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Edelsekte deutscher Winzer
by GW VERLAG
Als „neue Sektkultur“ bezeichnen Kenner die individuellen Schaumweine deutscher Winzer. Sie beziehen sich auf „eine ambitionierte Szene an Sektmachern“ mit sanft prickelnden Edelprodukten, die einem Champagner in nichts nachstehen. Was haben sie zu bieten? Wie steht es um ihre persönliche Leidenschaft, Philosophie, Historie sowie um ihre Offerten unter anderem für die Gastronomie und Hotellerie? Nachgefragt von Hans-Herbert Seng
ah am Champagner
Die Grundweine für die Winzersekte vergären ebenfalls in teils üppig dimensionierten Fässern – wie hier zum Beispiel im Weingut Reichsrat von Buhl
ekthaus Raumland
„Leidenschaft für Sekt ist das, was uns antreibt – und das, was wir in anderen entfachen wollen“, begeistert sich Marie-Luise Raumland für ihr Business am Standort Flörsheim-Dalsheim, in das sie 2019 zur Freude ihrer Eltern Volker und Heide-Rose Raumland eingestiegen ist. „Wir beschäftigen uns tagtäglich nicht nur beruflich mit diesem prickelnden Thema, sondern vor allem auch privat. Wer uns kennt weiß, dass nur selten ein Wein ohne Kohlensäure auf dem Tisch steht. Wir zelebrieren Schaumweine, so sind diese stets Essensbegleiter und werden nicht nur als Apéritif-Getränke abgestempelt. Das möchten wir auch unseren Partnern und Kunden näherbringen.“ Logisch, dass Grundweine ausschließlich aus nicht zu spät gelesenen und stark selektierten Trauben von eigenem Anbau „im Einklang mit der Natur“ vinifiziert werden. Alle Cuvées entstammen spannenden Kalk-, Löss- und Mergelböden in Rheinhessen und der Pfalz, und seit 2002 wird biologisch gearbeitet. Zur traditionellen Flaschengärung mit viel Zeit und Handarbeit gehört eine Reifezeit auf der Hefe von mindestens 36 Monaten, „zum Teil sogar bis zu 120 Monate“. Die Kunden wissen, dass sich hinter den aus Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier, Pinot Blanc und auch aus Riesling produzierten Schaumweinen nicht nur eine Familiengeschichte sondern auch eine große Vision – „nämlich Sekt deutscher Winzer wieder zu Weltruhm zu bringen“ – verbirgt. Händler und Gastronomen sollen das auch erkennen. Noch stärker als jemals zuvor wird ihnen gegenüber besonders das Thema „Zeit“ kommuniziert, „seitdem wir unsere neue Ausstattung etabliert haben“. Stets wird deutlich aufgezeigt, wie lange die Sekte jeweils in der Flasche auf der Hefe lagern. Das Sortiment umfasst vier Grande Reserve Sekte mit über 120 Monaten Hefelager, das Triumvirat Grande Cuvée mit 100, vier Reserve Sekte mit 90, und drei Traditions Sekte mit 36 Monaten Hefelagerzeit. Was die Abnehmer in der Gastronomie und Hotellerie betrifft, „spielt es keine Rolle, ob es die Gaststube auf dem Land ist mit traditionellem Essen oder das Sterne-Restaurant in der Großstadt“. Wichtig ist, dass diese ebenfalls das Image hochwertiger deutscher Sekte durch aktive Kommunikation an ihre Gäste wieder positiv beladen und nach vorne bringen. Exklusiv für solche gastgewerblichen Profis gibt es seit 2020 den Tradition Brut, „ein Jahrgangsverschnitt mit besonderem Tiefgang“ für die Rundum-Begleitung kulinarischer Genussmomente. Und gemeinsam arrangierte Sektmenüs, bei denen auch die anderen Raumland Sekte zum Einsatz kommen, sind mehr als nur ein Trend. Anfang 2020 wurde Raumland übrigens als erster Sekt-Betrieb in den prestigeträchtigen Verband der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) aufgenommen. www.raumland.de
