Das Magazin der bayerischen Grünen
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SCHÖNE NEUE WELT Wie der digitale Wandel unser Leben verändert
EINLADUNG ZUKUNFTSKONGRESS nr. 03 Samstag, 21. Mai 2011
Di g i taler Wandel
Augsburg, Annahof
Leben ändert r e s n u h ic s ie W >
Keynote-Speaker: Anke Domscheit-Berg und Dr. Christoph Bieber Alle weiteren ReferentInnen und das Programm unter www.gruene-bayern.de WIR SUCHEN ANTWORTEN
Jetzt anmelden
> Wie gestaltet sich Partizipation im Netz?
Per E-Mail: landesverband@bayern.gruene.de bayern.gruene.de
> Entsteht eine neue „Digitale Kluft“ in der Gesellschaft?
Per Post: BÜNDNIS 90/DIE DIE GRÜNEN Bayern Sendlinger Str. 47, 80331 München
> Wo sind die Grenzen zwischen Transparenz und Privatheit?
Veranstaltungsort Annahof Im Annahof 4 86150 Augsburg www.annahof-augsburg.de 10.00 Uhr Datenschutzspaziergang mit Claudia Roth (MdB) und Christine Kamm (MdL)
fincks-werbesache.de
11.00 Uhr Kongress-Start im Annahof 18.00 Uhr Ausklang mit Smart-Mob Open End
Anmeldeschluss: 9. Mai 2011 Schriftliche Anmeldung erforderlich, TeilnehmerInnenzahl beschränkt
Infos und Programm www.gruene-bayern.de
Freier Eintritt!
EDITORIAL
Kein Facebook-Account, keine Ahnung, was twittern ist, Blogger sind außerirdische Wesen? Falsch: Jetzt kommt kei-
ne Schelte, wie rückständig diejenigen sind, die auf diese Fragen mit „Ja“ antworten. Jedem und jeder ist schließlich selbst überlassen, ob und in welcher Form der Kontakt zur Außenwelt gepflegt wird. Trotzdem ist der digitale Wandel auch für alle Menschen relevant, die vordergründig nichts damit zu tun haben, weil sie sich für das Internet nicht interessieren und den handgeschriebenen Brief der elektronischen Post vorziehen. Denn dieser Wandel verändert unsere Welt, er verändert unser Leben. Weitreichend und nachhaltig. Auch wer nicht Teil des Wandels zu sein glaubt, ist davon betroffen: Auch seine Daten sind erfasst, auch sie wird von den Veränderungen in der Medienlandschaft beeinflusst, wir alle leben nicht auf einer Insel, sondern mitten in einer Gesellschaft, die sich verändert – auch durch den digitalen Wandel. Folgerichtig wirft dieser Prozess auch politische Fragen auf: nach den Chancen, nach den Risiken, nach Regeln, nach der Gerechtigkeit. Diesen Fragen wollen wir uns auf dem dritten Zukunftskongress am 21. Mai in Augsburg widmen. Wir diskutieren darüber, was öffentlich werden soll und was besser privat bleibt; wie wir den Wunsch nach mehr Beteiligung mit Hilfe der neuen Medien erfüllen können, wie wir verhindern, dass manche Regionen und bestimmte Teile der Gesellschaft vom digitalen Leben ausgeschlossen werden; und was unsere Schulen und Bildungseinrichtungen ändern müssen. Es geht also um grundlegende Fragen, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen. Deshalb hoffen wir auf möglichst breite Beteiligung auch derjenigen, die mit den neuen digitalen Instrumenten nicht so viel anfangen können. Denn es geht um Werte und die gehen uns alle an. Schließlich muss man auch nicht Kernphysik studiert haben, um sich eine Meinung zur Atomkraft zu bilden. Wer möchte, kann sich gerne auch schon im Vorfeld des Kongresses in die Diskussion einschalten. Das geht allerdings nur digital, auf unserem Blog http://meinbayern.gruene-bayern.de. Über Rückmeldungen zu diesem Heft freuen wir uns, egal ob analog oder digital. Viel Spaß beim Lesen!
Dieter Janecek, Landesvorsitzender
inhalt einleitung 4 zahlen und daten 6 kein anschluss unter dieser plz 8 Ausgegrenzt im Herzen Bayerns
der weg ist nicht das ziel 10 Wie geht Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter?
im spannungsfeld des internets 14 Wie bleibt Privates privat, wie wird Öffentliches öffentlich?
