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Kaffee gekonnt in Szene gesetzt
Kaffee gekonnt in Szene setzen
INTERVIEW Gabriel Tinguely BILDER Steven Kohl, zVg, Adobe Stock
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Die Schweizer lieben Kaffee. Knapp drei Tassen trinken sie pro Tag. Die Kaffeespezialisten Julian Graf und Roger Bähler sprechen über die Veränderungen im Kaffeemarkt, was ein gutes Kaffeekonzept ausmacht und wie man sich das nötige Fachwissen aneignet.
Mit der Verlagerung der Kaffeepause vom Café oder Restaurant ins Homeoffice haben viele Schweizerinnen und Schweizer ihre Küchen aufgerüstet. So ist der Verkauf von Espressokannen, Kapselmaschinen und Siebträgern sowie Kaffeevollautomaten gemäss dem grössten Onlinehändler der Schweiz gestiegen. Daraus schliessen Julian Graf, Geschäftsführer von Cafetier Suisse, und Roger Bähler, CEO Turm Kaffee St. Gallen, dass Schweizer hochwertigen Kaffee trinken und sich mit dessen Zubereitung auseinandersetzen wollen. Julian Graf, wie sieht die Kaffeezukunft der Gastronomie aus?
Julian Graf: Kundinnen und Kunden werden im Restaurant die gleiche Topqualität erwarten, an die sie sich zu Hause gewöhnt haben. Die Gastronomie muss diesen gesteigerten Erwartungen gerecht werden. Diese Entwicklung ist nicht neu. Es gibt sie seit Jahren. Nun wird sie – wie so vieles – von der Corona-Pandemie beschleunigt.
Nach einem Rückgang im Jahr 2019 ist der Kaffeepreis im 2020 um drei Rappen gestiegen. Wird die Corona-Pandemie zum Preistreiber?
Julian Graf: Das ist schwer vorherzusagen und hängt von der weiteren Entwicklung in diesem Jahr ab. In Krisenzeiten ist man mit Preiserhöhungen zurückhaltend. Die Gastronomie ist von der Corona-Pandemie jedoch existentiell betroffen und muss auf diese neuen Rahmenbedingungen reagieren. Um den Umsatzrückgang aufzufangen sowie die Überlebensfähigkeit von Betrieben zu sichern, könnten deshalb auch Preiserhöhungen nötig werden.
Eine Kapsel Master Origin von Nespresso kostet 59 Rappen. Ein Kaffee Crème im Durchschnitt 4.25 Franken. Wann ist die Kundin, der Kunde, bereit, diese Preisdifferenz zu bezahlen?
Julian Graf: Diese Beispiele lassen sich kaum vergleichen und bedienen unterschiedliche Bedürfnisse. Nespresso hat sicher einen Qualitätsstandard gesetzt, hinter den kein Kaffeeangebot in der Gastronomie zurückfallen darf. Roger Bähler: Der Kunde ist bereit 4.25 Franken zu bezahlen, wenn er dabei bewusst weitere Dienstleistungen erhält. Die 59 Rappen stellen lediglich die Warenkosten dar.
«Hohe Kaffeekompetenz und Kaffeequalität sind entscheidend für einen hohen Kaffeeumsatz.»
Julian Graf, seit zehn Jahren Geschäftsführer von Cafetier Suisse
Julian Graf: Neben der Kaffee-Qualität entscheiden das begleitende Angebot, das Ambiente sowie das Zwischenmenschliche über die Zahlungsbereitschaft der Gäste.
Roger Bähler, wie definieren Sie als Ausbildner im Kaffee-Sommelier-Lehrgang guten Kaffee?
Roger Bähler: Qualitativ hochwertige und konsequent eingehaltene Beschaffungskriterien bilden die Basis. Dazu kommt ein geschultes Auge bei einer schonenden Veredlung. Nicht zuletzt verleihen fachliches Können bei der Zubereitung sowie Transparenz und Ehrlich-
keit im Umgang mit dem braunen Gold den letzten Schliff.
Julian Graf, wie sieht ein gutes Kaffeekonzept aus?
Julian Graf: Es gibt nicht ein gutes Konzept, sondern zahlreiche, sehr individuelle Wege zum Erfolg. Hohe Kaffeequalität und -kompetenz sind entscheidende Grundlagen für hohe Umsätze und entsprechende Kaffeepreise. Im Umgang mit Kaffee gibt es Standards, die jedes gute Kaffeekonzept einhalten sollte. Bei dessen Entwicklung ist es entscheidend, sich mit der Vision, der Positionierung im Markt und der Zielgruppe auseinanderzusetzen.
