Leseprobe Therapeutische Umschau

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Jahrgang 76 / Heft 1 / 2019

Gastherausgeberin Barbara Ballmer-Weber

Arzneimittelallergie Arzneimittelallergie – ein schwerwiegendes Problem im Praxis- und Klinikalltag Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent Laborabklärung der Medikamentenallergie: Grenzen und Möglichkeiten und weitere Beiträge

Therapeutische Umschau


Yoga für Gesundheitsprofis und Klienten

Ingrid Kollak

Yoga in Vorsorge und Therapie Fachbuch mit Übungen für Atmung, Bewegung und Konzentration 2019. 264 S., 193 Abb., 9 Tab., € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85893-7 Auch als eBook erhältlich Dieses Fachbuch eröffnet einen Zugang zu neuem Wissen und praktischer Befähigung, indem es Yoga aus Sicht aktueller Studien mit praktischer Erkenntnis verknüpft. Verbesserte Bewegungsabläufe gegen Rückenschmerzen, bewusste Atemkontrolle zur Verminderung von Asthma Anfällen oder methodischer Spannungsabbau zur Senkung des Angstniveaus werden vermittelt und gleichzeitig die Wirkungsweisen durch wissenschaftliche Studien und Untersuchungen belegt. Der Nutzen des Yoga-Übens wird deutlich zum Erhalt der Gesundheit und zur Unter-

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stützung von Therapie und Rehabilitation somatischer und psychischer Erkrankungen. Die Autorin vertritt die Auffassung, dass Yoga die Menschen befähigt: von Tag zu Tag, von der Kindheit bis ins Alter und vor allem in Krisen- und Krankheitszeiten. Damit Yoga vielen Menschen nützlich sein kann, muss er individuell gestaltet werden und sich den wechselnden körperlichen und psychischen Situationen anpassen. Dazu zeigt dieses Buch zielgerichtete Yoga-Übungen vor klassischen Referenzpositionen.


Therapeutische Umschau

Arzneimittelallergie

Jahrgang 76 / Heft 1 / 2019

Gastherausgeberin Barbara Ballmer-Weber


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Prof. Dr. med. J. D. Leuppi, Liestal

Gastherausgeber

Der Verlag und die Herausgeber danken den Gastherausgebern der letzten beiden Jahre für ihre Unterstützung. 2018 Prof. Dr. Steffen Eychmüller Dr. Jörg Humburg Prof. Dr. Christina Jeanneret-Gris PD Dr. Andreas D. Kistler Prof. Dr. Thomas J. Müller PD Dr. Albina Nowak Prof. Dr. Peter Rickenbacher Prof. Dr. Robert Rosenberg Prof. Dr. Alain Schoepfer PD Dr. David Winkler

2017 PD Dr. W. Albrich Prof. P. E. Ballmer Prof. Dr. J. H. Beer Prof. Dr. Th. Daikeler Prof. Dr. U. Eriksson Prof. Th. Geiser Prof. Dr. B. Gloor PD Dr. A. Imhof Dr. R. Imoberdorf Prof. Dr. U. Leuppi Prof. Chr. Prünte PD Dr. M. Schneemann Prof. Dr. D. Surbek Prof. Dr. K. Tschopp Prof. Dr. R. Wiest

Herausgeber

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Gastherausgeberin

Prof. Dr. med. Barbara Ballmer-Weber

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Therapeutische Umschau (2019), 76(1)


Inhalt Editorial

Arzneimittelallergie – ein schwerwiegendes Problem im Praxisund Klinikalltag

5

Barbara Ballmer-Weber Übersichtsarbeiten

Das Kreuz mit der Kreuzallergie: Betalaktamantibiotika-Allergie

7

Lukas Jörg, Arthur Helbling 13

Allergien gegen Nicht-Betalaktam-Antibiotika: eine Herausforderung in der Praxis Kathrin Scherer Hofmeier Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie?

23

Barbara K. Ballmer-Weber Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent

29

Caroline Roduit, Christine Kühne Laborabklärung der Medikamentenallergie: Grenzen und Möglichkeiten

33

Nicole Müller, Theresa Fachruddin und Oliver Hausmann Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Masto­ zystose: «facts and fictions»

38

Peter Schmid-Grendelmeier, Benno Schnyder Warnsymptome Haut: kutane Manifestation der Arzneimittelallergie

43

Ieva Saulite, Wolfram Hötzenecker, Antonio Cozzio

© 2019 Hogrefe

Therapeutische Umschau (2019), 76(1)


Unternehmerisch Handeln im Gesundheitswesen

Volker B. Schulte / Arie Hans Verkuil (Hrsg.)

Entrepreneurship in der Gesundheitswirtschaft Sachlage, Trends und Ausblicke 2019. 216 S., 22 Abb., 13 Tab., Kt € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85727-5 Auch als eBook erhältlich

07.12.18 00:17

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Das Fachbuch zum Entrepreneurship im Gesundheitswesen setzt sich mit unternehmerischen Herausforderungen in der Gesundheitswirtschaft auseinander. Es ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden aktuelle Entwicklungen der Gesundheitswirtschaft im ambulanten Sektor beleuchtet. Der zweite Teil des Buches ist dem sekundären Sektor gewidmet. Was bringt dem Patienten der Trend hin zur Regionalisierung hochspezialisierter Eingriffe? Kann die Lebensqualität gesteigert werden, wenn regionale Einrichtungen

gleiche Leistungen bieten wie Zentrumskrankenhäuser und -spitäler? Der dritte Teil des Buches befasst sich mit ökonomischen und technologischen Trends in der Gesundheitsindustrie. Ein weiterer Beitrag beschreibt Herausforderungen, die sich bei Kliniken und Spitälern im Rahmen der Digitalisierung und Industrie 4.0 stellen. Das Buch ist eine anregende Lektüre für Manager in der Gesundheitswirtschaft, die sich einen Überblick über gesundheitsgesellschaftliche Trends verschaffen wollen.


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Editorial

Arzneimittelallergie – ein schwerwiegendes Problem im Praxis- und Klinikalltag Barbara Ballmer-Weber Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Die Arzneimittelunverträglichkeiten (Adverse Drug Reaction, ADR) sind unerwünschte Reaktionen auf Medikamente, die in einer Dosierung, wie sie üblicherweise für Therapien eingesetzt wird, zu einer krankmachenden ­Reaktion führen. Sie stellen im Praxis- und Klinikalltag ein schwerwiegendes Problem dar. ADRs sind für 3 – 6 % der Hospitalisationen verantwortlich und komplizieren den Hospitalisationsverlauf in 10 – 20 % der Patienten. Circa 20 % der ADRs lassen sich auf eine Medikamentenallergie / Intoleranz zurückführen. Aus Angst vor allergischen Reaktionen oder Kreuz­ reaktionen werden Patienten für sie indizierte Therapien häufig nicht verabreicht. Andererseits werden Patienten mit für sie potentiell gefährlichen Substanzen reex­ poniert, da eine klare Dokumentation der allergischen ­Reaktion auf ein Medikament und der entsprechende Eintrag im Allergiepass fehlen. Eine s­ orgfältige allergologische Abklärung mittels Anamnese, Hauttesten, in vitro Testen und teils oralen Provokationen ist deshalb indiziert und bringt häufig Klärung. Vorteilhaft ist es, die allergologische Abklärung innert vier Wochen bis sechs Monaten nach dem Ereignis zu ver­anlassen. Über 10 % der Bevölkerung berichten, eine Allergie ­gegen Penicilline zu haben. Die Prävalenz einer echten Betalaktamallergie liegt jedoch deutlich tiefer. Lukas Jörg und Arthur Helbling stellen in diesem Themenheft die Manifestation und Abklärung bei Verdacht auf Betalaktam­ antibiotika vor [1], während Kathrin Scherer Hofmeier sich mit dem breiten Gebiet der Medikamentenallergie auf Nicht-Betalaktam-Antibiotika befasst [2]. In beiden Beiträge wird auch die wichtige Thematik von Kreuz­ allergien besprochen. Makulopapulöse Exantheme beim Kind sind häufig. Klinisch kann das virale Exanthem jedoch nicht von einem makulopapulösen Arzneimittelexanthem abge­ grenzt werden. Viele Kinder werden fälschlicherweise als medikamentenallergisch bezeichnet, und wie von Caroline Roduit festgehalten, ist eine allergologische Aklärung ­einer möglichen kindlichen Arzneimittelreaktion gerade deshalb dringend empfohlen [3]. Nichtsteroidale Analgetika (NSAID) gehören weltweit zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Der welt© 2019 Hogrefe

weite Aspirinkonsum wird z. B. auf 50'000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Intoleranzreaktionen auf NSAID sind häufig. Neben der Diagnoseklärung ist es, wie im Artikel von Barbara Ballmer-­Weber erläutert, für den Betroffenen essentiell im Rahmen der allergologischen Abklärung für ihn gut verträgliche Ausweichanalgetika zu identifizieren [4]. Nicole Müller, Theresa Fachruddin und Oliver Hausmann besprechen die Indikation, Vorteile aber auch Grenzen der in vitro Abklärung bei Medikamentenallergie [5]. Eine Histaminintoleranz wird häufiger vermutet, als sie effektiv vorliegt. Patienten mit einer Histaminin­ toleranz und ihre behandelnden Ärzte befürchten Un­ verträglichkeitsreaktionen auf Medikamenten, die häufig nicht evidenzbasiert in verschiedenen Foren kolportiert werden. Im Beitrag «Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz: facts and fiction», stellen Peter Schmid-Grendelmeier und Benno Schnyder die heutige Datenlage zu diesem Thema vor [6]. Die häufigsten Arzneimittelreaktionen an der Haut sind urtikarielle oder makulopapulöse Exantheme. Seltener kann es jedoch zu schwerwiegenden potentiell ­letalen Hautreaktionen kommen, auch SCAR genannt (severe cutaneous adverse drug reaction). Ieva Saulite, Wolfram Hötzenecker und Antonio Cozzio zeigen in ihrem Beitrag «Warnsymptome Haut» auf, wenn es gefährlich werden kann [7].

Literatur  1. Jörg L, Helbling A. Das Kreuz mit der Kreuzallergie: Betalaktam­ ­antibiotika-Allergie. Therapeutische Umschau 2019.  2. Scherer Hofmeier K. Allergie gegen Nicht-Betalaktam-­ Antibiotika: eine Herausforderung in der Praxis. Therapeutische Umschau 2019.  3. Ballmer-Weber BK. Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Therapeutische Umschau 2019.  4. Roduit C. Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger ­vermutet als existent. Therapeutische Umschau 2019.   5. Müller N, Fachruddin T, Hausmann O. Laborabklärungen der Medikamentenallergie: Grenzen und Möglichkeiten. Therapeutische Umschau 2019. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 5–6 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001052


6   6. Schmid-Grendelmeier, Schnyder B. Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose: facts and fictions. Therapeutische Umschau 2019.  7. Saulite I, Hötzenecker W, Cozzio A. Warnsymptom Haut: kutane Manifestation der Arzneimittelallergie. Therapeuti­ sche Umschau 2019.

Prof. Dr. med. Barbara Ballmer-Weber Fachbereich Allergologie Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Kantonsspital St. Gallen 9007 St. Gallen Barbara.Ballmer-Weber@kssg.ch

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Übersichtsarbeit

Das Kreuz mit der Kreuzallergie: Betalaktamantibiotika-Allergie Lukas Jörg, Arthur Helbling Allergologisch-Immunologische Poliklinik, Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie, Inselspital, Universitätsspital Bern

Zusammenfassung: Betalactamantibiotikaallergien sind die am häufigsten erwähnten Medikamentenallergien. In der Hausarztpraxis oder im Falle einer Hospitalisation äussern Patienten oft, an einer Penicillinallergie zu leiden, weswegen in diesen Fällen meist keine Betalactamantibiotika verwendet werden. Häufig handelt es sich bei einer vermeintlichen Allergie jedoch um Nebenwirkungen wie Diarrhoe, Nausea oder Bauchschmerzen. Der grösste Teil dieser Patienten verträgt Betalactam­ antibiotika ohne Probleme, weswegen eine allergologische Abklärung wichtig ist. Hierfür ist eine gute Anamnese und Dokumentation zentral, da Hautteste und in vitro Verfahren eine eingeschränkte Sensitivität haben. Ergänzend kann mittels Provokationstest eine fragliche Allergie oder alternative, potentiell kreuzreaktive Betalactamantibiotika in Hinblick auf ihre Verträglichkeit geprüft werden. Die Kreuzreaktivität mit Cephalosporinen, insbesondere der 3. Generation und höher, wird meist überschätzt. Kreuzreaktionen zu Carbapenemen sind selten. Abstract: Hypersensitivity reactions to betalactam antibiotics are the most commonly mentioned drug allergies. Up to 10 percent of patients report to suffer from a penicillin allergy. However, classical side effects of antibiotics are often misdiagnosed as an allergy. Many of these patients with suspected betalactam allergy tolerate betalactam antibiotics well. Therefore, a ­thorough allergy workup is essential to confirm a suspected allergy or to enable again a treatment with betalactam antibiotics. Most important is a good documentation as skin- and in-vitro tests have a reduced sensitivity. Gold standard is the provo­ cation test to help exclude a supposed allergy or to test alternative, potential cross reactive betalactam antibiotics. Cross-­ reactions between penicillins and cephalosporins, especially cephalosporins of the third and fourth generation are unusual. Cross reactions to carbapenem antibiotics are rare.

Von allen Medikamenten werden Betalactam Antibiotika bei der ärztlichen Untersuchung am häufigsten als Aus­ löser für eine Allergie erwähnt. Jeder 10. Patient berichtet, eine Allergie auf Penicilline zu haben [1]. Dies hat zur ­Folge, dass bei diesen Patienten oft gar keine Betalactam Antibiotika verwendet werden, da allfällige Kreuzreaktionen befürchtet werden. Allerdings vertragen 85 – 90 % dieser vermeintlich penicillinallergischen Patienten Penicilline und Betalactam Antibiotika gut [2]. Gründe hierfür sind, dass pharmakologische Nebenwirkungen wie Diarrhoe, Nausea oder lokaler Soorbefall usw. fälschlicherweise als Allergie inter­ pretiert werden. Gelegentlich kann es während der Behandlung mit Antibiotika zu einer Verstärkung einer allfälligen Hauterkrankung, z. B. einer Urtikaria, kommen, was als Allergie verwechselt werden kann. Unabhängig ­davon kann ein Infekt selber zu kutanen oder respirato­ rischen Symptomen führen. Am wichtigsten bei einer vermuteten Medikamenten­ allergie ist eine gute Anamnese und eine detaillierte Doku­ mentation. Beides kann aufwändige Zusatzuntersuchungen verhindern. © 2019 Hogrefe

Klinische Aspekte Im klinischen Alltag werden Hypersensitivitätsreaktionen auf Betalactam Antibiotika (wie auch im Falle von anderen Medikamenten) in Soforttyp- und Spättypreaktionen ­eingeteilt. Ausschlaggebend ist die Latenzzeit zwischen Medi­kamenteneinnahme und Reaktion. Alles was länger als eine Stunde nach Medikamenteneinnahme auftritt wird in der Regel als Spättypreaktion klassifiziert [3]. Berücksichtigt man den Pathomechanismus handelt es sich bei Soforttyp­ reaktionen meist um ein IgE-vermitteltes ­Geschehen, bei welchem es zu einer Mastzelldegranulation und konsekutiven Symptomen kommt, bei Spättypreak­ tionen sind überwiegend T-Zellen verantwortlich. Soforttypreaktionen bei Betalactam Antibiotika ent­ wickeln sich rasch, bei parenteraler Gabe sogar innerhalb von Sekunden bis Minuten. Oft tritt ein Juckreiz, initial palmoplantar und an behaarten Körperstellen auf. Flush, Urtikaria, Angioödeme und Dyspnoe sind häufig, seltener auch gastrointestinale Symptome. Schwere Allgemein­ reaktionen umfassen akute Hypotonie, kardiale Arrhythmien bis hin zur Asystolie, Bewusstseins­eintrübung und Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 7–11 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001055


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Schockzustand. Diese treten grösstenteils nach parente­ raler Gabe auf (Tab. 1). Spättypreaktionen äussern sich mehrheitlich auf der Haut (klassische Arzneimittelexantheme). Klinisch zeigen sich Maculae, Papeln, Pusteln und sehr selten auch Blasen. Bei Betalactam Antibiotika tritt am häufigsten ein makulopapulöses Exanthem auf, welches eine Latenzeit von 5 bis 12 Tagen aufweist (Abb. 1). Nicht selten ist zu diesem Zeitpunkt die antibiotische Behandlung bereits abgeschlossen [4]. Wichtig ist der Umstand, dass die Latenzzeiten sehr unterschiedlich sein können: Eine akute generalisierte exanthematöse Pustulose (AGEP) kann ­ bereits nach 1 – 2 Tagen auftreten [5], schwere T-Zell vermittelte Allergien (wie das Drug Reaction with Eosinophilia and Systemic Symptoms (DRESS) [6]) erst nach Wochen oder selten sogar Monaten. Die letztgenannten schweren Spättypreaktionen können neben kutanen Symptomen auch eine systemische Beteiligung auslösen. Klinische Gefahrenzeichen einer Spättypreaktion und Anzeichen für eine Organbeteiligung mit zum Teil bedrohlichem Verlauf sind Fieber, allgemeine Malaise, grossflächiger Befall der Haut, Schleimhautbeteiligung, Gesichts- und Körperschwellung, Lymphadenopathie sowie Persistenz der Klinik trotz Absetzen des auslösenden Medikaments (Tab. 2) [7]. Leber und Niere sind die am häufigsten betroffenen Organe, labormässig zeigen sich in diesen Fällen oft eine Eosinophilie, erhöhte Transaminasen, seltener Zytopenien oder eine eingeschränkte Nierenfunktion.

L. Jörg, A. Helbing, Das Kreuz mit der Kreuzallergie

Tabelle 1. Gefahrenzeichen bei Soforttypreaktionen sowie Risiko­faktoren Geschwindigkeit des Auftretens Angioödeme, insbesondere der Zunge, Heiserkeit, Schluckstörung Grosse Ausdehnung der Urtikaria Bronchospasmus Gastrointestinale Symptome Hypotonie / Bewusstlosigkeit Risikofaktoren für schwere Reaktion: Alter über 50, ­Koronare ­Kardiopathie, Betablocker Behandlung, Mastozytose, Behandlung mit Antihypertensiva

kungen, welche häufig als Allergie betitelt werden. Diese benötigen aber keine allergologische Testung. Soforttypreaktionen, schwere Spättypreaktionen sowie unklare S­ituationen oder Reaktionen, bei welchen mehrere Medikamente involviert waren, sollten immer abgeklärt werden, vorzugsweise innerhalb eines halben Jahres. Auch bei ­Personen mit einer Grunderkrankung, welche zu häufigem Antibiotikagebrauch Anlass gibt, z. B. eine Immundefizienz, Klappenvitien, zystische Fibrose, Pneumopathie, ist eine rasche allergologische Abklärung sinnvoll. Bei gesunden Patienten mit einem milden Arzneimittelexanthem kann hingegen zugewartet werden, da meist alternative Anti­biotika verfügbar sind.

Praktisches Vorgehen Wer soll abgeklärt werden Diarrhoe, Übelkeit, Schlafstörungen, Dysäshesien, Candidosen usw. in Zusammenhang mit einer antibiotischen Behandlung sind pharmakologisch induzierte Nebenwir-

Abbildung 1. Makulopapulöses Exanthem.

Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 7–11

Abbildung 2. Positiver Intradermaltest.

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L. Jörg, A. Helbing, Das Kreuz mit der Kreuzallergie

Anamnese Grundlegend bei einer Hypersensitivitätsreaktion ist eine detaillierte Dokumentation. Wenn das Ereignis bereits länger zurückliegt, können sich Patienten oft nicht mehr genau daran erinnern. Ein Akteneintrag «Penicillinallergie» hilft meist nicht weiter, sondern kann in Akutsitua­ tionen weitere Unklarheiten heraufrufen, z. B. ob andere Betalactamantibiotika zu meiden sind oder nicht. Ein Hauptaugenmerk soll auf die klinische Einteilung in «Sofort- und Spättypreaktion» gelegt werden, weil damit die potentielle Gefährlichkeit einer Reaktion bei der Testung oder Reexposition abgeschätzt werden kann. Hilfreiche Informationen sind bestehende Grunderkrankungen oder auch die Indikation der antibiotischen Behandlung. Nicht selten können Infekte selber ein Exanthem verursachen, oft auch erst unter einer antibiotischen Behandlung. Dies spielt bei Kindern eine wesentliche ­Rolle [8]. Andrerseits bestehen auch Risikofaktoren eine Allergie auf Betalactam Antibiotika zu entwickeln, namentlich sind dies ein akuter EBV Infekt, eine HIV Infek­ tion, weibliches Geschlecht, genetische Polymorphismen sowie eine Vorgeschichte mit bereits bestehenden Aller­ gien auf Medikamente [9].

