Kulturkonzeption Stadt Gรถrlitz
Einleitung
2
Vorwort
Die hier vorgelegte Kulturkonzeption ist von einer Arbeitsgruppe entwickelt worden, die von einem Gremium aus Kulturträgern und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen unserer Stadt dazu beauftragt wurde. Die wissenschaftliche Begleitung lag in den Händen von Professor Dr. Matthias Munkwitz (Hochschule Zittau/Görlitz) und zu Beginn der Arbeit bei Klaus Winterfeld. Für diese Begleitung ist das Kulturamt zu großem Dank verpflichtet.
In Vorbereitung zur Umsetzung der übertragenen Aufgabe verständigte sich die Arbeitsgruppe auf einige Gesichtspunkte, welche für die Arbeit bestimmend wurden. 1. Die Kulturkonzeption soll sich an Aufgaben und nicht an Einrichtungen orientieren. Dass dabei dennoch immer wieder Einrichtungen ins Spiel kommen, kommen müssen, hebt diesen Gesichtspunkt nicht auf. Grundsätzlich liegt es im Rahmen der Möglichkeit, für viele Aufgaben auch andere Strukturen zu finden. 2. Die Zielstellungen für die Görlitzer Kultur ergeben sich nach Auffassung der Arbeitsgruppe aus der jeweiligen Geschichte der einzelnen Aufgabe innerhalb der Kulturgeschichte der Stadt und aus den Bedürfnissen der Bürgerschaft. Das findet seinen Niederschlag in einem kulturgeschichtlichen Überblick im Anhang 1. Eine Befragung zu den Bedürfnissen, die als Anlage 2 beigefügt worden ist, trug bei der Zielformulierung zur Zukunftsorientierung bei. 3. In der Kulturkonzeption muss sich die besondere Situation der Stadt widerspiegeln, die in ihrer Teilung seit 1945 besteht und in unterschiedlich starken Versuchen seit dieser Zeit, miteinander umzugehen. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch erklärten sich beide Städte zur Europastadt Görlitz/Zgorzelec. Diese Erklärung muss praktische Folgen haben, zu einem Miteinander führen, das in der Konzeption zu verankern ist. 4. Während der Arbeit an der Konzeption entschied der Stadtrat, dass sich Görlitz für die Kulturhauptstadt Europas 2010 bewirbt. Dieser Beschluss zog nach sich, dass alle Zielstellungen noch einmal einer Prüfung unterzogen und erforderlichenfalls angepasst wurden, um dieser Absicht gerecht werden zu können.
Die gemeinsame Betrachtung aller Aspekte führte zu den Zielstellungen, die sowohl Bedürfnisse bedienen als auch entwickeln helfen sollen. Die
vorgelegten 3
Zielstellungen beschreiben die bestmögliche Variante, ohne dafür aber einen Zeitraum ihrer Verwirklichung zu benennen. Allerdings enthält die Absicht der Bewerbung für die Kulturhauptstadt Europas 2010 für eine nicht unerhebliche Anzahl von Zielen einen Zeitraum ohne ausdrückliche Nennung.
Dass sowohl die gesamte kulturelle Infrastruktur der Stadt als auch einzelne Kulturangebote eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf das Umland haben, steht bei aller Beschränkung auf die Stadt außer Zweifel. Städte sind Kristallisationspunkte des Lebens, Orte der Kultur, Wissenschaft, Forschung und Bildung. Weil diese Tatsache unstrittig ist, wird auf die Umlandwirkung der Stadt im einzelnen nicht weiter eingegangen.
In der Arbeitsgruppe und in anderen Gremien wurde über die Formulierung von Leitprojekten
diskutiert.
In
ihnen
sollten
Projekte
zusammengefasst
bzw.
herausgehoben werden. Die Arbeitsgruppe entschied sich, davon Abstand zu nehmen, da die Umsetzung der Konzeption auf einem Kontrakt zwischen Politik und Verwaltung einerseits basiert und finanziellen oder anderen Zwängen andererseits unterliegt.
Unter
diesen
Gesichtspunkten
erschien
es
vernünftiger,
solche
Schwerpunktsetzungen situativ im Rahmen des Kontraktes zu finden. Dieser Überlegung folgt auch die Entscheidung, die einzelnen Zielstellungen nur mit Anstrichen zu versehen, um nicht den Eindruck einer Prioritätensetzung zu erwecken.
Wenn diese Zielstellungen auf der Grundlage eines Kontraktes zwischen Politik und Verwaltung zum Maßstab des Handelns werden, dann sind sie auch gleichzeitig Grundlage für Evaluationen, Modifikationen und Fortschreibungen.
4
Kultur und Konzeption Konzeptionen, die dem Ziel dienen, Bedingungen für weitere gesellschaftliche Entwicklungen in einer Region zu entwerfen, stehen vor der Aufgabe, zu analysieren, was auf dem entsprechenden Gebiet vorhanden ist und dann eine Projektion in die Zukunft zu wagen. Konzeptionen sind in diesem Sinne Instrumente des strategischen Kulturmanagements.
Diese
analysieren
und
beschreiben
gesellschaftliche
Entwicklung – und damit Veränderung. Es ergeben sich daraus folgende Probleme: 1. es ist somit unmöglich, nur einen Bereich – hier den kulturell-künstlerischen – eines Gemeinwesens zu analysieren, ohne andere gesellschaftlich-kulturelle Bereiche wie Wirtschaft, Bildung, Management mit im Blick zu haben – was allerdings den Rahmen dieser Konzeption gesprengt hätte. 2. Strategien verlangen die Sicht in die Zukunft – auf der Basis von Datenmaterial der Gegenwart. Diese Daten zu erfassen ist auf Grund der Vielzahl von Projekten, die im Kulturbereich durchgeführt werden, kaum möglich – noch schwieriger gestaltet sich das Projizieren in die Zukunft. Die Konzeption ist ein Planungspapier mit Bestandserhebung und Analyse – es geht nicht um Quantitäten und Prioritätenbildung – sondern um Zielformulierungen für künftige Kulturarbeit. Dieses Dokument hat einen grundsätzlich beschreibenden Charakter – es sind Ideen zur Gestaltung des kulturellen Raums in einer Kommune oder Region. Die Kulturentwicklungskonzeption plant nicht die Inhalte künstlerischen Schaffens, sondern es geht darum, die große Vielfalt der Inhalte und Ausdrucksformen sichtbar zu machen und Möglichkeiten für deren Erhaltung zu formulieren.
Damit ist gleichzeitig ein Paradoxon im Bereich der Kultur aufgezeigt, das der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno so formuliert: „Kultur nimmt Schaden, wenn sie geplant und verwaltet wird
– es ist
existenzbedrohend für sie, wenn sie sich selbst überlassen bleibt.“ 1
1
Adorno, Theodor W. (1979), S. 123
5
Kulturbegriff und Kulturbetriebe Das, was unter Kultur zu verstehen ist, stellt sich im sogenannten weiten Kulturbegriff dar. Dabei umfasst dieser Begriff einmal die Werte und Normen einer Gesellschaft nach denen gehandelt wird. Es ist der Prozess des Reflektierens und des Gestaltens von Umwelt und betrifft somit auch und vor allem die wirtschaftlichen Tätigkeiten.
Kultur dient weiterhin der Ausbildung der geistigen und sittlichen Kräfte des Menschen. Damit gehören dazu Werte und Einrichtungen, die durch Menschen geschaffen werden als Resultat seines schöpferischen Ausdrucks.
Sowohl
künstlerische
persönlichem
Einsatz
als
auch
–
es
ist
wirtschaftliche in
beiden
Tätigkeiten
Fällen
das
verlangen
nach
Verausgaben
von
Arbeitsvermögen. Wirtschaftliche und künstlerische Tätigkeiten sind solche, durch denen der Mensch die Natur auf eine dem Gegenstand entsprechende Weise reflektiert und bearbeitet – geprägt durch den Wertekanon der Gesellschaft. Auf der Basis der alles umfassenden Kultur entwickeln sich die kulturellen Zweige wie Wirtschaft, Staat, Recht – also die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, das menschliche Miteinander.
Die Ergebnisse kulturell-künstlerischer und wirtschaftlicher Tätigkeiten stellen sich in dem dar, was als kulturelles Erbe überliefert ist. Kunst und Kultur sind also Begrifflichkeiten,
die
sich
über
„Öffentlichkeit“
definieren.
Der
Terminus
Kommunikation hat in diesem Zusammenhang zentrale Bedeutung. Kommunikation ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts vielleicht zum Hauptinhalt des Kulturbegriffs geworden. „Für den Kulturbegriff bedeutet dies zweierlei. Zum einen ist der Kulturbegriff... außerordentlich diffus geworden. Elemente der Ästhetik fließen hier ebenso ein wie Differenzierungsmerkmale
eines
persönlichen
Lebensstils
oder
Trends
aus
kommerziellen Kontexten. Zum zweiten ist festzuhalten, dass ein von Trends, Erlebnisorientierung und pluraler Offenheit bestimmter Kulturbegriff kaum mehr steuerbar ist. Nicht gesellschaftspolitische Ziele bestimmen, was Kultur sein und
6
leisten sollte, sondern plurale Trends, die von Medien, von neuen Wertekategorien und von einem exzessiven Erlebnisverhalten bestimmt werden.“2
Die Medien spielen beim postmodernen Kulturbegriff eine wesentliche Rolle. Auch Informationstechnologien und Digitalisierungen verändern die Gesellschaft, damit das Zusammenleben und damit das, was Kultur ist.
Während es noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts um Kultur ging, die von allen zu nutzen sei, geht es jetzt um Szenen, die Lebensstile zelebrieren. Hier steht das Ereignis, der Event im Vordergrund. Das ist aber nichts Beständiges, sondern etwas, was stetig neu geschaffen werden muss. Wenn es aber nicht mehr vorrangig um gesellschaftspolitische Ziele geht, dann kann Politik auch keine Regeln vorgeben, was Kultur ist und wie sie sich gestalten sollte. Man kann bestenfalls Leitlinien für eine Kommune setzen – ganz im Sinne des Marketings eines Unternehmens.
Hier wird ersichtlich, dass eine erweiterte Definition dessen, was Kultur ist und umfasst, unweigerlich Konsequenzen dahingehend hat, was institutionell alles unter Kultur gefasst wird. Auch die Alltagskultur bekommt einen entsprechenden Stellenwert bis zur Jugend- und Seniorenarbeit. Das vergrößert die Basis der kulturellen Infrastruktur – und führt zur Zunahme von Akteuren und Institutionen, die sich unter dem Gesichtspunkt einer etatistischen Konzeption mit ihren Projekten an die Kommune wenden und um Unterstützung bitten. Das hat aber unweigerlich finanzielle Konsequenzen.
Somit ergibt sich für öffentliche Betriebe und Verwaltungen, auch auf Grund der erheblichen Zunahme öffentlicher Aufgaben bei gleichzeitig zurückgehenden Einnahmen die Forderung, mit knappen Mitteln zu wirtschaften. Das ist ganz im Sinne dessen, was als ökonomisches Prinzip bezeichnet wird. Somit ergibt sich verständlicherweise die Forderung, dass auch Kulturinstitutionen im Sinne des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu betrachten sind.
2
Heinrichs, Werner: Kulturpolitik und Kulturfinanzierung. München 1997, S. 38
7
Eine Vielzahl von Studien beschäftigte sich deshalb mit der institutionellen Betrachtung von Kulturbetrieben. Gemäß dem vorgegebenen Gegenstand sind das Untersuchungen, die die inneren, also betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge analysieren.
Die
Prozesse
wirtschaftswissenschaftlichen
künstlerischer
Gesichtspunkten
Produktion zu
den
zählen
unter
personenbezogenen
Dienstleistungen. Das bedeutet zweierlei:
1. der Adressat der Leistungen ist die Person des Rezipienten; 2. die Leistungen werden im wesentlichen durch künstlerisches Personal dieser entsprechenden Institution erbracht.
Die Anwendung des ökonomischen Prinzips lässt für das Management in jedem Unternehmen zwei Alternativen zur Auswahl: entweder soll mit gegebenen Einsatzfaktoren ein Maximum an Ertrag oder ein vorgegebenes Ergebnis mit minimalem Aufwand erzielt werden. Realisiert werden Maximal- oder Minimalprinzip durch steigende Produktivität, diese wiederum durch Standardisierung, die im Ergebnis zu Rationalisierung führt. Es wird letztlich immer Personal durch Technik ersetzt – Arbeitsproduktivität ist Technizität.
Es ist einleuchtend, dass die Substitution von Personal durch Technik in kulturellen und anderen personenbezogenen Dienstleistungsbranchen seine Grenzen hat. Weiterhin verursachen „innere“ Entwicklungen in den Kulturinstitutionen ein Ansteigen der Kosten, was also das ökonomische Dilemma3 zusätzlich verstärkt.
Weiterhin ist festzustellen: Während sich im allgemeinen die Ergebnisse von materiellen Produktionsprozessen auf dem Markt zu bewähren und über den Preis zu realisieren haben, ist dieses aus vielerlei Gründen bei öffentlich geförderten Kulturinstitutionen und -initiativen nicht erstrebenswert. Staatliches Handeln im Sinne einer entsprechenden Preisgestaltung für das Ticket resultiert hier aus dem Umstand, dass ein Kultur- und Bildungsauftrag zu realisieren ist, der bei kostenbezogener Preisbildung sonst nicht zu den gewünschten Entscheidungen bei
3
Baumol, William J.; Bowen, William G. (1966): Performing Arts. The Economic Dilemma. New York.
8
der Mehrzahl der Interessenten – also an der Veranstaltung teilzunehmen – führen würde.
Besonders die managementorientierte Kultur-Betriebslehre, die auch anfänglich Hauptbestandteil im Curriculum der neu gegründeten Studiengänge war, sollte nach Lösungsmöglichkeiten für die Misere in den öffentlichen Kultur-Finanzen suchen. Natürlich erfordert das Erhalten von kulturellen Zeugnissen ökonomischen, finanziellen Aufwand. Allerdings ist auch einleuchtend, dass die gesellschaftliche Produktivitätssteigerung zwangsläufig zu einer Verteuerung von Arbeit in den arbeitsintensiven personenbezogenen Dienstleistungsbranchen – wie es eben auch die öffentlich geförderte Kultur ist – führen muss.
Der Kulturbetrieb ist der konkrete Gegenstand von praktischer Kulturpolitik, denn in der Kulturinstitution erfolgt die Umsetzung dieser Politik. Da dieser Betrieb aber eine besondere Ausprägungsform eines Unternehmens ist, das mit seinen Produkten und Projekten immer in der Öffentlichkeit steht, kann der Kulturbereich nicht losgelöst von anderen politischen Tätigkeitsfeldern betrachtet werden. Es empfiehlt sich eine erweiterte
Sicht
um
Aspekte
der
kulturellen
Bildung,
um
Konzepte
der
Stadtentwicklung unter Einbeziehung von Denkmalschutz und Stadtsanierung bis hin zur Analyse wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Entwicklung. Damit ist die Zieldefinition bei öffentlichen Kulturbetrieben wandelbar – das ergibt sich aus dem kulturpolitischen Diskurs. Entwicklung ist Bewegung und somit in einer Konzeption nur schwer darstellbar.
Die Vertreter einer Theorie der Kulturökonomie kommen hier zu dem Schluss, dass eine rein kulturinstitutionelle, also betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise dem Gegenstand von Kultur in der Gesellschaft nicht gerecht wird. Das ergibt sich vor allem
aus
dem
dargestellten
Charakter
von
Kultur
als
öffentlichem
Kommunikationsmittel. Kulturinstitutionen besitzen eine besondere Form von
Nützlichkeit auf verschiedenen Ebenen in der Gesellschaft: Sie sind Institutionen des Wertediskurses und sie richten sich immer an Öffentlichkeit.
9
Kultur und Region Dem Gegenstand der vorliegenden Konzeption folgend sollen hier in Thesenform die wichtigsten
Erkenntnisse
der
kulturökonomischen
Untersuchungen4
zusammengefasst werden:
1. Kultureinrichtungen sind in einer Region wichtige Kommunikationszentren, die zur Infrastruktur, wie andere Dienstleistungsunternehmen auch, dazu gehören. Sie haben eine soziale Funktion. 2. Mit ihrem Angebot leisten Kultureinrichtungen einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität für die Bewohner der Region – unabhängig davon, ob das Angebot durch jeden Einzelnen auch wahrgenommen wird. 3. Die damit zusammenhängende verbesserte kulturelle Auswahl in der Region ist Faktor der Identifikation mit der Stadt. 4. Programmvielfalt kann zu Aktivität führen. Aktivität der Bevölkerung belebt eine Gemeinschaft. 5. Die Veranstaltungen und Projekte, die Kultureinrichtungen ausrichten und anbieten, werten die natürlichen Gegebenheiten in einer Region zusätzlich auf. 6. Dadurch kann sich die Stadt von anderen Regionen unterscheiden – diese spezifischen regionentypischen Events wirken anziehend auf Touristen und Einwohner, hierher zu kommen, zurückzukehren oder hier zu bleiben. 7. Kultur, die die Infrastruktur einer Region mit prägt, ist damit Faktor des Standortes. Das gilt zum einen für die Einwohner, die sich mit ihrer Region identifizieren. Kultur ist damit Element des Stadtmarketing. 8. Andererseits
können
durch
das
Image,
was
diese
Region
verkörpert,
Standortentscheidungen von Unternehmen befördert werden. 9. Die Projekte der Kulturinstitutionen entstehen im allgemeinen nur durch die Tätigkeit vieler Akteure, die ihre Arbeit freiwillig und unentgeltlich erbringen. Diese Leistungen stellen einen oftmals auch in seinem ökonomischen Umfang völlig unterschätzten Faktor dar. Doch betriebswirtschaftlich betrachtet ist das Wertschöpfung für und in der Region.
4
Vgl.: Munkwitz, Matthias (2000): Die durch den Tourismus ausgelösten ökonomischen Wirkungen von Kultur in Mittelsachsen, in: Vogt, Matthias Theodor (Hrsg.): Kultur im ländlichen Raum: das Beispiel Mittelsachsen. Kulturelle Infrastruktur Band 8, Leipzig, S. 83ff
10
10. Da aber Kultureinrichtungen, wie begründet, sehr arbeitsintensiv sind, entsteht Beschäftigung. Erst durch dieses bürgerschaftliche Engagement funktioniert der Kulturbetrieb und es können Leistungen angeboten werden. 11. Die Inanspruchnahme dieser kulturellen Leistungen durch Einheimische und deren Gäste führt wiederum zu Ausgaben – und damit zu Arbeit.
Es kann durch die Untersuchungen in Städten und im ländlichen Raum nachgewiesen
werden:
die
Bereitstellung
von
Mitteln
für
Projekte
und
Kultureinrichtungen durch den kommunalen Kulturhaushalt zahlt sich aus. Es tritt eine Verzinsung der eingesetzten Mittel in mehrfacher Hinsicht ein: ein „gesellschaftlicher Return on Investment“.
So entstehen zum einen durch das Angebot der Kulturbetriebe Multiplikationseffekte in die Region: 1. durch die Ausgaben der Kulturorganisationen und 2. durch die Ausgaben der Mitarbeiter der Kulturorganisationen. Der englische Nationalökonom John Maynard Keynes (1883 – 1946)5 stellte in seinen Untersuchungen Beziehungen zwischen öffentlichen Investitionen und dem Anstieg der Gesamtausgaben her und kommt zu dem Schluss, dass dadurch Produktion und Einkommen wachsen. Der Keynes’sche Multiplikator gibt an, um wie viel sich das Einkommen verändert, wenn z. B. der Staatssektor seine Ausgaben für Güter und Dienstleistungen variiert. Das Ausgeben von Geld durch die öffentliche Hand beispielsweise für kulturelle Projekte und Institutionen führt zu einer Erhöhung der Gesamtnachfrage und kommt damit einem regionalen Konjunkturprogramm gleich. „Die Investitionen wirken sich über den Multiplikatoreffekt auf die Produktion aus“6, da das Funktionieren des Kulturbetriebs den Kauf von Gütern und Leistungen von anderen Unternehmen verlangt und dadurch Beschäftigungseffekte erzielt werden. Somit sichert das Vorhandensein der Kultureinrichtung Arbeit und Einkommen in den – hauptsächlich regionalen – Wirtschaftsunternehmen. Somit fließen die Kulturausgaben teilweise in 5
Keynes, John Maynard (1994): Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes. Berlin – unveränderter Nachdruck der ersten Auflage von 1936 6 Samuelson, Paul A./Nordhaus, William D. (1998), Economics. Volkswirtschaftslehre. Übersetzung der 15 Auflage, Wien S. 535.
11
Form von Steuern und Abgaben, die die Unternehmen der Privatwirtschaft und die Beschäftigten dieser Betriebe zahlen, an die Kommune zurück. Natürlich kann nicht in Abrede gestellt werden, dass der Multiplikatoreffekt genau so bei öffentlichen Ausgaben in anderen Bereichen auftreten würde.
Andererseits ergeben sich durch die Ausgaben der öffentlichen Hand in den Kulturbetrieben Beschäftigungseffekte. Das ist ausdrücklich hervorzuheben, da, wie bereits
dargelegt,
Investitionen
in
anderen
als
den
personenbezogenen
Dienstleistungsbereichen zwangsläufig immer zu Produktivitätssteigerungen führen und damit zu Rationalisierungen genutzt werden. Bei Kulturbetrieben treten kaum Rationalisierungs-, sondern im Gegenteil Beschäftigungssicherungseffekte ein.
Die Gagen, Gehälter und Löhne geben die Mitarbeiter der Kulturbetriebe größtenteils in der Region aus – womit wiederum Arbeit in der lokalen Wirtschaft entsteht und gesichert wird.
Es muss aber noch auf einen anderen ökonomischen Effekt verwiesen werden, der die Besonderheiten kultureller Angebote zusätzlich unterstreicht: Das sind die Ausgaben der Gäste, die im Zusammenhang mit dem Besuch der Kultureinrichtung stehen. Hier entstehen die sogenannten externen Effekte – oft auch als Umwegrentabilitäten bezeichnet. Das sind einerseits die Einnahmen für die Kulturinstitutionen selbst durch den Verkauf des Tickets, also dem Recht, das der Rezipient erwirbt, an der Veranstaltung teilzunehmen. Das sind andererseits wiederum Einnahmen für die lokale Wirtschaft durch den Verkauf von Gütern und Leistungen, die im Zusammenhang mit dem Besuch des Events in Anspruch genommen werden, wie Transportleistungen, ggf. Güter des Einzelhandels, der Restaurants, Hotels usw. Alle Untersuchungen belegen: die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Besuch einer Kulturveranstaltung übersteigen die Aufwendungen für das Ticket um das Zweibis Sechsfache.
Damit haben diese Kultureinrichtungen wiederum ökonomische Wirkungen für das Gemeinwesen: 12
a) einmal in dem Sinne, dass die Einwohner, die kulturelle Ereignisse besuchen, einen Teil ihres disponiblen Einkommens zu dieser Veranstaltung ausgeben und damit Wirtschaftskreisläufe in der Region in Gang setzen; b) zum anderen, dass Touristen sowohl auf Grund der natürlichen Gegebenheiten, aber auch wegen des Vorhandenseins kultureller Einrichtungen und Events in die Stadt oder Region kommen. Dieser Effekt des neuen Geldes ist für die Kommune natürlich von besonderem Interesse, stellt er doch Wertschöpfung in und für die Region dar. Kultureinrichtungen
mit
überregionaler
Bedeutung
oder
mit
besonderem
kulturpolitischem Auftrag, die beispielsweise zur Unterstützung der Arbeit Landes-, Bundes- oder EU-Mittel erhalten, verstärken diesen Effekt noch.
Es ist das neue Geld, das durch das Angebot der Kultureinrichtung in die Kommune gelangt – oder umgekehrt geschlussfolgert: Wenn es diese Events und Kultureinrichtungen in der Stadt nicht geben würde, würde das Geld auf alle Fälle in anderen Regionen ausgegeben!
Damit ist noch etwas festzustellen: Multiplikator und ökonomische Effekte hinterlassen strukturelle Wirkungen. So gesehen wird durch die Unterstützung von Kulturprojekten und Institutionen Wirtschaftsförderung betrieben. Kulturökonomische Betrachtungsweisen gehen also über die Untersuchung einer betriebswirtschaftlichen Innensicht des Kulturbetriebes hinaus. Kultur als öffentliche Angelegenheit verlangt nach einem gesellschaftlichen Blick.
Denn: Kultureinrichtungen betreiben mit ihrem Angebot, durch die Events, Öffentlichkeitsarbeit für die Kommune, für den Standort – also Stadtmarketing. Gerade in der Erlebnisgesellschaft spielen Marken als Orientierungshilfe eine wichtige Rolle. Ein Event vereint in sich alles, was auch für eine Marke Gültigkeit besitzt. Events sind veränderte Kulturkonzeptionen, durchaus auch im Sinne von Marken – als corporate identity einer Region oder Stadt. Die Identität eines Unternehmens stellt sich über das Leitbild her. Auch eine Kommune kann durch das Leitbild identitätsbildend und -fördernd nach innen und außen in die gewünschte Richtung tätig werden.
13
Die Arbeit an der Kulturentwicklungskonzeption der Stadt Görlitz wirft Fragen in allen Bereichen auf. Es geht um die Identität sowohl der Einrichtung als auch der Region.
Auf Grund der vielfältigen Verflechtungen und des dargestellten prägenden Charakters von Kultur hätten in der Konzeption besonders auch die wirtschaftlichen Bereiche dargestellt werden müssen. Das hätte aber den Rahmen gesprengt. Es wurden deshalb vor allem die kulturell-künstlerischen Tätigkeiten untersucht. Das
ist
ausdrücklich
hervorzuheben:
Die
Rezipienten
wollen
künstlerische
Leistungen in Anspruch nehmen – auch wenn diese u. U. an ungewöhnlichen Orten stattfinden. Damit ist folgendes gesagt:
1. Kultur ist Tätigkeit und es kommt dem einmaligen Charakter jeder Aufführung oder jedes Projekts – ganz im Sinne von Event – sehr viel näher, das zu betrachten, was nachgefragt wird: und das ist die Leistung, nicht vorrangig die Institution. 2. Der Ort der Aufführung kann sich in der Erlebnisgesellschaft wandeln – vielleicht kommt es den Interessenten sogar näher und unterstreicht den Charakter der Einmaligkeit, wenn die Leistung Erwähnung findet – ggf. am ungewöhnlichen Ort.
Damit im Zusammenhang steht ein weiteres Element kulturell-künstlerischer Darstellung, die besonders mit Blick auf die Bewerbung der Stadt Görlitz/Zgorzelec als Kulturhauptstadt 2010 zu analysieren wäre. Das ist das Verhältnis von institutioneller zu Projektförderung. a) Institutionelle Förderung ist sozusagen „Innenförderung“ der Kommune für die Bevölkerung. b) Projektförderung kann auch vor allen Dingen „Außenförderung“ sein, ist also tourismusorientiert. In dieser Konzeption werden Anregungen gegeben, was und wie kulturell und touristisch zu profilieren wäre, um einen Strukturwandel zu bewirken. Wie diese Profilierung letztlich erfolgen soll, ist politisch zu diskutieren.
14
Teil I Kulturelle Zielstellungen der Stadt Gรถrlitz
15
1. Zielstellungen Sammlungen und Wissenschaft7
Städtische Sammlungen für Geschichte und Kultur
Ratsarchiv -
Das Ratsarchiv erhält zusätzliche Räume, um die voneinander getrennt liegenden Archivalien zusammenzuführen und konservatorisch sowie sicherungstechnisch angemessen unterzubringen.
-
Die Bestände im Ratsarchiv werden in Auswahl digitalisiert.
-
Im Ratsarchiv gilt sowohl bei allgemeinen Informationen und Regularien als auch bei sonstigen allgemein interessierenden Texten das Prinzip der Zweisprachigkeit (deutsch-polnisch).
Kulturhistorisches Museum -
Hauptaufgaben der Museen sind das Sammeln, das Bewahren, das Forschen, das Präsentieren sowie Bildung und Unterhaltung.
-
Das Kulturhistorische Museum erforscht, analysiert und sammelt historische Zeugnisse des Lebens in Görlitz und untersucht die Entwicklung und die Wirkungen der Stadt im Schnittpunkt der Kulturen der Oberlausitz, Böhmens und Schlesiens.
-
Der Kaisertrutz und der Reichenbacher Turm sind die Haupthäuser des Kulturhistorischen Museums. In ihnen werden die Zeugnisse der Kulturgeschichte der Stadt und der Region präsentiert. Die Formen der Präsentation umfassen Dauer- und Sonderausstellungen.
-
Der erlebnisbetonte Museumsbesuch aller Altersgruppen soll Interesse an der Beschäftigung mit kulturellen und historischen Themen wecken und damit zur Identifikation der Bürger mit der Stadt und der Region beitragen.
-
Die Themenstellung und die Qualität der Präsentation sollen auch touristisch anziehend wirken.
-
Schwerpunktaufgabe für eine erfolgreiche Sammeltätigkeit, die Nutzbarmachung der Sammlungen für ein lebendiges wissenschaftliches Leben sind die
-
Rekonstruktion, Modernisierung und eine den zu realisierenden Aufgaben adäquate Ausstattung des Kaisertrutzes und des Reichenbacher Turmes.
7
historischer Überblick siehe Anlage 1, 1.Sammlungen und Wissenschaft 16
-
Das Kulturhistorische Museum erhält ein Magazin zur sach- und fachgerechten Aufbewahrung der Sammlungen.
-
Die Häuser Handwerk 3 und 4 werden zu Verwaltungsräumen der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur ausgebaut.
-
Das Kulturhistorische Museum erhält eine Personalausstattung, die eine sachund fachgerechte Betreuung und Bearbeitung der Sammlungen gewährleistet.
-
Ausgewählte Bestände des Kulturhistorische Museums werden in digitalisierter Form archiviert.
-
Kulturhistorisches Museum und Schlesisches Museum zu Görlitz sollen perspektivisch fusioniert werden. Einbezogen werden soll Zgorzelec als Museumsstandort.
-
Im Kulturhistorische Museum gilt sowohl bei den allgemeinen Informationen und Regularien als auch bei Ausstellungen das Prinzip der Zweisprachigkeit (deutschpolnisch).
-
Die Görlitzer Museumslandschaft ist neu zu strukturieren. Das heißt, dass das Kulturhistorische Museum und das Schlesische Museum zu Görlitz nach einem bereits festgelegten Stufenplan über Kooperation, Verwaltungsgemeinschaft zur Fusion geführt werden.
Barockhaus Neißstraße 30 / Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) -
Das
Barockhaus
Neißstraße
30
wird
zu
einem
lebendigen
Zentrum
geisteswissenschaftlichen Austausches weiterentwickelt, in dessen Mittelpunkt die OLB steht. -
Die
museale
Nutzung
kulturgeschichtlichen
des
Grundlagen
Hauses zur
umfasst
die
Darstellung
der
Entstehung
der
Oberlausitzischen
Gesellschaft der Wissenschaften sowie die umfassende Vermittlung ihrer Leistungen und ihrer Wirkung. -
Die OLB wird unter Einhaltung der Grundsätze zum Erwerb von Materialien zu einer Leitbibliothek entwickelt, die für Forschung und wissenschaftliche Arbeit und für Interessen privater Bibliotheksnutzer für den Raum östliche Oberlausitz und Niederschlesien das Kompetenzzentrum ist.
-
Ausgewählte Bestände werden in digitalisierter Form verfügbar gemacht.
17
-
Die OLB übernimmt Fachbibliotheksfunktionen für das Schlesische Museum zu Görlitz sowie für das Internationale Jacob-Böhme-Institut. Die Übernahme weiterer
regional
übergreifender
Funktionen,
besonders
hinsichtlich
der
bibliothekarischen Versorgung der Forschungen zu Geschichte und Kultur Schlesiens, wird angestrebt. Dazu werden auch Projekte gemeinsam mit entsprechenden Einrichtungen in Deutschland und Polen entwickelt. -
In der OLB gilt sowohl bei allgemeinen Informationen und Regularien als auch bei Ausstellungen das Prinzip der Zweisprachigkeit (deutsch-polnisch).
-
Für die zeitgemäße Gewährleistung der Realisierung von Aufgaben der OLB und der strategischen Ausrichtung der Sammlungs- sowie der wissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Dienstleistungsfunktionen bedarf es der Einbeziehung des Hauses Handwerk 2.
-
Das Gebäude der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften wird saniert.
-
Die OLB erhält eine Personalausstattung, die eine sach- und fachgerechte Betreuung der Bibliothek gewährleistet.
Wissenschaftliche Einrichtungen -
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften führt ihre Arbeiten gemäß ihrer
Satzung
weiter
und
orientiert
sich
dabei
auch
zunehmend
auf
Forschungsaufgaben zur jüngeren Vergangenheit. -
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften lobt Preise aus, um auf diese Weise nachdrücklicher Forschungen zur jüngeren Vergangenheit in Bezug auf die Region anzuregen und zu unterstützen.
-
Die Stadt als Mitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften unterstützt ihre Tätigkeit mit einem namhaften Betrag, um auf diese Weise Forschungstätigkeit für die Stadt und Region zu fördern.
-
Das Internationale Jacob-Böhme-Institut arbeitet gemäß seiner Satzung und entwickelt sich zu einem internationalen Zentrum des Austausches zu Leben und Werk des Theosophen.
-
Die Stadt als Mitglied des Instituts unterstützt dessen Tätigkeit mit einem namhaften Betrag, um auf diese Weise das Ansehen und die Kompetenz des Institutes zu fördern und damit das Ansehen der Stadt Görlitz als Kultur- und Wissenschaftszentrum weiter zu stärken.
-
Forschungsstelle für Alte Musik siehe „6. Zielstellungen Musik“. 18
Bildungseinrichtungen -
Die Zusammenarbeit zwischen der Stadt, der Stadtverwaltung und der Hochschule Zittau/Görlitz – University of applied sciences - wird fortgesetzt und im gegenseitigen Interesse vertieft und erweitert.
-
Die Ämter und Abteilungen in den
Dezernaten suchen den Kontakt zu
Wissenschaftlern der entsprechenden Fachbereiche und besprechen gemeinsam zu realisierende Projekte. -
Die Institutionen und Ämter unterbreiten den Studierenden der Hochschule Angebote bezüglich Praktika und unterstützen im Rahmen der Möglichkeiten die Realisierung studentischer Projekte.
-
Die Institutionen werden aufgefordert, Übersichten mit Themenstellungen zur Erstellung von Belegen, von Diplom- und Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse wiederum der Stadt zugute kommen, zu erarbeiten und diese mit den Dekanen der Studiengänge zu besprechen.
-
Die
Personalverantwortlichen
prüfen,
inwieweit
die
Mitarbeiter
Weiterbildungsveranstaltungen der Fachbereiche der Hochschule wahrnehmen können, um sich ständig zu qualifizieren.
Weitere Initiativen -
Sammeltätigkeit und wissenschaftliche Arbeit anderer Träger, insbesondere ein Internationales Schlesieninstitut, sollen durch materielle und ideelle Hilfe im Rahmen der Möglichkeiten unterstützt werden, sofern ein schlüssiges Konzept vorliegt, mit dem ein Beitrag zur weiteren Ausgestaltung der kulturellen Infrastruktur geleistet bzw. das Ansehen der Stadt gestärkt werden kann.
-
Die Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Stadt, dem Staatlichen Museum für Naturkunde Görlitz sowie anderen Museen und Einrichtungen, auch in Zgorzelec, wird dahingehend vertieft, dass auf ausgesuchten Gebieten diese Einrichtungen gemeinsam auftreten und spezifisch für die Stadt werben, z. B. mit einem gemeinsamen Museumsführer in deutscher, polnischer und englischer Sprache oder einer gemeinsamen Museumsnacht.
19
2. Zielstellungen Bildung und Dokumentation8
Stadtbibliothek -
Die Stadtbibliothek erfüllt ihren Auftrag als Bildungs- und Informationszentrum auf qualitativ hohem Niveau.
-
Die Stadtbibliothek nutzt die neuen Medien, um ihrem Informationsanspruch gerecht zu werden und das Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit zu befriedigen.
-
Die Stadtbibliothek initiiert eine Arbeitsgruppe Bibliotheken in der Stadt unter dem Gesichtspunkt von Aufgabenteilung und Zusammenfassung zur bestmöglichen Versorgung der Interessenten mit Informationsträgern.
-
Es wird unter Federführung der Stadtbibliothek ein Görlitzer Bibliotheksführer für alle öffentlich zugänglichen Bibliotheken in deutscher und polnischer Sprache erstellt.
-
Die Stadtbibliothek hält für polnische Bürger ihren Medienbestand zu den gleichen Bedingungen bereit wie für deutsche Benutzer, so dass die Bibliothek als ein modernes Informations- und Bildungszentrum für die Europastadt fungieren kann. Sie schafft mit einer durchgängigen Zweisprachigkeit die entsprechenden Voraussetzungen dafür. Auf diese Weise soll der Standort Jochmannstraße ein Zentrum grenzübergreifenden Kulturaustausches werden.
-
Zur
besseren
Benutzerbetreuung
Personaleinsatz Jochmannstrasse
wird
die
und
zum
Stadtbibliothek
konzentriert.
Damit
effektiveren
auf
einen
entfallen
die
und
Standort noch
flexibleren in
der
verbliebenen
Zweigstellen. Dafür wird das Bibliotheksgebäude erweitert, um den formulierten Anforderungen gerecht zu werden - Die elektronische Vernetzung der Bibliotheken in der Stadt und darüber hinaus wird systematisch vorangetrieben. -
Im historischen Gebäude an der Jochmannstraße werden die noch vorhandenen Magazinbereiche zum Teil aufgelöst und als erweiteter Freihandbereich zugänglich gemacht. Damit soll der Öffentlichkeit die Nutzung aller vorhandenen Medien ermöglicht werden. Der aus denkmalpflegerischen Gründen verbleibende Magazinbereich wird der OLB zur Verfügung gestellt.
8
historischer Überblick siehe Anlage 1,2. Bildung und Dokumentation 20
-
Das Hauptgebäude soll auch als zentrales Kulturzentrum des Gründerzeitviertels fungieren.
Volkshochschule -
Die Volkshochschule wird durch die Stadt gefördert. Dieses Prinzip zeigt sich u. a. in sozial verträglichen Gebühren für die angebotenen Kurse bei Realisierung einer wettbewerbsorientierten Qualitätsarbeit.
-
Die VHS trägt dem Prinzip „lebenslanges Lernen“ durch aktuelle Angebote Rechnung.
-
Kooperation mit anderen Bildungsträgern zur Realisierung der Programmvielfalt bleibt eine Strategie der Volkshochschule.