die politischen parteien müssen sich ändern 16 Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Dr. Christoph Bieber
auf den deckel 22 impressum 23 3
0100111001110 Die Digitalisierung und die Folgen
Die Digitalisierung beeinflusst fast alle Bereiche unseres Lebens. Das fängt morgens an, wenn der Wecker klingelt: meistens blicken wir dabei auf eine digitale Anzeige oder gleich auf das Handy. Die Zeitung, die wir aus dem Briefkasten holen, ist mit digitaler Satz- und Drucktechnik hergestellt. Die U-Bahn, Tram oder das Auto, mit dem wir zur Arbeit fahren, ist ohne digitale Technik kaum denkbar. Die meisten Arbeitsplätze auch nicht. Immer häufiger ist unsere Kommunikation ein Austausch auf der Basis digitaler Technik: sei es, wenn wir uns im Internet informieren und Unterhaltung suchen, sei es, wenn wir uns per e-mail oder auf sozialen Netzwerken mit FreundInnen oder KollegInnen über gemeinsame Arbeitsprojekte austauschen, zum Kinobesuch verabreden oder den neuesten Tratsch weitergeben. Die Möglichkeiten der digitalen Technik machen vieles einfacher: Informationen beschaffen und austauschen – und damit den Abbau von Herrschaftswissen – Kontakte zu Menschen halten, die weit weg leben, Musik, Filme und Literatur zu genießen – oft auch auf Kosten der Urheber – die Organisation der Arbeit. Diese Entgrenzung – denn nichts anderes ist das Wegfallen von Zugangsbarrieren – erleben viele Menschen als Akt der Befreiung. Aber es gibt natürlich auch gegenläufige Entwicklungen: permanent erreichbar und verfügbar sein, mehr Kommunikation, die nicht alle bereichernd finden („Mein Zug fährt jetzt gerade in den Bahn-
hof ein“), eine schier unendliche Fülle an Information und Angeboten, durch die man sich in der Regel alleine kämpfen muss, ohne Wegweiser und Vorgaben. Der digitale Wandel ist zuerst einmal eine technologische Entwicklung. Aber sie hat enorme Konsequenzen für jeden Einzelnen von uns und für unsere Gesellschaft insgesamt. Die Digitalisierung und den mit zusammen hängenden technologischen und gesellschaftlichen Wandel auf 24 analogen Seiten abzubilden, geht eigentlich gar nicht. Wir haben es trotzdem versucht. Nicht mit dem Ziel, eine umfassende Betrachtung dieses Megatrends zu schaffen, sondern in der Absicht, einzelne Aspekte heraus zu greifen, die wir im politischen Sinne für besonders relevant halten. Relevant heißt in diesem Zusammenhang, dass sie für die politische Willensbildung, für das Funktionieren unseres demokratischen Systems von sehr großer Bedeutung sind. Für uns Grüne erwächst daraus die Aufgabe, darüber zu diskutieren, eine gemeinsame Position zu diesen Aspekten zu entwickeln, konkrete Schritte daraus abzuleiten. An erster Stelle steht dabei die Frage nach dem Zugang: wer keinen Zugriff auf das Internet hat, bleibt außen vor. Das hat oft soziale Gründe oder ist eine Generationenfrage, in Bayern zudem häufig ein geografisches Problem. Immerhin 130 Gemeinden haben keinen schnellen Zugang zum Internet. Solche Orte sind weder für
die BewohnerInnen noch für Gewerbetreibende attraktiv. Wer es also mit der Stärkung des ländlichen Raumes ernst meint, muss handeln. Auf Seite acht wird dargelegt, warum. Für den Journalismus, insbesondere für die Zeitungslandschaft, hat die Digitalisierung ebenfalls weitreichende Konsequenzen. Die Veränderungen dort haben einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung und damit auf das Funktionieren der Demokratie. Ob die neuen Medien wirklich im Wortsinn revolutionär sind, darf dagegen bezweifelt werden. Die genauen Zusammenhänge finden sich auf den Seiten zehn bis 13. Das Internet schafft Transparenz, manchmal mehr, als es uns lieb ist. Manchmal auch weniger, als wir uns wünschen. Um das komplizierte Spannungsfeld, das sich zwischen Transparenz und Privatheit aufbaut, handeln die Seiten 14 bis 17. Können die Folgen der Individualisierung, die politische Parteien durch nachlassendes Engagement und aufkommende Entfremdung gegenüber den BürgerInnen spüren, durch die Digitalisierung und neue Möglichkeiten der Beteiligung aufgefangen werden? Darum dreht sich das Interview auf den Seiten 18 bis 21. Damit ist das Heft zu Ende. Es sei denn, sie wollen wirklich wissen, was Mundgeruchsbeseitiger, Uli Hoeneß und Angela Merkel mit dem Thema zu tun haben. Dann müssen Sie bis Seite 22 durchhalten. Wir versprechen: es lohnt sich!
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
zahlen und daten zum digitalen wandel Internetnutzung nach Bildung Volks-/Hauptschulabschluss: 56,6% Abitur / Studium: 88,8%
Absatz von Smartphones in Deutschland 2008: 3,1 Mio. 2009: 5,4 Mio 2010: 7,2 Mio 2011: 10 Mio (Prognose)
Preis pro Zoll in Euro Bildschirmdiagonale (Farbe, jew. größte normal verfügbare Größe) 1987: 101,83 € 1999: 39,67 € 2002: 31,85 € 2011: 7,91 €
Internetnutzung nach Geschlecht Männer: 79,5 % Frauen: 64,8%
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Preis für 1GB Festplattenkapazität 1986: 29.400,- EUR 1997: 80,- EUR 2002: 2,-EUR 2011: 0,11 EUR
Nutzer des sozialen Netzwerkes Facebook Weltweit / Deutschland 2006: 12 Mio 2007: 20 Mio 2008: 100 Mio / 0,5 Mio 2009: 200 Mio. / 2 Mio 2010: 500 Mio. / 15,1 Mio. 2011 (April): 619,1 Mio. / 17,4 Mio.
Internetnutzung in Deutschland seit 2001
Quellen: (N)onliner-Atlas, Bitkom, Verkaufsanzeigen, Wikipedia, Facebook, Facebookmarketing.de, insidefacebook.com, brandkraft.de,
2001 37% 2002 41,7% 2003 50,1% 2004 52,7% 2005 55,1% 2006 58,2% 2007 60,2% 2008 65,1% 2009 69,1% 2010 72,0%
Internetnutzung nach Regierungsbezirken Oberbayern 74,16% Schwaben 72% Mittelfranken 72% Unterfranken 72% Niederbayern 71,28% Oberpfalz 69,84% Oberfranken 66,24%
Internetnutzung nach Haushaltsnettoeinkommen Unter EUR 1.000,- : 51,5% Über EUR 3.000,-: 92 %
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
kein anschluss unter dieser plz Ausgegrenzt im Herzen Bayerns
Im Laufe weniger Jahre ist das Internet zu einem elementaren Bestandteil unseres Lebens geworden. Doch viele Menschen wurden von dieser rasanten Entwicklung abgehängt: Sie haben keinen Zugang zum Netz. Die digitale Kluft spaltet nicht nur junge und ältere Generationen oder finanziell schlecht und gut Gestellte voneinander – auch die Geografie spielt eine wichtige Rolle: wer in einer Gemeinde wohnt, die keinen schnellen Internetzugang hat, bleibt außen vor. Und das mitten in Bayern, das zu den Hochtechnologie-Regionen der Welt gehört.
