Feste Feiern

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ISBN 978-3-941784-36-9 1. Auflage Berlin 2013


Feste Feiern Rund-ums-Jahr-Reise zu den schรถnsten Volksfesten Andrea Himmelstoร

Berlin t Moskau


Inhaltsverzeichnis Volksfeste – außerordentlich vielseitig

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Kölner Karneval „Kölle Alaaf“

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Stuttgarter Frühlingsfest Der Frühling kommt!

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Baumblütenfest Blütenträume an der Havel

026

Urfahraner Markt Zweimal zwei fröhliche Tage legten den Grundstein

034

Kieler Woche Volksfest mit frischer Brise

042

Donauinselfest Die Insel ruft!

052

Deutsch-Französisches Volksfest Geste der Völkerverständigung

060

Schützenfest Hannover Größtes Schützenfest der Welt

068

Düsseldorfer Schützenfest Das Schützenfest, das eine Kirmes ist

076

Züri Fäscht Das Fest am See

084

Liborifest Von Heiligen und Europa

092


Cranger Kirmes Piel op no Crange!

100

Schobermesse Luxemburg

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Oktoberfest Vom Pferderennen zum Oktoberfest

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Kramermarkt Markt mit Herz

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Bremer Freimarkt Freier Markt für alle

132

Basler Herbstmesse Die süße „Herbschtmäss“

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Fürther Michaeliskirchweih Mittendrin!

150

Hamburger Dom Drei Mal im Jahr aufs Heiligengeistfeld

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Nürnberger Christkindlesmarkt Zwischen Lebkuchen und Glühwein

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Register

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Abbildungsverzeichnis

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Volksfeste

außerordentlich vielseitig

Ein Volksfest – wie schön! Schon der Begriff klingt außerordentlich und vielseitig. Ein Fest ist schließlich immer etwas Besonderes. Und wenn es gar ein Volksfest ist, dann ist es sogar im wahrsten Sinne des Wortes außerordentlich. Außerordentlich groß zum Beispiel, außerordentlich lebhaft oder außerordentlich bunt. Und außerhalb der alltäglichen Ordnung ist es sowieso – und damit eine große Abwechslung und eine gute Gelegenheit, den Alltag endlich einmal weit hinter sich zu lassen. Dass das Volksfest vielseitig ist, gehört auch dazu. Buden und Büdchen mit Leckereien, erfrischenden oder geistvollen Getränken und oft sehr typischen Souvenirs erfreuen Leib und Seele. Die vielen verschiedenen Betriebe der Schausteller sorgen für gute Unterhaltung und bringen oft auch aufregende Bewegung ins Leben – seien es kleine Schießbuden, die großen Fahrgeschäfte wie Achterbahnen mit aufregenden Loopings oder traditionelle Attraktionen wie die beliebten Riesenräder, von denen aus die Fahrgäste so herrlich über die Festwiesen oder gar Städte blicken können. Kirmes, Kirchweih oder Jahrmarkt Spannend sind auch die vielen Geschichten, die sich um die Volksfeste ranken. Oft werden die Kirmes, die Kirchweih oder der Jahrmarkt schon seit Jahrhunderten veranstaltet. Weltlicher Adel und Kirchenfürsten ebneten vielfach vor langer Zeit den Boden für Traditionen, die wir heute bewundern und gern aufrechterhalten. Oft war es der Handel, den die hohen Herren fördern wollten, indem sie einem bestimmten Ort für einen begrenzten, aber jährlich wiederkehrenden Zeitraum, das Marktrecht einräumten. Händler und Schausteller Bis sich zu den Marktleuten, die mit Pferden, Keramiken, landwirtschaftlichen Gütern oder vielleicht sogar mit Gewürzen aus fernen Ländern handelten, Schausteller gesellten, dauerte es meist ein wenig länger. An vielen Orten wurden – heute wäre das zum Glück undenkbar – Menschen, die in irgendeiner Weise anders waren oder anders schienen, als Sensationen vorgeführt. Später kamen mechanische Attraktionen wie der berühmte „Hau-den-Lukas“


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oder Schiffschaukeln hinzu. Im 20. Jahrhundert wurden die Fahrgeschäfte immer größer und aufwendiger – ein Trend, der bis heute anhält. Gefeiert wird auch bei den Nachbarn Bedeutende Anziehungspunkte sind auf vielen Volksfesten die großen Festzelte, in denen sich die Besucher so manches Bier schmecken lassen. Bestes oder doch mindestens bekanntestes Beispiel ist wohl das Münchner Oktoberfest mit den vielen Tausen den von Gästen fassenden Bierzelten. Es gibt aber auch Feste, auf denen die Menschen ganz anders feiern – oft seit Generationen. So etwa das Baumblütenfest in Werder an der Havel, wo man es sich in den Gärten der Obstbauern wohlergehen lässt. Oder auch die Cranger Kirmes in Herne. Dort trifft man sich in den überaus beliebten Heckenwirtschaften, die für die Kirmeszeit in den Höfen der Nachbarschaft eröffnet werden. Apropos Nachbarschaft: Es lohnt sich unbedingt, einen Blick über die Grenzen zu werfen und sich auch die Volksfeste der Nachbarländer anzuschauen. Denn ob Deutschland, Österreich, Schweiz oder Luxemburg, überall feiern die Menschen mit großer Begeisterung.

Vielfältige Lebkuchenherzen an kunterbunten Ständen machen Spaß und schmecken lecker.


Kölner Karneval „Kölle Alaaf“

Der Kölner Karneval ist eines der bekanntesten und traditionsreichsten Feste in Deutschland. Vom 11. November bis zum Aschermittwoch frönt Köln – genau wie viele weitere Städte und Regionen – dem Karneval. Mit Prinz, Bauer und Jungfrau vorneweg werden die tollen Tage zu einem großen Fest für jedermann.