Testung Zur allerglogischen Untersuchung stehen Hauttests, in ­vitro Verfahren und Provokations­testungen zur Auswahl. Die Hauttests umfassen, den Pricktest, den Intradermaltest sowie Epikutantests. Welche Hautteste angewendet werden ergibt sich anhand der Klinik, weswegen der Anam­nese eine zentrale Rolle zukommt: Bei Soforttyp­ reaktionen wird der Prick- und Intradermaltest (Abb. 2) angewendet mit Ablesung nach 20 Minuten. Bei Spättypreaktionen kommt ebenfalls der Intradermaltest zum Einsatz, jedoch mit Ablesung nach 24 Stunden. Zusätzlich steht der Epikutantest (Abb. 3) zur Verfügung (mit Ablesung nach 48 und 72 Stunden). Vorsicht geboten ist bei schweren Hypersensitivitätsreaktionen, egal ob Sofortoder Spättyp. Hier kann der Intradermaltest im Falle einer Soforttypreaktion systemische Symptome bzw. eine Anaphylaxie zur Folge haben, weswegen vorgängig immer ein

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Pricktest vorgenommen werden soll [10]. Intradermaltests bei schweren Spättypreaktionen sollten grundsätzlich unterlassen werden, da sogenannte Flare-up Reaktionen, d. h. Schübe der ursprünglichen Hypersensitivitätsreaktion ausgelöst werden können. Daher wird in dieser Situation ­primär auf den Epikutantest zurückgegriffen. Die Hauttestung wird bei Betalactam Antibiotika meist mit den parenteral verfügbaren Produkten in standardisierten Verdünnungen vorgenommen [11]. Zur Anwendung kommt das auslösende Betalactam Antibiotikum, ergänzt mit möglichen kreuzreaktiven Substanzen (meist Penicilline, Cephalosporine). Zusätzlich stehen noch die Penicillinallergene Penicilloyl Polylysine PPL und Minor Determinant Mixture MDM (Diater Laboratories, Madrid) als Testlösung zur Verfügung, diese werden jedoch ausschliesslich zur Untersuchung einer Soforttypreaktion eingesetzt. Der Nachteil der Hauttestung liegt in der eingeschränkten Sensitivität bei hoher Spezifität, weswegen eine Interpretation immer unter Berücksichtigung von Anamnese und Klinik erfolgen muss. Die Sensitivität bei den Soforttypreaktionen liegt im Falle der Betalactamantibiotika immerhin bei ca. 70 %, bei den Spättypreaktionen bei 60 %, weswegen eine Allergie auch bei negativer Hauttestung nicht ausgeschlossen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zeitpunkt der Testung: Je länger die Index­reaktion zurückliegt, desto tiefer fällt die Sensitivität aus. Daher sollte eine Ab­klärung optimalerweise innerhalb der ersten 6 Monate erfolgen, frühestens nach 4 – 6 Wochen [12]. Auch in vitro Tests haben die gleichen Einschränkungen wie die Hauttests, wobei die Sensitivität niedriger liegt.

Tabelle 2. Gefahrenzeichen bei Spättypreaktionen Grosse Ausdehnung des Exanthems / Erythrodermie Bildung von Bullae, Pusteln Schmerzhafte Haut Beteiligung von Schleimhäuten Gesichtsödem Fieber Lymphknotenschwellung / Beteiligung von inneren Organen (z. B. Leber usw.)

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Abbildung 3. Positiver Epikutantest auf Amoxicillin und Ampicillin.

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L. Jörg, A. Helbing, Das Kreuz mit der Kreuzallergie

Tabelle 3. Kreuzreaktivität von Penicillinen Penicilline zu Cephalosporinen

< 10 % (meist Seitenkette)

Penicilline zu Carbapenemen

< 1 %

Penicilline zu Monobactamen

Keine Kreuzreaktivität, einzig zwischen Ceftazidim und Monobactamen möglich

Sie sind daher kein Ersatz für den Hauttest und eher als ­ergänzende Analysen in unklaren Situationen (z. B. nicht eindeutige Hauttestbefunde) oder schweren Reaktionen wertvoll [13]. Bei Soforttypreaktionen können für einige wenige Medikamente (z. B. Penicillin V / G und Amoxicillin) spezifische IgE Antikörper bestimmt werden, zudem ist der Basophilenaktivierungstest verfügbar. Bei Spättypreaktionen ist der Lymphozyten­trans­formations­test (LTT) eine Option. Vor allem bei Soforttypreaktionen auf Betalactamantibiotika ist oft eine Provokationstestung nötig. Damit werden meistens alternative, potentiell kreuzreaktive Antibiotika in Hinblick auf ihre Verträglichkeit geprüft – natürlich sofern die Hauttestung für die zu testende Substanz negativ ausfällt und keine Kontraindikationen bestehen. Hierbei wird das Alternativantibiotikum unter ärztlicher Aufsicht in steigender Medikamentendosis verabreicht, beginnend mit einer sehr geringen Menge [14]. Für zukünftige antibiotischen ­Behandlungen ist es relevant zu wissen, ob z. B. bei einem Patienten mit einer IgE vermittelten Allergie auf Amoxicillin noch Cephalosporine verabreicht werden dürfen. Hilfreich ist die Provokationstestung auch bei fraglichen Allergien mit vager Anamnese. Bei schweren, lebensbedrohlichen Allgemeinreaktionen oder falls eine Sensibilisierung auf das entsprechende Antibiotikum besteht, ist eine Provokation kontra­indiziert. Auch Spättypreaktionen eignen sich in der Regel nicht für Provokations­testungen.

Die Krux mit den Kreuzreaktionen Betalactamantibiotika werden von allen Antibiotika weltweit am meisten eingesetzt und verursachen dementsprechend auch am meisten Medikamentenallergien. Im Falle einer Allergie oder nur schon eines Verdachts einer Allergie auf Penicilline oder Cephalosporine werden oft sämt­ liche Betalactame gemieden. Dies hat zur Folge, dass ­höhere Kosten entstehen, allfällige Erreger nicht optimal abgedeckt werden und potentiell Resistenzen gefördert werden. Kreuzreaktionen von Betalactamantibiotika kommen daher eine zentrale Bedeutung zu. Obwohl Sofort- und Spättypreaktionen nicht das gleiche Kreuzreaktionsmuster aufweisen basieren der überausgrösste Anteil von Daten bei Betalactam-Antibiotika auf Soforttyp­reaktionen, bzw. IgE vermittelten Allergien [15]. Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame verfügen alle über einen Betalactamring mit Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 7–11

­ iner weiteren daran anschliessenden Ringstruktur, wele che jedoch nur zu einem kleineren Teil für allfällige Kreuz­ reaktionen verantwortlich sind. Die wichtigste Rolle, vor allem bei Penicillinen und Cephalosporinen, spielen die Seitenketten, welche je nach Substanz ähnlich oder sogar identisch sind [16]. Dementsprechend wird die Rate an Kreuzreaktionen zwischen Penicillinen und Cephalospo­rinen in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben (zwischen 0 % bis 8 %) (Tab. 3) [17]. Cephalosporine ab der 3. Generation und auch Cefuroxim weisen jedoch ­andere Seitenketten als die Aminopenicilline auf und sind bei den meisten Personen mit Penicilinallergie daher ­verträglich [18]. Umgekehrt vertragen cephalosporin­allergische Patienten ohne Hypersensitivitätsreaktionen auf Penicilline in der Vorgeschichte Aminopenicilline meist gut. Auch hier gilt es, die Ähnlichkeiten der jeweiligen Seitenkette zu beachten: Betrifft die Indexreaktion Cephalosporine der 1. und 2. Generation ist das Risiko ­einer Kreuzreaktion auf Aminopenicilline erhöht [19]. D ­ aher ist es wichtig, die Verträglichkeit eines Aminopenicilins im Falle einer Sofortypreaktion auf ein Cephalosporin (oder im umgekehrten Fall zur Klärung der Verträglichkeit eines Cephalosporins bei IgE vermittelter Allergie auf ein Penicillin) mittels Provokationstestung zu verifizieren. Bei milden Spättypreaktionen auf Peniciline hingegen kann bei negativem Hautest direkt mit einem Cephalos­porin behandelt werden. Da auch Carbapeneme über einen Betalactam Ring verfügen sind Kreuzreaktionen möglich, jedoch selten. Bei Patienten mit einer Penicillinallergie sind weniger als 1 % davon betroffen [20]. Nichtsdestotrotz soll die erste Gabe, gleich wie bei einer Provokationstestung, fraktioniert in steigender Dosis (oft auch «Graded Challenge» genannt) verabreicht werden [14]. Für das Antibiotikum Aztreonam, das einzige für die Klinik relevante Monobactam, konnte keine Kreuzreaktivität zu den Penicilinen nachgewiesen werden. Allerdings hat die Seitenketten­struktur von Aztreonam eine Ähnlichkeit mit derjenigen von Ceftazidim, so dass zwischen diesen beiden Substanzen Kreuzreaktionen möglich sind [21].

Literatur   1. Lee CE, Zembower TR, Fotis MA et al. The incidence of antimicrobial allergies in hospitalized patients: implications regarding prescribing patterns and emerging bacterial resistance. Arch Intern Med. 2000; 160: 2819.   2. Park M, Markus P, Matesic D, Li JT. Safety and effectiveness of a preoperative allergy clinic in decreasing vancomycin use in patients with a history of penicillin allergy. Ann Allergy Asthma Immunol. 2006; 97: 681.   3. Johansson SG, Bieber T, Dahl R et al. Revised nomenclature for ­allergy for global use: Report of the Nomenclature Review Committee of the World Allergy Organization, October 2003. J Allergy Clin Immunol. 2004; 113: 832.   4. Hunziker T, Kunzi UP, Braunschweig S, Zehnder D, Hoigne R. Comprehensive hospital drug monitoring (CHDM). Adverse ­ skin ­reactions, a 20-year survey. Allergy 1997; 52. © 2019 Hogrefe


L. Jörg, A. Helbing, Das Kreuz mit der Kreuzallergie

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Dr. med. Lukas Jörg Spitalfacharzt Universitätsklinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie Inselspital, Universitätsspital Bern Haus 5 Freiburgstrasse 16p 3010 Bern lukas.joerg@insel.ch

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Übersichtsarbeit

Allergien gegen Nicht-BetalaktamAntibiotika: eine Herausforderung in der Praxis Kathrin Scherer Hofmeier Abteilung Allergologie, Klinik für Dermatologie, Universitätsspital Basel

Zusammenfassung: Die heterogene Gruppe der Nicht-Betalaktam-Antibiotika kann teilweise sehr schwere immunologisch vermittelte Hypersensitivitätsreaktionen auslösen. Die Risiken dafür sind unter den verschiedenen Vertretern sehr unterschiedlich verteilt und es ist teilweise eine genetische Prädisposition zur Entwicklung von Stevens-Johnson-Syndrom / Toxisch epidermale Nekrolyse bzw. Drug rash with eosinophilia and systemic symptoms (DRESS-Syndrom) festzustellen. Einzelne Patientengruppen sind besonders häufig betroffen, u. a. Patienten mit HIV oder cystischer Fibrose. In dieser Übersicht werden die einzelnen Medikamentengruppen und entsprechende Risikosituationen, sowie die zur Verfügung stehenden diagnostischen Mittel besprochen. Allergies to non-betalactam antibiotics: a challenge in practice Abstract: The heterogeneous group of non-betalactam antibiotics can in part trigger very severe immunologically mediated hypersensitivity reactions. The risks are very differently distributed among the different representatives and a genetic predisposition to the development of Stevens-Johnson syndrome / toxic epidermal necrolysis or Drug rash with eosinophilia and systemic symptoms (DRESS syndrome) can be observed. Individual patient groups are particularly frequently affected, including patients with HIV or cystic fibrosis. In this overview, the individual drug groups and corresponding risk situations as well as the available diagnostic means are discussed.

Die überwiegende Mehrheit der immunologisch vermittelten Arzneimittelunverträglichkeiten folgen einem Typ I-­ Mechanismus (IgE-vermittelt nach Coombs und Gell) oder einem Typ IV-Mechanismus (zellulär-vermittelt nach Coombs und Gell). Typ I-Reaktionen zeichnen sich typischerweise durch Symptome wie Juckreiz, Urtikaria, Angioödeme, Atembeschwerden, Rhinitis, Konjunktivitis, Asthma bronchiale, gastrointestinale Symptome und Kreislaufschock aus, treten beim sensibilisierten Patienten in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Medikamentenverabreichung auf von wenigen Minuten bis Stunden und werden daher auch Reaktionen vom Soforttyp genannt. Zellulär vermittelte Reaktionen (Typ IV) manifestieren als verschiedene Formen nicht-flüchtiger Exantheme, teils be­ gleitet von Blutzelldyskrasien und Organaffektionen (v. a. Hepatitis, Nephritis), treten mit einer Latenz von mindestens einigen Stunden bis zu ca. 2 Tagen in Erscheinung und werden daher verzögerte Reaktionen genannt. Die sehr heterogene Gruppe der Nicht-Betalaktam-­ Antibiotika wird insgesamt und im Einzelnen deutlich ­seltener als Auslöser von immunologisch vermittelten Hypersensitivitätsreaktionen genannt als die grosse Gruppe der Betalaktame. Die auslösenden Mechanismen, ebenso wie die allergenen Determinanten und potentielle Kreuz© 2019 Hogrefe

reaktivitäten sind im Allgemeinen weniger gut untersucht und verstanden [1]. Die mit Abstand wichtigsten diagnostischen Werk­ zeuge sind die Anamnese, die präzise Dokumentation der zeitlichen Abläufe von Exposition (Erstexposition oder

Im Artikel verwendete Abkürzungen AGEP akute generalisierte exanthematische Pustulose AIDS aquired immunodeficiency syndrome EMB Ethambutol DILI Drug induced liver injury DRESS Drug rash with eosinophila and systemic symptoms FDE fixed drug eruption HIV Human immunodeficiency virus INH Isoniazid LTT Lymphozytentransformationstest MRGPRX2 Mas-related G-protein coupled receptor member X2 MRSA Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus OR odds ratio PZA Pyrazinamid RFP Rifampicin RMS Red man syndrome SCAR severe cutaneous adverse reaction SJS Stevens-Johnson Syndrom SMX Sulfamethoxazol TEN Toxisch epidermale Necrolyse TMP Trimethoprim

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wiederholte Exposition), ersten und folgenden Symp­ tomen, hämatologischen und Organmanifestationen, ­exakte Beschreibung und Dokumentation (ggf. per Foto) kutaner Effloreszenzen und deren Verteilung und des ­weiteren zeitlichen Verlaufs. Als weitere diagnostische Mittel stehen neben Hauttesten, die nicht bei allen ­Gruppen der Nicht-Betalaktam-Antibiotika gut etabliert sind, in manchen Situationen noch zelluläre Aktivierungsteste zur Verfügung. Spezifische IgE-Antikörper gegen diese Antibiotika können im Unterschied zu den Beta­ laktamen nicht routinemässig gemessen werden. In Anbetracht der in den meisten Fällen geringen Sensitivität der Hautteste und zellulären Aktivierungsteste bei allerdings guter Spezifität kommt der Provokationstestung mit dem verdächtigten Agens oder einer potentiellen Alternative eine hohe Bedeutung zu bei der Diagnosestellung und der Empfehlung für mögliche zukünftige Therapien. Im Folgenden werden die klinische Präsentation und die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der verschiedenen Medikamentengruppen besprochen sowohl in Hinblick auf allergische Soforttypreaktionen, als auch bei Reaktionen vom verzögerten Typ.

Aminoglykoside Aminoglykosie stehen zur intravenösen sowie zur topischen Applikation zur Verfügung. Paromomycin wird zwar oral eingenommen, wirkt allerdings nur lokal am Darm. In der Schweiz ist Amikacin, Gentamicin und Tobramycin zur systemischen Gabe zugelassen, Framycetin, Gentamicin, Neomycin, Tobramycin und Streptomycin in topischen Präparaten. Bei systemischer Gabe besteht grundsätzlich eine Ototoxizität sowie eine Nephrotoxizität. Systemische Hypersensitivitätsreaktionen sowohl vom Soforttyp, als auch vom verzögerten Typ sind vergleichsweise selten, spielen allerdings bei repetitiver Anwendung bei gewissen Patientengruppen, z. B. bei Patienten mit ­cystischer Fibrose eine gewisse Rolle, sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen [2]. Aminoglykoside sind bei topischer Anwendung bekannte Auslöser von Kontaktallergien und sollten daher nicht langfristig topisch verwendet werden. 5 % der Patienten, die wegen chronischen Beinulzera bzw. Stauungsdermatitis eine Patchtestung erhielten zeigen eine Sensibilisierung auf Neomycin. [3]. Neomycin und Framycetin gehören damit zu den wichtigsten Kontaktallergen in dieser Patientengruppe, mit einer deutlichen Kreuzreaktivität zur Paromomycin. Die Prävalenz dieser Sensibilisierung ist aber über die Jahre deutlich rückläufig (3.2 % im Jahr 1994, 0.7 % im Jahre 2014), wahrscheinlich, weil die ­rezeptfreie Verfügbarkeit reduziert worden ist [4]. Die im Patchtest nach wie vor zu findende relativ hohe Sensibilisierungsrate auf Neomycin ist daher wahrscheinlich v. a. von historischer Relevanz. Die in vielen Impfstoffen vorhandenen Spuren von Neomycin gelten als in der Regel zu gering um im Kontext von Impfungen Arzneimittelreak­ Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 13–21

K. Scherer Hofmeier, Allergien gegen Nicht-Betalaktam-Antibiotika

tionen vom Spättyp auslösen zu können. Vorsicht ist allerdings geboten im seltenen Fall einer Vorgeschichte von Anaphylaxie auf Neomycin [5;6]. Eine besondere Rolle als Kontaktallergen spielt das in Knochenzement zur antibiotischen Prophylaxe enthaltene Gentamycin. In einer Studie an 249 Patienten mit Knieprothesen mit Komplikationen wurden bei 25 Patienten eine Gentamycin-Sensibilisierung als wahrscheinlicher Auslöser der Probleme (Schmerz, Erguss, Bewegungseinschränkung, Ekzem und aseptische Prothesenlockerung) identifiziert [7]. Wichtig zu beachten ist bei der Durchführung der Epikutanteste, dass zusätzliche späte Ablesungen nötig sind, da knapp ein Drittel der Testreaktionen auf Aminoglykoside erst an Tag 6 nach Beginn des Testes gesehen werden konnten. Da dieses im Laufe der Zeit langsam aus dem ausgehärteten Zement freigesetzt wird ist zu erwarten, dass die entzündliche Reaktion im Verlauf abnimmt und eine Entfernung des Zements im Zuge eines Prothesenwechsels nicht in jedem Fall nötig ist. Im Falle systemischer Reaktionen auf Aminoglykoside kann, falls ein Verzicht auf diese Medikamentengruppe nicht möglich ist, eine Toleranzinduktion erwogen werden. Vor allem bei Patienten mit cystischer Fibrose sind verschiedene erfolgreiche Protokolle sowohl für Soforttypreaktionen, als auch für Reaktionen vom verzögerten Typ publiziert worden. Dabei wird beginnend mit einer sehr niedrigen Dosis des allergenen Medikaments von z. B. 1 / 100 oder 1 / 1000 einer Einzeldosis unter Überwachung in mehreren inkrementen Schritten die Dosierung langsam gesteigert bis zum Erreichen einer Einzeldosis, die dann repetitiv weitergegeben werden kann. Zu beachten ist, dass die Toleranz wieder verschwindet bei Absetzen der Behandlung und daher bei jeder neuen Behandlung auch erneut eine Toleranzinduktion vorgenommen werden muss. Es handelt sich also um eine temporäre pharmakologische Toleranz und in den meisten Fällen nicht um eine immunologische Toleranz [8, 9].

Antituberkulotika Zu den Erstlinientherapeutika bei Tuberkulose gehören Isoniazid (INH), Ethambutol (EMB), Rifampicin (RFP) und Pyrazinamid (PZA) [10]. Die kombinierte Therapie dauert in der Regel mehrere Monate, das Ansprechen auf diese komplexe Behandlung wird allerdings nicht selten durch unerwünschte Nebenwirkungen und dadurch bedingte Therapiewechsel beeinträchtigt. Unkomplizierte Exantheme (ca. 72 %), Urtikaria (ca. 3.4 – 8.5 %), medikamenten-induziertes Fieber (Drug fever) und Hepatitis scheinen die häufigsten klinischen Manifestationsformen einer Hypersensitivität zu sein [11, 12]. Auch lichenoide Arzneireaktionen, FDE, AGEP und Vaskulitis sind vereinzelt beschrieben. Die Prävalenz von SCAR durch Antituberkulotika liegt bei 4 bis 8 % bei HIV-negativen Patienten [11, 13], die eines DRESS-Syndroms bei 1.2 % in einer koreanischen Patientengrupppe [14]. Bei HIV / Tuberkulose © 2019 Hogrefe


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ko-infizierten Patienten liegt die Rate derer, die unter ­einer First-line Therapie ein SCAR entwickeln sogar bei ca. 9 bis 15 % [11, 13, 14]. Die verursachenden Medikamente im Einzelnen sind allerdings je nach betrachtetem Kollektiv resp. je nach Studie unterschiedlich und schwanken teils stark, z. B. zwischen 0.3 und 53.3 % für EMB, für RFP zwischen 3 % und 26 %, für PZA zwischen 6 % und 20 % und für INH zwischen 4 % und 6 % zwischen einer kanadischen Studie [11] und einer koreanischen Studie [14]. ­Ursächlich könnte u. a. der unterschiedliche genetische Hintergrund der verschiedenen Kollektive sein aber auch ein unterschiedlicher HIV-Status und vor allem unterschiedliche klinische Manifestationen, die nicht in jedem Fall eindeutig beschrieben sind. Weibliches Geschlecht, höheres Lebensalter, positiver HIV-Status, begleitende prophylaktische Behandlung mit Cotrimoxazol bei tiefer CD4-Zellzahl und asiatische Herkunft sind mit einem höheren Risiko für Hypersensitivitätsreaktionen vom verzögerten Typ auf eines oder mehrere dieser Medikamente assoziiert [11, 15]. Jenseits der Tuberkulosetherapie wird Rifampicin auch für Knocheninfektionen und andere Infektionen mit seltenen Keimen eingesetzt und kann auch in diesem Zusammenhang allergische Reaktionen auslösen [16]. Soforttypreaktionen treten in ca. 3.4 % der Behandlungen unabhängig von der behandelten Erkrankung und dem Therapieregime auf. Einziger statistisch relevanter Risikofaktor ist in einer türkischen Studie das weibliche Geschlecht mit einer OR von 4.08 [12, 17.] Da im Kontext komplexer Infektionen und Tuberkulose in der Regel mehrere der genannten Medikamente kombiniert werden, ggf. ergänzt durch weitere Antibiotika, ist die genaue Identifikation des Auslösers auf Grund der anamnestischen Angaben häufig schwierig. Für die Diagnostik kutaner Manifestationen von Hypersensitivitätsreaktionen sind Patchteste gut geeignet, wobei idealerweise standardisierten Testpräparationen der Vorzug gegeben werden sollte vor der Testung der vom Patienten eingenommenen (Kombinations-)produkte. Lediglich RFP liegt auch als sterile Lösung vor und kann daher im Intradermaltest mit Spätablesung untersucht werden. Eine wichtige Ergänzung bzw. Alternative, insbesondere falls Epikutanteste nicht möglich sind, sowie bei Patienten, bei denen die Haut nicht oder nur untergeordnet betroffen ist (u. a. Hepatitis, Cytopenien etc.) ist der Lymphozytentransformationstest LTT [18]. Im Vergleich zwischen Provokationstest mit den vier Antituberkulotika als Goldstandard und dem LTT bei Patienten mit makulo-papulösen Exanthemen, Hepatitis oder medikamenten-induziertem Fieber konnte für INH eine vergleichsweise gute Sensitivität zwischen 44 % und 64 % gezeigt werden, für RFP zwischen 32 % und 43 %, für EMB zwischen 33 % und 57 % und für PZA zwischen 23 % und 26 % bei jeweils einer Spezifität von deutlich über 90 %. Für die Soforttypreaktionen ist der Intradermaltest mit Rifampicin gut etabliert [19] EMB, INH und PZA liegen nicht als sterile Lösung vor und können daher im Hauttest nicht adäquat untersucht werden. © 2019 Hogrefe

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Nicht selten findet sich in der allergologischen Ab­ klärung durch Hautteste und Provokationsteste eine Sensibilisierung auf mehrere Antituberkulotika. Auch ist es in Anbetracht der Resistenzlage häufig wünschenswert oder notwendig, die begonnene Therapie trotz Hypersensi­ tivitätsreaktion fortzusetzen. Sowohl für Soforttypreak­ tionen, als auch für Reaktionen vom verzögerten Typ kann in dieser Situation eine Toleranzinduktion versucht werden. Im Falle von Reaktionen auf mehrere Medikamente sollte diese nacheinander wieder begonnen werden. Verschiedene erfolgreiche Protokolle für die Toleranzinduktion sind publiziert worden [20, 21].

