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Berliner Nachtisch auf Sterneniveau

Nachtisch auf Sterne- niveau

Auberginen sind die Basis für dieses Dessert. Serviert wird es mit einem Pairing Drink, der Sherry enthält. (Mehr Infos zu dieser Kreation auf Seite 30.)

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Im Restaurant Coda in Berlin Neukölln werden ausschliesslich Desserts serviert. Dies in Form von mehrgängigen, international inspirierten Dessert-Dinners.

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Riccarda Frei

BILDER

Coda Dessert Dining/Chris Abatzis

Für Dessertliebhaber ist das Restaurant Coda Dessert Dining in Berlin Neukölln der Himmel auf Erden. Wo sonst können sie ein siebengängiges Menü geniessen, das aus Desserts besteht? Und dies auf Spitzengastronomie-Niveau?

Doch nicht nur für Gäste werden im «Coda» Träume wahr. Mit dessen Eröffnung hat sich der Koch und Pâtissier René Frank vor vier Jahren seinen Traum verwirklicht. Den Traum der Selbständigkeit. Den Traum, mit ungewöhnlichen Desserts Emotionen zu wecken und Geschichten zu erzählen. Den Traum, Nachspeisen und Drinks harmonisch zu verbinden.

Die Idee, eine Dessertbar zu eröffnen, trug René Frank, der in der internationalen Spitzengastronomie tätig war, schon länger mit sich. Seine Dessertbar-Idee sei eine Schnapsidee, wurde ihm oft gesagt. Doch mit Oliver Bischoff traf René Frank einen Gleichgesinnten, der ebenfalls Lust hatte, ein unkonventionelles Dessert-Konzept umzusetzen. «Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen», erinnert sich René Frank an die erste Begegnung mit Oliver Bischoff zurück. Aus dem Zufall wurde eine Geschäftspartnerschaft. Aus der Schnappsidee ein einzigartiger Betrieb.

Teilen ist nicht (mehr) erlaubt

Ursprünglich eröffneten die beiden das «Coda» als Bar. Gäste sollten hier den Abend bei einem aussergewöhnlichen Dessert auf Niveau der Spitzengastronomie und einem dazu passenden Drink ausklingen lassen, oder sich so auf eine Berliner Partynacht einstimmen. Doch die Gäste machten den beiden Gastronomen einen Strich durch dieses Konzept.

«Wir hatten das Problem, dass die Leute zwar Desserts bestellten, es dann aber mit mehreren teilten.» Um finanziell rentabel arbeiten zu können, mussten Frank und Bischoff Regeln für das Konsumverhalten ihrer Gäste aufstellen. Zum Beispiel war es nicht mehr erlaubt, ein Dessert zu teilen. Diese Vorgaben wiederum passten nicht zum lockeren, ungezwungenen Feeling einer Bar. «Uns war klar: Wir müssen vermehrt als Restaurant wahrgenommen werden.»

René Frank und sein Kompagnon stellten ihr Betriebskonzept um. Sie passten die Kommunikation und das Marketing an, ersetzten Papierservietten durch Stoff und kreierten mehrgängige Dessert-Dinner-Optionen. Die erste ist ein siebengängiges Abendessen. Es besteht ausschliesslich aus Desserts und der jeweils dazu passenden Getränke-Kreation. Der Siebengänger kostet rund 150 Euro und wird jeweils bis 22 Uhr serviert. Das zweite Seating des Abends beginnt um 22.30 Uhr. Die späten Gäste kommen in den Genuss eines viergängigen Dessertmenüs. Natürlich ebenfalls begleitet von passenden Getränken. Das kleinere Dessertmenü ist für rund 100 Euro zu haben.

Desserts müssen nicht süss sein

Sich an einem Dessertbuffet eine bunte Auswahl zusammenzustellen ist das eine. Aber ein ganzes Abendessen zu verzehren, das ausschliesslich aus Nachspeisen besteht, ist etwas ganz anderes. Zumal viele Menschen beim Wort Dessert an süss, kalorienreich und ungesund denken.

