken. Eine Kamera nehme unentwegt jede Handlung auf. Abgesehen davon befinde sich im ›Bunker‹ nichts, es gebe keine Beschäftigungsmöglichkeiten und Suizide seien ausgeschlossen. Der ›Bunker‹ zwinge dazu, sich mit dem eigenen Fehlverhalten auseinanderzusetzen, sagt Peter. Nur ein*e Wärter*in bringe regelmäßig Essen. Das sei der einzige menschliche Kontakt.
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Vor Gott sind alle Menschen Berliner*innen Zugezogene berufen sich auf Theodor Fontanes Zitat, anders sehen das wohl die meisten Urberliner*innen. Klischees und Vorurteile gibt’s auf beiden Seiten, aber wie viel Wahrheit steckt dahinter?
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Klassische Ureinwohner*innen der Hauptstadt stellt man sich hingegen anders vor. Die haben keine Lust auf zugezogene Kids vom Dorf, die sich in ihrer Stadt breit machen: Fuck Hipsters! Urberliner*innen wollen mit Sojamilch nichts zu tun haben, sind unfreundlich, hängen lieber in Altberliner Kneipen ab und machen sich über die Zugezogenen lustig. Welche Vorurteile bewahrheiten sich? Welche Klischees sind Klischees? Und ab wann darf man sich eigentlich Berliner*in nennen? Wir haben uns in der Stadt umgehört.
Katerina
seit einem Jahr in Berlin, wohnt in Prenzlauer Berg
Hannes
seit fünf Jahren in Berlin und Prenzlberg-Resident
Willy
Fleischereimeister, born and raised in Berlin-Weißensee
Mareike
1993 in Berlin geboren, wohnt derzeit in Reinickendorf
Wie siehst du die Zugezogenen oder Urberliner*innen?
ILLUSTRATION: KLARA SIEDENBURG
ypische Berliner Zugezogene sind Kaffee mit Sojamilch trinkende Hipster aus der süddeutschen Provinz – das ist längst jeder*m echten Berliner*in klar und seit dem Debüt-Album von Kraftklub 2011 auch in der ganzen Bundesrepublik bekannt. In ihrem Song Ich will nicht nach Berlin hat die Band den Hipster-Prototypen ausführlich beschrieben: Kommt aus der Nähe von Stuttgart, läuft mit Club Mate und Spiegelreflexkamera durch Friedrichshain und macht »Fotos von Streetart und interessanten Leuten – hauptsache hier in Berlin«.
Sebastian
seit vier Jahren in Berlin, wohnt inzwischen in Neukölln
Was bedeutet Berlin in drei Worten für dich?
Laut, stressig, lebenswert. Heimat, Sommer, Spaß.
Geteilt! Es gibt Entspannte, die einfach so leben wollen wie normale Menschen, und die Nervigen, die denken, weil sie drei Mal im Berghain waren, dass sie Berlin kennen.
Gut. Zu Beginn wird oft über Berlin gemeckert – laut, dreckig, unpersönlich – und nach ein paar Monaten lieben sie die Stadt. Meiner Meinung nach sind sie oft zu Beginn etwas intolerant und müssen erst lernen, dass es auch andere Lebensformen, Musikgeschmäcker und Formen der Mode gibt.
Sympathisch und ›open-minded‹.
Multicultural, frei, artistic.
Die meisten sind sehr stolz, ›richtige‹ Berliner*innen zu sein, und betonen ihre Rarität.
Dreckig, anders, sexy. Freiheit, Zuhause, Möglichkeiten.
Gut. Ich mag ihre direkte Art und kann auch verstehen, dass nicht alle nur positiv dem gegenüberstehen, dass sehr viele Menschen von außerhalb nach Berlin ziehen.
Wie viel hast du mit den neuen oder alten Berliner*innen zu tun?
Wann ist man echte*r Berliner*in? Relativ wenig! Wenn man hier geboren ist. Sobald das Herz an der Stadt und die Füße in der Spree hängen. In Berlin ist jede*r willkommen!
Viele meiner Freund*innen vom Studium und der Arbeit sind Neuberliner*innen. Schätzungsweise über 80 Prozent meines Freundes- und Bekanntenkreises. Ich habe bisher nur ein paar Urberliner*innen kennengelernt. Schon ein wenig – über Uni, Arbeit, Freunde und schließlich meinen Ex.
Annika Berger eine dieser Zugezogenen aus Süddeutschland.
Anja Keinath ist erst vor Kurzem von
Es hält sich in Grenzen, aber ein paar meiner Freund*innen sind in Berlin geboren.
Stuttgart nach Berlin gezogen und erfüllt damit vielleicht selbst das ein oder andere Klischee.
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Widerhall statt Widerspruch
heraus, mit denen wir ständig im Streit leben.« Wenn Menschen sich nur noch monothematisch informierten, die Echokammern dadurch immer stärker würden und sich Weltbilder verzerrten, werde es problematisch, erklärt Neuberger. Häufig seien dafür solche Gruppen anfällig, die ohnehin schon extreme Ansichten vertreten und sich stark auf ihre Gruppenidentität fokussieren. Weil ihnen online selten jemand widerspricht, fühlen sie sich nicht nur im Recht, sondern auch zahlenmäßig überlegen – angeblich unterstützt durch die große schweigende Masse.
Soziale Medien sind gefährlich und führen zu Gewalt, so das gängige Narrativ. Warum die Erzählung an der großen Mehrheit der Nutzer*innen vorbeigeht und selbst Filterblasen eine Chance sein können.
