Die Dinosaurierstraße

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t 400 Millionen Jahre Urzeit Fakten, Anekdoten, praktische Informationen

t 165 Urzeit-Erlebnisorte Museen, Sammlungen, Dinosaurierparks, Fundstätten

t Über 80 Urzeit-Tiere

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Die DinosaurierStraße

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Reise in die Urzeit Deutschlands, Österreichs und der Schweiz

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Die Dinosaurier-Straße

Immer wieder kommt es zu spektakulären Fossilienfunden, die unser Bild von der Urzeit und ihren Bewohnern wandeln. Bärbel Oftring führt Sie in diesem Buch zu den schönsten Urzeit-Erlebnisplätzen, an denen sich Dinosauriern und anderen Urzeittieren nachspüren lässt. Auf dem aktuellsten wissenschaftlichen Stand, lädt dieser Führer, als der erste seiner Art, ein zu einer Reise in die hiesige Vergangenheit. Gespickt mit Fakten, Anekdoten und praktischen Informationen schlägt das Buch eine Brücke zwischen Wissenschaft und Abenteuer und eignet sich so auch hervorragend für Familien mit Kindern.

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© Grebennikov Verlag GmbH

Herausgeber Projektleitung Projektkoordination Redaktionsleitung Texte & Recherche Lektorat Korrektorat Redaktionelle Assistenz Illustrationen Bildredaktion Umschlaggestaltung Layout, Satz Design Druck & Verarbeitung

Alexander Grebennikov Natalia Mavricheva Susanne Gierds, Natalia Mavricheva Susanne Gierds Bärbel Oftring Dr. Dagmar Deuring Friedrich Reip Ulrike Hanninger Sergey Krasovskiy Sandra Wildeboer Pablo Balcells, Henriette Damsa Henriette Damsa Henriette Damsa, Ricardo Quintas Bosch-Druck GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Einzige Ausnahme bilden die unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlichten Abbildungen. ist eine eingetragene Marke des Grebennikov Verlags www.grebennikov.de www.explorise.de

ISBN 978-3-941784-24-6 1. Auflage Berlin 2012


Die Dinosaurierstraße Reise in die Urzeit Deutschlands, Österreichs und der Schweiz

Bärbel Oftring

Berlin t Moskau


Inhaltsverzeichnis

Die Dinosaurierstraße

006

Eine Reise in die Urzeit

008

Ein paar historischen Schmanklern auf der Spur

016

Eine Reise zu den Fundstätten aus Devon, Karbon und Perm im deutschsprachigen Raum