gemeinden ohne schnellen zugang Nach dem Breitbandatlas des Bundeswirtschaftsministeriums sind rund 130 bayerische Gemeinden gar nicht oder nur auf unbefriedigende Weise mit der schnellen Datenautobahn verbunden. Sie sind in vielerlei Hinsicht buchstäblich von der Welt abgeschnitten. Ist ein schneller Internetzugang tatsächlich so wichtig? Ohne ihn ist der Zugang zu Information stark beschränkt, Schüler haben Probleme, ihre Hausaufgaben zu erledigen und für Unternehmen ergibt sich durch die fehlende Netzanbindung ein beträchtlicher Standortnachteil. Auch selbstständige Arbeit von zu Hause aus ist ohne eine gute Internetverbindung nicht
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von Daniela Wüst
denkbar. Frustration macht sich in den betroffenen Gemeinde breit. Die Folgen: Die Abwanderung aus ländlichen Gebieten verstärkt den demografischen Wandel dort, wo er ohnehin schon am stärksten zu spüren ist.
wer trägt die kosten? Politiker aller Parteien fordern mittlerweile einen flächendeckenden Breitbandausbau durch die Verlegung von unterirdischen Glasfaserleitungen. Von einer Grundversorgung von mindestens ein oder zwei Megabyte pro Sekunde (MB/s) ist meist die Rede. Die bayerische Regierung betont gar, dass den Breitbandtrassen gleiche Priorität wie dem Straßen- und Stromnetzausbau eingeräumt werden muss. Das Internet wird also als Teil der Grundversorgung angesehen. Doch wer übernimmt die Finanzierung? Der Markt alleine kann die flächendeckende Bereitstellung nicht regeln, schließlich ist es für die Telekommunikationsanbieter nicht rentabel, abgelegene und dünn besiedelte Ortschaften mit einem Glasfasernetz auszustatten. Allein die Tiefbauarbeiten zur Rohrlegung verschlingen große Summen, Kosten, die auch schnell die Gemeindekassen überfordern. Das Breitbandförderprogramm der bayerischen Staatsregierung unterstützt Gemeinden mit bis zu 100.000 Euro – je nach
geografischen Gegebenheiten der Ortschaft ist damit aber oft nur für einen Bruchteil der Haushalte die Breitbandversorgung gesichert. Als Alternativen für dünn besiedelte Regionen, in denen eine Glasfaserverlegung zu teuer wäre, werden schnelle Funktechniken wie UMTS oder ihr leistungsstärkerer Nachfolger LTE gehandelt. Durch die Aufstellung eines Funkmastens können InternetnutzerInnen so durch die Luft verbunden werden. Doch die Datenraten sind umso niedriger, je mehr Menschen die Funkverbindung nutzen; auch finanziell kann LTE nicht mit dem für den Endverbraucher kostengünstigen DSL mithalten. Eine Alternative in Einzelfällen also, aber für dichter besiedelte Ortschaften allenfalls eine Übergangslösung.
die gemeinden machen druck Zur Lösung der Finanzierungsfrage fordert der Bayerische Gemeindetag deshalb vom Bund, endlich Verantwortung zu übernehmen, denn eine tragbare Breitbandausbaustrategie auf Bundesebene fehlt bislang. Breitbandversorgung sollte als Universaldienstleistung in das Telekommunikationsgesetz aufgenommen werden, ähnlich dem Telefonnetz. Seit einigen Jahren machen die bayerischen Gemeinden über die „Breitbandinitiative Bayern“ auch der Staatsregierung
Druck. Mit Erfolg: In den letzten zwei Jahren hat sich die Anbindung vor allem der Privathaushalte stark verbessert. Das ist hauptsächlich auf die Arbeit engagierter Gemeinden zurückzuführen, die langwierige Verhandlung mit den Anbietern nicht scheuen, sich um staatliche Breitbandfördermittel bemühen und nach innovativen Lösungen suchen, wie zum Beispiel die
Doppelnutzung bereits vorhandener Wasserrohrleitungen der Stadtwerke für die DSL-Leitungen. Trotz des Fortschritts im Ausbau bleibt jedoch keine Zeit sich zurückzulehnen: die technologische Entwicklung von Computern und Smartphones schreitet so rasant voran, dass schon in zwei Jahren eine Anhebung des Mindeststandards von 1 MB/s auf 50 MB/s
gefordert werden könnte. Steigen die zu übertragenden Datenmengen, sind auch Funklösungen wie LTE für größere Ansiedelungen keine Alternative mehr. Dann wird die eine oder andere Gemeinde, die auf die kostengünstigere Funklösung gesetzt hat, nun ein zweites Mal in den Glasfaserausbau investieren müssen – oder sich eben ausbgrenzen lassen.
GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
der weg ist nicht das ziel Qualitätsjournalismus wird immer unabhängiger von Medium und Verbreitungsweg. Qualitätsjournalismus bleibt aber abhängig von verantwortungsvollen Verlegern und Journalisten von Sascha Knöchel
Der Zeitungsmarkt schrumpft. Zumindest in den Industrie nationen. Über 170 Tageszei tungen in den USA wurden in den letzten Jahren entweder komplett ein oder auf das reine OnlineAngebot umgestellt. Droht uns hierzulande ein ähnliches Blät tersterben? Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) beschwichtigt: „Die Titelzahl blieb in den vergangenen zehn Jahren stabil“, so der BDZV. Zudem seien die Zeitungsmärkte USA und Deutschland kaum vergleichbar: In Deutschland würden je 50 Prozent des Umsatzes aus Werbung und aus dem Ver kauf erzielt, in den USA sei das Zeitungs wesen mit einem Einnahmeverhältnis von 80 zu 20 deutlich stärker von Anzeigen abhängig. Also alles bestens in der deutschen Zei tungslandschaft? Das kann man trotz hübscher BDZVRhetorik glatt verneinen. Noch in den fünfziger Jahren gab es in der Bundesrepublik mehr als 600 Zeitungs verlage, heute sind es nur noch 350. Und das trotz Wiedervereinigung 1989. Inner halb der letzten zehn Jahre haben die deut schen Tageszeitungen einige Millionen KäuferInnen verloren. Bild, die auflagen stärkste deutsche Zeitung, verlor alleine von 1999 bis 2009 über 1,25 Millionen KäuferInnen, ein Minus von fast 30 Pro zent. Doch warum ist das so? Darauf haben Ver leger eine klare Antwort: Der digitale Wandel, das Internet ist schuld. Die Zei tungen können der angeblichen Gratis kultur im Netz nicht standhalten. Auf den
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ersten Blick eine plausible These, schließ lich steigt die Nutzung von OnlineMe dien immer noch rasant an. Tatsache ist aber auch, dass die Bevölkerung Deutsch lands schrumpft. Der Markt wird für die Verlage in punkto Auflagenhöhe also schlicht kleiner. Gleichzeitig gewinnen die Zeitungen bei jüngeren Menschen nicht mehr so automatisch neue Abonnente nInnen und LeserInnen hinzu wie früher. Möglicherweise hat das aber mehr Gründe als nur die reine Existenz eines neuen Mediums namens Internet.