-
Die Volkshochschule baut ihre Verbindungen zum entsprechenden Partner in Zgorzelec aus, um sich bei Projekten gegenseitig zu unterstützen bzw. gemeinsame Projekte mit der Zielstellung des besseren Verstehens von Polen und Deutschen durchzuführen.
-
Das schon praktizierte Projekt eines Sprachlagers für deutsche und polnische Jugendliche wird weitergeführt und durch neue Projekte ergänzt.
Tierpark -
Unter der Überschrift „Natur und Kultur“ soll sich der Naturschutz-Tierpark Görlitz zu einem Kompetenzzentrum für die Verbindung zwischen menschlicher Kultur und Natur etablieren. Anhaltspunkt für diese Aufgabe soll das Wappentier des Tierparks sein.
-
Im Tierpark wird ein tibetisches Dorf gestaltet. Es enthält Haustiere Zentralasiens und die Möglichkeit, durch entsprechende eigene Aktivitäten und Verkostungen das Leben in so einem Dorf kennen zu lernen.
-
Im 2000 über Erbbaupacht erworbenen Gebäude wird der im Erdgeschoss befindlichen Ausstellung, „Klapperstorch mein Guter“ eine weitere hinzugefügt. Der Kinder!Wagen e. V. wird eine Sammlung von Kinderwagen, Puppenwagen, verschiedenen dazugehörenden Utensilien sowie Bild- und Schriftmaterial unter dem Thema Kinder ! Wagen-Ausstellung zusammenstellen und gestalten. Diese Ausstellung ist eine Erweiterung des Themas der ersten Ausstellung und soll auf eine ungewöhnliche Weise dem Tierpark weitere Attraktivität verleihen.
21
-
Der Tierpark verfolgt in seinen Informationen konsequent die Zweisprachigkeit (deutsch und polnisch). Das gilt für polnischsprachiges Informationsmaterial und für die unterschiedlichsten Beschriftungen.
Europahaus -
Das Europahaus wird zu einem Zentrum gesamteuropäischer Verständigung mit besonderem Schwerpunkt des deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Austausches entwickelt.
-
Das Europahaus initiiert deutsch-polnische Jugendprojekte, die der Region und der Bevölkerung im grenznahen Raum zugute kommen und das Verständnis füreinander fördern.
-
Das
Europahaus
integriert
die
Projektabteilung
des
deutsch-polnischen
Kulturbüros in seine Tätigkeit. -
Das Europahaus übernimmt die Pflege aller Beziehungen zu Görlitzer Partnerstädten im Auftrag der Stadt.
-
Das Europahaus ist Initiator und Vermittler der Zusammenarbeit in der Europastadt auf bürgerschaftlicher Ebene.
-
Die Verantwortung für die Europawoche, insbesondere für den Europatag Görlitz/Zgorzelec, wird von ihm getragen.
-
Das Europahaus ist der Träger der Bewerbung für die Kulturhauptstadt Europas 2010.
22
3. Zielstellungen Darstellende Kunst9
Theater Görlitz -
Das Theater Görlitz nimmt seine Aufgaben als Musiktheater im Kulturraum in den Sparten Oper, Operette, Musical und Ballett wahr. Durch Kooperationsabkommen wird ein ausreichendes Angebot im Bereich Sprechtheater sichergestellt.
-
Das Theater Görlitz ist in der Kulturgeschichte der Region fest verankert. Es sucht nach Möglichkeiten, diese Verankerung auch inhaltlich durch regionale Bezüge in der Spielplangestaltung deutlich zu machen.
-
Das Theater Görlitz beteiligt sich an der Gestaltung kultureller Ereignisse in der Region mit seinen Mitteln.
-
Das Theater Görlitz fühlt sich auch dem künstlerischen Gegenwartsschaffen verpflichtet und macht dem Publikum entsprechende Angebote.
-
Das Theater Görlitz versteht sich als Theater der Europastadt Görlitz/Zgorzelec und berücksichtigt diesen Umstand bei der Spielplangestaltung. Hierzu sollen auch vielfältige Kooperationen mit unseren östlichen Nachbarn genutzt werden.
-
Das Theater Görlitz beteiligt sich mit einem Theaterereignis im öffentlichen Raum am Görlitzer Kultursommer. Darin einbezogen werden laienspielinteressierte Görlitzer Bürger.
-
Die Theaterpädagogik verstärkt ihre Bemühungen, Kinder und Jugendliche für die Arbeit des Theaters zu interessieren.
-
Die Rekonstruktion des Theaters und dessen architektonische Gestaltung als Zentrum der Hochkultur in der Stadt wird fortgeführt.
-
Die Stadt unterstützt die Ansiedlung freier Theatergruppen, um eine Vielfalt im darstellenden Spiel entwickeln zu helfen.
Laienspiel -
Die Stadt unterstützt Initiativen zur Entwicklung und Förderung der Tradition des Laienspiels für alle Altersgruppen.
-
Die Schaffung und Einstudierung eines Volksstücks zur Geschichte der Stadt unter Beteiligung interessierter Laien ist dabei ein Höhepunkt laienkünstlerischen Schaffens.
9
historischer Überblick siehe Anlage 1, 3.Darstellende Kunst 23
Straßentheater -
siehe „ 10. Zielstellungen Veranstaltungen im öffentlichen Raum“.
Tanz -
Die Stadt unterstützt die Entwicklung der bestehenden Tanzgruppe am JoliotCurie-Gymnasium, deren Aufgabe die Einstudierung
und
Aneignung von
historischen Tänzen ist. Das Projekt soll als ein Projekt der Europastadt Görlitz/Zgorzelec aufgebaut werden.
24
4. Zielstellungen Bildende Kunst10
Kulturhistorisches Museum -
Das Kulturhistorische Museum ist die wichtigste Einrichtung für die Sammlung, Bewahrung, Erforschung und Präsentation bildender Kunst in Görlitz. Seine Aufgabe besteht in der Ergänzung und Erweiterung der Sammlungen.
-
Schwerpunktmäßig
konzentriert
sich
das
Museum
auf
die
Sammlung
zeitgenössischer Kunst, insbesondere von Görlitzer und Oberlausitzer Künstlern. -
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erweiterung der Graphischen Sammlungen mit Werken des Kupferstichs aus dem 20. und 21. Jahrhundert.
-
Die Gemäldegalerie des Kulturhistorischen Museums wird neu gestaltet.
-
Durch Wechselausstellungen wird Görlitzer Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart der Öffentlichkeit vermittelt.
-
Das Kulturhistorische und das Schlesische Museum zu Görlitz kooperieren im Fachbereich der Bildenden Kunst. In diese Arbeit werden Zgorzelec und die polnische Nachbarregion einbezogen im Hinblick auf die spätere Fusion und einen Museumsstandort in Zgorzelec.
Oberlausitzer Kunstverein -
Die Stadt unterstützt den Oberlausitzer Kunstverein bei der Präsentation Görlitzer Künstler durch Personal- und Gruppenausstellungen und bei der Gestaltung von Ausstellungen mit bedeutenden Künstlern aus anderen Regionen.
-
Der Kunstverein gestaltet Pleinairs auch als gemeinsames Projekt mit polnischen Künstlern und mit internationaler Beteiligung.
-
Die Stadt Görlitz beteiligt sich weiterhin gemeinsam mit dem Oberlausitzer Kunstverein an der Ausrichtung des Oberlausitzer Kunstpreises.
Projekte -
Zur Würdigung des Gesamtwerks von Johannes Wüsten wird an einem geeigneten Ort eine ihm gewidmete Dauerausstellung eingerichtet.
10
historischer Überblick siehe Anlage 1, 4. Bildende Kunst 25
-
Es wird in diesem Zusammenhang eine Galerie für Gegenwartskunst mit den Schwerpunkten Kupferstich und gesellschaftskritische Kunst der Moderne und der Gegenwart eingerichtet.
-
Die Stadt unterstützt den Aufbau von Kunstausstellungen zum Schaffen international bedeutender Künstler. Hierzu soll eine eigene Institution eingerichtet werden, deren Ziel die Initiierung einer Biennale zur Förderung des Kunstdialogs zwischen Ost- und Westeuropa ist.
-
In Görlitz wird an einem geeigneten Ort ein Kunstpark, ein Park der Sinne, eingerichtet, der grenzübergreifend Plastik und Skulptur in eine ideale Verbindung mit der Natur bringt. Dafür vorzusehen ist der geplante Brückenpark um die Stadthalle und den Dom Kultury. Der Ort wird später mit Kunstfesten mit internationaler Beteiligung in regelmäßigen Abständen belebt. Das Kunstfest soll mit dem ViaThea Kunstfest gekoppelt werden.
-
Das Künstlerhaus in der Stadt wird wiederbelebt.
-
Das bildnerische Laienschaffen und die Präsentation der Arbeitsergebnisse werden soweit als möglich unterstützt.
-
Von besonderem Interesse ist ein regelmäßiger Kunstaustausch zwischen Polen, Tschechien und Deutschland.
26
5. Zielstellungen Literatur11
-
Die vorhandenen Möglichkeiten der Leseförderung werden erhalten.
-
Das Veranstaltungsspektrum von Schriftstellerlesungen mit Autoren oder/und Literaturgespräche mit wichtigen Literaturkritikern und Rezensenten wird ausgebaut. Dazu werden vorhandene Aktivitäten in der Stadt vernetzt. Dabei kann auch die Bibliothek des Niederschlesischen Oberlausitzkreises einbezogen werden.
-
Görlitzer Autoren werden in ihrer Tätigkeit unterstützt und ihr Werk wird durch entsprechende Einrichtungen der Öffentlichkeit vermittelt.
-
In Görlitz wird ein Tag des Buches zur Regionalliteratur eingerichtet, um mit ihm an der Entwicklung der Identifizierung der Bürger mit Stadt und Region mitzuwirken.
-
Schreibwettbewerbe
und
Präsentation
der
Ergebnisse
werden
weiterhin
durchgeführt. Dabei werden alle Altersgruppen einbezogen. Zu bestimmten Themen werden die Wettbewerbe als deutsch-polnisches Gemeinschaftsprojekt durchgeführt. Die Werke werden in geeigneter Form der Öffentlichkeit vorgestellt. Herausragende Arbeiten werden zusammengetragen und in einem Sammelband veröffentlicht. -
Zur Förderung der Rezeptionsfähigkeit insbesondere moderner Dramatik werden zu Schauspielinszenierungen verstärkt Foyergespräche durchgeführt.
11
historischer Überblick siehe Anlage 1, 5. Literatur 27
6. Zielstellungen Musik12
-
Die Stadt Görlitz unterstützt alle Aktivitäten von Bürgern, Gruppen, Vereinen etc. zur Pflege, Ausübung und Aufführung aller Formen der Musikkultur.
-
Das Görlitzer Musiktheater fühlt sich den Werken der überlieferten Musikliteratur verpflichtet und öffnet sich der Literatur der Moderne.
-
In diesem Sinne wirkt auch die Neue Lausitzer Philharmonie und unterstützt das Theater bei seinen Bemühungen, das Rezeptionsverhalten der Hörer auch für die Moderne zu öffnen.
-
Die Zusammenarbeit mit polnischen und tschechischen Kulturträgern wird durch geeignete Formen ausgebaut. Dabei soll das jeweils nationale Musikschaffen besondere Berücksichtigung finden.
-
Görlitz beteiligt sich an der von Frankreich ausgehenden, jährlich am 21. Juni des Jahres mittlerweile europaweit stattfindenden Veranstaltung „Fête de la musique“. Ziel ist es, den vielen musikalisch Aktiven, Laien und Professionellen, in der Region eine Bühne zu schaffen im Interesse einer breiten Öffentlichkeit. Diese Veranstaltung soll als gemeinsames Projekt mit Zgorzelec in beiden Städten stattfinden.
-
Die Stadt bemüht sich um die Unterstützung der Görlitzer Laienensembles. Dazu werden den Ensembles Auftrittsmöglichkeiten eingeräumt bzw. Angebote zur Mitwirkung an Veranstaltungen unterbreitet.
-
Die Musikschulen in Görlitz, insbesondere die Musikschule „Johann Adam Hiller“, verstehen ihre Tätigkeit unter drei Hauptgesichtspunkten:
1. allgemein musische Erziehung der Schüler zur Erhaltung, Entwicklung und Förderung des musischen Klimas in der Stadt, 2. Ausbildung an einem Instrument unter dem Gesichtspunkt einer späteren Nutzung im privaten Bereich oder zur Freizeitgestaltung in einem Laienensemble in Stadt und Region zur Belebung der Kultur, 3. Förderung von Begabten, um diese auf eine entsprechende Laufbahn im professionellen Bereich vorzubereiten. 12
historischer Überblick siehe Anlage 1, 6. Musik 28
-
Die Musikschule bietet entsprechend ihrer Möglichkeiten Foren (z. B. Workshops) zur Qualifizierung von Interessenten auf dem Gebiet der Pop-Musik.
-
Das Schlesische Musikfest wird zu einem regional bedeutenden Musikereignis entwickelt, in das die polnischen und tschechischen Nachbarn einbezogen werden. Dazu werden weitere konzeptionelle Überlegungen angestellt.
-
Im Rahmen eines Internationalen Schlesieninstitutes wird ein Forschungsbereich Alte Musik der Region eingerichtet. Die Forschungsergebnisse werden im Rahmen deutsch-polnisch-tschechischer Zusammenarbeit für das Musikleben der Region aufbereitet und angewendet.
-
Die Internationale Sommerschule der Künste unter Regie des Institutes für kulturelle Infrastruktur wird fortgesetzt.
-
Schlesisches Musikfest, Forschungsinstitut und Sommerschule suchen nach Möglichkeiten einer für die Stadt fruchtbringenden Zusammenarbeit.
-
Jazztage siehe „10. Zielstellungen Veranstaltungen im öffentlichen Raum“.
29
7. Zielstellung Medien13
Printmedien -
Die Publikationstätigkeit der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur wird fortgesetzt.
- Die Schriftenreihen - Schriftenreihe der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur - Schriftenreihe des Ratsarchivs - Görlitzer Magazin - Biographische Blätter werden konzeptionell überarbeitet. Die Beiträge der Publikationen befassen sich mit der Darstellung der Ergebnisse von Forschungen zu Geschichte und Kultur der Stadt Görlitz und des gesamten Kulturraums diesseits und jenseits der Neiße. -
Die Biographischen Blätter werden, sobald eine ausreichende Anzahl derselben vorliegt, zu einem Band mit Biographien von Görlitzer Persönlichkeiten zusammengefasst.
-
Die Stadt hat ein Interesse daran, dass das Neue Lausitzische Magazin der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften regelmäßig erscheint. Das Periodikum umfasst Beiträge aus dem deutschen und dem polnischen Raum.
-
Das Internationale Jacob-Böhme-Institut gibt in Abständen Miszellen heraus, um eine interessierte Öffentlichkeit im In- und Ausland über seine Tätigkeit zu informieren. Für die fernere Zukunft soll die Arbeit an einem Periodikum aufgenommen werden
-
Die Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz umfassen Beiträge aus dem deutschen und dem polnischen Raum.
Fotografie -
Die Tradition der Fotowettbewerbe von Laien, deren Ergebnisse in der Stadtbibliothek veröffentlicht werden, wird als deutsch-polnisches Projekt in unterschiedlicher
Form
fortgesetzt,
um
Prinzipien
künstlerisch
wertvoller
Fotografie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. 13
historischer Überblick siehe Anlage 1, 7. Medien 30
-
Im Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien werden Projekte zur Fotografie durchgeführt, die sich unterschiedlichen Themen widmen. Die Arbeitsergebnisse werden in Ausstellungen präsentiert.
Film -
Die alternativen Formen des Filmangebots werden unterstützt, um die ganze Breite filmkünstlerischen Schaffens vermitteln zu können.
-
Die Stadt beteiligt sich weiterhin an dieser Aufgabe, indem sie jährlich die Filmtage verlängert mit einem anspruchsvollen Programm durchführt.
Rundfunk/Fernsehen -
Lokale Rundfunk- und Fernsehstationen informieren über das Leben und die kulturellen Aktivitäten in Stadt und Region. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zu Identifikation der Bürger mit ihrer Region.
Internet -
Die öffentlichen Einrichtungen, insbesondere die Bibliotheken, nutzen zunehmend die
modernen
Kommunikationsformen
zur
effizienteren
Bewältigung
von
Aufgaben. Damit entsprechen die Institutionen auch den Wünschen der Bürger nach Information und kundenfreundlichen Serviceangeboten. - Das Görlitz-Portal wird umfassend genutzt, um die Außendarstellung der Stadt und
insbesondere ihre Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 zu
vermitteln und für die Stadt zu werben.
31
8. Zielstellungen Soziokultur14
-
Soziokulturelle Einrichtungen sind fester Bestandteil der Kultur in der Stadt und werden entsprechend den Möglichkeiten durch die kommunalen Einrichtungen unterstützt.
-
Die
Stadt
fördert
die
Bildung
wenigstens
eines
deutsch-polnischen
soziokulturellen Zentrums. Diese Einrichtung leistet durch ihre Arbeit besonders mit Jugendlichen einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen der Städte Görlitz und Zgorzelec. -
Die kulturellen Aktivitäten der Studenten in der Stadt sind ein wichtiger Beitrag zur Bereicherung der Kultur. Sie werden bei der Umsetzung ihrer Projekte unterstützt.
-
Die Stadt Görlitz besitzt eine wichtige Brückenfunktion im europäischen Einigungsprozess. Sie versteht sich als Ort der Begegnung und des Zusammentreffens unterschiedlicher Kulturen aus Ost und West. Um diesen Prozess zu befördern, werden Jugendkunsttage zu verschiedenen Kunstformen initiiert. Die Stadt lobt in den verschiedenen Genres Preise aus.
14
historischer Überblick siehe Anlage 1, 8. Soziokultur 32
9. Zielstellungen Veranstaltungen im öffentlichen Raum15
Das einzigartige architektonische Ensemble und die besondere geographische Lage der Europastadt Görlitz/Zgorzelec erfordern verstärkte Anstrengungen besonders unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhangs von Kultur und Tourismus und mit Blick auf die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010. Dabei kommt den Veranstaltungen im öffentlichen Raum besondere Bedeutung zu, da diese sowohl als Faktor der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt als auch als Imagefaktor für die Stadt nach außen wirken.
-
Alle Veranstaltungen im öffentlichen Raum oder solche, die in den öffentlichen Raum wirken, werden so geplant, dass sie einen Rhythmus innerhalb des Jahres ergeben. Dazu wird jeweils eine Jahresvorschau erstellt. Innerhalb dieses Rhythmus soll es Höhepunkte kultureller Veranstaltungen im Jahr geben, die sich über mehrere Tage hintereinander verteilen. Ziel ist es u. a. auch, Touristen zum längeren Verweilen in der Stadt zu bewegen.
-
Für alle Veranstaltungen im öffentlichen Raum gilt die Sicherung eines qualitativ hohen kulturellen und künstlerischen Niveaus.
-
Das Muschelminnafest wird weiter zu einem Frühlingsfest mit deutlichem Bezug auf das Gründerzeitviertel profiliert.
-
Die Görlitzer Jazztage werden ihr Angebotsspektrum erweitern und sich vielen Spielarten dieser Musik öffnen. Der Spielort wird so gewählt, dass es auch möglich ist, Veranstaltungen im Raum durchführen zu können. Die Jazztage sind eine deutsch-polnische Veranstaltung und finden in beiden Städten statt mit Künstlern aus beiden Ländern.
-
Das Boulefest wird künftig als trinationale Veranstaltung – Frankreich, Deutschland, Polen - durchgeführt und profiliert sich weiter.
-
Das
Fest,
„Wir,
die
Neißekinder“,
wird
als
deutsch-polnische
Gemeinschaftsveranstaltung für Kinder fest etabliert. Das Waschtrogpaddeln soll der Höhepunkt dieses Festes sein. -
Fête de la musique– siehe hierzu „ 7. Zielstellungen Musik“.
-
Das Straßentheaterfestival ViaThea ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europastadt Görlitz/Zgorzelec, bei dem auch Hirschberg (Jelenia Gora) mitwirkt. Es ist über
15
historischer Überblick siehe Anlage 1, 9. Veranstaltungen im öffentlichen Raum 33
das Darstellende Spiel hinaus offen für neue Formen von Kunst im öffentlichen Raum und unterstreicht damit seinen Charakter als Kunstfest. Das „ViaThea Kunstfest“ ermöglicht künftig verstärkt den Auftritt freier Gruppen aus Ländern östlich von Deutschland. Damit will das Fest diesen Gruppen eine Bühne auf dem Weg zur Professionalisierung schaffen und ihnen den Weg nach Westeuropa öffnen. Das „ViaThea Kunstfest“ soll mit dem Kunstfest (siehe Zielstellungen Bildende Kunst) gekoppelt werden. -
Der Tippelmarkt ist ein Ort zur Wiederbelebung schlesischen Brauchtums. Er unterscheidet sich dadurch von den Töpfermärkten der Oberlausitz. Mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union wird der polnische Raum Schlesiens mit einbezogen.
-
Am Tag des offenen Denkmals soll nicht nur die Architektur im öffentlichen Interesse stehen, sondern das gesamte Kulturerbe der Region (ähnlich dem französischen Patrimoine) soll in Erinnerung gebracht werden (Architektur, Musik, Theater, Literatur, Sprache etc.). Daran beteiligen sich sowohl Bürger als auch die Kultureinrichtungen der Stadt.
-
Die Museumsnacht soll mit unterschiedlichsten Mitteln auf die Museen der Stadt und deren Sammlungen und Präsentation aufmerksam machen. Ein wesentliches Merkmal ist die gemeinsame Durchführung aller Museen.
-
Das Altstadtfest ist ein Volksfest mit historischer Ausrichtung in den Straßen und auf den Plätzen der Altstadt. Zur weiteren Profilierung sollen die kulturellen Beiträge und die handwerklichen Angebote in der Kernzone der Altstadt eindeutiger dieser Ausrichtung Rechnung tragen. Es werden Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Görlitz und Zgorzelec genutzt.
-
Mit dem Christkindlmarkt wird das Ziel verfolgt, einen historischen, den Traditionen
verpflichteten Weihnachtsmarkt
zu
gestalten.
Die
regionalen
Kulturtraditionen (böhmische, oberlausitzische und schlesische) bestimmen seinen Charakter. Das Marktgeschehen soll sich zukünftig über mehrere Tage erstrecken. -
Die Straßen- und Wohngebietsfeste sind Ausdruck und Beitrag bürgerschaftlichen Engagements und somit ein wichtiges Element der Identifizierung der Bürger mit ihrer Stadt.
-
Für Open-Air-Veranstaltungen wird die Freilichtbühne im Stadtpark (Brückenpark) wieder rekonstruiert und harmonisch eingefügt. So können dort beispielsweise 34
Theatervorstellungen, Konzerte und Veranstaltungen der Gรถrlitzer Jazztage stattfinden.
35
10. Zielstellungen Kunst im öffentlichen Raum1
-
In Görlitz gilt es, die vorhandenen künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Raum zu erhalten und zu pflegen.
-
Neue Möglichkeiten für Kunst im öffentlichen Raum liegen besonders in einer temporären Nutzung dieses Raumes. Das bezieht sich sowohl auf die bildende als auch darstellende Kunst. Durch sie können Erlebnisse als Gegenwelt zur Innenraumwelt
geschaffen
Heimatverbundenheit,
werden.
öffentliches
Darüber
Engagement
lassen und
sich
Umgang
Identität, mit
neuen
künstlerischen Äußerungen und Meinungsbildung entwickeln.
_____________________ 1
historischer Überblick siehe Anlage 1,10 Kunst im öffentlichen Raum 36
11. Zielstellungen Kulturengagement 1
- In Görlitz wird wieder eine Stiftung für Kunst geschaffen, um sowohl bildende Künstler als auch bildende Kunst in der Stadt zu einem beachteten und anerkannten Teil des kulturellen Lebens zu machen.
_______________________ 1
historischer Überblick siehe Anlage 1, 11 Kulturengagement 37
Teil II (Anlagen) 1. – Historischer Überblick zur Kulturgeschichte der Stadt Görlitz 2. – Kulturbedürfnisse und Kulturnutzung
38
Anlage 1 Historischer ร berblick zur Kulturgeschichte der Stadt Gรถrlitz
39
1. Sammlungen und Wissenschaft
Geschichte und Gegenwart
Ratsarchiv Die älteste kommunale Görlitzer Sammlung mit kulturhistorischem Wert wurzelt im Kanzlei- und Archivwesen. Ihre Anfänge liegen an der Wende zum 14. Jahrhundert, als erstmals ein Rats- und Schöppenkollegium sowie ein Bürgermeister urkundliche Erwähnung (1298) fanden. Mit dem Anwachsen schriftlich festgehaltener Rechtsakte – und der Schriftlichkeit überhaupt – wuchs auch die Bedeutung des Archivs. Es erreichte im 16. Jahrhundert ein hohes Niveau. Eine neue Blüte erlebte es dann wieder im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Verloren gingen dem Archiv Schriftstücke in der Zeit des Pönfalles (1547), während des Dreißigjährigen Krieges und im letzten Weltkrieg durch Auslagerung. Von 1961 bis 1966 gab Polen den größten Teil der ausgelagerten Archivbestände zurück.
Das Ratsarchiv umfasst 1.200 laufende Meter Akten und Stadtbücher sowie Urkunden, Karten, Pläne, Risse, Fotos und Sondersammlungen. Es übernimmt das Registraturgut vorrangig von der Stadtverwaltung. Als historisches Endarchiv erhält es das zur dauernden Aufbewahrung bestimmte Schriftgut aus dem Zwischen- bzw. Verwaltungsarchiv.
Aufgenommen
wird
daneben
auch
das
Archivgut
von
eingemeindeten Orten, kommunalen Betrieben, Gütern, den Innungen (bis 1945), von nach 1945 verstaatlichten oder aufgelösten Betrieben, Vereinen, Stiftungen und sonstigen Institutionen. Hinzu kommen Nachlässe von Persönlichkeiten, denen örtliche Bedeutung zukommt. Das Archiv gilt als „Gedächtnis der Stadt“.
Da das Ratsarchiv vor größeren Verlusten weitgehend verschont blieb, zählt es zu den wertvollsten in Sachsen. Es ist nicht nur für Fachwissenschaftler von großer Bedeutung, sondern auch für Körperschaften, Heimatforscher und private Personen. In seinen Räumen gestaltet es informative Ausstellungen mit Teilen aus den Beständen.
40
In der Vergangenheit wurden immer wieder hervorragende eigene wissenschaftliche Beiträge durch Mitarbeiter des Ratsarchivs geleistet. Diese Aufgabe wurde zunächst nach Zuordnung des Archivs Mitte der 90er Jahre in das Kulturamt nicht wieder ermöglicht. Die Tätigkeit wurde auf die Bereitstellung der Bestände für den Benutzer reduziert. Seit Ende 2001 ist die wissenschaftliche Tätigkeit wieder fester Bestandteil der Arbeitsaufgaben im Archiv.
Milichsche Sammlung Bereits
1727
kam
Görlitz
in
den
Besitz einer
einzigartigen
bürgerlichen
Gelehrtensammlung. Der Schweidnitzer Rechtsgelehrte Johann Gottlieb Milich überließ testamentarisch der Stadt ca. 4.000 Bücher vor allem philologischen, juristischen, historischen und theologischen Inhalts. Diese Büchersammlung wurde ergänzt durch dingliche historische Zeugnisse und kunsthandwerklich wertvolle Objekte. Die Milichsche Sammlung wurde zunächst im Rathaus, später in der sogenannten Börse am Untermarkt untergebracht und, dem Willen des Stifters entsprechend, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie war damit die erste öffentliche Kultureinrichtung in Görlitz. Obgleich ausdrücklich dem Gymnasium Augustum zugeeignet, erhielt sie doch erst ab 1857 dort ihren Standort.
Angereichert durch zahlreiche Schenkungen und Legate und ergänzt durch die noch vorhandenen Teile der Bibliothek des Franziskanerklosters war die Bibliothek zu einem umfangreichen und wertvollen Bücherschatz angewachsen. Da sie jedoch in den späteren Jahren nicht planvoll erweitert wurde, verlor sie bald gegenüber der Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften an Bedeutung. Die der Büchersammlung zugeordneten Objekte kamen teils in die musealen Sammlungen der Stadt, teils sind sie verschollen. Während des Zweiten Weltkrieges wurden auch wertvolle Bestände der Milichschen Bibliothek aus Görlitz ausgelagert und gelangten nicht zurück. Die verbliebenen Reste sind heute Bestandteil der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften (OLB).
Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW) Die institutionalisierte wissenschaftliche Arbeit begann in Görlitz mit der Gründung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (OLGdW). Sie verdankt ihre Entstehung 1779 dem Historiker, Juristen und „Baumeister“ einer deutschen 41
Slawistik, Karl Gottlob von Anton, und dem Naturforscher und Ökonomen, Adolf Traugott von Gersdorf. Beide brachten nicht nur die wissenschaftliche Arbeit weit voran, sondern übergaben der Gesellschaft testamentarisch reiche wissenschaftliche Sammlungen bzw. ihre Bibliotheken sowie eine materielle Grundausstattung. Die Sammlungen fanden im Barockhaus Neißstraße 30 dauerhaft ihren Platz. Karl Gottlob von Anton hatte das Haus 1803 gekauft und später an die OLGdW vermietet und dann übereignet. Ihr diente es bis 1945 als Heimstatt und verkörpert deshalb in besonderer Weise die langen Görlitzer Wissenschaftstraditionen.
Die OLGdW gehört zu den ältesten Wissenschaftsgesellschaften Deutschlands. In ihrer Frühzeit entwickelte sie sich zu einem Ort spätaufklärerischen Denkens und galt als Mittelpunkt eines regen nationalen und internationalen Austauschs, an dem bedeutende Persönlichkeiten teilnahmen. Im 19. Jahrhundert wurde sie zu einem weithin anerkannten Zentrum Oberlausitzer Forschung. Während der DDR-Zeit war ihr eine Tätigkeit versagt. Erst mit dem gesellschaftlichen Umbruch konnte sie 1990 wieder gegründet werden.
Die OLGdW sieht ihre wichtigsten Aufgaben gegenwärtig in der Anregung und Förderung sowie eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit zu den verschiedenen Lebensbereichen in der Region. Der größere Teil der Tätigkeit der OLGdW bezieht sich auf Forschungen zur älteren Geschichte. Die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte wird in diesem Umfang zur Zeit nicht betrieben.
Die Gesellschaft gibt wieder das Neue Lausitzische Magazin und andere Publikationen heraus. Darin widmet sie sich den verschiedensten Themen zur Geschichte und Kultur der Oberlausitz.
Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) Infolge
der
Auflösung
der
OLGdW
nach
Kriegsende
gelangte
auch
die
Büchersammlung der Gesellschaft in den Besitz der Stadt. Gemeinsam mit der Milichschen
und
der
Schachmannschen
Bibliothek
wurde
sie
1951
als
Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einen wichtigen Sonderbestand stellen zudem Nachlässe dar, die der OLB
42
übereignet wurden. Wie dem Museum gingen auch der OLB Bestände durch den Krieg verloren, deren Verbleib nur zum Teil gesichert ist.
Als öffentlich zugängliche wissenschaftliche Bibliothek verfügt sie gegenwärtig über ca. 135.000 Bände. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Sachgebiete Regionalkunde der Oberlausitz und Niederschlesiens und angrenzender Territorien, Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Wissenschaftsgeschichte. Die OLB gehört zu den bedeutenden historischen Bibliotheken in Deutschland. Sie ist die wichtigste Bibliothek zur Geschichte und Landeskunde zwischen Dresden und Breslau (Wroclaw). Ihr hoher Stellenwert ergibt sich auch aus dem sehr wertvollen Altbestand.
Dieses
gilt
nicht
nur
für
Materialien
zu
Sachsen,
Böhmen,
Gesamtschlesien und Preußen in den bis 1937 gültigen Grenzen, sondern insbesondere
für
die
fünf
Jahrhunderte
umfassende
Literatur
zu
den
unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen. Viele Bücher der OLB sind nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern auch infolge ihrer buchkünstlerischen Gestaltung als Zeugen deutscher und europäischer Buchgeschichte von Bedeutung. Deshalb versteht sich die Bibliothek auch als Buchmuseum.
Die OLB ist Sammlungs- und Informationszentrum für Medien der östlichen Oberlausitz und der angrenzenden niederschlesischen Gebiete. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zu regional- und landesgeschichtlichen Forschungsarbeiten.
Infolge der sprunghaft gewachsenen Anforderungen ist die Kapazitätsgrenze der OLB überschritten. Das betrifft sowohl den Magazinierungs- als auch den Öffentlichkeitsbereich.
Kulturhistorisches Museum Mit dem Städtischen Kunst- und Altertumsmuseum entstand 1873 eine weitere bedeutende Sammlung in der Neißestadt. In drei Räumen wurden zunächst Waffen und Rüstungen aus der städtischen Rüstkammer sowie Zunftaltertümer ausgestellt. Hinzu kamen einzelne Kunst- und Kunstgewerbegegenstände sowie ur- und frühgeschichtliche Objekte insbesondere aus der Oberlausitz. In den ersten Jahrzehnten fand keine systematische Erweiterung der Sammlung statt.
43
Das Museum genügte an der Schwelle zum 20. Jahrhundert den Anforderungen nicht mehr. Deshalb entstanden durch den Bau der Oberlausitzer Gedenkhalle mit dem Kaiser-Friedrich-Museum moderne Ausstellungsräume. Der Museumsneubau wie auch ein Großteil der Sammlungen wurden durch private Stiftungen von Bürgern aus der gesamten Oberlausitz möglich. Den Grundstock für die Ausstellungen bildeten die Sammlungen des Kunst- und Altertumsmuseums sowie der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Es begann der planmäßige Aufbau eines Provinzialmuseums für die Oberlausitz, Niederschlesien und Nordböhmen. Im Museum entstanden die Abteilungen Gemäldegalerie, deren Schwerpunkt auf Kunst ab dem 19. Jahrhundert aus der Stadt und der Region lag, grafische Sammlung mit Werken ab dem 15. Jahrhundert, Ur- und Frühgeschichte der
Oberlausitz
bzw.
Niederschlesiens,
Kulturgeschichte
der
Region,
Kunsthandwerk, Münzen, Siegel und Schmuck, eine heimatkundliche Abteilung und der Jacob-Böhme-Raum. Die Mitarbeiter des Kaiser-Friedrich-Museums arbeiteten eng mit dem 1855 gegründeten Oberlausitzer Kunstverein und der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz zusammen. Der Kunstverein nahm maßgeblich Einfluss auf das Profil der Gemäldesammlung. Er unterstützte bzw. übernahm
den
durchgeführter
Ankauf
von Werken
planmäßiger
Bildender Kunst.
Ausgrabungen
wurde
eine
Im
Zuge große
nunmehr ur-
und
frühgeschichtliche Sammlung angelegt.
Bald stieß die Sammlungserweiterung an räumliche Grenzen. Deshalb beschloss die Stadt den Umbau des Kaisertrutzes zu einem Museum, in dem die ur- und frühgeschichtliche sowie die stadtgeschichtliche Sammlung präsentiert wurden. Im Zuge der Umstrukturierung wurde auch die grafische Sammlung im Barockhaus Neißstraße 30 untergebracht. Sie ging aus der Zusammenlegung der grafischen Bestände der OLGdW, des Kaiser-Friedrich Museums und der Milichschen Sammlung
hervor.
1936
erhielt
das
Museum
den
Namen
Städtische
Kunstsammlungen.
In
Erwartung
von
Luftangriffen
begann
1943
die
Auslagerung
von
Museumsbeständen. Teile davon wurden in östlich der Neiße gelegenen Herrenhäusern untergebracht und gingen verloren. Nichtsdestoweniger sind die
44
vorhandenen Bestände insgesamt bedeutend und repräsentieren in einigen Bereichen auch nationalen und internationalen Rang.
Bereits 1947 konnte der Kaisertrutz wieder eröffnet werden. In ihm wurden eine stadtgeschichtliche Sammlung mit ur- und frühgeschichtlichen Zeugnissen und die Gemäldegalerie untergebracht. 1950 gingen dann das Barockhaus und die darin befindlichen Sammlungen der OLGdW in städtisches Eigentum über. Weitere Ausstellungen wurden diesem Gebäude zugeordnet. Überdies finden dort auch Veranstaltungen wie Konzerte, Vorträge etc. statt. In die museale Nutzung wurde 1953 auch der Reichenbacher Turm einbezogen, der zudem als Aussichtsturm dient. Das Schwergewicht der Einrichtung lag nun – trotz des Namens – nicht mehr auf den Kunstsammlungen, sondern auf den kulturgeschichtlichen und kunsthandwerklichen Beständen.
Die gegenwärtig vorhandenen Ausstellungen wurden zum großen Teil im Zeitraum 1949 bis 1990 konzipiert. Da während der DDR-Zeit nicht nur der Begriff Schlesien, sondern auch Geschichte und Kultur dieses Gebietes tabuisiert waren und letzteres auch für den Kulturraum Nordböhmen galt, war der Bewegungsraum für wissenschaftliches Arbeiten wie für Sammeln und öffentliche Präsentation stark eingeschränkt. Hinzu kamen die hohen Kriegsverluste an Sammlungsgut. Seit dem gesellschaftlichen
Umbruch
wurde
versucht,
vorhandene
Defizite
durch
Überarbeitungen zu mildern. Eine grundlegende Veränderung ist konzipiert. Parallel zu den Dauerausstellungen führt das Museum in regelmäßigen Abständen Sonderausstellungen
durch,
die
Themen
der
Stadt
oder
bestimmten
Sammlungsbereichen in thematischer Zusammenstellung gewidmet sind.
Dem
Museum
fehlt
bislang
eine
durchgängige
einheitliche
und
moderne
Inventarisierung der Bestände. Auch Teile der Kriegsverluste sind noch nicht vollständig erfasst. Die in den Ausstellungen präsentierten Exponate sind – trotz fehlender Klimatisierung der Räume – in überwiegend gutem Zustand. Die magazinierten Objekte weisen hingegen infolge unsachgemäßer Lagerung häufig Schäden
und
Verschmutzungen
auf.
Demzufolge
besteht
erheblicher
Restaurierungsbedarf. Die Situation wird auch dadurch hervorgerufen, dass die Depots allesamt als solche nicht geeignet sind und die Magazinierung der Objekte in 45
keiner Weise den konservatorischen Anforderungen genügt. Überdies sind die Arbeitsräume über beide Häuser verteilt und eher Notbehelfe, die dem zu leistenden Aufgabenspektrum nicht genügen.