Die Diskurse verrohen, Grenzen des Sagbaren werden überschritten und inhaltliche Standpunkte unwichtig. Aktuell sind es die Coronaschutzmaßnahmen, vor ein paar Jahren war es der Umgang mit Geflüchteten. 2017 veröffentlichte der Berliner Datenjournalist Mi-
ILLUSTRATION: SIEBENPUNKTILLUSTRATION (C)
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Beim Zusammenschluss mancher Minderheiten ist die Unterstützung der Masse allerdings nur scheinbar vorhanden. Neuestes Beispiel sind verwirrte Querdenken-Demonstranten*innen, die sich on- wie offline für das ›deutsche Volk‹ halten. Viele Massenmedien werden nicht müde, die Gefahr dieser Echokammern immer wieder zu erwähnen: Soziale Netzwerke filtern Inhalte für uns vor, einerseits durch Algorithmen und andererseits durch unser selbst gewähltes, einschränkendes soziales Umfeld, das unsere Meinung wie ein Echo bestätigt.
chael Kreil deshalb eine Untersuchung zu den Auswirkungen von Echokammern. Mittels Clusteranalyse erstellte er für die Twitter-Accounts von Bundestagsabgeordneten ein räumliches Netz der Parlamentarier*innen untereinander und deren Follower*innen. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass sich AfD-Anhänger*innen in einer eng vernetzten Echokammer bewegen, sich größtenteils einseitig informieren und dazu tendieren, Falschmeldungen zu verbreiten. Die rechtsextremen Anschläge in Halle und Hanau zeigen, wie real die Konsequenzen der Radikalisierung sein können und machen deutlich, welch
Christoph Neuberger, Kommunikationswissenschaftler an der Freien Universität und dem WeizenbaumInstitut, erklärt, dass dies ein natürliches Phänomen ist: »Wir sind Wesen, die in Gruppen leben, in denen wir passende Freunde auswählen und dort gemeinsame Identitäten bilden. Wir suchen uns nicht die Leute
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große Verantwortung die Netzwerkbetreiber*innen tragen, wenn ihre Algorithmen für extremistische Narrative und krude Behauptungen die größte Reichweite generieren.
wenn eine Distanzierung nur noch auf der emotionalen Ebene erfolge und Inhalte keine Rolle mehr spielten. »Diese Art der Polarisierung kann im Kleinen Familien und Freundschaften entzweien und im Großen zur Abkopplung von Gesellschaftsgruppen führen.«
Man dürfe soziale Medien aber deshalb nicht gleich als Ursache der Radikalisierung sehen – vielmehr visualisierten sie eine Polarisierung. Bei Falschmeldungen handle es sich meist weniger um bewusstes Täuschen, sondern um Tippfehler, Missverständnisse oder aus dem Kontext gerissene Fotos, erklärt Kreil. Richtigstellungen würden mit ihrem nüchternen Charakter deutlich langsamer verbreitet und durchbrächen nur selten die Echokammer. Falls doch, würden sie von den Nutzer*innen nicht ernst genommen: »Die interessiert nicht, was die Wahrheit ist. Der Filtermechanismus ist viel mehr die eigene Psychologie: Alles, was das eigene Weltbild stützt, wird wahrgenommen, und alles, was dem widerspricht, abgelehnt.«
Oft bleiben Vorteile der digitalen Welt im Schatten der mahnenden Überschriften verborgen – zum Beispiel beim Thema Wahlkampf. Parteien wird die Chance gegeben, viel gezielter vor allem politisch weniger Interessierte anzusprechen. Gleichzeitig gelangen potentielle Wähler*innen über soziale Netzwerke so einfach und schnell wie nie zuvor an vielfältige Informationen. Sie treten in den direkten und intensiven Austausch mit Parteien und Politiker*innen. Digitale Gemeinschaften und soziale Bewegungen entstehen, wie zur EU-Urheberrechtsreform, gefolgt von Fridays For Future. Vor allem die junge Generation nutzt intensiv alle Möglichkeiten off- wie online, um am politischen Prozess zu partizipieren. Den Vorteilen sozialer Medien stehen zahlreiche, teils berechtigte Kritikpunkte gegenüber. Wer aber ihre generelle Nutzung und Glaubhaftigkeit in Frage stellt, wie das seitens einiger EU-Abgeordneten in Bezug auf die Demonstrationen im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform geschehen ist, stellt Fragen, die längst beantwortet sind. Diese neuen Technologien und Kulturräume sind vor allem eins: formbar. Laut Christoph Neuberger seien insbesondere die öffentlich-rechtlichen Medien in der Pflicht, faire Diskussionsräume zu schaffen. Sie könnten Diskurse leiten, neue Formen der Partizipation wie Live-Abstimmungen ein größeres und breiteres Publikum einbinden. Wir sollten nicht unsere Kommunikation dem Medium unterordnen, argumentiert er, sondern das Medium so gestalten, dass wir damit eine nach unseren Vorstellungen faire und sinnvolle Kommunikation ermöglichen.
Vor allem wer mit dem Internet aufgewachsen ist, nimmt die sozialen Netzwerke als vielseitig wahr – zumindest wesentlich abwechslungsreicher als das Uniseminar oder den Sportverein. Die neueste Forschung unterstützt diesen Eindruck. Im Internet spielen Entfernungen, ob räumlich, kulturell oder politisch, kaum eine Rolle, bestätigt Michael Kreil. »Aus meiner Perspektive bin ich dank der sozialen Medien mit vielen neuen Themen in Kontakt gekommen. Es ist wie eine Party mit 100.000 Menschen, die alle noch mal etwas Anderes rein bringen.« Diversität kann zu Streit führen. Dieser polarisiert, aber unterschiedliche inhaltliche Standpunkte zu vertreten sei gut für den Diskurs, berichtet Politikwissenschaftler Simon Richter. Gefährlich werde es erst,
Johannes Bauer freut sich, denn, wenn du
diesen Satz liest, hat er es in deine OfflineFilterblase geschafft.
Matthäus Leidenfrost Blub Blub Blub
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ir suchen nach Gemeinschaft, soziale Medien geben sie uns – in der Pandemie stärker als je zuvor. Ob vegane Rezepte oder Nerdwissen über Game of Thrones – jedes noch so nischige Thema, das in den Vorstadt-Freundeskreisen niemand teilt, findet im Internet Sympathisant*innen. Aber auch soziale Bewegungen wie Black Lives Matter formen sich über diese Netzwerke, marginalisierte Minderheiten schließen sich zusammen. So finden sie Gehör und Zuspruch von der Mehrheit. Eine Massenbewegung entsteht.