sparzwang? zwangssparen! Durch den kleineren Absatzmarkt, durch sinkende Werbeerlöse bei gleichzeitig stei genden Rohstoffkosten (Papier) schrump fen die Renditen der Verleger deutlich. Waren früher zweistellige Renditeerlöse üblich, so müssen sich Verleger nun mit Gewinnen von fünf, sechs Prozent begnü gen. Ihre Reaktion: Sparzwang. Redaktio nen werden verkleinert, Korresponden tennetze ausgedünnt, teure Journalisten gegen billige ContentManager ausge tauscht. Das Ergebnis: uninteressante Zei tungen und öde Lokalteile dank immer gleicher Agenturmeldungen. Und dank unkritischer PRTexte. So wer den Tageszeitungen mit „Rundumsorg losPaketen“, also fertigen Texten, Bildern und InfoGrafiken beliefert. Una Groß mann, Pressesprecherin beim Informati onszentrum Mobilfunk, bestätigt diese Praxis gegenüber der ZEIT: „Es war nie einfacher als heute“.
Eine noch perfidere Methode hat die NPD entwickelt. Weil beispielsweise Zeitungen wie der Nordkurier in MecklenburgVor pommern (eine 33,3 ProzentTochter der Augsburger Mediengruppe Pressedruck/ Augsburger Allgemeine) einen strikten Sparkurs einschlug, sanken Umfang und Qualität. In diese publizistische Lücke stieß eine NPDInitiative, die Gratisblätter wie Anklamer Bote, Greifswalder Bote, Usedomer Inselbote und Stralsunder Bote herausgibt. Auch in Thüringen gibt es mehrere „Bo ten“, hinter denen die NPD steckt. Im NDR gab Thüringens NPDLandesge schäftsführer Wieschke die Strategie un umwunden zu: „Ja, es sind ja ganz offen inzwischen Zeitungen der NPD, und des halb spiegeln sie natürlich die Program matik der NPD wieder, und wir wollen natürlich unsere Meinung in die Köpfe der Menschen transportieren, ungefiltert.“ Die „vierte Macht im Staat“ verkommt zur Farce, wenn VerlegerInnen sie nicht wahr nehmen und denen überlassen, die sie ei gentlich kontrollieren sollten. Kein Wun der, wenn LeserInnen notgedrungen zu anderen Medien abwandern.
unabhängiger journalismus ohne verleger Und so bieten freie, regionale OnlinePor tale das, was die örtliche Zeitung nicht mehr bietet: unabhängigen Journalismus. Regensburgdigital.de ist so ein Beispiel oder auch buergerblick.de aus Passau.
Zeitungstitel in Deutschland: 1956: 624 / 1999: 355 / 2009: 351 Reichweite Tages- und Wochenzeitungen bei 20 bis 29-J채hrigen: 58,3% Online-Nutzung Deutschland: 2000 gesamt: 18 Mio. / 2009 gesamt: 43,3 Mio. 2000 Nutzung bei 20 bis 29-J채hrigen: 54,6% 2009 Nutzung bei 20 bis 29-J채hrigen: 95,5%
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
Diese kleinen Redaktionen informieren unabhängig von renditeorientierten VerlegerInnen, die ihre Zeitung nur noch als Ergebnis einer effizienten Produktionskette sehen. Ein zähes, aber lohnendes Geschäft. Stefan Aigner, Hauptverantwortlicher bei „Regensburg Digital“: „Wo am Anfang vielleicht 400 Leserinnen und Leser täglich standen, eine eher bescheidene Resonanz und null Euro an Verdienst, gibt es heute eine Seite, die aktuell 100.000 Mal im Monat gelesen wird. Ein 150 Mitglieder starker Förderverein sorgt für bescheidene, aber stetig wachsende Einkünfte.“ Natürlich spüren die Verlage diese Konkurrenz. Ein Zustand, der sie irritiert, denn sie sind ihn nicht gewohnt. Christian Jakubetz, Medienjournalist und Dozent
der Deutschen Journalistenschule, konstatiert: „Wer früher eine regionale Tageszeitung herausgab, hätte sich auch eine Lizenz zum Gelddrucken geben lassen können. Man hatte ein Produkt, das schwer verzichtbar war, hohe Renditen abwarf und gleichzeitig beim Kunden mangels Alternative fest verankert war – und das, obwohl der Kunde vielleicht gar nicht mal wirklich glücklich damit war.“ Also ist tatsächlich das Internet an der Verlagsmisere Schuld? „Nachdem Publizieren jetzt sehr viel einfacher und kostengünstiger geworden ist, machen es andere eben auch“, sagt Jakubetz und kommt zu dem Schluss, dass an sinkenden Umsätzen nicht das Medium Internet als solches, sondern die Verleger schlicht selbst Schuld
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14.05.-26.05.2011 03.09.-11.09.2011 06.05.-15.05.2011 02.09.-11.09.2011 21.05.-30.05.2011 01.10.-10.10.2011 21.05.-28.05.2011 02.06.2011 10.06.-19.06.2011 11.06.-18.06.2011 14.06.-22.06.2011 14.06.-25.06.2011 15.06.-25.06.2011 25.06.-29.06.2011 29.06.-09.07.2011 09.07.-12.07.2011 15.07.-18.07.2011 12.08.-30.08.2011 18.08.-28.08.2011 01.09.-09.09.2011 10.09.-17.09.2011 16.09.-25.09.2011 20.09.-23.09.2011 25.09.-29.09.2011 15.10.-24.10.2011
seien: „Redaktionelle und verlegerische Fehlleistungen über Jahre hinweg haben die aktuelle Situation einiger Verlage erst möglich gemacht.“ Mit dem digitalen Wandel bietet sich die Chance, der renditegetriebenen Qualitätsvernichtung vieler Verlage zu entkommen. Publizistische Vielfalt kann an ihre Stelle treten. Ungeklärt ist allerdings, wie die Finanzierung erfolgen kann, ob die neuen Angebote überleben können. Doch es gibt positive Signale. Während die Werbeeinnahmen der Tageszeitungen seit 2005 um 20 Prozent sanken, verdoppelte der Online-Sektor seine Einnahmen. Der Werbewirtschaft ist nicht der Verbreitungsweg wichtig, sondern die Erreichbarkeit des Publikums.