Städtische Sammlungen für Geschichte und Kultur Durch die Zusammenführung der drei Sachgebiete Kulturhistorisches Museum, OLB und Ratsarchiv entstanden nach 1998 die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur. Durch die Fusion sollte die Aufgabenerfüllung auf die originären Funktionen der Einrichtungen zurückgeführt und somit Doppelungen vermieden werden. Zugunsten einer Konzentration von Aufgaben und Mitteln wurden beispielsweise Buchbestände des Ratsarchivs in die OLB überführt. Im Zuge dieser Veränderungen wurde auch die kulturgeschichtlich wertvolle Fotosammlung des Museums mit der Fotosammlung des Archivs vereinigt. Gleiches gilt für die Ansichtspostkartensammlung. Die Umprofilierung folgte einer Idee aus dem Jahre 1968.
Die Städtischen Sammlungen arbeiten eng mit ihrem Förderverein Freunde der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz e. V. zusammen, der sich seiner Satzung gemäß die Unterstützung des Anliegens der Sammlungen zum Ziel gesetzt hat. Dazu gehören vor allem, Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Görlitz, der Oberlausitz und Niederschlesiens beiderseits der Neiße zu befördern, die besondere kulturelle Bedeutung des Gebiets öffentlichkeitswirksam auf geeigneten Foren herauszustellen sowie das entsprechende Kulturerbe zu pflegen.
Die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur zählen zu den besten kommunalen Sammlungen Sachsens. Sie sammeln, erschließen, bewahren und erforschen Kulturgut, das sich vor allem auf die Stadt Görlitz, die östliche Oberlausitz und
die
angrenzenden
Gebiete
Niederschlesiens
bezieht.
Hinzu
kommen
Sondersammlungen, die weit über den genannten territorialen Rahmen hinausgehen. Die Gesamtsituation der Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur ist inhaltlich und von den Rahmenbedingungen her neu zu durchdenken, um zukünftigen Aufgaben einer Institution der Europastadt gerecht zu werden. Die derzeitigen Möglichkeiten solch einer Einrichtung beschränken sich eher auf 46
Hilfskonstruktionen, die zwar angenommen werden, aber für künftig zu realisierende Aufgaben nicht ausreichen.
Naturforschende
Gesellschaft
zu
Görlitz
und
Staatliches
Museum
für
Naturkunde Görlitz Das heutige Staatliche Museum für Naturkunde geht auf die 1811 gegründete Ornithologische
Gesellschaft
zurück.
Sie
befasste
sich
anfangs
mit
der
Stubenvogelzucht und -haltung. Erst im Laufe der Zeit, besonders nach 1816, erweitete sich das Blickfeld dieser Gesellschaft. Man begann, eine Sammlung von Vögeln aufzubauen, die weit mehr umfasste als nur Stubenvögel. In den folgenden Jahren wuchs sie auf 400 Exemplare an und enthielt verschiedene Arten von Landund
Wasservögeln.
Als
fruchtbar
für
die
Gesellschaft
erwies
sich
die
Kontaktaufnahme zur Herrnhuter Brüdergemeine. So gelangten Vögel aus anderen Regionen über die Missionare der Gemeinschaft in den Sammlungsbestand. Seit 1823 nannte sich die Gesellschaft „Naturforschende Gesellschaft zu Görlitz“. Hinter dieser Umbenennung stand die Absicht, dem Naturfreund die ganze Natur anschaulich zu machen. Als Aufgaben wurden die Tierkunde, Pflanzenkunde und Gesteinskunde benannt. Den zum Teil schon vorhandenen Sammlungsstücken wurden nun planmäßig weitere hinzugefügt. Die Arbeit der Gesellschaft entwickelte sich seit der Neuorientierung nachhaltig. 1827 konnte in den erstmals erscheinenden „Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz“ ein Verzeichnis der Sammlungen
veröffentlicht
(Kunstgegenstände,
werden.
Zeichnungen,
Darunter
befanden
sich
Gebrauchsgegenstände,
auch
Objekte
technische
Gegenstände), die später an das Kaiser-Friedrich-Museum abgegeben wurden.
Der Umfang dessen, was bisher gesammelt wurde, überstieg inzwischen deutlich die Möglichkeiten der Unterbringung. 1860 konnte für die Ausstellung der Sammlungen ein Museumsneubau, der noch heute das Hauptgebäude ist, eingeweiht werden. Die Sammlungen konnten jetzt nicht nur entsprechend aufgestellt werden, sondern wurden durch Ankäufe und bedeutende Geschenke erweitert. In diese Zeit fällt die Intensivierung der wissenschaftlichen Arbeit mit den Sammlungen. Der Gesellschaft gehörten inzwischen bedeutende Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Lebens in Deutschland an. Die Vielfältigkeit der Tätigkeit, in die beispielsweise auch Medizin 47
und Landwirtschaft eingeschlossen waren, führte zur Bildung von Sektionen. Zur Jahrhundertwende wurde eine Erweiterung des Hauptgebäudes erforderlich. Kriegsauswirkungen und Inflationszeit brachten dem Museum nicht nur Stillstand durch geringe Vermehrung der Sammlungen, sondern auch Verluste durch erzwungene Verkäufe von Sammlungsteilen. Das Profil der Sammeltätigkeit wurde seit dieser Zeit stärker heimatkundlich ausgerichtet. Trotz wachsender Probleme in der nationalsozialistischen Zeit gelangen auch Verbesserungen für die Arbeit und für die öffentliche Wirksamkeit, zu denen 1934 der Ankauf des Humboldthauses gehörte. Die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen brachten die Arbeit 1942 zum Erliegen. Nach dem Krieg wurde die Gesellschaft aufgelöst. Nur mit Mühe und persönlichem Einsatz gelang es einem eingesetzten Kuratorium, das bisher Geschaffene vor der Zerstörung zu bewahren. 1949 wurde das gesamte Eigentum der Gesellschaft dem Rat der Stadt unterstellt. Seit diesem Jahr konnte das Museum wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die über Jahrzehnte geleistete wissenschaftliche Arbeit fand in der 1953 getroffenen Entscheidung, das Museum als zentral unterstelltes Forschungsmuseum zu führen, Anerkennung. Die noch heute gültige Ausrichtung der Forschung erfolgte 1959 mit der Orientierung auf bodenbewohnende Organismusgruppen, ohne Traditionelles (Floristik, Wirbeltiersammlung, entomologische Sammlung, Mollusken) aufzugeben. Erweiterungen und Rekonstruktionen sowie moderne Ausstattungen schufen die entsprechenden
Grundlagen,
um
im
Rahmen
dieser
Neuorientierung
mit
universitären Einrichtungen und Instituten zusammen zu arbeiten. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch übernahm der Freistaat Sachsen die Trägerschaft über das Staatliche Museum für Naturkunde Görlitz. Damit wurde es Sächsisches Landesmuseum. Das heutige Profil leitet sich aus der Arbeit der Gesellschaft bis 1945 und der Schwerpunktsetzung seit 1953 bzw. 1959 ab. Das Museum befasst sich gegenwärtig mit der Zoologie, der Bodenzoologie, der Entomologie, der Botanik, der Paläontologie und der Geologie, ist beteiligt an der Hochschulausbildung, an der naturwissenschaftlichen und Naturschutzbildung, an der fachlichen Betreuung zum Naturschutz für andere Institutionen und an der Bildung in Schulen im Kontext des Unterrichts. Zu den einzelnen Forschungsgebieten hat es zum Teil umfangreiche Sammlungen. Für die Erfüllung seiner Aufgaben wurden nicht nur vorhandene Gebäude saniert, sondern auch neue hinzugewonnen. Neben den schon genannten, 48
das Gebäude des Museums am Marienplatz und das Humboldthaus, gehören das Reinhard-Peck-Haus im Innenhof des Humboldthauses, das Wolfram-Dunger-Haus am Grünen Graben/Sonnenstraße und das Bibliotheksgebäude Am Museum 2 hinzu.
1992 wurde die Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e. V. wiedergegründet. Ihr Hauptbetätigungsfeld ist der Naturraum der Oberlausitz. Dabei wendet sie sich insbesondere Aufgaben zu, die nicht unmittelbar zum Arbeitsbereich des Museums gehören.
Eine
wichtige
Aufgabe
besteht
in
der
Zusammenführung
von
Fachwissenschaftlern und Hobbyforschern im Hinblick auf den Naturschutz in der Oberlausitz, in der Sorge, dass Planungsbehörden bei landesverändernden Maßnahmen naturwissenschaftliche und medizinische Aspekte berücksichtigen, in der Verbindung von Fachleuten und Behörden im grenzüberschreitenden Raum. Arbeitsergebnisse
werden
in
einer
eigenen
Publikation
veröffentlicht.
Veranstaltungen und die Schaffung eines Naturlehrpfades sind weitere in die Öffentlichkeit wirkende Aktivitäten neben der Publikation. Die Gesellschaft leistet auch einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in unserer Region durch korrespondierende Mitglieder in Polen und Tschechien. Die zum „Staatlichen Museum für Naturkunde Görlitz“ gehörende Bibliothek ist das Ergebnis eines Wunsches der Gesellschaft aus dem Jahre 1823, als sie ihr Aufgabenspektrum von der Ornithologie zu einer Gesamtschau der Natur erweiterte. Am Anfang stand ein Band aus dem Jahre 1750, der 1823 in den Besitz der Gesellschaft gelangte. Bis zum Jahre 1827 vermehrte sich die Büchersammlung ohne den Anspruch auf eine Bibliothek erheben zu können. Das geschah erst 1830 mit der Ernennung eines Bibliothekars, der 434 Bücher zu ordnen und zu betreuen hatte. Die Gründung steht im Zusammenhang mit dem ersten Band der „Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz“ 1827. In ihm wird ein Statut mit der Forderung zur Schaffung einer Bibliothek veröffentlicht. Die Edition des Bandes stand in engem Zusammenhang mit der Absicht, insbesondere über den Schriftentausch eine Bibliothek aufzubauen. Bis in die Gegenwart ist dieser Schriftentausch wichtiger Bestandteil der Bibliotheksarbeit. Die Zeitschriften machen den weitaus größten Bestandteil des Gesamtbestandes aus. Sowohl sie als auch der Monographiebestand und Karten umfassen den Zeitraum vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Ca. 110.000 Bestandseinheiten und ca. 21.500 Sonderdrucke enthält 49
die Bibliothek. Zum Bestand gehören auch Sondersammlungen, die ihrer Bedeutung wegen separat aufgestellt wurden. Unter ihnen befinden sich die Niederschriften der Gesellschaft.
Mit der Festlegung des Forschungsprofils und der Einrichtung der Forschungsstelle entwickelte sich die Bibliothek zu einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek mit Präsenzcharakter.
In
den
Jahren
1993
–
1996
wurde
eine
Natur-
und
Umweltbibliothek hinzugefügt. Eine öffentliche Zugänglichkeit für Interessierte gibt es seit 1882. Mit der Eröffnung des Museums der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz wurde die Bibliothek in Museumsräumen untergebracht, die mehrfach erweitert werden mussten.
Durch
Auslagerungen
wurden
weitere
Aufstellungsschwierigkeiten
behoben. Das schon durch Auslagerungen genutzte Gebäude Am Museum 2 wurde 1994/95 zu einer Bibliothek umgebaut, in der nach modernen Gesichtspunkten der Magazin- und Lesesaalbestand geschlossen aufgestellt wurde.
Schlesisches Museum zu Görlitz Als alte Hauptstadt der schlesischen Oberlausitz ist Görlitz prädestiniert für eines der jüngsten
Museumsprojekte
Sachsens.
Zur
Vorgeschichte
des
Schlesischen
Museums gehören die Verpflichtungen, welche die Bundesrepublik seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Pflege des Kulturerbes der Vertriebenen übernahm, die in Folge der Ereignisse des letzten Weltkrieges aus den früheren ostdeutschen Gebieten
flüchten
mussten.
1996
wurde
als Trägerinstitution
die
Stiftung
Schlesisches Museum zu Görlitz gegründet. Stiftungszweck sind der Aufbau und der Betrieb eines Museums, das sich zur zentralen Einrichtung für die Erforschung der Kulturgeschichte Schlesiens und die Sammlung und Präsentation dinglichen Kulturgutes entwickeln soll. Anliegen ist es, Vergangenheit und Gegenwart der Kulturregion Schlesien bekannt zu machen und einen Beitrag zur Verständigung zwischen Deutschland, Polen und Tschechien zu leisten. Stifter sind die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Sachsen, die Stadt Görlitz und die Landsmannschaft Schlesien.
Freistaat und Bund gewähren der Stiftung paritätisch eine institutionelle Förderung. Die Stadt Görlitz übergab der Stiftung für 30 Jahre den Nießbrauch über den 50
Schönhof. Mit ihm und dem benachbarten „Goldenen Baum“ (Untermarkt 4) verfügt das Schlesische Museum über Gebäude mit großer kulturgeschichtlicher Bedeutung.
Ab 1998 baute die Stiftung einen arbeitsfähigen Mitarbeiterstab auf. Ihre wichtigsten Arbeitsschwerpunkte sind zunächst die bauliche Sanierung und Restaurierung der beiden Gebäude. Da das Museum bislang über keinen ausreichenden Bestand verfügt, um dauerhaft Ausstellungen zu schlesischen Themen bestücken zu können, begann der Aufbau einer eigenen Sammlung. Dabei konnten erste Erfolge verzeichnet werden. Bereits seit 1995 – und somit lange vor der eigentlichen Eröffnung – machte das Museum mit Sonderausstellungen zu entsprechenden Themen auf sich aufmerksam. Für die Ausstellungen stehen Räumlichkeiten in einem auch während der Bauarbeiten zugänglichen Teil des Schönhofs zur Verfügung.
Um die Jahreswende 2001/2002 fand eine Teileröffnung des Museums statt. Nach Abschluss der Bauarbeiten sollen ab 2005 im Schönhof, dem künftigen Hauptgebäude des Museums, schlesische Kunst und Kultur, d. h. vor allem Malerei und Plastik, Goldschmiedearbeiten und Keramik, Werkzeuge und Gegenstände des alltäglichen Lebens zu sehen sein. Den Besuchern werden schlesische Geschichte und Kultur dabei als Bestandteil der deutschen Nationalgeschichte und Nationalkultur nahe gebracht.
Neben dem musealen Betrieb soll das Museum auch die Aufgaben eines Informations- und Dokumentationszentrums übernehmen. Dies beinhaltet – über den eigenen
Bestand
hinausgehend
–
die
umfassende
Dokumentation
und
wissenschaftliche Erforschung schlesischen Kulturguts. Dabei arbeitet es auch eng mit Einrichtungen im polnischen Schlesien zusammen.
Vor dem Hintergrund der dringend nötigen Profilierung der Städtischen Sammlungen wird die Neuansiedlung des Schlesischen Museums zu Görlitz als große Chance zur völligen Neustrukturierung der Görlitzer Museumslandschaft begriffen. Deshalb gaben Bürgermeisterkonferenz und Kulturausschuss des Stadtrates im Jahr 2000 konzeptionelle Überlegungen zu einer engeren Kooperation und einer möglichen Fusion von Städtischen Sammlungen und Schlesischem Museum in Auftrag. 51
Inzwischen ist mit Stadtratsbeschluss festgelegt worden, dass die Verbindung beider Einrichtungen in Stufen vorgenommen werden soll. Ein erarbeiteter Stufenplan beinhaltet, von der Kooperation über eine Verwaltungsgemeinschaft zur Fusion zu gelangen. Als Ziel der endgültigen Verbindung ist das Jahr 2010 vorgesehen.
Vereine, Initiativen und Körperschaften Wie in der Görlitzer Geschichte fortwährend geschehen, beruht auch die Entstehung jüngerer kulturhistorischer Sammlungen und Aktivitäten auf bürgerschaftlichem Engagement von einzelnen Personen und von Gruppen. Dies gilt beispielsweise für den Zirkel Görlitzer Heimatforscher. Er gründete sich bereits 1955 und setzt seine Arbeit seit 1990 als eingeschriebener Verein fort. In den ersten
anderthalb
Jahrzehnten
standen
archäologische
Arbeiten,
die
Kellerforschung, Arbeiten auf dem Nikolaifriedhof sowie die Erforschung von Görlitzer Brunnen im Vordergrund. Den verwahrlosten Nikolaiturm übernahm der Zirkel 1971. Er begann mit Instandsetzungsarbeiten. Die erste öffentliche Führung im Turm, in dem auch die eigene Sammlung gezeigt wird, die aus Belegstücken der Alltagskultur besteht, konnte 1980 stattfinden. Der Zuspruch zu dieser Ausstellung nahm vor allem in den letzten Jahren deutlich zu. Der Turm steht Besuchern allerdings nur an einzelnen ausgewählten Tagen offen. Seit 1997 ist der Verein Mitglied im Aktionskreis für Görlitz e.V. Als ihre Schwerpunktaufgaben sehen die Mitglieder nach wie vor die Heimatgeschichtsforschung, die Pflege und Instandhaltung des Nikolaiturms und die Präsentation der Sammlung des Zirkels. Das Spielzeugmuseum in der Rothenburger Straße entwickelte sich seit 1993. Nachdem sich 1998 der „Verein für das Spielzeugmuseum Görlitz e. V.“ gegründet hatte, wurden erste vielbeachtete Ausstellungen durchgeführt. Im Sommer 2000 öffnete das Museum mit festen Öffnungszeiten. Es zeigt auf 100 Quadratmetern Spielzeug- und Volkskunstgeschichte des Erzgebirges. Sammlungsschwerpunkte sind Bewegungsspielzeug, Volkskunst in Zündholzschachteln, Miniaturfahrzeuge sowie
Baukästen,
Ausstellungen
Eisenbahn
zudem
ihre
und
Feuerwehr.
Kinder
können
Spielzeugsammlungen
in
präsentieren.
eigenen Das
Spielzeugmuseum wird gern von Kindergärten, Hortgruppen sowie Schulklassen besucht. Es werden Sonderausstellungen, Führungen, Bastelnachmittage und Puppenspiel angeboten. In Vorbereitung ist ein Museumsführer.
52
Die Gesellschaft für das Museum der Fotografie e. V. stellte in Zusammenarbeit mit einem Berliner Privatsammler in der Löbauer Straße 7 aus. Am historischen Ort – in dem Haus wurden einst fotografische Apparate hergestellt – werden wichtige Etappen und Raritäten der Kamerafertigung gezeigt. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Fotografie und der Fotoindustrie in Görlitz zu erforschen und unter kulturhistorischen Gesichtspunkten aufzuarbeiten. Die Ausstellung wurde inzwischen wieder abgebaut. Der Verein führt allerdings seine Tätigkeit, unter anderem mit Fotoausstellungen, weiter. Der
Denkmalpflege
haben
sich
einige
Vereinigungen
wie
die
Interessengemeinschaft Denkmalpflege Görlitz e. V., der Förderverein zur Denkmalpflege für das „Heilige Grab“ in Görlitz e. V., die Arbeitsgruppe zur Pflege des Nikolaikirchhofs und der Förderverein zur Erhaltung des Flügelaltars „Goldene Maria“ e. V. verschrieben. Ihr Anliegen reicht von der Erhaltung ganzer baulicher Ensemble, von einzelnen herausragenden schützenswerten Stücken, die für das kulturelle Erbe der Stadt bedeutsam sind, der Bewahrung von Zeugnissen der Alltagskultur bis hin zur stadtübergreifenden Denkmalschutzarbeit, die auch Jugendliche ansprechen will.
Im heutigen Zgorzelec wurde 1898 eine Maschinenbauschule gegründet, deren Nachfolger seit 1951 die Fachschule für Fahrzeugbau, später Fachschule für Maschinenbau war. Seit 1969 wurde sie um die Bereiche für Elektronik und Informationsverarbeitung erweitert. Seit 1957 gab es die
Fachschule für
Binnenhandel, die bis zum gesellschaftlichen Umbruch Studenten ausbildete. Im Zuge der Umstrukturierung der sächsischen Bildungslandschaft nach 1990 wurden Teile der zuerst genannten Fachschule in die neu entstehende Hochschule Zittau/Görlitz (FH) integriert. Die neue Einrichtung ist für das Görlitzer Geistesleben von herausragender Bedeutung. Sie zieht für die Region wichtigen akademischen Nachwuchs heran, der häufig seine Praktika in Görlitzer Einrichtungen absolviert und bietet auch Interessenten öffentlich zugängliche Veranstaltungen an. Zudem bringen sich die Akademiker und Studenten auch außerhalb der Hochschule in das geistigkulturelle Leben der Stadt ein. Dies gilt besonders für die Studenten des Studienganges Kultur und Management, die öfter kulturelle Veranstaltungen ausrichten. Das mit der Hochschule kooperierende Institut für kulturelle Infrastruktur
53
Sachsen organisiert häufiger Veranstaltungen zu international orientierten Themen aus Wissenschaft und Kultur.
Eine Gründung des Jahres 2001 ist das Internationale Jacob-Böhme-Institut. Es entstand im Ergebnis der zweijährigen Jacob-Böhme-Ehrung 1999/2000 anlässlich seines 425. Geburtstages und seines 375. Todestages. Das Institut stellte sich
zur
Aufgabe,
Leben
und
Werk
des
Theosophen
zu
erforschen,
Forschungsergebnisse zusammenzuführen und einen wissenschaftlichen Austausch in verschiedenen Formen zu befördern.
54
2. Bildung und Dokumentation
Geschichte und Gegenwart
Erste Görlitzer Bibliotheken Zur reichen Sammlung, die der Schweidnitzer Jurist Johann Gottlieb Milich 1726 dem Görlitzer Gymnasium Augustum testamentarisch vermachte, gehörte auch eine umfangreiche Bibliothek. Sie wurde mit den ansehnlichen Beständen der Gymnasialsowie der Klosterbibliothek vereint. Seit 1950 gehört sie zur OLB (siehe Kapitel Sammlungen und Wissenschaft).
Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) entstand aus der nachgelassenen Bibliothek der 1779 gegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Sie war als Universalbibliothek angelegt und speiste sich aus Ankäufen, Schenkungen, Spenden und Tauschbeziehungen der Gesellschaft. Ihre Nutzer kamen vorwiegend aus deren Reihen. Nach der zwangsweisen Auflösung der Gesellschaft gelangte deren Bibliothek 1950 an die Stadt Görlitz und wurde mit der bereits städtischen Milichschen Bibliothek vereinigt.
Eine weitere wissenschaftliche Bibliothek entwickelte sich mit der Gründung der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz bzw. der Erweiterung der Aufgaben der Ornithologischen Gesellschaft und der damit verbundenen Namensänderung. Allerdings erst nach einem längerem Zeitraum konnte die Büchersammlung den Anspruch einer Bibliothek erheben. Sie ist heute mit einem Bestand von ca. 110.000 in einem eigenen Gebäude untergebracht und ist vorrangig eine Präsenzbibliothek für Wissenschaftler (siehe Kapitel Sammlungen und Wissenschaft).
Auf breitere Bevölkerungsschichten zielte das Wirken der ersten Görlitzer Volksbücherei. Bereits 1874 bildete sich ein Bürgerkomitee, das ihre Gründung vorbereitete. Vier Jahre später konnte die Bibliothek im Waisenhaus in der Annengasse
eröffnet
werden.
Die
privat
geführte
Bücherei
wurde
durch
ehrenamtliche Mitarbeiter betreut. In ihr zählte man 1906 rund 4.700 Bände und 475 Benutzer. 55
Stadtbibliothek Durch die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts deutschlandweit einsetzende Bücherhallenbewegung verstärkte sich auch in Görlitz der Wunsch, eine größere Bibliothek zu errichten, die sich an den Interessen einer breiten Leserschaft orientiert. Erst die Stiftung des Geheimen Kommerzienrates Otto Müller über 120.000 Reichsmark ermöglichte 1907 den Bau der Stadtbücherei. Die Stadt stellte dafür den Bauplatz in der Jochmannstraße zur Verfügung und verpflichtete sich zur Übernahme der laufenden Unterhaltskosten. Mit der Stadtbücherei, der späteren Stadtbibliothek, entstand
eine
der
Bevölkerungskreisen
wichtigsten einen
Einrichtungen
Zugang
zu
in
Görlitz,
Bildungs-,
die
Informations-
breiten und
Unterhaltungsangeboten aus allen Wissensgebieten ermöglichte.
Eröffnet wurde die Bücherei mit 2.400 Bänden. Frühzeitig orientierte sich die Arbeit der Bibliothekare auf die Wünsche der Kinder und Jugendlichen: Bereits 1913 eröffnete Görlitz eine der ersten Kinderbuchabteilungen Deutschlands. Das Notenarchiv der Schlesischen Musikfeste, das die Stadtbücherei 1919 übernahm, wurde zum Grundstock für die Musikabteilung. Im gleichen Jahr schloss sich die Bücherei dem Leihverkehr der deutschen Bibliotheken an. Bis 1932 wuchs der Buchbestand auf 25.000 Medieneinheiten an. Allerdings verursachte die kurz darauf folgende Ausrichtung des Buchbestandes auf den „nationalsozialistischen Geist“ eine Reduzierung um fast die Hälfte. Infolge des Krieges verlor die Bibliothek einen Teil ihres Notenarchivs. Nach dem Krieg wurden die Bestände der Bibliothek erneut einer umfassenden
Revision
unterzogen,
um
Medien
mit
nationalsozialistischem
Gedankengut zu entfernen.
In den 50er Jahren ging aus der Kinderbuchabteilung die Kinderbibliothek in der Jakobstraße und in den 60er Jahren aus der Musikabteilung die Musikbibliothek in der Peterstraße hervor. Parallel dazu begann der Ausbau von Zweigstellen für Kinder und Erwachsene in Görlitzer Stadtteilen. Der nunmehr gewachsenen Selbständigkeit der Leser nachkommend, wurde 1961 der große Lesesaal zur Freihandausleihe umgestaltet. 1964 erfolgte die Umbenennung in „Stadtbibliothek Görlitz“. Zum Aufgabenspektrum
der
Bibliothekare
gehörte
auch
die
sogenannte
„Literaturpropaganda“, die Ausstellungen zur Literatur, Schriftstellerlesungen und literarische bzw. literarisch-musikalische Veranstaltungen beinhaltete. 56
Mit dem gesellschaftlichen Umbruch von 1989/90 musste der Bestand wiederum von ideologischen Überfrachtungen und nicht mehr aktuellen Beständen bereinigt werden. Die Leser- und Ausleihzahlen sanken einschneidend. In den folgenden Jahren allerdings stiegen die Besucher und Entleihungsquoten trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen kontinuierlich. Der Wirkungsgrad der Bibliothek reicht weit über die Grenzen der Stadt hinaus und schließt inzwischen auch Polen mit ein. Die Bibliothek verlor den ausschließlichen Charakter einer Bildungseinrichtung. Neue Medien, Videos, CDs, DVDs und Spiele, fanden ebenfalls Eingang in das Angebot. Die Bibliothek wandelte sich zum Informationszentrum und die Musikbibliothek zur Phonothek.
Eine Reihe von Neuerungen trug zur Rückgewinnung der Attraktivität bei. Neu eingerichtet wurde ein Lektorat, das auf der Grundlage des Nutzerverhaltens und der Nutzerwünsche einen spezifischen Bestand aufbaut. Eingerichtet wurde auch ein Lesecafé, das für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Ihm war kurzfristig die Zeitschriftenabteilung zugeordnet. Im Zuge von Umstrukturierungen wurde das Zweigstellennetz verkleinert bis auf die Kinder- und Jugendbibliothek mit einer neu aufgebauten schulbibliothekarischen Abteilung. Die Kinder- und Schulbibliothek in Königshufen wurde inzwischen wieder geschlossen. Die schulbibliothekarischen Bereiche stellen Literatur für Schüler zur Verfügung, um den Lernprozess zu unterstützen. Sie waren nach dem gesellschaftlichen Umbruch die ersten in Sachsen. In diesem Zusammenhang wurde auch eine schulbibliothekarische Arbeitsstelle eingerichtet, die sich mit Lesestoffen für den Literaturunterricht, die in Klassensätzen bereitgehalten werden, um die Leseförderung kümmert. Die Bestände der Bibliothek werden seit 2001 elektronisch verwaltet. Die Vernetzung der Stadtbibliothek mit anderen Einrichtungen gleichen Inhaltes wird etappenweise verwirklicht. Seit 2001 stehen für weiterreichende Informationen fünf Internetplätze zur Verfügung. Der Fernleihdienst recherchiert seit 1991 in wachsendem Umfang auf elektronischer Basis. Die Tätigkeit der Öffentlichen Bibliothek beschränkt sich nicht auf die Ausleihe von Medien und die Bereitstellung von Informationen, sondern sie ist im umfassenden Sinn eine öffentliche Einrichtung, indem sie einerseits Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten
Themen
anbietet,
andererseits
den
Bürgern,
die
auf
verschiedenen Gebieten kreativ tätig sind, die Bibliotheksräume zur Präsentation 57
ihrer
Arbeiten
anbietet.
So
gesehen
ist
die
Öffentliche
Bibliothek
eine
Kultureinrichtung der Stadt, die wie keine andere fast alle Bevölkerungsgruppen sowohl in der Stadt als auch im Umland erreicht bzw. von ihnen in Anspruch genommen wird.
Volkshochschule Der Görlitzer Magistrat beschloss im Sommer 1918, nach dänischem Vorbild eine Volkshochschule zu gründen. Als Anliegen der Volkshochschule formulierten die Gründer damals, dass in den Zöglingen oder Hörern die geistigen Kräfte zu wecken und zu fördern seien, ihrem Leben ein reicherer Inhalt zu gewähren sei und dass sie durch die Kenntnis der Vergangenheit zum Verständnis der Gegenwart zu führen und auf die Arbeit der Zukunft vorzubereiten seien. Im Vordergrund sollten Geschichte und Sage, Kultur- und Religionsgeschichte, Kenntnis von Land und Leuten, Recht und Gesetz, Handel und Industrie, Handwerk und Landwirtschaft, Kunst und Wissenschaft stehen.
Der Hauptvorlesungssaal der Volkshochschule Görlitz wurde im Gewerbehaus am Demianiplatz angemietet. Die Übungen fanden hingegen meist im Schönhof statt. Das Kursangebot der Volkshochschule stieß bereits kurz nach der Eröffnung auf eine außerordentlich gute Resonanz. Im Jahr 1926 wurden Stadtbücherei und Volkshochschule
organisatorisch
zusammengeführt.
Zur
vorübergehenden
Schließung der Schule kam es dann in der Zeit des Nationalsozialismus.
Bereits im Oktober 1945 wurde die Volkshochschule erneut eröffnet. Im Vordergrund standen nun Abendkurse literarischer, musikalischer, philosophischer, sprachlicher, erzieherischer und politischer Art. Themen waren unter anderem „Die Bodenreform“, „Die Aufgaben der Frau im öffentlichen Leben“ und ein Grundkurs Russisch. 1946 begann auch an der Görlitzer Volkshochschule ein Vorbereitungskurs für Bürger, die perspektivisch ein Studium aufnehmen wollten. Der erste Abiturkurs, der im Verlaufe von vier Jahren zur Reifeprüfung führte, begann 1957. Hinzu kamen Abendklassen zum Erwerb des Abschlusses der 8. Klasse und für Einzelfächer. Immer wieder führte die Volkshochschule in den Folgejahren einzelne berufsbegleitende Kurse und Facharbeiterlehrgänge durch.
58
Von der Straßburg-Passage zog die Volkshochschule 1991 in das Gebäude Langenstraße um, das nun zur Geschäftsstelle wurde. Im Zuge der 1990 einsetzenden Umstrukturierungen hörte die Volkshochschule auf, den sogenannten zweiten Bildungsweg anzubieten. Der Stellenwert der beruflichen Fortbildung sank zugunsten der allgemeinen Weiterbildung. Das Volkskunstzentrum Neißstraße 7, das inzwischen aufgegeben wurde, wechselte zu Beginn des Jahres 1992 in den Verantwortungsbereich der Volkshochschule. Das Gebäude Hainwald 8 übernahm die Volkshochschule 1993. In diesem Gebäude finden Veranstaltungen des Bereichs künstlerisch-handwerkliches Gestalten statt.
Die Volkshochschule, die seit 1997 ein Verein ist, sieht heute ihre Aufgabe darin, Dienstleistungen
des
Weiterbildungsbereichs
anzubieten.
Dazu
gehören
Lehrveranstaltungen, Bildungsberatung, Studienreisen, Sprachlernlager etc. Dabei zeichnet sie sich durch ihre Orientierung auf breite Bevölkerungsschichten und insbesondere auch auf sozial Benachteiligte aus. Dementsprechend werden das Programmangebot und die Preise gestaltet. Die Volkshochschule vermittelt Sachverhalte aus allen Lebensbereichen: Politik, Gesellschaft, Umwelt, Kultur, Gestalten, Gesundheit, Sprachen, Arbeit, Beruf; Verbraucherbildung, Hauswirtschaft, Konfliktbewältigung, Gewaltprävention. Bei einigen Kursen werden Zertifizierungen angeboten.
In zunehmendem Maße ist die Volkshochschule neben einer Anzahl privater Bildungsanbieter in der Stadt eine Institution, die dem Motto „lebenslanges Lernen“ Rechnung trägt. In einem Frühjahrs- und Herbstsemesterplan werden Angebote gemacht, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung der Stadt und des näheren Umlandes
orientieren.
Die
Schwierigkeiten
bei
der
Aufrechterhaltung
der
Bildungseinrichtung bestehen darin, das bei Fehlen eines Gesetzes zugunsten der Volkshochschule wie in anderen Bundesländern, öffentliches Bedürfnis und Förderfähigkeit durch das Land ständig austariert werden müssen. Der Zuspruch gegenüber der Volkshochschule widerspiegelt ein Stück weit die Fluktuation der Bevölkerung,
wenngleich
die
Hörerzahlen
nicht
proportional
zum
Bevölkerungsschwund sinken. Eine
grenzüberschreitende
Zusammenarbeit
besiegelte
1994
ein
Kooperationsvertrag zwischen der Volkshochschule Görlitz und der Polnischen 59
Gesellschaft für Erwachsenenbildung TWP, die ihren Sitz in Zgorzelec hat. Die deutsch-polnischen Sprachlager sind ein wichtiges Ergebnis dieser Kooperation.
Naturschutz-Tierpark Görlitz Der
Heimattierpark
Görlitz
entstand
1957
auf
Anregung
des
damaligen
Gartenbaudirektors Henry Kraft aus dem sogenannten Park der Werktätigen, der 1951
aus
dem
enteigneten
Privatpark
der
Unternehmerfamilie
Raupach
hervorgegangen war. Er wurde zu einem großen Teil mit unentgeltlich tätigen Helfern im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerks” errichtet. Zwischen 1960 und 1985 beschränkte man sich zunächst hauptsächlich auf die Haltung heimischer Tiere, Rehe und Vögel. Der Bestand fremdländischer Arten wurde zunehmend erweitert, entsprach aber nur selten einer artgerechten Haltung.
Für die zunächst in städtischer Trägerschaft befindliche Einrichtung wurde ab 1992 die Rechtsform eines Eigenbetriebs gewählt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1996 erfolgte die Auflösung des Eigenbetriebs und die Überführung in die Trägerschaft eines Vereins. In den letzten Jahren gelang es den Mitarbeitern des Naturschutz-Tierparks, mit einer Vielzahl von Aktivitäten auf sich aufmerksam zu machen. Zugrunde liegt dieser Arbeit die 1992 erarbeitete Entwicklungskonzeption. Im „Schaufenster der Natur“ werden die Tiere naturnah dargestellt. Die Schwerpunkte der Tierhaltung liegen bei europäischen und zentralasiatischen Wild- und Haustieren, von denen insgesamt 140 verschiedene Formen gezeigt werden. Die Mitarbeiter im Naturschutz-Tierpark kümmern sich um den Schutz bedrohter Tierarten in ihren Lebensräumen, wie zum Beispiel um den Storch, das Wappentier des Tierparks. Sie nehmen zahlreiche Pfleglinge auf, die nach erfolgreicher Aufzucht oder Genesung den Tierpark möglichst wieder verlassen
und in ihre natürliche Umwelt zurückkehren sollen.
Besonderer Wert wird auf Bildungsarbeit im Hinblick auf Naturkunde und Naturschutz gelegt. Für diese Aufgabe werden unterschiedliche und einfallsreiche Methoden gewählt, um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Die wertvolle Natur der Region soll in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden, um diese zum aktiven Handeln, zur Pflege und Erhaltung sowie einer nachhaltigen Entwicklung der Lebensräume für Mensch- und Tierwelt zu sensibilisieren. Außerdem finden
60
verschiedene Veranstaltungen statt, die auf unterhaltsame Weise sowohl Interesse am Tierpark als auch wiederum Wissen vermitteln.
Der Naturschutz-Tierpark Görlitz zählt mit seinen 5 ha und 500 Tieren zu den kleinsten Deutschlands, hat aber ungeachtet dessen eine anerkannte Stellung unter den Zoos. Er zählt zu den besten der kleineren Zoos. Als Besonderheit ist das Gehege für die Roten Pandas zu nennen, das als weltweit größtes gilt. Ihm ist ein Pavillon mit chinesischer Kunst zugeordnet. Ebenso erwähnenswert ist das Fischottergehege als Deutschland größtes. Die heimische Kultur aufnehmend, besitzt der Tierpark einen Bauernhof mit Bauerngarten und Streichelgehege. 2002 wurde der Naturschutz-Tierpark Görlitz in den Weltzooverband aufgenommen. Dem Wappentier, der Storch, ist ein musealer Bereich gewidmet, in dem unter dem Thema „Klapperstorch mein Guter“ kulturgeschichtliche Zeugnisse zur Geschichte der Beziehung von Mensch und Storch gezeigt werden.
Der Tierpark ist eine multifunktionale Einrichtung, die sich in der Öffentlichkeit großer Beliebtheit und eines großen Zuspruchs erfreut. Die Bildungsaufgaben sind mit einem hohen Freizeitwert versehen und mit Erholung, Entspannung und Erlebnis gekoppelt. Verbindungen zum Naturkundemuseum erweitern und vertiefen das Erlebte. Der „Freundeskreis Tierpark Görlitz e. V.“ unterstützt und fördert den Erhalt des Tierparks und trägt zur Sicherung der Aufgabenerfüllung bei.
Europa-Haus Görlitz e. V. Der Verein Europa-Haus Görlitz e. V. gründete sich im September 1991. Im Mittelpunkt seiner Bildungs- und Informationstätigkeit steht die Pflege der wissenschaftlichen, kulturellen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Deutschland und anderen Ländern. Eine besondere Rolle spielt dabei der Kontakt zu Polen und Tschechien. Dazu werden Vorträge, Seminare, Symposien, Kultur- und Informationsveranstaltungen durchgeführt bzw. unterstützt. Als eines von drei Europahäusern in Sachsen will das Europa-Haus Görlitz vor dem Hintergrund seiner Lage im Dreiländereck vor allem auch die Stellung von Görlitz als Brücke zum Osten deutlich machen. Im Vordergrund stehen dabei die Aufgaben bei der Osterweiterung der EU. Anliegen ist, die europäische Einigung zu befördern. Das Europahaus führt gemeinsam mit Partnern jährlich Europatage und Ausstellungen durch. Zur Erfüllung 61
seiner Aufgaben wurden Sparten gebildet, die ihren Beitrag zur Umsetzung der Zielstellung leisten. Einer kontinuierliche Arbeit steht bisher im Wege, dass der Verein nicht über gesicherte und ausreichende Einkünfte verfügt.