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Zwischen
Pflanzenstreicheln und Pferdesperma Neben den großen Fachbereichen wie der Rechtswissenschaft gibt es an der FU jede Menge wissenschaftliche Nischen, die erforscht werden. Wir stellen ein paar von ihnen vor. ILLUSTRATION: KLARA SIEDENBURG
Studiengänge Altorientalistik In der Schule noch nicht genug von einer toten Sprache wie Latein gehabt? Dann lies’ doch mal einen Text in Akkadisch, Sumerisch oder Hethitisch: am besten noch in Keilschrift. Das lernt man im Studiengang Altorientalistik und dabei gleichzeitig viel über die Geschichte und Kultur des Alten Vorderen Orients. Wem das nicht reicht, der*die kann im Nebenfach Byzantinistik erfahren, wie die Pandemie schon im sechsten Jahrhundert Europa traf. Also die Pest, nicht Corona.
»Hufe klappern, Pferde traben, Springen über’n Wassergraben, über Stock und über Stein: Wer kann das wohl sein? Das sind Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina!« Wen dieser Kindheitstraum immer noch nicht losgelassen hat, der*die kann sich gemeinsam mit 33 anderen Studierenden von Fortpflanzungstechnik bis Rechtsgrundlagen einiges übers Pferd erklären lassen. Neben dem Bachelorstudiengang Pferdewissenschaft kann man an der FU übrigens auch Pferdemedizin im Master studieren. »Hex-hex, Pling-Pling« und der Gaul ist wieder topfit.
Jetzt mal ohne Flachs Know-How in der Flachsproduktion »Jetzt mal ganz ohne Flachs.« Habt ihr euch bei der Redewendung auch oft gedacht, was denn bitte »Flachs« sein soll? Offenbar ist es eine Pflanze, die irgendwann vor Christus im Alpenraum verbreitet war. Wie das Institut für Prähistorische Archäologie untersucht, wurde aus ihr unter anderem Leinöl gewonnen. Laut Wikipedia heißt das Grün deshalb auch gemeiner Lein. Echt fies, oder?
Pflanzen streicheln im Botanischen Garten Sind Pflanzen uns Menschen gleich? Wie sollen Menschen mit Pflanzen umgehen? Ausgehend von der Frage, welche Gefühle Besucher*innen, Gärtner*innen und Botaniker*innen zu Pflanzen im Botanischen Garten haben, wird in diesem Projekt genau das erforscht. Gegen Stress soll es ja helfen, Waldbaden zu gehen und Bäume zu umarmen. Ob die Forscher*innen das auch gemacht haben?
Dissertationen Theorie der Kritzelei Wenn man sich die Ränder mancher Vorlesungsnotizen anschaut, entdeckt man oft wahre Kunstwerke: Strichmännchen, das Haus vom Nikolaus, Blumen. Dass diese Kritzeleien nicht nur Ausdruck von Langeweile sind, erforschte Christian Driesen in seiner 2016 erschienenen Dissertation Theorie der Kritzelei. Das Ganze ist nämlich hochkomplex. (Wahre Kunstwerke eben ...).
Animierte Musik - Beseelte Zeichen
Tanzwissenschaft 17 Kurse in verschiedenen Tanzarten kann man beim Hochschulsport im Normalfall belegen. Von Ballett bis Videoclipdance ist alles möglich. Aber natürlich wird an der FU nicht nur getanzt, sondern auch geforscht. Im Masterstudiengang Tanzwissenschaft beschäftigt man sich unter anderem mit Masken im Ballett und der Frage, wie man Patrick Swayzes Hüftschwung in Worte fassen kann.
Mickey Mouse und Tom und Jerry sind nur was für Kinder?! Dann fragt euch mal, warum ihr bei König der Löwen immer noch heulen müsst! Saskia Jaszoltowski beschäftigte sich deshalb damit, wie vermenschlichter Zeichentricktiere vertont werden. Warum wir über diese Figuren lachen oder weinen müssen, hängt nämlich sehr stark damit zusammen, welche Geräusche sie von sich geben und wie sie reden.
Lena Rückerl hat sich für dieses Foto extra die Haare gefärbt und rasiert.
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Pferdewissenschaft
Forschungsbereiche
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OPERATION GLEICHBERECHTIGUNG Die Medizin überträgt an Männern beobachtete Ergebnisse oft auf alle Menschen – für Frauen kann das tödliche Folgen haben. Über das Gendermedizin-Institut der Charité und die Frage, was sich in der Forschung ändern muss. ILLUSTRATION: PATRYCJA KOMOR
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änner vernachlässigen Depressionen und Osteoporose. Frauen ernähren sich besser, sterben dafür aber häufiger an einem Herzinfarkt. Medikamente wirken bei ihnen oft anders, weil ihre Körper kleiner und leichter sind. Trotzdem leben Frauen länger als Männer. Genau damit setzt Turu Stadler sich in ihrem Arbeitsalltag auseinander. Seit gut einem Jahr leitet die Professorin an der Charité das Institut für Geschlechterforschung in der Medizin. Deutschlandweit ist es das einzige, das sich explizit mit dieser Thematik auseinandersetzt. Stadler hat Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt studiert und in Hamburg und New York gearbeitet. Dabei hat sie sich auf Gesundheitspsychologie und Geschlechter- und Paarforschung spezialisiert. Mittlerweile erforscht sie, welche Auswirkungen zum Beispiel Ernährung und Bewegung haben und welche präventive Gesundheitsmaßnahmen helfen können. Dass Gendermedizin überhaupt relevant ist, hat Turu Stadler im Rahmen ihrer Doktorarbeit bemerkt. Bei der Themensuche stolperte sie über die Herzgesundheit von Frauen: »Mein Stereotyp war, dass Herzinfarkte eine Männerkrankheit sind.« Stadler wurde neugierig und begann, zur Vorbeugung von Herzerkrankungen bei Frauen zu forschen. Ein zweites ›Aha‹-Erlebnis hatte sie Anfang der 2000er Jahre, als sie für eine Studie in Luxemburg den Zusammenhang von früher Sterblichkeit, Geschlecht, sozialem Status und kognitiven Fähigkeiten untersuchte. Hier schnitten Männer mit geringen kognitiven Fähigkeiten wesentlich schlechter als andere Gruppen ab. Es gibt also auch innerhalb der Gruppe des eigenen Geschlechts Unterschiede.