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viel gezwitscher macht noch keine revolution von Alex Burger
Kaum war die tunesische Regierung gestürzt, kaum hatten die Proteste in Ägypten den Charakter eines Volksaufstandes angenommen, schon kommentierten und leitartikelten die „Experten“ in den Medien über die Facebook-Revolution. Natürlich mit freundlicher Unterstützung von Zuckerberg und Co. Denn soviel Glaubwürdigkeit wie das Image des Revolutionsverstehers, des Förderers für Freiheit und Gerechtigkeit, kann keine Werbekampagne verschaffen.
twitter-revolution? Doch was ist jenseits von Marketing und Schnellschuss-Analysen eigentlich dran an den vermeintlich revolutionären Kräften des Web 2.0? Der Blogger Evgeny Mozorov schreibt über die Unruhen im Iran, die den gefälschten Präsidentschaftswahlen folgten und als „Twitter-Revolution“ bezeichnet wurden, dass am Vorabend der Wahlen nur 0,027% der IranerInnen über einen Account des KurznachrichtenDienstes verfügten. Selbst wenn es in Tunesien und Ägypten zwanzig mal so viele sein mögen – der Anteil liegt damit immer noch unwesentlich über dem Ergebnis der Tierschutzpartei bei der Bundestagswahl. Eine Massenbewegung kann daraus nicht erwachsen. Der Aufstand muss also andere Gründe und Kommunikationskanäle haben, was auch dadurch offensichtlich wird, dass der In-
ternet-Kill-Switch der ägyptischen Regierung die Proteste nicht verhindern konnte. Die Menschen sind auch ohne Netz auf die Straße gegangen. Sie haben dies wohl getan, weil sie genug hatten von Bevormundung und Nepotismus, weil sie eine soziale Perspektive wollen und nicht länger in einem System leben wollen, in dem sich wenige auf Kosten vieler die Taschen voll stopfen. In Deutschland und anderen Staaten der westlichen Welt nutzen ungleich mehr Menschen soziale Medien. Die Masse ist also gegeben, nicht für eine Revolution, aber doch für Aussagen wie „das Internet entscheidet Wahlen“. Als Beleg wird dann gerne die Obama-Kampagne 2008 hergenommen und gleich noch ein historischer Vergleich mit dem TV-Duell zwischen Kennedy und Nixon 1960 gezogen, das den Ausgang der Wahl maßgeblich beeinflusst haben soll.
technik gewinnt keine wahlen Die Analyse ist heute so falsch wie vor 50 Jahren. Nicht der virtuose Gebrauch der Technik gewinnt Wahlen, es entscheiden immer noch Inhalte und Personen. „It`s the economy, stupid!”, war ein Leitspruch der Kampagne von Bill Clinton in seinem Präsidentschaftswahlkampf gegen George Bush, der mit seinem Image als außenpolitisch erfahrener Präsident punkten
wollte und damit scheiterte, weil sich die Mehrheit der WählerInnen eben für Vorschläge interessierte, wie die Wirtschaft angekurbelt werden konnte.
überzeugung zählt Natürlich spielen Medien in der politischen Auseinandersetzung eine wichtige Rolle: Sie können Themen setzen, sie können ihnen ein Spin geben, Images prägen, Erwartungen formen. Allen voran das Fernsehen: Wahrscheinlich sind die ÄgypterInnen, die gegen ihr Regime aufgestanden sind, stärker von TV-Sendern wie AlDjazzera geprägt als durch das Internet. Aber wie dem auch sei: Reicht es aus, anders über die Wirklichkeit zu reden, um Wahlen zu gewinnen oder eine Revolution herbei zu führen? Natürlich nicht. So wichtig es auch ist, über politische und soziale Verhältnisse zu sprechen und dies nach Möglichkeit auch noch im herrschaftsfreien Diskurs: Kommunikation ist bestenfalls ein erster Schritt zu ihrer Veränderung. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Was letztlich zählt, ist Überzeugung. Sie ist die harte Währung in der politischen Auseinandersetzung und lässt sich nur durch Glaubwürdigkeit, die besseren Argumente und durch schlüssige Konzepte gewinnen. Wer die Menschen von seinen Ideen überzeugt, wird letztlich obsiegen, egal ob er oder sie Kennedy, Obama, El Baradei, Kretschmann, Künast oder sonst wie heißt.
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
Dem Internet wird so einiges unterstellt: Mal hat es einen amerikanischen Präsidenten ins Amt befördert, mal einen adeligen Verteidigungsminister zu Fall gebracht. Mal bringt es Menschen über alle Grenzen hinweg zusammen, mal dient es nur den menschlichen Abgründen. Das Internet ist also wahlweise Sargnagel der Diktatur oder Sargnagel der Demokratie, es ist ein Mitmachtool genauso wie ein Missbrauchstool. Manch einer beschwört schon das Ende der Privatheit, der nächste das Traumland der totalen Transparenz – und an allem ist das Internet schuld. von Fabian Hamák und Sascha Knöchel
GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL
Es stockt einem schon der Atem, wenn der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt laut SPIEGEL sagt: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.“ Es scheint also ganz einfach. Wenn Sie nicht wollen, dass Google, Facebook und Co. Daten über Sie sammeln, dann nutzen Sie diese Anbieter doch einfach nicht. Und tatsächlich: Erstaunlich viele Menschen sehen das ganz ähnlich. Aus dieser Perspektive kann man die Datensammelwut im Zeitalter des Internets natürlich ziemlich gelassen betrachten, nach dem Motto „juckt mich nicht“. Die andere Extremposition lautet: „Ich kann ja sowieso nichts dagegen tun“. Warum also gegen Datenmissbrauch oder ähnliches ankämpfen, wenn sich diese Entwicklung nicht aufhalten lässt?