020

Reiseführer ins Erdmittelalter

034

Erdneuzeit: die Zeit nach den Dinosauriern

106

Fossilien entdecken im Alltag

126

Zur Autorin

131

Abbildungsverzeichnis

132

Register Urzeittiere

135

Sach- und Ortsregister

136

Glossar

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Die Dinosaurierstraße Reise in die Urzeit Deutschlands, Österreich und der Schweiz Vulkane und Savannen, tropische Meere und üppige Urwälder und darin große pflanzenfressende Dinosaurier, nicht selten auf der Flucht vor riesigen Raubsauriern, gewaltige Fischsaurier, die sich in den warmen Meeresfluten wohlfühlten, und Flugsaurier, die am strahlend weißen Meeresstrand brüteten – das alles hat es dort gegeben, wo heute Deutschland, Österreich und die Schweiz liegen. Weltbekannte Fossilienfunde und Abdrücke im Gestein machen deutlich: Wären Plateosaurus, Iguanodon und viele andere nicht damals ausgestorben, so gäbe es hier für uns so gut wie keinen Platz! Und auch so eine Berühmtheit wie der Urvogel Archaeopteryx ist einer von uns, denn sämtliche bisherigen Funde stammen aus Bayern.Damit Sie hautnah erfahren können, dass es auch bei uns Dinosaurier gab, haben wir dieses Buch gemacht, den ersten „Dino-Reiseführer“. Er will Sie anleiten, sich mit Ihren eigenen Augen, Ohren und Händen auf die Spuren dieser urzeitlichen Lebewesen zu begeben. Schlagen Sie den Reiseführer auf und lassen Sie sich zu spannenden Zielen in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen. Im zentralen und umfangreichsten Kapitel dieses Reiseführers habe ich eine Dinosaurierstraße kreiert, die im Naturkundemuseum Wien beginnt und im Naturkundemuseum Berlin endet. Folgen Sie dieser Dinosaurierstraße von Hauptstadt zu Hauptstadt, so gelangen Sie zu fast hundert Zielen, an denen Sie Dinosaurier und andere Funde aus dem Erdmittelalter erkunden können. Diese Ziele umfassen ganz unterschiedliche Entdeckungsorte: staatliche und private Museen mit teilweise beeindruckenden Rekonstruktionen jener vergangenen Lebenswelten, Klopfplätze, an denen Sie selbst mit Ihren Kindern Fossilien finden können, Dinosaurierparks, Originalfährten in der Natur und vieles mehr. Natürlich können Sie auch nur einzelne Erlebnisorte aufsuchen, etwa in Ihrer Nähe oder rund um Ihren Urlaubsort. Dinosaurier sind nicht alles. Auch zu der davorliegenden Epoche, dem Erdaltertum, und der seit 65 Millionen Jahren andauernden Erdneuzeit gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz Sagenhaftes zu entdecken, darunter die als UNESCO-Welterbe ausgezeichnete Grube Messel mit einzigartigen Säugetierfunden aus den Anfängen der Säugetierentwicklung. Sogar in die Frühzeit der


007

Auch Dinosauriereier sind fossil erhalten geblieben, Museum Nierstein

Menschheitsgeschichte können Sie bei uns eintauchen und auf den Spuren von Neandertaler & Co. durch das eiszeitliche Mitteleuropa wandeln. Diese Funde waren uns zwei Kapitel wert, die – der Chronologie der Erdgeschichte folgend – vor und nach dem großen Kapitel über die Dinosaurierstraße eingeordnet sind. Über siebzig weitere Erlebnisplätze warten hier auf Ihre Erkundungen. Schließlich lenken wir den Blick noch auf die Gegenwart der Spuren urzeitlicher Lebensformen in unserem Alltag: Etliche Gesteine, in denen Fossilien enthalten sind, werden als Baumaterialien verwendet, und so können Sie an Fensterbänken, Bodenbelägen, Treppenstufen oder Fassaden bei sich zu Hause oder beim Bummel durch eine Stadt fündig werden. Und weil wir umso mehr sehen, je mehr wir wissen, führt Sie dieser Reiseführer nicht nur zu den verschiedensten Erlebnisplätzen, sondern liefert Ihnen auch vielfältiges Hintergrundwissen zur Entwicklung unserer Kontinente, zu der Art, wie Paläontologen forschen, oder zu den einzelnen Lebewesen, die einmal unsere Erde bevölkerten. So können Sie die Urzeit hautnah erleben und sich ein Bild davon machen, wie es bei uns in den verschiedenen Epochen der Urzeit aussah – und vielleicht nicht erst bei Ihren Ausflügen, sondern schon zu Hause auf dem Sofa vor Ihrem inneren Auge eine Reise in die aufregendsten und lebendigsten Epochen unserer Vergangenheit unternehmen. Ich wünsche Ihnen viel Freude auf Ihrer Reise! Bärbel Oftring Diplom-Biologin


Eine Reise in die Urzeit

So könnte der Urvogel Archaeopteryx ausgesehen haben: eine Rekonstruktion der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München

Rechts: Plateosaurus aus der Triaszeit – einer der berühmtesten europäischen Dinosaurier

Auch bei uns haben einst Dinosaurier gelebt. Das waren zwar kein T-rex, kein Triceratops und auch kein Argentinosaurus, dafür aber lebten bei uns Plateosaurus (der erste wirklich große Sauropode), Iguanodon (der erfolgreichste Dinosaurier), der Urvogel Archaeopteryx (der nur in bayerischen Juraplattenkalken gefunden wurde) und noch viele mehr. Lassen Sie sich einladen zu einer Reise in die Urzeit, zu den Fund- und Erlebnisorten hiesiger Dinosaurier und anderen urweltlichen Lebensräumen.

