Wireltern 10/2014

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Editorial

EDITORIAL

wir eltern ch 10-14 59x268_Layout 1 09.09.2014 17:04 Seite 1

Liebe Leserin, lieber Leser In den letzten vier Jahren habe ich fast jeden Tag ein Buch über Schwangerschaft und Geburt auf dem Tisch gehabt. Manche waren interessant, andere langweilig. Alle aber haben Schwangerschaft und Geburt nur aus der Sicht der Frau beleuchtet. Wenn ein Mann Platz fand, dann zum Händchenhalten unter den Wehen. Es wird Zeit, dass wir den Vätern einen anderen Stellenwert in der Zeit vor der Geburt einräumen, schliesslich erwarten wir von ihm, dass er danach die Stellung hält. Der werdende Papa leidet vielleicht nicht unter Schwangerschaftsübelkeit und hat kein Wasser in den Beinen, Freude und Ängste aber hat auch er. Unser Autor Reto Hunziker beschreibt das Schwangergehen mit dem Gedanken Vater zu werden in unserer wunderbar persönlichen Titelgeschichte. Ebenfalls keinen Platz in den Büchern, ja in unserer ganzen Gesellschaft, findet die Trauer, die ein Paar erlebt, wenn ihr Kind noch im Mutterleib stirbt. Ich bin stolz, für mein letztes Heft eine ehemalige Arbeitskollegin gewonnen zu haben, die furchtbar schweren, aber im Nachhinein auch tröstlichen Momente ihrer Stillgeburt zu schildern. Eine bewegende Geschichte ist daraus geworden, mitten aus dem Leben, ganz nah am Tod. Mit diesem Heft verabschiede ich mich von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Ganz herzlichen Dank für das Vertrauen, für Anregungen, Lob und Kritik. Ich habe viel gelernt und viel erfahren. Und ich bin überzeugt, dass meine Nachfolgerin, Karen Schärer, Sie weiterhin mit tollen Heften überraschen wird. Nicole Althaus, Chefredaktorin wireltern 10/2014

Bild: Anne Gabriel-Jürgens

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Die natürlichste Verbindung

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das Babytragetuch.



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GEBURT | Väter

s ist nicht wie im Film. Wir jauchzen nicht, fallen uns nicht um den Hals. Nein, es klingt eher nach einem freudigen «Aha, jetzt also», als auch der zweite Test einen zweiten Streifen erkennen lässt. Wir sind schwanger. Richtig gehört: wir. Auch auf den Vater kommt schliesslich einiges zu – heisst es. Obwohl ich mir wenig darunter vorstellen kann; austragen muss das Kind ja meine Freundin M., ich kann sie höchstens unterstützen so gut es geht, oder? Mit dem Vater-Sein werde ich mich noch ausführlich beschäftigen, so viel ist klar. Aber wie ist es eigentlich, Vater zu werden? Mal ganz von vorn: Die Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, wollte für mich wohlüberlegt sein. Erstens war ich nicht sicher, ob ich die Freiheit, die einem 32-jährigen Junggesellen zusteht, ausgelebt hatte. Zweitens wohnten M. und ich noch nicht einmal ein Jahr zusammen. Und drittens hat sie ja schon einen fast neunjährigen Sohn aus erster Ehe: Ben. Gute Gründe, um mich nicht gleich ins grösste Abenteuer zu stürzen, das ich mir überhaupt vorstellen konnte. Erst ein kleiner Knirps öffnete mir die Augen – der Sohn von M.s Schwester. Noch kein Jahr alt, verspielt, herzig, einfach liebenswert. So etwas zu haben, wäre schön, stellte ich mir vor. Plötzlich war mein Widerstand gebrochen, wir setzten die Pille ab.

Schlaf schon mal vor Wenige Wochen später ist die erste Hürde genommen: Schwangerschaftstest positiv. Doch damit beginnt die Zeit des bangen Wartens: Klappts? Bleibts? Am liebsten möchte ich mein zerbrechliches Glück in die Welt hinausposaunen. Andererseits will ich mich noch nicht zu stark darauf einlassen, man weiss ja nie. Mir pocht das Herz, als wir es leicht verfrüht unseren Eltern sagen: Da ist diese Freude, die raus will. Die Mitfreude, auf die man sich freut. Trotzdem der nagende Zweifel im Hinterkopf.

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Tochter/Vater

Zusatz | RUBRIK

Ismaëlle (10) und Ulric (32)

Gottlob geht alles glatt. M. ist sogar nur selten schlecht. Ich bin erleichtert, die Vorstellung, ihr die Haare zurückzuhalten, während sie sich über die Kloschüssel beugt, war mir ein Graus. 12. Woche, 1. Termin beim Frauenarzt, ich gehe mit, schaue dem Gynäkologen beim Ultraschall scheu über die Schulter, erkenne am Bildschirm Ärmchen und Beinchen und ein Hirn, das nicht mal die Hälfte des engen Schädelraumes einzunehmen scheint. Ein Querschnitt durch das Wesen, das meine Freundin und ich zusammen kreiert haben – sehr surreal, denke ich. Die Nackenfalte ist nicht zu breit, so weit, so gut. Wir könnten noch etliche weitere Tests machen, verzichten aber darauf. Läge es nur an mir, liesse ich vielleicht noch mehr abklären – um mich abzusichern. Ich mag keine Überraschungen. Andererseits wollen wir ein Kind und kein Ikea-SchrankModul. Irgendwo in mir drin ist auch diese Gewissheit: Alles kommt gut. Und ich sage mir: Das ist dein Kind, ohne Wenn und Aber. Kaum wissen andere, dass ich Vater werde, prasselt ein ganzer Schwall von Verheissungen auf mich ein. «Du wirst schon sehen, was das mit dir macht», «Wart nur ab, du wirst ein ganz anderer Mensch sein», «Schlaf schon mal vor». Alles gut gemeinte