Johann Maria Wolfgang Farina, Parfümfabrikant aus Köln, als Prinz Johann Maria I in der Karnevalssession 1952

So alt wie Köln Obwohl der Kölner Karneval nahezu ebenso alt ist wie die Stadt Köln, wird er noch nicht einmal seit 200 Jahren organisiert gefeiert. Dennoch sind es vor allem seine Bräuche und Traditionen, die ihm seine Lebendigkeit und seinen Charme verleihen. Doch niemand sollte auf die Idee verfallen, dass es sich bei den Ritualen


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des Karnevals nicht um ernsthafte Angelegenheiten handelt. Bestes Beispiel ist das Kölner Dreigestirn, das sich aus Prinz, Bauer und Jungfrau zusammensetzt. Traditionell wird die Jungfrau von einem Mann dargestellt. Und auch wenn es auf den ersten Blick so wirken mag, trägt das Dreigestirn kein Karnevalskostüm. Es ist vielmehr in seine Amtstracht gekleidet, die man Das Dreigestirn „Ornat“ nennt. Schließlich überträgt der Oberbürgermeister der Stadt den dreien in einer feierlichen Proklamation für die närrischen Tage die Herrschaft über die Stadt Köln. Griechen, Römer und Germanen Schon Griechen, Römer und Germanen huldigten jeweils auf ihre Art dem Frühling und verscheuchten den Winter. Doch für die Christen beginnt mit dem Ende des Karnevals die Fastenzeit: „Carne vale“ bedeutet so viel wie „Fleisch, lebe wohl“. Im Mittelalter wurde dieser Abschied mit wilder Mummerei begleitet. Die Stadt- und Kirchenoberen sahen das zwar nicht gern, schafften es aber nicht, dem wilden Treiben Einhalt zu gebieten. „Ein Glück“, so möchte man heute sagen, denn was wäre wohl sonst aus dem Karneval geworden. So traten dem manchmal wohl recht derben, aber ebenso lustigen Straßenkarneval im 18. Jahrhundert die Redouten zur Seite. Die Redouten waren Kostümbälle, die zunächst nur von den reichen Bürgern und besonders vom Adel besucht wurden. Unter französischer Herrschaft Als Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts Köln für 20 Jahre unter französischer Herrschaft stand, durften die Narren und Jecken unbehelligt weiterfeiern. Doch als 1815 die Preußen

Prinz, Bauer und Jungfrau kommen allesamt in traditionellem Ornat daher. Seit 1883 bildet das Dreigestirn eine Einheit und wird meist von einer einzigen der Karnevalsgesellschaften gestellt. Oberster Repräsentant ist „seine Tollität“, der Prinz. Er trägt als Symbol der Unsterblichkeit den Pfauenschweif, der weithin zu sehen ist. Zu den Insignien der Macht des Prinzen gehört insbesondere die Pritsche. Mit diesem Narren-Symbol wird dem Prinzen bei der Proklamation die Macht übergeben. Ursprünglich geht die Pritsche übrigens auf ein germanisches Fruchtbarkeitssymbol zurück. Der Prinz erscheint immer in Begleitung von Bauer und Jungfrau. Beide ähnlich kunstvoll und traditionell gekleidet wie der Prinz. „Seine Deftigkeit“, der Bauer, ist ein Symbol städtischer Wehrhaftigkeit. Die Jungfrau hingegen – „Ihre Lieblichkeit“ – kommt in einem langen Gewand daher, mit goldener Kette und einem Schild, auf dem das Wappen Kölns zu sehen ist.


Kölner Karneval 010

Einer der ersten Kölner Karnevalsumzüge aus dem Jahr 1825 (oben) Festkomitee-Sitzung im Jahr 1823

für über hundert Jahre das Regiment übernahmen, wurde der Kölner Karneval bürgerlich. Es gab ab 1823 sogar ein Festkomitee, das den Karneval – man glaubt es kaum – in geordnete Bahnen lenkte. „Thronbesteigung des Helden Carneval“ lautete das Motto, unter dem der erste Rosenmontagszug durch die Straßen der Stadt zog. Immer mehr Karnevalsgesellschaften wurden gegründet und der Kölner Karneval zu einem Synonym für närrischen Spaß, herrliche Umzüge und bitterbös-lustige Büttenreden.

Ab in die Bütt

Karnevalisten lieben es, schmutzige Wäsche zu waschen. Zumindest in der fünften Jahreszeit, die am 11.11. um 11:11 Uhr anfängt, und ab Silvester bis zum Rosenmontag von Karnevalssitzungen mit ihren oft weithin bekannten Büttenrednern und Sängern sehr unterhaltsam ausgefüllt wird. Die Büttenredner stiegen früher – wie der Name schon sagt – in die Bütt, um ihre Reden Genuss-Tipp zu schwingen. Die Bütt, das ist ein Waschzuber, in dem die schmutzige Schreckenskammer zu Köln Wäsche gewaschen wird. Sie brachte Das Schreckenskammer-Kölsch wird nach altem den Büttenreden ihren Namen ein, weil Hausrezept und ohne Zusatz von Kohlensäure gedie Redner von einem Pult aus sprachen, braut. Dazu gibt es deftige kölsche Hausmannskost. das wie eine Bütt geformt war. Rund 160 Brauhaus Schreckenskammer: Karnevalsgesellschaften, ViertelgemeinUrsulagartenstraße 11–15 schaften und Heimatvereine veranstalRaucher und Biergarten: Ursulakloster 20 50668 Köln ten vor allem ab Januar etwa 500 Tel. +49 (0)221 132581 Umzüge, Bälle und Sitzungen. Allerdings Öffnungszeiten: Di–Sa 11–13:45; 16:30–22:30; steigt heute kaum mehr ein Redner in So, Mo, Fr geschlossen die Bütt. Heute nehmen die Karnevaliswww.schreckenskammer.com ten einfach ein Mikrofon zur Hand.


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Jecke Wiever Der eigentliche Straßenkarneval, bei dem die Jecken fröhlich kostümiert unterwegs sind und auf Karnevalsveranstaltungen unter freiem Himmel gute Laune verbreiten, beginnt erst mit der Weiberfastnacht – dem Donnerstag vor Rosenmontag – und zwar wiederum um 11.11 Uhr. Dann eröffnet das Dreigestirn Prinz, Bauer und Jungfrau gemeinsam mit dem Oberbürgermeister am Alten Markt den Straßenkarneval. Um diesen Moment mitzuerleben und um einen guten Platz zu ergattern, von dem aus die Mundartgruppen und Redner auf der Bühne gut zu sehen und zu hören sind, strömen die Jecken schon ab zehn Uhr herbei. Weiberfastnacht ist übrigens der Tag, an dem die Frauen regieren. Noch heute kommt es vor, dass den Herren der Schöpfung die Krawatten abgeschnitten werden.