Weitere Vereinigungen und Institutionen Neben den kommunalen bzw. maßgeblich städtisch geförderten Einrichtungen entwickelte sich seit den 90er Jahren eine Vielzahl von Organisationen mit vielfältigen Angeboten.
Die 1992 gegründete Evangelische Akademie Görlitz unterbreitet Angebote, um dem wachsenden Begegnungs- und Orientierungsbedarf in der pluralen Gesellschaft gerecht zu werden. Die Mediothek der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz ging 1991 aus dem Amt für Gemeindedienste hervor. Ihr fachlicher Schwerpunkt ist die Erschließung von elektronischen bzw. Bild- und Printmedien für den gemeinde- und religionspädagogischen Bereich.
Die Euro-Schulen Görlitz gGmbH bieten insbesondere Berufsausbildungen in Wirtschafts-
und
Büroberufen
für
den
Sozial-
und
Medizinbereich
sowie
Sprachausbildungen an. Von den Euro-Schulen wird eine englischsprachige Bibliothek betreut, die von einer amerikanischen Garnison aus Wiesbaden der Schule zur öffentlichen Nutzung geschenkt wurde. Der Bestand enthält u. a. enzyklopädische und bedeutende Werke der amerikanischen Literatur. Diese Bibliothek ist für alle an der englischen Sprache Interessierten Ansprechpartner, da die Stadtbibliothek in Übereinstimmung mit den Euro Schulen ihre entsprechenden sehr überalterten Bestände aufgelöst hat. Der Verein Tierra – Eine Welt e. V. schuf seit 1991 nicht nur den sogenannten „Eine Weltladen“, in dem Produkte aus Ländern der „Dritten Welt“ erworben werden können, sondern er macht auch Bildungsangebote an die Öffentlichkeit zur Entwicklungspolitik. Im Vordergrund steht die Vermittlung der Verflechtungen und Zusammenhänge zwischen sogenannter Erster und Dritter Welt. Dabei soll „interkulturelles Lernen“ das Verständnis für kulturelle Normen und Werte in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas wecken. Der Verein stellt in seinem „Infocafé“ und der kleinen Bibliothek Literatur und Informationsmaterial zur Verfügung. 62
Schulprojekte zu einzelnen Themen wenden sich vor allem an Sch端ler und Lehrer von Mittelschulen und Gymnasien.
63
3. Darstellende Kunst.
Geschichte und Gegenwart
Frühes Theater in Görlitz Früheste Zeugnisse für die darstellende Kunst sind Passions- und Krippenspiele sowie Fastnachtsspiele zu den entsprechenden Zeiten innerhalb des Jahres, das nach kirchlichen Festen eingerichtet war. Sie wurden in der Regel von Handwerkern aufgeführt. Die Aufführung solcher Stücke ist nicht belegt, aber es ist anzunehmen, dass Görlitz hier gegenüber anderen Städten keine Ausnahme bildete. Die früheste Nachricht der Aufführung eines Fastnachtsspieles stammt aus dem Jahre 1442. Fahrende Gaukler und Komödianten boten dem Volk spätestens seit dem 16. Jahrhundert Schauspiele auf Straßen und Plätzen. Daneben bildete sich bereits in dieser Zeit das Laienspiel heraus. So sollte beispielsweise die vom Görlitzer Meistersinger Adam Puschmann geschriebene Komödie zum Leben Josephs und seiner Brüder, die er dem Görlitzer Rat widmete, vorrangig von Laien gespielt werden. Görlitzer Handwerker verfassten Stücke und führten sie in der Stadt auf. Zum Alltag des Gymnasiums Augustum gehörte die Inszenierung von Dramen, die von den Rektoren verfasst wurden. Dazu existiert in der OLB eine umfassende und bedeutende Sammlung von Dokumenten über das Görlitzer Schultheater. Einige Jahrzehnte später sollte sich – parallel zum Theater an Fürstenhöfen – auch in
Deutschland
ein
stärker
bürgerlich
geprägtes
professionelles
Theater
herausbilden. Dafür wurde in Görlitz das Salzhaus auf dem Obermarkt zur Verfügung gestellt. Hier fanden seit 1667 Theateraufführungen für das Bürgertum statt. Auf dem Programm standen sowohl Schauspiele als auch Opern bzw. Singspiele. Gespielt wurden Stücke von den damals bekannten und anerkannten Dichtern wie beispielsweise Lessing und Schiller und vielen heute kaum noch gespielten Dichtern. 1667 wurde die erste Oper in Görlitz aufgeführt, die von Opitz geschriebene und Schütz komponierte Oper „Daphne“. Zum Spielplan gehörten ebenso Mozart wie auch Weber. Großer Beliebtheit erfreute sich der in der Nähe von Görlitz geborene Musiker und Komponist Johann Adam Hiller. Er gilt als Schöpfer des deutschen Singspieles, das als Vorläufer für die deutsche Oper und Operette gilt. Seine Stücke 64
gehörten zu den beliebtesten deutschsprachigen, die in Görlitz seit dem Ende des 18. Jahrhunderts aufgeführt wurden. Dazu gehört insbesondere das 1773 aufgeführte Singspiel „Die Jagd“, das in Görlitz drei Aufführungen erlebte. Noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts übernahmen vor allem fahrende Theatergesellschaften die Bespielung der Stadt mit den aktuellen Stücken der damaligen Zeit im Salzhaus. Seit 1820 ist auch die Neißstraße 26 als Aufführungsort bezeugt.
Theater Görlitz 1850 entschloss sich die Stadt, am Demianiplatz einen Theaterneubau zu errichten. Nach einer etwa einjährigen Bauzeit eröffnete das Stadttheater 1851 mit 850 Plätzen. Zunächst wurde das Theater privat geführt und hatte mindestens im Musiktheaterbereich kein volles Programm. Erst seit 1907 kamen die großen Opern und Operetten zur Aufführung, während im Schauspiel schon früher bedeutende Inszenierungen stattfanden. Schwierigkeiten bereitete wiederholt die finanzielle Unterhaltung von Schauspielensemble, Orchester und Theaterbau. So wurde das Theater in den zwanziger Jahren in unterschiedlicher Weise geführt, um es zu erhalten. Zeitweilig wurde es an einen privatwirtschaftlichen Unternehmer verpachtet. Später
übernahmen
an
Theateraufführungen
interessierte
Vereine
und
Gewerkschaften ganze Vorstellungen zu einem Pauschalpreis auf eigenes Risiko, um dem Theater feste Einnahmen zu sichern. Görlitzer Vereine für Musik- und Gesangspflege veranstalteten zudem gesonderte Konzertveranstaltungen, um dem Orchester, das durch das Theater nicht voll beschäftigt
werden konnte,
Nebenverdienste zu verschaffen. 1925 wurde das Theater von der Kommune übernommen. 1946 erhielt das Theater den Namen Gerhart-Hauptmann-Theater. Bis Anfang der 50er Jahre galt das Görlitzer Theater als eine „Sprungbrettbühne“. Danach ging seine überregionale Bedeutung zurück. Einen tiefen Einschnitt stellte 1963 die Fusion mit dem Zittauer Theater zum „Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz/Zittau“ dar. Fortan produzierte das Zittauer Theater nur noch in der Sparte Schauspiel und das Görlitzer Theater in der Sparte Musiktheater. Im Jahr 1988 trennten sich beide Einrichtungen wieder, wobei der Name des Görlitzer Theaters beim Zittauer Theater verblieb. Die Spartentrennung beider Theater wurde beibehalten. Seit Mitte der 90er Jahre kooperieren beide Häuser wiederum enger
65
miteinander, indem Musiktheater- und Sprechtheaterinszenierungen an beiden Häusern wechselweise aufgeführt werden.
Nach dem gesellschaftlichen Umbruch wurde für das Theater ein neues Konzept entwickelt, um seine Bedeutung in der Kultur der Stadt und darüber hinaus wieder zu heben. Es wurde in eine neue geopolitische Lage durch die Gründung der Europera gestellt, die nach Polen und Tschechien Kontakte aufnahm, welche in einem vielfältigen Austausch realisiert wurden. Zu diesem Projekt gehörte mit besonderen Aufgaben das Europera-Orchester. Mit der Beendigung der Arbeit der Europera blieben die Kontakte wenigstens nach Polen erhalten. Auch fühlte sich das Görlitzer Theater
weiterhin
dem
polnischen
Publikum
verpflichtet.
Für
ausgesuchte
Inszenierungen wurden Übertitel in polnischer Sprache eingefügt. In den letzten Jahren
wurde
dieses
Angebot
dadurch
verändert,
dass
über
einen
Kooperationsvertrag mit Hirschberg (Jelenia Gora) Inszenierungen von dort nach Görlitz geholt wurden für das polnische Theaterpublikum.
Mit der Einführung des Kulturraumgesetzes ging der Versuch einher, die drei Theater der Region zu einem Kulturraumtheater für die Oberlausitz zusammenzufassen. Diese Absicht konnte jedoch nicht realisiert werden. Seitdem wendet sich das Theater Görlitz wieder verstärkt nach Polen und auch wieder nach Tschechien, um im Dreiländereck eine grenzübergreifende Theaterlandschaft aufzubauen. Die Regelungen zum Austausch von Inszenierungen zwischen Zittau, Bautzen und Görlitz wurden erneuert.
Seit einigen Jahren gestaltet das Theater einen Theatersommer in öffentlichen Räumen, der im Jahr 2003 erstmals mit einem Volksstück unter Mitwirkung vieler Görlitzer Laiendarsteller durchgeführt werden konnte. Das Theater war in den letzten Jahren mehrmals zu Gastspielen im In- und Ausland.
Seit Beginn der Spielzeit 1999/2000 steht das zur Studiobühne umgebaute ehemalige Kino Apollo dem Theater als kleine Spielstätte zusätzlich zur Verfügung. Es bietet darüber hinaus ein Forum für Laienspiel- und freie Gruppen sowie weitere Veranstaltungen. Dem ging eine ähnliche Einrichtung im inzwischen abgerissenen
66
ehemaligen Kulturhaus „Karl Marx“ voraus. Der Zuspruch zum Theater Görlitz hat sich seit dem gesellschaftlichen Umbruch insgesamt fast verdoppelt.
Unterschiedlich große Um- und Erweiterungsbauten sowie Renovierungsarbeiten passten Haus und Bühnentechnik immer wieder den sich wandelnden Bedürfnissen an. Eine umfassende Erneuerung des Theaters erfolgte 1925/26. Die im Jahr 1992 begonnenen und 2002 vorerst abgeschlossenen Sanierungen sind nicht nur ein Schritt zur Anpassung des Theaters an moderne Anforderungen, sondern auch zur Schaffung von bleibenden Theatererlebnissen. Dafür wurden die Innenräume so restauriert, dass sie dem Aussehen aus dem Jahr 1873, eine klassizistische Fassung, bzw. dem später hinzugefügten Art déco wieder entsprechen. Das
Theater
unterstützt
und
erweitert
über die
Theaterpädagogik
seinen
Bildungsauftrag. Die Aufgabe besteht in der Heranführung neuer Generationen an das Theater. Dazu bieten die Theaterpädagogen in Schulen oder im Theater Einführungen zu Stücken an und arbeiten beim Fach „Darstellendes Spiel“ im Gymnasium Augustum ebenfalls eng mit Schülern zusammen. Gemeinsam mit interessierten Laien erarbeiten die Theaterpädagogen Stücke zu aktuellen Themen. Darüber hinaus wird für Studenten der Hochschule Zittau/Görlitz im Rahmen des Studium fundamentale der Kurs „Theater von innen“ angeboten.
Puppenspiel Seit 1956 gab es im Pionierhaus am Mühlweg ein Puppentheater, das bis 1996 regelmäßig Vorstellungen anbot. Es wurde zunächst von Marianne Hauptmann-Lux und seit 1982 von Klaus Lux geführt. Die Ausstattungen für dieses Theater wurden in einer eigenen Werkstatt im Haus angefertigt. An dieser Arbeit konnten sich auch Kinder im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft beteiligen. Die Stücke waren zum großen Teil eigene Schöpfungen der verantwortlichen Puppenspieler.
Straßentheater Seit 1995 wird durch das Kulturamt ein Straßentheaterfestival durchgeführt. Mit ihm soll der Theaterstadt Görlitz eine alternative Form des darstellenden Spiels hinzugefügt werden. Darüber hinaus soll der öffentliche Raum der Stadt mit einer Kunst belebt und dadurch zu neuem Leben erweckt werden. Künstlerische Belebung öffentlicher Räume und Vermittlung von Kunst in diesen Räumen soll die 67
Lebensqualität insbesondere des Gemeinwesens der Stadt entwickeln. Das Projekt war zunächst ein deutsch–polnisches Gemeinschaftsunternehmen zwischen Görlitz und
Hirschberg
(Jelenia
Gora).
Im
Hinblick
auf
die
Bewerbung
für die
Kulturhauptstadt Europas 2010 wird das Straßentheater als gemeinsames Projekt der Europastadt Görlitz/Zgorzelec seit 2002 entwickelt. Bei dem Festival treten international anerkannte Gruppen in beiden Städten auf. Das Straßentheaterfestival orientiert von Anfang an auf ein Kunstfest, bei dem auch andere Formen der Kunst der Straße angeboten werden. Seit 2001 trägt das Festival den Namen ViaThea.
Laienspiel Görlitz hat eine lange Tradition des Laienspiels. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts ist es nachgewiesen und wurde zunächst mit dem aufkommenden professionellen Theater des Bürgertums im 19. Jahrhundert in den privateren Raum verdrängt. Es ist davon auszugehen, dass es in Vereinen, Kirchen und anderen Körperschaften stets weiterlebte. Allmählich entstanden wieder Spielscharen, die einen weiter reichenden Anspruch hatten. So führte zum Beispiel die „Rote Bühne“ 1932 Johannes Wüstens Stück „Die Verrätergasse“ auf. In der DDR-Zeit gab es Laienspielgruppen, die von den Großbetrieben VEB Maschinen- und VEB Waggonbau im Rahmen ihres Kulturauftrags getragen wurden. Im VEB Waggonbau gab es bis ca. 1970 ein Arbeitertheater. Im VEB Maschinenbau waren das Arbeiterjugend- und das Pioniertheater angesiedelt. Diese Gruppen waren offen für alle, die am Laienspiel interessiert waren.
Herausragend war die Arbeit in diesem Bereich am heutigen Gymnasium Augustum. Die Laienspielgruppe entwickelte sich aus dem 1968 gegründeten Zentralen Pionierensemble und wurde nach dem gesellschaftlichen Umbruch als „Kinder und Jugendensemble“ weitergeführt. Das darstellende Spiel erhielt immer größeren öffentlichen Zuspruch. Die Inszenierungen wurden und werden teilweise mit Unterstützung des Theaters durchgeführt und finden auch öfter dort statt. Das Ensemble steht auch interessierten Jugendlichen aus anderen Schulen offen. Im Jahr 2000 fand in Löbau auf Initiative der Görlitzer Theaterpädagogen erstmals ein Jugendtheatertreffen von Gruppen aus dem Sechsstädtebund statt, zu dem auch polnische Spieler anwesend waren. Dieses Projekt soll eine Fortsetzung finden.
68
Weitere Initiativen Laienspiel wird sporadisch auch in der Galerie Exergon angeboten. Im Bereich des Tanzes gibt es neben privatwirtschaftlichen Angeboten beim Gesellschaftstanz, Tanzschule Matzke, den Tanzclub „Grün-Gold“ Görlitz e. V., den Tanz-SportClub „Jasmin“ Görlitz e. V. und den Tanzclub Görlitz e. V., eine Ballettschule in der Verantwortung des Theaters. In ihr werden interessierte Kinder ausgebildet, die in Inszenierungen des Theaters die Möglichkeit der Mitwirkung erhalten. Sie unterstützt außerdem die Einstudierung historischer und moderner Tänze. Der Verein „Freunde des Görlitzballett“ e. V. wirbt für die Arbeit des Ballettensembles des Theaters. Der Görlitzer Theater- und Musikverein e. V. versteht sich als Förderer des Görlitzer Theaters in seiner Gesamtheit.
69
4. Bildende Kunst
Geschichte und Gegenwart
Die Kunstgeschichte der Stadt Görlitz ist bis in die frühe Neuzeit stark vom böhmisch-schlesischen Kulturraum geprägt. Trotz großer Verluste durch Brände und Kriege zeugen die überlieferten Werke von der kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt. In der Barockzeit prägte Sachsen die künstlerische Entwicklung, im 19. Jahrhundert kamen preußische Einflüsse hinzu. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Görlitz zu einem regionalen Kunstzentrum
mit
bedeutender
Ausstrahlung.
Nationalsozialismus als auch in der DDR-Zeit
Während
der
Zeit
des
konnte diese Entwicklung nur
beschränkt fortgesetzt werden.
Eines der ältesten erhaltenen Zeugnisse der Bildhauerkunst in Görlitz ist der bildliche und ornamentale Schmuck am Westportal der Peterskirche aus der Zeit um 1230. Die im 13. und 14. Jahrhundert in den Dorfkirchen von Zodel und Horka entstandenen Wandmalereien verweisen zudem darauf, dass damals auch schon bedeutende Maler in Görlitz und von Görlitz aus tätig waren. Das bedeutendste Oberlausitzer Beispiel für die Kunst des Schönen Stils um 1400 ist die Kalksteinfigur der Maria in der Hoffnung aus der Görlitzer Frauenkirche. Die Ausstrahlung dieser am Prager Hof Karls IV. blühenden Kunstrichtung schlug sich auch in dem um 1400 entstandenen Altarschrein aus der Frauenkirche und der Schönen Madonna aus der Franziskanerkirche nieder. Überliefert ist der Name des Malers Gonzelin Ermilrich, der zwei Fenster am Chor der Franziskanerkirche (1382) schuf.
Die Maler Meister Paul und Georg Burchhard wirkten im 15. Jahrhundert in Görlitz. In der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts erreichte Görlitz eine kulturelle Blütezeit, begünstigt durch die wirtschaftliche Erstarkung und durch die Auswirkungen der Hussitenkriege in den böhmischen Kernlanden. Die großen Kirchenbauprojekte, vor allem St. Peter und Paul, beförderten auch die Bildhauerkunst. In St. Peter und Paul, in der Frauenkirche, der Barbarakapelle, der Dreifaltigkeitskirche und im Rathaus sind mit Porträtbüsten, Engeln, Schildhaltern und in Schlusssteinen von Gewölben hervorragende Beispiele für reiche, originelle Bauplastik der Görlitzer Spätgotik 70
erhalten. Unter Briccius Gauske bildete sich eine Steinmetzschule heraus, die eigene Formen plastischen Bauschmucks hervorbrachte und nach Bautzen, Kamenz und Breslau ausstrahlte. Als international bedeutender Bildhauer der Spätgotik wirkte Hans Olmützer in Görlitz. Er brachte Kenntnisse niederländischer Kunst durch seine Tätigkeit am Oberrhein mit nach Görlitz. Zu seinen bedeutendsten Werken gehört die Grablegungsgruppe für die Franziskanerkirche. Aus der Breslauer Werkstatt des Jakob Beinhart stammt der Wandelaltar der „Goldenen Maria“ in der Barbarakapelle der Dreifaltigkeitskirche.
Das wichtigste malerische Werk zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist die illusionistisch-symbolische Ausmalung im „Frenzelhof“ (um 1513). Franz Han malte das Epitaph „Kreuzigung Christi“ (1524). Eine Besonderheit ist das an der Wende zum 16. Jahrhundert errichtete Heilige Grab, eine Kapellengruppe mit einer freien Nachbildung der heiligen Stätten in Jerusalem. Die Architektur ist eingebettet in den frühesten bekannten symbolischen Landschaftsgarten. Die Anlage wurde Vorbild für weitere Anlagen. Einzigartige Beispiele für die kulturelle Blütezeit der Stadt zur Zeit der Spätgotik sind die zahlreichen Hallenhäuser. Hervorzuheben sind vor allem ihre inneren
Ausstattungen
wie
Wand-
und
Deckenmalereien,
Bauplastik
und
Terrakottaschmuck. Der große Stadtbrand von 1525 gab Anlass zu einer erneuten Belebung der Bautätigkeit. Aus Budapest und Prag kam antikisierendes Formengut in die Oberlausitz und fand hier eine eigene Umsetzung. Zu den ältesten Architekturbeispielen des neuen Stils gehören einige Häuser am Untermarkt, deren bedeutendstes der Schönhof ist. Das Bauwesen dieser Zeit prägte der in Prag ausgebildete Stadtbaumeister Wendel Roskopf d. Ä. Von ihm stammt wahrscheinlich auch
der
Archivflügel
des
Rathauses
(1534).
Zu
den
hervorragendsten
Renaissancebauwerken zählen überdies die ehemalige Ratsapotheke (1550), das Biblische Haus (1570) und Teile der Innenarchitektur des Rathauses, wie beispielsweise die hölzerne Portalarchitektur im kleinen Sitzungssaal von Hans Marquirt (1566). Als Bildhauer wirkten in diesem Jahrhundert vor allem Mitglieder der in Breslau und Dresden ansässigen Familie Walther. Infolge des Dreißigjährigen Krieges kamen Kunst- und Bautätigkeit fast zum Erliegen. Nur vereinzelt gelang es Künstlern, wie dem aus Ostpreußen stammenden Maler Johann Geysius, mit ihren Werken Geltung zu erlangen. 1691 fielen zahlreiche Kunstwerke der Spätgotik und der Renaissance einem Stadtbrand zum Opfer. In der 71
Peterskirche wurde der Verlust der Innenausstattung durch barockes Prunkinventar ersetzt. Dazu gehören der monumentale Altaraufbau des Dresdner Bildhauers Georg Heermann (1695), das Ratsgestühl, der Orgelprospekt der Sonnenorgel von Johann Conrad Büchau und die Beichtstühle. Caspar Gottlob von Rodewitz, ein Schüler Permosers, war der wichtigste Bildhauer des Hochbarock in Görlitz. Er schuf den Portalaufsatz des neuen Kaufhauses am Untermarkt (1714) und den Altar der Dreifaltigkeitskirche (1717).
Die erhaltenen Werke der Barockkunst stammen vor allem aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, in der es die Stadt wieder zu einem bescheidenen Wohlstand brachte. Die bildnerischen Werke beschränkten sich hauptsächlich auf Porträts und Grabmonumente. Die bildende Kunst war im wesentlichen von der kleinen Form geprägt, insbesondere durch die Görlitzer Zeichenschule und durch die Aquarell- und Zeichenkunst von Christoph Nathe, einem Vorreiter der romantischen Landschaftsmalerei. Ein herausragender Maler der Zeit war der Dresdner Johann Benjamin Müller, der Görlitz zu seinem Alterssitz wählte.
Im frühen 19. Jahrhundert ergänzte eine Reihe von Bauten des preußischen Klassizismus das Stadtbild. In der Malerei und Plastik entstand kaum ein Werk, dessen Bedeutung über die biedermeierliche Alltagskunst hinausging. Erst mit Gotthold Theodor Thieme gab es in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder einen Maler, der überregionale Bedeutung hatte. Er gehörte in Dresden zu den führenden Porträt- und Historienbildermalern. Um die Jahrhundertwende wirkte in Görlitz die Porträtistin Erna von Döbschütz.
Neue Impulse brachte der Jugendstil an der Wende zum 20. Jahrhundert auch nach Görlitz. Es siedelten sich wieder verstärkt bildende Künstler, zumeist Maler, an.
Insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete sich in Görlitz eine lebhafte Kunstszene heraus. Sie stand in enger Beziehung zu den deutschen Zentren wie Dresden, Berlin, München und Breslau. Zu den bedeutendsten bildenden Künstlern dieser Zeit zählen neben dem Kupferstecher, Maler, Keramiker
72
und Schriftsteller Johannes Wüsten Fritz Neumann-Hegenberg, Dora Kolisch, Arno Henschel, Otto Engelhardt-Kyffhäuser und Willy Schmidt.
In der Zeit des Nationalsozialismus kam es zu einer Polarisierung innerhalb der Görlitzer Künstlerschaft. Während Otto Engelhardt-Kyffhäuser zum Parteigänger des Systems wurde, blieb Johannes Wüsten seiner linksorientierten Anschauung treu und musste dafür im Zuchthaus sterben. Willy Schmidts expressionistische Malerei wurde als entartet disqualifiziert.
Nach 1945 entwickelte sich langsam wieder eine Kunstszene, die aber nicht mehr an die frühere Bedeutung heranreichte. Willy Schmidt konnte wieder ausstellen, wurde aber Anfang der 50er Jahre als Formalist abqualifiziert. Die Kunst des Sozialistischen Realismus wurde auch in Görlitz vertreten. Es entstanden viele Werke in der Malerei, Plastik und im Bereich „Kunst am Bau“, die dennoch von einem künstlerischen Anspruch zeugen und fester Bestandteil der Geschichte der bildenden Kunst der Stadt sind. Zu den führenden Künstlern der Nachkriegszeit gehören Edmund Bautz, Walter Rhaue, Peter Glomp, Karl-Heinz Völker, Rudi Wünsche, Gisela Mauermann. Als malender Chronist erfreute sich zudem Günter Hain großer Beliebtheit. Mit Reinhard Roy lebte in Görlitz ein Vertreter der Konkreten Kunst. Die Unmöglichkeit einer weiteren künstlerischen Entfaltung zwang ihn 1983 zum Verlassen der DDR.
Seit dem gesellschaftlichen Umbruch ist die Kunstszene in Görlitz wieder in Bewegung gekommen. Durch Mäzene wurden Künstler nach Görlitz geholt, die während eines begrenzten Aufenthaltes hier arbeiteten und abschließend ihre Werke ausstellten. Zeitweilig standen zwei Künstlerhäuser, in Weinhübel und in der Bautzener Straße, mit mehreren Ateliers zur Verfügung. Nachhaltige künstlerische Impulse gaben die Werke der Maler Thomas Hartmann und Gerd Buschendorf sowie des Bildhauers Adrian Jähne, die zeitweilig in den Künstlerhäusern arbeiteten. Dagmar Nolte verlegte im Ergebnis so eines Werkaufenthaltes ihren Wohnsitz nach Görlitz und ist seither hier tätig. Im öffentlichen Raum konnten bedeutende Kunstwerke aufgestellt werden wie beispielsweise Brunnenplastiken von Veronica von Appen und die Brückenskulptur von Giuliano Mauri. Mit der Dresdner Kunstszene und Görlitz eng verbunden sind Stefan Plenkers und Markus Richter. Zu
73
den profilierten Künstlerinnen der Region gehört Katrin Jähne, die 1998 den Oberlausitzer Kunstpreis erhielt.
Oberlausitzer Kunstverein Der Oberlausitzer Kunstverein wurde 1855 in Görlitz mit dem Anliegen gegründet, Künstler, Kunsthändler sowie Sammler zusammenzuführen. Der Kunstverein spielte seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle bei der Vermittlung der bildenden Kunst. Er arbeitete eng mit dem neu entstandenen Museum zusammen und war an Auswahl und Ankauf von Werken beteiligt. Er
erhielt
in
der
1902
neuerbauten
Oberlausitzer
Gedenkhalle
feste
Ausstellungsräume. Lag der Schwerpunkt der Vereinsarbeit bis zum Ersten Weltkrieg vor allem auf Kunst aus den führenden Kunstzentren Deutschlands, verlagerte er sich danach auf Künstler der Oberlausitz. Während der nationalsozialistischen Zeit erlosch die Arbeit des Vereins. Er konnte auch nach 1945 nicht wiederbelebt werden. 1991 erfolgte die Neugründung. Der Verein umfasst heute einen Teil der Oberlausitz und ist in die Regionalgruppen Görlitz, Löbau und Zittau gegliedert, die ein eigenständiges Vereinsleben führen. Das Anliegen des Vereins besteht gegenwärtig darin, Personal- und Gruppenausstellungen regionaler Künstler, aber auch mit Künstlern aus anderen Regionen zu präsentieren. Er veranstaltet thematisch orientierte Pleinairs, deren Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden. Daran beteiligen sich auch polnische Künstler. Der Oberlausitzer Kunstverein ist Mitveranstalter der zweijährigen Ausstellung Oberlausitzer Künstler zur Verleihung des Oberlausitzer Kunstpreises.
Galerien Lange Zeit war die Galerie Klinger die einzige Privatgalerie in Görlitz. Sie war vor dem gesellschaftlichen Umbruch eine staatliche Galerie und wurde danach privat weitergeführt. In ihr wird Kunstinteressierten Gegenwartskunst namhafter Künstler präsentiert. Einmal pro Jahr zeigt sie mit Unterstützung des Kulturamtes Werke eines international bedeutenden Künstlers. Die Galerie Klinger vermittelt Ankäufe für das Kulturhistorische Museum und für den Aufbau der Artothek der Niederschlesischen Sparkasse. Darüber hinaus organisiert sie Ausstellungen für Körperschaften außerhalb ihrer eigenen Räume. Im Herbst dieses Jahres
entstand
die
Neißegalerie, die von der gemeinnützigen GmbH Sapos geführt wird. Sie sieht ihre 74
Aufgabe darin, heimische Künstler, heimisches Kunsthandwerk, aber auch Dilettanten die Möglichkeit zu bieten, ihre künstlerischen und kunsthandwerklichen Arbeiten auszustellen oder zum Verkauf anzubieten. Das Angebot umfasst alle Bereiche der bildenden Kunst. Innerhalb der Galerie finden neben einer kleinen gastronomischen Versorgung Veranstaltungen statt, die ebenfalls von der GmbH verantwortet werden. Sie umfassen ein breites Spektrum und reichen von Vorführungen über Vorträge bis hin zu Interaktionen. Mit diesen Veranstaltungen sollen nicht nur Jugendliche
angesprochen werden. Inhalt und Charakter der
Veranstaltungstätigkeit machen die Neißegalerie tendenziell zu einer soziokulturellen Einrichtung.
artemision e. V. Im Haus Handwerk 13 führt der Verein ein Zentrum für Textilkunst. Auf einer Datenbank wurden Namen von Textilkünstlerinnen und deren Aktivitäten aus der ganzen Welt gespeichert. Auf diese Weise entstand ein Netzwerk, dessen sich Künstler und Interessierte bedienen können. Im Jahr 2000 wurde im Haus die Galerie „artemision“, die auf internationaler Ebene Textilminiaturen präsentiert, eröffnet. Vor Fertigstellung des Hauses, das auf Initiative des Vereins mit Fördermitteln wieder hergestellt wurde, fanden mehrere Sonderausstellungen mit textiler Kunst statt. Der Verein führte 2002 ein Festival zur Textilkunst mit internationaler Beteiligung durch.
Weitere Initiativen Seit dem gesellschaftlichen Umbruch hat sich das Spektrum der Aktivitäten um die bildende Kunst erweitert. Das bezieht sich sowohl auf den Schaffensprozess selbst als auch auf Vermittlungsformen.
In der Galerie Exergon, die zurzeit in einer Fabrikhalle aktiv ist, stellen junge Künstler und Dilettanten ihre Werke aus. Die gesamte Arbeit der Gruppe ist multifunktional angelegt, insofern sie in dieser Halle auch andere Projekte wie Performances, Theater, Lesungen, Konzerte und Projekte mit anderen Kulturträgern veranstaltet. Im kunstpädagogischen Bereich wirkt die private Malschule „Nunu“. Sie bietet Mal- und Zeichenkurse für Kinder und Erwachsene an und veranstaltet auch Pleinairs. Die Arbeitsergebnisse, vor allem die Kinderarbeiten, werden in den Räumen der Malschule ausgestellt. Mit Kindern werden auch Projekte im öffentlichen 75
Raum durchgeführt. Die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur nehmen an dem Kunstgeschehen durch Ausstellungen mit bildender Kunst teil. Durch die Galerie im Kulturhistorischen Museum, die inzwischen aus baulichen Gründen geschlossen wurde, und Teilen der Stadtgeschichtsausstellung sind sie in diesem Bereich ständig gegenwärtig. An Ausstellungen mit bildender Kunst beteiligt sich auch die Niederschlesische Sparkasse in ihrem Kassenraum sowie die Staatsanwaltschaft in ihrem Haus am Obermarkt.
76
5. Literatur
Geschichte und Gegenwart
Görlitz kann auf eine vielhundertjährige Geschichte literarischen Schaffens zurückblicken. Nach heutigem Verständnis bezieht sich das sowohl auf die Dichtung als auch auf die Sachliteratur. Letztere lässt sich in zwei Gruppen gliedern. Eine davon ist die auf die Stadt und Region bezogene, die andere behandelt Themen ohne diesen Bezug. Für die zweite Gruppe soll wegen seiner überragenden Bedeutung nur das Werk Jacob Böhmes genannt werden. Eine Vielzahl weiterer Werke, die der zweiten Gruppe zuzurechnen sind, wird in der OLB aufbewahrt.
Das literarische Schaffen in Görlitz ist von unterschiedlicher Intensität. In der Blütezeit der Stadt war es von einer großen Vielfalt geprägt. Die Quellen des 19. Jahrhunderts fließen wieder reicher als in der dazwischen liegenden Zeit.
Dichtung Die frühesten Zeugnisse dieser Literatur stammen aus dem 16. Jahrhundert. Es sind Stücke und Weihnachtsgeschichten, die von Handwerkern geschaffen und aufgeführt wurden. Herausragend ist das Schaffen vieler Rektoren des nach der Reformation entstandenen Gymnasium Augustum. Der Rektor Caspar Dornavius war ein späthumanistischer
Lyriker,
dessen
Werk
Eingang
in
die
deutsche
Literaturgeschichte fand. Im Barock traten die Rektoren Christian Samuel Funcke, Samuel Grosser und Christian Friedrich Baumeister mit dramatischen Dichtungen hervor, die durch die Schüler des Gymnasiums auch zur Aufführung kamen. Samuel Grosser schrieb darüber hinaus auch in anderen literarischen Gattungen. Das Barock gilt als eine Zeit der „Schriftstellerei“. Eine Vielzahl kleiner Gelegenheitswerke, die in die persönliche Korrespondenz einflossen oder zu besonderen Anlässen verfasst wurden, wird in der OLB aufbewahrt.
Mit dem Prosaisten Friedrich von Uechtritz im 19.Jahrhundert beginnt wieder eine umfangreichere literarische Aktivität. Zur Literaturgeschichte in diesem Jahrhundert gehören Gerhart Hauptmann, zu dem Görlitz eine besondere Beziehung hat und dessen Stück „Hannele“ 1895 hier uraufgeführt wurde. Hohe Wertschätzung genoss 77
der in Görlitz lebende und arbeitende Lustspielautor Gustav von Moser, der sich weit über die Stadt hinaus großer Beliebtheit erfreute, heute aber vergessen ist.
Im 20. Jahrhundert sind die literarischen Zeugnisse wieder reicher und vor allem vielgestaltig. Der jüdische Rechtsanwalt Paul Mühsam nimmt unter den Autoren der ersten Hälfte des Jahrhunderts mit seiner philosophischen Lyrik, die von einer hohen Sprachkultur
geprägt
ist,
einen
herausragenden
Platz
ein.
Seine
Lebenserinnerungen sowie das von seiner Tochter, Else Levi-Mühsam, in Auszügen herausgegebene Tagebuch sind hervorragende Zeugnisse des Lebens in Görlitz. Bo Yin Ra (Josef Schneiderfranken) ist mit seinen philosophischen Schriften der Esoterik verpflichtet. Johannes Wüsten hat literaturgeschichtliche Bedeutung mit seinen Dramen und Prosatexten erlangt. Er greift unter anderem Stoffe aus der Görlitzer Geschichte auf, um gesellschaftliche Probleme seiner Zeit durchschaubar zu machen. Von nationaler Bedeutung ist der Kabarettist und Autor Werner Finck. In die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört auch der Mundartdichter Wilhelm Kirchner. In die jüngere Literaturgeschichte gehören u. a. Horst Wenzel als Kinderbuchautor, Hannelore Lauerwald als Fernsehautorin und Prosaistin sowie die Prosaistin Rotraut Schöne und der Erzähler Armin Stolper.
Sachliteratur mit regionalem Bezug Die ersten sachlichen Belege, die allerdings mit Einschränkung hier genannt werden müssen, stammen aus dem 15. Jahrhundert. Dazu lassen sich die Annalen des Stadtschreibers Johann Bereit von Jüterbog auf die Jahre 1436 – 1468, das Diarium des Bürgermeisters Melzer mit bemerkenswerten Begebenheiten während seiner Amtszeit (1563 – 1571), die Annalen des Stadtschreibers Johannes Hass für den Zeitraum 1509 – 1520 sowie eine Schrift von Johannes Frauenburg über die Verhaltensweisen eines Bürgermeisters zählen. Von Bartholomäus Scultetus wird neben wissenschaftlichen Schriften ein unveröffentlichtes Tagebuch aufbewahrt. Der schon erwähnte Samuel Grosser schrieb „Lausitzische Merkwürdigkeiten“ (1714) auf, die über zwei Jahrhunderte das Standardwerk der lausitzischen Geschichte waren. Der Begründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Karl Gottlob Anton, veröffentlichte ebenfalls ein umfangreiches Werk. Regionalen Bezug hat sein Werk zur Geschichte der Sorben. Der Mitbegründer, Adolf Traugott von Gersdorf, hinterließ
neben
wissenschaftlichen
Abhandlungen
bisher
unveröffentlichte 78
Tagebücher. Von Bedeutung sind die Beiträge der Mitglieder der Gesellschaft zu regionalen Sachfragen in ihrem Periodikum. Von Max Gondolatsch liegen Arbeiten zur Görlitzer Musikgeschichte sowie ein unveröffentlichtes Manuskript zur Görlitzer Druckgeschichte vor. Umfangreiche Monographien zur Stadtgeschichte erschienen im 19. Jahrhundert von Karl Gotthelf Theodor Neumann (1850) und von Max Kwiecinski (1902). Herausragend unter den Autoren regionaler Sachliteratur ist Richard Jecht. In nahezu fünfzig Schaffensjahren äußert er sich zu regionalen Fragen in zahlreichen Beiträgen und Monographien. In der jüngsten Vergangenheit tritt Ernst-Heinz Lemper mit einem ebenso umfangreichen Werk hervor. Es ist der Görlitzer Geistes- und Kunstgeschichte verpflichtet. Andreas Bednarek legte Werke zur
Görlitzer
Architekturgeschichte
vor.
Historische
Veröffentlichungen
zu
verschiedenen Sachverhalten gibt es u. a. von Ernst Kretzschmar und Horst Wenzel.