Fluorchinolone Fluorochinolone gehören nach den Betalaktam-Antibiotika zu den am häufigsten verordneten Antibiotika, insbesondere bei Patienten, die in der Vorgeschichte eine «Penizillinallergie» angeben. Die folgenden Wirkstoffe sind in der Schweiz derzeit im Handel: Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin. Wall et al. haben in einem Kollektiv unselektionierter stationärer Patienten in USA eine Prävalenz einer Fluorochinolonhypersensitivität von 2 % gefunden [22], worunter sowohl Soforttypreaktionen als auch Reaktionen vom verzögerten Typ fallen. Einer spanischen Studie zufolge bestehen allerdings grosse Diskrepanzen zwischen der Häufigkeit der Verdachtsdiagnose und der durch Provokationsteste bestätigten Chinolon-Allergie (ca. 32 % der Verdachtsfälle). Eine deutliche Zunahme der bestätigten Allergie wird in den letzten 15 Jahren beobachtet, was vor allem der zunehmenden Verordnung moderner Chinolone wie Levofloxacin und besonders Moxifloxacin zugeschrieben wird [23]. Ein ähnlich geringer Prozentsatz der durch Provokationsteste bestätigten Chinolon-Allergien wurde auch von Seitz et al. publiziert [24]. Bei der weit überwiegenden Mehrheit in diesem spanischen Kollektiv handelt es sich um Soforttypreaktionen, nur bei knapp 5 % um Reaktionen vom verzögerten Typ. Im Falle von Soforttypreaktionen ist von einer deutlichen Kreuzreaktivität auszugehen, v. a. unter den älteren Chinolonen, denn die strukturellen Unterschiede bestehen vor allem in unterschiedlichen Substituenten an Position N1, C7 und C8 bei identischer Kernstruktur des Moleküls [23, 25, 26]. Moxifloxacin scheint besonders häufig Soforttypreaktion auszulösen und tendenziell auch für schwerere Reaktionen verantwortlich zu sein als Ciprofloxacin [27]. Die relativen Häufigkeiten der Auslösung von Soforttypreaktionen waren in zwei verschiedenen Studien [27, 28] für Moxifloxacin 63.2 % und 54 %, Levofloxacin 7.9 % und 15 %, Ciprofloxacin 28.9 % und 13 % sowie Ofloxacin 10 %. Fluorochinolone können Soforttypreaktionen sowohl über eine IgE-vermittelte Mastzelldegranualation aus­ lösen via cross-linking des FceRI-Rezeptors auf der Mastzelloberfläche [27] als auch mittels einer direkten, Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 13–21


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nicht IgE-vermittelten Stimulation des MRGPRX2-­ Rezeptors auf Mastzellen [29, 30, 31]. Letzteres, sowie die Tatsache, dass nicht selten Fluorochinolon-Naive eine Soforttypreaktion entwickeln, spricht für eine direkte Aktivierung des angeborenen (inate), nicht wie erwartet des erworbenen (adaptive) Immunsystems, was auch die geringe Sensitivität des Basophilenaktivierungstests bei der Diagnostik der Fluorochinolon-induzierten Soforttypreaktion erklären kann [32]. Dabei lässt sich in der Regel zwar eine an CD203c erkennbare Stimulation der Mastzellen beobachten, nicht aber ein CD63-assoziierter Release von Mastzellgranula und Histamin nach Stimulation mit z. B. Moxifloxacin [33]. Ähnliches gilt auch für die diagnostische Sensitivität und Spezifität von Hauttesten mit Fluorochinolonen: ­diverse Gruppen haben optimale Testkonzentrationen für Prick und Intradermalteste untersucht [34, 19] und sind zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Ein nicht-IgE-vermittelter Histaminrelease aus Mastzellen kann das hohe irritative Potential dieser Medikamente im Hauttest erklären. Vor dem Hintergrund der geringen Sensitivität und Spezifität der Hautteste, und der fehlenden Verfügbarkeit von überzeugend validierten IgE-­ Assays raten einigen Autoren von einer Hauttestung bei der Soforttypreaktion gänzlich ab bzw. empfehlen eine kontrollierte Re-Exposition im Sinne eines Provokationstests als diagnostischen Goldstandard [24, 33]. Das Spektrum der selteneren zellulär vermittelten ­Reaktionen (Typ IV) reicht von vergleichsweise häufigen generalisierten unkomplizierten makulo-papulösen Exan­ themen über bullöse fixe Arzneimittelreaktionen zu SCAR (severe cutaneous adverse reactions, Steven-­ Johnson-Syndrom SJS, Toxisch epidermale Nekrolyse TEN, akute generalisierte exanthematische Pustulose AGEP) und einigen Fällen von DRESS (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) sowie lineärer IgA-Dermatose. Ebenso sind Fälle von Fluoro­ chinolon-induzierter Hepatitis (Drug induced liver injury DILI) und Nephritis beschrieben. Unter Fluorochinolonen ist die Photosensitivität er­ höht, offenbar besonders bei Patienten mit cystischer ­Fibrose [35]. Die anamnestischen Angaben sind auch im Falle der Spättypreaktionen wenig verlässlich mit nur 5 % bestätigten Fluorochinolonallergien [23]. Epikutanteste und Intradermalteste mit Ablesung nach 24 – 72 Stunden sind für die Diagnostik geeignet bei jedoch relativ geringer Sensitivität. Bei unkomplizierten klinischen Exanthemen sollte daher eine Überprüfung der Sensibilisierung mittels Provokationstest erfolgen. Lymphozyten-transformationsteste können ergänzend verwendet werden, insbesondere in den Fällen, in denen eine Provokationstestung auf Grund der Schwere oder des Pathomechanismus der initialen Reaktion nicht möglich ist [36, 37]. Die Kreuzreaktivität unter den verschiedenen Chinolonen ist bei der zellulären Hyper­ sensitivität möglicherweise etwas geringer als bei der Soforttypreaktion. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 13–21

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Lincosamide (Clindamycin) Clindamycin gehört mit einer Häufigkeit von 0.4 % der ­Patienten zu den seltenen Auslösern systemischer Hypersensitivitätsreaktionen. In der Mehrheit handelt es sich um unkomplizierte makulo-papulöse Exantheme, vereinzelt sind schwere Hypersensitivitätsreaktionen beschrieben wie AGEP [38], TEN und DRESS. Anaphylaxien wurden nur vereinzelt beobachtet. Die allergenen Epitope sind bisher nicht bekannt, es bestehen Hinweise auf einen IgE-vermittelten Mechanismus [39]. Der HLA-B*51:01 Haplotyp scheint mit kutanen Hypersensitivitätsreak­ tionen auf Clindamycin bei Asiaten assoziiert zu sein [40]. In Anbetracht der geringen Fallzahlen sind die als diagnostische Mittel zur Verfügung stehenden Hautteste (Prick, IDT, Patchteste) nicht sehr gut validiert und sowohl falsch positive, als auch falsch negative Testreaktionen sind nicht selten. Ergänzend können zelluläre Aktivierungsteste eingesetzt werden. Daher sollten Provokationsteste zur Bestätigung bzw. zum Ausschluss einer rele­ vanten Sensibilisierung bei Patienten mit negativen Hauttesten und unkomplizierten Reaktionen in der Vorgeschichte eingesetzt werden. In ausgewählten Fällen kann eine Toleranzinduktion erwogen werden [41].

Makrolide Von den zahlreichen verschiedenen Makroliden, die anhand der Anzahl Kohlenstoff-Atome am Lacton-Ring in verschiedene Gruppen (C14-C16) eingeteilt werden, sind in der Schweiz derzeit lediglich Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin in der Humanmedizin im Einsatz. Sie werden wegen ihrer antibiotischen, aber auch wegen ihrer antiinflammatorischen und immunmodulierenden Wirkung für ein breites Spektrum an klinischen Indikationen, sowohl systemisch, als auch topisch eingesetzt. Hypersensitivitätsreaktionen sind vergleichsweise selten mit 0.4 – 3 % der Behandlungen. In unterschiedlichen Studien an überwiegend kleinen Patientenkollektiven werden unterschiedliche Makrolide als häufige Auslöser genannt. Wahrscheinlich spielt für diese Daten das regionale Verschreibungsverhalten bzw. die regionale Verfügbarkeit eine Rolle. Zusammenfassend ergeben sich daher keine eindeutigen Hinweise für problematische oder sichere Makrolide in Hinblick auf Hypersensitivitätsreaktionen [42, 43, 44]. Die allergenen Determinanten und auslösenden Mechanismen sind allerdings wenig untersucht und verstanden. Für Han-Chinesen wurde HLA-A*02:07 als Risikofaktor für die Entwicklung einer Hypersensitivitätsreaktion auf Clarithromycin identifiziert [45]. Die Häufigkeiten der unterschiedlichen klinischen Manifestationen einer Hypersensitivität variieren deutlich zwischen den verschiedenen Makroliden. Isolierte Urtikaria, die sich nicht selten um einige Stunden nach Einnahme verzögert manifestiert, und unkomplizierte makulo-papulöse Exantheme sind die häufigsten klinischen Symptome, allerdings sind © 2019 Hogrefe


K. Scherer Hofmeier, Allergien gegen Nicht-Betalaktam-Antibiotika

alle anderen Formen von Arzneimittel-induzierter Hypersensitivität inklusive Vaskulitis, SJS / TEN und DRESS-Syndrom ebenfalls beschrieben [42, 46]. Die Kreuzreaktivität zwischen den verschiedenen Makroliden ist auf Grund strukturell deutlicher Unterschiede nicht sehr ausgeprägt und spielt höchstens bei einem Fünftel der Fälle eine Rolle [44]. Ein Fallbericht beschreibt eine mögliche Kreuzreagibilität zwischen Clarithromycin und Tacrolimus, was chemisch ebenfalls einem Makrolid entspricht. Eine überzeugende allergologische Aufarbeitung dieses Falls hat aber nicht stattgefunden. Für die Diagnostik stehen sowohl Prickteste, als auch Intradermalteste für die Abklärung der allergischen Soforttypreaktion zur Verfügung [47], Patchteste können für die verzögerten Reaktionen eingesetzt werden. Die diagnostische Sensitivität und Spezifität der Hautteste ist allerdings in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich, wird in hoch selektionierten Patientengruppen für gut befunden, ist aber auch in Abhängigkeit von der klinischen ­Präsentation variabel [42, 48 – 51]. Weder die Hautteste, noch zelluläre Aktivierungsteste wurden bisher an grösseren Kollektiven ausreichend validiert. Provokationsteste sind daher – zumindest im Fall von unkomplizierten klinischen Reaktionen bei negativen Hauttesten – zum Ausschluss einer Sensibilisierung eindeutig indiziert [43].

Nitrofurantoin Seit gut zehn Jahren wird das 1953 zum ersten Mal zugelassene Nitrofurantoin vor dem Hintergrund geänderter Resistenzlagen wieder vermehrt verordnet zur Behandlung unkomplizierter unterer Harnwegsinfektionen. Typische, aber seltene Nebenwirkungen sind eine akute und chronische interstitielle Pneumopathie, Lungenblutungen und eine Autoimmunhepatitis, die v. a. nach Langzeitanwendung auftreten [52] und nach promptem Absetzen von Nitrofurantoin in der Regel einen benignen Verlauf nehmen [53]. Gelegentlich wird sowohl über DRESS, als auch Erythema multiforme bzw. SJS / TEN und Agranulozytose berichtet [54 – 55]. Anaphylaktische Reaktionen scheinen Raritäten zu sein. Die diagnostischen Möglichkeiten sind auf Hautteste, v. a. auf Patchteste limitiert und in Anbetracht der geringen Fallzahlen nicht umfassend validiert. Daher sollte ein Provokationstest im Falle von unkomplizierten Hypersensitiviätsreaktionen und negativen Hauttesten erwogen werden.

Sulfonamide Das derzeit am häufigsten eingesetzte antibakterielle Sulfonamid ist die Kombination aus Trimethoprim (TMP) und Sulfamethoxazol (SMX). Es wird sowohl therapeutisch, als auch prophylaktisch zur Vermeidung opportunistischer Infektionen bei immunsupprimierten Patienten verwendet. Unter einem Sulfonamid versteht man alle © 2019 Hogrefe

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Moleküle mit einer SO2NH2-Struktur. Sie werden in Sulfanilamide und Nicht-Sulfanilamide unterteilt. Die antibakteriellen Sulfonamide sind sämtlich Sulfanilamide und enthalten zusätzlich ein aromatisches Amin in Position N4 und einen substituierten Ring in Position N1, die verantwortlich gemacht werden für die Auslösung von Hypersensitivitätsreaktionen [1, 56, 57]. Antibakterielle Sulfanilamide können bei ca. 2 – 3 % der Allgemeinbevölkerung eine Reihe unterschiedlicher Immunprozesse auslösen, u. a. die Generierung von spezifischen IgE, seltener IgG sowie verschiedene Arten von T-Zell mediierten Prozessen [57, 58]. Bei Patientengruppen mit hämatologischen Malignomen bestehen deutlich höheren Raten (12 – 40 %) (59, 60) ebenso bei Patienten mit AIDS (> 50 %) [61]. IgE-vermittelte Soforttypreaktionen sind unter TMPSMX möglich, aber selten, ebenso wie IgG-vermittelte Reaktionen, meistens unter dem Bild einer hämolytischen Anämie [62] Häufiger kommt es zu zellulär- oder Immunkomplex-mediierten Reaktionen wie v. a. makulo-papulösen Exanthemen, fixen Arzneimittelexanthemen, aber auch Serumkrankheit. Allerdings hat TMP-SMX einen überproportional hohen Anteil an schweren Arzneimittelreaktionen wie SJS / TEN sowie DRESS, v. a. im Kontext von HIV und Tuberkulose. [1, 63 – 65]. Bei Kindern unter 15 Jahren wurden antimikrobielle Sulfonamide unter den vier häufigsten Auslösern von SJS / TEN gefunden und TMP-SMX war in einer Studie von 1990 der häufigste Auslöser einer Serumkrankheit [65, 66]. Für Soforttypreaktionen sind Prickteste und Intradermalteste als diagnostisches Mittel geeignet [47]. Intradermalteste mit Ablesung nach 24 – 48 Stunden und Epikutanteste (im Fall von fixen Arzneimittelreaktionen am Ort der Manifestation) sind zur Diagnostik von Spättypreaktionen gut etabliert [62]. Ihre Sensitivität ist allerdings nicht bekannt und wahrscheinlich gering, eine hohe Spezifität positiver Testreaktionen macht diese Teste trotzdem zu einem wertvollen diagnostischen Instrument [47, 62]. Lymphozytentransformationstesten durch in dieser Technik erfahrene Labore sind ein wichtiges, sensitives zusätzliches Instrument, das auch die Testung einzelner Komponenten erlaubt, die im Hauttest nicht untersucht werden können [62]. Provokationsteste bei Patienten mit negativen Hauttesten, negativen in-vitro-Testen und milden Reaktionen in der Vorgeschichte gelten als Goldstandard. In zahlreichen Studien wurde eine Kreuzreaktion zwischen antibakteriellen Sulfanilamiden und Nicht-Sulfanilamiden ausgeschlossen, wobei bei schweren vorangegangenen Hypersensitivitätsreaktionen auf antibakterielle Sulfanilamide trotzdem zur Zurückhaltung bei der Gabe von Nicht-Sulfanilamid-Sulfonamiden geraten wurde [57, 67]. Ausserdem existieren wohl wahrscheinlich relevante Ausnahmen: • Sulfasalazin [68] • Amprenavir und Fosamprenavir [69] • Darunavir [70] Unter TMP-SMX kommt es insbesondere bei HIV-­Pa­ tienten nicht selten zu unkomplizierten makulo-­papulösen Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 13–21


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Exanthemen ohne Schleimhautbeteiligung oder extrakutanen Symptomen. In diesen Fällen kann unter engmaschiger Kontrolle einer möglichen Systembeteiligung eine Fortsetzung der Therapie («treating-through») bzw. eine schritt­ weise Toleranzinduktion nach Therapieunterbruch versucht werden, was in ca. 40 – 79 % eine Fortsetzung der Therapie erlaubt [71]. In der Mehrzahl dieser Fälle wurde kein immunmediierter Pathomechanismus gezeigt. Eine Toleranzinduktion ist auch bei HIV-negativen Patienten Erfolg versprechend [72].

Tetracycline Verschiedene Tetrazyklin-Derivate kommen topisch, z. B. im Rahmen der Aknetherapie, sowie systemisch in der ­Human- und Zahnmedizin zum Einsatz, sowohl wegen ­ihrer antibakteriellen, als auch wegen ihrer immunmodulatorischen, entzündungshemmenden Effekte. Doxycyclin, Demeclocyclin, Lymecyclin, Minocyclin, Sarecyclin, Tetracyclin und Tigecyclin sind in der Schweiz verfügbar. Typische Nebenwirkung von Doxycyclin und Tetracyclin ist eine Photosensitivität, die u. a. zur Photoonycholyse führen kann. Eine kutane oder mukokutane schiefergraue oder bräunliche Hyperpigmentierung ist unter Minocyclin nicht selten [73]. Typische Manifestationsform einer Hypersensitivität auf Tetracycline ist das fixe toxische Arzneimittelexanthem, teils multilokulär, vereinzelt im Sinne eines generalisierten bullösen fixen toxischen Arzneimittelexanthems (GBFDE) [74, 75]. Es besteht eine deutliche Kreuzreaktivität zwischen Minocyclin und Tetracyclin [76]. Immer wieder wurde Minocyclin als Auslöser eines DRESS-Syndroms, teils mit kompliziertem Verlauf identifiziert [77]. Hautteste, ebenso wie zelluläre Aktivierungsteste mit Tetracyclinen sind wenig validiert mit Ausnahme des Photopatchtests zur Diagnostik der Photosensitivität.

Vancomycin Vancomycin gehört in die Gruppe der Glykopeptid-Antibiotika und wird wegen seiner schlechten oralen Bio­ verfügbarkeit intravenös verabreicht. Bei zunehmenden MRSA und Penizillin-resistenten Pneumokokken wird Vancomycin in den letzten Jahren vermehrt als Reserve­ antibiotikum eingesetzt, wobei wegen einiger nicht seltener pharmakologischer und immunologischer Neben­ wirkungen Vorsicht geboten ist. Eine Reihe schwerer Arzneimittelreaktionen wurde ­unter Vancomycin beschrieben, darunter Anaphylaxie, makulopapulöse Exantheme, Vaskulitis, Eosinophilie, exfoliative Dermatitis, DRESS und Stevens-Johnson-Syndrom [78]. Kürzlich wurde HLA-A*32:01 als deutlicher ­Risikofaktor für ein Vancomycin-induziertes DRESS-Sydrom bei Patienten europäischer Herkunft identifiziert [79]. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 13–21

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In der Diagnostik der immunologisch vermittelten Hypersensitivitätssyndrome sind Hautteste, aber auch zelluläre Aktivierungsteste nützlich [47]. In der Differentialdiagnose zur Anaphylaxie ist besonders das Red-Men-Syndrom (RMS) zu nennen, dem plötzlichen Auftreten einer Flushreaktion am Oberkörper, ­begleitet von schmerzhaften Muskelspasmen und in der Folge Dyspnoe, Angioödemen, Urtikaria, Pruritus und Blutdruckabfall. RMS ist zurückzuführen auf einen direkten toxischen Effekt auf Mastzellen, was zu einer unspezifischen Degranulation und Mediatorfreisetzung führt unter dem Bild eines RMS, das klinisch von einer Anaphylaxie nur schwer zu unterscheiden ist. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser toxischen Symptome und der Infusionsgeschwindigkeit von Vancomycin und der Vancomycin-Dosis. Zusätzliche Risikofaktoren sind RMS in der Vorgeschichte und höheres Alter. Auch vor dem Hintergrund des gewebsirritierenden Potentials von Vancomycin mit nicht seltenen Thrombophlebitiden am Infusionsort sollte eine langsame Infusions­ geschwindigkeit gewählt werden. Das RMS tritt in der Mehrzahl der Fälle in den ersten 30 min nach bzw. noch während der Infusion auf, verzögert manifestierende Fälle wurden auch noch nach mehr als einer Stunde beobachtet. Die prophylaktische Gabe von Antihistaminika kann ein RMS wohl nicht verhindern [80]. Abgesehen von Vancomycin können auch Ciprofloxacin, Rifampicin und Teicoplanin sowie Amphothericin B ein RMS auslösen.