Einer der ersten Kölner Karnevalsumzüge aus dem Jahr 1825 (oben) Funkenmariechen begrüßen die Menge.

Die tollen Tage An den folgenden drei Tagen stehen die vielen „Veedelszöch“ im Mittelpunkt. Das sind die Umzüge der einzelnen Kölner Stadtviertel. Auch die Kostümbälle und die Karnevalssitzungen sind bei den Jecken sehr beliebt. Die Stimmung ist gut. Erlaubt ist viel, aber nicht alles. So gibt jeder jedem ein Bützje. Die Kölner spitzen gern die Lippen zu einem Bützje, dem Küsschen, das weder Bläck Fööss ein echter Kuss noch eine Anmache ist. Und keine Sorge: Über ein Bützje darf man sich rundheraus Mit kölschen Tönen ist die Band freuen! Wer Lust auf noch mehr Süßes hat, der kann inzwischen ein Karnevalsklassiker – sich ja den Muuzemändelche zuwenden. Das ist ein doch ihr Repertoire ist viel breiter. leckeres Karnevalsgebäck, das in Öl gebacken wird. Ansonsten wird gerne „Blootwoosch“ gegessen, das


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ist eine Blutwurst, oder „Ähzezupp“, die wärmende Erbsensuppe, die als richtige Grundlage für geistvolle Getränke und natürlich das Kölsch gilt. Das Kölsch ist obligatorisch. Es wird obergärig gebraut und aus den typischen Stangen, den hohen und schlanken Gläsern, getrunken. Auf zum Rosenmontagszug Wer aus der Ferne zum Karneval kommt, sollte unbedingt den Rosenmontagszug erleben. Er ist der Höhepunkt, dem alle entgegenfiebern. Mehr als eine Million Schaulustige stehen an den Straßen und wollen den berühmten Umzug sehen. An diesem Tag arbeitet in Köln kaum jemand. Die Geschäfte sind ab mittags geschlossen. Fast jeder ist unterwegs, freut sich an den Wagen und fängt mit mehr oder weniger Geschick die Kamellen auf, die in die Menge geworfen werden. Damit bei all dem Trubel niemand verletzt wird, begleiten Wagenengel den Zug und passen auf, dass die Zuschauer nicht von den Wagen verletzt werden. Die Engel werden von den Karnevalsgesellschaften eingesetzt.

Das Funkenmariechen tanzt in typischer Bekleidung, die an das 18. Jahrhundert angelehnt ist, mit Dreispitz, Perücke und Uniform.

Nubbelverbrennung Der Karnevalsdienstag gehört noch einmal den „Veedelszöch“, bevor am Abend der Nubbel verbrannt wird. Der Nubbel ist eine Strohpuppe, mit der alle Karnevalssünden verbrannt werden. Diese Tradition wird von vielen Kölner Kneipen gepflegt. Am Nachmittag gibt es sogar eigens eine Nubbelverbrennung für die Kinder. Die Erwachsenen müssen etwa bis Mitternacht warten. Am Aschermittwoch ist dann alles vorbei. Die Fastenzeit beginnt und die Kölner müssen wieder bis zum 11.11. um 11:11 Uhr warten, bevor sie das närrische Treiben wieder aufnehmen können.


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Sehenswürdigkeiten in Köln

Für die musikalische Untermalung sorgt die Musikkapelle der Prinzengarde.

Die süße Welt der Schokolade Im Mittelalter gingen hier die Rheinschiffer vor Anker und schlugen ihre Ware um. Sie hätten sich sicher nicht träumen lassen, dass ausgerechnet an diesem Platz ein Schokoladenmuseum entstehen würde, dessen Gebäude einem Schiff Über Nacht nachempfunden wurde. Gleich drei Ausstellungen informieren ausführlich HOPPER Hotel St. Josef über den Weg der Kakaobohnen nach Mitten in der quirligen Südstadt findet der Gast Europa sowie über die Geschichte das HOPPER Hotel St. Josef. Für dieses Haus und Produktion von Schokolade. mit seiner besonderen Atmosphäre wurde ein Auf der ersten Ebene des Schokolaehemaliges Stiftsgebäude umgebaut. Für jedes denmuseums geht es vor allem um Zimmer schufen junge Künstler der Münsteraner die Kakaobohne „Theobroma cacao“. Kunstakademie eine einzigartige Skulptur – wobei sie den biblischen Namensgeber des Hauses immer Im Tropenhaus fühlt sich dank des im Blick behielten. In der ehemaligen zweigeschostropischen Klimas sogar eine echte sigen Kapelle des Hauses kann man unter der Kakaopflanze rundum wohl. In einer neugotischen Gewölbedecke fein speisen. kleinen Schokoladenfabrik erfahren Dreikönigenstraße 1–3 die Liebhaber süßer Verführung, 50678 Köln wie Schokolade hergestellt wird. Tel. +49 (0)221 99800-0 Die Maschinen sind mit kleinen www.hopper.de Glasfenstern ausgestattet. So können


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wissbegierige Schokofans dabei zuschauen, wenn Pralinen oder Hohlfiguren entstehen. Auf Ebene Nummer zwei wird die 4.000-jährige Geschichte der Kakaopflanze präsentiert. Die dritte Ebene verrät spannende Schokoladen-Geheimnisse. Zum Beispiel wie der Schokohase in seine goldene Folie kommt. SchokoladenReklame aus vergangenen Zeiten und ein bahnbrechender und funktionsfähiger Schokoladenautomat aus dem Jahr 1880 machen historisch interessierten Besuchern Freude. Doch wer eher den süßen Genuss vorzieht, den werden die Verkostungen locken. Oder die Werkstattseminare, bei denen große und kleine Süßschnäbel schokoladige Versuchungen kreieren. Schokoladenmuseum Köln Am Schokoladenmuseum 1a, 50678 Köln Tel. +49 (0)221 931888-0 Öffnungszeiten: Di–Fr: 10–18 Uhr; Sa–So, Feiertage: 11–19 Uhr www.schokoladenmuseum.de