Ein gewaltiges Gebirge, so hoch wie der Himalaja. Eine tropische Lagunenlandschaft mit weißen Stränden und Korallenriffen wie in Bali. Eine grüne Savannenlandschaft mit Vulkankegeln und wilden Tieren wie in Ostafrika. Ein dichter tropischer Regenwald wie am Amazonas … Lebensräume, wie sie uns an weit entfernten Urlaubsund Erholungsorten faszinieren, gab es auch einmal bei uns mitten in Europa. Denn Mitteleuropa sah nicht immer so aus, wie wir es kennen, mit seinen ausgedehnten Wald- und Kulturlandschaften, seinen Flüssen und Hügel- oder Berggebieten. Und Mitteleuropa lag auch nicht immer zwischen dem 45. und dem 55. Breitengrad wie heute, sondern es befand sich wie heute Kenia, Kongo, Brasilien und Indonesien auch am Äquator. Zeugen dieser urzeitlichen Lebensräume und -welten sind Gesteine und Fossilien. Aus einem Gestein gewinnen Forscher zum Beispiel Hinweise über die Beschaffenheit des Bildungsortes (See, Meer etc.), das herrschende Klima oder die Pflanzen, die dort wuchsen. Fossilien sind versteinerte Reste wie Schalen, Knochen, Hörner, Eier, Kotreste und andere Spuren von Lebewesen, die einst so lebendig den Erdboden besiedelten wie heutige Tiere, Pflanzen und Menschen. Glücksfall Fossilien Die allerallerwenigsten Lebewesen werden aber als Fossilien erhalten, denn die meisten Tiere und Pflanzen werden nach ihrem Tod aufgefressen oder verwesen vollständig. Fossilien können nur dort entstehen, wo ein Lebewesen sofort nach seinem Tod luftdicht umschlossen wird, zum Beispiel von Schlamm in flachem Wasser eines


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See- oder Meeresufers, und dann viele Millionen Jahre lang nicht mehr angerührt wird. So lange dauert es, bis organische Strukturen versteinert sind. Fossilien kann es also nur in ganz bestimmten Gesteinen (Sedimentgesteine) überhaupt geben, die fossilen Einträge ins steinerne Tagebuch der Erdgeschichte sind ziemlich lückenhaft. Nur versteinerte Kotreste oder Trittspuren können auch in vulkanischen oder metamorphen Gesteinen erhalten bleiben, etwa wenn der Dinosaurier über eine urzeitliche Schlammfläche gelaufen ist. Fossilien können auch nur dort entdeckt werden, wo die sie umgebenden Gesteine an die Erdoberfläche gelangen oder in Höhlen und Steinbrüchen sowie bei Tunnelbauten zugänglich geworden sind. Aus diesem Grund findet man auf der Schwäbischen Alb und einem Streifen zwischen Teutoburger Wald und Harz Dinosaurier aus der Jurazeit, denn dort stehen die Juragesteine an. Reste der gewaltigen Sumpfwälder aus der Karbonzeit sind im Saarland und im Ruhrgebiet in der Steinkohle erhalten (und werden abgebaut). So bestimmt die Geologie die Möglichkeit für fossile Funde. Unter der Erdoberfläche ruhen sicherlich noch viele verborgene Fossilschätze. Trotz der vielen Funde, die in den letzten Jahren in Fundstätten der ganzen Welt gemacht wurden, können wir und die Paläontologen der Zukunft noch mit genügend Sensationen rechnen! Mitteleuropa in der Urzeit Als in der Karbonzeit vor rund 300 Millionen Jahren das entstand, was heute Mitteleuropa ist, hatte die Erde schon über 4.200 Jahre auf dem Buckel. Vor dieser Zeit war Mitteleuropa von Meeren bedeckt. So zeigen die Fossilien- und Gesteinsfunde aus der Devonzeit, dass damals der Hunsrück am Äquator lag. Dort gedieh im Hunsrückmeer ein tropisches Korallenriff mit Panzerfischen, Trilobiten, kieferlosen Fischen und Urhaien. Dieses flache Meer wurde in den folgenden Millionen Jahren immer mehr zusammengeschoben, weil die beiden Superkontinente Gondwana („Süderde“) und Laurasia („Norderde“, manchmal auch Laurussia oder Euramerica genannt) kollidierten. So wurde aus dem flachen Meer Festland, auf dem die ersten Wälder wuchsen – freilich tropische Wälder, wie es der äquatorialen Lage entsprach: In den ausgedehnten feucht-warmen Sumpfwäldern mit zwanzig Meter hohen Schachtelhalmbäumen und vierzig Meter hohen Siegelbäumen lebten bis zu vier Meter lange Riesenlurche, zwei Meter lange Tausendfüßer und die Riesenlibelle Meganeura

