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IDD

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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen

Versicherungsvertriebslinie macht unglücklich

Die EU-Versicherungsvertriebslinie (IDD), die seit 2019 umgesetzt wird, sorgt schon seit langem für Wirbel. Das Ziel der EU, mehr Konsumentenschutz zu erreichen, wurde zum kostspieligen Bürokratiedschungel für die Branche.

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CHRISTIAN SEC

Die IDD hat vor allem zum Ziel, die Position des Konsumenten beim Kauf von Versicherungsprodukten zu stärken. Die Informationspflicht durch den Vertrieb hat aber seinen Preis. „Der Kunde – egal ob neu oder Bestandskunde – kommt mit einem konkreten Absicherungswunsch, und wir müssen ihn zuvor mit allen möglichen Papieren ,papierln‘“, so Christian Schäfer, Geschäftsführer eines Maklerbüros in Wien, über den ausufernden bürokratischen Aufwand beim Kundenverkehr. „Den Kunden gehen die zahlreichen administrativen Vorgaben mehr denn je auf die Nerven. Mehr Information hat für den Kunden nur Sinn, wenn er diese auch verarbeiten kann“, so Schäfer. Auch die europäische Aufsichtsbehörde für Versicherungen (EIOPA) gesteht in ihrer neuesten Studie zu den Auswirkungen der IDD ein, dass die Informationsanforderungen der EU-Gesetzgebung zu zahlreichen Überschneidungen führten, was das Ergebnis brachte, dass die Verbraucher beim Abschluss einer Polizze eine Menge und Vielfalt an Unterlagen erhielten, die zur Verwirrung und Überlastung des Kunden führen könnten.

Administrativer Supergau

Tatsächlich ist der Papierkram auch für einen überdurchschnittlich begabten Menschen kaum mehr überschaubar. Neben den notwendigen Vereinbarungen – wie z.B. das Vereinbaren von Vollmachten, eines Maklervertrages, eines Beratungsprotokolls und der AGBs – gibt es nun viele andere bürokratische Auflagen zu beachten. Im Rahmen des Wünsche-Bedürfnis-Tests sind eine Datenschutzbelehrung vorzunehmen, überdies ist dem Kunden ein Informationsblatt auszuhändigen. Bei einem Versicherungsanlageprodukt ist neben dem Beratungsprotokoll eine Eignungserklärung auszuhändigen, dessen Grundlage ein Eignungstest ist. „Versicherungsanträge haben 40 bis 60 Seiten! Wo soll da der Kundenschutz besser werden?“, fragt Schäfer. Dem nicht genug, wurden die organisatorischen Pflichten im Vertrieb stark erhöht. Es müssen bei jedem angebotenen Produkt Produktvertriebsvorkehrungen erstellt bzw. sachdienliche Produktinformationen von den Herstellern eingeholt und dokumentiert werden, die Vergütungspolitik sowie Interessenskonflikte offengelegt, sowie ein Beschwerderegister geführt werden.

Online-Krux

„Entscheidend ist, ob der Kundenschutz verbessert worden ist“, erklärt Klaus Koban,

„Die verpflichtende Bedarfsprüfung ist online schwieriger umzusetzen als im persönlichen Gespräch.“