»Wir erleben einen wirklichen Generationenwechsel. Es gibt eine höhere Sensibilität unter unseren Studierenden. Das ermutigt uns.« Der dritte Schritt in der Arzneimittelentwicklung ist der Test am Menschen. Dieser beginnt, sobald ein Präparat die Tests an Tieren bestanden hat. Jedoch sind auch hier Frauen oft unterrepräsentiert. Dies liegt unter anderem am Arzneimittelskandal um das Beruhigungsmittel Contergan in den 1960er Jahren. Der enthaltene Wirkstoff Thalidomid führte in frühen Stadien der Schwangerschaft zu Wachstumsstörungen bei Föten. Um solche schwerwiegenden Pannen zu verhindern, wird seltener an jungen Frauen getestet. Die Folgen für Föten und Mütter in der Schwangerschaft oder Auswirkungen auf eine zukünftige Schwangerschaft werden in frühen klinischen Phasen meistens nicht geprüft. Obwohl Forscher*innen inzwischen häufiger Frauen in ihre Studien einbeziehen, werden Daten nur selten differenziert nach Geschlecht ausgewertet.
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»Wir müssen Leute, die unterrepräsentiert sind, nämlich Frauen und Menschen mit Migrationserfahrung, in die Wissenschaft holen und dort halten«
Dabei sei gerade eine Erhebung des Geschlechts und der sozialen Lage wünschenswert, erklärt Stadler: »Dadurch könnten wir viel besser sehen, wo es Probleme gibt und wo wir weiter forschen müssen, um bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.« Im Hinblick auf Covid-19 habe man gesehen, dass es auch ganz schnell gehen könne, Daten zu erheben: »Das ist ja kein Hexenwerk, allerdings ist das Umdenken in Deutschland zu langsam.« Turu Stadler beklagt diese fehlenden Datensätze. Dass sie und ihre Kolleg*innen geschlechtsspezifische Unterschiede gar nicht einsehen oder entschlüsseln könnten, sei gefährlich. Besonders dann, wenn das Geschlecht und andere Merkmale, wie der sozioökonomische Status, zusammenspielen und auf die Gesundheit Einfluss nehmen: »Risikogruppen kann man so gar nicht erkennen. Wir müssen die Datenlage in Deutschland verbessern!«, fordert sie. Zudem sei es problematisch, dass manche Themen, wie Verhütung oder Fortpflanzung, aus vermeintlicher Tradition Frauen zugeschoben würden. Die Rolle des Mannes werde hierbei in den seltensten Fällen erforscht. So gibt es bis heute keine medikamentöse Verhütung für Männer. Stadler ergänzt, dass es auch bei Fruchtbarkeitsbehandlungen Unterschiede gibt: »Es gibt zig Sachen, die Frauen tun sollen: abnehmen, sich gesund ernähren, mehr Bewegung, weniger Stress – aber über die Rolle der Väter wissen wir ganz wenig.« Und das sei kurios, denn nur etwa bei einem Drittel der Fruchtbarkeitsprobleme liege das Problem bei der Frau allein. Andere Länder seien deutlich weiter,
sagt Stadler. So sei es in den USA Standard, ethnische und sexuelle Minderheiten sowie Frauen in die Forschung einzubeziehen. In Kanada müssen alle Forschenden ihre Daten nach Geschlecht entschlüsseln, auch wenn die Forschungsfrage dies nicht verlange. Weshalb das in Deutschland nicht so ist, weiß die Professorin nicht. Kolleg*innen vermuten, es könne an Datenschutzbedenken liegen. Allerdings erhebt die Forschung oft deutlich sensiblere Daten als das Geschlecht, weshalb Stadler diese Begründung für eine Ausrede hält: »Ich glaube eher, dass es an der Repräsentation von Frauen liegt. An der Uni sind sie zwar als Studierende in den meisten Fächern noch stark vertreten, aber in leitenden Positionen unterrepräsentiert. Auf diesen Stellen fehlt oft das Interesse für diese Forschung.« Die Unterrepräsentation liege unter anderem am Arbeitsalltag: »Die Medizin stellt hohe Anforderungen. Wenn ich eine Mehrfachbelastung habe, durch eine Familie oder die Pflege von Angehörigen – und das sind alles Aufgaben, die Frauen eher übernehmen – ist das problematisch.« Großbritannien mit seiner deutlich diverseren Forschungslandschaft ist für Stadler daher ein Vorbild. Hier hängt die Förderung mit öffentlichen Geldern davon ab, wie familien- und frauenfreundlich das Arbeitsumfeld ist. So finden beispielsweise keine Mee-
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Dass diese Unterschiede existieren, bedeutet aber nicht, dass sie auch berücksichtigt werden. Das ist ein großes Problem für die Entwicklung von Arzneimitteln. Soll ein Medikament auf seine Wirksamkeit getestet werden, durchläuft es mehrere Phasen. Zuerst wird es in Petrischalen mit menschlichen Zellen in Kontakt gebracht. So testen Forscher*innen die Reaktion der Zellen auf das Arzneimittel. Schon in dieser Phase wäre eigentlich eine Differenzierung zwischen männlichen und weiblichen Zellen nötig, denn Forscher*innen fanden heraus, dass Zellen je nach Geschlecht verschieden auf äußere Einflüsse reagieren. Dafür müssen sie nicht mal mit Geschlechtshormonen in Kontakt stehen. So sterben weibliche Zellen eher ab, wenn sie beispielsweise mit Ethanol gestresst werden. Ist diese erste Phase abgeschlossen, wird das Präparat für Tierversuche zugelassen. Hier macht sich die fehlende Berücksichtigung von Frauen weiter bemerkbar. Denn oft wird ignoriert, dass diese hormonellen Schwankungen unterliegen und je nach Zyklusphase anders auf Arzneimittel reagieren. So variiert innerhalb eines Zyklus’ zum Beispiel das Schmerzempfinden. Forscher*innen testen Medikamente zwar auch an weiblichen Mäusen – jedoch dann, wenn deren Hormonspiegel dem männlichen am ähnlichsten ist. Eine zyklusabhängige Auswertung ist deutlich aufwendiger, weshalb sie meist nicht durchgeführt wird.