datenschutz: meine daten gehören mir! Doch kann man es sich wirklich so einfach machen, gerade in einem Land, in dem der Datenschutz ein Grundrecht ist? Als in den achtziger Jahren das Verfassungsgericht feststellte, das jeder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat, war es noch der Staat, vor dem sich die Bürgerinnen und Bürger schützen wollten. Jede einzelne Person soll grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung von personenbezogenen Daten bestimmen können. Eine Vorstellung, über die der US-Amerikaner Eric Schmidt wahrscheinlich nur schmunzeln würde. Die DatenschützerInnen haben den Kampf noch lange nicht aufgegeben. Aber wo soll man ansetzen: mit nationaler Ge-
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auf? So unbedeutend jede einzelne dieser Informationen ist, in der Summe lassen sie tief in Maltes Leben blicken. Nimmt man noch seine Internetaktivitäten über soziale Dienste wie Facebook, Twitter oder auf seiner Homepage hinzu, so ergibt sich etwas, das einem ganzheitlichen Profil schon nahe kommt. (http://www.zeit.de/datenschutz/malte-spitz-vorratsdaten)
setzgebung, um internationalen Konzernen beizukommen? In einer digitalen Welt, die sich rühmt, keine Grenzen zu kennen? Das Instrument, das sich am besten bewährt, scheint momentan der Protest im Medium selbst zu sein. Inwieweit sich Facebook aber wirklich von knapp 75.000 Mitgliedern der Gruppe „Facebook Privacy Control – NOW!“, die sich für bessere Datenschutzrichtlinien einsetzt, beeindrucken lässt, bleibt fraglich. Am Ende werden Selbstkontrollmechanismen wohl nicht ausreichen. Es bedarf klarer gesetzlicher Regelungen, denn was das Sammeln privater Daten alles ermöglicht, davon haben viele Menschen keinerlei Vorstellung. Einen anschaulichen Einblick verschaffte sich kürzlich der Grünen-Politiker Malte Spitz. Ende August 2009 klagte er erfolgreich auf die Herausgabe seiner Handydaten, die aufgrund der Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung von seinem Anbieter vorrätig gehalten werden mussten. Das Ergebnis bietet einen interessanten Einblick in Maltes Leben. Wann unternimmt er Fernreisen und wohin? Wie ist sein Tagesablauf? Wo hält er sich am Wochenende
Und so kommt es zu der paradoxen Situation, dass private Daten – was habe ich wo gekauft, wann war ich wo – in den Händen privater Anbieter nicht sonderlich gut geschützt sind und die BürgerInnen immer gläserner wird, während öffentliche Daten, die der Bevölkerung durchaus nutzen würden, vom Staat mit Argusaugen bewacht werden. Oder kennen Sie auch nur ein echtes gläsernes Rathaus in Deutschland? Oft nur widerwillig nehmen die Kommunen ihre Informationspflichten war, viele BürgerInnen wissen vom Kampf um eine Informationsfreiheitssatzung ein Lied zu singen. Und so kennt zwar Google alle meine Kreditkartennummern, aber kaum ein Bürger bekommt Sitzungsprotokolle des Gemeinderats zu Gesicht.
neue dimension der transpranz Zugegeben: Immer mehr öffentliche Verwaltungen öffnen im Internet ihren Schatz an nicht-personenbezogenen Informationen und schaffen so eine ganz neue Form der Transparenz. Doch das derzeitige Tempo können alle Facebook-NutzerInnen nur mit einem traurigen *gefällt mir nicht* kommentieren. Allerdings wird der Staat auf der digitalen Autobahn momentan recht flott überholt.
Stichwort „Wikileaks“. Solche Plattformen bieten die Möglichkeit, interne Informationen ziemlich einfach der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das ist kein wirklich neues Prinzip – Informanten (eng.: Whistleblower) im klassischen Sinne hat es schon vor dem Internet gegeben. So kamen immer wieder geheime Materialien, wie beispielsweise 1971 die „Pentagon-Papiere“ des US-Verteidigungsministeriums an die Öffentlichkeit – ganz ohne Wikileaks. Aber auch wenn sich das Prinzip nicht ändert, es ändert sich die Dimension: Das Internet ermöglicht nun einen ganz neuen, viel schnelleren, viel mächtigeren Vertriebsweg. Papier ist eben geduldig, das Internet ist ungeduldig. Auf diese Weise können viel mehr geheime Daten auch
ohne die Hilfe klassischer Medien veröffentlicht werden, die Rohdaten landen einfach völlig ungefiltert im Netz, mit allen Vor- und Nachteilen, die daraus entstehen. Kein Medium kann mehr ohne Weiteres die Interpretationshoheit über solche Veröffentlichungen erlangen. Durch die schiere Masse an Daten wird sich aber auch keine Einzelperson ein umfassendes Bild über alle Datenlagen verschaffen können.
privates bleibt privat, öffentliches öffentlich Wikileaks, Facebook, Google: Entsteht durch das Internet also eine durch und durch transparente Gesellschaft ohne jegliche Geheimnisse? Dem Datenschützer treibt dieser Gedanke die Schweißperlen
Natur Kultur Genuss
auf die Stirn. Der Optimist sieht die Chancen für Teilhabe und Informationsfreiheit. Dem Fatalisten ist es wahrscheinlich egal. Was für einen Schluss kann man nun daraus ziehen? Natürlich ist es gut, wenn unmoralische oder gar kriminelle Machenschaften von Firmen, Behörden oder Staaten publik werden. Natürlich ist es schlecht, wenn private Daten über Krankheiten oder die Finanzsituation an die Öffentlichkeit geraten. Dazwischen liegt die Grauzone und die Einzelfallentscheidung. Dabei können gesetzliche Regelungen manchmal helfen, vor allem geht es aber auch um das Bewusstsein des Einzelnen. Frei nach dem Motto: Ich habe nichts zu verbergen und das geht auch niemanden etwas an.