Laurasia

Gondwana

Die Lage der erdaltertümlichen Superkontinente Laurasia und Gondwana

Dunkleosteus, ein bis zu sechs Meter langer Placodermi der Devonzeit Links: Im feucht-warmen Karbonwald lebte die größte Libelle der Erdgeschichte, die Meganeura. (aus GONDWANA Das Praehistorium)


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Szene aus der Kreidezeit mit T-rex und Triceratops, für Sie inszeniert in GONDWANA – Das Praehistorium Erdaltertum Präkambrium

Kambrium

Ordovizium

Silur

Devon

Karbon

4600 – 542 Mio. Jahre

542 – 488 Mio. Jahre

488 – 443 Mio. Jahre

443 – 416 Mio. Jahre

416 – 359 Mio. Jahre

359 – 299 Mio. Jahre


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mit 75 Zentimetern Flügelspannweite. Die Reste dieser Karbonwälder blieben in den Steinkohleschichten im Ruhr- und Saargebiet erhalten. Doch die Kollision der beiden Kontinente ging weiter und es bildete sich auf die gleiche Weise wie später die Alpen und der Himalaja eine gewaltige Gebirgskette, das Variszische Gebirge, manchmal auch Karbonische Alpen genannt. Schon am Ende der darauffolgenden Permzeit war dieses Gebirge weitestgehend von der Erosion abgetragen (Reste sieht man heute noch in den Mittelgebirgen): Mitteleuropa lag ungefähr auf dem 15. nördlichen Breitengrad. Es war eine weite, hügelige Fels-, Stein- und Sandwüste mit trockenwarmem Klima (weil sich in dieser Wärme besonders viele rote Mineralien ablagerten, wird diese Epoche auch Rotliegend genannt). Das Zechsteinmeer eroberte sich im Norden wieder größere Bereiche zurück, die jedoch immer wieder verdunsteten. So entstanden vor allem in Norddeutschland bis zu tausend Meter dicke Schichten von Stein- und Kalisalzen, die im Mittelalter Grundlage des blühenden Salzhandels wurden und auch noch heute in Salzbergwerken abgebaut werden. Das Erdaltertum endete mit der größten Katastrophe der Erdgeschichte: Siebzig bis achtzig Prozent aller Tier- und Pflanzenarten starben aus. Es gibt Hinweise auf einen Meteoriteneinschlag, aber genau weiß man noch nicht, was der Grund für das größte Artensterben der Erdgeschichte wirklich war. Die Dinosaurier betreten die Bühne der Erdgeschichte Vor 248 Millionen Jahren begann das Zeitalter der Dinosaurier. Der erste wirklich große Dinosaurier in Mitteleuropa war der Plateosaurus, von dem es Funde in Trossingen, Halberstadt und Frick gibt. Unser Kontinent war dabei, sich langsam nach Norden zu bewegen, und befand sich gerade im sogenannten Wüstengürtel der Erde, so dass sich hier in der Triaszeit eine triste, heiße, trockene Wüste mit Oasen ausdehnte. (In der Kreidezeit sollte sein Zentrum den dreißigsten Breitengrad erreicht haben, also ungefähr den

Erdmittelalter

Erdneuzeit

Perm

Trias

Jura

Kreide

Tertiär

Quartär

299 – 251 Mio. Jahre

251 – 199 Mio. Jahre

199 – 145 Mio. Jahre

145 – 65 Mio. Jahre

65 – 2,5 Mio. Jahre

2,5 Mio. Jahre bis heute


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Der riesige Raubsaurier Allosaurus jagte einst bei uns.

