
5 minute read
SWIFT
Ohne SWIFT läuft nichts
Im Zuge des Ukraine-Konflikts ist das Zahlungssystem SWIFT in die Schlagzeilen gekommen. Es wird als „Bestrafungsinstrument“ gegen unliebsame Aggressoren ins Treffen geführt. Aber worum handelt es sich dabei eigentlich?
Advertisement
HARALD KOLERUS
Wer nicht im globalen SWIFT-System vertreten ist, muss einen hohen Preis zahlen.
„Man kann SWIFT umgehen, das ist allerdings äußerst aufwendig und kommt teuer.“
Thomas Url, Ökonom am Wifo SWIFT ist die Abkürzung für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications“. Wie aus dem Namen bereits hervorgeht, handelt es sich um eine Gesellschaft, die für sichere Telekommunikation zwischen Banken weltweit sorgt. Wobei SWIFT eine Genossenschaft im Besitz von Banken und anderen Finanzinstituten wie Brokern und Investmenthäusern sowie Börsen ist – und dem EU-Recht unterliegt. Außerdem erfolgt eine kooperative Überwachung durch die Zentralbanken der G10 und der EZB.
Fast unverzichtbar
Das alles klingt zunächst unspektakulär, ohne SWIFT würde aber im modernen, globalen Geld- und Warenverkehr praktisch nichts mehr rund laufen. Wobei mit einem weit verbreiteten Irrtum aufgeräumt werden muss: Via SWIFT wird kein Geld kreuz und quer über den Globus geschickt. SWIFT ist vielmehr für die Übermittlung von Nachrichten zu internationalen Zahlungen verantwortlich. In solchen Nachrichten teilt eine Bank zum Beispiel einem anderen Finanzinstitut mit, dass für deren Kunde(n) ein Überweisungsauftrag vorliegt. Dessen Gegenwert solle sich die Empfängerbank zu einem gewissen Termin von dem genannten Verrechnungskonto holen und an den Zahlungsempfänger weitergeben. Die eigentliche Verbuchung erfolgt also über die Systeme der beteiligten Finanzinstitute. Somit stellt SWIFT einen sicheren Standard dar, der sich weltweit in 200 Ländern etabliert hat und von mehr als 11.000 Banken genutzt wird.
Dramatische Folgen
„Wenn nun ein Staat oder einzelne Institute aus SWIFT ausgeschlossen werden, hat das durchaus dramatische Konsequenzen. Warenlieferungen können nicht mehr mit den entsprechenden Geldströmen verknüpft werden und die Betroffenen müssen sich mühsam Umwege suchen“, so Wifo-Ökonom Thomas Url im Gespräch mit dem GELD-Magazin. Geschehen ist das etwa, als der Iran wegen der Atom-Zwistigkeiten vorübergehend aus SWIFT ausgeschlossen worden war. So wurde, um ein plastisches Beispiel zu nennen, das wichtige Exportgut Safran über den Landweg via Türkei in die Abnehmerländer transportiert. Um nicht zu sagen: geschmuggelt. Dann musste auf genauso umständlichem Weg – möglichst diskret – Bargeld in den Iran zurück „importiert“ werden. Url: „Es ist also möglich, SWIFT zu umgehen, allerdings ist das höchst umständlich, außerdem steigen die Transaktionskosten. Und es kommt einer Rückkehr in vergangen geglaubte Zeiten gleich, weil man auf Briefverkehr, Fax-Zahlungsverkehr, Bargeldaustausch usw. zu-
rückgreifen muss.“ Möglich ist die Umgehung eines SWIFT-Ausschlusses durch Partnerinstitute eines betroffenen Landes, die eine Niederlassung innerhalb der EU haben, über diese könnte dann der Zahlungsverkehr erfolgen. Allerdings könnte auch hier ein Riegel vorgeschoben werden, weil SWIFT eben auch über die Möglichkeit verfügt, einzelne Institute auszuschließen. Man sieht also: SWIFT ist ein durchaus mächtiges Instrument, über das politischer Druck ausgeübt werden kann. Allerdings gibt es auch Fallstricke. Denn aus der Netzwerkökonomie ist hinreichend bekannt (und ohnedies logisch), dass nicht nur das sanktionierte Land wirtschaftlich leidet, sondern auch dessen Ex- und Importpartner. Generell werden die Handelsbeziehungen und deren Volumina durch einen „SWIFT-Bann“ geschwächt. Somit ist SWIFT als politische Waffe ein scharfes aber zugleich zweischneidiges Schwert, dessen Einsatz sehr genau überdacht werden muss.