Literarische Ereignisse Dass es in der Vergangenheit literarische Ereignisse gab bzw. ein literarisches Leben in der Stadt vorhanden war, belegt die Existenz literarischer Interessenkreise. 1914 entstand die Literarische Gesellschaft. Von einer Vielzahl von Mitgliedern getragen, beschäftigte sie sich sowohl mit Literatur als auch mit vielen anderen kulturellen Fragen der Vergangenheit und Gegenwart aus dem In- und Ausland. Sie nahm Einfluss auf den Theaterspielplan und übte auch Einfluss auf den Theaterbesuch aus. Dem Verein stand auch eine eigene Bibliothek zur Verfügung. Aus ihm ging später eine Görlitzer Ortsgruppe von Freunden antiker Kultur hervor. Umgekehrt schloss sich der Literarischen Gesellschaft ein Verein an, der sich mit Philosophie beschäftigte. Von Ludwig Kunz wurde eine Gruppe „Die Lebenden“ gegründet, die sich seit 1922 um regelmäßige Dichterlesungen kümmerte, zu denen bedeutende deutsche Autoren eingeladen wurden. In der DDR-Zeit wurde die Woche des Buches veranstaltet. Ihr Ziel bestand in der Literaturförderung auf breiter Ebene. Gegenstand dieser Veranstaltungen waren Buchausstellungen, Schriftstellerlesungen aus bereits veröffentlichten Büchern oder aus Manuskripten, deren Veröffentlichung bevorstand. Hauptträger dieser Veranstaltungen waren die Bibliotheken, Buchhandlungen und der Kulturbund. Mitunter beteiligte sich daran auch die Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft. Schriftstellerlesungen und Buchbesprechungen fanden auch
in
Schulen
statt.
Buchausstellungen
in
den
Schaufenstern
der
Bibliothekszweigstellen bezogen sich zu diesem Zeitpunkt auf das Ereignis. In der 79
Stadtbibliothek gab es den Jugendklub „Linkskurve“, der vor allem für jüngeres Publikum Veranstaltungen durchführte. Der „Zirkel schreibender Arbeiter“ förderte schriftstellernde Laien. Ihre Arbeiten wurden sporadisch in kleinen Anthologien und in der Presse veröffentlicht.
Mit dem gesellschaftlichen Umbruch erweiterte sich das Spektrum literarischer Ereignisse inhaltlich und formal. Unter der Hauptzielstellung der Leseförderung werden weiterhin Schriftstellerlesungen, Buchbesprechungen oder Vorstellungen von Mediengruppen durchgeführt. Diesem Ziel dient auch die schulbibliothekarische Arbeitsstelle. Zu besonderen Anlässen, aber auch außerhalb werden Lesenächte im Buchhandel und in der Bibliothek veranstaltet. Alte oder neue Werke der Regionalliteratur oder allgemein
interessierende
regionale
Fragen
unter
dem
Gesichtspunkt
der
Vergangenheitsbewältigung werden selbständig oder gemeinsam mit anderen Körperschaften in der OLB und in der Stadtbibliothek vorgestellt. Eine Reihe „Schauspieler lesen in der Stadtbibliothek“ mit frei ausgewählter Literatur, die sporadisch angeboten wurde, nutzte den künstlerischen Vortrag zur Leseförderung. Eine andere Reihe, die immer wieder neu aufgenommen wird, ist das Gespräch mit Görlitzer Autoren. Die Freiheit der Literatur und literarischer Aktionen schuf neue Möglichkeiten von Veranstaltungen. So werden mit unvermindertem Zuspruch Vorlesewettbewerbe mit frei ausgewählter Literatur oder mit eigenen Werken durchgeführt. Schreibwettbewerbe für Kinder und Jugendliche als deutschpolnisches Gemeinschaftsprojekt, deren Ergebnisse zum Teil auch gedruckt vorliegen, fordern zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart heraus. Die Sächsische Zeitung veranstaltet seit geraumer Zeit sporadisch Literaturabende in der ehemaligen Mitropa, Gleis 1, zu denen bekannte Autoren der gegenwärtigen Literaturszene eingeladen werden.
80
6. Musik
Geschichte und Gegenwart
Anfänge des Musiklebens Die erste Nachricht über Musik in Görlitz stammt aus dem Jahre1376. Aus dieser Zeit ist ein Turmwächter, der auch als Turmbläser eingesetzt war, bezeugt. Aus dem Jahre 1379 stammen Berichte, nach denen der Rat Festlichkeiten ausrichten ließ, bei denen für Herzog Hans von Görlitz, den Sohn Karls IV, „munter gezecht und viel musiziert“ wurde. Der erste Stadtpfeifer wird in einer Hochzeitsordnung von 1558 genannt. 1691 wurde von der Stadt ein Stadtmusikus berufen, der weitere Musikanten um sich scharte, mit denen er musizierte. Sie spielten auf öffentlichen Plätzen und wurden zu Festlichkeiten oder anderen Anlässen verpflichtet. Ein ausgeprägtes Musikleben gab es am Gymnasium Augustum durch musikalische Unterweisung, Einsätze im Rahmen des Schultheaters und bei der Gestaltung von Gottesdiensten.
Ab 1803 fanden die ersten regelmäßigen Konzerte mit der Stadtkapelle statt, die sich aus der Stadtpfeiferei entwickelt hatte. Parallel dazu traten nun auch in Görlitz verstärkt durchreisende „Virtuosen“ zu Konzerten auf. Ab 1814 wurden dann vier Mal pro Wintersaison Abonnementskonzerte durchgeführt. Zur Aufführung kamen unter anderem Werke von Mozart, Beethoven und Weber. Von einem ersten öffentlichen Kammermusikabend wird aus dem Jahr 1821 berichtet. Die Stadtkapelle bekam in der Zeit um 1830 Konkurrenz durch eine Militärkapelle, die am öffentlichen Musikleben durch Konzert- und Tanzmusik teilnahm. Zur Erhaltung eines „würdigen Zivilorchesters“ wurde 1875 der „Verein der Musikfreunde“ gegründet.
Görlitz kann
auf
eine
Vielzahl von
Persönlichkeiten
verweisen,
die
eine
deutschlandweite Beachtung für das musikalische Schaffen erlangen sollten. Der überragendste ist Johannes Nucius. Er gilt als der bedeutendste schlesische Komponist am Übergang von der Renaissance zum Barock. David Traugott Nicolai erregte Aufsehen mit der von ihm geschaffenen Glasharmonika. Eine Vielzahl von Kompositionen wurde von den Organisten und Kantoren der Peterskirche geschaffen. 81
Kirchenmusik und Hochschule für Kirchenmusik Görlitz Die Kirchenmusik ist in Görlitz ununterbrochen eine wichtige Quelle des Musiklebens. Basis für ein bedeutsames kirchenmusikalisches Leben ist das Vorhandensein einer Orgel, die in der Peterskirche schon um 1340, die früheste Nachricht über eine Orgel in Schlesien überhaupt, gespielt wurde. Um 1400 wird der erste Organist in Görlitz bezeugt. Martin Luthers Reformation führte auch zur Reformierung der Kirchenmusik. Mit ihr entstanden Kantoreien, die das kirchenmusikalische Leben gestalteten. 1820 fand das erste Konzert, ein Oratorium, in der Peterskirche statt. Als zweifacher Bischofsitz wurde Görlitz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Zentrum der Kirchenmusik. Die Tradition der Kantoreien blieb trotz massiver Behinderungen in der DDR erhalten. Sie sind nach wie vor nicht nur im gottesdienstlichen Bereich, sondern auch im konzertanten Bereich tätig. Außerdem musizieren im kirchlichen Bereich Instrumentalgruppen und Kurrenden. Die Hochschule für Kirchenmusik Görlitz geht auf die Gründung der „Evangelischen Kirchenmusikschule der Provinz Schlesien“ 1927 in Breslau zurück. Im Ergebnis des Krieges wurde die Institution 1947 in Görlitz eingerichtet. Große Verdienste um sie erwarb sich Eberhard Wenzel. Sie ist seit 2001 eine Hochschule, die evangelische und katholische Christen zu haupt- und nebenberuflichen Kirchenmusikern ausbildet. Die Kirchenmusikschule ist ein wichtiger Kristallisationspunkt für das Görlitzer Musikleben. So bringen sich Studenten und Mitarbeiter der Hochschule nicht nur als Chorleiter oder Organisten in das kirchliche Musikleben ein, sondern gestalten auch das öffentliche Konzertleben mit.
Vokalmusik An den Anfängen des Görlitzer Musiklebens steht der sakrale Gesang, der sich im Umfeld von Kirchen und Lateinschule herausbildete. Insbesondere ärmeren Schülern gab die Mitwirkung in Kurrenden und Schülerchören, die auf Straßen, Plätzen, bei Trauerfeiern
etc.
sangen,
spätestens
seit
dem
15.
Jahrhundert
Zuverdienstmöglichkeiten. Da die Anforderungen stiegen, wurde 1836 der besoldete Vereinigte Gymnasial-Sängerchor gebildet, der bei Begräbnissen und anderen kirchlichen Anlässen sang. Ebenso auf sakrale Wurzeln geht der Meistergesang zurück, der zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert blühte. Der bekannteste Meistersinger der Stadt war der Görlitzer Schneider Adam Puschmann, der auch 82
nationale Bedeutung durch schriftliche Nachlässe zum Meistergesang, welche die Grundlage für Richard Wagners „Meistersinger“ boten, erlangte. Außer Adam Puschmann wirkten noch Wolff Brantner und Georg Riemer. Zu den traditionsreichen Vokalensembles zählen auch die Görlitzer Kirchenchöre. 1960 wurden die katholischen Kirchenchöre zum Görlitzer Stadtkirchenchor zusammengefasst, seit 1995 führt er den Namen Domchor. 1972 wurde aus dem katholischen Domchor und aus Chören der evangelischen Dreifaltigkeits- und Lutherkirche ein ökumenischer Chor gebildet. Die Kirchenchöre treten auch konzertant auf. Der Görlitzer Bachchor wurde bereits 1921 gegründet. Bis 1930, dem Amtsantritt Eberhard Wenzels, sang der übergemeindliche Chor ausschließlich Werke Johann Sebastian Bachs. Das Repertoire wurde in den Folgejahren um Werke anderer Komponisten erweitert. Große Chorwerke gestaltet der Bachchor gemeinsam mit der Neuen Lausitzer Philharmonie. Seit der Gründung der Kirchenmusikschule (1947) ist deren Chor im Bachchor verankert. Allerdings tritt der Chor der Hochschule für Kirchenmusik, der durch die Studierenden gebildet wird, mit A-Capella-Konzerten, Aufführung von Bachkantaten sowie bei festlichen Gottesdiensten auch als selbständiger Chor auf.
Der stärker bürgerlich bzw. berufsständisch getragene Chorgesang erfuhr im 19. Jahrhundert eine Blüte. Der erste Görlitzer Singverein gründete sich 1813 auf Initiative des Organisten der Peterskirche, Johann Schneider. Er leitete auch einen Lehrergesangsverein. Sein Anliegen war es, genügend profilierte Sänger auszubilden, um die großen Oratorien von Händel und Haydn sowie Opern konzertant aufführen zu können. Ein erstes größeres Musikfest, zu dem auch viele Chöre aus umliegenden Städten kamen, fand 1820 statt. Der Chorgesang gehörte später zu den tragenden Säulen der Schlesischen Musikfeste. Ein erster Männergesangsverein, die „Liedertafel“, gründete sich 1828 in Görlitz. 1860 wurde eine Singakademie ins Leben gerufen, die 1879 in der Philharmonie aufging. Neben den
genannten
sind
in
dieser
Zeit
weitere
Chöre
entstanden.
Der
Männergesangsverein Bäcker und Fleischer Görlitz e. V. blickt auf eine über hundertjährige Tradition zurück. So gründete sich der Görlitzer Bäckerchor 1898, der Fleischerchor 1924. Die Neugründung unter einem gemeinsamen Dach erfolgte 1991. Der Laienchor tritt vor allem zu gesellschaftlichen und kulturellen Höhepunkten auf und sieht seinen Arbeitsschwerpunkt in der Traditionspflege. Der Görlitzer Lehrerchor besteht seit 1957 und seit 1991 in der Rechtsform eines eingetragenen 83
Vereins. Er hat einen Vorläufer bereits im 19. Jahrhundert. Der Chor tritt ebenfalls zu den unterschiedlichsten Anlässen, öfter auch gemeinsam mit Instrumentalgruppen, auf. Die jüngste Gründung ist die des Kammerchores am Gymnasium Augustum. Ihm gehören Schüler verschiedener Gymnasien an. In kurzer Zeit hat er eine hohe Qualität erreicht, so dass er inzwischen auch schon Konzerte außerhalb der Stadt geben kann. In ihm lebt die Tradition der Chorarbeit in der ehemaligen JohannesWüsten-Oberschule fort, die 1968 unter Paul-Hermann Opitz begründet wurde und Bestandteil des Zentralen Pionierensembles der Stadt war. Außer diesem herausragenden Chor, der sich in verschiedene Alterstufen gliederte und 1971 den „Kunstpreis der Stadt Görlitz“ erhielt, gab es an vielen anderen Schulen ebenfalls Chöre, die zu Schulfeierlichkeiten auftraten. Im Rahmen der Singebewegung der 70er Jahre existierten solche Gruppen auch in Görlitz. Eine davon ebenfalls innerhalb des Zentralen Pionierensembles. Der Chor des Theaters Görlitz und sein Extrachor sind in erster Linie den Inszenierungen am Theater verpflichtet. Der Theaterchor ist der einzige professionelle Chor der Stadt. Alle anderen Chöre gehören
dem
Laienschaffen
an,
wenngleich
sie
überwiegend
unter einer
professionellen Leitung stehen.
Instrumentalmusik Als älteste bekannte Görlitzer Laienvereinigung zur Pflege der Ensemblemusik gilt das „convivium musicum“. Ihm sollen im letzten Drittel des 16. Jahrhundert vor allem Ratsherren, Geistliche, Ärzte, Lehrer und Musiker und somit Angehörige der gehobenen Schichten angehört haben. Zu den bekanntesten zählt der Bürgermeister und Astronom Bartholomäus Scultetus. Die Nachrichten über diese Vereinigung und ihre Zusammensetzung sind allerdings widersprüchlich. Nach dem Dreißigjährigen Krieg entstand eine ähnliche Musikvereinigung, das Collegium musicum. Diese Laienensembles waren über die Grenzen der Stadt bekannt und anerkannt. So gibt es eine Vielzahl von Widmungskompositionen bedeutender Komponisten, unter anderem von Michael Prätorius, Samuel Scheidt, Heinrich Schütz, Andreas Hammerschmidt und Johann Rosenmüller.
Zum Entstehen der Instrumentalmusik in Görlitz wurden bereits Ausführungen am Anfang des Kapitels gemacht. Zu den jüngeren professionellen Ensembles gehört das Orchester des Theaters. Es existiert seit Bestehen des Theaters am 84
Demianiplatz
und
war
zunächst
für
die
musikalische
Begleitung
der
Musikinszenierungen verantwortlich. Über einen längeren Zeitraum wurde es, seiner relativ geringen Zahl an Mitgliedern wegen, durch auswärtige Musiker vergrößert und die Opernaufführungen auf eine Vorstellung im Monat beschränkt. Ab 1907 hatte das Theater
ein
ständiges
Opernrepertoire.
Eine
volle
Beschäftigung
der
Orchestermitglieder gestaltete sich dennoch auch in den folgenden Jahrzehnten schwierig. Das Theaterorchester, das 1990 in Philharmonisches Orchester umbenannt wurde, war über seine Arbeit als Theaterensemble hinaus seit DDR-Zeit auch für die Sinfoniekonzerte innerhalb einer Theaterspielzeit verantwortlich. Im Rahmen dieser Aufgabe wurden vom Ensemble regelmäßig Schülerkonzerte zur Heranbildung zukünftiger Konzertbesucher veranstaltet. Sporadisch fanden sich einzelne Musiker zusammen, um Kammerkonzerte zu gestalten. 1996 wurde aus dem Philharmonischen Orchester Görlitz und Teilen der Lausitzer Philharmonie Bautzen die Neue Lausitzer Philharmonie als selbständiges Unternehmen gegründet. Sie fungierte als Ensemble des Musiktheaters Görlitz und als Sinfonieorchester des Kulturraumes
der
niederschlesischen
Oberlausitz.
2003
verlor
sie
ihre
Selbständigkeit und wurde wieder in das Theater Görlitz eingegliedert. Die Sinfoniekonzerte werden häufig mit herausragenden Solisten gestaltet. Zu den Aufgaben der Neuen Lausitzer Philharmonie gehört es auch, bei musikalischen Ereignissen in Görlitz bzw. im Kulturraum mitzuwirken. Seit Beginn seines Bestehens gibt das Ensemble auch Gastspiele im In- und Ausland. Die Neue Lausitzer Philharmonie ist darüber hinaus im musikpädagogischen Bereich tätig, um Kinder und Jugendliche als zukünftige Konzertbesucher zu gewinnen. Eine besondere Gründung in dieser Zeit war das Europera-Orchester, das aus Musikern Deutschlands, Polens und Tschechiens bestand. Dieses Ensemble bestritt neben dem Philharmonischen Orchester Konzerte in den drei genannten Ländern. Ende der 90 er Jahre stellte es seine Arbeit ein. Das älteste, ununterbrochen existierende Laienorchester ist das „Erste Görlitzer Zupforchester“. Es besteht seit 1919. Das Ensemble führt zu unterschiedlichen Anlässen Konzerte mit der entsprechenden Musikliteratur auf oder gestaltet für seine Zwecke musikalische Vorlagen um. Ihm angegliedert ist ein Gitarrenensemble, das gemeinsam mit dem Zupforchester auftritt oder selbständig Konzerte gestaltet.
85
Das
Niederschlesische
Kammerorchester
geht
auf
eine
Gründung
von
Musikliebhabern 1963 zurück. Auf Initiative der Görlitzer Musikschule fanden sich vor allem Ärzte, Lehrer der Musikschule sowie ältere Musikschüler zusammen, um gemeinsam zu musizieren. Das Orchester prägte mit seinen Auftritten das Görlitzer Musikleben mit. Ein besonderes Merkmal dieses Klangkörpers war es, dass ehemalige Musikschüler, die heute in Orchestern spielen, im Ensemble mitwirkten oder als Solisten auftraten. Das Orchester wurde finanziell vom ehemaligen Bezirkskrankenhaus getragen. Für seine Arbeit erhielt es den „Kunstpreis der Stadt Görlitz“. Heute ist es im Niederschlesischen Oberlausitzkreis angesiedelt. Schüler der Musikschule „Johann Adam Hiller“ wurden und werden neben ihrem Fach auch an das Ensemblespiel herangeführt. Ihre Leistungen stellten sie immer wieder in Orchesterkonzerten oder als Kammerformation unter Beweis. Zu einer Vielzahl von Anlässen werden sie eingeladen, um dieselben musikalisch zu umrahmen. In Erweiterung des Europeraorchesters wurde 1992 aus den besten Schülern der Musikschule gemeinsam mit Schülern aus Polen und Tschechien ein Europera Jugendmusikschulorchester gegründet, das gemeinsam Konzerte in allen drei Ländern aufführte und auch in anderen Ländern zu Gast war. Das Orchester existierte bis 1996. Bald danach wurde ein Jugendsinfonieorchester der Musikschule gegründet.
1968 wurde am heutigen Gymnasium Augustum das Jugendblasorchester gegründet. Es war Bestandteil des Zentralen Pionierensembles und erhielt bei Leistungsvergleichen fast ausnahmslos hohe und höchste Anerkennung. Die musikalische Unterweisung geschah durch Lehrkräfte der Schule. Der Einsatz des Orchesters erfolgte zu Republikfeiertagen und anderen Anlässen. Im Jahr 2000 wurde das Orchester der Musikschule „Johann Adam Hiller“ angegliedert.
Weitere Initiativen Der Görlitzer Freundeskreis Spielleute e. V., 1996 gegründet, besteht aus jungen Laienmusikern, die bei Großveranstaltungen in der Stadt oder im Landkreis auftreten. Allerdings führt der Freundeskreis inzwischen auch eigene Veranstaltungen bzw. Konzerte durch, so zum Beispiel das Spielleutetreffen. Er setzt die Traditionen des 1969 gegründeten Spielmannzuges Görlitz innerhalb der Betriebssportgruppe 86
Medizin
fort.
Der
Fanfarenzug
entstand
1971
innerhalb
des
Zentralen
Pionierensembles. Er spielte im Gegensatz zu Fanfarenzügen in anderen Städten auf richtigen Fanfaren anlässlich wichtiger Anlässe in der Stadt und im Kreis. Zu seinem Repertoire gehörten auch Volkslieder, die bei Volksfesten gespielt wurden. Für seine Leistungen erfuhr der Fanfarenzug hohe Wertschätzung. 1996, anlässlich der 925-Jahrfeier der Stadt, fanden sich ehemalige Mitglieder wieder zusammen und traten als Herolde auf. Inzwischen spielen sie als „Landskronherolde“ bei Veranstaltungen in der Stadt und im Landkreis. Die Tower-Big-Band war in der Zeit von 1993 bis 2000 ein Klangkörper, der lose mit der Musikschule verbunden war und ein entsprechendes Repertoire hatte. Sie war eine hoch qualifizierte Band, die sowohl in der Stadt als auch außerhalb ihr Publikum fand. Der Görlitzer Theaterund Musikverein e. V., 1990 gegründet, organisiert neben seiner Fördertätigkeit für das Theater Konzerte. Er entwickelt für die Stadt eine Kammermusikreihe. Zur Förderung der Restaurierungsarbeiten an der Sonnenorgel gründete sich 1992 der Freundeskreis Görlitzer Sonnenorgel e. V. . Er organisiert Benefizkonzerte mit zum
Teil
hochrangigen
Zweckverbindungen
Künstlern.
von
Seit vielen
Musikern,
die
sich
Jahrzehnten für
gibt
es auch
bestimmte
Konzerte
zusammenfinden, zu denen sie mitunter auch bedeutende Solisten einladen.
Popularmusik Verschiedene Spielarten der Popularmusik sprechen nicht nur den überwiegenden Teil der Jugendlichen, sondern auch Angehörige aller Generation an. In den vergangenen Jahren seit dem gesellschaftlichen Umbruch bildete sich in Görlitz eine vielfarbige Musikszene heraus. Sie ist durch Dynamik, Experimentierfreude und ein hohes Maß an Selbstorganisation gekennzeichnet. In dieser Szene bilden sich ständig neue, oft schwer voneinander abzugrenzende Spielarten der Musik heraus. Die Szene wird in Görlitz im wesentlichen durch fünfzehn Bands geprägt. Allerdings sind Zahl und Zusammensetzung der Gruppen einem ständigen Wandel unterworfen. Vor
allem
im
Umfeld
der
Soziokultur
haben
diese
Gruppen
ihre
Auftrittsmöglichkeiten. Träger bzw. Orte sind insbesondere der Holzwurm e.V. im Basta und der Torso e. V. Letzterer stellte bis vor kurzem Veranstaltungsräume im „Tonwerk“ zur Verfügung. Der „Betonsalon“ ist eine kommerziell arbeitende Einrichtung.
Das
Projekt
„Nostromo“ führt Veranstaltungen im
stillgelegten
Schlachthof durch. Zu seinem Programm gehören auch Ausstellungen und 87
Performances. Die Musikszene arbeitet häufig grenzüberschreitend mit Zgorzelec zusammen und zieht Jugendliche aus Deutschland und Polen an.
Die Förderung der Jugendmusikszene liegt im Verantwortungsbereich des Jugendamtes.
Bei
der
Lösung
auftretender
Probleme,
der
Organisierung
beispielsweise von Probenräumen, deren Ausstattung etc. engagieren sich die Mitarbeiter des Amtes.
Der Kulturzuschlag Görlitz e. V. wurde 1992 gegründet und organisiert vor allem Live-Konzerte, in deren Mittelpunkt Jazz, Blues, Rock, Funk, Folk und ähnliche Genres stehen. Zu seinem Programm gehören auch andere Kunstformen, wie zum Beispiel Kabarett, Pantomime oder Auftritte von Liedermachern. Der Verein ist seit einigen Jahren für die inhaltliche Gestaltung der Görlitzer Jazztage verantwortlich.
Musikalische Ausbildung Eine musikalische Unterweisung für Kinder fand in der Vergangenheit bei privaten Musiklehrern statt. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, ab 1951, wurde in Görlitz die Volksmusikschule gegründet. Sie bietet seitdem ein vielfältiges Angebot für diejenigen, die ein Instrument lernen wollen, um es später in ihrer Freizeit spielen zu können oder für jene, die einmal Berufsmusiker werden wollen. Der Auftrag der Musikschule bestand über einen langen Zeitraum zu einem wesentlichen Teil in der Heranbildung von Nachwuchs für die fast 90 Orchester und Ensembles in der DDR. Gemessen an den Ergebnissen gehörte die Musikschule zu den führenden des ehemaligen Bezirkes Dresden. Besonders trat sie bei der Streicherausbildung hervor. Das Ausbildungsprofil erfuhr im Verlauf der Geschichte der Schule Veränderungen. Die Musikschule beginnt ihre Ausbildung mit der musikalischen Früherziehung, bildet dann an Instrumenten aus und vermittelt auch Musiktheorie. 1958 erhielt sie ihr eigenes Gebäude auf dem Fischmarkt. Im Jahr 1964 entstanden Kontakte zu polnischen Musikschulen und 1973 wurde ein deutsch-polnisches Freundschaftsorchester gegründet, das beiderseits der Neiße auftrat. Zu ihrem 35jährigen Bestehen wurde ihr der Name Johann Adam Hiller verliehen. Die Musikschule, die seit 1996 als Verein arbeitet, hat im wesentlichen ihr Profil beibehalten. Neu hinzugekommen ist ihre Öffnung für alle Altersgruppen, die ein Interesse am Erlernen eines Instruments haben. Die in der Vergangenheit liegende 88
relativ starke Betonung einer berufsfördernden Ausbildung wird heute durch eine größere Öffnung gegenüber unterschiedlich Begabten aufgehoben. Kontakte für eine Zusammenarbeit
mit
Polen
sind
wieder
aufgebaut
worden.
Im
Jugendsinfonieorchester der Musikschule spielen Kinder und Jugendliche aus Görlitz und Zgorzelec gemeinsam. Seit kurzer Zeit gibt es auch einen Klavierwettbewerb zwischen Görlitz und Zgorzelec. Die Finanzierung der Musikschule erfolgt über Förderungen und Ausbildungsgebühren.
Die Musikschule Storch entstand 1996 als privatwirtschaftlich geführte Schule. Ihr Ausbildungsprofil entspricht im wesentlichen dem der vorher genannten. Die Musikschule Barth, die neben dem Geschäft Accus Barth GmbH bestand, konzentrierte sich in ihrer Ausbildung hauptsächlich auf elektronische Instrumente. Im Jahr 2003 musste sie ihre Ausbildung einstellen. Angebote zum Erlernen des Akkordeonspiels
macht
die
Musikschule
Fröhlich
seit
1991.
Zu
ihrem
Ausbildungsprogramm zählen sowohl die musikalische Früherziehung als auch die Anfängerausbildung.
Im
Unterricht
für
Fortgeschrittene
als
auch
in
der
Orchesterausbildung wird die Unterweisung fortgesetzt. Seit 1994 wird das kulturelle Leben der Stadt durch Auftritte des Akkordeonorchesters bereichert. Seit dem Jahr 2001 ist die Akademie für Alte Musik Oberlausitz in Görlitz ansässig. Sie bietet professionellen Musikern eine Zusatzausbildung im Umgang mit historischen Instrumenten und in der Interpretation Alter Musik. Dabei orientiert sich vornehmlich auf
die
Länder
östlich
von
Deutschland.
Kursangebote
werden
auch
Musikschullehrern gemacht. In Görlitz und in der Lausitz führt die Akademie mit ihren Lehrern oder mit Schülern bzw. Absolventen, die immer wieder zu einem neuen Ensemble zusammengestellt werden Konzerte mit Werken der Barockzeit und der frühen Klassik auf. Im Vorfeld solcher Konzerte finden Werkstattkonzerte im Rahmen von Matineeveranstaltungen für ein interessiertes Publikum statt, in denen Interessantes zur Alten Musik thematisiert wird. ISeit 2002 richtet die Akademie Tage für Alte Musik ein, an denen sie über mehrere Tage Werke aus dem genannten Musikbereich zur Aufführung bringt.
In der Vergangenheit war das Ensembles
bereits zu Gastspielen in Görlitz. Im Jahr 2004 wird die Akademie ihre Arbeit und damit auch ihre Konzerttätigkeit einstellen. 2003 fand erstmals in Görlitz die Sommerschule der Künste statt, die vom Institut für kulturelle Infrastruktur in Sachsen im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung durchgeführt wurde. 89
Musikalische Ereignisse Das älteste herausragende musikalische Ereignis der jüngeren Vergangenheit ist das Schlesische Musikfest. Begründet von Graf Bolko von Hochberg fand es erstmals 1876 in Hirschberg und anschließend an wechselnden Orten statt, bis es seinen festen Sitz ab 1889 in Görlitz hatte. Die Stadthalle wurde eigens für dieses Musikfest gebaut. Spitzenorchester und bedeutende Dirigenten leiteten Musikfeste, bei denen verschiedene Werke der Musikliteratur zur Aufführung kamen. Bei den letzten Schlesischen Musikfesten vor dem Neubeginn wirkte die Schlesische Philharmonie mit. Eine Besonderheit dieses Ereignisses war immer wieder die Aufführung großer Chorwerke, an der eine Vielzahl von Chören aus der Region beteiligt war. 1942 fand das 26. Musikfest statt, das für 54 Jahre das letzte sein sollte. Anläßlich des 120. Jahrestages der Wiederkehr des ersten Musikfestes wurde das 27. Musikfest als Neubeginn dieses Ereignisses 1996 durchgeführt. Der Veranstalter, das Kuratorium Schlesische Lausitz e. V., hielt sich bei der Wiederbelebung im wesentlichen an das Grundkonzept der alten Musikfeste. Eine neue Überlegung für dieses Ereignis bestand darin, das Fest grenzüberschreitend nach Polen und Tschechien auszudehnen, was mit den Konzeptionen der folgenden Musikfeste auch verfolgt wurde. Nach dem Krieg fanden von 1946 bis 1957 die „Görlitzer Musikwochen“ statt. Man kann davon ausgehen, dass sie ein Ersatz für das nicht mehr stattfindende Schlesische Musikfest waren. Sie boten Konzerte mit Werken der internationalen Musikliteratur. Für diese Reihe wurden ebenfalls wie beim Schlesischen Musikfest bedeutende Künstler verpflichtet. Eine feststehende Reihe seit 1952 war die „Stunde der Musik“, eine Kammerkonzertreihe, die Werke dieser Musikliteratur mit bedeutenden Ensembles und Solisten durchführte. 1966 wurde diese Veranstaltung von der Reihe „Konzert bei Kerzenschein“ abgelöst. In diesen Konzerten treten sowohl Gäste als auch Schüler der Musikschule „Johann Adam Hiller“ im Goldenen Saal des Barockhauses Neißstraße 30 auf. Seit 1953 gibt es in Görlitz die Tage der Kirchenmusikschule, zu denen ab 1975 die Bachwoche hinzukam, die ab 1981 die alleinige
herausragende
Musikveranstaltung
der
heutigen
Hochschule
für
Kirchenmusik ist. Die Bachwoche ist ein kirchenmusikalisches Ereignis der Stadt, bei dem Werke verschiedener Komponisten zur Aufführung kommen. Dazu werden häufig auch Künstler nach Görlitz eingeladen. In den 70er Jahren wurde eine 90
Konzertreihe ins Leben gerufen, die sich „Orchester der Welt“ nannte. Jährlich einmal trat ein international renommiertes Orchester in der Stadthalle auf und spielte klassische und moderne Werke der sinfonischen Musikliteratur. In den letzten Jahren der DDR-Zeit ist die Reihe aus finanziellen Gründen deutlich reduziert worden. Seit 1995 finden die Landskronjazztage – heute Görlitzer Jazztage - statt. Sie schließen ohne bewussten Traditionsbezug an die Dixielandtage in der DDR an. Die inhaltliche Verantwortung trägt der Kulturzuschlag e. V. Die Görlitzer Jazztage bieten sowohl die unterschiedlichsten Jazzformen als auch andere Musikformen wie Blues, Rock etc. an. Zu den letzten Jazztagen wurden überdies besondere Ereignisse oder Arrangements als Attraktion eingebaut, die das Ereignis für weitere Zielgruppen öffnen soll. Der Zuspruch zu diesem Musikereignis ist über Görlitz hinaus gewachsen. Bei den letzten Jazztagen gelang es, gemeinsam mit Zgorzelec aufzutreten.
2001 fand erstmals das Dreiklang Musikfest in der Oberlausitz statt. Sein Programm
beinhaltet
bedeutende
sinfonische
und
Kammermusikwerke
der
Vergangenheit und Gegenwart mit bedeutenden Klangkörpern. Zu einem festen Bestandteil des Görlitzer Musiklebens wurden die jährlichen Weihnachtskonzerte in der Adventszeit. Fast ausnahmslos alle musikalisch aktiven Gruppen bieten musikalische Weihnachtsprogramme an. Herausragend ist die jährliche Aufführung einzelner Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach durch den Bachchor zusammen mit der Neuen Lausitzer Philharmonie und das Weihnachtskonzert des Görlitzer Theaters. Seit etwa einem Jahr finden in der Landskronbrauerei in einer stillgelegten Halle Konzerte mit Popularmusik statt, die vor allem von der jüngeren Generation wahrgenommen werden. In diesem Projekt finden auch Görlitzer Bands Auftrittsmöglichkeiten. Im Jahr 2000 fand in Görlitz das erste Kneipenfest statt, das in den folgenden Jahren fortgesetzt wurde. In einer Vielzahl Görlitzer Kneipen findet Live-Musik statt, die 2001 erstmals mit einem LiveKonzert auf dem Untermarkt eröffnet wurde.
91
7. Medien
Geschichte und Gegenwart
Älteste Medien Das älteste Medium in Görlitz ist die geschriebene Zeitung. Dabei handelt es sich um handgeschriebene Berichte, die sich aus der Briefform entwickelten. Bartholomäus Scultetus erhielt solche Berichte aus verschiedenen europäischen Städten. Es waren Informationen, die unter Gelehrten und Politikern ausgetauscht wurden. In den Jahren 1605 und 1606 trafen sie regelmäßig in Görlitz ein.
Erst als sich die Kunst des Buchdruckes entwickelte, entstanden unterschiedliche Formen von Printmedien. In Görlitz begann diese Entwicklung im 16. Jahrhundert mit der ersten Buchdruckerei, die über zweihundert Jahre in der Hand einer Familie war. 1534 entstand in Görlitz die erste Papiermühle. Damit waren alle Voraussetzungen zur Entwicklung dieses Mediums geschaffen. 1798 wurde in Görlitz eine weitere Druckerei gegründet.
Printmedien Die ersten einer Zeitung ähnlichen Druckerzeugnisse waren in Görlitz die Kirchenumgangszettel, die in der Zeit zwischen 1680 und 1832 nachgewiesen sind. Sie enthalten Kirchenstatistik, Orts- und Kirchengeschichte sowie biographische Nachrichten. Görlitzsche Remarquen (Anmerkungen) wurden 1726 herausgegeben.
Der Schwerpunkt der Printmedien lag zunächst auf Gelehrtenzeitschriften, von denen mehrere mitunter auch nebeneinander erschienen. Zwei von ihnen bestehen mit Unterbrechungen bis in die Gegenwart. Dabei handelt es sich um das Periodikum Neues
Lausitzisches
Magazin
der
Oberlausitzischen
Gesellschaft
der
Wissenschaften, das seit 1822 erscheint, und um die Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz, die seit 1827 erscheinen. Über einen längeren Zeitraum erschienen die Zeitschriften Lausitzisches Magazin, das im wesentlichen eine Chronik über Ereignisse und Personen der Oberlausitz war und die Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte. In diese Gruppe gehören auch Periodika, die zwar nicht als Gelehrtenzeitschrift bezeichnet 92
werden können, sich aber fachbezogen an ein bestimmtes Publikum wandten. Dazu gehörte die Zeitschrift Die Lebenden, die zwischen 1923 und 1931 in unregelmäßigen Abständen von Ludwig Kunz herausgegeben wurde. Kunz„ Anliegen war es, bekannte und unbekannte Autoren in das Blickfeld der Görlitzer Öffentlichkeit zu rücken. Mit dem Vorhandensein dieser Zeitschrift ist die Qualität des literarischen Lebens in Görlitz eindrucksvoll belegt. 1951 wurde die Neue Folge der Schriftenreihe der Städtischen Kunstsammlungen (jetzt Städtische Sammlungen für Geschichte und Kultur) begründet. Sie erscheint unregelmäßig und enthält vor allem Bestands- und Ausstellungskataloge der Sammlungen von Museum und Oberlausitzischer
Bibliothek
der
Wissenschaften.
Die
Schriftenreihe
des
Ratsarchivs erscheint seit 1963, ebenfalls in unregelmäßigen Abständen. In ihr werden historische Sachverhalte vor allem im Zusammenhang mit dem Ratsarchiv vermittelt. Das bislang letzte Heft erschien 1994. Seit 1987 erscheint das Görlitzer Magazin, herausgegeben von den Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur, bis 2002 mit einer beigefügten Auswahlbibliographie von neu erworbener Literatur zur östlichen Oberlausitz des vorangegangenen Jahres durch die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften. Es enthält sowohl biographische als auch Sachbeiträge, die sich auf die Stadt und auf das Umland beziehen. Die jüngste Edition sind die Biographischen Blätter, die jährlich zwei- bis dreimal erscheinen und
mit
denen
Persönlichkeiten
den
Görlitzern
vermittelt
Leben
werden
und
soll.
Werk
Seit
bedeutender
1992
gibt
Görlitzer
die
Untere
Denkmalschutzbehörde die Schriftenreihe Denkmalpflege in Görlitz heraus. Die Reihe befasst sich mit allen Fragen der Denkmalpflege unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten.
1799 erschien als erste Zeitung, allerdings noch nicht täglich, der Görlitzer Anzeiger in der Stadt. Inhaltlich ist er den heutigen Lokalzeitungen ähnlich. Neben ihm entstand 1840 die Görlitzer Fama mit Beiträgen zur Theaterchronik. Durch sie wurden Sachverhalte der Stadtverordnetensitzungen der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Seit 1850 entstanden in Görlitz weitere Zeitungen, die über Jahrzehnte nebeneinander
erschienen.