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tings zu späten Uhrzeiten statt. Durch solch banale Veränderungen hat sich die Forschungslandschaft verändert, mehr Frauen sind in Führungspositionen aufgestiegen. »Wir müssen Leute, die unterrepräsentiert sind, nämlich Frauen und Menschen mit Migrationserfahrung, in die Wissenschaft holen und dort halten«, fordert Stadler. Wie wichtig diverse Forschungsteams und das Interesse an geschlechtsspezifischer Auswertung sind, beweisen zahlreiche Krankheiten: Ein Herzinfarkt zum Beispiel zeigt sich bei Männern und Frauen durch verschiedene Symptome. Männer haben meist Brust- und Armschmerzen. Frauen hingegen klagen über Bauchschmerzen, Kurzatmig-, Übel- und Müdigkeit. Diese Symptome werden jedoch als atypisch beschrieben, sodass sie seltener wahr- und ernstgenommen werden. Selbst wenn eine Herzkrankheit bei Frauen erkannt wird, haben sie in der Behandlung oft Nachteile: Sie erkranken meist in einem höheren Alter als Männer, Arzneimittel werden jedoch nicht in allen Altersgruppen getestet. Tritt eine Krankheit also in einem hohen Alter auf, kann es sein, dass (Neben-)Wirkungen von Medikamenten nicht ausreichend überprüft wurden. Stadler ist »vorsichtig optimistisch, was die Zukunft
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angeht.« Andere Lehrstühle wenden sich inzwischen an ihr Institut und bitten um methodische Beratung für möglichst faire Forschung. Außerdem sieht der Lehrplan vor, Gendermedizin bereits ab dem ersten Semester zu lehren und auch im Zusammenhang mit anderen Fächern auf die Bedeutung geschlechtsspezifischer Unterschiede hinzuweisen. Auch die Offenheit unter den Studierenden sei sehr groß, was das Einschließen von Minderheiten oder Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen betrifft: »Wir erleben einen wirklichen Generationenwechsel. Es gibt eine höhere Sensibilität unter unseren Studierenden. Das ermutigt uns.« Aus Stadlers Sicht werde die nachkommende Generation viel in der Forschung verändern: »Es tut sich was«, sagt sie. »Es ist aber von uns allen abhängig, ob wir es gemeinsam schaffen.« Greta Linde versteht nicht, wieso Handys sprechen und Autos selbst fahren können, es aber noch keine richtige Verhütung für Männer gibt. Maj Pegelow hätte zumindest gerne ein
selbstfahrendes Auto, wenn es schon nicht mit passender Medizin funktioniert.
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ackeliges WLAN, Platzmangel und soziale Isolation – seit fast einem Jahr sind deutsche Studierende ins Home Office umgezogen. In Umfragen und sozialen Medien beschreiben sie eine massive psychische Mehrbelastung. Das hält einzelne Stimmen absurderweise jedoch nicht davon ab, die globale Gesundheitskrise als Chance für die Digitalisierung der Hochschullehre auffassen zu wollen – und dabei keine neoliberale Floskel rechts liegen zu lassen. So findet die FDP-Fraktion im Bundestag den Zeitpunkt ideal für eine staatenübergreifende europäische Online-Hochschule: Man wolle »nach der Krise nicht in die Lehre von 2019 zurückfallen«. Ein Manifest der Fernuni Hagen ruft ob der gesammelten Erfahrungen gleich ein neues Zeitalter aus und fordert inhaltsentleert: »New Work braucht New Learning«. Das Onlinestudium als eine Übung in dynamischvernetzter Selbststeuerung durch die entgrenzte Brave New World.
Brave New Learning
ILLUSTRATION: KIRA WELKER
Die Coronapandemie als große Chance für die Digitalisierung der Hochschullehre? Wer so argumentiert, leckt dem Neoliberalismus die Schuhe und deklassiert das Studium zur bloßen Arbeitsmarktvorbereitung. Ein Kommentar.
Ein Universitätsverständnis, das derart auf individuelle Verantwortlichkeit setzt, denkt Studium nicht als Prozess des Austauschs und der gemeinsamen Erkenntnis- und Sinnsuche. Stattdessen geht es um die Herausbildung individueller ›Skills‹, die möglichst
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Wie sieht es aus mit der im Gegenzug versprochenen Freiheit beim vermeintlich so selbstbestimmten Lernen? Anstelle von Vorlesungen werden teilweise Buchausschnitte zur Verfügung gestellt, Selbsttests prüfen per Multiple Choice den planmäßigen Erkenntnisfortschritt und regelmäßig fällige Teilnahmenachweise setzen enge Deadlines für die Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Fragwürdig, wo hier jenseits der zeitlichen und räumlichen Entkopplung von Lehrveranstaltungen neue Freiheiten entstehen sollen. Inhalte bleiben vorgeschrieben und modularisiert wie in der Präsenzlehre. Die zu erwerbende Kompetenz: Selbstmanagement statt Mündigkeit.
Keine der beschriebenen Entwicklungen ist erst in der Corona-Uni entstanden. Sie werden dort nur deutlicher, weil das Leistungspunkte-Sammeln für alle individualisiert am heimischen Schreibtisch stattfinden muss. Hier kann sich jede*r voll dem vermittelten Lernstoff widmen – ohne lästige Zeitverluste durch Mensagespräche, Vernetzungsplena, unaufmerksame Momente und Zufallsbegegnungen. Wenn das die Uni der Zukunft ist, ist die Zukunft der Uni wohl eher eine digitale Dystopie. Kira Welker hat auch ohne Pandemie keine Lust auf Meetings, Briefings und Get-togethers. Lieber Lesekreis.
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Die Coronapandemie hat gezeigt: Wer hier bestehen will, soll vor allem Eigenverantwortung zeigen. Jede*r muss selbst entscheiden, wann und wie viel sie*er lernt; die Uni zieht sich noch weiter aus ihrer Verantwortung zurück, dabei für faire Ausgangsbedingungen zu sorgen. Wer ohne Laptop, stabile Internetverbindung oder ruhigen Arbeitsplatz lernen muss, kann dann eben – ganz eigenverantwortlich – im Bürokratiedschungel um finanzielle Hilfe ringen. So wird auch die Verantwortung für Misserfolge individualisiert: Wer scheitert, hat sich einfach nicht genug Mühe gegeben.