Väter in Zahlen ♦ Verheiratete Schweizer werden vorwiegend mit 30 bis 39 Jahren Vater. Das besagt die Statistik des Jahres 2013. ♦ Einer von fünf Vätern ist 40-jährig oder älter. Im Vergleich zu 2008 hat die Zahl der 30-35-jährigen Väter leicht zugenommen. ♦ 1979 waren die meisten Väter 29 Jahre alt, 2013 dominierten die 33-jährigen. ♦ Bekamen vor 35 Jahren nur 29 Männer im Alter von über 60 Jahren noch ein Kind, waren es 2013 deren 143. ♦ Vergangenes Jahr arbeiteten Väter in der Schweiz mehrheitlich Vollzeit. Lediglich 1,9 Prozent der Väter ohne Migrationshintergrund sind nicht erwerbstätig. 10,1 Prozent arbeiten Teilzeit, die Mehrheit davon zwischen 50 und 89 Prozent. ♦ Solange das Kind unter sieben Jahre alt ist, setzen sich Frauen 55,6 Stunden pro Woche für Hausarbeit und Betreuung des Nachwuchses ein, Väter wenden dafür 29,4 Stunden auf. Quelle: Bundesamt für Statistik

Ratschläge, mit denen ich leider nichts anfangen kann. Noch nicht. Trotzdem, ich will mich auf das Bevorstehende vorbereiten, von dem ich weiss, dass es sehr einschneidend sein wird. Also lese ich zwei Ratgeber: «Mann und Vater sein» von Jesper Juul. Und «Babys brauchen Väter» von Richard Fletcher. Mein Fazit: Ich weiss, dass ich nicht viel zu wissen brauche. Ich bin ein aufmerksamer und einfühlsamer Mensch, der gut analysiert und kaum überreagiert. Höre ich sowohl auf Gefühl und Verstand, kann fast nichts schiefgehen. Wenn Experten sagen, was man selber eh schon denkt, verlässt man sich gerne darauf.

Weniger Sex, mehr TV Während ich gelassen dem entgegenblicke, was noch kommt, stellt sich bei M. langsam Angst ein. Sie hatte bei Bens Geburt das sogenannte HELLP-Syndrom, eine Schwangerschaftsvergiftung, und davon ist eine traumatische Erinnerung geblieben. Sie befürchtet, dass sich der Vorfall wiederholen könnte und sie oder das Kind diesmal nicht mit dem Leben davonkommt. Der Arzt sagt: Das neue Erbmaterial verringert das Risiko auf eine Wiederholung. Ich sage: Es kommt schon gut. Aber gutes Zureden tilgt die Angst nicht: Hat sie Bluthochdruck oder Kopfschmerzen, verkrampft sie sich gleich. Ich selbst fürchte mich vor viel profaneren Dingen wie wenig Schlaf, pausenlosem Geschrei, davor, das Kind hässlich zu finden, es fallenzulassen, ihm unbeabsichtigt das Genick zu brechen, kaum noch Sex und dafür 18 Jahre keine Ruhe mehr zu haben, mit meiner Verantwortung nicht umgehen zu können oder unter vollen Windeln begraben zu werden. Auch vor der Reaktion meines Stiefsohns Ben habe ich Respekt. Was, wenn er mit seiner «Degradierung» nicht zurechtkommt, nicht akzeptieren kann, dass sich nicht mehr alles nur um ihn dreht? Wird er Eifersuchts- und Wutanfälle haben? Oder wird er sich rührend um sein Geschwisterchen kümmern? 2. Termin beim Arzt, wir sind in der 16. Woche. Auf dem Ultraschallbild erkenne ich die Zehen. Der Rücken ist nicht offen. Meistens verstehe ich nicht, wovon M. und der Arzt reden. Von Thrombozyten höre ich zum ersten Mal. Ich sitze also eher unbeteiligt da. Vor lauter Fragen weiss ich nicht, was fragen, ausser vielleicht «Könnten Sie mir das alles mal erklären?» Und dann fuhrwerkt der Arzt auch noch mit grotesken Instrumenten an meiner Freundin herum. Es ist befremdend, wireltern 10/2014

Ich glaube langsam beginne ich zu begreifen.

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Ikone

Die Mumins

Eigentlich war Tove Jansson nur wütend auf ihren kleinen Bruder, der sie wieder einmal genervt hat. Daraufhin hat die Finnin auf dem Klo ein dünnes Wesen mit einer schmalen Nase und einem teuflischen Schwanz gezeichnet – das hässlichste Wesen aller Zeiten, wie die verstorbene Schriftstellerin später erklärte. Die Geburtsstunde der Mumins. Tove Jansson entwickelte die Figur weiter und erfand Geschichten dazu. «Mumins lange Reise» erschien 1945, mit Federzeichnungen von Jansson. ➺ Als Arena-Taschenbücher u. a. bei ebooks.ch

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Bild: Tove Jansson

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Text: Nicole Gutschalk

Alles für drinnen und draussen




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