Dazu
gehören
das
Görlitzer
Tageblatt,
die
Niederschlesische Zeitung, Görlitzer Nachrichten und Anzeiger und die Görlitzer
Volkszeitung.
sozialdemokratische
In
Blatt,
der
Zeit
Görlitzer
des
Nationalsozialismus
Volkszeitung,
verboten
wurde
das
und
die 93
Niederschlesische Zeitung wurde mit dem Blatt Görlitzer Nachrichten und Anzeiger zur Oberlausitzer Tagespost fusioniert. Erhalten blieb ein Neuer Görlitzer Anzeiger.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren nach kurzer Wiederbelebung der Zeitung Görlitzer Anzeiger und einer neuen Zeitung, Lausitzer Rundschau, die Sächsische Zeitung mit Regionalteil und Die Union mit Regionalteil bestimmend. Die Zeitung Die Kirche erscheint für das evangelische Kirchengebiet. Ausschließlich für die Stadt Görlitz erschienen das Landskronecho, der Kulturspiegel und das Kulturmosaik. Die Großbetriebe in der Stadt, Waggonbau, Maschinenbau, Kema und RFT, gaben in der DDR-Zeit Betriebszeitungen heraus, die sich vorrangig mit innerbetrieblichen Themen befassten und für die Betriebsmitglieder bestimmt waren. Sie thematisierten aber auch Sachverhalte, die von allgemeinem Interesse waren.
Ein neues Zeitungsspektrum entstand nach dem gesellschaftlichen Umbruch. Die Sächsische Zeitung blieb mit einem Regionalteil erhalten. In der Umbruchzeit wurde für zwei Jahre wieder die Zeitung Neuer Görlitzer Anzeiger herausgegeben, der danach von der Görlitzer Zeitung für kurze Zeit weitergeführt wurde. Als Postwurfsendung existieren seit 1991 der Görlitzer Wochenspiegel und der Niederschlesische Kurier.
Fotografie Das Medium der Fotografie war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in Görlitz vertreten. Zu diesem Zeitpunkt gab es sechs Fotoateliers. Moritz Ackermann und Gustav Eduard Böhme verbanden noch den Beruf des Malers mit dem eines Fotografen. Waren die ersten Fotografen noch vorrangig Porträtisten, so war Robert Scholz der erste Görlitzer Fotograf, der das gesamte Spektrum von Möglichkeiten nutzte. Er gründete 1867 eine „Photographische Anstalt“. Weltweit gefragt und mit internationalen Preisen ausgezeichnet, gilt er als herausragender Fotochronist der Stadt. Er begann aus seinen Fotos Ansichtskarten zu fertigen und wirkte dadurch nachdrücklich mit seiner Kunst weit über die Stadt hinaus.
Die Fotografie wurde bald zu einem allgemeinen Medium, das über den künstlerischen Anspruch weitere Aufgaben im öffentlichen und privaten Bereich zu 94
erfüllen hatte. Bekannte Fotoateliers in Görlitz waren neben dem Atelier Scholz das Atelier Jäschke, das Atelier Wolff und das Atelier Neuse. Fotodokumentaristen und Fotografen,
die
gegenwärtig
Beiträge
für
Ansichtskarten,
Zeitungen
und
Bucheditionen leisten, sind T. Fiedler, H. Brettschneider und R. Kitte.
Zur Förderung der künstlerischen Fotografie in der breiten Öffentlichkeit veranstaltet die Stadtbibliothek jährlich einen mit Preisen versehenen Fotowettbewerb zu unterschiedlichen Themen. In jüngerer Zeit entstand eine Vielzahl von Fotobänden zu Görlitz, die entweder ganz neu hergestellt wurden oder auf den reichen Fundus der Fotosammlung im Ratsarchiv zurückgreifen.
Görlitz
galt
auch
über
viele
Jahrzehnte
als
bedeutender
Standort
der
Fotoindustrie.1881 wurde die erste Firma zur Herstellung fotografischer Apparate gegründet. Diese Industrie existierte bis zum gesellschaftlichen Umbruch in Görlitz. Ihrer Erforschung widmet sich heute die Gesellschaft für das Museum der Fotografie e. V.
Film Als der Kinofilm Anfang des 20. Jahrhunderts ein Massenmedium zu werden begann, wurde auch in Görlitz das erste Kino gegründet. 1909 wurde in der Hospitalstraße das Apollo-Theater mit 250 Plätzen eröffnet. 1911 entstand das Union-Theater im Wilhelmstheater mit 1.000 Plätzen. Dort wurde 1929 auch der erste Tonfilm gespielt. Es folgten 1913 das Passage-Theater, 1920 die Südstadtlichtspiele und 1922 das Ufa-Theater und das Capitol. Diese Kinos blieben bis auf das Union-Theater und die Südstadtlichtspiele, die nach dem Krieg nicht mehr bespielt wurden, erhalten. Während der DDR-Zeit wurde in Weinhübel ein Kino eröffnet und das PassageTheater geschlossen.
Das Filmangebot in der Stadt entsprach dem allgemeinen Angebot. Unter den Filmangeboten
während
der
DDR-Zeit
gab
es
zielgruppenorientierte
Veranstaltungen, die fester Bestandteil des Kinoveranstaltungsbetriebes waren. Dazu gehörten die sonntagsvormittäglichen Matineeveranstaltungen für Kinder, in denen vor allem Märchen- und Kinderfilme gezeigt wurden und Filmprogramme, die während
der
Schulferien,
insbesondere
für
Kinder,
die
ihre
Ferien
in 95
Schulferienlagern verbrachten, gezeigt wurden. Filme, deren Themen die Nazizeit und die kommunistische Gegenwart waren, wurden häufig in Pflichtveranstaltungen für Schüler und Lehrlinge vorgeführt.
Ein politisches, aber auch ein filmkünstlerisches Ereignis war die jährliche Woche des sowjetischen Kinofilms, später des sowjetischen Kino- und Fernsehfilms. Zu diesem
Anlass
wurden
thematisch
verschiedene
Filme
des
sowjetischen
Filmschaffens gezeigt. Die Filmveranstaltungen waren mitunter durch Programme zu Wirtschaft, Politik und Kultur der Sowjetunion gerahmt, so dass diese Woche zu einem Kulturereignis wurde.
Beliebt waren auch die Open-Air-Veranstaltungen während der Sommermonate auf der Freilichtbühne im Stadtpark. Hier liefen insbesondere Filme, die der Unterhaltung zuzuordnen waren. Zwischen 1964 und 1968 wurde in Görlitz der „Görlitzer Filmklub“ gegründet, der neben Leipzig und Freiberg zu den einzigen in der DDR gehörte, der dafür ein eigenes Haus, das Apollo, zur Verfügung hatte und der überdies neben den beiden genannten Städten die Grundlage für bedeutungsvollere Gründungen legte. In Görlitz war dies die Gründung des Klubkinos im Apollo in den 80er Jahren. In ihm wurde „der
besondere
Film“
aus
verschiedenen
Ländern
in
einer
gepflegten
gastronomischen Atmosphäre gezeigt. Die Vorführungen wurden meistenteils durch Einführungen
und
anschließende
Filmdiskussionen
ergänzt.
Nach
dem
gesellschaftlichen Umbruch wurde das Klubkino geschlossen. Es war anschließend kurze Zeit eine Klubgaststätte mit Kulturprogrammen und ist heute Spielstätte des Theaters Görlitz. Ebenso wurde das Capitol nach 1990 geschlossen und zu einer Videothek umfunktioniert. Gegenwärtig befindet sich darin eine Spielothek. Erhalten blieb das Palast-Kino. Mit der Privatisierung wurde es umgebaut. Es erhielt vier weitere Kinosäle, die mit verschiedenen Filmangeboten zur Verfügung stehen. Neben dem kommerzialisierten Kinobetrieb ist die Reihe „Extrakino“ geschaffen worden, in der Filme laufen, die weniger zum sogenannten Mainstream gehören.
96
Weitere Initiativen Als Ergänzung zum Angebot im Palast-Kino entstanden bald nach dem gesellschaftlichen Umbruch verschiedene Initiativen auf privater und kommunaler Ebene. Der Filmklub von der Rolle, ein Verein, zeigt bedeutende Streifen aus der internationalen Filmgeschichte mit einer besonderen Betonung des deutschen Films. Die aktuellen Filmangebote des Klubs laufen selten oder gar nicht im kommerziellen Kino. Das Camillo, ebenfalls ein Verein, zeigt ein ähnliches Angebot. Es bietet auch kulturell umrahmte Filmabende bzw. thematische Abende. Das Kulturamt veranstaltet jährlich Filmtage, die einem Land gewidmet sind. Das Filmprogramm wird durch ein Kulturprogramm umrahmt, um den Film in das kulturelle Umfeld des jeweiligen Landes einzubetten. Auf diese Weise sind in den vergangenen Jahren kleine Kulturtage zum entsprechenden Land entstanden. Seit zwei Jahren finden in der Hochschule
deutsch-polnische
Kurzfilmtage
statt,
zu
denen
Laien
ihre
Filmproduktionen zeigen.
Rundfunk Görlitz empfing bis 1937 in einer einigermaßen guten Qualität nur den Deutschlandsender. Der für Schlesien zuständige Sender, der Reichssender Breslau, wurde nur in mangelhafter Qualität empfangen und hatte überdies ein Programm, das sich der Region Oberlausitz nicht verpflichtet fühlte. Das war Anlass, den Sender Görlitz aufzubauen. Ziel war nicht nur ein technisch besserer Empfang für die Oberlausitzer, sondern auch die Vermittlung des gesamten Spektrums der Kultur dieser Region aus Vergangenheit und Gegenwart. Das wurde durch Konzerte, Heimatmusik, Vorträge und Gespräche realisiert. Mit diesem Programm sollte der Sender eine Brückenfunktion wahrnehmen und das Kulturland Oberlausitz über seine Grenzen hinaus bekannt machen. Im Mai 1937 wurde die erste Sendung „Rund um die Landeskrone“ aus dem Sendesaal des Ständehauses ausgestrahlt. Der Sender selbst befand sich in Reichenbach. In der DDR-Zeit konnten in Görlitz die üblichen Sender empfangen werden. Für kommunale Informationen stand ein Stadtsender zur Verfügung, der über Lautsprecher im öffentlichen Bereich Informationen weitergab.
Nach dem gesellschaftlichen Umbruch entstand 1993 in Görlitz der regionale Sender Radio Lausitz. Allgemeine Kurznachrichten, Informationen aus der Region in 97
verschiedenen Formen, Popularmusik und Werbung gehören zu seinem Programm. Der Mitteldeutsche Rundfunk unterhält in Görlitz ein Korrespondentenbüro, Radio PSR unterhielt bis zum Jahr 2001 eine Außenstelle in Görlitz.
Es ist anzunehmen, dass es in Görlitz auch private Sender gibt, die nationale und internationale Verbindungen herstellen.
Fernsehen In Görlitz konnte man zur DDR-Zeit die Programme des DDR-Fernsehens empfangen. Nach 1990 war es erstmals möglich, bundesdeutsche und andere Programme zu sehen. Seit 1992 gibt es in Görlitz einen privaten Fernsehsender, Euro-Regional-TV, der von einem großen Teil der Görlitzer Haushalte und in der umliegenden Region empfangen werden kann. Der Sender berichtet über mehrere Stunden täglich über das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Stadt und bringt auch Werbung kommunaler und regionaler Unternehmen.
Internet Mit dem gesellschaftlichen Umbruch wurde es auch möglich, sich des Internets zu bedienen. Abgesehen von Unternehmen und Körperschaften, in denen es häufig zur kommunikativen Grundausstattung gehört, wird es auch in privaten Haushalten zunehmend genutzt. Anfang der 90er Jahre gab es für kurze Zeit in der Theaterpassage ein Internetcafé. Öffentlichen Zugang zum Internet gibt es seit 2001 in der Stadtbibliothek und neuerdings in einem Internetcafé auf dem Klosterplatz.
98
8. Soziokultur
Geschichte und Gegenwart
Das Wort Soziokultur erklärt sich aus einem erweiterten Kulturbegriff, der auf ein anderes Kunstverständnis zurückgeht und besonders in den Arbeiten von Josef Beuys und Marcel Duchamp seinen Ausdruck findet. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts findet er Eingang in die wissenschaftliche Diskussion. Ihm liegen ein reformerisches Kunstverständnis, eine Diskussion um eine neue politische Kultur und alternative Formen kultureller Praxis zu Grunde. Diese Erweiterung des Kulturbegriffes hat weitreichende Auswirkungen auf die Kulturpolitik, da Kultur viel umfassender interpretiert wird, was unter anderem Folgen für das Kulturbudget einer Kommune hat.
Soziokultur ist ein Begriff, den es in der Kulturgeschichte der DDR nicht gab. Dennoch gibt es Sachverhalte, die mit dem Prinzip „Kultur für alle – Kultur von allen“ etwas zu tun haben. Wenn Soziokultur unter anderem die Möglichkeit zu eigener Kreativität ist und dadurch der Gestaltungswille des Menschen eine Form erhält, dann gehören solche Aktivitäten wie sie beispielsweise in den Jugendklubs, in den Singebewegungen,
in
den
Kulturkabinetten,
im
Kulturbund,
in
den
Volkskunstbewegungen, in den vielen Zirkeln der Betriebe: Laienspielzirkel, Zirkel schreibender Arbeiter, Fotozirkel usw., dazu. Alle diese Möglichkeiten gehören nicht zur Soziokultur, wenn man diese Aktivitäten an der Idee misst, die zur Soziokultur führte und die auch heute noch ihr Grundmerkmal ist. Es geht um die aktive Teilnahme des Einzelnen an der Gestaltung der Lebenswelt. Emanzipation und Individualisierung, letztlich Demokratisierung der Gesellschaft sind wesentliche Merkmale von ihr. Die vielen kreativen Zirkel und Aktivitäten in der DDR fanden in einem
anderen
politischen
Rahmen
statt,
hatten
aber
sicher
auch
persönlichkeitsbildende Wirkung. Seit dem gesellschaftlichen Umbruch bildete sich in Görlitz Soziokultur heraus, die es seit dieser Zeit in unterschiedlichen Facetten gibt. Organisatorisch findet sie in vielfältigen Formen statt. Ihre Betreuung und Förderung erfolgt in der überwiegenden Mehrzahl über das Jugendamt. Häufig überschneidet sie sich mit Bildungs- und Sozialarbeit. Neben dem übergreifenden Tätigkeitsschwerpunkt Jugendsozialarbeit 99
profilierten sich fast alle Soziokulturinitiativen auf einzelnen künstlerisch-kulturellen Gebieten. Vor allem populäre Musikrichtungen sind ein wichtiger Kristallisationspunkt für Jugendkulturen und bieten demzufolge wichtige Identifikationsangebote für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dennoch gibt es auch eine Reihe anderer Aktivitäten in der Soziokultur der Stadt.
Als beispielhaft für die Entwicklung in der Musikszene kann der Torso e. V. als Koordinator
derselben
gelten.
Er
entstand
1993
aus
einem
Wohnprojekt
(Hausbesetzerszene) in der Schützenstraße. Dort unterhält der Verein noch immer ein Café. Neben der Jugendsozialarbeit wurde zunächst ein kulturell-künstlerisches Profil aufgebaut, in dessen Mittelpunkt populäre Musikrichtungen sowie ein Fotolabor standen.
Später
kamen
die
Proben-
und
Veranstaltungsorte
ehemaliger
Luftschutzbunker und seit 2000 die Industriehalle Tonwerk in der Rauschwalder Straße hinzu, die inzwischen aus Umweltschutzgründen durch andere Räume ersetzt werden soll. In ihr ist nicht nur für Konzerte, sondern auch für Skater Raum vorhanden. Die Skaterhalle wurde aus den genannten Gründen schon früher wieder geschlossen. Der Verein hat zurzeit ein mobiles „Beschallungsprojekt“ aufgebaut. Die für Musikveranstaltungen nötige Tontechnik soll auch anderen Bands bzw. Vereinen zur Verfügung gestellt werden. Der Verein wurde durch das Jugendamt institutionell gefördert.
Ursprung des Vereins Ca-Tee-Drale e. V. ist die sozial-diakonische Jugendarbeit in der DDR-Zeit. 1990 gründete sich der christlich geprägte Verein, der seine Wirkungsfelder nicht nur in der Kinder- und Jugendsozialarbeit sieht, sondern auch auf
kulturellem,
karitativem
bzw.
sozialem,
gesundheitserzieherischem,
kommunikativem und missionarischem Gebiet. Der anerkannte Träger der freien Jugendarbeit betreibt ein freies Jugendbegegnungszentrum. Auf kulturellem Gebiet sieht die Ca-Tee-Drale ihre Schwerpunkte in der kreativen Arbeit mit neuen Medien. Dazu
gehören
Internetnutzung
die Bereiche digitale
Video-,
und
Internet-Homepages.
Gestaltung
von
Foto- und Musikbearbeitung, Angehörige
der
Arbeitsgruppen Fotografie und Video nahmen am Wettbewerb der Stadtbibliothek und anderen Ausscheiden sowie an Filmtagen teil. Sie erhielten für ihre Filme wiederholt Preise. Darüber hinaus finden im Vereinshaus regelmäßig ProgrammKinoveranstaltungen statt. Über die Filme wird anschließend mit den Jugendlichen 100
diskutiert. Der Verein unterhält zudem einen Mal- und Zeichenzirkel und weitere Kurse, die zur künstlerischen Kreativität auffordern. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Musikbereich. Im Jugendbegegnungszentrum erhalten junge Bands die Möglichkeit sich vorzustellen. Neuerdings können sie zudem einen Probenraum im Haus nutzen. Seit dem Jahr 2001 ist es möglich, einen Trommelworkshop zu besuchen.
Ein weiterer wichtiger Verein der Soziokultur ist das Jugendhaus Basta, in dem der Holzwurm e. V. tätig ist. Dort fanden bis zum Jahr 2001 sowohl Discos und Musikveranstaltungen als auch thematische Abende statt, zu denen auch Akteure aus dem Dreiländereck eingeladen wurden. Zu den regelmäßigen Besuchern dieses Hauses
gehören
auch
polnische
Jugendliche.
Der
Verein
gestaltete
grenzübergreifende Projekte wie beispielsweise „Grenzenlos“ 1999. Das Haus wurde aus bautechnischen Gründen geschlossen, über eine ABM und Eigenleistungen des Vereins wieder hergerichtet und inzwischen wieder geöffnet. Der Hartholz e. V. ging 2001 aus der Kinder- und Jugendfarm hervor und beschäftigte sich vor allem mit der Rockszene. Er bemühte sich um Übernahme des Scultetusclubs. Inzwischen gab er seine Arbeit auf. Seit dem Jahr 2000 arbeitet das soziokulturelle Zentrum Camillo in der Galerie artemision im Handwerk. Es sieht seine besondere Aufgabe im Angebot von Programmkino, Musikprojekten und in der Vorstellung von Beiträgen fremder Kulturen. Die Initiative, die als Verein arbeitet, betreibt darüber hinaus eine gastronomische Einrichtung. Seit Herbst dieses Jahres besteht die Neißegalerie (siehe Kapitel bildende Kunst).
Die Soziokulturszene zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität und Spontaneität aus. Es entstehen rasch neue Initiativen bzw. die inhaltlichen Ausrichtungen ändern sich häufig.
101
9. Veranstaltungen im öffentlichen Raum
Geschichte und Gegenwart
Der öffentliche städtische Raum spielte in der Vergangenheit im gesellschaftlichen Leben einer Stadt eine weitaus größere Rolle als heutzutage. Zunehmende Individualisierung der Gesellschaft und eine damit einhergehende Vielzahl von Faktoren, die unter anderem zu einer stetig steigenden Bedeutung des Innenraumes führte, brachte es auch in Görlitz mit sich, dass die für viele Menschen geschaffenen Plätze eher verwaist bleiben oder nur unter bestimmten Bedingungen aufgesucht werden. Das öffentliche Leben war einerseits vom Festkalender der Kirche geprägt, zum anderen gab es aber auch Feste, die mit der gesellschaftlichen Struktur der Stadt im Zusammenhang standen.
Eine der bekanntesten und über Jahrhunderte wiederkehrende Veranstaltung ist das Schützenfest in Görlitz. 1377 wird in der Stadt eine Schützengesellschaft erstmals urkundlich erwähnt. In der Blütezeit der Stadt wirkte dieses Ereignis weit über die Stadtgrenzen hinaus. Es wurden auch Vereine von außerhalb zu diesem Ereignis nach Görlitz eingeladen. Im Jahr 1942 wurde es zum letzten Mal veranstaltet, 1990 wurde wieder an die Tradition angeknüpft. Ein anderes, ursprünglich im Mittelalter begründetes bedeutendes Ereignis war das Gregoriusfest, ein Schulfest, nach dem Patron der christlichen Schulen, Papst Gregor dem Großen, benannt. In Görlitz fand es bis ins 18. Jahrhundert statt. Historische Umzüge, Schauspiele, Redeübungen und das Einsammeln milder Gaben waren sein wesentlicher Inhalt. Besonders die historischen Umzüge nahmen im Verlauf der Jahre einen Umfang an, der fast mit denen zu vergleichen ist, die in jüngerer Vergangenheit stattfanden. Gegenstand von Auseinandersetzungen wurden im 19. Jahrhundert die Neujahrsumzüge, die seit dem Mittelalter üblich waren und bis 1847 durchgeführt wurden. Sie dienten der Sammlung von Almosen für Armenschüler und Waisenkinder. Ebenfalls bekannt ist die „Rats-Chür“. Sie wurde anlässlich der Einführung des neuen Rates der Stadt, die mit einem prächtigen Umzug und einem gemeinsamen, reichhaltigen Mal begangen wurde, durchgeführt. Die Ausrichtung von Märkten mit kultureller Umrahmung, Kirchweihfest, Adventsumzüge, Fastnachtsumzüge, Walpurgisfeuer, Johannisfeuer und Prozessionen sind als sicher anzunehmen. In der jüngeren 102
Vergangenheit (1910) sind ein Christkindelmarkt und eine Oberlausitzer Festwoche (1927) nachgewiesen.
In der DDR-Zeit wurde eine neue Festkultur entwickelt, die dem Charakter des gesellschaftlichen Systems entsprach. Es waren einerseits Feste, die dem politischen Kalender folgten, andererseits solche, die traditionelle Termine wieder aufnahmen und solche, die ganz neu geschaffen wurden. Typisch für die überwiegende
Mehrzahl
der
Veranstaltungen
war
der
Volksfestcharakter.
Übernommen wurde die Tradition des Weihnachtsmarktes. In den letzten Jahren der DDR-Zeit fand er auf der Elisabethstraße statt. Diese war aufwendig weihnachtlich gestaltet und der Markt wurde durch ein Kulturprogramm umrahmt. Damit einher ging eine aufmerksame Gestaltung der Stadt, insbesondere des Marien- und Postplatzes sowie der Schaufenster der Geschäfte in der Innenstadt. In einer wenn auch nicht bewusst aufgenommenen Tradition standen die großen Faschingsumzüge in den 50er Jahren. Es waren Umzüge mit großen, phantasievoll gestalteten Figuren, mit bunten Wagen und maskierten Personen. Abschließend wurde in der Stadthalle über viele Jahre eine große Faschingsveranstaltung durchgeführt. Sie fand auch noch statt, als es die großen Umzüge nicht mehr gab. Die Stadtfeste stehen in der Tradition der Schützenfeste. Anfänglich wurden sie als Heimatfest durchgeführt. Später standen sie unter dem Motto „Fest des Friedens und der Völkerfreundschaft“. Häufig zogen sie sich über mehrere große Plätze der Innenstadt und umfassten sowohl den sogenannten Rummelplatz als auch Kulturprogramme am Ort oder in Einrichtungen. Ein herausragendes Stadtfest war die 900-Jahrfeier der Stadt 1971. Neben einem historisch geprägten Markt auf dem Untermarkt wurde ein großer historischer Umzug veranstaltet, in dem geschichtliche Ereignisse der Stadt nachgestaltet wurden. Die Jahrmärkte, Rummelplätze, wurden weitergeführt. Gastveranstaltungen von großen Zirkussen waren meistens zweimal jährlich üblich. Im Volks- und Helenenbad wurden in den Sommermonaten Strandfeste organisiert, die sich einer großen Beliebtheit erfreuten. Da die großen volkseigenen Betriebe auch Kulturträger waren,
wurden
Betriebsfestspiele
ausgerichtet. Sie waren häufig mit Wohngebietsfesten verbunden, und wenn sich im Wohngebiet eine Schule befand, wurde sie ebenfalls mit einbezogen. Diese Veranstaltungen waren häufig eine Mischung aus Kultur und Sport und fanden sowohl im öffentlichen Bereich als auch in Einrichtungen statt. 103
Seit dem gesellschaftlichen Umbruch veränderte sich die Festkultur wiederum, ohne alle Traditionen der vorausgegangenen Zeit aufzugeben. Die Veranstaltungen, die im öffentlichen
städtischen
Raum
angeboten
werden,
haben
nicht
mehr nur
Volksfestcharakter, sondern sprechen unterschiedliche Zielgruppen an. Nicht wenige der Angebote befinden sich noch in der Entwicklung und variieren in Inhalt und Form.
Der Weihnachtsmarkt des Aktionsringes für Handel auf dem Marienplatz knüpft eher an die Tradition der Weihnachtsmärkte zur DDR-Zeit an und wird heute als kommerzieller Markt definiert. Der Görlitzer Christkindelmarkt auf dem Untermarkt nimmt die älteren Überlieferungen auf und bemüht sich, altes schlesisches Brauchtum wiederzubeleben. Dieser Markt setzt auf ein Kulturereignis. Beide Märkte und beide Traditionslinien konnten erstmals im Jahr 2001 an einem gemeinsamen Ort auf dem Obermarkt miteinander verbunden werden. Das Stadtfest findet jährlich als Altstadtfest statt. Herausragend und beispielgebend war die 925-Jahrfeier mit einem Fest, das Traditionen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart aufnahm. Höhepunkt war wiederum ein historischer Festumzug. In den vergangenen Jahren entwickelten sich die Feste unter einer breiten Bürgerbeteiligung. Durch Mithilfe engagierter Einwohner wird an einem schlüssigen Konzept des Festes gearbeitet. Die Jahrmärkte, Rummelplätze, finden jährlich zweimal im Kidrontal statt. Hier gastieren auch Zirkusse. Die Tradition der Wohngebietsfeste hat sich ebenfalls fortgesetzt.
Hinzugekommen
sind
Straßenfeste,
die
dem
Charakter
der
Wohngebietsfeste gleichen. Auch hier steht das bürgerschaftliche Engagement im Vordergrund.
Auf
dem
Postplatz
findet
jährlich
seit Wiedererrichtung
der
Muschelminna das Muschelminnafest als Volksfest statt, veranstaltet vom Aktionskreis für Görlitz e. V., an dem sich inzwischen auch die Frauenkirchgemeinde aktiv beteiligt. Der Schlesische Tippelmarkt ist ein Töpfermarkt, der an die reiche schlesische Töpfertradition erinnert und mit dem wie beim Görlitzer Christkindelmarkt schlesisches Brauchtum wiederbelebt werden soll. Seit einigen Jahren wurde es zur Tradition, dass die Kirchengemeinden der Stadt auf dem Untermarkt gemeinsam im November das Martinsfest feiern. Zu den Veranstaltungen, die sich inzwischen großer Beliebtheit erfreuen, gehören das Waschtrogpaddeln auf der Neiße, das der evangelische Stadtjugendring veranstaltet und das Fest Wir, die Neißekinder, das vom Kulturbüro der Stadthalle und vom Dom Kultury veranstaltet wird. Am Waschtrogpaddeln nehmen inzwischen auch Kinder und Jugendliche aus dem 104
Umland und aus Polen teil. Zunehmender Beliebtheit erfreut sich das Boulefest, das von französischen Mitbürgern und Freunden der französischen Kultur ins Leben gerufen
wurde.
deutschlandweit
Herausragend begangen
ist
wird.
der Am
Tag
des
zweiten
offenen Denkmals,
Septemberwochenende
der sind
restaurierte oder in Restaurierung befindliche Denkmale zu besichtigen. Die Veranstaltung wird von Ausstellungen begleitet, die dem Inhalt des Tages verpflichtet sind. Seit der zentralen Eröffnung des Tages für Deutschland im Jahr 2000 in Görlitz wird der Tag durch ein Kulturprogramm umrahmt, das insbesondere Bezug auf die Epoche der Renaissance in der Stadt nimmt. Die Veranstaltungen finden sowohl im öffentlichen Raum der Altstadt als auch in geeigneten Räumen statt. Das Straßentheaterfestival ViaThea gehört ebenfalls zu den neuen Ereignissen auf Görlitzer Straßen und Plätzen. Hierzu werden Straßentheatergruppen aus Europa und anderen Ländern nach Görlitz eingeladen, um alternative Theatererlebnisse neben dem Theater am Demianiplatz zu schaffen. Es beinhaltet auch die Präsentation von Straßenkunst. Die Veranstaltung wurde inzwischen zu einem überregionalen Ereignis. Die Görlitzer Jazztage auf dem Untermarkt stehen in der Tradition der Dixielandveranstaltungen im Stadthallengarten. Ihr Anspruch ist jedoch höher und ihre Wirkung reicht über Görlitz hinaus. Sporadische Filmnächte auf dem Untermarkt fanden in unregelmäßigen Abständen statt. Sie nehmen eine Tradition wieder auf, die in den Filmnächten auf der Freilichtbühne im Stadtpark ihren Ursprung hat. Auf dieser Bühne fanden zur DDR-Zeit auch Theater und Konzertveranstaltungen statt. Seit dem gesellschaftlichen Umbruch wird dafür häufig der Untermarkt genutzt.
105
10. Kunst im öffentlichen Raum
Geschichte und Gegenwart Der Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ ist eine Schöpfung aus dem Jahre 1973 aus Bremen. Der öffentliche Raum wird in der Literatur auch als politischer bezeichnet im Gegensatz zum privaten des Individuums. Der öffentliche Raum hatte in der Vergangenheit wesentlich größere Bedeutung als gegenwärtig. Das trifft sowohl für die Agora in der griechischen Antike, für das Forum in der römischen Antike, für den Markt im Mittelalter als auch für Plätze und Parks im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert
zu.
Seine
Belebung
steht
durch
vollkommen
veränderte
Lebensgewohnheiten des Individuums als auch durch stadtplanerische Aktivitäten vor neuen Herausforderungen.
In Görlitz blieb Kunst im öffentlichen Raum aus fast allen Epochen der Stadtgeschichte bis in die Gegenwart erhalten. Sie findet ihren Ausdruck besonders als Kunst am Bau. Sowohl an Sakral- als auch Profanbauten ist sie bis in die jüngste Vergangenheit in vielfältigen Formen zu finden. Da sie von außerordentlicher Fülle ist, können nur herausragende Beispiele diese Kunst belegen.
Der Zierrat an Fenstern und Portalen gotischer Kirchen, insbesondere das Portal an der Nikolaikirche, Portale, Maßwerk und Wasserspeier an der Kirche St. Peter und Paul, Portal und Maßwerk an der Frauenkirche, die Plastiken biblischer Figuren bzw. Heiliger zwischen den Fensterzonen an der Annenkapelle sind gotische Beispiele. Selbst Wehranlagen wurden künstlerisch aufgewertet. Das ehemalige Frauentor erhielt 1477 ein reich ausgeschmücktes Görlitzer Stadtwappen, gerahmt von Maria mit dem Kind und der heiligen Barbara. Nach Abriss des Tores fand es einen neuen Platz am Frauenturm. Ursprünglich hatte es wie viele andere bildkünstlerische Arbeiten aus dieser und der folgenden Zeit eine farbige Fassung. Ebenfalls aus spätgotischer Zeit (1488) stammt das Wappen des Ungarnkönigs Matthias Corvinus am Rathaus.
Viele in der Renaissance entstandene Häuser erhielten reich gestaltete Portale mit Flachreliefs,
Gaffköpfen,
als
Porträt
ausgebildete
Konsolen,
geschmückte 106
Bogenläufe, künstlerisch gestaltete Fensterrahmungen. Die farbigen Fassungen einiger Portale und anderer künstlerischer Elemente wurden im Rahmen aufwendiger Restaurierungen in den vergangenen Jahren wieder hergestellt. Mitunter überziehen Reliefs (Biblisches Haus 1570) oder Malereien (Ratsapotheke um 1550) die gesamte Hausfassade. Die Rathaustreppe mit der Justitiasäule, deren Justitia 1952 ersetzt wurde, der reich geschmückten Kanzel und dem Renaissanceportal zum Gerichtssaal ist ein besonders hervorragendes Beispiel für Kunst am Bau aus der ersten Blütezeit unserer Stadt. Die bildkünstlerischen Schöpfungen haben neben ihrer Wirkung als Fassadendekor häufig auch eine inhaltliche Bedeutung. Am Biblischen Haus einerseits und an der Ratsapotheke andererseits kommt das Spannungsfeld weltanschaulicher Neuorientierung der Renaissance bei Wahrung überkommener Werte besonders augenfällig zum Ausdruck.
Zu einem bemerkenswerten Beispiel für die künstlerische Gestaltung am Baukörper während
des
Barock
gehört
das
Haus
Neißstraße
20
mit
seiner
Akanthusblattbemalung, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstand und in dieser Version als Stadthaus einmalig für die Oberlausitz ist. Das 1714 entstandene Portal des neuen Kaufhauses am Untermarkt mit den Skulpturen auf dem Portalaufsatz, die Wohlstand und Selbsterkenntnis allegorisieren, und das reich gegliederte
Portal
des
Hauses
Neißstraße
30,
ebenfalls
mit
figuralen
Steinmetzarbeiten, Allegorien der Klugheit und Gerechtigkeit, als Höhepunkt der ebenso reich geschmückten Fassade (um 1728) sind Beispiele für den Einfluss Dresdner Barocks in Görlitz.
Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Stadt eine zunehmende Erweiterung erfuhr, wurden die neuen Wohnhäuser ebenso wie die Funktionsbauten zunächst mit vielfältig kombinierten Schmuckelementen, deren Formen aus vorangegangenen Kunstepochen entweder direkt entlehnt oder variiert wurden, reich verziert. Zu dieser historistischen Architektur kamen dann seit dem Jugendstil ganz neue Architekturstile hinzu, die eine entsprechende Fassadengestaltung erhielten, wie beispielsweise einige Wohnhäuser in der Joliot-Curie-Straße oder die evangelische Kreuzkirche und das Krematorium. Die Elemente der bildenden Kunst, mit denen die Wohn- und Funktionsbauten verblendet wurden, waren zunehmend gegossene Formen. Zu den wenigen Ausnahmen, an denen noch Steinmetzarbeiten ausgeführt wurden, gehören 107
beispielsweise das heutige Karstadt Kaufhaus, an dessen steinverblendeter Südfassade Skulpturen die Pfeilerecken schmücken oder die heutige Commerzbank auf der Berliner Straße, deren ebenfalls steinverblendete Fassade Skulpturen schmücken, die Symbole der Wirtschaft darstellen. Die seit Ende des Ersten Weltkrieges entstandene Architektur beschränkte sich im wesentlichen auf eine Funktion. Künstlerisch dominante Gestaltungen am Bau wurden eher selten eingefügt. An der Reichertstraße wurden an einigen Häusern, die um 1930 entstanden, an den zur Straße zeigenden Giebelseiten Sgraffitis aufgebracht, die im Rahmen der Rekonstruktion der Gebäude restauriert wurden. Diese alte italienische Technik wurde bereits in der Renaissance in Görlitz angewandt. An der Schlesischen Straße in Königshufen wurde an einem Wohnblock zwischen Marktkauf und Kö-Passage in der Zwischenzone über einem Ladenbereich ein Paneel farblich gestalteter Metallplatten montiert. Sie wurden aber als künstlerisches Gestaltungselement an der Fassade nicht erkannt und durch eine aufgebrachte Werbung beschädigt.
Die schmückenden künstlerischen Elemente an den Gebäuden wurden im Laufe der Jahre vor allem durch schädigende Umwelteinflüsse und durch mangelnde Pflege erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Häufig wurden sie bei Renovierungsarbeiten auch entfernt oder nur mangelhaft instandgesetzt. Teilweise, aber eher selten, fielen sie dem Zeitgeschmack zum Opfer. Mit dem gesellschaftlichen Umbruch und einer Reprivatisierung erhielt eine Vielzahl von Gebäuden ihr altes Aussehen durch aufwändige Rekonstruktion wieder.
Die zwischen der Architektur entstandenen Räume, Straßen und Plätze, erhielten im Verlauf der Stadtgeschichte immer wieder unterschiedliche Gestaltungen. Das trifft weniger für die Altstadt zu. Die hier vorhandenen Plätze sind eher offene Räume, die anderen Funktionen dienten. Als diese wegfielen, blieben die meisten Räume im wesentlichen so erhalten. Eine Ausnahme bildet die Südseite des Untermarktes. Der Neptunbrunnen von 1756, der hier aufgestellt worden ist, ist nicht nur ein optisches Schmuckelement für den Platz, sondern auch ein akustischer Fixpunkt durch das Plätschern des Wassers. Dadurch wurde der Platz zu einem Ort der Muße, der eher zu einem Spaziergang als zur Arbeit einlädt. Mit dem Versuch, ihm die Funktion eines Autoparkplatzes zu entziehen, wird wieder auf das ursprüngliche Anliegen 108
orientiert. Die Möblierung mit Bänken und Pflanzkübeln, die ihre Ergänzung auf der Nordseite findet, soll die ursprüngliche Absicht unterstützen. Ein viel älterer Brunnen mit der Kopie eines Ritters, deren Original im Museum steht, auf einem Balluster wurde 1590 auf dem Obermarkt aufgestellt. Ursprünglich war er teilweise farbig gefasst. Über das künstlerische Anliegen einer angemessenen Platzgestaltung hinaus enthält er eine wohl ironisierend gemeinte politische Aussage, die durch spätere Veränderungen zustande kam. Der Standort des Brunnens wurde mehrfach zwischen einer seitlichen Stellung neben der Dreifaltigkeitskirche und der Platzmitte gewechselt. Er steht heute restauriert etwa an seiner ursprünglichen Stelle. Die gesamte Platzgestaltung schafft einen Ruhe- und Begegnungsraum abseits von der wenige Meter entfernten Straße.
In die Platzgestaltung in Görlitz werden bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder Brunnen- oder Wasseranlagen einbezogen, die auch akustisch wahrnehmbar sind.
Dazu
gehört
vor
„Muschelminnabrunnen“
allem im
aus
neuen
dem
19.