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Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke Die Kölner Hohenzollernbrücke verbindet nicht nur die beiden Rheinufer miteinander, sondern vor allem die Herzen. „Yvonne und Carsten“, „E & C 14.02.2009“, „My angel, you make me just happy. I Love you infinitely. Your heart.“ oder Ähnliches ist auf den vielen, vielen Vorhängeschlössern zu lesen, die auf der Brücke an den Zaun gehängt wurden, um für alle Ewigkeit die eine große Liebe zu besiegeln. Wer genau hinschaut, entdeckt ein großes Schloss mit weißen und roten Strasssteinen. Der Strass ist zwar nicht mehr komplett, aber inzwischen erzählen vier kleine Schlösser – das neueste glänzt noch am stärksten – vermutlich vom glücklichen Kindersegen des Liebespaares. Über 40.000 Pärchen haben mittlerweile ebenso viele Schlösser, mit oft eingravierten Initialen oder Vornamen, an den Zaun auf der Brücke angeschlossen – und den Schlüssel im Wasser des Rheins versenkt. Der romantische Brauch ist für die Verantwortlichen kein Grund zur Sorge. Angesichts eines Hohenzollernbrücke und der Kölner Dom


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Vorhängeschlösser auf der Hohenzollernbrücke als Beweis großer Liebe zahlreicher Liebenden

Eisenbahnzuges würden die Schlösser in Bezug auf die Statik der Brücke nicht weiter ins Gewicht fallen. Hohenzollernbrücke, 50667 Köln

Adressen

Jedermann und jede Frau sind Jecken im Kölner Karneval.

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· Kölner Dom · Museum Ludwig · Hohenzollernbrücke · Schokoladenmuseum · Historisches Rathaus · Groß St. Martin · Hauptbahnhof

Tourist-Information Kölner Karneval Beginn am 11.11. um 11:11 Uhr, Höhepunkt ist der Rosenmontagsumzug, am Aschermittwoch ist alles vorbei. Köln Tourismus Kardinal-Höffner-Platz 1 50667 Köln Tel. +49 (0)221 22130400 www.koelntourismus.de


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Stuttgarter Frühlingsfest Der Frühling kommt!

Mit dem Stuttgarter Frühlingsfest beginnt für so manchen Schausteller der Jahreslauf. Dieses Fest bildet den Saisonauftakt und lockt viele Menschen an, die nach einem langen Winter hinaus an die frische Luft wollen, um sich endlich wieder zu amüsieren und die eine oder andere Leckerei zu genießen.

Zwischen Neckar und Mercedesstraße Das Stuttgarter Frühlingsfest gehört zu den jüngeren Volksfesten. Doch auch wenn es auf keine mehrhundertjährige Tradition zurückblicken kann, so ist es doch Teil der Historie eines größeren Volksfestes, das 1818 erstmals ausgerichtet wurde. Das Stuttgarter Frühlingsfest ist nämlich der kleine Bruder des Cannstatter Volksfestes. Es wurde von der Stadt und Vereinen ins Leben gerufen, gilt heute als Auftaktveranstaltung für die Volksfestsaison in Schwaben und ist europaweit das größte Frühlingsfest. Beide Feste werden auf dem Cannstatter Wasen veranstaltet, der zwischen Neckar und Mercedesstraße liegt.

Bunt prangt die mit Obst dekorierte Fruchtsäule über dem Cannstatter Volksfest.

Kanne statt Fruchtsäule Ein deutliches Indiz für die Seelenverwandtschaft der beiden Feste sind ihre Wahrzeichen. Die Fruchtsäule, eine 26 Meter hohe und 3,5 Tonnen schwere Holzsäule, ist mit Früchten dekoriert und das Wahrzeichen des Cannstatter Volksfestes im Herbst. 1995 unternahm man einen Versuch, die Säule wegen des aufwendigen Auf- und Abbaus das liebe lange Jahr auf dem Festplatz stehen zu lassen – und so stand sie dann auch auf dem Frühlingsfest, das ja auf demselben Platz gefeiert wird. Davon kam man aber inzwischen wieder ab. Heute wird die Fruchtsäule jeden


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Herbst nach dem Cannstatter Volksfest abgebaut. Ihr Unterbau jedoch bleibt stehen. Auf dem montiert man nun zum Frühjahrsfest eine überdimensionale Kanne. Sie ist die Bad Cannstatter Wappenfigur. Das Stuttgarter Frühlingsfestbier Eine spannende Geschichte hat auch das Stuttgarter Frühlingsfestbier vorzuweisen. 1529 wurde, weil das Biersieden die sommerliche Brand gefahr erhöhte, eine Brauordnung erlassen, die das Brauen nur zwischen dem 29. September, das ist der Tag des heiligen Michael, und dem 23. April, dem Tag des heiligen Georg, erlaubte. Außerdem erforderte das Brauen untergäriger Biere Temperaturen unter 10 Grad Celsius – und die konnte man im Mittelalter noch nicht künstlich erzeugen. Weil die Stuttgarter aber auch im Sommer nicht auf ihr Bier verzichten wollten, musste man die Haltbarkeit des im Frühjahr gebrauten Bieres erhöhen. Mit mehr Stammwürze und höherem Alkoholgehalt oder auch mit einer intensiveren Verhopfung war das möglich.

Rote Wurst Auf das Stuttgarter Frühlingsfest zu gehen, ohne eine Rote Wurst zu essen, das geht nicht. Die Rote Wurst ist im Schwabenland eine besondere Spezialität. Ihren Namen verdankt diese Grillwurst ihrer Haut, die rötlich bis orangefarben schimmert, und dem leckeren rosa Brät. Die Wurst wird zubereitet aus fein zerkleinertem Schweinefleisch, Speck und Gewürzen. Fertig sind die Würste erst, wenn sie gebrüht wurden. Pökelsalz sorgt dafür, dass die schöne rosa Farbe erhalten bleibt.

