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Das Schlusswort
Grosseltern im Genderdiskurs
In den letzten Monaten wurden Geschlechterthemen in den Medien heiss diskutiert: Fragen zur Gleichstellung von Frauen und Männern bei Arbeit und Lohn, zu geschlechtskorrekten Formulierungen oder Ehe auch für Gleichgeschlechtliche (und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Reportagen zu Transgender-Grosseltern publiziert werden). Interessanterweise wurde Grosselternschaft in diesen geschlechtsbezogenen Diskursen mehr oder weniger ausgeblendet, obwohl hier drei Geschlechterunterschiede gleichzeitig auftreten. Unterschiede der Enkelkinder-Grosseltern-Beziehung zwischen Männern und Frauen können sich auf drei Geschlechtsdimensionen beziehen: a) Geschlecht der Grosseltern (Grossmütter oder Grossväter): Traditionellerweise engagieren sich Grossmütter bei der Betreuung von Enkelkindern stärker als Grossväter. Das gilt bis heute, auch wenn moderne Grossväter sich stärker einbringen als dies früher der Fall war. b) Verwandtschaftslinie der Grosseltern (Grosseltern mütterlicherseits oder Grosseltern väterlicherseits): Im Allgemeinen sind die Beziehungen zu den Verwandten mütterlicherseits enger als zu den Verwandten väterlicherseits. Nach einer Scheidung der Eltern verstärken sich vielfach die grosselterlichen Beziehungen mütterlicherseits, wogegen die Kontakte zu Grosseltern väterlicherseits in vielen Fällen seltener werden. c) Geschlecht der Enkelkinder (Mädchen oder Knaben): Das Geschlecht von Enkelkindern kann etwa aus familiendynastischen Gründen bedeutsam sein (etwa zur Fortführung eines Familienbetriebs). Gleichzeitig kann die gemeinsame Geschlechtszugehörigkeit relevant sein, etwa in Richtung besonders intensiver Beziehungen zwischen Grossmüttern und heranwachsenden Enkeltöchtern und mehr gemeinsamer Aktivitäten von Grossvätern mit sportlich orientierten Enkelsöhnen. Soweit vorhanden, zeigen Studien,
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FRANÇOIS HÖPFLINGER (70) dass die Geschlechtsdifferenzen in ist in selbstständiger Forschung und Beratung zu Alters- und der Enkelkind-Grosseltern-BezieGenerationenfragen tätig. Nebst hung heute weniger ausgeprägt seinen wissenschaftlichen sind als dies früher der Fall war. Arbeiten schrieb der Soziologieprofessor auch diverse Kurz- Klein- und Schulkinder erleben geschichten, Satiren und Fabeln. heute eine eher geschlechtsneu-
Er ist verheiratet, hat zwei trale Beziehung zu Grossmüttern
Kinder und vier Enkelkinder. und Grossvätern, und Grossväter werden oft als ebenso liebevoll beschrieben wie Grossmütter. Bei modernen Grosseltern haben sich traditionelle Geschlechterunterschiede verwischt, sei es, dass engagierte Väter später auch engagierte Grossväter sind oder sei es, dass Männer mit Enkelkindern emotional etwas nachholen, was früher aus beruflichen Gründen zu kurz kam. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Grossvaterbild immer stärker von patriarchalen Rollenvorstellungen entfernt und eine emotional enge Beziehung zu den Enkelkindern gehört heute zum Idealbild moderner Grossvaterschaft. •