Frank John und seine Familie betreiben ihr Weingut getreu dem Motto „Große Weine alter Schule“
rank John
– Das Hirschhorner Weingut
2002 kaufte Familie John den Hirschhorner Hof, einen ehemaligen Zehnthof. Mit viel Liebe zum Detail, mit Kraft und Ausdauer wurde das 400 Jahre alte Renaissancegebäude in Neustadt/Weinstraße mit seinem beeindruckenden Kreuzgewölbekeller renoviert. Frank John: „Seit 2003 betrei-
ben wir mit unseren beiden Kindern Sebastian und Dorothea hier unseren Familienbetrieb als Weingut im Hirschhorner Hof getreu dem Motto ‚Große Weine alter Schule‘.“ Sekt ist für ihn eine sehr technische Weiterentwicklung der entsprechenden Stillweine, deren Kraft und Fülle sich nach gut drei Jahren Flaschenreife im Endprodukt darstellen: „Dies wird durch meine Leidenschaft für die Biologisch Dynamische Landwirtschaft gestützt und gestärkt, die durch ihre speziellen Möglichkeiten die subtile Art unserer Sekte hervorhebt und diese somit noch besser zum Ausdruck bringt.“ Die per Hand gelesenen Trauben gelangen in kleinen Mengen schonend auf die Presse, um dann nach trennender Verarbeitung in einzelnen Press-Fraktionen in verschieden großen (225 bis 3600 Liter) Holzfässern spontan, „also nur mit den Hefen unserer Weinberge“, zu vergären. Die weitere Verarbeitung benötigt keinerlei Schwefel, Enzyme, Bentonite, oder andere Schönungs- oder Konservierungsmittel: „Nach einem Jahr Fassreife auf der vollen Hefe erfolgt erst die Tirage-Füllung.“ Hochwertige Bars, Restaurants und Hotels, die Schaumweine gegenüber ihren Gästen forcieren, sind gern gesehene gastgewerbliche Kunden, die über spezielle Sektproben für den Riesling Brut mit seinen filigranen Aromen und seiner nuancenreichen Mineralität direkt angesprochen werden. Die Jahrgänge reichen von 2013 bis 2017. www.johnwein.de
riesel & Compagnie
Hinter diesem Mitgliedsbetrieb der Traditionellen Sektmacher steht das Sekthaus Streit (Bensheim) unter der Geschäftsführung von Petra Greißl-Streit. Für sie und ihre Familie gibt es kaum ein Getränk, welches mehr Eleganz und Komplexität in sich vereint. Dazu Betriebsleiter Niko Brandner: „Wein machen ist generell eine Kette vieler Entscheidungen, die zu einem bestimmten Stil führen. Beim Sekt sind dies noch einige mehr, daher ist die Handschrift hier besonders wichtig und bietet für uns als Team viele Möglichkeiten, uns zu entwickeln und nach neuen Wegen zu suchen.“ Man arbeitet nach dem Low Intervention Prinzip, „möglichst wenig dazugeben oder entfernen“. Das umfasst schonendste Verarbeitung, nur Handlese in kleinen Kisten zu zwölf Kilogramm und Ganztraubenpressung, keine Enzyme, keine Schönung oder Filtration – also direkt zur Spontanen Gärung ohne Hefezusatz. Der Absatz konzentriert sich auf Orte, die auch eine Beratung bieten und sich handwerklichen Weinen verschrieben haben. Auch in der Gastronomie und Hotellerie: „Entscheidend ist die Beratung am Gast, ein versierter Mitarbeiter oder Sommelier ist der beste Markenbotschafter für uns.“ Folglich sind alle interessierten Kunden herzlich eingeladen, „uns mit Ihrer Mannschaft vor Ort zu besuchen, um eine Einführung in die Sektherstellung im Allgemeinen sowie insbesondere zu unserem Stil zu erhalten“. Zu diesem Stil gehören neben dem Riesling Tradition Brut 2018 in der Reihe Prestige ein Chardonnay Brut Nature 2017 sowie ein Pinot Brut Nature 2017 und in der Reihe Exquisit die Grande Cuvée Dosage Zero 2016.