Zusammenfassung Insbesondere Antituberkulotika, Sulfonamide, Makrolide und Fluorochinolone sind nicht selten Auslöser von systemischen Hypersensitivitätreaktionen. Andere Nicht-Betalaktam-Antibiotika lösen in der Regel nur selten und nur ein limitiertes klinisches Spektrum von allergischen Reaktionen aus. Bei der Beurteilung im Akutfall sowie bei der Entscheidung über mögliche therapeutische Alternativen ist die Kenntnis von typischen klinischen Manifestationsformen der Hypersensitivität, potentiellen Kreuzreagibilitäten von diagnostischen Möglichkeiten sowie therapeutischen Alternativen wichtig. Eine allergologische Aufarbeitung sollte in jedem Fall angestrebt werden um das in manchen Fällen unnötige Labelling von Patienten als «allergisch» zu minimieren und für die Zukunft Klarheit über verträgliche Antibiotika herzustellen.

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PD Dr. Kathrin Scherer Hofmeier Kaderärztin Universitätsspital Basel Petergraben 4 4031 Basel kathrin.scherer@usb.ch

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18.09.18 10:14

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Exekutive Funktionen sind jene Fähigkeiten des Menschen, die das eigene Denken und Handeln steuern, aber auch die eigenen Emotionen regulieren. Bei Kindern sind die exekutiven Funktionen noch nicht voll ausgeprägt, allerdings beeinflussen sie bereits entscheidend die Lernleistungen und die sozial-emotionale Entwicklung. Viele Befunde aus den Bereichen der Psychologie, Kognitiven Neurowissenschaften und Pädagogik sprechen dafür, dass den exekutiven Funktionen eine Schlüs-

selrolle sowohl hinsichtlich des Lernund Schulerfolges als auch in Bezug auf Verhaltensauffälligkeiten und Störungen wie ADHS zukommt. Im vorliegenden Band werden erstmals die zentralen Texte aus Europa und den USA vorgelegt und in den hiesigen Bezugsrahmen eingeordnet. Zudem wird in diesem State-of-theArt-Werk dargestellt, wie der konkrete Transfer in die pädagogische und schulische Praxis vollzogen werden kann.


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Übersichtsarbeit

Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Barbara K. Ballmer-Weber Fachbereich Allergologie, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Kantonsspital St. Gallen

Zusammenfassung: Nichtsteroidale Analgetika (NSAID) können sowohl nicht immunologisch vermittelte Intoleranzreak­tionen als auch allergische Reaktionen auslösen. Die Intoleranzreaktionen sind häufiger. Klinisch lassen sich Intoleranzreaktionen nicht von allergischen Reaktionen vom Soforttyp unterscheiden. Sie äussern sich hauptsächlich mit kutanen und respirato­ rischen Symptomen. Da der Wirkmechanismus der nicht-selektiven NSAID, nämlich die Hemmung der Cylclooxygease (COX), v. a. der COX-1, auch die Ursache für die Intoleranzreaktion auf NSAID ist, ist bei vielen Patienten eine Unverträglichkeit auf verschiedene strukturell nicht verwandte COX-1-Hemmer zu befürchten (breite NSAID-Intoleranz). Bei der Allergie auf ein NSAID ist jedoch nur eine Kreuzreaktion zu strukturverwandten NSAID zu erwarten. Wichtig für den Patienten ist es, im ­Rahmen der allergologischen Abklärung für ihn gut verträgliche Ausweichanalgetika zu identifizieren. Summary: Hypersensitivity to Analgesics: intolerance or allergy? Abstract: Nonsteroidal anti-inflammatory drugs (NSAID) can induce not immunologically mediated intolerance reaction and allergic reactions. Intolerance reactions are more prevalent than allergic reactions. The clinical manifestation does not differentiate between an intolerance reaction and an immediate type allergy. They usually induce either cutaneous and / or respiratory symptoms. The pathogenesis of NSAID intolerance is based on the inhibition of the cyloclooxygenase (COX), ­particularly the COX-1, which is, however, the mechanism of action on which NSAIDs exert their intended effects. Therefore, cross-reactivity to many structurally nonrelated NSAIDs has to be expected (broad NSAID intolerance). In case of an allergy to a NSAID, however, only cross-reactivity to structurally related drugs occurs. It is very important for the patient with intolerance reactions to NSAIDs to identify well tolerated alternative analgesics.

Dem Chemiker Felix Hoffmann gelang es 1897 Acetylsalicylsäure in einer chemisch stabilen und reinen Form zu produzieren. 1899 wurde Acetylsalicylsäure unter dem Namen Aspirin patentrechtlich geschützt und durch die Firma Bayer vermarktet. Weltweit werden ca. 50'000 Tonnen Aspirin pro Jahr konsumiert. Die erste Unverträglichkeitsreaktion auf Aspirin wurde bereits 1902 publiziert. Ein Patient entwickelte ein periorbitales Angioödem und eine Urtikaria drei Stunden nach Einnahme des Medi­kamentes. Widal und Mitarbeiter beschrieben 1922 das «Aspirin-idiosyncrasy-asthma-nasal polyposis-syndrome (plus urticaria)». Max Samter wies in seiner Publikation 1967 auf das häufige Auftreten von Angioödem, Rhinitis und Asthma bei Patienten unter Aspirin-Therapie hin und erörterte, dass es sich dabei nicht um eine Allergie handle. Er beschrieb ca. 1000 Patienten mit diesem Symp­tomenkomplex. Die Erkrankung wurde in der Folge über viele Jahre als Samter-Trias, Morbus Samter oder Morbus Widal benannt [1].

© 2019 Hogrefe

Einteilung der nichtopioiden Schmerzmittel Nicht-opioide Schmerzmittel gehören zu den weltweit am häufigsten eingenommenen und auch verordneten Medikamenten. Sie haben nicht nur eine schmerz­ lindernde (analgetische) Wirkung, sondern teilweise auch einen fiebersenkenden (antipyretischen) und entzündungshemmenden (antiphlogistischen) Effekt. Sie werden eingeteilt in die Gruppe der nicht-selektiven NSAID (englisch non-steroidal anti-inflammatory drugs, nichtsteroidale Analgetika), deren Vertreter eine analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung ­haben und die aus den Untergruppen der sauren, antipyretisch antiphlogistischen Analgetika (z. B. Aspirin) sowie der selektiven COX-2-Hemmern (z. B. Etoricoxib) besteht, und in die Gruppe der nichtsauren antipyretischen Analgetika (Paracetamol, Metamizol), welche eine analgetische und antipyretische Wirkung haben. Ihnen allen gemeinsam ist die Hemmung der Cyclooxygenase. Der Einfachheit halber werden diese Substanzen in der Folge unter dem Überbegriff der NSAID zusammengefasst. Tabelle 1 gibt einen Überblick zur Einteilung der NSAID gemäss ihren chemischen Strukturen [2]. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 23–27 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001053


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B. K. Ballmer-Weber, Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Abb 1

Phospholipid

Tabelle 1. Einteilung der NSAID gemäss ihrer chemischen Struktur (angepasst nach [1]) Chemische Gruppe

Beispiele: Medikamente

Salicylsäure Derivate

Aspirin (Acetylsalicylsäure) Sulfasalazin

Para-Aminophenol

Acetaminophen / Paracetamol

Propionsäure Derivate

Ibuprofen Naproxen Ketoprofen Flurbiprofen

Arylessigsäure Derivate

Diclofenac Etodolac Ketolorac Indomethacin

Enolsäure Derivate

Pyrazolone • Metamizol Oxicame • Piroxicam • Tenoxicam • Lornoxicam

Fenaminsäure Derivate

Mefenaminsäure

Selektive COX-2 Hemmer (Coxibe)

Celecoxib Etoricoxib

Die Pathogenese der NSAID-Intoleranz Die Pathogenese der NSAID-Intoleranz ist bis heute nicht definitiv geklärt. Die nicht selektiven NSAID hemmen beide Isoformen der Cyclooxygenase (COX-1 und COX-2), wobei diese Hemmung zentral ist für die analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung dieser Medikamente. Die Arachidonsäure wird v. a. durch die Cylcooxygenase-1 zu protektiven Prostaglandinen abgebaut, während die Lipoxygenase die Arachidonsäure zu proinflammatorischen Leukotrienen metabolisiert (Abb. 1). V. a. NSAID mit starker COX-1-Hemmung können bei genetisch prädisponierten Patienten zu einem Ungleichgewicht führen zwischen Prostaglandinen und Leuktotrienen und so u. a. eine Bronchokonstriktion wie auch weitere Beschwerden induzieren [3]. Schwache COX-1 Hemmer und v. a. COX-2 Hemmer werden von Patienten mit einer NSAIDIntoleranz häufig (aber nicht immer!) gut toleriert, da letztere die COX-1 in ihrer Funktion wenig oder nicht beeinflussen. Tabelle 2 zeigt die Klassifikation der NSAID entsprechend ihrer COX-1-Hemmung [4 – 5]. Zu erwähnen ist, dass die Inoleranzreaktion dosisabhängig ist. Zum Beispiel ist Paracetamol zwar nur ein schwacher COX-1 Hemmer, kann in hohen Dosen aber trotzdem bei einem Teil der Patienten mit einer NSAID-Intoleranz zu Beschwerden führen. Da der Wirkmechanismus der nichtselektiven NSAID, nämlich die Hemmung der COX-1 auch die Ursache für die Intoleranzreaktion auf NSAID ist, ist bei vielen Patienten eine Unverträglichkeit auf die meisten COX-1-Hemmer zu befürchten (sogenannte breite NSAIDIntoleranz). Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 23–27

Phospholipase A2 Cylcooxygenase Prostaglandine

Arachidonsäure

NSAID

z.B. PgE2

5-Lipoxygenase Leukotriene

z.B. LTC4/LTD4/LTE4

Abbildung 1. Indem die NSAID die Cyclooxygenase (COX), v. a. die COX-1 hemmen, kommt es zu einem Ungleichgewicht im Arachidonsäuremetabolismus und bei prädisponierten Patienten zu einer Abb 1: Indem die NSAID diegenetisch Cyclooxygenase (COX), v.a. die COX-1 hemmen, kommt es zu einem Ungleichgewicht im Arachidonsäuremetabolismus und bei genetisch prädisponierten Intoleranzreaktion. Patienten zu einer Intoleranzreaktion.

Es gibt Patienten, die auf NSAID eine «echte» Allergie entwickeln. Diese kann sich als Soforttypallergie manifestieren und führt hauptsächlich zu kutanen (Urtikaria, Angioödme), teils aber auch respiratorischen Beschwerden bis zur Anaphylaxie. Andererseits werden auch seltener Spättypallergien (T-Zell-vermittelt) beobachtet, welche zu Arzneimittelexanthemen führen. Bei Patienten mit einer «echten» Allergie ist in der Regel nur eine einzige Substanzgruppe (auslösendes Medikament und dazu strukturverwandte Medikamente) betroffen. Um die Sache zu komplizieren, werden Patienten beobachtet, die nur auf ein NSAID reagieren (z. B. Iburprofen, Diclofenac, Aspirin, Paracetamol oder Pyrazolone [2]), bei denen jedoch eine «echte» Allergie diagnostisch nicht erfasst werden kann. Die Pathogenese ist hier nicht geklärt.

Das klinische Erscheinungsbild Der Begriff NSAID-Intoleranz oder NSAID-Hypersensitivität bezog sich ursprünglich auf die von Widal oder Samter beschriebene Symptomen-Trias. Das klinische Bild der von Samter und Widal beschriebenen Erkrankung ist relativ gut definiert. Der Beginn liegt meistens im dritten Lebensjahrzehnt und setzt mit einer chronischen Rhinitis ein, welche häufig nach einem viralen Infekt des Respirationstraktes beginnt. Häufig finden sich bereits in dieser Phase nasale Polypen. Über Monate bis Jahre entwickelt sich ein Asthma bronchiale und eine NSAIDIntoleranz. Die Einnahme von NSAID führt bei diesen Patienten nach einer bis mehreren Stunden häufig zu einer bronchialen Obstruktion, Rhinitis, konjunktivaler Injektion, sowie zu einem Flush von Gesicht und Nacken. Trotz Vermeiden der NSAID persistieren die Polyposis nasi und das Asthma bronchiale. Häufig findet sich eine BlutEosinophilie sowie eine Gewebe-Eosinophilie der nasalen und bronchialen Mukosa. Da sich NSAID-Unverträglichkeiten aber auch ausserhalb dieser von Widal und Samter beschriebenen eosinophilen Erkrankung der Atemwege finden und wie auch von beiden Autoren beschrieben neben respiratorischen Symptomen auch zu Urtikaria und Angioödemen führen können, sowie pathogenetisch nicht nur aufgrund einer Intoleranzreaktion, sondern auch aufgrund einer «echten» Allergie entstehen können, wurde in der neuen Literatur, © 2019 Hogrefe


B. K. Ballmer-Weber, Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie?

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Tabelle 2. Einteilung der NSAID gemäss ihrer Hemmung der COX-Isoformen (angepasst nach [1,5]) COX-Hemmung

COX-1-Hemmung

COX-2-Hemmung

Medikamente

Starke COX-1-Hemmung

+++

Bei hoher Dosis

Nicht-selektive NSAID (z. B. Aspirin, Ibuprofen, Mefenaminsäure)

Schwache COX-1-Hemmung

Bei hoher Dosis

(–)

Paracetamol

Stärkere COX-2 als COX-1-Hemmung

Bei hoher Dosis

+

Nimesulid, Meloxicam

Selective COX-2-Hemmung

(–)

+++

Etoricoxib. Celecoxib

u. a. durch die EAACI (European Academy of Allergy and Clinical Immunology) eine Einteilung vorgeschlagen, die auf fünf klinischen Entitäten der Unverträglichkeitsreak­ tionen auf NSAID beruht [2, 6]. Dabei werden die NSAIDIntoleranz-Reaktionen, die nicht immunologisch bedingt sind und auf einer Störung im Arachidonsäure-Metabolismus beruhen, von echten allergischen Reaktionen (Allergie vom Soforttyp und Allergie vom Spättyp) abgegrenzt. Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes kann eine ­Intoleranzreaktion von einer Allergie nicht unterschieden werden. Gemäss der neuen Einteilung werden folgende fünf ­Untergruppen unterschieden, die in Tabelle 3 zusammengefasst sind. Zu erwähnen ist, dass Intoleranzreaktionen (1 – 3) viel häufiger auftreten als echte allergische Reak­ tionen (4 – 5). 1. Patienten mit chronisch spontaner Urtikaria oder Angioödeme, die nach Einnahme von NSAID aufgrund ­einer Intoleranz eine Exazerbation ihrer Grundkrankheit erfahren. 2. Patienten ohne Grunderkrankung, die nach Einnahme von NSAID aufgrund einer Intoleranz eine Urtikaria oder ein Angioödemen entwickeln. 3. Patienten mit einem Asthma bronchiale und / oder einer Polyposis nasi (entsprechend der ursprünglichen Widal / Samter Trias), die aufgrund einer Intoleranz eine Exazerbation ihrer respiratorischen Erkrankung erfahren. 4. Patienten, die aufgrund einer IgE-vermittelten Allergie eine Allergie vom Soforttyp erfahren. 5. Patienten, die aufgrund einer T-Zell-vermittelten Allergie eine Allergie vom Spättyp erfahren. Diese kann sich als banales makulopapulöses Exanthem bis zur schweren Arzneimittelreaktion, wie z. B. toxisch epidermale Nekro­ lyse (TEN), Steven-Johnson-Syndrom, akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) oder einer «Drug reaction with eosinophila and systemic symptoms (DRESS)» manifestieren.

Abb 2

tanen Urtikaria / Angioödemen. Ebenso ist die anamnes­ tische Angabe, ob andere NSAID toleriert werden oder nicht, wichtig. Mittels Hauttestung wird in einem nächsten Schritt durch den Allergologen eine «echte» Allergie ausgeschlossen bzw. nachgewiesen (Abb. 2). In Einzelfällen können zusätzliche Labortests hilfreich sein: Der Basophilenaktivierungstest (BAT) zum Ausschluss / Nachweis der Soforttypallergie oder der Lymphozytentransformationstest (LTT) bei Verdacht auf eine Spättypallergie (siehe Beitrag Müller et al. in diesem Themenheft). Das oberste Ziel der Abklärung ist die Austestung von gut verträglichen Alternativmedikamenten, welche unter kontrollierten, titrierten, meist oralen Provokationen und meist im klinischen Setting erfolgt. Bei Patienten mit der

Die Abklärung bei Patienten mit einer Unverträglichkeitsreaktion auf NSAID

Abbildung 2. Patientin mit Urtikaria und Bronchospasmus 15 Minuten Wichtig bei der Diagnostik von Unverträglichkeitsreak­ nach Einnahme von Metamizol. Die positive Intrakutantestung war tionen auf NSAID ist die Anamnese [7]. Sie kann bereits hinweisend für das Vorliegen einer Soforttypallergie Metamizol. nach Einna Abb 2: Patientin mit Urtikaria und Bronchospasmus 15aufMinuten richtungsweisend sein. Insbesondere relevant ist die Frage Parallel dazu verlief auch ein Basophilenaktivierungstest positiv. Für Die positive Intrakutantestung warMetamizol hinweisend für das Vorliegen nach dem Vorliegen von Grunderkrankungen, wie Asthma diese Patientin sind rsp. alle Pyrazolone gesperrt, alle an- einer Sofo deren NSAID stehen ihr zur Verfügung. bronchiale, nasale Polypen oderMetamizol. einer chronisch spon­ Parallel dazu verlief auch ein Basophilenaktivierungstest positiv © 2019 Hogrefe

Patientin ist Metamizol/alle Pyrazolone gesperrt, alle anderen NSAID stehe Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 23–27


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B. K. Ballmer-Weber, Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie?

Tabelle 3. Die fünf Manifestationsformen der NSAID-Unverträglichkeit (angepasst gemäss [2,6]) Untergruppen der NSAIDUnverträglichkeit

Pathogenese

Symtptome

Zugrundeliegende Erkrankung

Kreuzreaktionen zu ­anderen NSAID zu ­erwarten?

NSAID-exacerbated respiratory disease (NERD)

Cox-1-Hemmung (Intoleranz)

Respirationstrakt Asthma, nasale Kongestion Rhinorrhoe

Asthma bronchiale Nasale Polypen

ja

NSAID-exacerbated cutaneous disease (NECD)

Cox-1-Hemmung (Intoleranz)

Hautbeschwerden Quaddeln, Angioödeme

Chronisch spontane Urticaria oder Angioödeme

ja

NSAID-induced urticaria / angioedema (NIUA)

Cox-1-Hemmung (Intoleranz)

Quaddeln, Angioödeme

keine

ja

Single NSAID induced urticaria, angioedema or anaphylaxis (SNIUAA)

Allergie vom Soforttyp möglich (IgE vermittelt)

Urtikaria, Angioödem, Bronchospasmus, Rhinitis, Conjunctivitis, Blutdruckabfall, Schock

keine

nein (nur innerhalb der gleichen chemischen Gruppe, bei verwandter Struktur)

Single NSAID induced delayed reaction (SNIDR)

Allergie vom Spättyp (T-Zell vermittelt)

Makulopapulöses Exanthem, Kontaktallergie, fixes toxisches Arzneimittelexanthem, schwere kutane Arzneimittelreaktion

keine

nein (nur innerhalb der gleichen chemischen Gruppe, bei verwandter Struktur)

Anamnese einer breiten NSAID-Intoleranz werden Provokationen mit schwachen COX-1-Hemmern und v. a. auch mit COX-2-Hemmern durchgeführt. Da auch diese Substanzgruppen zu Unverträglichkeitsreaktionen führen können, ist eine kontrollierte Provokation unerlässlich. Besteht der Verdacht auf eine Intoleranz auf ein einzelnes NSAID, wird in der Regel im klinischen Setting eine Provokation mit Aspirin in hohen Dosen durchgeführt. Wenn der Patient diese hochdosierte Provokation gut toleriert, kann eine breite NSAID-Intoleranz ausgeschlossen werden. In der Folge können alternative NSAID ausgetestet werden. Wichtig ist die Abgabe eines Allergiepasses, in dem einerseits die unverträglichen NSAID notiert werden, ­ ­andererseits aber auch die vom Patienten gut tolerierten Analgetika festgehalten werden.

niedrigdosierte Aspirin-Therapie gegeben. Hier wird durch vorsichtige Dosissteigerung im klinischen Setting unter optimaler Monitorisierung der Vitalparameter eine Dosis von 100 mg Aspirin in mehreren Schritten an­ge­ strebt. Bei Patienten mit einer Samter- oder Widal Trias, rsp einer «NSAID-exacerbated respiratory disease (NERD)» kann eine adaptive Desaktivierung bis zu 1.3 g Aspirin ­versucht werden mit dem Ziel sowohl die Asthma-Exazerbationen also auch die Rezidive der nasalen Polyposis zu durchbrechen [1]. Bei erfolgreichem Ansprechen wird die Dosis auf ca. 600 mg pro Tag gesenkt. Aufgrund der häufigen Nebenwirkungen wird diese Therapieform kontrovers beurteilt [7].