Wandern
2011/2012
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL I INTERVIEW
die politischen parteien m체ssen sich 채ndern Ein Gespr채ch mit dem Politikwissenschaftler Dr. Christoph Bieber 체ber politisches Engagement, Entfremdung von den Parteien und neue Chancen der Beteiligung durch das Netz. von Alex Burger und Birgit Zipfel
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Wir erleben in letzter Zeit eine zunehmende Politik- und Parteienverdrossenheit. Manchmal hat man fast den Eindruck, die Legitimation des politischen Systems ist gefährdet. Ist mehr Beteiligung der Weg, um diesen Prozess zu stoppen? Mit dem Begriff Legitimationsverlust wäre ich vorsichtig. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland immer noch ein recht hohes Maß an Beteiligung, wenn man alle Formen der Partizipation berücksichtigt. Die Wahlbeteiligung sinkt zwar, ist aber vergleichsweise hoch. Es sind nach wie vor viele Menschen in Parteien organisiert, auch wenn ihre Zahl zurück geht. Und vor allem: Es gibt ein hohes Maß an unkonventionellen Formen der Beteiligung, etwa in Initiativen oder durch Teilnahme an Kundgebungen. Was sich geändert hat, ist nicht so sehr das Ausmaß der Beteiligung, sondern eher ihre Form. Früher trat man eben einer Partei bei und ging zur Wahl. Heute ist das nicht mehr so selbstverständlich. Bessere Möglichkeiten der Beteiligung führen nicht automatisch dazu, dass sie auch genutzt werden. Gut zu erkennen war dies bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg. Die Wählerinnen und Wähler konnten panaschieren und kumulieren, aber 86 Prozent haben davon keinen Gebrauch gemacht, außerdem ist die Wahlbeteiligung deutlich gesunken. Es scheint so, als liegt das Problem nicht an den mangelnden Möglichkeiten, sondern tiefer.
Werden Wahlen immer öfter gar nicht mehr als ausreichende Möglichkeit der Beteiligung verstanden? Gelingt es den Parteien nicht mehr, Identität zu stiften, weil es den Bürgerinnen und Bürgern verstärkt um einzelne Themen geht und weniger um das große Ganze? Es gibt schon eine Tendenz, sich punktuell zu engagieren. Oft sind es dann die Betroffenen, die sich einmischen, wie der Volksentscheid über die Hamburger Schulreform gezeigt hat, an dem sich nur knapp 40 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt haben. Trotzdem verstehen die meisten die Teilnahme an Wahlen immer noch als den Königsweg der politischen Beteiligung. Allerdings gibt es eine wachsende Entfremdung zwischen den Wählerinnen und Wählern auf der einen und den Parteien auf der anderen Seite. Diese Entfremdung spüren nicht nur Parteien, sondern auch andere große Organisationen wie Kirchen und Gewerkschaften. Ist das die Folge einer Gesellschaft, die sich immer weiter ausdifferenziert, die immer individueller wird? Der Wertewandel, den wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, macht den Großorganisationen natürlich zu schaffen. Trotzdem brauchen wir im politischen System Ankerpunkte und das
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sind nach wie vor die politischen Parteien. Ich teile nicht die Position, die sagt, wir lassen die Bürgerinnen und Bürger über alles abstimmen und verabschieden uns dann womöglich gleich noch von der repräsentativen Demokratie. Politik ist sehr komplex geworden, deshalb brauchen wir dauerhafte Strukturen wie die Parteien. Aber die Parteien müssen darüber nachdenken, wie sie wieder attraktiver werden. Sie müssen flexiblere Beteiligungsmöglichkeiten anbieten, andere Formen der Organisation, die nicht unbedingt auf eine lebenslange Mitgliedschaft abzielen. Mehr Beteiligung, eine Öffnung auch gegenüber Nichtmitgliedern, das heißt in der Konsequenz, dass wir uns von der klassischen Mitgliederpartei verabschieden müssen? Zumindest in der Form, wie wir sie bislang kennen. Die Mitgliederparteien sind am Ende ihrer Entwicklung angekommen und müssen sich jetzt
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fragen, welche neuen Formen der Beteiligung sie zulassen, um wieder attraktiv zu werden. Da gibt es ja auch genügend Beispiele, etwa die Piraten, die sich erst während der Kampagne zur Bundestagswahl 2009 zur „vollwertigen“ Partei entwickelt haben. Die lose Kooperation während der Kampagne hat zumindest eine zeitlang ganz gut funktioniert. Der andere Punkt betrifft die Organisation, vorneweg die Frage, ob man sie alleine entlang der Gebietskörperschaften – Gemeinde, Kreis, Bezirk, Land, Bund – ausrichtet, oder ob man mithilfe der neuen Medien auch die Möglichkeit einer thematischen Mitwirkung schafft, die sich nicht an einer lokalen Mitgliedschaft fest macht. Das Problem für die Parteien ist, dass das Parteiengesetz die Organisation in kleinen lokalen Einheiten fordert. Das entspricht aber immer häufiger nicht mehr den Interessen und der Lebenslage vieler Menschen. Hier müssen die Parteien ansetzen, um wieder lebendiger zu werden. Die neuen Medien wären also demnach ein Weg, um Parteien wieder für solche Menschen attraktiv zu machen, die aufgrund des Wertewandels oder veränderter Lebens- und Arbeitsbedingungen keine Schnittstelle mehr hatten. Sind die neuen Medien also nur ein Werkzeug oder bringen sie auch eine neue Qualität in die Politik? Zuerst sind sie ein Werkzeug. Gleichzeitig muss man konstatieren, dass Politik und Internet bis-
lang noch nicht so gut zusammen funktionieren. Die SPD hatte bereits Mitte der 90er Jahre die Idee eines virtuellen Ortsvereins, der aber an den parteiinternen Hierarchien abgeprallt ist. Die Grünen in Baden-Württemberg haben einen virtuellen Parteitag abgehalten, der recht erfolgreich war. Aber er hat auch nicht dazu beigetragen, die internen Beteiligungs- und Entscheidungsprozesse nachhaltig zu modernisieren. Ähnliches gilt für die Online-Beteiligung beim Verfassen von Parteiprogrammen. Letztlich entscheiden doch immer die klassischen Gremien. Sie tendieren dazu, die Impulse aus dem Netz zu bremsen oder auszublenden. Das führt zu Frust und Rückzug bei denen, die sich vor allem online bei Parteien engagieren wollen. Angesichts der Komplexität, die Politik heute auszeichnet: Ist echte Beteiligung über das Netz eigentlich möglich? Wir brauchen ganz sicher noch Organisationen wie die Parteien und die Beteiligung über das Netz ist auch kein Allheilmittel. Aber es gibt neue Werkzeuge wie Wikis oder Adhocracy, die zumindest die technische Lösung für andere Formen der politischen Entscheidungsfindung bieten. Wir stehen noch ganz am Anfang einer Entwicklung, von der ich gespannt bin, wie sie weitergeht. Den Grünen müsste es entgegen kommen, eine neue technische Plattform zu nutzen, um Entscheidungen auf einer breiten Basis zu treffen.