«Dieses Klischée erledigt sich bei unseren Gästen von selbst, sobald sie das erste Dessert probiert haben», weiss René Frank aus Erfahrung. Mit seinen Kreationen beweist der in Deutschland mehrfach als Pâtissier des Jahres Ausgezeichnete, dass Desserts nicht zwingend süsse Kalorienbomben sein müssen. Er verzichtet beispielsweise konsequent auf den Einsatz von Industriezucker. Statt dessen nutzt er die natürliche Süsse der verwendeten Zutaten und kombiniert geschickt Gemüse und Früchte mit Getreide, Algen, Fisch oder sogar Fleisch. Dabei lässt er sich von Süssspeisen aus aller Welt inspirieren. Wie etwa von Champorado, einem Reisporridge mit Schokolade und gesalzenem und getrocknetem Fisch, der auf den Philippinen zum Frühstück gegessen wird.

Das Menü wechselt alle vier Wochen

Jeden Monat stellt René Frank einen neuen Dessert-Siebengänger zusammen. Vor dem Corona-Shutdown bestand der erste Gang aus Gelber Tomate, Kichererbsen und Verna Zitrone. In weiteren Gängen gab es ein Zusammenspiel von Wassermelone, Nori Alge und Taggiasca Olive sowie von Waffel, Raclette, Joghurt, Mais und Salzgurke. Den Abschluss des Siebengängers bildete ein Dessert aus Nacional Kakao, Zwetschge und Weideschwein. Als Pairing Drink wird im Fall des letztgenannten Desserts eine Kreation aus →

René Frank Er gehört zu den renommiertesten Pâtissiers der Welt. Ursprünglich lernte René Frank Koch. 2005 gewann er die Goldmedaille an der Worldskills-Berufsmeisterschaft in Helsinki. Doch schon bald entdeckte er seine Liebe und sein Talent für Desserts und machte eine Zusatzausbildung zum Pâtissier. Er arbeitete in Spitzenrestaurants in Deutschland, Spanien, Frankreich, Japan und der Schweiz.

Bei der Einrichtung setzt das «Coda» auf elegante Zurückhaltung und Purismus. Vor Corona hatte das Restaurant 35 Sitzplätze. Heute sind es zehn weniger.

Das «Coda» war zuerst als DessertBar geplant. Das spürt der Gast bei jedem Besuch, denn zu jedem Dessert wird ein dazu passender Drink kreiert.

AUBERGINEN-PEKANNUSS- APFELBALSAMICOLAKRITZSALZ

Dieses Dessert ist im «Coda» ein Publikumsliebling. René Frank verrät das genaue Rezept zwar nicht, beschreibt aber das Dessert und die Idee dahinter. «Wenn wir ein Dessert mit Gemüse kreieren, sehen und behandeln wir das Gemüse als Frucht. Auberginen im Dessert zu verarbeiten, ist im deutschsprachigen Raum relativ fremd, im Mittelmeer raum allerdings ganz normal.»

Leicht knusprige Auberginen Die Auberginen gart René Frank bei niedriger Temperatur in einem Sud aus Weisswein, Muscovado, Zitronenschale, Kardamom und Koriander bis sie sich mit dem Sud vollgesaugt haben. Begleitet wird die Aubergine von einer pfl anzen basierten Eiscreme aus gerösteten und karamellisierten Pekannüssen. Ein Gelée aus Apfel essig und Meersalz mit persischem Lakritz sorgt für die nötige Komplexität. Für leichte Knusprigkeit werden die Auberginenscheiben mit Honig bepinselt und dehydriert.