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beschäftigungsfähig machen sollen. Es gilt nicht nur, sich selbst und den eigenen Lebenslauf zu formen, sondern auch, sich dabei besser zu schlagen als die Kommiliton*innen. Denn auch in Pandemiezeiten sind Masterstudienplätze und Stellenangebote begrenzt. Taktisch unklug, wer da noch solidarisch sein möchte.
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PRAGMATISCH, PRAKTISCH TOT Die große FU im Kleinen: Im Akademischen Senat sollen alle Gruppen der Uni gemeinsam Entscheidungen treffen. Praktisch gibt aber die Präsidentenliste Vereinte Mitte den Takt vor. Wer mischt mit? ILLUSTRATION: ANTONIA BÖKER
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n der Freien Universität kommen auf etwa 35.000 Studierende rund 400 Professor*innen. In den meisten Gremien, die den Kurs der FU bestimmen, haben letztere die Mehrheit, obwohl sie zahlenmäßig so deutlich in der Minderheit sind. So auch im Akademischen Senat (AS), dem zentralen Gremium der Uni. Dort kommen Profs, Wissenschaftliches und Nichtwissenschaftliches Personal und Studierende zusammen, um von der Einführung neuer Studiengänge bis zur Wahl des Präsidiums alle wichtigen Entscheidungen der Uni zu diskutieren. Die Professor*innen nehmen 13 Sitze ein, die anderen drei Statusgruppen haben jeweils nur vier Sitze. Im Block
könnten die Profs also über die Köpfe aller anderen Universitätsmitglieder hinweg regieren. Aber treten sie überhaupt geschlossen auf? Wie entstehen Mehrheiten für Beschlüsse – und wer mischt mit? Die 13 Professor*innen im AS teilen sich auf in drei Listen. Da ist zunächst die Vereinte Mitte, die mit zurzeit acht Mandaten größte Liste, die auch den Universitätspräsidenten Günter M. Ziegler stellt. Die restlichen Sitze teilen sich in die Liberale Aktion und den demokratisch-pluralen Dienstagskreis auf. Jede Liste besetzt mindestens eine*n Vizepräsident*innenposten. Eine Regelung, mit der man Streit unter den Professor*innen vermeiden wolle, mutmaßt Janik Besendof, der für die Studierendenschaft im AS sitzt.
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se Präsidium auf der anderen Seite, hat sich seit dem Präsidentenwechsel vor zwei Jahren dennoch einiges getan. Ziegler wird von vielen für seine diplomatische Moderation gelobt. Dass, wie zur Amtszeit des früheren Präsidenten Peter-André Alt, die Debatte eskaliert und es lautstarken Protest gibt, ist schon lange nicht mehr vorgekommen.
Kolesch sitzt selbst seit 2017 mit der Vereinten Mitte im AS. Die Stärke ihrer Liste sieht sie in der »breiten Verbindung in alle Fachbereiche.« So gebe es regelmäßige Treffen »immer vor AS-Sitzungen, um über die Gegenstände, die dort verhandelt werden, zu sprechen.« Man rede mit einigen Kolleg*innen der anderen Listen aber »mindestens genauso oft, wie mit denjenigen der eigenen Liste«, erklärt Kolesch. In jedem Fall sei eine professorale Liste keine Partei mit Fraktionszwang – aber eben auch kein einfacher E-MailVerteiler.
Doch die Kooperationsbereitschaft im AS hat nicht nur mit einem um Ausgleich bemühten Präsidium zu tun. Hinter der professoralen Zurückhaltung stecken teilweise persönliche Motive, erzählen Beteiligte gegenüber FURIOS. Ein Beispiel: Wer die eigene Professur dem warmen Geldregen der Exzellenzinitiative verdankt, wird diese öffentlich kaum scharf angreifen, selbst wenn ihm*ihr das dahinterstehende Wissenschaftsverständnis eigentlich missfällt. »Es passiert selten, dass mal gegen Anträge vom Präsidium gestimmt wird. Wenn sich enthalten wird, ist das schon Ausdruck von Protest, das ist eigentlich absurd«, findet Besendorf.
Während sich die Liberale Aktion selten öffentlich von der Vereinten Mitte abhebt, gibt sich der Dienstagskreis, die zweitgrößte professorale Liste, eher links und etwas studierendenfreundlicher als die anderen Listen. Reinhard Bernbeck, Professor für Vorderasiatische Archäologie und seit 2010 mit dem Dienstagskreis im AS, kann die Programmatik seiner Liste allerdings auch nicht richtig konturieren. Man streite ernsthaft und sei vielfältig. Er findet, der AS müsse neben dem Tagesgeschäft wieder mehr eigene Akzente setzen und gesellschaftliche Entwicklungen im Blick haben: »Es gibt selten allgemeinpolitische Themen, die nicht für die Universität relevant sind.« Doch gesellschaftliche Impulse hat auch seine Liste zuletzt selten in die universitäre Debatte eingeführt. Hochschulpolitisches Agendasetting, wie die Thematisierung der Plagiatsaffäre um Franziska Giffey oder der Namensgebung des Henry-Ford-Baus, betreiben meist Studierendenvertreter*innen wie Janik Besendorf.
Wie steht es also um das Arbeitsklima im AS? Eindeutig ist: Man ist in den vergangenen beiden Jahren wesentlich dialogbereiter geworden. Zumindest versucht Präsident Ziegler, alle Senator*innen in Entscheidungen einzubeziehen. So tritt das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen den wenigen Profs und der Hochschulleitung, die Beschlüsse fassen, und den vielen Studierenden und Mitarbeitenden, die diese betreffen, weniger offen zu Tage. Die diplomatisch-pragmatische Atmosphäre führt zwar zu einer Beschleunigung der Sitzungen. Die Tendenz, Meinungsverschiedenheiten in Arbeitskreisen und Kommissionen auszutragen, entzieht die Kontroverse aber auch der Öffentlichkeit des AS. Echte Diskussionen, bei denen öffentlich – und nicht nur informell vor der Sitzung – Meinungen ausgetauscht werden, gibt es selten. Wie und vor allem von wem Entscheidungen tatsächlich getroffen werden, bleibt meist intransparent – nicht zuletzt auch, weil sich die Profs als größte Gruppe im AS mit Kritik an ihrem Präsidium bedeckt halten.