Therapeutische Ansätze

Acetylsalicylsäure kommt in der Natur nicht vor, jedoch ihre Ausgangssubstanz, die sogenannte Salicylsäure oder das Salicylat, welches ausser in alkoholischen Getränken, in Früchten, Gemüsen, Kräutern und Gewürzen zu finden sind. Eine Evidenz für eine Relevanz dieser in Lebens­ mittel enthaltenen Salicylate auf den Verlauf einer Aspirin-Unverträglichkeit rps einer «NSAID-exacerbated respiratory disease (NERD)» ist nicht gegeben. Mit einer normalen Diät werden pro Tag ca 3 – 5 mg Salicylat ein­ genommen. Diese Dosis liegt weit unter der Aspirindosis, welche zu Beschwerden führen kann und hat keine direkte Wirkung auf die COX-1 und COX-2. Die meisten Patienten mit Aspirin-Intoleranz entwickeln nach Einnahme von ca. 100 mg Aspirin Beschwerden. Umgerechnet auf die Dosis

Die NSAID-Intoleranz kann nicht ursächlich therapiert werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass mit langsamer Dosissteigerung beginnend mit kleinsten Mengen an Aspirin eine Gewöhnung an das Medikament bei einem Teil der Patienten erzielt werden kann. Dieses Vorgehen der Toleranzinduktion wird auch adaptive Desaktivierung genannt. Die Toleranz wird jedoch nur aufrechterhalten, wenn der Patient das Medikament täglich einnimmt und wird nach 2 bis 5 Tagen nach Therapiestopp durchbrochen. Die Indikation für eine adaptive Desaktivierung mit Aspirin ist v. a. bei Patienten mit breiter NSAID-Intoleranz rsp einer Aspirin-Unverträglichkeit und Indikation für eine Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 23–27

Diätische Implikationen bei Aspirin-Unverträglichkeit?

© 2019 Hogrefe


B. K. Ballmer-Weber, Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie?

an Salicylaten in Lebensmitteln würde dies einer Menge von 20 kg Kirschen oder 3 kg Rosinen entsprechen [8]. Aufgrund dieser Tatsachen ist eine Salicylatreduktion in der Nahrungs zur Therapie der Aspirin- rsp. NSAID-Unverträglichkeit weder pathogenetisch begründbar noch zu empfehlen. Diese Sachverhalte wurden in einer Stellungsnahme der deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Nahrungsmittelallergie kürzlich zusammengefasst (Artikel in press).

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5. Thong BY. Nonsteroidal anti-inflammatory drug hypersensi­ tivity in the Asia-Pacific. Asia Pac Allergy 2018; 23: e38. 6. Wöhrl S. NSAID hypersensitivity – recommendations for diagnostic work up and patient management. Allergo J Int 2018; 27: 114 – 21. 7. Kowalski ML, Agache I, Bavbek S et al. Diagnosis and management of NSAID-Exacerbated Respiratory Disease (N-ERD)-a EAACI position paper. Allergy. 2019; 74: 28 – 39. 8. Plank-Habibi S, Dölle S, Schäfer C. Diätische Implikationen: Salicylsäure und ASS-Unverträglichkeit. Allergologie 2018; 41: 261 – 272.

Literatur 1. White AA, Stevenson DD. Aspirin-Exacerbated Respiratory ­Disease. N Engl J Med 2018; 379: 1060 – 70. 2. Kowalski ML, Asero R, Bavbek S et al. Classification and practical approach to the diagnosis and management of hypersensitivity to nonsteroidal anti-inflammatory drugs. ­ ­Allergy 2013; 68: 1219 – 32. 3. Wedi B. Aktuelle Diagnostik der NSAR-Überempfindlichkeit. Allergo J 2017; 26: 204 – 11. 4. Warner TD, Mitchell JA. Cyclooxygenases: new forms, new inhibitors, and lessons from the clinic. FASEB J 2004; 18: 790 – 804.

© 2019 Hogrefe

Prof. Dr. med. Barbara K. Ballmer-Weber Fachbereich Allergologie Klinik für Dermatologie und Allergologie Kantonsspital St. Gallen Rorschacherstr. 95 9007 St. Gallen barbara.ballmer-weber@kssg.ch

Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 23–27


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Die Autorin stellt ihre jahrelangen Erfahrungen als Beraterin zahlreicher Unternehmen hier sehr praxisnah zusammen und motiviert zum Umdenken. Denn statt immer wieder zu beschreiben, dass Arbeit krank machen kann, wäre es doch sinnvoller, die Frage zu stellen, wie Arbeit zur Gesundheit beitragen kann.


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Übersichtsarbeit

Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent Caroline Roduit1, Christine Kühne2 Children's Hospital of Eastern Switzerland, St Gallen Center for Allergy Research and Education (CK-CARE), Davos

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Zusammenfassung: Unerwünschte Arzneimittelreaktionen sind häufig im Kindesalter. Jedoch ist nur ein kleiner Anteil dieser Reaktionen auf Medikamentenallergien zurückzuführen. Etwa 10 % aller Eltern berichten, dass bei ihren Kindern der Verdacht auf eine Medikamentenallergie vorliegt. Obwohl keine verlässlichen epidemiologischen Daten vorliegen, legen Studien nahe, dass nur 10 % dieser Kinder eine echte Medikamentenallergie haben. Die häufigste Medikamentenallergie bei Kindern ist die Allergie auf Antibiotika, insbesondere Betalaktam-Antibiotika. Bei Kindern besteht eine der grössten Schwierigkeiten der ­Diagnose der Medikamentenallergie darin, bei einem makulopapulösem Exanthem zwischen einer Medikamentenallergie und einem virusinduzierten Exanthem zu unterscheiden, insbesondere bei Reaktionen nach Antibiotika. Daher wird eine hohe ­Anzahl der Kinder fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet. Im Falle eines Verdachtes auf eine Medikamentenallergie, wird daher eine komplette allergologische Diagnostik empfohlen. Drug allergy in children: more often suspected than real Abstract: Adverse drug reactions are frequent in the pediatric population. However, only a small proportion of all adverse reactions are drug allergic reactions. About 10 % of the parents report a suspected drug allergy in their children. Even though, no accurate epidemiological data are available, studies suggested that as few as 10 % of those reported an allergy really are. The most common drug allergy among children is a drug hypersensitivity to antibiotics, especially to betalactam antibiotics.In ­children, one of the major difficulty in the diagnosis of drug allergies, and especially to antibiotics, is the differentiation of maculopapular eruption as an allergic reaction from a viral exanthema, which is very common among children. Therefore, a high number of children are inappropriately labeled as “drug allergic”. In case of suspicion of an allergy, it is recommended to perform a complete allergy workup.

Obwohl sie seltener vorkommen als im Erwachsenenalter, stellen unerwünschte Arzneimittelreaktionen im Kindesalter ein wichtiges medizinisches Problem und eine Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Es konnte gezeigt werden, dass insgesamt 2.9 % aller pädiatrischen Klinik­ besuche auf eine unerwünschte Arzneimittelreaktion zurück geführt werden können [1 – 3]. Der Begriff Medikamentenallergie wird dann verwendet, wenn immunologische Mechanismen involviert sind. Die klinischen Manifestationen sind verschieden, sie reichen von makulopapulösen Exanthemen oder Urtikaria bis hin zu lebensbedrohlichen Reaktionen, wie Anaphy­ laxie und schweren Hautreaktionen (z. B. Stevens-Johnson Syndrom). In Studien bei Kindern konnte beobachtet werden, dass Arzneimittelreaktionen vor allem die Haut betreffen. Genaue epidemiologische Daten über Medikamentenallergien, insbesondere bei Kindern, fehlen. Der Verdacht auf eine Allergie bei Kindern gegen zumindest ein Arzneimittel wird von etwa 10 % aller Eltern geäussert, wobei Betalaktam-Antibiotika am häufigsten als Ursache ver­ mutet werden. Jedoch können nur wenige davon nach ­einer allergologischen Diagnostik bestätigt werden [4]. © 2019 Hogrefe

Die Inzidenz der Medikamentenallergie wird bei Kindern niedriger eingeschätzt als bei Erwachsenen. Ausserdem unterscheiden sich die Auslöser bei Kindern und ­Erwachsenen. Bei Kindern sind Betalaktam-Antibiotika die am häufigsten betroffene Gruppe, gefolgt von NSAID und Nicht-Betalaktam-Antibiotika [4, 5]. Eine hohe Anzahl an Kindern werden fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet. Es konnte gezeigt werden, dass eine Überdiagnose an Penicillinaller­ gien zu einer kostenintensiven und inadäquaten Therapie führt [6]. Daher ist bei Verdacht auf Medikamentenallergie eine komplette allergologische Abklärung empfohlen.

Antibiotika Die häufigste Medikamentenallergie bei Kindern ist die unerwünschte Arzneimittelreaktion auf Antibiotika, insbesondere Betalaktam-Antibiotika [7]. Jedoch stellen Infektionen, welche im Kindesalter häufig vorkommen, die wichtigste Differentialdiagnose dar. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 29–31 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001057


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Es ist anzunehmen, dass die meisten Hautausschläge, welche während der Antibiotika-Therapie auftreten, auf die Infektion selber zurück zu führen sind. Medika­ mentenallergien konnten in weniger als 10 % aller Fälle be­stätigt werden. Eine Studie aus Genf hat 88 Kinder ­untersucht, welche mit Betalaktam-Antibiotika behandelt wurden und ein verzögertes Auftreten einer Urtikaria oder eines makulopapulösen Exanthems zeigten. Nur 6.8 % dieser Kinder zeigten einen positiven Provokationstest mit Betalaktamen [8]. Infektionen stellen auch einen Risikofaktor dar für die Entwicklung einer allergischen Reaktion auf BetalaktamAntibiotika. Bei Kindern kann durch Aminopenicilline bei gleichzeitigem Vorliegen einer Epstein-Barr-Virus Infek­ tion ein Exanthem hervorgerufen werden [9]. Auch die Reaktivierung von humanem Herpesvirus 6 (HHV-6) wurde bei einem pädiatrischen Fall als Kofaktor vermutet bei einer Spättypreaktion mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS [10]). Serumkrankheit-ähnliche Reaktionen (Serum sicknesslike disease) wurden in bis zu 0.06 % der Kinder beobachtet, welche Cefaclor erhielten. Die Reaktion zeichnet sich aus durch Ausschlag, Fieber, Arthralgien und Arthritis. Auf Grund der selteneren Anwendung von Cefaclor wird diese Reaktion nur noch selten beobachtet. Makrolide und Sulfonamide sind häufig involviert, jedoch selten als Medikamentenallergie bestätigt. Die ­ ­Prävalenz der Makrolidallergie liegt bei 0.07 bis 0.7 %.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Die am häufigsten verwendeten Medikamente im Kindesalter sind Ibuprofen und Paracetamol. Eine Medikamentenallergie gegen NSAR ist seltener bei Kindern als bei Erwachsenen, aber diese werden am zweithäufigsten als Auslöser für Medikamentenallergien vermutet. Hautsymptome sind die typische Manifestation im Kindesalter. NSAR sind eine der häufigsten Auslöser für schwere Hautreaktionen im Kindesalter wie StevenJohnson-Syndrom [11]. Eine Übersichtsarbeit über Allergie auf Paracetamol zeigte, dass bei Kindern mit einer vermuteten Paracetamol-Allergie die Prävalenz von allergischen Reaktionen auf Paracetamol (orale Provokationstest wurden durch­ geführt) 10.1 % war [12].

Perioperative Medikamente Insgesamt sind Muskelrelaxantien die zweithäufigsten Auslöser einer perioperativen Anaphylaxie nach Latex. Im Gegensatz zu Erwachsenen werden Muskelrelaxantien bei Kindern seltener inkriminiert. Die Inzidenz von Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 29–31

C. Roduit, Ch. Kühne, Die Medikamentenallergie beim Kind

perioperativen Anaphyalxien im Kindesalter liegt bei ­einem Fall in über 7000 Anästhesien [13].

Diagnostisches Vorgehen bei eine Arzneimittelallergie bei Kindern Generell können für Kinder und Erwachsene die gleichen Algorithmen verwendet werden.

Anamnese Eine komplette und präzise Anamnese ist sehr wichtig und immer der erste Teil der diagnostischen Abklärung. Der zeitliche Abstand zwischen der Verabreichung der Medikamente und des Auftretens der Reaktion ist wichtig, ebenso wie die Art der Reaktion.

Hauttest Hauttestungen beinhalten den Haut-Prick-Test, den intradermalen Test und den Patch-Test. Hauttestungen für ­Medikamentenallergien sind im Erwachsenenalter grösstenteils standardisiert. Daher sollten die Empfehlungen und Kontraindikationen der Hauttestungen für Erwach­ senen auch bei Kindern angewendet werden. Aber es ist unmöglich zu sagen, ob die aktuell empfohlenen Konzen­ trationen für die Hauttestungen auch für Kinder optimal sind. Die meisten Studien, welche Hauttestungen bei Kindern evaluieren, beziehen sich auf Antibiotika. Während die Aussagekraft dieser Testungen relativ hoch ist in Bezug auf Soforttypreaktionen, haben mehrere aktuelle Studien gezeigt, dass sie eine niedrige Sensitivität in Bezug auf Spättypreaktionen haben.

In vitro-Testungen Da es keine Daten bei Kindern gibt, sind die gleichen Regeln für in vitro-Testungen bei Kindern und Erwachsenen anzuwenden. Der Basophilen-Aktivierungstest kann bei der Diagnose von Soforttypreaktionen angewendet werden, falls das die Bestimmung des spezifischen IgE für gegen das verdächtigte Medikament negativ oder nicht erhältlich ist. Für die Diagnose von Spättypreaktionen kann der Lymphozyten-Transformations-Test angewendet werden.

Provokationstest Der Provokationstest mit Medikamenten ist der Goldstandard der Diagnose der Medikamentenallergie. Auch ein © 2019 Hogrefe


C. Roduit, Ch. Kühne, Die Medikamentenallergie beim Kind

follow-up Provokationstest bei Patienten mit bekannter Medikamentenallergie kann sinnvoll sein. Eine Studie hat kürzlich gezeigt, dass sich bei den meisten Kindern mit Betalaktam-Allergie nach drei Jahren eine Toleranz ent­ wickelt hat [14]. Ein Provokationstest mit Medikamenten sollte nie bei Patienten durchgeführt werden, bei denen schwere oder lebensbedrohliche Reaktionen aufgetreten sind.

Schlussfolgerung Da eine hohe Anzahl der Kinder fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet wird, ist bei Verdacht auf eine Medikamentenallergie eine allergologische Diagnostik empfohlen.

Literatur   1. Smyth RM, Gargon E, Kirkham J, Cresswell L, Golder S, Smyth R, et al. Adverse drug reactions in children – a systematic ­review. PLoS One. 2012; 7: e24061.   2. Impicciatore P, Choonara I, Clarkson A, Provasi D, Pandolfini C, Bonati M. Incidence of adverse drug reactions in paediatric in / out-patients: a systematic review and meta-analysis of prospective studies. Br J Clin Pharmacol. 2001; 52: 77 – 83.   3. Le J, Nguyen T, Law AV, Hodding J. Adverse drug reactions among children over a 10-year period. Pediatrics. 2006; 118: 555 – 62.   4. Rebelo Gomes E, Fonseca J, Araujo L, Demoly P. Drug allergy claims in children: from self-reporting to confirmed diagnosis. Clin Exp Allergy. 2008; 38: 191 – 8.  5. Lange L, Koningsbruggen SV, Rietschel E. Questionnairebased survey of lifetime-prevalence and character of allergic drug reactions in German children. Pediatr Allergy Immunol. 2008; 19: 634 – 8.

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Dr. med. Caroline Roduit Fachärztin für Allergologie und klinische Immunologie Ostschweizer Kinderspital Claudiusstrasse 6 9006 St. Gallen caroline.roduit@kispi.uzh.ch

Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 29–31


ADHS-Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen Das ADHS-Diagnostikum für Kinder und Jugendliche (ADHS-KJ) ist ein multimodales und multimethodales Verfahren zur Erhebung und Prüfung der relevanten Diagnosekriterien einer ADHS. Das ADHS-KJ ist mehrdimensional aufgebaut. Es ermöglicht, leitliniengetreu (gemäß der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; AWMF) die relevanten Kriterien einer ADHSDiagnose nach ICD-10 und DSM-5 zu erheben und dahingehend zu prüfen, ob der Verdacht einer ADHS zu bestätigen ist. Es setzt sich aus einem neuropsychologischen Einzeltest zur Testung verschiedener Exekutivfunktionen, einem Verhaltensbeobachtungsbogen zur hyperaktiven Symptomatik sowie aus Checklisten für die Eltern und Lehrkräfte (nach ICD-10 und DSM-5) zusammen. Test komplett bestehend aus: • Manual • 10 Arbeitshefte • 10 Verhaltensbeobachtungsbogen • je 10 Checklisten Eltern / Lehrkräfte • je 10 Protokollbogen, Profilbogen • Auswertungsschablonen • Stimulusbuch 1 und 2 • CD, Klingel und Box Best.-Nr. 03 165 01 € 343,00 / CHF 431.00

Besonderheiten: • Neuropsychologische Testbatterie zur objektiven Erfassung der ADHS-relevanten Exekutivfunktionen • Zeitökonomisches Verfahren zur ADHS-Diagnostik • Einfache Handauswertung • Die ADHS-KJ Testergebnisse geben neben der Diagnose auch Hinweise auf Therapieziele • Fallbeispiele verdeutlichen die Handhabung, Auswertung und Interpretation • Ein Profilbogen zeigt alle Ergebnisse auf einen Blick


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Übersichtsarbeit

Laborabklärung der Medikamenten­allergie: Grenzen und Möglichkeiten Nicole Müller1, Theresa Fachruddin1 und Oliver Hausmann1,2,3 ADR-AC GmbH, Bern Löwenpraxis, Luzern 3 Klinik St. Anna, Luzern 1 2

Zusammenfassung: Die Diagnose der Medikamentenallergie beruht im Wesentlichen auf einer detaillierten Anamnese unter Einbezug der erstbehandelnden Ärzte und der Hauttestung (Prick-, Intradermal- und Epikutan- / Patch-Teste). In der allergo­logischen Praxis / Klinik werden Provokationsteste mit dem vermutlichen Auslöser nur bei sehr klarer Indikation durchgeführt (siehe Beiträge in diesem Themenheft zu Medikamentenallergie beim Kind, zur Betalaktam-Antibiotika und anderen Anti­biotikaallergien sowie zur Analgetikaintoleranz). Die Provokation mit einer wahrscheinlich verträglichen Alternative steht im Vordergrund. Leider haben die Hautteste bei gewissen Medikamentengruppen auch unter optimalen Bedingungen eine niedrige Sensitivität bei allerdings sehr guter Spezifität. Dem entsprechend sind positive Hautteste zumeist relevant, negative Hautteste können eine Allergie jedoch nicht sicher ausschliessen. In den letzten Jahren hat es sich daher bewährt, in der A ­ bklärung der Medikamentenallergie auch ergänzende Laboruntersuchungen durchzuführen. Die serologischen Teste (IgE) haben sich dabei leider als wenig hilfreich erwiesen. Hingegen haben die auf der Analyse von Leukozyten beruhenden Test­ formen (Basophilen Aktivierungstest, BAT, und Lymphozytentransformationstest, LTT) an Bedeutung ­gewonnen und ­ergänzen das diagnostische Repertoire. In der Kombination aller Testmethoden (Hauttest, LTT, BAT, ev. Provokationstest) kann der Auslöser einer Medikamentenallergie in gut 70 % der Fälle definiert und zumeist auch eine sichere therapeutische Alternative gefunden werden. Im Folgenden wollen wir auf die Bedeutung der Labordiagnostik in der Medikamentenallergie eingehen. Abstract: The diagnosis of drug allergy is essentially based on a detailed anamnesis, involving the doctors who first treated the patient, and skin testing (prick, intradermal and epicutaneous / patch tests). In the allergological practice / clinic, provo­cation tests with the presumed trigger are only carried out if the indication is very clear (see articles in this issue on drug allergy children, allergies to betalactam and other antibiotics as well as analgesic intolerance). The provocation with a probably tolerable alternative is in the foreground. Unfortunately, the skin tests of certain drug groups have a low sensitivity even under optimal conditions, but very good specificity. Accordingly, positive skin tests are mostly relevant, but negative skin tests cannot rule out an allergy. In recent years, it has therefore proved successful to carry out supplementary laboratory tests in the clarification of drug allergies. The serological tests (IgE) are of little help. In contrast, the test forms based on the analysis of leukocytes (basophil activation test, BAT, and lymphocyte transformation test, LTT) have gained in importance and complement the diagnostic repertoire. In the combination of all test methods (skin test, LTT, BAT, sometimes provocation test) the trigger of a drug allergy can be defined in a good 70 % of cases and in most cases a safe therapeutic alternative can be found. In the following, we will discuss the importance of laboratory diagnostics in drug allergy.