Ohne Bürgermeister geht’s nicht Eröffnet wird das Frühlingsfest mit dem Anstich des Festbiers. Dafür ist traditionell der erste Bürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart zu ständig. Schwungvolle Musik sorgt im Festzelt für ausgelassene Stimmung und die Gäste lassen sich so manches Bier schmecken. Viele von ihnen kommen in Tracht. Und auch wenn so manches Outfit bayrisch inspiriert ist, so können sich die Baden-Württemberger Trachten durchaus sehen lassen. Es gibt sogar eine spezielle Wasen-Kollektion. Auch sonst geht es

Schon Mitte der 30er Jahre waren die Verkaufsbuden des Volksfestes bei Jung und Alt beliebt.


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Der Wasenhasi Die Cannstatter Wasen hat mit dem Wasenhasi ein eigenes Maskottchen, das ein beliebtes Mitbringsel ist.

auf dem Cannstatter Wasen im Frühling natürlich hoch her. Auch wenn nur das kleinere Riesenrad aufgestellt wird, bietet es mit seinen 55 Metern Höhe doch einen tollen Ausblick über Stuttgart und sein Umland. Außerdem erwartet die Besucher meistens eine Achterbahn mit Looping.

Auf dem Krämermarkt Eine wichtige Institution, zu der alle Jahre viele Stammkunden pilgern, ist der Krämermarkt. Auf Maultaschen dem gemütlichen und bodenständigen Markt lebt die schwäbische Seele auf und mag nicht auf dieses Pendant zum quirligen Treiben auf dem Rummelplatz verzichten. Überwiegend Produzenten aus Schwaben bieten hier ihre Waren an. Haushalts- und Eisenwaren, Kosmetika, Putzmittel, Honig – Schnickschnack findet man hier kaum, dafür Nützliches für Haus und Garten. Ebenso bedeutsam sind die kuliProbieren muss man die Maulnarischen Genüsse. Das halbe Göckele vom Grill, das taschen: Der Nudelteig wird mit sowohl aus der Region als auch aus Bodenhaltung Brät, Zwiebeln, Spinat und stammt sowie unter kontrollierten Bedingungen aufBrötchen gefüllt. gezogen werden sollte, die typischen Maultaschen, ein Spießbraten oder eine junge Schweinshaxe vom Grill sind Abends wird das Volksfest leckere Spezialitäten und bei den Besuchern des Frühlingsfestes in leuchtende Farben getaucht. sehr beliebt.


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Sehenswürdigkeiten in Stuttgart Mercedes-Benz Museum Nach Stuttgart reisen, ohne mit der faszinierenden Welt von Mercedes-Benz in Berührung zu kommen, ist gar nicht möglich und wäre auch sehr schade. Denn der Automobilkonzern hat mit dem Mercedes-Benz Museum einen touristischen Höhepunkt geschaffen. Schon architektonisch ist das Museum sehr interessant: Es verdankt seine offene Struktur nämlich der Doppelhelix, auf der die Natur genetische Informationen verschlüsselt. Dass 1.800 dreieckige Fensterscheiben verbaut wurden, mag eine Idee von dieser besonderen Bauweise vermitteln. Nichtsdestotrotz ist für die meisten Besucher vor allem die EntFaszination Auto im Mercedes-Benz Museum wicklung des Automobils der Grund, aus dem sie das Museum besuchen. Doch beschränkt man sich hier keineswegs auf die technische Dimension, sondern bettet diese Entwicklung in einen umfassenderen Kontext ein. So können die Museumsbesucher zum Beispiel bereits im Fahrstuhl die Fahrgeräusche hören, die sie auf der nächsten Ebene erwarten. Das kann Pferdegetrappel sein, der Lärm einer Bundesstraße oder auch Rock’n’Roll. 160 Fahrzeuge und gut 1.500 Exponate veranschaulichen die Geschichte von Mercedes-Benz. Allein sieben Mythosräume faszinieren moderne Automobilisten. Da geht es zum Beispiel um Pioniere und die Erfindung Die Werkstatt im Gartenhaus des Automobils in den Jahren 1886 bis In der Bad Cannstatter Taubenheimstraße kaufte 1900 oder um den Aufbruch auf dem Gottlieb Daimler 1882 eine Villa, zu der ein GartenWeg zur emissionsfreien Mobilität. haus gehörte – und das wurde kurzerhand zur Auch der Nachwuchs wird begeistert Werkstatt umgebaut. Sie wurde zum Ort, an dem die sein: Für Kinder ab sechs Jahren gibt Ingenieure Daimler und Maybach begannen, ihre es einen kostenlosen Audio-Guide, der Vision eines beweglichen Motors zu realisieren. Ganz Geschichten über die Erfindung des im Geheimen arbeiteten sie daran, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Der Gärtner der Familie alarmierte Automobils erzählt. Außerdem können sogar die Polizei, weil er vermutete, sein Chef sei ein die Kids ein Entdeckerbuch mit nach Falschmünzer. Hause nehmen, sodass sie immer mal wieder nachlesen können, was sie so


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Stuttgarter Stäffele In Stuttgart gibt es 400 teilweise sehr kunstreiche Treppen. Die meisten stammen aus der Zeit des Weinbaus.

Das abwechslungsreiche Bohnenviertel lag einst außerhalb der Stadtmauern.

ganz nebenbei über die Welt der Automobile gelernt haben. Mercedes-Benz Museum, Mercedesstraße 100 70372 Stuttgart, Tel. +49 (0)711 1730000 Öffnungszeiten: Di–So: 9–18 Uhr www.mercedes-benz-classic.com/museum

Stuttgarter Bohnenviertel Als Stuttgart im 15. Jahrhundert über seine Grenzen – die Stadtmauer nämlich – hinauswuchs, war das Bohnenviertel das allererste Stadtviertel außerhalb der Mauer. Es muss nach heutigen Maßstäben recht idyllisch gewesen sein zwischen den Weinbergen und Wiesen, den Äckern und Wäldern, die jenseits der Stadtmauer das Bild bestimmten. Erst im 16. Jahrhundert wurde dort zum Beispiel der Lazarettfriedhof angelegt. Für die Menschen im Bohnenviertel hielt der Alltag jedoch vermutlich vor allem viel Arbeit bereit. Sie sollen meist arm gewesen sein und in ihren Gärten jedes freie Fleckchen genutzt haben, um Bohnen anzupflanzen – was dem Viertel seinen Namen gab. Vor allem Weinbauern und Handwerker lebten im Bohnenviertel. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts an wurden die Rebhänge vielfach als Baugrund verkauft. Die Stadt wuchs und auch das


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Rasantes Achterbahnfahren lockt damals wie heute Heerscharen an.