Im AS gebe es wenig Kontroverse, erzählt Besendorf. Vor allem die Vereinte Mitte, aber auch insgesamt die Gruppe der Profs versuche, Diskussionen in extra dafür einberufene Arbeitskreise zu verlagern, um an der Öffentlichkeit »möglichst wenig Streit sichtbar zu haben.« So moniert auch Reinhard Bernbeck: »Versucht man, etwas anzuschieben, dann wird erst einmal eine Kommission gebildet. Diese Kommission geht aus dem AS heraus und legt einen Bericht vor und der AS stimmt darüber ab.« Dadurch manövriere sich der AS aber in eine Situation, in der er nicht mehr viel zu diskutieren brauche, er müsse nur noch entscheiden. Studi-Vertreter Besendorf sieht in der Einrichtung verschiedenster Arbeitsgruppen einen generellen Politikstil, »der versucht, studentische Kritik ins Leere laufen und es dabei so wirken zu lassen, als nähme man die Sorgen ernst.« Im Verhältnis zwischen Studierenden auf der einen und Professor*innen beziehungswei-
Für Jette Wiese ist die FURIOS der feuchtfröhliche Mittwochskreis. Nur mit mehr Streit.
Julian Sadeghi umkreist lieber die Arbeit statt Arbeitskreise zu gründen.
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streiten
Die Vereinte Mitte hält er für den »Versuch, möglichst viele Professor*innen unter sich zu vereinen, um dann pragmatische Politik zu betreiben.« Ähnlich beschreibt die Theaterwissenschaftlerin Doris Kolesch die Politik der Vereinten Mitte: »Pragmatisch, also am Gegenstand orientiert und eben nicht mit einer vorgefertigten Meinung entscheiden«.
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Eine*r für alle... Aileen Weibeler (l. u.), Jura-Studentin und frisch gewählte Vorsitzende des RCDS, hat dasselbe Anliegen – und eine Strategie. Im Parlament will sie mehr mit anderen Listen kooperieren, vor den Abstimmungen Rücksprache halten und Änderungsanträge anstreben, wo immer es geht. Die Zurückhaltung ihrer Vorgänger*innen lehnt sie ab: »Als Opposition kann man immer dagegenhalten und eine Sicht einbringen, die dem Asta nicht unbedingt gefällt.«
Im Stupa der FU war zuletzt wenig los. Die Wahlbeteiligung für das Parlament liegt notorisch bei unter zehn Prozent. Für demokratischen Streit nahmen sich die 60 Abgeordneten in den vergangenen zwei Jahren selten Zeit. Dazu mangelte es an konträren Meinungen, einzig der FOTOS: RCDS (l.), LHG (r.) CDU-nahe Ring Christlich Demokratischer Studenten, kurz RCDS, Das Studierendenparwollte »konservative und liberale lament döst seit zwei Werte« vertreten, wie es im GrundJahren vor sich hin, satzprogramm der Gruppe heißt. zwei parteinahe Doch dessen zwei Abgeordnete hielten sich zurück; kritische Das sehen auch Alena und Antonia von Hochschulgruppen Nachfragen und leidenschaftder LHG so. Hochschulpolitik müsse wollen das ändern. liche Gegenreden, wie man greifbarer, aber auch kompromissbeIhre Strategie: sie von einer Opposition reiter werden, sagen sie. »Unsere MoPragmatismus. erwartet, blieben aus. Dativation ist es, verhärtete Strukturen Ob das gelingt, bei war das Parlament mal aufzulösen und extreme Positionen abist fraglich. wesentlich aufregender. zuschwächen.« Ein derartiges Streben 2017 zum Beispiel mischnach Harmonie, das RCDS und LHG geten die RCDS-nahe Initiative Campusbar und die da- genüber FURIOS fast wortgleich äußerten, überrascht malige Liberale Hochschulgruppe (LHG) den Laden angesichts der verschlafenen Debatte in den verganmit Protest und Gegenkandidaturen für Asta-Referate genen beiden Jahren. Ob die neue alte Opposition die ordentlich auf. Hochschulpolitik an der FU wirklich erweitern kann, sodass diese nicht mehr nur das Engagement EinzelMit einer neuen oppositionellen Liste könnte sich die- ner, sondern ein breiteres Meinungsspektrum der Stuser Effekt wiederholen. Die Initiatorinnen der LHG dierendenschaft abbildet, entscheidet die nächste Stusind noch unerfahren in der Hochschulpolitik, wollen pa-Wahl – vor allem aber die Beteiligung daran. diese aber vor allem konstruktiver machen: »Miteinander reden, statt übereinander«, sagt Alena, auch wenn Julian Sadeghi segnete Jettes Artikelentwurf einfach nur ab. das wie eine Floskel klinge. Es gebe eine »Meinungsuniformität in bestimmten Gruppen und einen Nichtwillen zum Diskurs«, ergänzt Antonia. Welche GrupJette Wiese kriegt bei liberalem Wind auf dem Campus einen Föhn (...zugegeben, der ist von pen das sind und wie sie die Masse der Studierenden in Julian geklaut). die Debatte einbringen wollen, lassen die beiden offen.
Neue Opposition im Stupa?
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Wo studiere ich? □ an der Freien Universität Berlin Quelle: Die Daten kommen aus der Gesamtstatistik der FU aus dem Sommersemester 2020 und dem University Health Report der FU aus dem Jahr 2019.
Die Hochschuldemokratie müsse von Grundsatzdebatten wegkommen. »Ich glaube, das Stupa istnicht das Forum dafür, Weltpolitik zu betreiben, sondern man muss sich erstmal für das einsetzen, was die Listen ihren Wählern für Änderungen an der Uni versprechen.« Darin sieht Weibeler auch ihre Aufgabe als Opposition in der Studierendenschaft: eine Gegenposition zum Asta nicht im idealistischen Sinn, »nicht konservativ sein des Konservativseins wegen, sondern eher mit Blick auf den Pragmatismus. Wir müssen gucken, was wir vor Ort ändern können, und wie wir nicht zu weit weg von unseren Zuständigkeiten gehen«, sagt sie.