Laboruntersuchung während der akuten Phase einer Medikamentenallergie Medikamentenallergien treten zumeist unvorhergesehen auf. Die Erscheinungsformen reichen von den klassischen makulopapulösen oder urtikariellen Exanthemen bis hin © 2019 Hogrefe

zu potentiell gefährlichen systemischen Reaktionen wie dem DRESS Syndrom (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms). Der Erstbehandler hat hier eine wichtige Rolle: Er muss einerseits erkennen, dass es sich überhaupt um eine ­Me­dikamentenallergie handeln könnte und mit welchem Schweregrad es er zu tun hat (rein kutan? Systembetei­ ligung?). Es muss der möglichen Auslöser identifiziert und Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 33–37 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001056


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N. Müller, T. Fachruddin und O. Hausmann, Grenzen und Möglichkeiten der Laborabklärung

rasch absetzt und eine Akuttherapie eingeleitet werden (symptomatisch, Absetzen weiterer nicht lebensnotwendiger Medikamente). Dabei ist eine erste klinische Einordnung der möglichen Reaktionsform in die rasch nach Therapiebeginn auftretenden IgE- / Mastzell- / Histaminvermittelten Soforttypreaktionen und die häufig erst im Therapieverlauf nach Tagen bis Wochen auftretenden T-Zell-vermittelten, entzündlichen Spättypreaktionen wichtig. Eine gute (Foto)-Dokumentation unterstützt die spätere allergologische Abklärung. Diese kann die Vermutung hinsichtlich Auslöser prüfen und sichere Alternative festlegen. Auch hier ist es wichtig, dass der Erstbehandler als Motivator am Ball bleibt, da nicht selten nach Erholung auf weitere Abklärungsschritte verzichtet und bei Notwendigkeit zur erneuten medikamentösen Therapie Unklarheit hinsichtlich Auslöser und verträglichen Alternativen besteht. Während der Akutphase einer potentiellen Medikamentenallergie kann das Labor ausserdem Hilfestellung geben, um den Reaktionstyp und dessen Schweregrad besser einschätzen zu können und die weiteren Abklärungen zu erleichtern. Dafür eignen sich: (1) Serumtryptase, welche von den Mastzellen zusammen mit Histamin in der Akutphase einer IgE-vermittelten Soforttypreaktionen ausgeschüttet wird. Weil die

Tryptase im Serum wesentlich stabiler ist als Histamin, lässt sie sich auch noch Stunden nach der Reaktion nachweisen. Die Serumprobe muss also nicht auch noch während der meist stressigen akuten Behandlungsphase abgenommen werden. Dies kann gut nach Stabilisierung des betroffenen Patienten erfolgen. Auch die Lagerung der Serumprobe ist dabei unproblematisch (stabil bei Raumtemperatur bis 2 Tage, bei 2 – 8 °C sogar bis 5 Tage). Da es sich um ein mastzellspezifisches Enzym handelt, beweist es deren Beteiligung an der Reaktion. (2) Differentialblutbild mit Bestimmung der Eosinophilenzahl und Suche nach aktivierten Lymphozyten (Lymphoblasten), um das Ausmass der Entzündungsreaktion bei Spättypreaktionen zu erfassen (3) Leber- und Nierenwerte sowie CRP, um eine über die Haut hinausgehenden Entzündungsreaktion nicht zu verpassen, welche wohl häufig unentdeckt bleibt. Gerade konfluierende makulopapulöse Exantheme sind häufig nur die gut sichtbare Spitze des Eisbergs einer entzündlichen Reaktion des gesamten Körpers im Rahmen einer schweren Medikamentenallergie. Hier müssen rasch sämtliche nicht lebensnotwendigen Medikamente abgesetzt und der Patient engmaschig überwacht, nicht selten hospitalisiert werden.

Abbildung 1. Schematische Darstellung der Basophilen Aktivierung. (A) Schritte zur Basophilen Aktivierung: 1. Vorhandensein von Medikamenten in Form eines Hapten-Carrier Komplexes und IgE gebunden an den IgE-Rezeptor der Basophilen (FcεRI). 2. Bindung des Hapten-Carrier Komplex an die IgEs führen zur Kreuzvernetzung der FcεRI und zur Aktivierung der Signalkaskade. 3. Degranulation mit Mediatoren Freisetzung und CD63/ CD203c Expression. (B) Durchflusszytometrie Analyse der Basophilen Aktivierung durch die Quantifizierung von CD63 und CD203c Expression.

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N. Müller, T. Fachruddin und O. Hausmann, Grenzen und Möglichkeiten der Laborabklärung

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gestellt». Es erfolgt also eine Provokationstestung in vitro, um eine solche in vivo zu vermeiden bzw. sicherer zu machen, indem nur Medikamente, die sowohl in Hauttestung wie auch im Labor keine Reaktion gezeigt haben, beim Provokationstest zum Finden ­einer sicheren therapeutischen Alternative zum Einsatz kommen. Sowohl in der Hauttestung wie auch im Labor können solche Alternativsubstanzen mitgetestet und Kreuzreaktivitäten schnell und einfach geprüft werden.

Basophilen Aktivierungstest (BAT)

Abbildung 2. Beispielhafter Befund bei perioperativer Anaphylaxie mit Cefuroxim, welches auch im BAT eine entsprechende Stimulation zeigt, bei dagegen fehlender Aktivierung nach Zusatz von Ceftriaxon bzw. Penicillin G.

Labortestung zur Abklärung der Medikamentenallergie Nach Erholung von der Akutphase der Reaktion empfiehlt sich in den meisten Fällen eine anschliessende allergologische Abklärung, mit dem Ziel, den Auslöser zu bestimmen bzw. ein geeignetes Alternativpräparat zu benennen. So kann dem Patienten ein Allergiepass ausgestellt werden, welcher Auslöser und sichere Alternative klar benennt. Neben der auf der Anamnese basierten Hauttestung mit den möglichen Auslösern sind in den letzten Jahren zunehmend auch in Ergänzung zum diagnostischen Prozedere Laborteste etabliert worden, die für einige Medikamente sogar sensitiver sind als die Hauttestung. Dabei haben sich der Basophilen-­Akti­vierungstest (BAT) für die Soforttypreaktion und der ­ (verbesserte) Lymphozyten Transformationstest (LTT) für die Spättypreaktion etabliert. Bei beiden Testungen wird quasi die allergische Reaktion, welche im Körper abgelaufen ist, im Labor «nach-

Die ersten Publikationen über die Analyse der Basophilenaktivierung mit Hilfe der Durchflusszytometrie lassen sich bis in zum Anfang der 1990-ger Jahre zurückverfolgen [1]. Mittlerweile hat sich diese Methode (Abb. 1) etabliert, auch wenn sie weiterhin nur in spezialisierten Laboratorien zum Einsatz kommt. Gerade in der Medikamentenallergie ist sie bedeutsam und zeigt abhängig vom zu prüfenden Medikament eine Sensitivität von 50 – 60 % und eine Spezifität um 80 % [2 – 8]. Beim BAT wird dem EDTA-Vollblut von Medikamentenallergikern der mögliche Auslöser zugesetzt und eine Aktivierung der im Blut vorhandenen Basophilen geprüft. Die Basophilen sind strukturell und funktionell so eng mit den Mastzellen verwandt, dass dabei auf eine identische Reaktion bei den Mastzellen in vivo geschlossen werden darf. Nebst dem Freisetzen von Mediatoren (Histamin, Heparin) werden bei der Aktivierung der Basophilen verschiedene Aktivierungsmarker (CD63 und CD203c) an der Oberfläche exprimiert, welche mit Hilfe der Durchflusszytometrie quantifiziert werden können. Als Positivkontrolle werden die Zellen zudem noch mit einem obligat aktivierenden ­anti-IgE Antikörper stimuliert. (Abb. 1A, 1B). Abbildung 2 zeigt den BAT-Befund bei einem Patienten mit einer perioperativen Anaphylaxie auf Cefuroxim. Der BAT hat sich zur Analyse von Medikamentenallergien auf Penicilline, Cephalosporine, Muskelrelaxantien, Protonenpumpenhemmern, Chinolonen sowie verschie-

Abbildung 3. Schematische Darstellung des Testablaufes beim (A) klassischen LTT und (B) dem Zyto-LTT, bei dem durch die kumulative Erfassung der Zytokinmenge über die gesamte Woche insbesondere nicht-proliferative T-Zell Antworten besser detektiert werden können.

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N. Müller, T. Fachruddin und O. Hausmann, Grenzen und Möglichkeiten der Laborabklärung

Abbildung 4. Beispielhafter Befund eines Patienten mit schwerer Medikamentenallergie auf Bactrim und gleichzeitig bestehender Sensibilisierung auf ein Kontrastmittel.

denen Desinfektionsmitteln (z. B. Chlorhexidin) als sehr gut geeignet erwiesen und steht hierfür auch zur Routinediagnostik zur Verfügung. Weitere Medikamentengruppen können bislang nur auf experimenteller Basis getestet werden. Die Sensitivität des Tests ist nicht nur abhängig vom getesteten Medikament und der Latenz zwischen Reaktion und Testung sondern auch von der Zeit, welche zwischen Blutentnahme und Testdurchführung verstreicht. Das ­maximale Zeitfenster beträgt dabei 24 Stunden und ist auch abhängig von der Probenlagerung (längere Haltbarkeit bei Kühlschranktemperaturen). Zudem sind 10 bis 15 % der getesteten Personen sog. «IgE-Nonresponder», deren Basophile unter Laborbedingungen nicht stimuliert werden können und daher keine Aussage zur Sensibilisierung mit dem BAT möglich ist. Um dieses Phänomen zu umgehen, gibt es inzwischen die Möglichkeit, das Serum des Patienten mit Spender-Basophilen zu inkubieren und dann den BAT durchzuführen. Dieser sog. indirekte BAT befindet sich derzeit noch in Entwicklung und steht für die Routinediagnostik noch nicht zur Verfügung.

Abbildung 6. Empfehlungen zum Einsatz von BAT und Zyto-LTT in der Diagnose von Medikamentenallergien.

der Konzentrationsreihe im Brutschrank kultiviert. Nach ­einer Woche werden die Zellkultur-Überstände auf fünf verschiedene Mediatoren hin untersucht (IL-5, IL-13, IFN‑g Granzyme B und Granulysin) und im Befund als Verhältnis zur Stimulation ohne Medikament als soge­ nannten Stimulationsindex (SI) angegeben. (Abb. 3). Abbildung 4 zeigt das Beispiel eines positiven Zyto-LTT bei einem Patienten mit einer Medikamentenallergie vom Spättyp auf Bactrim und einer Sensibilisierung auf ein Kontrastmittel (Abb 4). Durch die Messung von mehreren Zytokinen mit unterschiedlicher Funktion (Proliferation, Zytotoxizität) konnte bei unverändert guter Spezifität (> 90 %) die Sensitivität ­markant erhöht (80 – 90 %) werden. Der Zyto-LTT erlaubt ­ausserdem die Heterogenität eines klinischen Krankheits­ bildes besser zu erfassen [9 – 13]. Der Zyto-LTT hat aufgrund der o. g. Vorteile den klassischen LTT zwischenzeitlich ab­ gelöst. Ob das Zytokinmuster sogar Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit der Reaktion zulässt, wird derzeit noch evaluiert.

Zytokin-Lymphozyten Transformationstest (Zyto-LTT)

Laboreinsatz in der Medikamentenallergie

Für die Diagnose von T-Zell-vermittelten Spättypreaktionen hat sich der Lymphozyten Transformationstest (LTT) etabliert. Ehemals wurde die Proliferation mittels Radioaktivität (Einbau von 3H-markiertem Thymidin) gemessen, aktuell hingegen werden die nach Aktivierung der ­T-­Zellen freigesetzten Zytokine bestimmt. Bei diesem sog. Zyto-LTT werden aus dem Vollblut des Patienten die ­Lymphozyten und Monozyten isoliert und anschliessend mit Reinsubstanzen (Auslöser, Alternativen) in ansteigen-

Das Labor kann sowohl während der Behandlung und Evaluation in der Akutphase einer Medikamentenallergie als auch in deren nicht selten komplexen weiteren Abklärung sehr hilfreich sein. Abbildung 5 illustriert den typischen Ablauf der allergologischen Abklärung einer Medikamentenallergie vom Soforttyp (Abb 5). Nach einer detaillierten Anamnese erfolgt beim Allergologen eine Hauttestung mit den verdächtigten Medikamenten. Bleibt die Hauttestung negativ, kann bei anhal-

Abbildung 5. Einsatzmöglichkeit des BAT in der Diagnose von Soforttypreaktionen.

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N. Müller, T. Fachruddin und O. Hausmann, Grenzen und Möglichkeiten der Laborabklärung

tendem Verdacht ein BAT veranlasst werden (sofern für die Medikamentengruppe verfügbar, s. o.). Bleiben alle Abklärungen negativ, kann bei der entsprechenden Indikation unter ärztlicher Kontrolle (meist im Spital­setting oder in spezialisierten Allergiepraxen) eine meist orale Provokation erfolgen zur Sicherung oder zum Ausschluss der Diagnose. Der BAT kann bei Soforttypreaktionen ­(Urtikaria, Anaphylaxie) entsprechend die Durchführung eines Provokationstests sicherer machen und diesen ev. sogar ersetzen. Wie auch bei Hauttesten, nimmt die Sensitivität des BAT mit dem Abstand zum Ereignis ab [14 – 16]. Optimalerweise wird der BAT ab 4 Wochen bis zu einem Jahr nach dem Ereignis durchgeführt. Wie mittels Hauttestung können auch mit dem BAT gleichzeitig mehrere Medikamente getestet werden. Dies bietet den Vorteil, dass zusätzlich mögliche Therapie­ alternativen mitgetestet und Kreuzreaktivitäten analysiert werden können. Der Zyto-LTT findet Verwendung zur Abklärung von Spättypreaktionen, wie dem klassischen makulopapulösen Exanthem, aber auch selteneren Krankheitsbildern wie den bullösen Hautreaktionen (Stevens-Johnson Syndrom, toxisch epidermale Nekrolyse, TEN) oder dem DRESS ­Syndrom (drug reaction with eosinphilia und systemic symptoms). Bisher sind im Zyto-LTT über 250 unterschiedliche Medikamente verschiedenster Klassen ge­testet worden (­Antibiotika, Antieptileptika, Tuberkulostatika, D ­ iuretika, Muskelrelaxantien, NSAR, Opiate, Protonen­pumpen-­Inhibitoren, Kontrastmittel, Urikostatika). Eine Testung wird innerhalb eines Jahres nach Reaktion empfohlen, aber manche Patienten reagieren auch noch >10 Jahren nach der Reaktion im LTT deutlich positiv. Der typische Ablauf der Medikamententestung erfolgt analog zum oben genannten BAT. Der Zyto-LTT bietet dem Allergologen bei negativen Hauttesten eine Ergänzung im Abklärungsablauf und kann die Sensitivität der Abklärung bei Medikamentenallergie verbessern. Andererseits handelt es sich um einen teuren Test (ca. CHF 500), und Analysen sind nur bei begründetem Verdacht auf eine Medikamentenallergie gerecht­ fertigt und die Indikation hierzu sollte durch den Facharzt / die Fachärztin gestellt werden (Abb. 6).

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Dr. med. Oliver Hausmann Facharzt Allergologie und klin. Immunologie, FMH Facharzt Allgemeine Innere Medizin, FMH Löwenpraxis Zürichstrasse 12 6004 Luzern ADR-AC GmbH Holligenstr. 91 3008 Bern hausmann@loewenpraxis.ch www.loewenpraxis.ch www.adr-ac.ch

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Übersichtsarbeit

Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose: «facts and fictions» Peter Schmid-Grendelmeier, Benno Schnyder Allergie Station, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich, Zürich

Zusammenfassung: Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass sich Patienten mit vermuteter Histaminintoleranz im Vergleich zu Personen mit normaler Histaminverträglichkeit häufiger gegen Medikamente / Wirkstoffe sensibilisieren und häufiger spezifische allergische Reaktionen erleiden. Präklinische Daten legen aber nahe, dass bestimmte Medikamente mit dem Histamin-Stoffwechsel interagieren. Da Histamin im Körper über verschiedene Wege abgebaut werden kann, ist die klinische Relevanz dieser prä-klinischen Befunde unsicher. Klinisch validierte Listen mit Wirkstoffen, welche eine Histamin-Intoleranz induzieren oder verstärken, sind derzeit nicht verfügbar. Auch bei Mastozytose-Patienten ist gegenüber Patienten ohne Mastzellerkrankung eine Häufung von Sensibilisierungen und spezifischen Allergien auf Medikamente unwahrscheinlich. Aufgrund pathophysio­ logischer Überlegungen muss aber bei Mastozytose-Patienten mit verstärkten Soforttypreaktionen gerechnet werden. Auch ist vorstellbar, dass die Schwellen Dosis für unspezifische Soforttypreaktionen (Pseudoallergien) bei Mastzellerkrankungen ­gesenkt sein kann. Eine eigentliche Ausweitung von auslösenden Wirkstoffen ist dagegen wenig wahrscheinlich. Listen mit Wirkstoffen, welche bei Mastozytose-Patienten zu gehäuften anaphylaktischen / anaphylaktoiden Reaktionen führen sollen, sind klinisch kaum validiert. Eine kürzlich publizierte prospektive Provokationsstudie legt nahe, dass Intoleranz-Reaktionen auf nicht-steroidale Antirheumatika bei Mastozytose-Patienten gegenüber Mastzell-Gesunden kaum gehäuft sind. Drug hypersensitivity in patients with presumed histamine intolerance and mast cell activation disease Abstract: There is no evidence to suggest that sensitization against drugs occurs more frequently among patients with ­presumed histamine intolerance compared to patients with normal tolerance to histamine. However, preclinical data suggest interactions between some drugs and histamine catabolism. Nevertheless, the clinical relevance of these findings remains unclear as histamine in humans can be catabolized by different pathways. There are no drugs for which induction or worsening of histamine intolerance has been established clinically. In patients with mastocytosis an increased rate of sensitization and specific allergies to drugs is unlikely. However, pathophysiologic understanding suggests that mast cell activation disease might enhance drug reactions, which are induced by mast cell degranulation. Additionally a possible lower threshold for ­unspecific mast cell degranulation in patients with mastocytosis could lead to pseudoallergic drug reactions. However an ­increase in the number of drug substances triggering such reactions is not expected. Nevertheless, there are lists of drug ­substances which are assumed to cause anaphylactic / anaphylactoid reactions especially in patients with mastocytosis. ­Conversely, these lists are rarely based on clinical evidence. A recently published prospective trial did not find any relevant ­increase of acetyl salicylic acid hypersensitivity in patients with mastocytosis. Patients with mastocytosis and a history of drug hypersensitivity should be thoroughly assessed by an allergological workup and advised to avoid triggering and / or cross reactive drug substances. We recommend that these patients avoid drugs which may interfere with the treatment of anaphylaxis like beta blockers, certain antidepressants or Catechol-O-methyltransferase inhibitors because of the increased risk for ­enhanced hypersensitivity reactions.

Medikamente können bei entsprechend prädisponierten Patienten anaphylaktoide oder anphylaktische Reaktionen auslösen. Histaminintoleranz und Mastozytose sind Erkrankungen, bei denen solche Reaktionen gehäuft und / oder verstärkt auftreten können. Für behandelnde Fachpersonen stellt sich daher die Frage, welche Medikamente von Patienten mit Histaminintoleranz oder Mastozytose in der Regel toleriert werden und bei welchen mit schweren Reaktionen gerechnet werden muss. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 38–42 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001058

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Klassifikation verschiedener unerwünschter Medikamentenreaktionen und deren Mechanismen, über die Histaminintoleranz und verschiedene Formen von Mastzellaktivierungserkrank­ ungen. Er legt dar, welche Art und welches Risiko bezüglich verschiedener Medikamentenunverträglichkeitsreaktionen bei Histaminintoleranz und Mastzellaktivierungs-erkrankungen erwartet werden können und fasst aktuelle klinische Literatur-Daten zu dieser Fragestellung zusammen. © 2019 Hogrefe


P. Schmid-Grendelmeier, B. Schnyder, Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose

Medikamentenunverträglichkeit Infolge Behandlung auftretende unerwünschte und schädliche Medikamenten Reaktionen werden in der Nomenklatur von Rawlin und Thompson in Typ A und Typ B ­Reaktionen eingeteilt [1]. Typ A Reaktionen können theoretisch bei allen behandelten Personen auftreten und könnten theoretisch bei genauer Kenntnis des pharmakologisch-toxikologischen Profils und bei Berücksichtigung der genauen Umständen wie Grundkrankheiten und möglichen Interaktionen mit anderen Medikamenten vorhergesehen werden. Typ B Reaktionen dagegen treten nur bei speziell prädisponierten Personen auf. Sie werden oft auch als Hypersensitivitäts-Reaktionen bezeichnet (hypersensitivity reactions). Medikamenten-Hypersensitivitäts-Reaktionen können durch verschiedene Pathomechanismen hervorgerufen werden und ihre Abgrenzung zu Typ A Reaktionen ist zum Teil unscharf. Typ B Reaktionen können wie folgt unterteilt werden. Spezifische Allergien (Antikörper- oder T-Zell-vermittelt) Bei allergischen Reaktionen werden Epitope des Medikamentes von spezifischen Immunrezeptoren (AntikörperParatop oder T-Zell-Rezeptor) erkannt. Es kommt zu einer Sensibilisierung, in der spezifische T- und B Zellen reifen, sich klonal vermehren und je nach Sensibilisierungstyp auch spezifische Antikörper gebildet werden. Bei fortgesetzter Exposition oder bei einer späteren Re-Exposition treten dann dementsprechend T-Zell- oder Antikörper-vermittelte Reaktionen auf. Medikamenten-Allergien werden oft nach Gell & Coombs oder einer verfeinerten Klassifikation eingeteilt [2]. Wichtigste und häufigste Soforttyp-Allergien sind in dieser Klassifikation Typ 1 Allergien: Das Medikament (meist in haptenisierter Form) führt zu einer Vernetzung spezifischer IgE, welche an Mastzellen gebunden sind. Diese spezifische Vernetzung kann dann eine Mastzelldegranulation auslösen, welche sich klinisch als anaphylaktische Reaktion manifestieren kann. Mastzell-vermittelte Pseudoallergien Mastzellen können nicht nur durch Vernetzung spezifischer IgE aktiviert und zur Degranulation gebracht werden, sondern auch durch mehrere unspezifische Wege. Eine unspezifische Mastzelldegranulation kann zu einer anphylaktoiden Reaktion führen, welche sich klinisch gleich wie eine spezifische IgE vermittelte anaphylaktischen Reaktion manifestiert. Solche durch unspezifische Mastzelldegranulation ausgelöste Medikamenten-Reaktionen werden deshalb als Pseudoallergien bezeichnet. Im Zusammenhang mit Medikamenten wurden vor allem folgende Mechanismen unspezifischer Mastzelldegranulation untersucht: 2a) Anaphylatoxine: Anaphylatoxine sind Spaltprodukte, welche bei Aktivierung des Komplementsystems anfallen (C3a, C4a und C5a). Es sind Entzündungsmediatoren, welche (auch) eine unspezifische Mastzelldegranulation und so anaphylaktoide Reaktionen induzieren können. Bei einer Reihe von Medikamenten wird postuliert, dass sie über eine Aktivation des Komplementsystems eine Pseu© 2019 Hogrefe