Bohnenviertel entwickelte sich. Gemüse- und Blumenhändler, Altwarenhändler und Pfandleiher, kleine Fabrikanten und jüdische Kaufleute lebten und arbeiteten nun in der Vorstadt. Noch heute ist es die besondere Mischung der Menschen mit ihren unterschiedlichen Professionen, die dem Genuss-Tipp Bohnenviertel seinen Reiz verleiht. Hier gibt es zauberhafte Trödelläden, Weinstube Schellenturm individuelle Geschäfte mit Seifen, KerFeine schwäbische Küche wird im Turm serviert, der zen, Spielzeug, Schmuck und vielem 1564 als Teil der Stadtmauer erbaut wurde. anderen, außerdem viele gemütliche Lecker: hausgemachte Maultaschen! Cafés, schöne Weinstuben und urige Weberstraße 72 Kneipen. Kurzum: Das Bohnenviertel 70182 Stuttgart ist ein herrlicher Platz zum WohlfühÖffnungszeiten: Mo–Sa: 17–24 Uhr Tel. +49 (0)711 2364888 len. Bei schönem Sommerwetter ist www.weinstube-schellenturm.de es großartig, um unter freiem Himmel das eine oder andere Gericht mit den Bistro und Restaurant Drei Mohren berühmten schwäbischen Nudeln, den Viel Holz und rustikal mit Blei verglaste Fenster „Spätzle“, zu genießen. In der kalten bilden den richtigen Rahmen für schwäbische Jahreszeit strahlt das Viertel eine beSpezialitäten wie Zwiebelrostbraten mit Spätzle. sonders heimelige Stimmung aus. Pfarrstraße 23 Junges Schloss. Das Kindermuseum in Stuttgart Das Junge Schloss in Stuttgart hat es geschafft, Kindern den Weg zur Geschichte zu ebnen: Es führt sie –

70182 Stuttgart Tel. 49 (0)711 295333 Öffnungszeiten: Di–Do: 16–24 Uhr; Fr–Sa: 11–2 Uhr; So, Feiertage: 11–22 Uhr www.dreimohren-stuttgart.de


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Über Nacht ★★★★★ Hotel am Schlossgarten Eine moderne Linienführung und eine warme Farbwelt prägen das Ambiente im Stuttgarter Hotel am Schlossgarten. Ein Teil der 106 Zimmer und Suiten bietet einen schönen Ausblick auf den historischen Schlossgarten. 18 Gault-Millau-Punkte, ein Michelin-Stern und 3,5 Feinschmecker-F repräsentieren die Qualität, die die Küche des Schlossgarten Gourmetrestaurants ihren Gästen bietet. Die Vinothek am Schlossgarten verwöhnt Genießer mit Weinen aus Deutschland und Frankreich. Schillerstraße 23 70173 Stuttgart Tel. +49 (0)711 20260 www.hotelschlossgarten.com

Adressen

Das Alte Schloss ist eines der ältesten erhalten gebliebenen Bauwerke der Stadt, das in seinem Inneren Programme für die Jungen bereithält.

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· Schloßplatz · Stiftskirche · Mercedes-Benz Museum · Bohnenviertel · Weinstube Schellenturm · Bistro und Restaurant Drei Mohren · Junges Schloss · Königstraße

Tourist-Information Stuttgarter Frühlingsfest Cannstatter Wasen Mercedesstraße 50 70372 Stuttgart Tel. +49 (0)711 95543300 www.stuttgarter-fruehlingsfest.de Tourist-Information i-Punkt Königstraße 1A 70173 Stuttgart Tel. +49 (0)711 2228-235 www.stuttgart-tourist.de

und am liebsten gleich ganze Familien – spielerisch an die regionale Geschichte heran. Die Themen sind so vielfältig und bunt gemischt wie das Leben selbst. Ganz wichtig ist der Kinderbeirat, der dafür sorgt, dass die Interessen und die Sichtweisen der Kinder auch wirklich berücksichtigt werden. An Sonntagen gibt es im Rahmen der Familiennachmittage oft ein buntes Mitmachprogramm. Junges Schloss. Das Kindermuseum in Stuttgart, Schillerplatz 6 70173 Stuttgart Tel. +49 (0)711 89535111 Öffnungszeiten: Di–So: 10–17 Uhr www.jungesschloss.de


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Baumblütenfest Blütenträume an der Havel

Wenn der Obstbau-Verein eines kleinen Städtchens wie Werder (Havel) eine gute Idee hat, kann Großes daraus werden: Das Baumblütenfest wurde das erste Mal 1897 gefeiert und hat bis heute seinen Charme bewahrt. Es hält für jeden Gast viel Vergnügen bereit und gewährt nach wie vor dem Obstwein einen Ehrenplatz.

Findige Obstbauern Die Obstbauern in Werder an der Havel scheinen schon immer ideenreich gewesen zu sein: Am 13. März 1879 entschied der dortige Obstbau-Verein auf Vorschlag von Wilhelm Wils, den Höhepunkt der Obstbaumblüte in den Berliner Zeitungen kundzutun. Das lag nahe, weil auch Berlin nahe bei Werder (Havel) liegt – und weil man die Berliner animieren wollte, die Baumblüte in Werder zu genießen und nebenher vielleicht auch die Produkte der Obstbauern zu kaufen. Die Idee war ein Erfolg: Schon 1897, im ersten Jahr des Baumblütenfests, benötigte man zwei Extrazüge, um die vielen Berliner nach Werder zu bringen. Das Fest wurde immer beliebter und es war den Werderanern wie ihren Gästen ein Vergnügen, sozusagen über den Gartenzaun hinweg zu handeln. Großer Ansturm auf Werders Baumblütenfest 1924