Politische Beteiligung ist leider in erster Linie eine Mittel- und Oberschichtsphänomen. Wird dieser soziale Graben nicht noch weiter vertieft, wenn Beteiligung zunehmend über das Netz läuft, wo wir ja über die digitale Kluft klagen? Die soziale Kluft oder Bildungskluft gibt es ja schon länger und sie existiert auch unabhängig von den neuen Medien. Ihr Einsatz hilft vor allem dabei, jüngere Menschen für die Politik zu gewinnen, die in der Tendenz dem Politikbetrieb etwas reservierter gegenüber stehen als Ältere. Kurzfristig kann es schon Gewinner geben, wenn mehr Beteiligung über das Netz möglich ist. Aber diejenigen, die hier profitieren, hätten wohl auch sonst die besseren Voraussetzungen. Das Problem der sozialen Spaltung bei der politischen Teilhabe müssen wir unabhängig von den neuen Medien diskutieren.
Dr. Christoph Bieber ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Er betreibt u.a. das Blog Internet und Politik.
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GRUEN 3 I DIGITALER WANDEL I KOLUMNE
mundgeruchsbeseitiger? das gefällt mir! von Sascha Knöchel
Mein Vater ist über 60, besitzt iPhone und iPad, hat ein Facebook- sowie ein XING-Profil und verkauft sein altes Blackberry nun über Ebay. Mein Sohn ist zwei, schaut DschungelbuchSchnipsel im Internet, liebt unsere Digitalkamera und ruft mit meinem Handy schnell mal seine Oma an. Die Welt ist digital, sie wird es auch bleiben. Wir sollten uns damit also nicht nur abfinden, sondern vielleicht auch mal versuchen, die Vorteile der Digitalisierung in unsere wahre Welt zu integrieren. Meine dringlichste Bitte wäre da zunächst ein gut funktionierender SPAM-Filter für alle öffentlichen Verkehrsmittel. Einfach die Nonsensgespräche („Nee, passt schon, ich sitze im Zug“, „Ich Dich auch, Schatz“, „woh ey, des ist doch voll geil, alder“) schon vor dem Ohr ausfiltern und nur die wichtigsten Infos durchlassen („dieser Zug endet hier“). Das würde Nerven schonen und die Mordgedanken beträchtlich senken. Und man muss ja die Firma Google nicht unbedingt mögen, aber ihre Suche ist schon ziemlich perfekt. In weniger als einer Sekunde hat man das Gesuchte – und meist noch viel mehr – vor Augen. Was könnten wir Lebenszeit sparen, würde man das System auf die vielen verlorenen Hausschlüssel, Geldbeutel und Katzen ausweiten. Auch die Zeichen von Anerkennung und Wertschätzung sind vielerorts verloren gegangen. Das Klatschen nach erfolgreicher Flugzeuglandung ist praktisch ausgestorben, das Schulterklopfen nicht mehr existent und das Trinkgeldprinzip mangels Tankwarten, Gepäckträgern oder Liftpagen nur noch in der Gastronomie zuhause. Hier könnte doch ein wahrhaftiger „Gefällt-mir“-Modus Abhilfe und die notwendige Anerkennung schaffen. Ein weiterer Digital-Klassiker, der im Real-Life leider fehlt: Die Echtzeit-Rechtschreibprüfung. Alles, was nicht der Duden-Norm entspricht, wird im Computer
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bereits während des Tippens rot unterringelt, mit Hilfe der rechten Maustaste kann man sich die Verbesserungsvorschläge anzeigen lassen. Mit Hilfe eines solchen Programms könnte vielleicht sogar der frühere bayerische Ministerpräsident seinen Schachtelsätzen zu einem korrekten Ende verhelfen. Für die Kanzlerin wäre dagegen das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop auch im echten Leben gewinnbringend. Das könnte einerseits die ziemlich auffällige Diskrepanz verringern zwischen den gedruckten Zeitungsporträts und den Bildern von ihr im Fernsehen. Und andererseits ersetzt es jedes Deo. Aber natürlich kann nicht jedes Digitalprinzip auf die analoge Welt angewandt werden. Mit 1000 Freunden im Hier und Jetzt wird man verrückt, da genügt es voll und ganz, diese schön säuberlich in Facebook abgeheftet zu haben. Auch die personalisierten GoogleAnzeigen dürfen gerne eine Erfindung des Internets bleiben. Zu peinlich wäre es doch, wenn auf der Plakatwand vor dem eigenen Fenster ständig Werbung für Genitaloperationen, Mundgeruchsbeseitiger oder Schufa-befreite Sofortkredite erscheinen würde. Und das 3-2-1-meins!-Gehabe von Ebay würde zwar ganz sicher meinen Sohn erfreuen, mich aber im Gegenzug völlig enteignen. Oh! Sie konnten dieser Kolumne diesmal nicht wirklich folgen? Sie kennen weder Facebook noch Google? Sie sind also kein digital native? Dann trösten Sie sich, Sie sind als Ureinwohner der analogen Welt immer noch in allerbester Gesellschaft: so hat Uli Hoeneß (FC Bayern) immer noch keinen Computer und Martin Runge (Grüne Bayern) noch kein Mobiltelefon. Und es gibt sehr viele Menschen (@digital natives: „Menschen“ = „User“), die da den Daumen heben und sagen „Das gefällt mir!“ Ich zum Beispiel.
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