Roger Bähler, was beinhaltet für Sie ein gutes Konzept?
Roger Bähler: Eine ehrliche und versierte Kaffee-DNA muss von
Um guten Kaffee zuzubereiten, braucht es viel Wissen.
Herzen die anvisierten Gäste erreichen, so dass die Kernbotschaft daraus eine ansteckende und begeisternde Wirkung zeigt. Ein gutes Kaffeekonzept muss perfekt eingerichtet und gut überlegt sein. In welche Details sollte man viel Zeit investieren?
Julian Graf: Unromantisch, aber die betriebswirtschaftlichen Grundlagen müssen →
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EIN TAG IM ZEICHEN DES KAFFEES
Am 1. Oktober findet zum fünften Mal die Kaffeetagung statt. Organisiert wird diese von Cafetier Suisse, dem Branchenverband für Cafés und die individuelle Gastronomie. Die Tagung bietet der Schweizer Gastronomie und der Kaffeebranche eine Plattform, um über aktuelle Trends und Entwicklungen in der KaffeeSzene zu diskutieren. Begleitet wird die Kaffeetagung von einer Ausstellung namhafter Schweizer Kaffeemaschinenhersteller und Kaffeeröster, die ihre Produkte und Angebote präsentieren. Dieses Jahr wird die Tagung zum ersten Mal im Kosmos, im Herzen der Stadt Zürich, ausgetragen. Interessierte können sich ab sofort anmelden. www.cafetier.ch/kaffeetagung
Vom Besten
Kaffeekultur verbindet Handwerk mit der Erfüllung von Kundenwünschen und überraschenden Momenten.
stimmen. Sich bei der Konzeptentwicklung intensiv und ehrlich damit zu befassen, ob und wie die notwendigen Umsätze erzielt werden können, ist eine entscheidende Voraussetzung für Erfolg.
Was muss in den Preis einer Tasse Kaffee eingerechnet werden?
Julian Graf: Die Kaffeebohnen machen – auch bei sehr hoher Qualität – nur einen kleinen Teil der Kalkulation einer Tasse Kaffee aus. Neben Maschinen und Geschirr sind es in der Schweiz insbesondere Mieten und Löhne, die den Preis einer Tasse Kaffee massgeblich bestimmen.
Welche Nation ist führend in Bezug auf Kaffeekonzepte?
Julian Graf: Es werden immer wieder Länder wie Australien, Regionen wie Kalifornien oder natürlich die grossen Metropoten Tasse und zur Not auch aus einem Becher.
«Die Qualität des anderen ist nicht unbedingt die meine – die Herausforderung liegt darin, dieselbe Sprache zu sprechen.»
Roger Bähler, CEO Turm Kaffee, St. Gallen, Studienleiter für die Schweizer Röstergilde im Kaffee-Sommelier-Lehrgang len der Welt genannt, wenn es um interessante Kaffeemärkte geht. Die sogenannte «Third wave of coffee», also moderne Zubereitung und Präsentation, hat dort den Ursprung und deshalb schon lange eine höhere Verbreitung.
Was machen die anders als wir Schweizer?
Julian Graf: Nicht viel. Die Kaffee-Szene in der Schweiz hat sich in den vergangenen Jahren stark weiter entwickelt und muss sich international nicht verstecken.
Trinken Sie Kaffee lieber aus der Tasse oder einem Becher?
Julian Graf: Aus der Tasse. Der Geschmack entfaltet sich deutlich besser. Unterwegs trinke ich natürlich aus dem Becher. Wenn die Qualität stimmt, schmeckt der Kaffee auch dann gut. Roger Bähler: Bei freier Wahl immer aus einer vorgewärmDie Frage nach Details, in die viel Zeit investiert werden sollte, stellt sich auch in Bezug auf die Kaffee-Zubereitung.
Roger Bähler: Nebst der Zubereitung sollte dem Rohstoff mehr Beachtung geschenkt werden. Schneller Wandel und innovative Aktivitäten in den Ursprungsländern müssen in der Zusammenarbeit mit uns ihren Platz finden. Kaffeekultur beginnt somit nicht erst bei der Zubereitung, sondern mit fundiertem Wissen von der Herkunft der Bohne.
Welche Nation braut den besten Kaffee?
