IPPNW forum 163/2020 – Die Zeitschrift der IPPNW

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ATOMWAFFEN

Das Unrecht nicht hinnehmen Appell an das Amtsgericht Cochem

Zwei IPPNW-Mitglieder standen im Juni 2020 wegen „Hausfriedensbruchs“ auf dem Gelände des Fliegerhorstes Büchel vor dem Amtsgericht Cochem. Die Medizinstudierende Thuy Linh Pham appellierte an den Richter, die durch Atomwaffen drohende Gefahr und die Legitimität zivilen Ungehorsams anzuerkennen. als Medizinerin eigentlich bedeuten, wenn es zu einem tatsächlichen Einsatz käme und ich Betroffene behandeln müsste? Was passiert überhaupt bei der Detonation einer Atombombe? Im Zentrum der Explosion verdampft alles Leben, um das Zentrum herum kommt es zu einem gigantischen Feuersturm, es kommt zu schwersten Verbrennungen von Massen an Menschen. Jede schwere Verbrennung braucht ein Intensivbett für mehrere Wochen, ständige OPs, viele Liter Bluttransfusionen und generell Flüssigkeit, Antibiotika, ständige Verbandswechsel, einen hohen Pflegeaufwand, Sie können sich ausrechnen, wie sich das Ganze potenziert, wenn Hunderttausende verletzt und schwer verbrannt sind. Aktuell gibt es in ganz Rheinland-Pfalz für Patient*innen mit schweren Verbrennungen acht Erwachsenenbetten und zwei Kinderbetten, und deutschlandweit insgesamt 170. Es wäre aus medizinischer Sicht also unmöglich zu bewältigen.

Sehr geehrter Herr Richter, sehr geehrter Herr Staatsanwalt, ich habe mich dazu entschlossen, die Flugbahn zu besetzen, die für die tägliche Übung für den Atombombeneinsatz verwendet wird. Denn die aktuelle politische Situation ist brandgefährlich, so dass ich nicht einfach zusehen kann, sondern meinem Gewissen folgen und ins Handeln kommen muss. Wie sicherlich nicht an Ihnen vorbeigegangen sein wird, wurde letztes Jahr der INF-Vertrag von 1987 zwischen den USA und Russland aufgekündigt. Dieser Vertrag brachte der Welt und insbesondere Europa mehr Sicherheit durch die Zerstörung von 2.700 Kurz- und Mittelstreckensystemen. Ein neuer Rüstungswettlauf hat jetzt begonnen: Direkt nach Aufkündigung des Vertrags erfolgte ein US-Raketentest, der unter dem INF-Vertrag verboten gewesen wäre. Vor wenigen Wochen (Washington Post vom 25. Mai 2020) wurde bekannt, dass Trump plant, den ersten Atomwaffentest seit 1992 durchzuführen.

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urch die Druckwelle kommt es zu Platzwunden, rupturierten Organen, inneren und äußeren Blutungen, Frakturen, Taubheit durch Ruptur des Trommelfells. Durch die Strahlung kommt es zur akuten Strahlenkrankheit. Zellen aller Organe sterben ab, das Immunsystem ist stark geschwächt, die banalste Entzündung wird zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung, es kommt zu Magen-Darm-Störungen, Erbrechen, Durchfall, Schluckbeschwerden, Schock und Kreislaufkollaps, Störungen des zentralen Nervensystems mit Bewusstlosigkeit bis zum Hirntod. Längerfristig versterben die Menschen an Krebs, Föten im Mutterleib sterben ab oder kommen mit Mutationen und Behinderungen auf die Welt.

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n Deutschland werden die Atomwaffen modernisiert, Milliarden sind für den Ersatz der Tornados eingeplant und das in einer Zeit, in der immer mehr Menschen aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr wissen, wie sie sich finanziell über Wasser halten sollen. Wir sehen immer deutlicher, wie alle möglichen „systemrelevanten“ Branchen kaputtgespart wurden – Missstände über untragbare Arbeitsbedingungen werden weiter aufgedeckt. Ich arbeite im Gesundheitssystem und sehe, wie sehr Beschäftigte und Patient*innen unter einem kaputtgesparten System leiden – und dann sehe ich, wie Milliarden in die Atomwaffenindustrie gesteckt werden. Wie soll man so etwas verstehen können?

All das und noch einiges darüber hinaus, was ich gar nicht aufzählen kann, macht diese Strahlung mit unserem Körper. Diesem Irrsinn setzen wir uns aus. Herr Richter, Herr Staatsanwalt, kön-

Als Medizinerin habe mich mit den gesundheitlichen Folgen eines Atomwaffeneinsatzes beschäftigt. Was würde es für mich 12


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