Peter Humer, Mitglied des Vorstands, Kunde & Markt Österreich der UNIQA Group

Geschäftsführer der Koban Südvers und Vorsitzender des Rechtsausschusses der Versicherungsmakler. Ob der zusätzlichen Bürokratie auch ein dementsprechender Kundenvorteil gegenübersteht, ist für den Maklerexperten noch nicht geklärt, da die Praxistauglichkeit der Maßnahmen noch überprüft werden muss. „Die Maßstäbe in der Betreuung der Versicherungskunden waren schon bisher von den strengen Anforderungen des Maklergesetzes geprägt“, so Koban. Auch die Konsumentenschützer monierten in der EIOPA-Studie, dass der oft gerügte Wünsche-und-Bedürfnis-Test manchmal zu formalistisch oder gar nicht existent ist und die Kunden manchmal dazu gebracht werden, ein Kästchen anzukreuzen, somit die formalistischen Anforderungen erfüllt werden, was vor allem für den Online-Verkauf gilt. Dabei sind sich alle Gruppierungen einig, dass hier vor allem im Online-Bereich vieles nicht ideal läuft. Auch Peter Humer, Vorstand für Kunde & Markt Österreich der UNIQA, gibt zu, dass die verpflichtende Bedarfsprüfung online schwieriger umzusetzen ist als im persönlichen Gespräch. Humer plädiert daher auch für Verbesserungen insbesondere beim Online-Verkauf von Versicherungsprodukten, um den Kaufprozess für Kunden einfacher zu gestalten. Rechtsexperten raten gerade bei komplexeren Produkten, aus Haftungsgründen nicht vollständig auf ein automatisiertes Verfahren zu vertrauen, sondern Telefon oder Live-Chat-Funktion verpflichtend vorzuschreiben. „Dadurch kann das Versicherungsunternehmen zumindest nochmals nachfragen bzw. prüfen, ob der Versicherungsnehmer die Fragen bzw. das Produkt verstanden hat“, schreibt der Rechtsanwalt Martin Pichler in einem Aufsatz über die Ausgestaltung der IDD.

Versicherungen positiv eingestellt

Die Versicherungen sehen jedenfalls nicht alles so schwarz was die IDD betrifft. Peter Humer streicht heraus, dass die einheitlichen Qualitätsstandards in der Beratung durch das verpflichtende Beratungsprotokoll gewährleistet sind und sich positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Sonja Steßl, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen, wiederum begrüßt, dass die IDD der Digitalisierung, insbesondere bei den Ansprachekonzepten für Kunden, zusätzlichen Schwung verliehen hat, muss jedoch auch zugeben, dass sich der Betriebsaufwand signifikant durch die IDD erhöhte. „Die IDD beschäftigt zahlreiche Unternehmensbereiche wie Recht, Vertrieb, Marketing und IT, die etwa die Produktentwicklungsprozesse neu aufgesetzt haben“, so Steßl. Was für die Versicherungen – in Bezug auf den erhöhten administrativen Aufwand – gilt, gilt für die Makler in noch stärkerem Ausmaß. „Man hat mit der IDD das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und drängt damit den durchschnittlichen Makler mittelfristig aus dem Markt“, so Schäfer, weil dieser organisatorisch und wirtschaftlich kaum in der Lage sein kann, alle diese bürokratischen Auflagen und Hindernisse zu erfüllen. Die EIOPA-Studie zeigt auch einen Rückgang der Maklerschaft seit 2016 auf, bezeichnet diesen jedoch als „Konsolidierung des Marktes“.

IDD

Die Versicherungsvertriebs-Richtlinie trat mit 28.1.2019 in Österreich in Kraft. Einige wesentliche Eckpunkte der Richtlinie sind folgende:

Versicherungsanlageprodukte:

Ausgehend vom Regime der Finanzdienstleistungen (MIFID) wird ein höheres Schutzbedürfnis des Kunden für Versicherungsanlageprodukte eingeführt, das sich in verschärften Bedingungen für den Informations- und Beratungsprozess niederschlägt.

Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten:

Es wird vom Grundsatz der Beratungspflicht für alle Absatzkanäle ausgegangen, bestimmte Ausnahmen sind möglich (zum Beispiel für Einfachagenten).

Weiterbildung:

Die vermittelnden Zielgruppen haben sich im Grundsatz ab dem 1.1.2019 mit mindestens 7,5 bzw. 15 Nettostunden pro Jahr weiterzubilden, um die Aktualität und Qualität der Beratung fortlaufend sicherzustellen. Die zuständigen Fachorganisationen in der Wirtschaftskammer haben die Kompetenz zur Erlassung von Verordnungen zu Lehrplänen für die Weiterbildung.

Veröffentlichung von Sanktionen gegenüber Vermittlern: Das Bundesministerium für Digitalisierung hat auf seiner Website verwaltungsrechtliche Sanktionen oder Maßnahmen oder Sanktionen von Vermittlern bei Verstößen gegen die Gewerbeordnung bzw. die Standesregeln - unter Beachtung des Datenschutzrechts, der Verhältnismäßigkeit - zu veröffentlichen.

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