Baumblütenball, Baumblütenlauf, Baumblütenkönigin Die erste Baumblütenkönigin war im Jahr 1936 Johanna Schmidt. Sie blieb für 53 Jahre ohne eine Nachfolgerin. Erst im Jahr 1989 wählte man wieder eine Baumblütenkönigin. Etwa 750 Blütenballgästen bereitete es ein großes Vergnügen, unter 19 zauberhaften Havelobstmädchen die Havel-Schönheit auszuwählen, die zur Blütenkönigin gekürt werden sollte. Seit dem Mauerfall kamen mehr


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und mehr Gäste in das Städtchen an der Havel. Im Durchschnitt sind es inzwischen eine halbe Million Gäste. Man kann sich vorstellen, welch ein Trubel dann in der kleinen Stadt mit ihren 23.000 Einwohnern herrscht. Die Festivitäten erstrecken sich über die ganze Stadt. Seit 1994 wird im städtischen Wald der Baumblütenlauf ausgerichtet. Und 1997 gab es dann auch wieder einen vom Bürgermeister und der Baumblütenkönigin begleiteten Festumzug, an dem sich die Vereine, Unternehmen und Schulen des Ortes beteiligen. Im Jahre 2008 gab es entlang der Strecke rund 300 Stände. Etwa die Hälfte gehörte ortsansässigen Anbietern. Man sieht: Den Werderanern ist es gelungen, Geschäftstüchtigkeit und Gastfreundschaft unter einen Hut zu bringen und dabei auch noch langjährige Traditionen zu erhalten.

An der Spitze des Umzugs winkt die stolze Baumblütenkönigin mit dem Bürgermeister der Menge zu.

Gold, Silber oder Bronze – Kruken für die besten Weine Wenn die Stadt Werder Ende April, Anfang Mai zum Baumblütenfest einlädt, hat sich das Städtchen in sein schönstes Kleid gehüllt: Die Obstbäume blühen rosa oder weiß und inmitten dieses Blütenmeers blitzt ab und an der eine oder andere Fliederbusch kess hervor. In dieser herrlichen Frühlingslandschaft in den Gärten der Obstbauern zu sitzen und den Obstwein zu probieren, ist ein wunderbares Vergnügen. Wer Lust auf eine Rundfahrt durch die blühenden Plantagen hat, kann sich neben dem Bus auch für eine Auch in vergangenen Zeiten wurde in Werder fröhlich gezecht.


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Genuss-Tipp Restaurant Bürgerstuben Werder Das liebevoll sanierte Gebäude und die Seeterrasse sind sehr hübsch gelegen. Und die bodenständige Küche lockt mit mediterranem Einschlag. Uferstraße 10 14542 Werder (Havel) Tel. +49 (0)3327 45868 Öffnungszeiten: Mo–So: ab 11.30 Uhr www.buergerstuben-werder.de

Kutschfahrt entscheiden. Aber aufgepasst: Weil der Obstwein wie ein Saft schmeckt, aber dennoch recht gehaltvoll ist, sollten unerfahrene Besucher Vorsicht walten lassen. Übrigens: Zum Baumblütenfest werden etwa 400.000 Liter Obstwein ausgeschenkt. Und manch einer der Weine ist sogar prämiert. In acht Kategorien werden goldene, silberne oder bronzene Kruken vergeben. Die Kategorien sind weiße


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Johannisbeere, rote Johannisbeere, Erdbeere, Sauerkirsche, Himbeere, Holunder, Kernobst und heimische Raritäten. Spaß beim Festumzug Neben dem Wein und anderen fruchtigen Leckereien stehen auf dem Baumblütenfest jede Menge Musik, rasante Fahrgeschäfte und selbstverständlich auch der große Festumzug auf dem Programm. Bürger, Schulen, Vereine und Gewerbetreibende ziehen gemeinsam mit Bürgermeister und der frisch gekürten Baumblütenkönigin durch die Straßen der Stadt und verbreiten gute Laune. Sehen-und-gesehen-werden ist dabei oberstes Gebot. Und so stehen dann die Werderaner und ihre Gäste aus der näheren und weiteren Umgebung am Straßenrand und freuen sich über den bunt gemischten Zug.

Ab auf den Obsthof! Mitglieder des Obst- und Gartenbauvereins Werder (Havel) – etwa 20 an der Zahl – bauen in der Region Obst und auch Gemüse an. Sie verarbeiten ihre Produkte weiter, züchten auch Pflanzen und fördern auf diese Weise nachhaltig ihre Heimat. Neben dem Werderaner Obstwein, Obstsäften und Obstbränden sowie Früchten der Saison werden von ihnen auch Tannenbäume, Obstbäume und insbesondere der Werderaner-Wachtelberg-Wein erzeugt. Für viele Besucher des Baumblütenfests ist es das schönste Erlebnis, auf den Höfen der Obstbauern unter den blühenden Bäumen zu verweilen und die Erzeugnisse der Region zu genießen. Die Wiesen, der blaue Himmel und die frische Luft sind eine Wohltat für die Seele. Hier bekommen Kinder aus der Stadt, die sonst kaum eine Chance haben, der Natur so nahe zu sein, eine gute Vorstellung davon, wo ihr Apfelsaft herkommt und wie er entsteht. Und die Großen lieben es, sich direkt beim Erzeuger zu bevorraten.

Das Baumblütenfest lässt sich im Sonnenschein wunderbar genießen (links).

Damit auch jeder weiß, wo es den Obstwein gibt.


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Abgehoben In Derwitz, einem kleinen Ortsteil von Werder an der Havel, gibt es einen Höhepunkt der besonderen Art zu bestaunen – und zwar im doppelten Wortsinne. Dort wurde eine aufsehenerregende Episode der Fluggeschichte zu einem historischen Höhepunkt: Vom Spitzberg aus, der mit 64 Metern in der Region durchaus ein landschaftlicher Höhepunkt ist, glitt Otto Lilienthal im Jahre 1891 erstmals durch die Lüfte. Der berühmte Erfinder des Gleitflugs soll es im Sommer dieses denkwürdigen Jahres immerhin auf eine Flugstrecke von 30 Metern gebracht haben. Der Spitzberg allerdings wurde trotz seiner historischen Bedeutung inzwischen abgetragen. Er lieferte Baumaterial für den Bau des Potsdamer Bahnhofs Charlottenhof. Ersatzweise steht heute auf dem Mühlenberg ein Denkmal, das an den ersten Menschenflug erinnert. Und im Lilienthalmuseum Derwitz erfahren die Besucher vieles über die faszinierenden Flugzeugkonstruktionen von Otto Lilienthal.

