ZUKUNFT
DER LINK ZWISCHEN HANDEL UND HERSTELLERN Dass die Digitalisierung dem stationären Einzelhandel zu schaffen macht, ist nichts Neues. Aber es geht auch anders: B2B-Onlineplattformen spannen Marken mit Händlern zusammen und sind dadurch ein erstklassiges Instrument, um deren Sortiment attraktiver zu machen. Text / Harald Sager
Die Plattform achtet im Sinne der ökologischen Verantwortung darauf, dass die Produkte aus Europa sind.
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ie Pandemie hat eine Unzahl negativer Auswirkungen auf die Wirtschaft, keine Frage. Es gibt aber auch so manch positive. Greifen wir nur zwei heraus, die den Einzelhandel betreffen: Erstens begannen viele Händler – als Reaktion auf den zeitweiligen Wegfall des stationären Geschäfts – sich zu digitalisieren. Es waren tendenziell die kleineren und jene, die sich bis dahin „innerlich“ dagegen gesträubt hatten. Und sie stellten zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass sie sich mit ihren Onlineshops ein zweites Standbein geschaffen hatten. Zweitens sahen sie sich durch den Ausfall der Handelsmessen nach anderen Bezugsquellen für ihr Sortiment um. Und siehe da, es gab und gibt sie. Sie nennen sich B2B-Plattformen und basieren auf einer einfachen, aber bestechenden Idee, die Nicolas Cohen, Mitgründer von Ankorstore, so zusammenfasst: „Grundsätzlich geht es darum, den Handel auf elektronischem Weg mit Marken zu verbinden. Auf der einen Seite gibt es unzählige Einzelhandelsgeschäfte, auf der anderen Abertausende Hersteller – und sie kennen einander nicht. Die logistische Aufgabe besteht darin, sie zusammenzubringen.“ Ankorstore fokussiert auf kleinere, unabhängige Marken, deren speziellere Erzeugnisse für ähnlich gelagerte Einzelhändler attraktiv sind.
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LÄNGERE ZAHLUNGSZIELE Wie auch die Ausrichtung des französischen Unternehmens von Anfang an europäisch war. Cohen: „Wir sind in 14 Ländern präsent, und unsere Kunden bekommen Zugang zu Marken aus dem ganzen Kontinent. Mit Stand Mitte dieses Jahres haben wir mehr als 5.000 Marken gelistet und etwa 800.000 Kunden aus dem Einzelhandel.“ Auch in puncto Bezahlung unterstützt Ankorstore den Handel, ergänzt General Mana-
» Einkaufen ist auch ein soziales Erlebnis. Daher ist unsere Vision, dass sich der stationäre Einzelhandel wieder ausbreitet und die Städte zurückerobert! «
Nicolas Cohen Mitgründer und Co-CEO Ankorstore
ger DACH Constantin Langholz: „Neben Optionen wie der Raten- oder der Skontozahlung haben unsere Kunden von der ersten Bestellung an die Möglichkeit, ein Zahlungsziel von 60 Tagen zu vereinbaren, das heißt, der Händler kann die Ware bereits verkauft haben, bevor er sie noch zu bezahlen hat. Wenn er, um ein Beispiel zu nennen, um 500 Euro ein- und in der Zwischenzeit um 1.500 weiterverkauft, hat er einen Liquiditätsvorteil von 1.000 Euro – und das bei jeder Bestellung von Neuem!“ Einen ähnlichen Ansatz hat die niederländische B2B-Plattform Orderchamp. Auch sie bietet die Option auf Bezahlung nach 60 Tagen an und beschränkt sich auf europäische Waren. „Größere Händler kaufen in Massen ein, unsere Zielgruppe sind die kleinen bis mittelgroßen, die Concept Stores und Lifestyle-Shops. Ihnen wollen wir Zugang zu Produkten verschaffen, mit denen sie herausstechen können. Die gelisteten Marken werden von uns sehr genau nach Kriterien wie ökologische Nachhaltigkeit, soziale Verträglichkeit oder Einzigartigkeit kuratiert. Für den Einzelhändler soll es genauso ein Premium-Einkaufserlebnis sein wie letztlich dann für den Endkunden“, erklärt Maximilian Gassner, Country Manager Deutschland. Etwa 300.000 Produkte hat Orderchamp erfasst – wie soll man sich da zurechtfinden? Gassner: „Ganz einfach. Die Suchfilter sind entsprechend ausdifferenziert und die Produkte mit genauen Beschreibungen versehen. Ein nützlicher Filter ist übrigens der, ob ein bestimmtes Produkt auch auf einer anderen Plattform zu finden ist – oder eben nicht.“ Die Mindestorder liegt bei 100 / Q4/2021