Stadtzentrum
Jahrhundert mit
der
allegorischen
marmorne Figuren,
Wasserspeiern, die nicht mehr vorhanden sind, und einer bronzenen Allegorie der Flora, die 1942 für Kriegszwecke eingeschmolzen wurde und seit 1992 wieder den Brunnen schmückt. Die ursprünglich vorhandenen mosaikausgelegten Wege zum Brunnen mussten aus verkehrstechnischen Gründen einer Rasenfläche weichen, die jährlich gartenbaukünstlerisch gestaltet wird. Eine ebensolche Kombination ist die Ochsenbastei,
in
der
wechselweise
Zierrabatten
und
Springbrunnen
in
barockisierender Form angelegt wurden. Weniger wahrgenommen auf Grund seines Standortes wird der „Klosterbrunnen“. Versehen mit reichen schmiedeisernen Arbeiten, die den Granit bzw. Sandstein schmücken, steht er mitten im Verkehrsbereich. Im Neubaugebiet in Rauschwalde wurde ein Brunnen aus einer Materialkombination von Stahl und Plast inmitten eines gefliesten Betonbeckens aufgestellt. Die Anlage ist erheblich beschädigt und nicht mehr funktionstüchtig.
Seit dem gesellschaftlichen Umbruch wurden defekte Brunnen wieder in Gang gesetzt, teilweise neu gestaltet oder umgesetzt. So erhielt der Brunnen in der Zaunnische an der Annenkapelle einen Engel aus Bronze statt des früheren Männiken Piss, welches schon in den 60er Jahren verschwand. Der Brunnen an der Nordseite der Apsis der Kapelle erhielt einen bronzenen Dämon statt des früheren 109
defekten Löwenkopfes. Im Karpfengrund wurde in der sich zum Platz ausweitenden Gasse ein Brunnen mit zwei bronzenen Karpfen aufgestellt. Unter einer zurückgesetzten, überwölbten Hausecke am Hainwald wurde eine Bronze badender Kinder einer nachempfundenen Sandsteinbütte zugeordnet. Die Plastik stand ursprünglich in dem Bereich, in dem sich früher das Konzerthaus befand. Die Arbeit ist jetzt deutlich mehr eine Verbindung mit der Architektur eingegangen. Eng verbunden mit dem Waidgarten ist eine wasserspendende Gruppe nachempfundener Kannen aus Edelstahl. Eine Granitbütte mit schlichten Wasserspendern, ebenfalls aus Edelstahl, in einer begrünten Ecke Peterstraße/Sankt Peter und Paul mit einer Sitzgelegenheit, schafft einen Blick- und Ruhepunkt. Eine Granitbütte mit einem bronzenen Paar und umstehenden Steinbänken wurde zu einem Aufenthaltsort auf dem Klosterplatz hinter dem Schwibbogen. Der ursprünglich nur baumbestandene Leipziger Platz erhielt ein Wasserspiel und Betonelemente, die zwischen den Bäumen verteilt sind. Eine vollkommene Veränderung wurde auch auf dem Marienplatz vorgenommen. Ursprünglich stand in der Mitte des Platzes das DemianiDenkmal. Nach seiner Versetzung erhielt der Platz ein großes Wasserbecken mit einer später hinzugefügten Fontäne. In die Neugestaltung wurde ein Wasserspiel einbezogen und der Platz wurde wieder wie in der Vergangenheit mit Bäumen und Blumen ausgestattet. Sein Stellenwert als Ort der Begegnung im öffentlichen Raum wurde seitdem deutlich größer. Der ehemalige Christoph-Lüders-Platz und nachmalige
Sonnenplan
wurde
nach der Wende
in
Hildegard-Burjan-Platz
umbenannt und umgestaltet. Zwei Wege kreuzen den Platz diagonal. In der Ecke des
südöstlichen
Segmentes
liegt
eine
matt
polierte
Metallhalbkugel,
im
gegenüberliegenden Segment sind an einer Steinkante Metallbänder montiert, die den Namen und Eckdaten zu Hildegard Burjan enthalten.
Seit der Antike wird der öffentliche Raum auch dafür genutzt, um aus ihm einen politischen Handlungsort zu machen oder ihm dafür einen Rahmen zu geben oder nur eine bestimmte Weltanschauung in ihm zu manifestieren. In besonders starkem Maße wurde das im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gemacht. Für die DDR und damit auch für Görlitz gilt, dass dies in ungebrochener Weise weiter so gehandhabt wurde bis zu ihrem Untergang. In Görlitz wurden in der besagten Zeit Standbilder von Politikern, Unternehmern, Künstlern, Gelehrten und anderen Persönlichkeiten aufgestellt. Erst danach begann eine Zeit, in der Werke aufgestellt 110
oder installiert wurden, die allein einem künstlerischen Interesse zuzuordnen sind. Zu den Standbildern der Politik gehört die Plastik von Gottlob Ludwig Demiani, die ursprünglich auf dem Marienplatz stand, dann hinter dem Theater, bis sie schließlich zur Seite in eine Grünanlage zwischen Theater und Kaisertrutz gestellt wurde. Durch eine Generalüberholung wurden Beschädigungen und fehlende Teile wieder in Ordnung gebracht.
Auf dem Obermarkt wurde ein Reiterstandbild von Kaiser
Wilhelm I. aufgestellt, das später auf den Wilhelmsplatz umgesetzt und 1942 für Kriegszwecke eingeschmolzen wurde. Ein Denkmal von Prinz Friedrich Karl von Preußen stand am Blockhaus in Erinnerung an den deutsch-österreichischen Krieg. Das Denkmal wurde ebenfalls 1942 eingeschmolzen. Im Rahmen der Umbenennung des Obermarktes in Leninplatz wurde am Reichenbacher Turm eine Bronzetafel mit einem Leninporträt montiert. Der Turm war nicht Bestandteil zur Kunst am Bau, sondern Träger der Tafel, die sowohl inhaltlich als auch von der Größe her eine eigenständige Bedeutung hatte. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch wurde der Platz wieder in Obermarkt umbenannt und die Tafel demontiert. Ein Denkmal für Ernst Thälmann wurde im Schellergrund aufgestellt, als derselbe den Namen des Politikers erhielt.
Das einzige Denkmal eines Unternehmers im öffentlichen Raum war das des Firmengründers des Waggonbaus, Johann Christoph Lüders. Es stand auf dem heutigen Hildegard-Burjan-Platz und damaligen Lüdersplatz. 1942 fiel es der Bronze wegen dem Krieg zum Opfer. Ein anderes Denkmal, das hier hinzugefügt werden kann, ist das für Robert Oettel, der sich als Hühnerzüchter einen Namen gemacht hatte. Die Anlage aus Stein und Bronze steht abseits im Weinberghaus.
Bei den Künstlerstandbildern bezog sich die Stadt vor allem auf die nationale Kulturgeschichte. Ein Goethedenkmal aus Granit mit seinem Porträt aus Marmor befindet sich am nördlichen Eingang zur Goethestraße. Die ausladenden Steinwölbungen umfassten ursprünglich einen Brunnen, der in den fünfziger Jahren entfernt wurde. Stattdessen wurde in dieser Steineinfassung eine Grünfläche mit Blumen gestaltet. Die Symbolik des Denkmals wurde damit zerstört. Am östlichen Ausgang der Schillerstraße steht eine bronzene Schillerbüste auf einem hohen steinernen Sockel. Als Pendant befindet sich am anderen Ende der Schillerstraße sein Porträt als architekturbezogene Kunst in einer Fassadennische. Auf der 111
Rückseite wurde in der gleichen Weise ein Goetheporträt angebracht. ( Ein weiteres bedeutendes Beispiel so eines konkreten historischen Umgangs mit der Kunst am Bau ist die Löbauer Straße. Am Haus Nr. 7 sind die Pioniere der Fotografie als Porträtbüsten in die Hausfassade eingefügt.) In ehrendem Gedenken an einen deutschlandweit beliebten Lustspielautoren wurde wenige Jahre nach dem Tod des in Görlitz wirkenden Gustav von Moser vor dem Theater ein Denkmal aufgestellt, das 1942 als Kriegsmaterial eingeschmolzen wurde. Im Rahmen der Namensgebung des Gymnasium Augustum in Johannes-Wüsten-Oberschule wurde vor der Schule eine bronzene Porträtplastik auf einem Sockel aufgestellt. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch erhielt die Schule wieder ihren ursprünglichen Namen, Die Plastik wurde am Westeingang der Johannes-Wüsten-Straße unter einer Gedenktafel aufgestellt.
In Beziehung zu seinem ersten Wohnort in Görlitz wurde in der Nähe der Stadthalle ein Denkmal für Jacob Böhme geschaffen, das von einem Brunnen umgeben ist. Wegen der dort entstandenen Grenzanlagen wurde es in den Park des Friedens umgesetzt. Der Brunnen wurde nicht wieder angeschlossen, wodurch das Denkmal ähnlich wie das Goethedenkmal sowohl vom Standort her als auch durch die Nutzung des Brunnens als Pflanzschale seine Bezüge und seinen Sinn verlor. Das Bronzestandbild wurde vollkommen restauriert. Im Stadtpark steht gegenüber einem nicht mehr funktionstüchtigen Brunnen, dessen Figuren zu DDR-Zeiten erneuert wurden, inzwischen aber wieder defekt sind, ein Denkmal für Alexander von Humboldt. In diese Gruppe von Standbildern gehört auch die Bronzestatue von Martin Luther an der Südseite der Lutherkirche. Sie wurde, wie alle Bronzen, Opfer des Zweiten Weltkrieges und konnte erst wieder in den späten DDR-Jahren aus einem Spendenaufkommen wieder errichtet werden.
Mahnmale zu verschiedenen Ereignissen stehen an unterschiedlichen Stellen in der Stadt. Ein Klinkerpfeiler mit schmiedeeisernen Elementen und einer Feuerschale auf der Deckfläche steht an der Dr.-Kahlbaum-Allee für die Opfer der Kriege. Für die Opfer des Nationalsozialismus wurde auf dem damaligen Karl-Marx-Platz und heutigen Wilhelmsplatz ein Mahnmal aus Granit mit dem nach unten weisenden Winkel aus rotem Stein in eine weitläufige Umfassung gestellt. Am östlichen Eingang zum Biesnitzer Grund, in dem sich ein nationalsozialistisches Konzentrationslager befand, wurde ebenfalls ein Mahnmal aufgestellt, das allerdings konkreten Bezug auf 112
dieses Lager nimmt. Es verwahrloste nach dem gesellschaftlichen Umbruch und wurde anlässlich des Schuljubiläums der Melanchthonschule, in deren Pflege es immer war, wieder hergestellt. Alle Mahnmale sind jährlich Orte für Gedenkfeiern, bei denen Kränze und Blumengebinde hingelegt werden.
Im Gelände der katholischen Kreuzkirche steht eine Kreuzigungsgruppe, die zwar umzäunt ist, aber nicht ohne Wirkung darüber hinaus bleibt.
Frühe Beispiele für Arbeiten, die aus künstlerischem Interesse auf Straßen und Plätzen entstanden, sieht man von Brunnenplastiken ab, sind der „Kesselschmied“ und der „sterbende Krieger“. Der bronzene „Kesselschmied“, der ursprünglich auf einem privaten Grundstück stand, wurde später an der Promenadenstraße vor der ehemaligen Hohenzollernburg und nachmaligen ersten Oberschule aufgestellt. Er ist inzwischen restauriert. Die Sandsteinskulptur des „sterbenden Kriegers“ steht im Stadtpark gegenüber dem Goldfischteich in einem Rhododendronhain. Sie steht auf einem Granitsockel und ist leicht beschädigt. Seit dem gesellschaftlichen Umbruch wurde in Görlitz der öffentliche Raum künstlerisch ausschließlich durch auftragsfreie künstlerische Projekte genutzt. Bis heute bildeten sich verschiedene Formen dieser Nutzung heraus. Ihr gemeinsames Merkmal ist der überwiegend temporäre Charakter. Herausragende Beispiele der bildenden Kunst sind die Installation von Sandor Doro auf dem Obermarkt und die beiderseits der Neiße aufgestellte Plastik, „Abwägende Beobachter“, von Giuliano Mauri. Aus dem Bereich der darstellenden Kunst sind dies das jährliche Straßentheater und das Sommertheater. Im musikalischen Bereich sind es Aufführungen der Neuen Lausitzer Philharmonie und die jährlich stattfindenden Jazztage. Neben einer Vielzahl von Gesichtspunkten kommt es hier insbesondere zu einer Begegnung von Generationen und unterschiedlichen sozialen Gruppen. Damit wird ein Gegenpol zur Innenraumwelt geschaffen, der nicht nur eine Platzbelebung ermöglicht, sondern Begegnungs- und Verweilmöglichkeiten schafft.
113
11. Kulturengagement
Geschichte und Gegenwart
In Görlitz gibt es seit vielen Jahrhunderten eine besondere Art der Teilnahme am öffentlichen Leben einerseits und der Anerkennung dieser Teilnahme andererseits. Beides hat ähnlich viele Formen hervorgebracht. Eine bedeutende Form für beide Seiten sind die Stiftungen sowohl von Bürgern der Stadt als auch von Körperschaften für Bürger der Stadt. Sie wurden für die unterschiedlichsten Zwecke geschaffen und trugen auf besondere Weise zur Gestaltung einer kommunalen Gemeinschaft bei. In einem Verzeichnis wurden 1912 über 300 Stiftungen nachgewiesen, die unter Verwaltung der Stadt standen. Sie sind in Abteilungen gegliedert, wovon die „Stiftungen für Bildungszwecke“ und „Stiftungen für sonstige Zwecke“ in diesem Rahmen von Interesse sind. Insgesamt sind 65 Stiftungen für Bildungszwecke verzeichnet und 85 für sonstige Zwecke. Unter letzteren befinden sich sechs bedeutende Kulturstiftungen der Stadt, die wesentlich die kulturelle Infrastruktur von Görlitz prägten. Die Hauptwirkung liegt dabei auf dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Lüders-Stiftung von Erwin Lüders stand für den Ankauf von Kunstwerken der Malerei, der Bildhauerkunst und für die Aufführung von Tonwerken zur Verfügung. Die Müller-Stiftung unterstützte unter anderem das Stadtorchester oder musikalische Aktivitäten sowie den Oberlausitzer Kunstverein. Die EphraimStiftung war vorgesehen für die Erweiterung der Sammlungen der Oberlausitzer Gedenkhalle. Die Henneberg-Stiftung stellte Mittel für die Erhaltung der Oberlausitzer Gedenkhalle und dabei insbesondere für die Gemäldesammlung bereit. Eine weitere Stiftung von Henneberg war eingerichtet worden für die Erweiterung der Oberlausitzer Gedenkhalle. Die Kleefeld-Stiftung stand für die Erhaltung der Oberlausitzer Gedenkhalle und für das Kaiser-Friedrich-Museum zur Verfügung und die Grießdorf-Stiftung für die Erweiterung der Gedenkhalle. Die Zinserträge aus diesen Stiftungen, die zur Verfügung standen, beliefen sich auf etwa 20 Tausend RM im Jahr. Außer diesen Stiftungen gab es noch sogenannte „Besondere Fonds“. Unter ihnen befinden sich der „Fonds für die Ölbilder der Gymnasial-Direktoren“. Mit ihm sollte sicher gestellt werden, dass die Tradition, von ihnen ein Porträt anfertigen zu lassen, seine Fortsetzung findet. Die Müller-Stiftung zum Bau einer städtischen Volksbibliothek belief sich auf 120 Tausend RM. Weitere 20 Tausend RM stellte er 114
für die Unterhaltung der Bibliothek zur Verfügung und aus einer Stiftung noch einmal einen Zinsertrag von etwa 243 RM zur Ergänzung des Bücherbestandes. Die Stiftung zum „Ernst von Wasserschleben´schen Münz- und Medaillen-Kabinett“ fügt zum Kabinett selbst Geld zur Erhaltung und Erweiterung dieser Sammlung hinzu. Die Stiftungen für Bildungszwecke gehören zu den ältesten in unserer Stadt. Die älteste, 1912
noch
erhaltene,
stammt
aus
dem
Jahre
1516.
Eingerichtet
sind
Bildungsstiftungen für Personen, die mittellos, besonders begabt, mit charakterlichen Vorzügen ausgezeichnet sind oder eine bestimmte religiöse Richtung vertreten.
Durch die Inflation sind einige Stiftungen verschwunden. Jüdische Stiftungen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die verbliebenen Stiftungen, welche die Stadt zu betreuen hatte, zu einer Sammelstiftung zusammengefasst und blieben unbenutzt liegen. Seit dem gesellschaftlichen Umbruch wurde diese Sammelstiftung wieder belebt. Es gibt wieder Stiftungsorgane, und die Stiftung ist grundsätzlich wieder handlungsfähig.
Nach dem gesellschaftlichen Umbruch entwickelte sich das Stiftungswesen allmählich wieder. Die erste neu eingerichtete Stiftung war die „Altstadtstiftung Görlitz“ im Jahre 1995. Ihr werden jährlich ca. 500 Tausend € zugeführt. Sie stehen für Maßnahmen im denkmalpflegerischen Bereich in der Stadt zur Verfügung. Die „Evangelische Kulturstiftung Görlitz“ wurde ein Jahr danach ins Leben gerufen. Sie hat sich zum Ziel gestellt, das Heilige Grab, die Nikolaikirche und den Nikolaifriedhof als Kulturdenkmale in Görlitz zu erhalten. Die Stiftung „Ars Vivendi Görlitz“ wurde im Jahre 2003 gegründet. In einem umfangreichen Spektrum von Fördermöglichkeiten sind auch vorgesehen Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur und Denkmalschutz.
Eine andere Form, die in den Bereich des Kulturengagements gehört, ist die Verleihung von Preisen für bestimmte Leistungen kultureller oder anderer Art. Wenn sie auch im Gegensatz zu den Stiftungen, die in der überwiegenden Mehrzahl etwas befördern, vorrangig Anerkennung sind, können sie doch auch Leistungen animieren. Von
der
Oberlausitzischen
Gesellschaft
wurden
sporadisch
immer
wieder
Preisschriften zu Themen, welche die Oberlausitz betreffen, ausgeschrieben. Auf diese
Weise
sind
interessante
Forschungsarbeiten
zur
Regionalgeschichte 115
entstanden. Diese Möglichkeit ist grundsätzlich auch heute noch in der Gesellschaft gegeben. In der Zeit der DDR wurde für Görlitz ein „Kunstpreis der Stadt Görlitz“ geschaffen. Er wurde seit 1969 von der Stadt vergeben. Erhalten konnten ihn Personen oder Kollektive. Die Vergabe des Preises hing von den eingereichten Vorschlägen ab. Verliehen wurde der Preis für die Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur in Görlitz. Eingeschlossen darin waren die darstellende Kunst, die bildende Kunst, die Architektur, die Literatur, die Musik, die angewandte Kunst, das künstlerische Volksschaffen. Seit Bestehen des Preises erhielten ihn: Geschichte und Literaturwissenschaft – Walter Haupt, Prof. Dr. Ernst-Heinz Lemper, Peter Wenzel, Heinz-Dieter Tschörtner; Architektur und Denkmalpflege – Albert Mayer, Prof. Dr. Klemm, Prof. Dr. Nadler, Horst Kranich, Eberhard Wünsche; bildende Kunst – Günter Hain, Karl-Heinz Völker, Werner Panitz; Musik und Theater – Maria Frenzel-Weiner, MD Alfred Schönfelder, Werner Mende, 1. Görlitzer Zupforchester, Görlitzer Lehrerchor, Niederschlesisches Kammerorchester,
Zentrales
Pionierensemble,
Arbeitertheater
Waggonbau;
künstlerisches Volksschaffen – Brigitta Surma, Fotogruppe ´63.
Dieser Preis wurde nach dem gesellschaftlichen Umbruch nicht weiter vergeben. Stattdessen wurden neue Preise geschaffen. Inhaltlich relativ nahe, aber auf die Oberlausitz bezogen, ist der 1992 geschaffene „Kunstpreis der Oberlausitz“. Er basiert auf dem wiederbelebten Oberlausitzer Kunstverein und seinem Verständnis, ein Verein für die Oberlausitz zu sein und für die Künstler sowie die künstlerischen Aktivitäten dieser Region einzustehen. Getragen wird der Preis von den Städten und Kreisen der Oberlausitz gemeinsam mit dem Oberlausitzer Kunstverein. Seine Vergabe erfolgt zweijährlich in einem Rotationsprinzip durch die Städte und Kreise. Er wird von ihnen anteilig finanziert. Prämiert werden können Werke der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst, der angewandten Kunst, der Literatur, der Filmkunst, der Musik und anderer Medien. Dabei gilt, dass durch die prämierten Werke ein Beitrag zur Entwicklung von Kunst und Kultur in der Oberlausitz geleistet wird. Görlitz richtete diesen Preis bislang zweimal aus. Im Jahr 1993 wurde der „Internationale Brücke-Preis zu Görlitz“ geschaffen. Zunächst wurde er allein von der Stadt in unregelmäßigen Abständen verliehen. 1997 wurde eine „Gesellschaft zur Verleihung 116
des Brücke-Preises“ gegründet. Auf der Grundlage einer Charta, welche sich die Gesellschaft gab, wird der Preis seitdem jährlich verliehen. Den Brücke-Preis erhalten Persönlichkeiten, die sich um den Transformationsprozess in Europa verdient gemacht haben. In diesen Prozess sind alle Lebensbereiche einbezogen – Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik. Seine Besonderheit besteht darin, dass er auch an Personen außerhalb unserer Stadt verliehen werden kann, was bislang ausschließlich der Fall war. Seit Bestehen des Preises erhielten ihn: Marion Gräfin Dönhoff (1993), Adam Michnik (1995), Jiri Gruscha (1998), Freia von Moltke (1999), Arno Lustiger (2000), Erzbischof Vlk (2001), Wladyslaw Bartuszewski (2002). Für die Verleihung eines „Meridian des Ehrenamtes“ wurde 1999 eine Konzeption erstellt, nach der Personen oder Körperschaften vom Stadtrat für die Verleihung vorgeschlagen werden, die der Oberbürgermeister vornimmt. Bereits im Jahr seiner Konzeptionierung wurde er erstmals vergeben. Der Preis wird an solche Personen und Körperschaften verliehen, die für das Gemeinwesen bedeutende, gemeinnützige Aufgaben erfüllen und sich durch vorbildliches bürgerschaftliches Engagement auszeichnen. Seit Bestehen des Preises erhielten ihn: Roland Antkowiak, Georg Heinze, Friedrich Linke, Hanna Majewska, Regina Raß (1999); Hans-Jürgen Klein, Hans-Jochen Riedel, Heidemarie Schäfer, Eberhard Scholz, Ernst Tzschentschler (2000); Rudolph Liebich (posthum), Adolf Mesewinkel, Dieter Müller, Jürgen Schmidt, Edwin Schneider (2001); Dr. Wolfgang Claußnitzer, Marianne Eisenblätter, Horst Jank, Gudrun Krause, Erica und Udo Ochmann (2002). Ein „Görlitzer Meridian – Naturfilmpreis“ wird vom „Verein der Freunde und Förderer des Naturkundemuseums Görlitz“ seit 2001 in einem Rhythmus von zwei Jahren vergeben. Für die Preisverleihung
ist
eine
Jury
zuständig,
die
nach
bestimmten
Regularien
zusammengesetzt wird. Mit ihm soll auf internationaler Ebene das Gesamtwerk eines Naturfilmers geehrt werden. Seit Bestehen des Preises erhielt ihn: Prof. Heinz Sielmann (2001) und Prof. Hans Fricke (2003).
117
Anlage 2
Kulturbed端rfnisse und Kulturnutzung
118
Kulturbedürfnisse und Kulturnutzung
Übergreifende Trends Die Bedeutung von Kunst und Kultur nimmt in den westlichen Gesellschaften seit Jahrzehnten zu. Insbesondere die jüngeren und mittleren Generationen und vor allem Höherqualifizierte messen ihnen zunehmendes Gewicht im Lebensalltag zu. Für
ihre
persönliche
Standortentscheidung
gewinnen
Kulturangebote,
die
Lebensqualität konstituieren, an Wert. Ebenso nimmt der Kulturtourismus und damit einhergehend die Mobilität von potenziellen Kulturbesuchern zu. Städte und Regionen treten darüber vermittelt in Konkurrenz zueinander.
Der Kulturbereich und kulturelles Image gewinnen somit auch wirtschaftlich relevanten Wert.16 Damit einhergehend wachsen die qualitativen Ansprüche an Kunst- und Kulturangebote.17 In den ostdeutschen Bundesländern kommt hinzu, dass infolge der tiefen Brüche, die viele berufliche wie persönliche Biographien im Gefolge der Umwälzungen seit 1989/90 erfuhren, Kultur zu einer wichtigen Konstante für die Bürger wurde und enormen Einfluss auf das Lebensgefühl gewonnen hat.18 Für die Zukunft wird dem Kulturbereich weiterhin eine „expansive Zukunft“ vorausgesagt. Vor allem dadurch, dass Generationen heranwachsen, die über
immer
mehr
Zeit
und
Bildung
verfügen,
soll
sich
der
Anteil
der
Kulturinteressenten bis zum Jahr 2010 noch verdoppeln.19
Weitaus wichtiger als die unmittelbar in ökonomischen Kennziffern ausdrückbaren Effekte dürfte die Wirkung von Kunst und Kultur auf die geistig-kulturelle Atmosphäre in der Stadt sein. Kunst und Kultur haben ihren Eigenwert. Sie geben Freiraum für Reflexion, Sinnstiftung, ästhetische wie soziale Kreativität und Experimente. Sie sind gewissermaßen Seismographen der Gesellschaft. Sie können zudem Heimat und 16
Diese Zusammenhänge wurden ausführlich für Dresden beleuchtet in: Müller, Stefan; Martin, Uta; Schneider, Willy; Böse, Falk (1997): Kultur als Wirtschaftsfaktor. Das Beispiel Dresden. In: Vogt, Matthias Th.; Müller, Stefan; Blum, Ulrich: Kultur und Wirtschaft in Dresden. S.98-101 und S. 107-109. 17 Ingelhard, R.: The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles among Western Publics. Princteton 1977. 18 Zur Problematik biographischer Brüche in Ostdeutschland im Kontext des gesellschaftlichen Wandels ab 1989 und des Einflusses kultureller Faktoren vgl.: Vester, Michael; Hofmann, Michael u.a.: Soziale Milieus in Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen zwischen Zerfall und Neubildung, Köln 1995. 19 Vgl. dazu: Opaschowski, Horst W. (1997): Deutschland 2010. Wie wir morgen leben – Voraussagen der Wissenschaft zur Zukunft unserer Gesellschaft. Hamburg. S. 155. Zu weiteren Trends im Kulturbereich vgl. die Seiten 150-167.
119
Identität geben und kompensieren auch sozial bzw. wirtschaftlich verursachte Nachteile. Somit geben sie auch Raum für das Engagement der Bürger.
Die Görlitzer Kulturentwicklungsplanung muss sich auf die kommunalen bzw. öffentlich geförderten Kunst- und Kultureinrichtungen beschränken. Sie stehen allerdings in engen Wechselbeziehungen zu den vorrangig kommerziell orientierten Kulturangeboten. Dazu gehören die Offerten von Funk, Fernsehen und Kinos ebenso wie die von privaten Veranstaltern in den Bereichen Kabarett, Musical, Jazz, Popund Open-Air-Konzerte etc. Die kommunalen bzw. öffentlich geförderten Kunst- und Kulturangebote stehen auch in Konkurrenz mit den privaten. Dies gilt vor allem für diejenigen Bereiche, die eine Nähe zum Unterhaltungsbereich haben und sich eher kommerziell verwerten lassen.
Trotz der Konkurrenzsituation wird auch künftig ausreichend Raum für beide Bereiche sein. Insbesondere der „Hochkultur“, zu der u. a. die Angebote von Theatern, Orchestern, Museen, Volkshochschulen und Bibliotheken gehören, wird von Freizeitwissenschaftlern auch für die Zukunft ein wachsendes Publikum prognostiziert.20 Zu ihren Vorzügen, die sie auch künftig unersetzbar machen, gehören nicht nur anspruchsvolle Bildung- und Unterhaltungsangebote, sondern auch die unmittelbaren, nahen und somit persönlichen Kommunikationswege.
Auch die privaten Angebote sind häufig geschmacksbildend und wirken somit auf die öffentlichen geförderten zurück. So stammen die Trends zu Live-Erlebnissen, zu Unterhaltungsangeboten bzw. zur „Event-Kultur“,21 d. h. das Bemühen, Publikum über
die
Inszenierung
von
Großereignissen
zu
gewinnen,
aus
dem
privatwirtschaftlichen Sektor. Nicht zuletzt da der öffentliche Bereich seine Legitimität ebenso aus dem Besuch von möglichst vielen zahlenden Gästen bezieht, orientiert er sich zunehmend an privatwirtschaftlichen Vorbildern. So zeugen aufwändig veranstaltete Museumsnächte und öffentlich geförderte Großfeste deutschlandweit davon, dass auch kommunale und staatliche Veranstalter sich solchen Trends anschließen. Vergleichbares gilt für den seit einigen Jahren zu beobachtenden Trend 20
Vgl. dazu: Opaschowski, Horst W. (1997): a.a.O., S. 158. Opaschowski spricht davon, dass gegenwärtig bereits fast jeder Zweite (43 Prozent der über 14Jährigen) mindestens einmal pro Jahr ein entsprechendes Großereignis aufsucht. Vgl. dazu Opaschowski, Horst W. (1997): a.a.O., S. 150. 21
120
zum heiteren Musiktheater, den ursprünglich aufwändig produzierte kommerzielle Musicalproduktionen
auslösten.
Nun
berichten
auch
die
kommunalen
Operettenhäuser aus Leipzig oder Dresden22 von einer guten Auslastung.
Kulturinteresse und Kulturnutzung in Görlitz Um die Einstellungen und Interessen der Görlitzer Bevölkerung zur Kultur und verschiedene Aspekte der Kulturnutzung analysieren zu können, wurde im Rahmen der
Kulturentwicklungsplanung
eine
standardisierte
schriftliche
Befragung
durchgeführt. Sie richtete sich an einen Querschnitt von Bürgern ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.23 In den Ortsteilen der Neißestadt wurden – jeweils entsprechend ihres Anteils an der Görlitzer Gesamtbevölkerung – insgesamt 2001 Fragebögen nach einem Zufallsverfahren ausgegeben.24 Insgesamt 422 Bürger schickten die Fragebögen beantwortet zurück. Der damit erreichte Rücklauf von 20,1 Prozent entspricht den für solche Befragungen üblichen Quoten.25 Somit konnte ein aussagekräftiger Datensatz gewonnen werden.26
Soziologische Charakteristik Im Ergebnis der Auswertung wurde zunächst eine soziologische Charakteristik erstellt. Sie gibt Aufschluss darüber, welche Bevölkerungsgruppen vorrangig und welche eher unterdurchschnittlich durch die Befragung angesprochen wurden:
22
So erhöhte sich die Platzauslastung der Dresdner Staatsoperette von ca. 60 Prozent (1993) auf nunmehr rund 80 Prozent (2000). Vgl. dazu im Dresdner Kulturentwicklungsplan. 23 Die Befragung wurde unter Leitung von Professor Matthias Munkwitz (FH Zittau/Görlitz; Studiengang Kultur und Management) durchgeführt. Die Auswertung mittels des sozialwissenschaftlichen Computerprogramms SPSS übernahm Dipl.-Soziologin Karen Voigt (TU Dresden, Institut für Soziologie). 24 Die Aufschlüsselung nach Ortsteilen findet sich im Anhang. 25 Bei solchen Befragungen sind Rücklaufquoten von ca. 10 bis 25 Prozent üblich. 26 Allerdings verhinderte der Datenschutzbeauftragte, dass weitergehender nach der tatsächlichen Nutzung der Kultureinrichtungen durch die Bürger gefragt werden konnte.
121
Anteile der Altersgruppen27 in Sachsen, Görlitz und in der Befragung im Vergleich28 30%
25%
20% Befragung in GR 15%
lt. GR-Statistik lt. Sachsen-Statistik
10%
5%
0% 18-25
26-35
36-45
46-55
56-65
älter als 65
Insbesondere die Angehörigen zweier Altersgruppen fanden sich demnach überdurchschnittlich häufig unter den Antwortenden: die 26- bis 35-jährigen und die 56- bis 65-jährigen. Der Anteil der 36- bis 45- und der 46- bis 55-jährigen in der Befragung weicht hingegen nicht nennenswert vom Görlitzer Durchschnitt ab. Unterrepräsentiert waren die bis 25-jährigen sowie die über 65-jährigen. Beide Gruppen sind erfahrungsgemäß diejenigen, die solche Befragungen eher meiden.29
Ein Vergleich mit der in der Einwohnerstatistik ausgewiesen Altersstruktur der Görlitzer Bevölkerung ergibt, dass der an sich schon überdurchschnittlich hohe Anteil der 56- bis 65-jährigen in der Neißestadt in der Befragung noch übertroffen wird. Sie stellen nach den über 65-jährigen die zweitstärkste Altersgruppe. Insgesamt zählen 40 Prozent der Befragten zu den beiden ältesten Gruppen und somit zu den
27
Anteile der Altersgruppe jeweils an der Gesamtheit der ab 18-Jährigen. Anteile der Altersgruppen ab vollendetem 18. Lebensjahr in Sachsen, Görlitz und in der Befragung im Vergleich. Vgl. dazu Stadtverwaltung Görlitz (Hg.) (2000): Statistischer Jahresbericht 2000. Kreisfreie Stadt Görlitz, S. 22f.; Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (Hg.) (1998): Statistisches Jahrbuch Sachsen 1998, Kamenz, S. 39. Altersgruppen Befragung in GR lt. GR-Statistik lt. Sachsen-Statistik 18-25 6,4% 9,8% 8,1% 26-35 20,5% 15,5% 14,2% 36-45 17,8% 17,6% 15,3% 46-55 15,3% 14,3% 12,7% 56-65 25,4% 20,0% 14,3% älter als 65 14,6% 22,7% 17,2% 28
29
Jüngeren mangelt es oftmals an Interesse daran, den Ältesten der oberen Altersgruppe hingegen fehlt es erfahrungsgemäß oft an Erfahrungen und Flexibilität, die Fragen zu beantworten.
122
Senioren. In der Görlitzer Bevölkerungsstatistik sind es mit 42,7 Prozent nur wenig mehr. In Sachsen beträgt der Anteil der Senioren hingegen nur 31,5 Prozent. Daran wird erkennbar, dass die Abwanderungsprozesse, von denen Görlitz im letzten Jahrzehnt in starkem Maße betroffen war, bereits zu einer Überalterung der Bevölkerung geführt haben. Nennenswerte Unterschiede in der Beantwortung der Fragebögen durch die Geschlechter konnten hingegen nicht festgestellt werden. Rund drei Viertel aller Befragten lebten in familiärer Gemeinschaft bzw. in einer festen Partnerschaft.
Unter den befragten Görlitzern verfügte fast die Hälfte (47,5 Prozent) über einen Fach-, Hochschulabschluss oder Abitur; immerhin 27,0 Prozent aller sind Akademiker. Dies ist um ein Vielfaches mehr als es dem Anteil an der sächsischen Bevölkerung entspricht.30 Ursache dafür dürfte nicht nur sein, dass es infolge der Existenz der Fachhochschule überdurchschnittlich viele Akademiker in Görlitz gibt, sondern auch, dass Höhergebildete, die generell auch weniger Schwierigkeiten haben einen Fragebogen auszufüllen, eben auch ein stärkeres Interesse an Kunstund Kulturthemen haben und demzufolge stärker dazu neigen, an einer solchen Befragung teilzunehmen. Zwar wird dadurch einerseits die „Repräsentativität“ der Befragung
beeinträchtigt,
andererseits
nimmt
infolgedessen
der
Stellenwert
derjenigen zu, die die Görlitzer Kulturangebote nutzen und bessere Kenntnisse über das Befragungsthema haben.
In engem Zusammenhang mit der Dominanz der Höhergebildeten unter den Befragten steht, dass überdurchschnittlich viele Angestellte und Beamte unter ihnen zu finden sind.31 Fast ein Drittel aller Befragten gehört dieser Gruppe an – obwohl ihr Anteil an der Görlitzer Gesamtbevölkerung weniger als ein Fünftel (knapp 18 Prozent) beträgt.32 Einen ähnlich hohen Anteil nahmen die Rentner und Vorruheständler ein. Dies dürfte insbesondere auch darauf zurückzuführen sein,
30
In Sachsen sind nur 8,5 Prozent Hochschul- bzw. Universitätsabsolventen, über die Hochschulreife verfügen 12,8 Prozent und knapp 60 Prozent über einen Berufschulabschluss. Vgl. dazu: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (Hg.) (1998): Statistisches Jahrbuch Sachsen 1998, Kamenz, S. 49. 31 Dies dürfte auch auf die gleichen Ursachen zurückzuführen sein wie die Dominanz der Höhergebildeten. 32 Eigene Berechnung auf Basis von: Stadtverwaltung Görlitz (Hg.) (2000): Statistischer Jahresbericht 2000. Kreisfreie Stadt Görlitz, S. 181-183 (Mikrozensus). Die Vergleichszahlen zur Görlitzer Bevölkerungen basieren jeweils auf dem Mikrozensus. Er beruht auf im April 1998 erhobenen Werten.
123
dass ein Großteil der 56- bis 65-jährigen, die in der Regel noch sehr agil und interessiert sind, infolge der schwierigen ostdeutschen Arbeitsmarktsituation bereits aus dem Berufsleben ausgeschieden sind.
Die Befragten nach Tätigkeitsgruppen Arbeitslose/ABM 3,9%
Sonstige 14,0% Arbeiter/Bauern 12,2%
Azubis/Studenten 1,5%
Selbstständige 4,4%
Angestellte/ Beamte 32,2%
Vorruheständler/ Rentner 31,7%
Unterrepräsentiert Studenten.
So
sind betrug
unter den der
Antwortenden
Anteil
Gesamtbevölkerung ca. 11,6 Prozent
33
der
hingegen
Arbeitslosen
Arbeitslose
an
der
und
Görlitzer
– unter den Befragten waren aber nur 3,9
Prozent arbeitslos oder in AB-Maßnahmen beschäftigt. Erfahrungsgemäß wirkt sich Arbeitslosigkeit auch demotivierend auf die Teilnahme an Befragungen aus. Zudem sind überdurchschnittlich viele geringer Qualifizierte arbeitslos, die generell weniger an
Befragungen
teilnehmen.
Der
Anteil
der
Studenten
Gesamtbevölkerung dürfte bei ca. zwei Prozent liegen.
34
an
der
Görlitzer
Somit sind sie und die
älteren Lehrlinge und Gymnasiasten, die erfahrungsgemäß eher intensivere Kulturnutzer sein dürften, in der Befragtengruppe zu gering vertreten.