Russland schlägt zurück
Dennoch ist es für Staaten, die mit dem Westen nicht immer in (euphemistisch ausgedrückt) absolut harmonischen Beziehungen stehen, unangenehm, dass ein solches Damoklesschwert im Raum schwebt. Deshalb hat Russland bereits fleißig an einem Alternativsystem zu SWIFT gearbeitet: Dem „System for Transfer of Financial Messages“ (SPFS), das 2014 und 2015 entwickelt wurde – also nicht ohne Zufall, als der UkraineKonflikt das erste Mal heiß lief. Dieses System umfasst etwa 400 Banken – allerdings fast nur russische Institute –, deren Reichweite bisher kaum über die russischen Grenzen hinausgeht. Wie eine richtige Konkurrenz zu SWIFT sieht das also nicht aus.
Chinas Alternative
Da hat das Reich der Mitte schon erheblich größeres Potenzial aufzuweisen, immerhin handelt es sich um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Und so finden sich im „China International Payments System“ bereits rund 100 Partnerländer und circa 1000 teilnehmende Institute (siehe unten). Tendenz wahrscheinlich weiter aufsteigend. Aber gleichgültig, wie der Wettbewerb der internationalen Transfersysteme weitergeht, bleibt festzuhalten: Es muss wohl überlegt sein, bevor SWIFT oder seine Epigonen als Waffe eingesetzt werden. Das letzte, was unserer Welt jetzt noch fehlte, ist ein „heißer“ ökonomischer Krieg.
Chinas eigener Weg
Das Reich der Mitte startete sein „China International Payment System“ (CIPS) bereits im Jahr 2015. Über diese Plattform können Geschäfte in Renminbi einfacher, schneller und günstiger abgewickelt werden, und natürlich wird hier ein Konkurrenzsystem zu SWIFT aufgebaut. Anfangs waren an CIPS laut Reuters nur 19 Geldhäuser angeschlossen, darunter übrigens auch die Deutsche Bank. Mittlerweile ist das chinesische Netzwerk auf rund 1000 Finanzinstitute und circa 100 Mitgliedernationen herangewachsen. Wie man es also von der Volksrepublik gewohnt ist, macht sie keine halben Sachen und legt Tempo vor. Einen Nachteil hat CIPS aber auf jedem Fall gegenüber dem bis dato dominierenden SWIFT-System, wo Transaktionen in allen Währungen abgewickelt werden können: Über CIPS laufen nur Geschäfte in Renminbi. Werden Transaktionen in Dollar benötigt, ist man also schnell wieder auf SWIFT angewiesen.

Stein des Anstoßes: Atomkraftanlagen im Iran führten zum SWIFT-Ausschluss.
„Ökonomische Atombombe“
Der Ausschluss aus SWIFT wird martialisch gerne auch schon mal als „Mutter aller Sanktionen“ oder „ökonomische Nuklearwaffe“ bezeichnet. Ironie der Geschichte ist, dass ein „SWIFT-Rauswurf“ gerade den Iran im Rahmen des Atomprogramms des Landes traf. Bekanntlich wollen vor allem die USA dem Mullah-Regime nicht abnehmen, dass die AKWS nur der friedlichen Nutzung dienen ...
Politische Ränke
Deshalb wurde der Iran vorübergehend von SWIFT ausgeschlossen, auch auf Gutheißen Europas. Nach erfolgreichen internationalen „Atomgipfeltreffen“ in Wien sind die Sanktionen wieder aufgehoben worden. Was dann folgte, ist ein ausgesprochenes Politikum: In den turbulenten Trump-Jahren kippten die USA einseitig das Nuklearabkommen und sprachen sich für einen neuerlichen „SWIFT-Exit“ des Iran aus. Hier spielte wiederum die EU nicht mit, weshalb die Bemühungen der Vereinigten Staaten im Sand verliefen. Unter dem neuen Präsidenten Biden sind jetzt wieder Verhandlungen angesagt. SWIFT als ultimatives Druckmittel schwebt dabei im Hintergrund.