www.griesel-sekt.de
Hinter Griesel & Compagnie steht das Sekthaus Streit als familiär geführter Mitgliedsbetrieb der Traditionellen Sektmacher
eingut Reichsrat von Buhl
Reichsrat von Buhl hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen ausgezeichneten Namen als Sektmanufaktur mit Handlese der Trauben und aufwändiger, traditioneller Flaschengärung auf Champagner-Hefe erarbeitet. Und nur die ersten 50 Prozent der Pressung (die Cuvée) werden nach kurzer Maischestandzeit direkt für die Sekte verwendet. Deren Basis-Offerte umfasst den Riesling Brut, Reserve Brut sowie Rosé Brut mit einer Lagerzeit im Durchschnitt von 20 bis 36 Monaten. Die qualitative Spitze bilden die Prestige Sekte Blanc de Blancs Brut, Rosé Brut, Blanc de Noir Brut sowie Suez Vintage Riesling Brut Nature: Vergärung des Grundweins von allerbesten gutseigenen Trauben im Edelstahltank und in 500 Liter fassenden Tonneaux Fässern sowie Flaschengärung auf der Vollhefe für mindestens 40 Monate, teilweise weit darüber hinaus. „Ein Genuss von hundert Prozent traditionellem Handwerk auf höchstem Niveau in Bioqualität“ heißt es in der Information dazu. Nicht unbedeutend für die erfolgreiche Vermarktung der Sekte ist deren Verkostung in der Vinothek des Deidesheimer
Weinguts – mit anschließender Kauf-Möglichkeit. „Daher sind besonders die Endverbraucher als Kunden für uns sehr wichtig, da sie die Personen sind, die letztendlich in der Hotellerie/Gastronomie unsere Weine oder Sekte bestellen.“ Immer wichtiger wird auch die Online Präsenz im Internet (Webseite & Webshop) sowie auf Social Media Kanälen, wodurch das Sortiment auch im OnlineShop auf großes Interesse stößt. Bestandskunden im Handel und in der Hotellerie beziehungsweise Gastronomie werden aus der Zentrale heraus und durch den Vertrieb ebenfalls informiert, sobald beispielsweise ein neuer Sekt oder auch nur ein neuer Jahrgang eines Sektes auf den Markt kommt. „Wir versuchen jeder Anfrage aus der Hotellerie/Gastronomie gerecht zu werden. Sei es eine eigene Sektausstattung (mit gebrandeten Frontetiketten) für größere Hotelbetriebe, Anfragen für Veranstaltungen, Flaschen aus kleinen Gebinden (0,375 Liter) für zum Beispiel Mini-Bars oder auch kleinere Anfragen für à la Carte Betriebe. Generell legen wir viel Wert auf eine professionelle sowie nachhaltige und freundschaftliche Kundenbetreuung.“ Welcher Sekt bei welchen Kunden Priorität hat, hängt im Gastgewerbe von der Art des Betriebes ab. „Dauerbrenner“ ist Reserve Brut als jahrgangslose Cuvée aus Weißburgunder und Chardonnay. In der Spitzenhotellerie und Sternegastronomie sind zudem die Prestigesekte gefragt. Vor allem der neue Blanc de Noir beeindruckt dort die Gäste mit wunderbarer Frucht und einer Komplexität, die man normalerweise nur in der Champagne findet. „Solche Entdeckungen empfehlen auch Sommeliers mit einem gewissen Stolz.“
www.von-buhl.de
ein- und Sektgut Wilhelmshof
„Meine Familie betreibt seit mehr als 300 Jahren im Winzerdörfchen Siebeldingen in der Pfalz Weinbau. Mein Mann und ich schätzen sehr, wie auch schon meine Eltern zuvor, dass wir vom Weinberg bis zum fertigen Wein und Sekt alle Arbeitsschritte und somit die Qualität selbst in der Hand haben.“ Winzerin Barbara Roth weiß um die Bedeutung der naturnah bewirtschafteten, biologisch zertifizierten eigenen Weinberge für den Erfolg ihrer Winzersekte. 2015 stellte der Wilhelmshof als erstes deutsches Wein- und Sektgut einen Nachhaltigkeitsbericht nach den strengen General-ReportingInitiative-4 Leitlinien vor und wurde mit dem Berichtsjahr 2019 als ebenfalls erstes Gut im deutschen Nachhaltigkeitskodex aufgenommen. Die Grundlagen dafür: Selektive Ernte der Trauben von Hand, mehrere unterschiedliche Lese-Durchgänge, „um nur die Trauben zu ernten die für den jeweiligen Sekt oder Wein geeignet sind.“ Dann schneller Transportweg ins Kelterhaus zur Ganztraubenpressung mit Unterteilung der schonenden Pressung mit geringem Druck in Pressfraktionen (die Cuvée und die Taille). „Wir verwenden für die Sekte in der klassischen Flaschengärung lediglich den Saft aus der Cuvée, da dieser vielschichtiger ist und mehr Fruchtsäuren enthält.“ Lagerungszeit auf der Hefe ist mindestens 15 bis 30 Monate, für die Privé-Sekte vier bis fünf Jahre mit acht bis neun Monate im Barrique. „1996 bereits stellten meine Eltern die Patina-Serie vor: Sekte, die fünf bis 35 Jahre auf der Hefe lagerten.“ Schließlich ist man sich bewusst, dass sich die Sekte nur auf der Hefe positiv weiterentwickeln. Und da der Sekt in der Flasche vergärt, sind üblicherweise nur 0,75 und 1,5 Liter Abfüllungen im Angebot. Allerdings: „Ab kommendem Frühjahr wird es erstmals auch 0,375 Liter Flaschen in klassischer Flaschengärung geben.“ Doch wie gelangen diese unter anderem ins Gastgewerbe? Barbara Roth: „Alle Genussliebhaber werden durch Wettbewerbserfolge wie zum Beispiel ‚Bester deutscher Rosé-Sekt‘ des DWI 2020, Auszeichnungen als ‚Bester deutscher Sekterzeuger‘ der DLG oder dem ‚VINUM Sekt-Award für den besten Riesling-Sekt‘ auf uns aufmerksam.“ Für die Gastronomie und Hotellerie hat man den Wilhelmshof Brut aus den klassischen drei Champagnersorten Chardonnay, Pinot Meunier und Pinot Noir gekeltert – und zwar 2016er Reserveweine und 2017er Sektgrundweine. Seine Reifezeit auf der Hefe dauert 42 Monate. Bereits im letzten Jahr zeichnete das Magazin Focus den Sekt als einer der besten zehn deutschen Sekte aus, auch erhielt er ebenfalls die DLG Goldmedaille.