Keine Chance hat dieser junge Allosaurus, denn der Kentrosaurus hat ihn schon längst bemerkt.

nördlichsten Rand der heutigen Sahara.) Im Süden Deutschlands, Österreich und der Schweiz sah es zur Jurazeit so aus wie auf Bali oder den Bahamas: ein flaches, tropisches Meer mit Korallenriffen, bis zu wagenradgroßen Ammoniten, Fischsauriern und Paddelechsen sowie Inseln und Lagunen mit weißen Sandstränden. Dort waren der Urvogel Archaeopteryx, verschiedene Flugsaurier und der truthahngroße Compsognathus zu Hause, wie die hellen Plattenkalke von Solnhofen und Eichstätt beweisen. In den tropischen Sumpfwäldern der Kreidezeit lebten hier dann wirklich riesige Dinosaurier. Dazu zählen brachiosaurusgroße Sauropoden und allosaurusähnliche Raubsaurier sowie Iguanodon, der erfolgreichste Dino der Erdgeschichte. Nach der Katastrophe Der Meteoriteneinschlag und die anderen erdgeschichtlichen Ereignisse, die am Ende des Erdmittelalters zum Aussterben von 45 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten und der Dinosaurier führten, gingen auch an Mitteleuropa nicht spurlos vorbei. 15 Millionen Jahre brauchte die Natur, bis sie wieder aufblühte: Im Eozän war Mitteleuropa etwa bis zum vierzigsten nördlichen Breitengrad


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weitergewandert, die Alpen begannen sich zu erheben, weil Afrika auf Eurasien prallte, und rund um den krokodilreichen Messelsee wuchs dichter Wald, in dem riesige Laufvögel, Ameisenbären, Affen, Tapire und andere tropische Tiere sowie jede Menge Fledermäuse den fuchsgroßen Urpferdchen Gesellschaft leisteten. Zeugen dieser Geselligkeit finden sich in den dunklen Schiefern der Grube Messel, einem UNESCO-Weltnaturerbe. Indem Afrika immer weiter nach Norden vordrang, entstanden im Hegau, rund um Bad Urach und in der Eifel Vulkane, die noch vor zwölf Millionen Jahren aktiv waren. Der Vogelsberg war der größte Vulkankegel Europas, mit einem Durchmesser von sechzig Kilometern größer als der heutige Ätna. Als vor fünf Millionen Jahren die größten Elefanten der Erdgeschichte, die Dinotherien, das Mainzer Becken durchschritten, lag Mitteleuropa fast schon auf den heutigen Breitengraden. Nur noch das Eiszeitalter, das vor 1,8 Millionen Jahren begann und den damaligen Erdbewohnern einen steten Wechsel von Kalt- und Warmzeiten bescherte, trennt jene Welt von der Erde, wie wir sie kennen. Heute können Sie Spuren dieser spannenden und wechselhaften Geschichte Ihrer Heimat erkunden und ihren Zeugen begegnen: live an den Originalfundstätten oder in bestens aufgearbeiteter Form in Museen, Dinoparks und anderen Erlebnisorten. Dieses Buch dient Ihnen als Wegweiser und Reisebegleiter, als Fremdenführer zu den spannendsten Stätten dieses vergangenen Lebens – nicht selten sicher direkt vor Ihrer Haustür!