...alle für eine*n! Etwa 35.000 Studierenden studieren an der FU und die Uni hat eine Statistik über alle. Könnt ihr erraten, wer wir im Durchschnitt sind?
Wie hoch ist mein Einkommen pro Monat? □ 524 Euro □ 776 Euro
Welchen Geschlechts bin ich? □ weiblich □ männlich
□ divers
Wie alt bin ich? □ 20 Jahre
□ 24 Jahre
□ 22 Jahre □ so alt wie gefühlt
Was studiere ich? □ Rechtswissenschaft
□ BWL (BA)
□ Veterinärmedizin □ Politikwissenschaft (BA)
□ im 7. Semester
(am liebsten Zigaretten, aber Shisha geht auch)
□ Ecstasy
Wie zufrieden bin ich mit meinem Leben? □ gar nicht zufrieden □ nicht zufrieden
□ alleine
□ in einer WG □ mit meinem*r Partner*in zusammen
□ eher zufrieden □ sehr zufrieden
Wie zufrieden bin ich mit meinem Studium? □ gar nicht zufrieden □ nicht zufrieden □ eher zufrieden □ sehr zufrieden
Wie ist mein Beziehungsstatus? □ vergeben □ single
□ regelmäßig
Welche illegale Substanz konsumiere ich am liebsten? □ Heroin □ Cannabis □ Koks
□ einer Kleinstadt, die niemand kennt
Wo wohne ich? □ bei meinen Eltern
□ nach Gefühl
Rauche ich? □ nein
Wo habe ich Abitur gemacht? □ Berlin □ Leipzig
□ 590 Euro
Wie ist mein Alkoholkonsum einzuschätzen? □ unproblematisch □ problematisch
In welchem Semester? □ im 2. Semester □ im 4. Semester
□ 832 Euro
Wie hoch ist meine monatlich Miete? □ 373 Euro □ 427 Euro
□ tinder
Lösungen: Geschlecht: weiblich, Alter: 24, Studiengang: Rechtswissenschaft (die anderen sind die nächstwahrscheinlichen Studiengänge), Semester: 4., Abi in: Berlin, Wohnsituation: in einer WG, Beziehungsstatus: vergeben, Monatseinkommen: 832 Euro, Mietpreis: 427 Euro, Alkoholkonsum: problematisch, Nichtraucherin (aber das Risiko ist an der FU höher als andernorts), Lieblingssubstanz: Cannabis, Zufriedenheit mit dem Leben allgemein: eher zufrieden, Zufriedenheit mit dem Studium: eher zufrieden.
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lena Jakobs (l. o.) und Antonia Linder (r. o.) haben beschlossen, »frischen Wind in die Hochschulpolitik« zu bringen. Beide studieren Politikwissenschaft an der FU und sind Mitglieder der FDP. Im vergangenen Sommer haben sie die Liberale Hochschulgruppe wiederbelebt und wollen ins Studierendenparlament (Stupa) einziehen. Die jährlichen Wahlen im Januar sollten wegen der Coronapandemie allerdings erst mal verschoben werden, hieß es bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe. Und so drängt sich die Frage auf: Warum keimt ausgerechnet jetzt Interesse an der Mitarbeit im Stupa auf?
Lena Marie Breuer möchte an dieser Stelle nochmal anmerken, dass sie mal bei einem Pubquiz den ersten Platz belegt hat. Philipp Gröschel wurde beim selben Pubquiz immerhin Zweiter.
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Layout, Foto, Illustrationen
IMPRESSUM HERAUSGEGEBEN VON Freundeskreis Furios e.V.
Gloria Henriette Franz findet ein gutes Layout zwar wichtig, aber Schneemänner bauen geht vor.
REDAKTION AUSGABE 24
Tim Gassauer hat von allen anderen Bilder vor weißem Hintergrund gefordert, aber hat jetzt als einziger keins Antonia Böker's Mutter findet, sie kriegt ihr Leben »überraschend okay« auf die Reihe.
Julia Hubernagel, Johannes Bauer, Matthäus Leidenfrost, Greta Linde, Lena Rückerl, José-Luis Amsler, Lena Marie Breuer, Philipp Gröschel, Annika Berger, Anja Keinath, Maj Pegelow, Hutham Hussein, Kira Welker, Julian Sadeghi, Julian von Bülow, Elias Fischer, Jette Wiese
ILLUSTRATIONEN
Antonia Böker, Marie Gentzel, Patrycja Komor, Klara Siedenburg, Kira Welker
FOTOS
Tim Gassauer
COVER
Klara Siedenburg hat zwei Staffeln Brooklyn ‘99 beim Malen für dieses Heft gesehen, noice!
Antonia Böker
SATZ UND GESTALTUNG Gloria Henriette Franz
CHEF*IN VOM DIENST + LEKTORAT Elias Fischer, Jette Wiese
Marie Gentzel zeichnet gerne schlafende Leute in der Bahn. www.siebenpunktillustration.de
ISSN 2191-6047
Patrycja Komor ist auf der Suche nach magischen Momenten im Alltag, merkwürdigen Dingen und ungewöhnlichen Begegnungen.
CHEFREDAKTION
Elias Fischer, Jette Wiese (V.i.S.d.P., Freie Universität Berlin, JK 28/106, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin)
RESSORTLEITUNG POLITIK Kira Welker, Julian Sadeghi
CAMPUS
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Hutham Hussein, Julian von Bülow www.furios-campus.de redaktion@furios-campus.de Jede*r Autor*in ist im Sinne des Pressegesetzes für den Inhalt ihres*seines Textes selbst verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Ansicht der Redaktion wider. Gemäß dem Urheberrecht liegen die Rechte an den einzelnen Werken bei den jeweiligen Autor*innen.
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Das Tubu-Thema Asexualität
Wie Geschlecht die Medizin beeinfllusst
Wie es ist, im Knast zu studieren
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