Sieber_Ziitig 2/2016

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SWS

Sieber Ziitig

Sozialwerke Pfarrer Sieber

auffangen – betreuen – weiterhelfen

Nr. 2/2016

Sie halten hier

die 50. Sieber Ziitig in Ihren Händen –––––

Seit Jahren sind wir ein Sprachrohr für die Ärmsten unserer Gesellschaft. Transparenz und Sensibilisierung sind uns wichtig.

Editorial Auf der niederländischen Insel Terschelling – sie trennt und schützt das Wattenmeer vor der Nordsee – steht eine Seefahrerkirche. Wie viele römisch-katholische Kirchen birgt auch sie einen «Kreuzweg», eine Darstellung des Leidensweges Jesu in 14 Bildern. Das besondere an diesen Bildern: Sie sind aus Treibholz gefertigt. Aus Trümmer­teilen von Booten und Schiffs-

Für eine bessere Welt

stegen. Aus Resten von Baumstämmen, Laternenpfählen und Holzpollern. Aus Splittern von Ästen, Kisten und

Wir bemühen uns, vom Abfallberg das Brauchbare zu retten und damit Bedürftigen weiterzuhelfen. Wir betreiben ein Gebrauchtwarenhaus, einen Secondhand-Kleiderladen und verteilen zusammen mit der «Schweizer Tafel» Nahrungsmittel.

Holzwerkzeugen. Während Jahren vom Wasser umhergespült, vom Wind herumgeworfen und vom Sand und dem Kies geschmirgelt und geschliffen. Jedes Stück einzig – einzigartig und gezeichnet. Aber doch einfach ein Stück Holz. Zusammengefügt zu Bildern des Leidensweges Christi entfalten diese weggeworfenen und von ihrer Zeit im Meer bewegten und gezeichneten Bruchstücke eine ganz besondere Kraft. Sie vermitteln die Botschaft vom Leiden und Sterben ungeschönt und direkt. Sie berühren nicht nur die raue Seefahrerseele. Und sie weisen auf den Gott des Lebens, der die Bruchstücke, die Trümmer eines jeden Lebens zu einem sinnvollen neuen Ganzen zusammenführen kann. Das ist Ostern! Wir sind täglich von Weggeworfenem umgeben. Von Kleidern, Möbel, Lebensmitteln – Menschen. Ja, Sie lesen richtig. Von Menschen, die niemand mehr will, keiner mehr braucht und deren Leben in Trümmern liegt. Deren Geschichte nur mehr bruchstückhaft aufscheint und in oft arg gezeichneten Einzelteilen. Kleider können wir sortieren, Lebensmittel wieder aufbereiten. Die schönste und anspruchsvollste Aufgabe ist es, mit vom Leben wie Treibholz umhergeworfenen Menschen ihre Geschichten wieder zu entdecken. Und wenn es nur mehr Bruchstücke sind: In Gottes Namen gelingt es, diese Bruchstücke wieder zu einem sinnvollen Ganzen zu führen. Ostern.

• Christoph Zingg, Gesamtleiter

Dieses Bild symbolisiert einen «Wegwerfmenschen», wie Manz ihn thematisiert. (Bild: Ernst Sieber)

A

ber es gibt eine Zunahme einer «Wegwerfsache». Wir sind erschüttert, dass es in unserer Welt auch Wegwerfmenschen gibt. Hans Manz nimmt dies in einem Gedicht auf: Kennst du die Wegwerfsachen, man kann sie aus Karton, aus Papier, aus dünnem Blech oder Plastik machen. Darin ist Milch, darin sind Eier … und sind verbraucht, wirft man sie fort. Hinein ins Feuer, hinein in den Eimer … Und die Wegwerfmenschen? Kennst du sie auch? Sie stehen und liegen herum nach Gebrauch. Man trifft sie heute an jedem Ort, einer ist krank, einer ist alt, einer schwach, einer zuviel und sind sie verbraucht, schickt man sie fort. Hinaus vor die Tür, hinein in die Anstalt, hinaus auf die Strasse, hinein ins Asyl … Kaum vorstellbar, aber es gibt tatsächlich Marodeure eines islamischen Staates, die mit Verachtung Menschen töten. Für sie sind Andersgläubige «Wegwerfmenschen». Es wird gemordet, geköpft

und gebrandschatzt. Die Vernichtung von menschlichem Leben gehört zu den schlimmsten Schrecken unserer Zeit. Antidemokratische, antiaufklärerische Kräfte drängen die Werte einer freien und offenen Gesellschaft mit satanischer Gewalt zurück. So geschehen in Brüssel durch die grauenhaften Attacken der IS – und ebenso in Paris. Wir Christen sind jetzt gefordert. Aus diesen unmenschlichen Taten darf kein negativer Einfluss auf die Wertschätzung des Menschen erwachsen – insbesondere da, wo es um die Schwächsten geht. Aber nicht nur in der Flüchtlingspolitik, sondern auch in der staatlichen Sozialhilfe mehren sich die Anzeichen, die vom Mangel an Menschlichkeit zeugen. Stehen nur die Kosten im Vordergrund, tragen die Schwächsten das Leid. Gott wird Mensch, Gott wird Mit-Mensch. Es ist eine unumstössliche Wahrheit: Weihnachten – die Menschwerdung – hat erstrangige Bedeutung bei der Entwicklung der westlichen Werte wie Gerechtigkeit, Hoffnung, Freiheit und Demokratie. Die Menschwerdung ist die Garantie für

eine Weltökumene. Nicht eine einzelne Weltreligion bringt Erlösung, sondern die pure Gottesliebe. Kreuz und Auferstehung Jesu Christi bürgen für eine bessere Welt und zu dieser Welt gehören alle Menschen – auch DU! Henri Dunant schuf die Grundlagen für das humanitäre Völkerrecht. Mit der Genfer Konvention von 1864 entstand erstmals eine multilaterale, rechtsetzende Maxime. Die wichtigsten Staaten haben damals ihre Unterschrift für eine bessere Welt gegeben. Ein JA für den Osterfrühling, der einer Neuschöpfung gleichkommt, ohne Rauswurf und Ausmusterung von Menschen – und darum gibt es in einer modernen Welt keine «Wegwerfmenschen» mehr.

• Pfarrer Dr. h.c. Ernst Sieber


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Sieber_Ziitig 2/2016 by Gujer Hansueli - Issuu