Im Dino-Fieber 1820 fand der englische Arzt und begeisterte Mineralienund Fossiliensammler Gideon Mantell große Zähne unbekannter Herkunft (die sogenannten Cuckfield-Funde). Entgegen anderen wissenschaftlichen Stimmen seiner Zeit schrieb er sie riesigen leguanähnlichen Wesen aus dem Mesozoikum zu, die er erst Iguanosaurus, später Iguanodon nannte – die ersten Dinosaurier waren entdeckt! Als kurz darauf noch die fossilen Reste zweier weiterer Riesensaurier (Hyaeosaurus und Megalosaurus) in Großbritannien gefunden wurden, brach dies- und jenseits des Atlantiks die Zeit der Dinosaurierjagd an. 1834 wurde der erste Dinosaurier in Deutschland gefunden, 1858 das erste vollständige Skelett in Nordamerika. Der Faszination der Riesensaurier war auch bald die Öffentlichkeit erlegen – Ausstellungen wie etwa 1853 in London eine rekonstruierte Urlandschaft mit lebensgroßen Dinosauriermodellen, begleitet von furchterregenden Horrorgeschichten über die „zum Glück“ ausgestorbenen Schreckensechsen, zogen magisch die Menschen an. In dieser bewegten Zeit stritten Anhänger der Katastrophentheorie, darunter auch der Begründer der wissenschaftlichen Paläontologie Georges Cuvier, aufs heftigste mit deren Gegnern, darunter der Tübinger Professor Friedrich August Quenstedt. Charles Darwin startete 1831 zu einer Weltreise mit der HMS Beagle und kehrte fünf Jahre später mit bahnbrechenden Entdeckungen und seiner Abstammungslehre zurück, die das Dinosaurierfieber weiter anheizten. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich langsam unter den Naturforschern die Erkenntnis durch, dass Tier- und Pflanzenarten nicht allein durch Katastrophen aussterben konnten, sondern dass das Auslöschen und Neuentstehen von Arten durch Anpassungen und Konkurrenz vonstattengeht.


Ein paar historischen Schmanklern auf der Spur

Für uns „Leute von heute“ ist es völlig vertraut, dass Fossilien die versteinerten Reste urzeitlicher Tiere und Pflanzen sind. Das war nicht immer so, vielmehr gab es über die Jahrhunderte hierzu die unterschiedlichsten Vorstellungen. Während Naturforscher der Antike wie Xenophanes, Herodot oder Strabo schon vor über 2.500 Jahren erkannt haben, dass etwa fossile Meeresmuscheln Zeugen einstiger Meeresüberflutungen waren, bildeten sich verstärkt seit dem frühen 13. Jahrhundert sowohl im Volksglauben als auch unter den Gelehrten die fantasievollsten und kuriosesten Erklärungen für die versteinerten Funde ...

Viele Menschen sahen damals in den Versteinerungen einfach Spielereien der Natur. Fossile Muscheln seien laut dem italienischen Arzt Gabriele Fallopio (16. Jahrhundert) das Produkt einer Gärung oder Ausdünstung des Bodens, tertiäre Seeigel waren für seinen Zeitgenossen, den päpstlichen Leibarzt Michele Mercati, ein dem indischen Kürbis ähnlicher Stein. Im 17. Jahrhundert wurden für den Gelehrten Eduard Lhwyd Fossilien durch einen samengeschwängerten Dunst gezeugt, die Keime von Fischen ins Gestein trieben, wo sie die Gesteine befruchteten. Diese „aura seminalis“ war Anfang des 18. Jahrhunderts auch für den Luzerner Arzt Karl Nicolaus Lang Erzeugerin von Fossilien. Eine rezente Schnecke ziert diesen Lügenstein.

Die Würzburger Lügensteine Zur selben Zeit sammelte der Medizinprofessor Johannes Bartholomäus Beringer im einige hundert Kilometer nördlich gelegenen Würzburg eifrig „Figurensteine“, wie er die Fossilien nannte. Erst als sein Buch über die Steine schon gedruckt war, erkannte er, dass sich darunter auch eine ganze Latte an Fälschungen (Steine mit eingravierten Nacktschnecken, fliegenden Fledermäusen, kopulierenden Fröschen) befanden – doch da war der Skandal um die rund zweitausend Würzburger Lügensteine schon am Laufen.