Die restaurierte Bockmühle lässt sich in jede Himmelrichtung drehen. Das Laub des Weines wurde früher zum Einwickeln von Obst verwendet (rechts).

Sehenswürdigkeiten in Werder (Havel) Bockwindmühle Die Bockwindmühle in Werder an der Havel erinnert an eine ganze Gruppe gleichartiger Mühlen, die hier einst in den Wind gedreht wurden. Das Recht zu mahlen wurde in dem Ort bereits um 1500 erwähnt. Die Mühle, die man heute anschauen und fotografieren kann, steht hier allerdings erst seit 1987. Nachdem ihre Vorgängerin auf dem Mühlenberg 1973 ein Opfer von Brandstiftung wurde, kaufte man die heutige Mühle in einem ziemlich schlechten Zustand. Sie besaß weder Bremsrad noch Flügel und stand ursprünglich im rund hundert Kilometer entfernten Klossa. Stück für Stück wurde sie abgebaut, fachgerecht behandelt und in Werder wieder aufgebaut.


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Dass man Bockwindmühlen in die Himmelsrichtung drehen kann, in der sie die Kraft des Windes besonders effizient nutzen können, ist das Besondere an dieser Bauform. Über Nacht Der Trick, der dies ermöglicht, ist so einfach wie genial: In einem ★★★ Hotel zur Insel Untergestell, dem namengebenden Im Hotel zur Insel schätzen die Gäste ganz besonBock, lagert ein dicker Pfahl. Das ist ders die wunderbare Lage auf der Insel von Werder der sogenannte Hausbaum, der auch (Havel) und die familiäre Atmosphäre. In dem die eigentliche Mühle trägt. Er bildet liebevoll eingerichteten Haus gibt es nicht nur ein die Achse, um die die Mühle oberhalb freundliches Sonnenblumenzimmer, sondern – wie des Bocks gedreht werden kann. Die sollte es in einer Region mit so intensivem Obstanbau anders sein – auch ein Kirsch- und ein ApfelzimBauform wird auch Deutsche Windmer. Besondere Arrangements gibt es für Radler, die mühle oder Ständermühle genannt im Radlerhaus sogar einen Raum sowie Material für und kommt überall dort gerade Kleinstreparaturen vorfinden. recht, wo der Wind aus immer wieder Am Markt 6 wechselnder Richtung kommt. 14542 Werder (Havel) Bockwindmühle Tel. +49 (0)3327 66160 Inselstadt – Auf dem Mühlengelände www.hotel-zur-insel.de 14542 Werder an der Havel


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Obstbaumuseum Werder (Havel) Obwohl man sich einen Ort wie Werder (Havel) kaum ohne ein solches Die Havel, der Große Zernsee, der Schwielowsee, Museum vorstellen kann, wurde das der Glindowsee und der Große Plessower See Obstbaumuseum in Werder an der nehmen das Städtchen Werder in ihre Mitte. So kann man hier mit Kajaks, Kanus, Motorbooten, Havel erst 1959 gegründet. Es hat Tretbooten oder Segelyachten die wasserreiche seine Heimat im ehemaligen StadtLandschaft nach Herzenslust genießen. Auf gefängnis gefunden und präsentiert Wasserwegen von mehr als 200 Kilometern die geschichtliche Entwicklung von Gesamtlänge können in der Umgebung von Obstbau, Weinbau und Fischerei mit Werder (Havel) und Potsdam auch Sportboote alten Dokumenten, der Kleidung fahren. Wassertouristen, die die Havelländische vergangener Zeiten und selbstverSeenlandschaft mit dem eigenen oder einem geliehenen Boot erkunden, können die vielen ständlich auch mit interessanten Anlegestellen nutzen, die am Symbol der „Gelben Geräten. Im Innenhof des Museums Welle“ zu erkennen sind. Wer es schneller liebt, sind nämlich historische Arbeitsder kann sich beim Surfen, beim Wasserski, geräte der Obstzüchter zu sehen. beim Paragliding und beim Catamaran-Segeln Mit ein wenig Glück kann man sogar vergnügen. Und an den öffentlichen Badestellen erleben, wie sie bei der Arbeit kann man wunderbar baden: Da sind zum einem verwandt werden. das Strandbad Glindow und zum anderen das Einen authentischen Eindruck verStrandbad Werder am Plessower See. www.havelland-tourismus.de gangener Zeiten vermitteln auch die ausgestellten Pflückgefäße, aus Weide geflochtene Kiepen und Körbe sind zu sehen und auch die sogenannten Tienen. Das sind Behälter, aus denen sich später der Spankorb entwickelte. Mit diesen Tienen wurde einst das Obst auf den Verladeplatz gebracht, von wo aus man es ins nahe Berlin transportierte. Zunächst Obstwein hat es in sich! wurde es mit Schuten dorthin gerudert, dann übernahm der Raddampfer namens „Luise“ diese Obstwein schmeckt so harmlos wie Aufgabe und noch später waren es Lastkraftwagen, Most. Doch Vorsicht: Manch ein die für den Transport in die Großstadt sorgten. Besucher spürt Nebenwirkungen! Obstbaumuseum Werder (Havel), Kirchstraße 6/7 14542 Werder (Havel), Tel. +49 (0)3327 783374 Öffnungszeiten: Mi: 11–16 Uhr; Sa, So: 13–17 Uhr Tourist-Information www.werder-havel.de/content/kultur/museen Wasserfreuden an der Havel

Tourismusbüro Kirchstraße 6/7 14542 Werder (Havel) Tel. +49 (0)3327 783374 www.werder-havel.de

Adressen 1 2 3 4

· Restaurant Bürgerstuben · Bockwindmühle · Hotel zur Insel · Obstbaumuseum Werder


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