Rita Franceschini Mehrsprachigkeit
Prof. Dr. Rita Franceschini Universitätsprofessorin i.R. Freie Universität Bozen
Mehrsprachigkeit – die Liebe hat’s gerichtet 1. Zurück zu den Wurzeln: die wiederzuerlangende Selbstverständlichkeit Ja, anfangs des letzten Jahrhunderts, um 1900 also, gab es in Bozen eine Minderheit von Italienischsprachigen. Man stand seit alters her im Austausch mit dem Trentino (das damalige Welschtirol), und es gab die althabsburgische Tradition, Kinder in Familien zu verschicken – über alle Stände hinweg: Bauern, Händler, Adelige praktizierten dies –, damit die Heranwachsenden die je andere Sprache erwerben. Es gehörte dazu, man versprach sich davon scheinbar einen Mehrwert. Die Dinge haben sich dann – das muss hier nicht vertieft werden – radikal und rasch, man kann getrost sagen gewaltsam, verändert. Ins historische Zusammenleben von germanisch und italienischsprachigen Verbandelten und Nachbarn wurde ein Keil getrieben, sodass – man nehme bspw. die Zahlen von 1950 - in Bozen die sprachlichen Mehrheiten gekippt wurden, nicht so sehr in anderen größeren Ortschaften, und schon gar nicht in den Tälern. Die Wirkung der Ereignisse, die der faschistischen Zeit zugeordnet werden können, haben sich wie ein dicker Nebel über die Diskussion gelegt, die den Spracherwerb von Italienisch von Seiten der Deutschsprachigen – immer noch ist Italienisch eine nicht sonderlich geliebte Sprache - und den Erwerb
des Deutschen von Seiten Italienischsprachiger betrifft. Licht zu machen und an die vorgängige, historisch einst gewachsene Tradition anzuknüpfen wäre ein erster Weg, den es zu beschreiten gälte. Wieder zurück zu jener Selbstverständlichkeit, die das Gebiet über Jahrhunderte geprägt hat. Tut man das nicht, dann spielt man eigentlich das Spiel der damaligen faschistischen Intervention mit und entfernt sich von der Alttiroler Tradition. Die Wirkung jener faschistischen Zeit muss geknackt werden, und wie so oft, ist es die dritte, vierte Generation, die damit besser umgehen kann. Kurz: Der Keil muss weg! Konkret würde dies bedeuten, dass man den persönlichen Austausch fördern sollte auf allen Ebenen. Hierzu eine einfache, aber effiziente Maßnahme, sehr konkret und lebensnah:
2. Ein niederschwelliges Adoptionsprogramm: die Wahlgroßeltern Man kann eine Oma und einen Opa adoptieren. Wer wäre bereit, den eigenen Familientisch zu erweitern und regelmäßig ein Kind aufzunehmen, das somit mit der anderen Sprache im Alltag in Berührung kommt? Sprachlernen über den Magen.... das könnte ein Ansatz sein – wie man weiß, geht auch Liebe oft diesen Weg. Das Kind kommt durch den persönlichen Kontakt mit einer anderen Alltagskultur in
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