www.wilhelmshof.de
Winzerin Barbara Roth weiß um die Bedeutung der naturnah bewirtschafteten, biologisch zertifizierten eigenen Weinberge für den Erfolg ihrer Winzersekte
Mark Barth: „Bei einem Sekt aus VDP. Großer Lage oder VDP.Erster Lage den Boden und Jahrgang erlebbar machen“
ein- und Sektgut Barth
1948 markiert Johann Barth mit der Gründung des Weinguts Hans Barth die Startlinie des modernen Weinbaubetriebs. Heute sind Mark und Christine Barth als dritte Generation die kreativen „Macher“ in Hattenheim im Rheingau, wo die Familie über mehr als 20 Hektar Rebfläche mit namhaften Lagen verfügt. Mark Barth: „Die Leidenschaft für Sekt ist mir nicht in die Wiege gelegt worden, sie ist mit der Liebe zu meiner Frau Christine gewachsen.“ Deren Eltern haben nämlich vor 30 Jahren damit begonnen, Wein zu Sekt im eigenen Keller zu veredeln. Die Krönung im Schaumweinbereich ist nun für beide, „bei einem Sekt aus VDP.Großer Lage oder VDP.Erster Lage den Boden und Jahrgang erlebbar zu machen, ganz wie bei einem Wein.“ Eine frühe Ernte sowie hundert Prozent Handlese im BioWeinberg sind so selbstverständlich wie ein langes Hefelager, „welches bei unseren Jahrgangssekten bis zu sechs Jahre sein kann“. Die Vermarktung zielt auf Fachhandel, Gastronomie und Privatkunden, auch der Export ist relevant. Mark Barth: „Nicht selten haben wir mit unserem Portfolio schon komplette Menüfolgen prickelnd begleitet. Auch verschiedene Flaschengrößen wie Magnum oder halbe Flaschen lassen sich hervorragend in der Gastronomie und Hotellerie einsetzen.“ Um deren spezielle Anliegen kümmert sich sehr gerne Mitarbeiterin Alexia Putze, Weinproben und Führungen durch das Weingut eingeschlossen. „Visitenkarte“ des Hauses ist der Riesling Brut in seinen verschiedenen Ausprägungen. Zu ihm gesellen sich ein Pinot Blanc Brut und Pinot Rosé Brut. www.weingut-barth.de
gefülltes Lebensgefühl, welches in die Welt hinausgetragen werde. Die erste urkundliche Erwähnung der Familie Anselmann datiert auf das Jahr 1126, seit Jahrhunderten ist sie also dem Weinbau verbunden. Mit dem herausragenden 1959er Jahrgang intensivierte Werner Anselmann, Vater der jetzigen Inhaber, die Flaschenweinvermarktung. Zur Kellerei gehört das Weingut Anselmann, das heute mit einer Rebfläche von zirka 150 Hektar von den Geschwistern Ralf und Ruth Anselmann geführt wird. Große Bedeutung haben auch bei ihnen die naturnahe und nachhaltige Pflege der Weinberge mit viel Handarbeit und die Handlese sowie Abfüllung und Versektung komplett im eigenen Betrieb. www.weingut-anselmann.de
taatsehrenpreis
Unabhängig von den individuellen Recherchen werfen wir noch einen weiteren Blick nach Rheinland- Pfalz. Von der dortigen Landesregierung erhielt letztes Jahr die Wein- und Sektkellerei Gebrüder Anselmann aus Edesheim mit ihren zwölf verschiedenen Sekten der traditionellen Flaschengärung als erster und einziger Betrieb im Weinbaugebiet Pfalz den „Staatsehrenpreis Sekt“. „Ein Winzersekt – das ist unser Champagner. Und die Konsumenten wissen das zu schätzen“, betonte Dr. Volker Wissing, rheinland-pfälzischer Minister für Weinbau im Rahmen der Ehrung. Das „Gold im Glas“ sei in Flaschen