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Einige dieser Lügensteine können Sie im Mainfränkischen Museum in Würzburg, im Naturkunde-Museum Bamberg sowie in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Historische Geologie in München bestaunen. Während diese Episode – eine der weltweit ersten Fälschungsgeschichten in der Wissenschaft – für Beringer wenig Folgen hatte, wurden der missgünstig gesinnte Jesuitenpater und Laienprofessor Ignaz Roderique sowie drei junge Burschen der Stadt verwiesen: Sie hatten die Lügensteine hergestellt und sie Beringer untergeschoben. Das Quedlinburger Einhorn Passten versteinerte Ammoniten, Muscheln und ähnliche Fossilien noch in das spätmittelalterliche Bild einer „vis plastica“ (einer gestaltgebenden Naturkraft), hörte das bei fossilen Mammutund anderen eiszeitlichen Säugetierknochen schon damals auf. Zu ähnlich waren sie den Knochen heutiger Tiere. Darum schrieb man sie einäugigen Riesen oder Einhörnern zu. So konstruierte der Bürgermeister von Magdeburg im 17. Jahrhundert aus dem (wie wir heute wissen) Stoßzahn eines Mammuts, dem Schädel eines eiszeitlichen Nashorns und ein paar anderen fossilen Knochen ein Einhorn, allerdings ohne Hinterbeine. Diese seien, so der Quedlinburger Bürgermeister, von den Kalksteingräbern abgestochen worden. Als im Jahre 1700 allerdings in Cannstatt ein ganzes Mammutskelett ausgegraben wurde, war der Glaube an die Existenz realer Einhörner schon erschüttert. Das arme in der Sündflut ertrunkene Sünderlein Mitte des 17. Jahrhunderts breitete sich so langsam eine andere Erklärung für die Entstehung der Fossilien aus: Eine Sintflut war schuld. Laut dem dänischen Naturforscher Niels Stensen (bekannt unter seinem lateinischen Namen Nicolaus Stenonis oder Steno), der richtigerweise schon erkannt hatte, dass die

Die Sintflut wurde auch von der Kunst wahrgenommen, hier der Ausschnitt aus dem Gemälde „Die Sintflut“ von Hans Baldung, 1516.


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Die fossilen Reste des Riesensalamanders Andrias scheuchzeri, der im Miozän bei uns lebte

Das ist er – dieser Knochen eines Plateosaurus löste 1910 in Trossingen eine Ausgrabungswelle aus.

ältesten Gesteinsschichten zuunterst und jüngere entsprechend ihrem Alter darauf abgelagert wurden, hatte diese Sintflut in der vierten von sechs Perioden stattgefunden – ein Irrtum, wie wir heute wissen. In unzähligen Fossilien sahen die Gelehrten daraufhin Zeugen für die biblische Sintflut (die vermutlich tatsächlich stattgefunden hat, als vor 8.000 Jahren das Schwarze Meer (ein Süßwassersee) von Salzwasser aus dem Mittelmeer überflutet wurde, wie Bohrkerne belegen). Auch Johann Jakob Scheuchzer, Züricher Naturforscher, wurde Anhänger der Sintfluttheorie. Prompt interpretierte er 1726 den Fund eines fossilen Riesensalamanders aus dem Jungtertiär von Öhningen als „Homo diluvii testis. Bein-Gerüst eines in der Sündflut ertrunkenen Menschen“. Im Museum für Naturkunde Karlsruhe ist ein Verwandter dieses bis zu anderthalb Meter langen Riesensalamanders zu sehen, der heute in China und Japan vorkommt. Bevor dann die wissenschaftliche Paläontologie und die Evolutionstheorie sich im 19. Jahrhundert durch die Arbeiten von Georges Cuvier und Charles Darwin richtig durchsetzten, gab es noch Anhänger einer Katastrophentheorie. Nach dieser seien die Bewohner der Erde mehrfach durch Katastrophen ausgestorben und durch andere ersetzt worden – von Evolution keine Spur. Die Anhänger glaubten auch, dass die Erde nur 75.000 Jahre alt sei … Der Dino-Boom Als im späten 18. und 19. Jahrhundert im Zuge der industriellen Revolution immer mehr unterirdische Kohle- und Erzvorkommen erschlossen wurden, fand man in Europa in rasantem Tempo fortlaufend große bis riesige versteinerte Dinosaurierreste, die zu einem wahren Hype führten: Europa, vor allem England, war im Dino-Fieber. Schaurig-schreckliche, gigantische Urzeitkreaturen waren Tagesgespräch. Auf Bildern ließ man sie aufeinander lauern und sich gegenseitig zerfleischen, man schilderte die vergangenen Welten in den allerschrecklichsten Tönen. Diese Vorstellungen beherrschten die Köpfe sogar bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Erstaunlich, wie cool die Trossinger Kinder angesichts solcher Bilder blieben, als sie 1910 beim Hinabrutschen eines Bachhanges an einem Dinosaurierknochen hängen geblieben waren: Sie brachten den Knochen zum Lehrer, der sich sofort mit Eberhard Fraas von der Stuttgarter Naturaliensammlung (heute Staatliches Museum für Naturkunde, Museum am Löwentor) in Verbindung setzte.