Alle Geschmacksrichtungen sind enthalten «Während des Servierens giessen wir einen cremigen Apfelbalsamico dazu. Das Spannende an diesem Dessert ist die Vollmundigkeit vom ersten bis zum letzten Bissen», erklärt der Pâtissier. Trotz der geringen Anzahl der Komponenten werden alle fünf Geschmacksrichtungen geboten: süss, sauer, salzig, bitter und umami. Die Süsse stammt grösstenteils vom Muscovado-Zucker. Sauer kommt vom Apfelsessig, bitter von der dunkel gerösteten Pekannuss und umami von der Lakritze.

Der Pairing Drink zu diesem Dessert besteht aus Sherry Oloroso, einem trockenen Sherry aus dem Hause Cesar Florido aus Chipiona, Spanien, infusioniert mit Oolong Tee Rougui aus Ming jian in Nantou, Taiwan. Der Drink greift die jeweiligen Aromen des Desserts auf und unterstreicht diese perfekt.

Gut zu wissen:

René Frank verzichtet bei seinen Kreationen auf raffinierten Zucker. Auch bei seinem Schokoladenmousse. Als Zuckeralternative nimmt René Frank Apfelsaft. Diesen kocht er wie einen Sirup ein und gibt ihn beim Aufschlagen mit ins Eiweiss. Dieses wird schön schaumig, weil die Säure des Apfels das Eiweiss zusätzlich bindet. Dem geschlagenen Eiweiss gibt er hundertprozentige Kakaomasse und etwas Sojamilch bei. Die Kakaomasse stellt der Pâtissier aus selbstgerösteten Bohnen her.

Lambrusco Grasparossa, Macvin du Jura und dem Single Malt Whisky Ceobanach kredenzt.

Die Verantwortung als Koch

«Wir sehen das Dessert als Speise, die Spass machen soll. Optisch, von der Textur her, aber auch wegen der Geschichte die darin steckt und den Emotionen, die geweckt werden», fasst der Pâtissier die Philosophie des «Coda» kurz zusammen.

René Frank sind jedoch nicht nur das Endprodukt und der Erlebniswert wichtig. «Als Koch habe ich eine Verantwortung dafür, wie meine Zutaten produziert worden sind. Qualität, aber auch Nachhaltigkeit und Ethik müssen stimmen.» Deshalb wird es im «Coda» gewisse Desserts nie geben. Wie etwa eine Gänsestopfleber-Crème brûlée oder ein karamellisiertes Wagyu-Rind.

Mit seinem Gewissen unvertretbar ist auch eine Kreation, an der er seit vier Jahren tüfftelt. «Ich würde gerne eine Kaviar-Praline machen. Der für meine Zwecke beste Kaviar stammt aus China. Leider ist seine Produktion nicht nachhaltig», bedauert der Pâtissier. Da er weder in Sachen Qualität noch bei der Nachhaltigkeit Kompromisse eingehen will, verzichtet René Frank auf die Herstellung seiner Kaviar-Praline.

Wie konsequent das ehemalige Mitglied der deutschen Kochnationalmannschaft ist, zeigt sich daran, was er alles in eigener Regie herstellt. Die Gelatine kocht er aus den Füssen von Bio-Schweinen. Und die Schokoladebohnen für die Schoggi, die ins Mousse au Chocolat kommt, röstet René Frank auch selber. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Er kann das Aroma der Schokolade seinem Wunsch entsprechend steuern und stellt sicher, dass die Schoggi keinen weissen Zucker enthält.

Diese Konsequenz, gepaart mit grosser Kreativität, handwerklichem Können und einem mutigen Betriebskonzept blieb nicht unbemerkt. Der Guide Michelin hat 2019 dem Restaurant Coda Dessert Dining einen Stern verliehen. Bereits ein Jahr später ist das «Coda» mit einem zweiten MichelinStern ausgezeichnet worden. •

KONTAKT

Coda Dessert Dining Friedelstrasse 47 12047 Berlin Tel. 0049 309 14963 96 www.coda-berlin.com

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