Roger Bähler: Diese Frage kann ich nicht mit dem Namen einer Nation beantworten. Viele Röster und Kaffeehäuser haben ihre Beschaffungspolitik geändert und kaufen heute viel hochwertigere Rohstoffe als früher. Die Schweiz ist auf jeden Fall ganz vorne mit dabei.
Bis anhin setzte die Barista-Ausbildung Standards. Weshalb braucht es nun eine Ausbildung zum Kaffee-Sommelier?
Roger Bähler: Die Ausbildung zum Barista ist nach wie vor hervorragend. Eine Weiterbildung zum Kaffee-Sommelier ergänzt das Barista-Profil. Der Kaffee-Sommelier wird zum konzept- und qualitätsorientierten «Kaffee-Generalisten» ausgebildet. Dabei wird auch sein ökonomisches Profil sensibilisiert. Mit dieser Ausbildung soll ein Kaffee-Sommelier unterschiedliche Herausforderungen in der Gastronomie bespielen können. Man denke dabei an die unterschiedlichsten Zubereitungsmethoden, die stationär bewältigt werden müssen oder die facettenreichen Anforderungen aller Zielgruppen.
Die gleichen Röster, die den Kaffee-SommelierLehrgang anbieten,
unterrichten auch Barista. Gibt es da Zielkonflikte?
Roger Bähler: Im Gegenteil. Die Ausbildung zum Barista ist die perfekte Ergänzung zum Kaffee-Sommelier.
Wie unterscheiden sich die beiden Ausbildungen?
Roger Bähler: Der Barista arbeitet hauptsächlich mit manuellen Zubereitungsmethoden. Der Kaffee-Sommelier verknüpft dasselbe Wissen ergänzend mit automatisierten Techniken. Der Kaffee-Sommelier kann Kaffeekonzepte analysieren, gegebenenfalls neu konzipieren und Veränderungsprozesse mit ökonomischen Grundlagen einleiten.
Wo liegen die Schwerpunkte in der Ausbildung zum Kaffee-Sommelier?
Roger Bähler: Wir beginnen mit den Grundlagen der Kaffeebotanik und der Sensorik. Es folgt das Arbeiten mit unterschiedlichen Mühlen und Maschinen sowie die Zubereitungen und alternative Brühmethoden. Wichtig ist die Bestimmung von Infrastruktur und Arbeitsworkflow sowie eine fundierte Betriebsanalyse. Dann stehen Wasserschulung, Präsentationstechnik und die Gestaltung der Kaffeekarte auf dem Programm. Weiter geht es mit Marketing und Verkauf sowie der Massnahmenplanung und der Entwicklung einer neuen Geschäftsidee.
Welches sind die Ausbildungsziele?
Roger Bähler: Es geht darum, mit Kaffee Geld zu verdienen. Deshalb vermittelt die Ausbildung Kompetenzen in der Beurteilung der Kaffeequalität und der Einleitung von Massnahmen zur Kontrolle und Steigerung der Qualität. Kaffee-Sommeliers kennen die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden und können diese an der vollautomatischen Kaffeemaschine genauso wie am Siebträger erfüllen. Sie verstehen den Schweizer Kaffeemarkt sowie das betriebswirtschaftliche Potenzial von Kaffee in der Gastronomie. Zudem entwickeln sie ein Kaffeekonzept und können dieses nach innen und aussen kommunizieren.
Wie ist die Ausbildung angelaufen?
Roger Bähler: Sensationell! Bereits im Testlauf wurden wir überrannt und mussten zahlreiche Interessenten auf später vertrösten. Für die Kurse im 2021 sind nur noch im Frühling einzelne Plätze frei. Sicher trägt die Förderung durch den L-GAV dazu bei. Für 2022 planen wir zusätzliche Kurse. •
AUSBILDUNG ZUM KAFFEESOMMELIER
Das Qualitätsbewusstsein der Gäste und Kaffeekunden ist hoch und muss von der Gastronomie erfüllt werden. Dabei hilft eine fundierte Ausbildung: • In sechs Kurstagen lernen die
KaffeeSommeliers die Kaffeequalität zu verbessern, das zum
Betrieb passende Kaffeekonzept zu entwickeln und das betriebswirtschaftliche Potenzial von Kaffee gewinnbringend einzusetzen.
• Die Ausbildung zum Schweizer
KaffeeSommelier wird durch den LGAV gefördert und die
Kurskosten werden teilweise übernommen.
• Die Kurse 2021 von April bis
Juni und von September bis
November finden bei Blaser
Café in Bern statt. www.kaffee-sommelier.ch
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