019

So wurde der berühmteste Dinosaurierfriedhof Deutschlands entdeckt, in dem 35 vollständige Plateosaurus-Skelette und Teile von weiteren siebzig Tieren gefunden wurden. Diese Skelette können Sie in etlichen Museen bewundern, den legendären Knochen aber sehen Sie am Originalfundort im Museum Auberlehaus in Trossingen. Einer der ersten Dinosaurier, die überhaupt gefunden wurden, war im Jahr 1820 ein Iguanodon, auf Deutsch Leguanzahn. Seinen Namen verdankt der Pflanzenfresser (auch „Kuh der Kreidezeit“ genannt) dem Erstbeschreiber Gideon Mantell, der die Zähne für Leguanzähne hielt. Eine spitze Daumenkralle, die man auch fand, wurde dem Iguanodon einfach auf die Nase gesetzt – erst viel später war klar, dass sie dort nicht hingehört. So deckten und decken immer wieder moderne Methoden der Fossilienuntersuchung Irrtümer auf, wie nicht zuletzt die Geschichte vom Oviraptor zeigt, der sich vom Eierdieb zum brütenden Elterntier wandelte.

Mitteleuropa ist ein Dino-Land Über die zahlreichen spektakulären Dinosaurierfunde in China, Nord- und Südamerika vergisst man rasch, dass es auch bei uns jede Menge DinoRekorde gibt: · Schon 1834 wurden die ersten Überreste eines Dinosauriers bei Nürnberg in Deutschland gefunden. Es war Plateosaurus, nur vier andere Dinosaurier wurden vor ihm beschrieben! · 1859 entdeckte man in Solnhofen mit dem Compsognathus das erste vollständige Skelett eines Dinosauriers auf der ganzen Welt! · Vor rund 150 Millionen Jahren trieb der bis zu elf Meter lange Allosaurus, auch Tyrannosaurus rex der Jurazeit genannt, auch in deutschen Landen sein Unwesen. · Mit Körperlängen von bis zu 26 Metern gehört Apatosaurus, dessen Spuren in Münchehagen erhalten blieben, zu den größten Sauropoden der Welt. · Auch der erfolgreichste Dinosaurier der Welt, der Iguanodon, zog in großen Herden durch das kreidezeitliche Mitteleuropa.

Streit um den Urvogel Auch um Archaeopteryx entbrannte sofort nach dessen Entdeckung 1860 in dem bayerischen Steinbruch Solnhofen ein Gelehrtenstreit. Anhänger der darwinschen Evolutionstheorie sahen sofort in dem Urvogel dank der erhaltenen Federn und anderer Merkmale das gesuchte Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln, während Gegner abwertend von einem gefälschten Fossil oder einem primitiven Vogel mit ein paar Reptilienmerkmalen sprachen. Noch heute ist der im Berliner Museum für Naturkunde ausgestellte Archaeopteryx das wertvollste Fossil der Erde – das müssen Sie einfach mal gesehen haben!

Fossiler Archaeopteryx


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