Nennenswerte Unterschiede im Einkommen zwischen der Gruppe der Befragten und dem sächsischen Durchschnitt konnten nicht festgestellt werden. Dies verwundert 33
Dieser Anteil ist nicht zu verwechseln mit der Arbeitslosenquote, die sich nur auf die Gesamtzahl der sozialversicherungspfllichtig Beschäftigten bezieht. 34 Am Hochschulstandort Görlitz waren zum Wintersemester 1999/2000 insgesamt 1201 Studenten eingeschrieben. Dies entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von ca. zwei Prozent. In der Befragung wurde nach den über 18-jährigen Personen gefragt, die Auszubildende, Schüler oder Studenten sind. Zwar dürften Studenten den größten Anteil daran einnehmen, ältere Lehrlinge und Gymnasiasten zählen aber auch noch zu der Gruppe. Somit ist ihr Anteil von 1,5 Prozent an der Gesamtheit der Befragten zu gering. Vgl. dazu Stadtverwaltung Görlitz (Hg.) (2000): Statistischer Jahresbericht 2000. a.a.O., S. 141.
124
insofern, als überdurchschnittlich viele Angestellte und Beamte – die in der Regel ein höheres Einkommen haben – zu den Befragten zählen.35
Dies mag nicht nur daran liegen, dass die Einkommen in der Oberlausitz infolge der schwierigen wirtschaftlichen Situation niedriger sind, sondern auch daran, dass relativ viele Vorruheständler und Rentner, deren Einkommen naturgemäß geringer ausfällt, zum Befragtenkreis gehörten. Auf die gleiche Ursache dürfte zurückzuführen sein, dass in nur knapp einem Drittel der befragten Haushalte Kinder leben.36 Diese Quote liegt deutlich unter dem sächsischen Durchschnitt.37 Soziologische Kurzcharakteristik Die Gruppe der Befragten zeichnet sich dadurch aus, dass die meisten Angehörigen in familiärer Gemeinschaft leben und über eine gute Ausbildung verfügen. Der Anteil der Älteren ist weitaus höher als es dem Durchschnitt in Sachsen entspricht. Gleiches gilt für den Anteil der Angestellten.
Kulturinteresse und Kulturnutzung Unter den Befragten ist der Anteil derjenigen, die sich für Kultur interessieren, erstaunlich groß. Immerhin fast die Hälfte schätzt sich als stark bis sehr stark an Kultur interessiert ein (48,9 Prozent). Wird zudem der Anteil derjenigen hinzugenommen, die sich noch „moderat“ dafür interessieren, können immerhin mehr als drei Viertel aller Befragten (77,9 Prozent) zu den mehr oder weniger stark Kulturinteressierten gezählt werden. Diese Werte lagen nahe an den vergleichbaren von Dresden, wo sich 56,4 Prozent als stark bis sehr stark und 29,2 Prozent als „moderat“ interessiert einstuften.38 Die Werte zeigen den sehr hohen Stellenwert, den Kultur für die Görlitzer einnimmt.
35
Auch die Studie zu Mittelsachsen bestätigte, dass kulturorientierte Bürger – einhergehend mit ihrer höheren Bildung und der Dominanz der meist höherbezahlten Angestelltenberufe – über ein höheres Einkommen verfügen als der Durchschnitt. Vgl. dazu: Winterfeld, Klaus (2000): Die Nutzung der Kultureinrichtungen durch die einheimischen Bürger. a.a.O., S. 69f. 36 Zudem war die Gruppe der 26 bis 35-jährigen, die ebenso über weniger Kinder verfügen, etwas überrepräsentiert. 37 Im sächsischen Durchschnitt leben in 37 Prozent der Haushalte lt. Statistischem Jahrbuch Sachsen Kinder. 38 Vgl. dazu: Müller, Stefan; Martin, Uta; Schneider, Willy; Böse, Falk (1997): Kultur als Wirtschaftsfaktor. Das Beispiel Dresden. In: Vogt, Matthias Th.; Müller, Stefan; Blum, Ulrich: Kultur und Wirtschaft in Dresden. S.132.
125
Fast die Hälfte der Befragten gab zudem an, dass ihr Interesse an Kultur in den letzten drei Jahren noch zugenommen hat. Zwar ist davon auszugehen, dass Befragte generell dazu neigen, „sozial erwünschte Antworten“ zu geben – und bei einer Befragung zu kulturellen Themen kann das „Kulturinteresse“ als in diesem Sinne „sozial erwünscht“ gelten –, trotz allem sind diese Werte erstaunlich hoch. Eine Ursache dafür dürfte auch sein, dass starken Einfluss auf das Kulturverhalten erfahrungsgemäß das Bildungsniveau und – eng damit einhergehend – die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen ausüben. Als Faustregel kann diesbezüglich gelten, dass mit steigendem Bildungsabschluss auch die Intensität der Kulturbesuche und die Ansprüche an die Qualität zunehmen.39 Somit sind die Werte gewissermaßen in Teilen auch eine Folge des hohen Anteils der Höhergebildeten unter den Befragten. Das Kulturinteresse der Görlitzer 40%
34,5%
35% 29,0%
30% 25% 20%
15,1%
14,4%
15% 10% 5%
2,2%
4,8%
0% keines
wenig
etwas
moderates
starkes
sehr stark
Auf Basis der genannten Befunde ist davon auszugehen, dass die Befragten sich in der „Kulturszene“ besser auskennen und Veränderungen in der Görlitzer Kulturlandschaft aufmerksam verfolgen. Insbesondere vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes der Kultur für sie verwundert allerdings, dass eine Mehrheit antwortete,
dass
sich
ihre
eigenen
Möglichkeiten,
„kulturelle
und
Freizeitveranstaltungen zu besuchen, in den letzten drei Jahren“ nicht wesentlich geändert hätten. – Zumal fast zwei Drittel (64,8 Prozent) davon ausgehen, dass nun quantitativ mehr Angebote zur Verfügung stehen als früher. Nur ein Drittel (33,3 Prozent) ist der Ansicht, es existierten im Vergleich zu früher weniger Angebote.
Die Erklärung für diesen Zwiespalt zwischen der real gleichbleibenden individuellen Kulturnutzung und der wahrgenommenen Verbesserung des Kulturangebotes dürfte 39
Zu diesem Zusammenhang bezogen auf die ostdeutschen Bundesländer vgl. insbesondere: Becker, Ulrich; Becker Horst; Ruhland, Walter (1992): Zwischen Angst und Aufbruch. Das Lebensgefühl der Deutschen in Ost und West nach der Wiedervereinigung. Düsseldorf u.a. Ähnliche Ergebnisse hatte die Studie zu Mittelsachsen aufgezeigt. Vgl. dazu: Winterfeld, Klaus (2000): a.a.O. S. 68.
126
vor allem im o.g. demografischen Wandel zu suchen sein, dem die Neißestadt unterliegt: Zwar haben Senioren in der Regel mehr verfügbare Freizeit, dafür aber auch niedrigere Einkommen. Insbesondere die älteren Jahrgänge von ihnen sind zudem weniger mobil und flexibel, Kulturangebote wahrnehmen zu können. Dass zu den Befragten nun überdurchschnittlich viele Ältere zählen, wird dadurch bestätigt, dass eine Mehrheit antwortete, mehr Freizeit im Vergleich zu früher zu haben. Ihr Zugewinn an Zeit für Kultur geht nun tatsächlich mit einem reduzierten Einkommen einher: Immerhin 56,7 Prozent der Befragten antworteten, sie hätten nun weniger Geld als früher. Der Anteil derjenigen, die antworten, ein höheres Einkommen zu haben, beträgt hingegen nur 41,5 Prozent. Veränderungen
der
eigenen
Möglichkeiten
zu
Kultur-
und
Freizeitveranstaltungen
mehr Möglichkeiten 28% gleichbleibende Möglichkeiten 43% weniger Möglichkeiten 29%
Auch die gute Erreichbarkeit der Görlitzer Kultureinrichtungen verhilft nicht dazu, dass die höhere Anzahl der Kulturangebote vermehrt angenommen wird. Immerhin weit über die Hälfte der Befragten (55,3 Prozent) gab an, dass die Angebote mehr oder weniger gut erreichbar seien. Nur jeder Siebente (15,2 Prozent) vertrat die Ansicht, die Angebote seien schlecht erreichbar.
Vergleichbares gilt für die gute Informiertheit über die Angebote. Immerhin fast zwei Drittel (62,1 Prozent) sehen sich als ausreichend informiert an. Damit sind diesbezüglich zwar durchaus noch Reserven erschließbar, alles in allem wissen die meisten Görlitzer allerdings gut über die Angebote Bescheid. Den höchsten Stellenwert bei der Information der Görlitzer über Kulturangebote genießt die Presse. Mehr als fünf Sechstel aller Befragten (85,7 Prozent) gaben an, sich mittels der Printmedien zu informieren. Offenkundig können Veranstalter gewiss sein, dass 127
entsprechende Veröffentlichungen treffsicher ihr Publikum erreichen. Eine erstaunlich gute Resonanz haben zudem die Werbemittel der Kultureinrichtungen bzw. die Sichtwerbung mittels Litfaßsäulen und Plakaten, die jeweils von ca. der Hälfte der Befragten (50,2 Prozent und 45,4 Prozent) wahrgenommen werden. Nicht zu vernachlässigen sind zudem die Informationen, die regionale Radio- und Fernsehsender (38,2 Prozent) anbieten. Gleiches gilt für das bewährte System der „Mund-zu-Mund-Propaganda“, d. h. der Information durch Bekannte, das immerhin fast ein Drittel der Befragten nutzt (32,6 Prozent). Informationsquellen und Informationsverhalten40 85,7%
90% 80% 70% 60%
50,2%
45,4%
50%
38,2%
40%
32,6%
30% 20%
12,3%
10% 0%
te
ka Pla
u
Tou
rism
io isat ga n r o s
nen
sse Pre
nte
an Bek
kt
V
io/T
Rad
ric
ein
tur Kul
n nge htu
dire
Weitaus stärker als ursprünglich angenommen konzentrieren sich die kulturellen Aktivitäten der Görlitzer auf die Wochenenden bzw. auf Feiertage. Der Sonnabend kann als der Kulturtag schlechthin gelten: 89,4 Prozent der Befragten gaben an, ihn zum „Ausgehen“ zu nutzen. Am Freitag würden immerhin fast zwei Drittel der Befragten entsprechende Angebote wahrnehmen und am Sonntag noch fast ein Drittel. Unabhängig von Inhalten und der Qualität haben es Kulturangebote von Montag bis Donnerstag somit schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden.
Kulturelle Vorlieben sind in starkem Maße von sozialen Größen wie der Schicht- und Berufszugehörigkeit sowie dem Alter abhängig. Dazu gibt es in den Kultur- und Sozialwissenschaften umfangreiche Untersuchungen.41 Mittels der Befragung in 40
Mehrfachantworten waren möglich. Als Grundlagenwerke kann diesbezüglich das Buch des französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. (Frankfurt/ M. 1991) gelten. Sehr deutlich wurden diese Zusammenhänge auch anhand eines sächsischen Untersuchungsgebietes in der Studie zu Mittelsachsen: Winterfeld, Klaus (2000): Die Nutzung der 41
128
Görlitz sollte nun untersucht werden, welche kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen besonders Anklang finden bzw. welchen Stellenwert sie einnehmen. Um darüber Auskunft zu erlangen, sollten die Befragten eine Rangfolge derjenigen Kulturstätten und Kulturereignisse anlegen, die ihnen sehr wichtig sind.42 Im Ergebnis kann zusammengefasst werden, dass insbesondere die Feste im öffentlichen Raum überdurchschnittlich viele Görlitzer ansprechen. An erster Stelle steht dabei unangefochten das Altstadtfest, das für ca. ein Drittel aller Befragten (31,4 Prozent) sehr wichtig ist, gefolgt vom Straßenfest (19,4 Prozent) und von Kinderfesten (9,4 Prozent). Das Muschelminnafest schätzen immerhin noch 6,4 Prozent als sehr wichtig ein. Die Feste sprechen nicht nur die Angestellten, sondern auch überdurchschnittlich viele Arbeiter an. Alles in allem werden sie übergreifend von den meisten sozialen Schichten und Altersgruppen als sehr wichtig eingeschätzt.
89,4%
65,1% 43,0% 31,6%
ie r ta g Fe
So nn ta g
st ag Sa m
Fr ei ta g
oc h M itt w
ie ns ta g D
11,4%
D on ne rs ta g
10,1%
5,8%
3,3%
M on ta g
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Die Nutzung der Kulturangebote nach Wochentagen
Bereits an zweiter Stelle in der Rangfolge wurde das Theater genannt. Weit mehr als ein Drittel (38,3 Prozent) aller Befragten räumen ihm einen sehr hohen Stellenwert
Kultureinrichtungen durch die einheimischen Bürger. In: Vogt, Matthias Th.: Kultur im ländlichen Raum. Das Beispiel Mittelsachsen. Leipzig. 42 In die Auswertung wurden dann nur diejenigen Anworten einbezogen, aus denen zweifelsfrei hervorging, dass die jeweiligen Einrichtungen und Kultursparten für die Befragten sehr wichtig sind. Die entsprechende Einordnung durch die Befragten bedeutete allerdings nicht, dass die anderen – „unwichtigen“ – Kultursparten durch die Befragten nicht aufgesucht werden. Vielmehr gaben die Antworten Aufschluss darüber, wie hoch der Stellenwert der einzelnen Kultursparten ist. Da Mehrfachantworten möglich waren, d.h. mehrere Sparten als wichtig eingestuft werden konnten, ist die Gesamtprozentzahl höher als 100. Bezugspunkt war die Anzahl derjenigen Befragten (392 von 422), die die Frage zur Rangfolge beantworteten.
129
ein. Das Görlitzer Theater ist somit diejenige separat genannte Kulturstätte, die sich offenkundig der höchsten Wertschätzung unter den Befragten erfreut. Einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert genießt es bei Angestellten bzw. Beamten sowie bei Vorruheständlern und Rentnern – also bei den beiden Gruppen, die auch am stärksten unter den Befragten vertreten sind. Offenkundig spricht das Theater vorrangig mittlere und ältere Bevölkerungsgruppen an. Da der Sparte Theater auch das Straßentheaterfest – dass für 8,9 Prozent der Befragten einen hohen Stellenwert einnimmt – sowie das Genre Kabarett (8,7 Prozent) hinzuzurechnen ist, nimmt diese Kunstrichtung in der Wertschätzung der Görlitzer offenkundig eine privilegierte Stellung ein.
Ihre hohe Wertschätzung drückten die Befragten auch gegenüber den Konzerten aus, 27,0 Prozent nannten sie an vorderer Stelle. Da Konzerte ernster Musik in Görlitz vor allem durch die Neue Lausitzer Philharmonie aufgeführt werden, kommt die damit zum Ausdruck gebrachte Anerkennung wohl vorrangig ihr zu. Nennenswerte
Unterschiede
zwischen
der
Struktur
des
Konzert-
und
Theaterpublikums wurden nicht festgestellt. Wie nicht anders zu erwarten, sprechen Rock-Pop-Musik (16,1 Prozent) und Diskotheken (14,8 Prozent) vor allem die Angehörigen der jüngeren und teils noch der mittleren Generationen an. Häufiger räumen ihnen Arbeiter einen hohen Stellenwert ein. Allerdings werden alle Tätigkeitsgruppen durch sie angesprochen. Jazzkonzerte (6,6 Prozent) sind hingegen vor allem für Angestellte sehr wichtig. Der Stellenwert* von Kultureinrichtungen und Kultursparten für die Görlitzer43 (in Prozent der Befragten)
43
Nach der Nennung in der Rangfolge als „sehr wichtig/wichtig“ durch die Befragten.
130
40
38,3 31,4
35
27,0
30 25
19,4 16,1 15,6 14,8
20
13,5 11,5 11,2
15
9,4 8,9 8,7
10
8,4
Kabarett
Christkindelmarkt
Straßentheaterfest
Tierpark
Kinderfesten
Museen
Disko
Kinos
Rock-Pop
Freizeitparks
Straßenfest
Konzerte
Theater
0
Altstadtfest
5
(*Antwort auf die Frage, welche Kultursparten bzw. Einrichtungen als sehr wichtig angesehen werden.)
Freizeitparks (15,6 Prozent) werden überdurchschnittlich häufig durch Arbeiter und Arbeitslose als sehr wichtig angesehen. Die Angebote von Kinos, die 13,5 Prozent aller Befragten als sehr wichtig eingruppierten, erfreuen sich vor allem bei Arbeitern und Angestellten eines hohen Stellenwertes. Das inhaltlich anspruchsvollere Programmkino, das zusätzlich 3,6 Prozent der Befragten anspricht, ist vorrangig für Angestellte
wichtig.
Die
Museen
(11,5
Prozent)
wiederum
wurden
überdurchschnittlich häufig durch Vorruheständler und Selbständige als sehr wichtig eingruppiert. Der Tierpark, der für 11,2 Prozent der Befragten einen sehr hohen Stellenwert genießt, spricht insbesondere Angestellte, Vorruheständler/Rentner aber auch Arbeiter stärker an. Die Bibliotheken wurden hingegen relativ selten als wichtig eingestuft (6,6 Prozent). Dies dürfte aber wohl eher darin begründet liegen, dass ihre Arbeit – wie die hohen Ausleih- und Benutzerzahlen zeigen – ein derart selbstverständlicher Bestandteil des kulturellen Alltags geworden ist, dass sie kaum noch als etwas Besonderes wahrgenommen werden.
Erstaunlich hoch ist hingegen die Anerkennung, die einmalige herausragende Ereignisse wie der Christkindelmarkt (8,4 Prozent) und Jahrmärkte (7,9 Prozent) genießen. Sie erfreuen sich bei allen Tätigkeits- und Altersgruppen einer hohen Wertschätzung.
131
Sehr kritisch beurteilen die Befragten die Lebensqualität in der Region. Fast zwei Drittel der Befragten bewerten sie als mehr oder weniger schlecht. – In Dresden hatten auf die gleiche Frage immerhin ca. 55 Prozent der Befragten ein eindeutig positives Urteil abgegeben.44 – Die insgesamt eher schlechte Beurteilung reflektiert allerdings vor dem Hintergrund der genannten eher positiven Einschätzung des (quantitativen) Umfangs und der Erreichbarkeit der Kultur offenkundig keine vorrangig auf die Kulturangebote bezogene Bewertung. Vielmehr dürften sie vor allem Reflex auf die komplizierte wirtschaftliche Situation der Region und die daraus folgende eigene persönliche Lage sein. Dafür spricht auch, dass die vorrangig hochkulturorientierten Bürger – für die Theater und Konzerte sehr wichtig sind – die Lebensqualität in Görlitz besser einschätzen.45 Von den eher freizeitorientierten Bürgern, die eine Vorliebe für Rock-Pop-Musik, Straßenfeste und Freizeitparks artikulierten, schätzten hingegen die meisten die Lebensqualität in Görlitz als schlechter ein.
Verständlich werden diese Unterschiede in der Bewertung der Lebensqualität vor dem Hintergrund dessen, dass überdurchschnittlich viele Arbeiter eine Vorliebe für Straßenfeste, Freizeitparks und Rock-Pop-Musik hatten. Sie aber dürften von der schwierigen wirtschaftlichen Situation härter getroffen sein als Angestellte, Rentner und Vorruheständler, die eher eine Vorliebe für Theater und Konzerte hatten. Für die relativ schlechte Beurteilung der Lebensqualität dürften zudem andere Fehlstellen verantwortlich sein. So notierten – obwohl keine Fragen zum Sport- und Sozialbereich gestellt wurden – immerhin dreizehn Befragte, dass in Görlitz ein Schwimmbad fehlen würde.
44
Vgl. dazu: Müller, Stefan; Martin, Uta; Schneider, Willy; Böse, Falk (1997): Kultur als Wirtschaftsfaktor. Das Beispiel Dresden. In: Vogt, Matthias Th.; Müller, Stefan; Blum, Ulrich: Kultur und Wirtschaft in Dresden. S. 95f. 45 Von ihnen beurteilen 50 bzw. 44 Prozent die Lebensqualität in Görlitz als gut ein. Bei denjenigen, für die andere Kultursparten – wie Volksmusik, Jazz oder Freizeitparks – wichtig sind, konnte kein vergleichbarer Zusammenhang festgestellt werden.
132
Die Beurteilung der Lebensqualität in der Region 40%
36,5%
35% 30%
26,4%
25%
20,6%
20% 15% 10%
9,4% 6,7%
5%
0,5%
0% sehr schlecht
schlecht
eher schlecht
eher gut
gut
sehr gut
Görlitz und Mittelsachsen im Vergleich Um die dargestellten Werte zu evaluieren bzw. in einen Kontext zu stellen, sollen sie mit Ergebnissen eines Forschungsprojektes zur Kulturnutzung aus dem Kulturraum Mittelsachsen verglichen werden.46 Zudem können weiterführende Ergebnisse aus Mittelsachsen – vor allem infolge der Nähe beider Untersuchungsgebiete – auch Rückschlüsse über das Kulturverhalten in Görlitz geben. Im Vordergrund der dortigen Analyse standen weniger Einstellungen zu Kunst- und Kultursparten, sondern mehr die tatsächliche Nutzung47 von Kultur.
Für die Einwohner Mittelsachsens sind Ausflüge in die Umgebung, die von 97,2 Prozent der Befragten mindestens einmal im letzten Jahr aufgesucht wurden, der Besuch
von
Museen,
Burgen
und
Schlössern
(78,4
Prozent)
sowie
Stadtbesichtigungen (78,4 Prozent) die attraktivsten Unternehmungen. Die in der Befragung festgestellte hohe Resonanz der genannten Aktivitätsbereiche deckt sich auch weitgehend mit der in der repräsentativen ALLBUS-Umfrage für Ostdeutschland
46
Der Kulturraum Mittelsachsen, der sich aus den Landkreisen Döbeln, Freiberg und Mittweida zusammensetzt, eignet sich nicht nur infolge seiner räumlichen Nähe für einen Vergleich, sondern auch infolge der ähnlichen – ostdeutschen – Geschichte und einer vergleichbaren kulturellen Infrastruktur. Zudem waren die Autoren des Abschnittes an der Studie maßgeblich beteiligt. Die Mittelsachsen-Studie, die weitaus umfangreicher angelegt war, lässt auch weitergehende Aufschlüsse zu. Der folgende Textabschnitt bezieht sich vor allem auf das Kapitel: „Die Nutzung der Kultureinrichtungen durch die einheimischen Bürger.“ Vgl. dazu: Winterfeld, Klaus (2000): a. a. O. 47 Gefragt wurde, wie häufig im letzten Jahr Kulturbesuche in den einzelnen Sparten unternommen wurden. Da in Mittelsachsen vor allem an solchen Orten bzw. von solchen Personen Daten erhoben wurden, die im Zentrum von Kulturbesuchen stehen, liegt eine Stichprobe (n = 468) vor, die insbesondere Auskunft über das Verhalten von Personen gibt, die sich durch ihre „Kulturorientierung“ 0auszeichnen. In Görlitz wurde hingegen ein Bevölkerungsquerschnitt befragt.
133
festgestellten.48 Die Einwohner Mittelsachsens sind an ihrer engeren Heimat stark interessiert und genießen deren Freizeit-, Kultur- und Erholungsangebote. Wie auch in Görlitz festgestellt, zählen die Feste für die meisten Einwohner Mittelsachsens zu den attraktivsten Kulturveranstaltungen überhaupt. Fast alle Einwohner (92,1 Prozent) besuchen Stadt-, Dorf- und lokale Traditionsfeste, zwei Drittel sogar mehrmals im Jahr (67,2 Prozent). Dass die Feste derart attraktiv sind, überrascht insofern wenig, als da sie in der näheren Wohnumgebung Gelegenheit geben, Bekannte und Freunde zu treffen und somit auch dem Bedürfnis nach Geselligkeit entgegenkommen.49
Die Teilnahme an Kultur- und Freizeitaktivitäten in Mittelsachsen 120 97,2
100
93,2
92,1
90,1
84,2
78,4
80
77
67,5
67,2
60
65,3
64,3
60,1 50,7 48,8 41,5
54,2 48
44,4
44,9
40 24,6
20
M us
ek en
be s
Fi tn
uc h
es s
h
bl io th Bi
Sp o
rt
u.
no be Ki
ni s ei g Er
ls , iv a
su c
se
h es uc
st en
te rb Fe st
v.
Th ea
h su c St
ad
tu
ei pe Kn su ch Be
.D or ffe
n
nb e
ng e
ch ch t
ig u
es u St
ad tb es i
ss b
Sc en -,
ur g
ee n
Au
-, B
sf lü
ge
in
di e
hl o
U
m ge bu
ng
0
einmalige Teilnahme im Jahr (in %) mehrmalige Teilnahme (in %)
Auch andere Freizeit- und Kultursparten werden durch die Einwohner Mittelsachsens gern und häufig besucht. Sie sprechen im Unterschied zu den bisher genannten aber nicht die überwiegende Mehrheit der Einwohner an, sondern ausgewählte Zielgruppen. So fällt beim Bibliotheksbesuch auf, dass die Bibliotheken zwar nur von knapp der Hälfte aller Befragten (48,8 Prozent) aufgesucht werden, die Wiederholungsquote aber im Verhältnis dazu sehr hoch ist. Immerhin 41,5 Prozent von allen nutzten sie mehrmals. Ähnliches gilt für den Besuch von Kinos, die zwei Drittel (65,3 Prozent) der Befragten ansprechen und für Theater (64,3 Prozent).50 48
In ihr gaben 89,2 Prozent der Befragten an, „Ausflüge oder kurze Reisen“ zu unternehmen, davon 34,8 Prozent mindestens einmal pro Monat oder noch öfter. Im Rahmen des ALLBUS wurde allerdings nicht nach Reisezielen differenziert. Insofern dürften Ziele wie „Ausflüge in die Umgebung“ bis hin zu Burg- und Stadtbesichtigungen darunter subsummiert sein. Zum Allbus vgl. im Anhang. 49 Das Treffen von Bekannten und Freunden gehört zu den generell wichtigen Motiven beim Besuch von Kulturveranstaltungen. 50 Im Rahmen der o.g. ALLBUS-Umfrage hatten insgesamt 55,2 Prozent der Befragten angegeben, Theater- bzw. (klassischer) Konzertbesucher zu sein. Davon gingen allerdings nur 14 Prozent regelmäßig, das heißt mindestens einmal pro Monat zu einer solchen Veranstaltung.
134
Fast die Hälfte ging in Mittelsachsen wiederholt ins Theater (44,9 Prozent) und ins Kino (48 Prozent). Wie auch die Görlitzer Befragung nahe legt, spielt insbesondere das Theater eine außerordentlich große Rolle für die Einwohner. Es erhielt in der Rangfolge, die Aufschluss über die „Zufriedenheit“ geben sollte, neben „Ausflügen in die Umgebung“ die Bestnote.
In Mittelsachsen bestätigt sich anhand der sozialen Charakteristik, dass Absolventen höherer Schulen bzw. von Hochschulen und Universitäten wie in Görlitz tendenziell aktiver beim Besuch kultureller Veranstaltungen sind. Stärker wird dieser Zusammenhang bei der Nutzung der Bibliotheken deutlich: Drei Viertel aller Bibliotheksnutzer verfügten in Mittelsachsen über einen Hoch-, Fachschulabschluss oder Abitur.51 Ein vergleichbarer Zusammenhang konnte bei Theaterbesuchern festgestellt werden: Drei Viertel (76,1 Prozent) von ihnen haben einen entsprechend höheren Bildungsabschluss bzw. rund 71 Prozent derjenigen, die über einen Hochund Fachschulabschluss oder Abitur verfügen, gehen ins Theater. Von denjenigen wiederum, die einen Berufsabschluss haben, gingen nur 44,8 Prozent ins Theater.
Ein vergleichbarer Zusammenhang zwischen Bildungsabschluss und kulturellen Vorlieben konnte für den Besuch von Festen im öffentlichen Raum nicht festgestellt werden. Sie werden offenkundig von allen sozialen Schichten weitgehend gleichermaßen besucht und sind insofern wohl tatsächlich Volksfeste im eigentlichen Wortsinne. Ebenso sprechen Museen und Sehenswürdigkeiten, die landschaftlichen Reize der Umgebung und Festivals alle Bildungsschichten gleichermaßen an.
Einige Kultur- und Freizeitangebote werden durch sämtliche, andere durch einzelne Altersgruppen bevorzugt genutzt. So erfreuen sich Feste, Ausflüge in die Umgebung und der Besuch von Schlössern, Burgen und Museen bei allen Altersgruppen gleichermaßen einer großen Beliebtheit. Jeweils rund 90 Prozent aller Angehörigen der Altersgruppen unternehmen in Mittelsachsen entsprechende Aktivitäten. Die hohe Übereinstimmung deutet darauf hin, dass sie sich hervorragend für
51
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die befragten Einwohner in ihrer Gesamtheit – im Verhältnis zum sächsischen Durchschnitt – überdurchschnittlich gebildet waren: 66 Prozent von ihnen verfügten über einen Hoch-, Fachschulabschluss oder Abitur. Der hier genannte Anteil von 75 Prozent ist somit nochmals höher.
135
gemeinsame Erlebnisse innerhalb der Familie bzw. Lebensgemeinschaft, mit Freunden und Bekannten anbieten.
Die Theaterangebote sprechen offenkundig die jüngste und die beiden mittleren Altersgruppen etwas stärker an. Am stärksten vom Alter abhängig ist der Besuch von Kinos: 95,7 Prozent der Angehörigen der jüngsten Altersgruppe besuchen Filmtheater, dann nimmt das Interesse – gewissermaßen umgekehrt proportional mit wachsendem Alter – immer stärker ab. Eine ähnliche Verteilung ist bei der Nutzung der Bibliotheken zu verzeichnen. Allerdings nimmt im Unterschied dazu das Interesse an Büchern und anderen ausleihbaren Medien mit dem Erreichen des Rentenalters wieder sprunghaft zu. So nutzten nur ca. ein Drittel der 46-65-jährigen Bibliotheken. In der darauffolgenden Altersgruppe waren es fast doppelt so viele (64 Prozent). Wie die Filmtheater werden die Bibliotheken allerdings am stärksten von den Jüngsten (88,5 Prozent der Altersgruppe) genutzt.
Nutzung der Kultursparten durch die Altersgruppen
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
be sic
n bl io th ek e
g ht ig un
ur /B St
ad t
Bi
ge n
no Ki ee n
Er ei g al s/ st iv
Fe
M us
ni ss e
st e Fe
ge sf lü Au
Th
ea te r
17-20 21-29 30-45 46-65 über 65
(Anteil der Teilnehmer aus den Altersgruppen in Prozent) In der Görlitzer Untersuchung konnte das Kulturverhalten der Touristen nicht untersucht werden. Die Ergebnisse aus Mittelsachsen legen allerdings nahe, dass auch hier der größte Teil aus Sachsen und den angrenzenden Bundesländern stammt.52 Kulturorientierte Einheimische und Touristen haben zwar jeweils eigene Ansprüche an die Kultur- und Freizeitangebote in der Region – so bevorzugen 52
In Mittelsachsen stammten 60,2 Prozent der Touristen aus Sachsen und 15,4 Prozent aus den östlichen Bundesländern. Aus den westlichen Ländern reisten 23,4 Prozent der Besucher an. Ausländer waren nur ca. ein Prozent.
136
Touristen stärker die Sehenswürdigkeiten und landschaftlichen Reize und Einwohner eher Kulturveranstaltungen wie Theatervorstellungen sowie Feste im öffentlichen Raum.
Infolge
der
starken
soziologischen
Ähnlichkeit
von
Touristen
und
einheimischen Kulturbesuchern unterscheiden sie sich in ihren Ansprüchen allerdings nicht sehr stark. Auch wenn sie demzufolge in verschiedenem Maße intensiv wahrgenommen werden, sind deshalb – mit einigen Ausnahmen53 – sämtliche Kulturangebote durch beide Gruppen nutzbar. Dies kommt wiederum einer insgesamt höheren Auslastung und somit Finanzierbarkeit der Einrichtungen und Veranstaltungen zugute.
53
So richten sich Bibliotheken aus naheliegenden Gründen vorrangig an die Einwohner und weniger an Touristen.
137
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Befragung verdeutlicht den hohen Stellenwert, den die Kultur für die Görlitzer einnimmt. Aufmerksam haben die Befragten eine Ausweitung der Kulturangebote innerhalb der letzten Jahre beobachtet. Wie die Einschätzung der Lebensqualität durch die Mehrheit der Befragten sinnfällig macht, können die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Region dadurch allerdings nicht verdeckt werden,54 so dass eine kritische Einschätzung vorherrscht. Die „typischen“ kulturorientierten Einwohner von Görlitz leben wie in Mittelsachsen in familiärer
Gemeinschaft,
haben
häufig
einen
Universitäts-,
Hoch-
oder
Fachschulabschluss bzw. Abitur und arbeiten als Angestellte. Der Altersdurchschnitt der Görlitzer Befragtengruppe ist infolge des demografischen Wandels, d. h. infolge der Abwanderungsprozesse, deutlich höher. Daraus ergeben sich spezielle Probleme. So wurde das Görlitzer Kulturangebot, dass sich in den letzten Jahren quantitativ ausdehnte, offenkundig nicht vermehrt genutzt bzw. stößt das „Vermögen“ der potenziellen Kulturnutzer, die Angebote auch anzunehmen, an Grenzen.
Allerdings bleibt zu prüfen, ob sich an Ältere richtende zielgruppenorientierte Angebote
neue
Publikumskreis
zu
erschließen
vermögen.
So
zeigen
bundesdeutsche Erfahrungen, dass sich selbst in Sparten wie dem Museums- und Ausstellungsbereich, die überdurchschnittlich Ältere ansprechen, viele Angebote nicht an ihnen, sondern eher an Jüngeren orientieren. In diesem Sinne müsste jede Kunst-
und
Kultureinrichtung
in
Görlitz
–
ihrer
Spezifik
–
entsprechend
zielgruppenorientiert arbeiten.
Der Besuch von Museen und Schlössern sowie von Festen im öffentlichen Raum zählt
generell
zu
den
generationen-
und
schichtenübergreifend
attraktiven
Freizeitangeboten. Sie können deshalb auf das gemeinsame „Kulturprogramm“ der Familie gesetzt werden. Ein Vergleich der Daten aus Görlitz und Mittelsachsen ergibt, dass insbesondere die Angebote der „klassischen“ Hochkultur wie Theater und Konzerte Personen mit einem Universitäts-, Hoch-, Fachschulabschluss oder
54
Positiv beurteilte Kulturangebote dürften eine sogenannte Kompensationsfunktion ausüben, d. h. schlechter bewertete Größen im Gesamtkontext ausgleichen.
138
Abitur generell stärker ansprechen als andere. In beiden Untersuchungsgebieten war die höchste Zufriedenheit mit den Theaterangeboten festzustellen. Beim Kinobesuch und der Teilnahme an Festen im öffentlichen Raum lässt sich kein vergleichbarer Zusammenhang feststellen.
Um die potenziellen Besucher dauerhaft an Kunst- und Kultureinrichtungen zu binden, sind im Alltag von Kommunen nicht Marketingkampagnen, sondern eine langfristig
gute
Arbeit
das
wichtigste
Argument.
Dafür
spricht,
dass
die
selbstgemachten Erfahrungen und diejenigen von Freunden und Bekannten – das heißt die „Mund-zu-Mund-Propaganda“ – einen hohen Stellenwert für die Entscheidung zum Besuch von Einrichtungen und Veranstaltungen einnehmen. Wichtig ist allerdings auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Die stärkste Wirkung übt dabei die Information mittels der regionalen bzw. lokalen Presse aus. Eine gute Resonanz hat auch die direkte Werbung der Einrichtungen. Zwar fühlen sich bislang fast zwei Drittel der Befragten gut über die Kulturangebote informiert, dies heißt aber auch, dass mehr als ein Drittel (37,9 Prozent) nicht ausreichend informiert ist und dementsprechend Reserven bestehen.
139
Anhang
Verteilung der Fragebögen nach Ortsteilen Stadtteile/
Einwohner
Einwohner Verteilung der
Ortsteile
Fragebögen absolut
in %
Altstadt
2.250
3,45%
69
Biesnitz
3.119
4,78%
96
Hagenwerder
1.252
1,92%
38
Innenstadt
15.302
23,46%
469
Klingewalde
539
0,83%
17
Königshufen
15.051
23,07%
461
2,26%
45
Nikolaivorstad 1.473 t Rauschwalde
7.178
11,00%
220
Schlauroth
375
0,57%
12
Südstadt
10.187
15,61%
312
Tauchritz
237
0,36%
8
Weinhübel
8.276
12,69%
254
Summe
65.239
100,00%
2001
Der Allbus-Datensatz für die ostdeutschen Bundesländer
Als die repräsentativste Datenquelle für das Kulturverhalten in den neuen Bundesländern gilt der Allbus-Datensatz. Er soll deshalb – als Grundlage für Vergleiche
–
an
dieser
Stelle
wiedergegeben
werden.
Die
Allgemeine
Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) ist eine Umfrageserie zu Einstellungen, Verhaltensweisen und Sozialstruktur der Bevölkerung in der Bundesrepublik
Deutschland.
In
persönlichen
Interviews
wird
jeweils
ein
repräsentativer Querschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung – getrennt nach ostund
westdeutschen
Bundesländern
befragt.
Als
Serviceleistung
für
die
sozialwissenschaftliche Forschung und Lehre werden die ALLBUS-Daten unmittelbar nach der Aufbereitung und Dokumentation allen interessierten Personen und Institutionen für Analysen zur Verfügung gestellt. Die ALLBUS ist ein gemeinsames 140
Vorhaben von ZUMA und ZA innerhalb der GESIS, das in Kooperation mit einem wissenschaftlichen Beirat, dem ALLBUS-Ausschuss, realisiert wird.
Die Allbus-Daten für die ostdeutschen Bundesländer (1998)* (Angaben in Prozent) Freizeit
Mind.
Mind.
Seltener
Nie
1x/Woche
1x/Monat 12,6
41,2
44,9
15,4
35,9
44,5
4,4
11,8
25,0
57,9
kurze 5,6
29,0
54,4
10,8
Klass. Konzerte, 1,3 Theater Kino, Pop+Jazz- 4,1 Konzerte, Tanzen Musische Tätigkeiten Ausflüge, Reisen
* Die Daten sind so zu lesen, dass jeweils der genannte Anteil (Prozentzahl) aller erwachsenen Ostdeutschen im o. g. Zeitraum die aufgeführten kulturellen bzw. Freizeitaktivität unternahm.
141
Der
kulturhistorische
Überblick
wurde
aus
Unterlagen
der
Bestände
der
Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften, des Ratsarchivs sowie des Kulturhistorischen Museums und aus Interviews mit Verantwortlichen aus Kultur- und anderen Einrichtungen sowie Trägern solcher Einrichtungen in der Stadtverwaltung Görlitz zusammengestellt.
142
Impressum Stadtverwaltung Gรถrlitz Kulturamt Untermarkt 20 02826 Gรถrlitz Tel.: 03581 671400 FAX: 03581 671440 E-Mail: kulturamt@goerlitz.de www.goerlitz.de Stand: Dezember 2003 143
144