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„DAS IST EINE DER DRAMATISCHSTEN VERÄNDERUNGEN IN MEINEM BERUFSLEBEN“
CHRISTOPH HEUSGEN war der entscheidende außenpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel. Jetzt ist er Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Im Gespräch mit p&k bilanziert Heusgen seine erste Konferenz als Vorsitzender und spricht über Freundschaft und klare Kante in der Diplomatie.
Herr Heusgen, Sie haben Ihre erste Münchner Sicherheitskonferenz als Vorsitzender hinter sich. Wie ist Ihr Fazit?
In diesem Jahr haben wir mit der US-Vizepräsidentin Kamala Harris, 30 Senatoren und zahlreichen Mitgliedern des Repräsentantenhauses eine amerikanische Rekordbeteiligung verzeichnet. Das beweist, dass das Forum der Münchner Sicherheitskonferenz ein Weltmarkenzeichen ist. Auch die Beteiligung aus europäischen Ländern vom Baltikum bis nach Italien und Frankreich war großartig. Zumindest im Ansatz ist es gelungen, die Kontinente Afrika, Asien und Lateinamerika erfolgreich einzubeziehen. Die Welt ist multipolarer geworden, und das muss die MSC widerspiegeln. China vermittelt im Nahen und Mittleren Osten, die Südafrikaner arbeiten eng mit den Russen zusammen und Brasilien tendiert eher zu China und Russland als zu uns. Das ist ein Weckruf für die deutsche Politik und bestätigt, dass wir mit der Münchner Sicherheitskonferenz auf dem richtigen Weg sind, wenn wir uns für einen vertieften Dialog mit Vertretern aus Staaten jenseits des transatlantischen Bündnisses einsetzen.
Im Vorjahr hat ein Foto eines Panels für Aufregung gesorgt, auf dem sich eine reine Männerrunde traf.
Das ist ein wichtiger Punkt. In diesem Jahr hatten wir erstmals insgesamt 50 Prozent Frauen auf den Podien und im Publikum bereits über 30 Prozent. Auch letztes Jahr lag die Frauenquote auf unseren Panels im Übrigen bereits bei 45 Prozent. Das erwähnte Foto ist insofern nicht repräsentativ. Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung.
Was war mit dem Krieg in der Ukraine?
Das Thema des internationalen Rechts ist mir persönlich sehr wichtig. Auf dem ersten Podium am Freitag haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir einen Beitrag dazu leisten können, dass diejenigen, die für schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden. Dies ist ein wichtiges Ziel, nicht nur für Deutschland, sondern auch für die internationale Gemeinschaft, um die UNO-Charta und eine regelbasierte internationale Ordnung als Maßstab für die Weltpolitik aufrechtzuerhalten. Dieses Thema war auf der Konferenz gut platziert, obwohl es noch nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die es verdient hat.
Wie sieht Ihr Aufgabenprofil jetzt als Vorsitzender aus?
Natürlich ist es völlig anders als zuvor, wenn man bedenkt, dass ich 41 Jahre lang als Beamter meist im Hintergrund tätig war. In den letzten beiden Jahren war ich als Vertreter Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen immerhin öffentlich präsent. Zwölf Jahre lang war ich Berater der Bundeskanzlerin und habe kein
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LinkenPolitikerin Sahra Wagenknecht veranstaltet Demonstrationen, bei denen auch RECHTSEXTREME auftauchen.
FDPler Thomas Kemmerich lässt sich 2020 von der AfD zum Ministerpräsidenten wählen und beschließt heute gemeinsam mit ihnen Gesetze. Ab wann wird rechts blinken zum Problem?
VON CELINE SCHÄFER

Liebe Friedensfreunde“, ruft Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ihrem Publikum am 25. Februar vor dem Brandenburger Tor zu. „Ich bin so froh, dass ihr alle heute gekommen seid.“ Friedenstauben- und Regenbogenflaggen wehen, vereinzelt halten Menschen Transparente in Schwarz-Rot-Gold hoch. Parteiflaggen sind an jenem Tag, an dem Wagenknecht gemeinsam mit der Publizistin Alice Schwarzer zum „Aufstand für Frieden“ lädt, streng verboten. Es soll um Inhalte gehen, wie etwa die Forderung, Deutschland solle keine Waffen mehr in die Ukraine liefern. Dennoch dreht sich die Diskussion hauptsächlich um die Frage: Wo verorten sich die Besucher des „Aufstands“ politisch? Welche Partei wählen sie, und in welcher sind sie vielleicht sogar Mitglied? Wagenknecht weiß wohl genau: Ihre Demonstration, die auch politische Gegner ihrer eigenen Partei anzieht, sorgt für medialen Zündstoff. „Die Kampagne gegen uns, sie gipfelte darin, dass man versucht hat, uns in die Nähe der ex tremen Rechten zu rücken“, sagt Wagenknecht in Berlin. Damit spricht sie auch Gegner innerhalb der Linken an. Wagenknecht gilt seit Jahren als umstrittene Figur in ihrer Partei. Parteiinterne Kritiker werfen ihr vor, mit rechtspopulistischen Argumenten zu zündeln. „Sahra Wagenknecht wird mit der AfD keine Allianzen eingehen, das versteht sich von selbst“, betont Caroline Heptner, Büroleiterin und Sprecherin von Wagenknecht. „Wenn sie andere Ansichten als die Bundesregierung vertritt, etwa bei Fragen um Waffenlieferungen oder bei der Corona-Politik, und deshalb in die rechte Ecke gedrängt wird, ist das politische Strategie.“ Politiker dürften Themen nicht einfach ignorieren, die auch Wähler der AfD bewegen, sondern müssten sich damit auseinandersetzen. Schließlich seien viele ihrer Wähler nicht rechts, sondern nur unzufrieden mit der Berliner Politik. „Daher sollte sich jede Partei auch mit den Themen der AfD auseinandersetzen, um den Menschen Alternativen zu bieten“, sagt Heptner. „Denn wer zu diesen Themen schweigt oder die Menschen, denen sie wichtig sind, diffamiert, wird keine Wähler zurückgewinnen.“

Das stellt Heptner, Wagenknecht und ihr Team vor eine kommunikative Herausforderung. Im Fall des „Aufstands für Frieden“ bedeutete das vor allem: Ruhe bewahren und sich von jenen distanzieren, deren Ideologie man nicht teilt. „Dass beispielsweise Reichsbürger und Neonazis, die in der Tradition eines Regimes stehen, das den schlimmsten Weltkrieg der Menschheitsgeschichte zu verantworten hat, auf einer Friedenskundgebung nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst“, sagt Heptner. Wagenknecht habe dies in Interviews mehrfach betont.
Sahra Wagenknecht (Linke) bei einer Kundbegung für Verhandlungen mit Russland am Brandenburger Tor. Parteiflaggen waren verboten.
Die Linken-Spitze ist jedoch der Ansicht, Wagenknecht habe sich nicht ausreichend von Rechten distanziert. „Ganz konkret fehlt uns in dem Aufruf die klare Abgrenzung nach rechts, die nämlich augenblicklich dazu führt, dass namhafte Nazis und rechte Organisationen diesen Aufruf unterstützen und massiv zu der Demo am 25. mobilisieren“, zitiert die Deutsche Presseagentur (dpa) Tobias Blank, Bundesgeschäftsführer der Linken.
Wagenknecht macht es sich zu leicht
Matthias Quent sieht das ähnlich. Der Soziologe, Rechtsextremismusforscher und Mitgründer des Instituts für demokratische Kultur (IdK) an der Hochschule Magdeburg-Stendal sagt: „Die Zusammenkünfte zwi-