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doallergie auslösen können (complement activation-related pseudoallergy; CARPA). Es sind insbesondere Medikamente in Form von Liposomen oder Mizellen, Proteine (wie therapeutische Antikörper und Enzyme), oder Kontrastmittel [3]. 2b) Mas-Related G-Protein-coupled Receptor X2 (MRGPRX2). Dieser Mastzell-Rezeptor kann durch verschiedene Medikamente stimuliert werden und so eine Mastzelldegranulation induzieren. Er wurde erst vor wenigen Jahren identifiziert. In in vitro Experimenten werden Morphin, Vancomycin und Cisatracurim als potentielle Auslöser beschrieben [3 ,4] Metabolische Varianten und metabolisch vermittelte Pseudoallergien Die Verstoffwechselung der meisten Medikamente in wirksame oder unwirksame und teils toxische Metaboliten wird durch Enzyme katalysiert. Wegen genetischen Polymorphismus sind verschiedene metabolische Varianten möglich, welche für Medikamenten-Hypersensitivitäts-Reaktionen prädisponieren können. So werden viele Wirkstoffe über Cytochrom P450 Enzyme metabolisiert. Die Kenntnis der dabei beteiligten Enzyme erlaubt eine Abschätzung ihres Interaktionspotentials. Verschiedene P450 Enzyme weisen einen Polymorphismus auf, so dass die Aktivität einzelner Enzyme bei prädisponierten Patienten von derjenigen der Durchschnittsbevölkerung abweichen kann und entweder zu einer ungenügenden oder aber gesteigerter Wirkung führen kann [5]. Bekanntes Beispiel sind Varianten der Aktivität von CYP2D6: Eine abnorm tiefe Funktion («poor metabolizers») führt einerseits zu ungenügenden Ansprechen auf Codein und anderseits zu vermehrten Typ A Reaktionen vor allem bei Antidepressiva und Neuroleptika, wogegen eine gesteigerte Funktion (ultrarapid metabolizers) mit einer Unverträglichkeit von Codein einhergeht [6]. Andere metabolische Varianten können über vermehrte Entzündungsmediatoren zu einem klinischen Bild führen, welches kaum von einer Ig-E vermittelten Allergie unterschieden werden kann. Sie werden deshalb zum Teil auch als «pseudoallergische Reaktionen» bezeichnet. Klinisch wichtigstes Beispiel dafür sind Reaktionen bei der Intoleranz nicht-steroidaler Antirheumatika (NSAR), bei der höchstwahrscheinlich wegen Varianten des Arachidonsäurestoffwechsels unter Cyclooxygenase-1 Hemmern ein Überschiessen von Leukotrienen auftritt [7]; siehe auch Artikel Ballmer-Weber in diesem Themenheft).

Histamin-Intoleranz Der Begriff Histaminintoleranz umfasst Unverträglichkeiten welche hauptsächlich auf einen verminderten Histaminabbau zurückgeführt werden. Das Krankheitsbild ist wissenschaftlich nicht abschliessend definiert und es gibt derzeit keine verlässlichen Routine-Tests für die Diagnosestellung (8). Als Mechanismus der Histaminintoleranz wird postuliert, dass bei prädisponierten Personen bezieTherapeutische Umschau (2019), 76(1), 38–42


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P. Schmid-Grendelmeier, B. Schnyder, Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose

Tabelle 1. Wahrscheinlichkeit für Häufungen verschiedener Typ B Reaktionen bei Histaminintoleranz und Mastzellerkrankungen Spezifische Allergien (Anti­körperoder T-Zell-vermittelt)

Mastzell vermittelte ­Pseudoallergien

Metabolisch vermittelte ­Hypersensitivität

Histaminintoleranz

unwahrscheinlich

wenig wahrscheinlich

möglich

Mastzellerkrankungen

unwahrscheinlich

möglich

unwahrscheinlich

hungsweise unter bestimmten Umständen vor allem der Histamin-Abbau beeinträchtigt ist, weshalb Histamin­ aufnahme über die Nahrung zu einer entsprechenden Überexposition führen kann. Diese äussert sich dann mit ­Symptomen wie Hautrötungen, Juckreiz, Kopf- und Bauchschmerzen, Durchfällen, Nasenlaufen, Atemwegsobstruktion, Hautausschlägen und Hypotonien. Enteral zugeführtes Histamin wird über verschiedene Wege abgebaut. Die beiden hauptsächlich involvierten Enzyme sind die Histamin-N-Methyltransferase und die Diaminoxidase. Mögliche Ursachen für den verminderten Abbau sind unter anderem genetische Variationen und Darmerkrankungen. Angeschuldigt werden auch Blocker der Diaminoxidase (DAO) wie Alkohl, Acetaldehyd, Nikotine und Medikamente. Da enteral eingenommenes Histamin nicht nur über DAO, sondern auch über die Histamin-N-Methyltransferase im Darm abgebaut wird, kann die klinische Relevanz dieser Befunde hinterfragt werden.

Mastozytose und «Mast cell activation syndrom» Es gibt verschiedene Mastzellerkrankungen, welche mit einer vermehrten Freisetzung von Mast-Zell-Mediatoren ­ einhergehen können. Die Mastozytose ist eine Untergruppe davon. Die Mastzellvermehrung kann durch erhöhte Proliferation in unterschiedlichen Differenzierungsgraden (verschiedene Mastozytoseformen oder Mastzell-Leukämie) bedingt sein. Beim Mastzell-Aktivierungssyndrom (Mast cell activation syndrome, MCAS) sind Mastzellen nicht vermehrt. Sie weisen jedoch genetische Veränderungen auf (wie KIT Mutationen, CD25-Positivität, Klonalität) und können funktionell hyperreaktiv sein. Die Prävalenz der systemischen Mastozytose beträgt rund 5 – 10 / 100'00, diejenige von Mastzellerkrankungen, welche mit einer vermehrten Freisetzung einhergehen, ist möglicherweise deutlich höher [9]. Klinische Symptome von Mastzell-Erkrankungen entsprechen den Folgen der vermehrten Freisetzung von Mast-Zell-Mediatoren: Anaphylaktoide Anfälle mit Pruritus, Urtikaria, Bauchschmerzen, Übelkeit, Diarrhoen, Kopfschmerzen, bei systemsicher Mastozytose auch Gelenkschmerzen, Knochenschmerzen, Abgeschlagenheit. Wichtigste potentielle Auslöser von anaphylaktoiden Reaktionen sind: • Insektenstiche • Physikalische Reize • Körperlicher oder psychischer Stress • Medikamente und Hilfsstoffe bei entsprechender Hypersensitivität Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 38–42

Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass sich Patienten mit vermuteter Histaminintoleranz im Vergleich zu Personen mit normaler Histaminverträglichkeit häufiger gegen Medikamente / Wirkstoffe sensibilisieren und häufiger spezifische allergische Reaktionen erleiden. Es ist aber vorstellbar, dass Medikamente über Hemmung des Histamin Abbaus zu symptomatischer Histamin-Hyperexposition führen können. In prä-klinischen Studien wird für verschiedene Wirkstoffe eine Hemmung der Diaminoxidase (DAO) beschreiben. Angeschuldigte Medikamente sind insbesondere Acetylcystein, Metamizol, Verapamil, Metronidazol und Metoclopramid [8]. Präklinisch wird auch über eine Inhibition der Histamin-N-Methyltransferase berichtet [10], insbesondere bei Amodiaquin, Metoprin und Tacrin (in der Schweiz nicht zugelassene Wirkstoffe), sowie für Diphenhydramine (H1-Rezeptorantagonist der ersten Generation). Die klinische Bedeutung dieser prä-klinischen Befunde ist aber angesichts der verschiedenen Abbauwege aktuell kaum abschätzbar. Valide klinische Daten fehlen bis anhin [8]. Listen mit Wirkstoffen, welche eine Histamin-Intoleranz induzieren oder verstärken, sind derzeit wenig verlässlich.

Medikamentenunverträglichkeit bei Mastozytose oder Mastzell-Hyperaktivität Kommt es zu einer Mastzell-Degranulation, können bei ­Patienten mit Mastozytose im Vergleich zu Personen ohne Mastzellerkrankung mehr Zellen reagieren. Dementsprechend können spezifisch IgE-vermittelte allergische anaphylaktische Reaktionen gegen Medikamente und poten­ tiell kreuzreaktive Wirkstoffe / Wirkstoffklassen wie auch unspezifische anaphylaktoide Reaktionen bei einer Mastozytose schwerer ausfallen. Dass sich Patienten mit Mastzellerkrankungen jedoch häufiger gegen Medikamente / Wirkstoffe sensibilisieren und eigentliche Allergien entwickeln, ist wenig wahrscheinlich. Ebenso ist kaum eine direkte Zunahme von metabolisch bedingten Hypersensitivitätsreaktionen zu erwarten. Damit übereinstimmend fand eine kürzlich publizierte randomisierte Placebo-kontrollierte Provokationsstudie bei Mastozytose Patienten eine Prä­ valenz der Acetylsalicylsäure-Intoleranz von 1:60, was gegenüber dem Erwartungswert von 1 % – 2 % bei Personen ohne Mastzellerkrankung keine oder keine relevante Häufung bedeutet [11]. © 2019 Hogrefe


P. Schmid-Grendelmeier, B. Schnyder, Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose

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Tabelle 2. Medikamentenassoziierte anaphylaktische / anaphylaktoide Reaktionen bei Mastozytose wahrscheinlich keine relevante Häufung (12,13)

Häufung möglich (12)

Präklinische Hinweise für Häufung (3,4)

Narkotika

Propofol Etomidate Ketamin

Thiopental

Muskelrelaxantien

Pancuronium Vecuronium

Atracurim Mivacurium Rocuronium

Atracurim (nicht aber Rocuronium)

Lokalanästhetika

Lokalanästhetika vom Amidtyp

Opiate

Fentanyl

Codein / Morphin

Morphin (nicht aber Remifentanl)

NSAR

NSAR (11)

Antibiotika

Betalaktame Aminoglykoside

Chinolone Vancomyin (nicht aber Teicoplanin)

Radiokontrastmittel

Meglumin Amidotrizoat Iomeprol (nicht aber Iohexol)

Varia

Liposomen Mizellen therapeutische- Proteine

Vorstellbar ist aber, dass zumindest bei einem Teil von Patienten mit Mastzellerkrankungen die Schwelle für eine Mastzelldegranulation gegenüber Personen ohne Mastzellerkrankung tiefer ist. Wirkstoffe mit unspezifischer Mastzellstimulation könnten deshalb bereits bei tieferen Dosen zu einer anaphylaktoiden Reaktion führen. Dass Wirkstoffe / Wirkstoffklassen, welche von betroffenen Patienten vor Auftreten der Mastzellerkrankung gut vertragen wurden, überhaupt nicht mehr toleriert werden, ist dagegen kaum zu erwarten. Es gibt einschlägige Empfehlungen für Patienten mit Mastzellerkrankung, in welchen von einer Vielzahl von Wirkstoffe mit unspezifischer Mastzellstimulation gewarnt wird. Häufig gehören dazu auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), da sie metabolisch vermittelte pseudoallergische Reaktionen auslösen können. Diese Reaktionen sind in der Regel aber nicht durch Mastzelldegranulation bedingt und daher bei Mastozytose kaum gehäuft (siehe oben). In prä-klinischen Studien wird für verschiedene Wirkstoffe eine über Komplementaktivation induzierte Mastzelldegranulation [6] beschrieben. Andere Wirkstoffe können in vitro über MRGPRX2 Mastzellen aktivieren. Betroffene Wirkstoffe / Wirkstoffklassen umfassen insbesondere Chinolone, Vancomyin, Muskel-Relaxantien, Opiate und Kontrastmittel [6, 7]. Valide klinische Daten zu Medikamenten-bedingten anaphylaktoiden Reaktionen bei Patienten mit Mastzellerkrankung sind aber dünn. Kürzlich publizierte Literatursuchen betreffend Hypersensitivitäts-Rektionen vom Sofort-Typ bei Mastzellerkrankungen fanden bei Mastozytose-Patienten keine eindeutige Häufung anaphylaktoider Reaktionen bei Lokalanästhetika, Radiokontrastmittel, Antibiotika (Angaben zu Betalaktamen und Aminoglycoside) und Fentanyl, dagegen eine mögliche Häufung bei Codein, Morphin, Buprenorphin und Pethidin [12, 13]. © 2019 Hogrefe

Fazit für die Praxis Es ist vorstellbar, dass Medikamente über Interaktionen mit dem Histamin-Stoffwechsel bis zu einem gewissen Grade eine Histaminintoleranz induzieren oder ver­stärken können. Klinisch validierte Daten dazu sind aber derzeit nicht verfügbar. Bei Patienten mit Mastozytose muss bei Gabe von Medikamenten vor allem mit verstärkten Soforttypreaktionen gerechnet werden und weniger mit einer Ausweitung von aus­ lösenden Wirkstoffen. Listen mit Wirkstoffen, welche bei Mastozytose-Patienten zu gehäuften anaphylaktische / anaphylaktoide Reaktionen führen sollen, sind klinisch kaum validiert. Dies trifft auch für die in diesem Artikel angeführte Tabelle 2 zu. Solche Listen können bei Mastozytose-Patienten eine weiche Entscheidungshilfe bei der Präparate-Wahl sein. Sie vermögen aber bei Patienten ohne frühere anaphylaktische / anaphylaktoide Reaktionen nicht das Vorenthalten einer benötigten Behandlung zu rechtfertigen. Insbesondere kann aufgrund der aktuellen Datenlage angenommen werden, dass anaphylaktoide Reaktionen auf nicht steroidale Antirheumatika bei Mastozytose-Patienten kaum gehäuft sind. Mastozytose-Patienten mit einer Anamnese von Medikamenten-Unverträglichkeiten / Allergien sollten involvierte und potentiell kreuzreaktive Wirkstoffe möglichst meiden. Bei solchen Patienten kann eine entsprechende allergologische Abklärung sinnvoll sein. Wegen des ­Risikos für verstärkte Reaktionen sollte eine Dauerbe­ handlung mit Medikamenten, welche die Anaphylaxie-­ Behandlung mit Adrenalin erschweren, nach Möglichkeit gemieden werden. Dies sind vor allem Betablocker (Hemmung der Adrenalin-Wirkungen), trizyklische Antidepressiva, Monoaminooxidasehemmer und / oder Inhibitoren der Catechol-O-Methyltransferase (Potenzierung der Adrenalinwirkung mit, was bei notfallmässiger Adrenalinbehandlung gefährliche Folgen haben kann). Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 38–42


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P. Schmid-Grendelmeier, B. Schnyder, Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose

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Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 38–42

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Prof. Dr. Peter Schmid-Grendelmeier Leitender Arzt Leiter der Allergiestation Dermatologische Klinik Universitätsspital Zürich Gloriastrasse 31 8091 Zürich Peter.Schmid@usz.ch

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Übersichtsarbeit

Warnsymptome Haut: kutane Manifestation der Arzneimittelallergie Ieva Saulite1, Wolfram Hötzenecker2, Antonio Cozzio1 Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, St. Gallen Kepler Universitäts-Klinikum für Dermatologie und Venerologie, Linz

1 2

Zusammenfassung: Die meisten kutanen Arzneimittelallergien verlaufen als lokalisierte oder seltener generalisierte makulöse, makulopapulöse oder urtikarielle Reaktionen ab und sind in dieser Form nicht lebensbedrohlich. Bei entsprechend starken Behandlungsindikationen kann bei diesen Dermatosen die Behandlung nach situativer dermatologischer Beurteilung u. U. auch weitergeführt werden unter entsprechender Hautpflege. In ca 2 % aller allergischer Hautreaktionen nach Medikamenteneinnahme kann es jedoch zu schweren Arzneimittelreaktionen kommen, welche sich in Form eines SJS, SJS-TEN, TEN, oder in Form eines DRESS, AGEP oder Sweet Syndroms darstellen können. Die entsprechenden Warnzeichen zu erkennen und im Anamnesekontext der Medikationswechsel v. a. in den letzten 8 Wochen zu werten ist wichtig, um potentiell lebensbedrohliche Zustände möglichst frühzeitig durch Medikamentenabsetzen und immunsuppressiver und hautgerichteter Therapie zu ­behandeln. Warning symptoms skin: cutaneous manifestation of drug allergy Abstract: Most cutaneous drug allergies are localized, more rarely, generalized macular, maculopapular or urticarial reactions occur; they are not life-threatening in this form. In case of strong treatment indications, the causative drugs may be continued under appropriate skin care and careful clinical follow-up. Up to 2% of allergic skin reactions to drugs however are severe drug reactions such as Stevens-Johnson syndrome SJS, SJS-TEN overlap, toxic epidermal necrolysis TEN, or DRESS, AGEP or Sweet Syndrome. It is important to recognize the relevant warning signs or clinical clues of these severe drug reactions in order to identify and stop causative drugs, and to start as early as possible skin-directed and appropriate systemic immunosuppressive treatment.

Die enormen Fortschritte im pathogenetischen Verständnis vieler Erkrankungen, das verbesserte Patientenüberleben und die dadurch verlängerte Behandlungsdauer sowie die (Poly-)medikation der Patienten bei zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung hat insgesamt in den letzten Jahrzehnten zu einer deutlichen Zunahme der Arznei­ mittelreaktionen geführt. Die Haut als eines der grössten Immunorgane des Menschen ist dabei das am häufigsten involvierte Organ für diese Manifestationen. Kutane Arznei­mittelreaktionen werden je nach Medikamenten in bis zu 8 % aller behandelten Patienten beobachtet (NSAID, Antiepileptika, Antibiotika), und bei hospitalisierten Pa­ tienten gehen wir von einer Inzidenz von bis zu 3 % aller Patienten aus, die eine entsprechende kutane Manifesta­ tion entwickeln. Glücklicherweise sind die meisten dieser kutanen Reaktionen gutartig und selbstlimitiert verlaufend (nach Absetzen der auslösenden Substanz), aber in bis zu 2 % der kutanen Arzneimittelallergien können potentiell lebensbedrohliche Komplikationen auftreten. In dieser ­ Kurzzusammenfassung gehen wir auf die kutanen Warn­ zeichen und Prodromi schwerer Verläufe ein, der Fokus liegt nicht auf den häufigeren, aber gutartig verlaufenden makulösen, makulopapulösen oder urtikariellen Reak­ tionen. Die schweren Arzneimittelallergien der Haut um© 2019 Hogrefe

fassen im Wesentlichen die folgenden Entitäten: StevensJohnson Syndrom (SJS), Stevens-Johnson Syndrom / Toxisch­epidermale Nekrolyse Overlap (SJS-TEN), toxisch-epidermale Nekrolyse (TEN), drug-related eosinophilia with ­systemic symptoms (DRESS), akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP), Sweet Syndrom (Abb. 1).

Stevens-Johnson Syndrom, Stevens-Johnson / Toxisch-epidermale Nekrolyse Overlap, Toxisch-epidermale Nekrolyse – Variationen desselben Themas? Zu den am meisten gefürchteten Arzneimittelreaktionen zählen die blasenbildenden allergischen Reaktionen, bei denen nach Coombs-Gell und adaptiert nach Pichler eine sogenannte Typ IVc Reaktion auftritt, bei welcher nach der aktuellen Vorstellung eine zytotoxische T-Zell Aktivierung stattfindet welche trotz sehr diskreter zellulärer Infil­ tration des Integuments zu den rasch fortschreitenden Blasenbildungen auf Haut und Schleimhaut führt. Dabei hat es sich gezeigt, dass gewisse HLA-Typen mit signi­ fikant erhöhtem Risiko verbunden sind, auf gewisse Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 43–48 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001054


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I. Saulite, W. Hötzenecker, A. Cozzio, Kutane Manifestation der Arzneimittelallergie

Tabelle 1. SCORTEN Score für die Beurteilung der Mortalitätsrate bei SJS-TEN und TEN Prognostische Faktoren

Abbildung 1. Übersicht über Hauthistologie der schweren allergischen kutanen Arzneimittelreaktionen.

­ edikamente (v. a. Antiepileptika) mit einer hohen WahrM scheinlichkeit mit einem schweren blasigen Exanthem zu reagieren. Tatsächlich haben diese Erkenntnisse v. a. bei Patienten mit asiatischer Ethnie dazu geführt, vor dem Behandlungsbeginn mit Carbamazepin eine Suche des HLAB*1502 Typs durchzuführen und bei dessen V ­ orliegen von der Behandlung abzusehen. Für andere E ­ thnien und andere Substanzen sind die Evidenzen der HLA-Risikokonstellationen noch nicht so weit f­ort­geschritten. Eine weitere Risikokonstellation für die E ­ ntwicklung schwerer medikabildender Arzneitmittelexanmentenallergischer blasen­ theme stellt die HIV-Infektion/AIDS Erkrankungen dar, bei welchen diese schweren Arzneimittelexantheme deutlich häufiger auftreten als in der HIV-negativen Bevölkerung (hier ca 1 – 2 / 1'000'000 / Jahr für die schwerste Form, die TEN). Eine Koexistenz e ­ iner neoplastischen Erkrankung scheint zumindest mit einem schwereren klinischen Verlauf und erhöhter Mortalität bei TEN assoziiert zu sein. Stevens-Johnson Syndrom (SJS), das Stevens-JohnsonTEN Overlap (SJS-TEN Overlap) und die toxisch-epidermale Nekrolyse (TEN, Synonym Lyell Syndrom) werden heute als kontinuierliches Erkrankungsspektrum mit unterschiedlichem Ausmass an Erosionen und Blasen­ ­ bildung (in % Körperoberfläche KOF) verstanden. Dabei wird zur Blasenbildung nur die Zone gerechnet, bei welcher klinisch sichtbare Blasen, Erosionszonen sowie Hautzonen mit positivem Nikolski Zeichen vorliegen (NikolskiI-Zeichen: auf scheinbar intakter Haut lässt sich durch seitlichen Druck eine Blase erzeugen oder die Haut erosiv wegschieben. Nikolski-II-Zeichen: eine Blase lässt sich seitlich durch Druck verschieben); die rein erythematösen Haustellen mit jedoch intakter Hautstabilität werden nicht zur Beurteilung des Schweregrads herangezogen. Beim SJS liegen bis 10 % der KOF Hautablösung vor, beim SJSTEN overlap 10 – 30 %, beim TEN schliesslich über 30 % KOF Befall vor. Die Mortalität hängt v. a. vom Schweregrad der Hautablösung ab und beträgt für das SJS 1 – 5 %, beim TEN jedoch bis 25 – 35 % und wird v. a. beim TEN anhand eines Scores SCORTEN abgeschätzt (s. Tab. 1, klinische, anamnestische und labormedizinische Werte zur Abschätzung des SCORTEN). Zu Beginn einer schweren Arzneimittelallergie gibt es keine Möglichkeit, den maximalen Schweregrad der Hautablösung vorauszusagen, deshalb ist u.E. bereits bei einem SJS, spätestens aber bei SJS-TEN die Beurteilung durch eine spezialisierte Klinik Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 43–48

Punkte

Alter > 40 Jahre

1

Puls > 120 / Min.

1

Karzinom (hämatologische Tumoren)

1

Erosive Fläche / Blasenfläche am Tag 1 > 10 % KOF

1

Serum Harnstoff ( < 10 mmol / l)

1

Serum Bikarbonat (< 20 mmol / l)

1

Serum Glukose (< 14 nmol / l

1

SCORTEN-Punkteskala 0 – 1

Mortalitätsrate [%] 3,2

2

12,1

3

35,8

4

58,3

>4

> 90

(dermatologische Klinik mit Anschluss an IPS / Verbrennungs-IPS) wichtig. Zu den klinischen Warnzeichen beim SJS, SJS-TEN, TEN gehören relativ unspezifische Zeichen wie eine ­Prodromalphase von wenigen Stunden bis einigen Tagen mit Symptomen eines oberen Luftweginfektes (Schluck­ beschwerden, Malaise, ev. Fieber) sowie eine sterile Konjunktivitis mit Gesichtsödem. Werden diese Aspekte begleitet von einem v. a. im Bereich der oberen Thoraxapertur auftretenden gräulichen Integument mit gemäss Patienten manchmal schmerzhafter Haut und zunehmenden Schluckbeschwerden, erosiven Stomatitiden, dann liegen viele Warnzeichen für SJS / TEN, TEN vor. Entstehende Blasen sind typischerweise schlaff, nicht prall wie z. B. bei einem bullösem Pemphigoid. Die Hautstellen reissen deshalb rasch ein und haben dann schmerzhafte Erosionen zur Folge, ebenfalls typischerweise im (periorifiziellem) Gesichtsbereich sowie im oberen dorsalen und ventralen Thoraxbereich (bei SJS, SJS-TEN), im Verlauf auch generalisiert (TEN). In der Anfangsphase der Erkrankung findet sich häufig eine (deutliche) Eosinophilie. Die Unterscheidung eines Erythema exsudativum multiforme majus von einem Stevens-Johnson Syndrom kann schwerfallen, die typischen targetoiden Läsionen helfen bei der Unterscheidung. Beim EEM finden sich zudem deutlich weniger Hinweise für einen medikamentösen Trigger der Erkrankung als bei SJS, SJS-TEN oder TEN, wobei v. a. die Anamnese der letzten 8 Wochen (Therapiewechsel, neue Medikamente) wichtig ist. Als häufigste Auslöser für die TEN / Lyell Syndrom gelten Allopurinol, Antibiotika, NSAID s­ owie Antiepileptika. Neben den häufigen medikamen­tösen Trigger sind auch Vakzinierungen und Infektionen (v. a. Mykoplasma-assoziierte pulmonale Infektionen) als Auslöser beschrieben. In diesem Kontext der medikamen­tösen Trigger der TEN sind © 2019 Hogrefe


I. Saulite, W. Hötzenecker, A. Cozzio, Kutane Manifestation der Arzneimittelallergie

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Tabelle 2. DRESS Score, adaptiert nach RegiSCAR Scoring System Kriterium

Nicht vorhanden

Vorhanden

Unbekannt

–1

0

–1

Lymphadenopathie (> 2 Körperregionen, ≥ 1 cm)

0

1

0

Eosinophilie ≥ 0.7 × 109 / l oder ≥ 10 – 19,9 %, falls Gesamtleukozyten < 4 × 109 / l

1

Eosinophilie ≥ 20 %

2

Hautbeteiligung > 50 % KOF

0

1

0

Hautbeteiligung ≥ 2 Symptome passend zu DRESS (Gesichtsödeme, entzündliche Hautinfiltration, Purpura ausserhalb Beinen, Schuppung)

–1

1

0

Histologie passend zu DRESS

–1

0

0

Organbeteiligungen (1 Organ)

1

Organbeteiligungen (≥ 2 Organe)

2

–1

0

–1

0

1

0

Fieber ≥ 38,5 °C

Abheilung ≥ 15 Tage Ausschluss anderer Ursachen: Negative Laboruntersuchungen (Virusserologie; Chlamydien, Mykoplasmen, Blutkultur, ANA) zum Ausschluss anderer Erkrankungen Score:

<2

Ausschluss DRESS

2 – 3

möglicher DRESS

4 – 5

wahrscheinlicher DRESS

>5

sicherer DRESS

Studien interessant, welche zeigen, dass Allopurinol in bis zu über 80 % der Fälle bei fehlender Indikation gegeben wird (erhöhte Harnsäurespiegel mit begleitender Klinik, rezidivierende Harnsäuresteine, Harnsäure-Nephropathie, i. R . Chemotherapie). Die asymptomatische Hyperurikämie ist keine Indikation für Allopurinol, und Extrapolationen der Entstehung der TEN durch Allopurinol zeigen an, dass in Europa bei s­ achgemässer Anwendung pro Jahr rund 100 Fälle von SJS / TEN und 30 Todesfälle vermieden werden könnten. Wahrscheinlich gelten diese Angaben noch stärker für den sachgemässen Einsatz von Antibiotika. Die akute Diagnostik muss schon bei Verdacht schnellstmöglich in einem Zentrumspital mit Dermatologie- und ­Pathologieabteilung erfolgen mittels nativer Schnellschnittdiagnostik der betroffenen Hautareale mit Kryoschnittbeurteilung. Diese erlaubt die klare Unterscheidung zum sogenannten SSSS, staphylococcal scalded skin syndrome, bei dem die Spaltbildung subkorneal in der ­Epidermis verläuft, oder kann zusätzliche Hinweise für eine ev. konkomitante autoimmunbullöse Dermatose ­geben (zB lineäre IgA Dermatose in Kombination mit TEN). Die Behandlung erfolgt ­sta­tionär mittels immunsupprimierenden (venösen / oralen) ­Medikamentengaben. Es gibt keine validen prospektiv randomisierten Studien bei dieser Erkrankung, welche den Einsatz von systemischen Kortikosteroiden, Cyclosporin, und intravenösen Immunglobulingaben (IVIG) systematisch vergleicht, sodass die Behandlung je nach Ländern unterschiedlich sein kann. In der Schweiz hat sich bei der TEN weitge© 2019 Hogrefe

hend die Behandlung mit IVIG (an drei aufeinanderfolgenden ­Tagen, total ≥ 3 g / kg Körpergewicht) unter best supportive care Bedingungen in einer Intensivpflegestation / Verbrennungs-IPS durchgesetzt. Die allergologische Austestung der verdächtigten Substanzen (nach Abheilung der Akutphase der TEN, frühestens 6 – 8 Wochen nach Akutereignis) darf nur mittels Hauttestung und / oder ex vivo erfolgen nach stattgehabter TEN, sie erfolgt in einem Allergologiezentrum (mittels Lymphozytentransformations-Test LTT, ev. ELISpot, Epikutantest). Studien haben gezeigt, dass selbst bei ­ schweren Arzneimittelreaktionen der Hauttest sicher ist und kein Rezidiv auslöst. Allerdings ist bei suggestiver Anamnese auch bei einem negativen Allergologietest­ ergebnis eine verdächtigte Substanzklasse in der Regel ­lebenslänglich zu sperren, da weiterführende Provoka­ tionstestungen nicht durchgeführt werden.

DRESS (Drug rash with eosinophilia and systemic symptoms) Für das DRESS wird eine Typ IVb der Hypersensitivitäts­ reaktion verantwortlich gemacht (s. Abb. 1), welche über eine Aktivierung der T Helfer 2 Typ Zellen zu einer ausgeprägten Vermehrung und Aktivierung der eosinophilen Granulozyten in Gewebe und Blut führt. Nach einer kurzen Prodromalphase von maximal einigen Tagen mit teils Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 43–48


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wie Gabe von systemischen Steroiden (i. v. als Steroidstoss bis zur Gabe von 1000 mg Solu-Medrol® je nach Symptomen / Patientensituation, oder p. o. mit 1 – 1.5 mg / kg KG Prednison) mit sehr langsamem Ausschleichen unter konsequenter Kontrolle der Eosinophilenzahl.

AGEP (Akute generalisierte exanthematische Pustulose) Bei der akuten generalisierten exanthematischen Pustulose steht im Rahmen der immunologischen Pathogenese eine Typ IVd Reaktion im Vordergrund, welchen via Aktib) Nikolski Phänomen positiv mit Erosionen/Blasenbildung, düsterrotes Erythem in der oberen vierung von spezifischen T Zellen und Ausschüttung von Thoraxapertur ventral und dorsal GM-CSF zu einer starken Vermehrung der neutrophilen Granulozyten im Gewebe führt. Die Histologie zeigt typib) B Nikolski Phänomen positiv mit Erosionen/Blasenbildung, düsterrotes Erythem in der oberen scherweise subkorneal, also sehr oberflächlich gelegene Thoraxapertur ventral und dorsal sterile Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten (Neutrophilen-Seen). Der Grossteil der Patienten ent­ wickelt nach der Sensibilisierung bei erneutem Kontakt mit der auslösenden Substanz Fieber und Gesichtsödeme, eine obligate Leukozytose mit markanter Neutrophilie ­sowie deutlicher CRP Erhöhung, und sehr rasch auch ein ­initial v. a. faltenbetontes deutliches Erythem mit oberflächlich gelegenen, leicht zerreissenden epidermalen Pusteln. Schleimhautbeteiligung ist selten. Im Gegensatz zum DRESS kommt es im Rahmen des AGEP nicht zu OrAbbildung 2. Warnzeichen der SJS, SJS-TEN, TEN ganbeteiligungen, aber bei ausgeprägten Pustulosen mit a) periorifizielle und enorale Erosionen, Cheilitis Hautablösungen und Fieber kann es bei kardial vor­ b) Nikolski Phänomen positiv mit Erosionen / Blasenbildung, düster­ rotes Erythem in der oberen Thoraxapertur ventral und dorsal. belasteten Patienten zu kritischen Situationen kommen. Abb 2: DRESS Die epidermalen Pusteln liegen oft eng beieinander und können konfluieren, die Haut ist an diesen (meist faltenhohem Fieber stellt sich typischerweise ein makulopapulöses Exanthem mit Generalisierungstendenz ein, sodass Tabelle 3. Diagnostische Kriterien des Sweet Syndromes (angepasst als eine typische Differentialdiagnose ein (para-)virales von B. Meier et al., Hautarzt 2016) Exanthem mit (Sub-)erythrodermie in Betracht gezogen werden soll. Gesichtsödeme zeigen sich regelmässig bei Hauptkriterien Rasches Auftreten von schmerzhaften, DRESS, aber anders als bei den oben beschriebenen bullösukkulenten, erythematösen Papeln, Abb 2: DRESS Plaques und Knoten (ev. mit zentraler sen Exanthemen kommt es nur selten zu SchleimhauteroBlasen / seltener Pustelbildung) sionen (ev. Cheilitis). Allerdings zeigen sich beim DRESS im peripheren Blutbild eine oft sehr deutliche Eosinophilie Sowie von über 1500 / ul und in der Biopsie eine variable Anzahl Histologie mit dichtem neutrophilen Infiltrat von eosinophilen Granzulozyten. Zudem finden sich im ohne Anhaltspunkte für eine leukozytoklas­ Rahmen der Organbeteiligungen am häufigsten eine tische Vaskulitis Transaminaseerhöhung im Rahmen einer sterilen HepatiNebenkriterien Fieber > 38 Grad tis (rund ¾ aller Fälle) sowie ev. pathologische NierenwerAssoziation mit te (ca in 50 %). Weitere systemische Symptome des DRESS • hämatologischen / soliden Tumoren stellen pulmonale oder Gelenksbeteiligungen, deutlich • Schwangerschaft seltener auch eine aseptische ZNS-Beteiligungen (Krampf• Infektionen • Impfungen / Medikamenteneinnahme anfälle, Koma). Insgesamt kann die Abgrenzung zu einer infektiösen (viralen) Ursache sehr schwierig werden. Der Rasches Ansprechen auf hochdosierte angefügte DRESS Score (Tab. 2, adaptiert nach RegiSCAR ­systemische Steroide Scoring System) kann bei der Beurteilung des Vorliegens Laboruntersuchungen mit folgenden eines DRESS hilfreich sein; er zeichnet sich auch dadurch Ergebnissen (3 von 4): aus, dass nicht vorliegende Kardinalzeichen mit ScoreabBSR > 20mm / h, CRP Erhöhung zug versehen sind. Die Behandlung erfolgt durch Absetzen Leukozytose > 8000 / ul der auslösenden Substanz, ev. Absetzen aller Medikamen> 70 % Neutrophilie im Differentialblutbild te unter Hospitalisationsbedingungen (wie bei TEN), soTherapeutische Umschau (2019), 76(1), 43–48

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Tabelle 4. Zusammenfassung der Warnzeichen / red flags bei Verdacht auf schwere kutane Arzneimittelallergien Klinische Warnzeichen:

Diese Zeichen aktiv suchen:

Verdacht:

Schmerzende Haut Gesichtsschwellung Enoral erosiver Verlauf Pseudogrippale Symptome

Gesichtsödem Blasen im Gesichts- / Hals- / oberen Thoraxbereich Gräuliches oder düsterrotes Integument Positive Nikolskizeichen

SJS (–10 % KOF erosiv) SJS-TEN (10 – 30 % erosiv) TEN (> 30 % erosiv)

Fieber Gesichtsschwellung

Gesichtsödem Makulopapulöses Exanthem Eosinophilie, atypische Lymphozyten Leber- / Nierenbeteiligung, ev. andere Organbeteiligung

DRESS

Fieber, faltenbetonte Rötung initial

Oberflächliche Pustelbildung, (nicht follikulär gebunden) Blande Schleimhäute Neutrophilie, CRP Erhöhung

AGEP

Fieber (Schmerzhafte) knotige Schwellungen der Haut

sukkulente Plaques und Knotenbildung Neutrophilie, CRP Erhöhung

Sweet Syndrom

nahen) Stellen nicht selten schmerzhaft. Wichtig ist die Abgrenzung zu follikulär gelegenen Pusteln, die nicht so leicht zerreissen beim Hinüberstreichen, und bei denen oft auch Haare aus den follikulären Pusteln herauswachsen. Die Unterscheidung ist wichtig, da nicht-follikuläre Pustulosen wie bei AGEP (oder auch bei Psoriasis pustulosa oder andere immunologische Erkrankungen) in der Regel nicht-infektiöser Genese sind, wohingegen die follikulär gebundenen Pustulosen bis zum Beweis des Gegenteils als infektiös betrachtet werden sollten. Entsprechend sind die typischen Differentialdiagnosen der AGEP die pustulöse generalisierte Psoriasis Typ Zumbusch und die subkorneale Pustulose Sneddon-Wilkinson. Diese Unterscheidung ist wichtig, da für die Therapie der pustulösen Psoriasis die Systemgabe von Kortikosteroiden langfristig zu einem Rebound führen können. Als Komplikation können neben der kardialen Dekompensation bei vorbelaste-

Abbildung 3. DRESS. Abb 3: AGEP

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ten Patienten auch Sekundärinfektionen die Mortalitätsrate erhöhen, welche bei ca. 5 % aller Patienten mit AGEP liegt. Therapeutisch ist neben dem Absetzen der auslösenden Substanz (v. a. Antibiotika, Antimalarika, Antimykotika, seltener NSAID) die tägliche lokale Klasse IV Steroidapplikation, desinfizierende Bäder um Umschläge in einer dermatologischen stationären Abteilung mit systemischer Steroidgabe (1 mg / kg KG über mehrere Tage bis zum Stillstand des Auftretens neuer Pusteln) zielführend, mit langsamem Ausschleichen sowie Ulkus- / Osteoporoseprophylaxe, ev. Trimethoprim / Sulfomethoxazolgabe (Pneumocystis carinii Prophylaxe).

Sweet Syndrom Das Krankheitsbild ist geprägt durch das rasche Auftreten sukkulenter, druckschmerzhafter Knoten mit ausgeprägter fiebriger Malaise und deutlicher Neutrophilie (s. Tab. 3 sowie klinisches Bild). Ätiologisch sind neben dem klassischen, idiopathischen Typ am häufigsten der infektionsassoziierte, viel seltener der paraneoplastische sowie der medikamentenassoziierte und schwangerschaftsinduzierte Typ des Sweet Syndroms beschrieben worden. Pathogenetisch wird die Krankheit heute zu den sogenannten neutrophilen Dermatosen gerechnet. Entsprechend konnten neben dem regelmässig erhöhten GM-CSF auch IL1alpha Expressionserhöhungen festgestellt werden. Die Krankheit bevorzugt das weibliche Geschlecht (ca. 4:1) und tritt vor allem im mittleren Lebensalter zwischen 30 bis 60 Jahren auf. Zur Diagnose sollen obligat die beiden Hauptkriterien sowie 2 von 4 Nebenkriterien erfüllt sein (Tab. 3). Differentialdiagnostisch müssen neben dem Erythema exsudativum multiforme auch Arzneimittelexantheme, ein Wells-Syndrom, eine akute Urtikaria, eine Urtikariavaskulitis, sowie ev. eine Lupuserkrankung, bei bullösen Verläufen auch ein bullöses Pemphigoid, und bei pustulösen Verläufen ein Pyoderma gangränosum (evtl. multipel auftretend) evaluiert werden, sodass eine fachärztlich dermatologische Beurteilung wichtig ist. Therapeutische Umschau (2019), 76(1), 43–48


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Abb 3: AGEP

Abbildung 3. AGEP.

Die Abklärungen richten sich nach den Typen des Sweet Syndroms, und umfassen im Wesentlichen die klinische, hämatologische und bildgebende Tumorsuche, Infektionsabklärungen, sowie die genaue Anamnese / ev. Labortest bezüglich Schwangerschaft und Medikamenteneinnahme. Bezüglich Medikamente wurden v. a. Assoziationen mit Einnahme von GM-CSF, Azathioprin, Trimethoprim-Sulfomethoxazol, HIV HAART Medikamenten beschrieben. Daneben ist eine Vielzahl von Berichten mit anderen Medikamenten erwähnt. Die Therapie ist einerseits je nach Ätiologie spezifisch (antiinfektiös, antitumoral, Stoppen der Medikamenteneinnahme), andererseits kann die akute febrile neutroAbb 4: Sweet Syndrom

phile Dermatose regelhaft mit 1 – 1.5 mg / kg KG Prednison p. o. oder i. v. innert weniger Tagen unterbrochen werden. Die Reduktion der Dosis soll darauf hin – ähnlich wie bei den bullösen autoimmunologischen Erkrankungen – nach Sistieren des Neuauftretens von Läsionen über mehrere Wochen langsam reduziert werden. Alternativ und beim Rezidiv können Colchizin und Dapson, sowie supportiv Indometacin, zum Einsatz kommen. Daneben sind – analog zum Pyoderma gangränosum, das pathogenetisch ebenfalls den neutrophilen Dermatosen zugeordnet wird – der Einsatz von Cyclosporin A, TNFalpha Blockern (Etanercept, Adalimumab, Infliximab), sowie der Interleukin-1 Rezeptor Antagonist Anakinra beschrieben worden. Ev. auslösende Agentien, Medikamente, müssen natürlich sofort gestoppt werden. Eine allergologische Testung, ebenfalls ex vivo, soll frühestens 6 Wochen nach dem Akutereignis erfolgen.

Literatur Literatur bei den Verfassern

Prof. Dr. Dr. Antonio Cozzio Chefarzt / Klinikleitung Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Kantonsspital St. Gallen Rorschacher Strasse 95 9000 St. Gallen antonio.cozzio@kssg.ch Abbildung 4. Sweet Syndrom.

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