ATOMENERGIE
Exportstopp über den Rechtsweg? Wie eine Klage belgische Alt-Reaktoren zum Stillstand bringen kann
Manchmal scheint der Rechtsweg das letzte verbleibende Mittel zu sein, um politisch etwas bewegen. Zu einem ähnlichen Schluss gelangte ein Anti-Atomkraft-Bündnis aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, dem auch die IPPNW angehört. Stellvertretend für das Bündnis hat nun eine Privatperson aus Aachen am Dienstag, dem 11. August 2020 Klage gegen die aktuelle Ausfuhrgenehmigung für Brennelemente von Lingen zu den beiden Uralt-Reaktoren Doel 1 und 2 in Belgien eingereicht.
S
eit über vier Jahren kämpfen die Initiativen und Vereine für einen vollständigen Ausstieg Deutschlands aus dem Atomgeschäft. Auf Demonstrationen, Mahnwachen und bei Gesprächen in Ministerien forderten sie immer wieder die Schließung der beiden weltweit agierenden Uranfabriken sowie einen sofortigen Exportstopp für nukleare Brennstoffe. Dass sich die Bundesrepublik offiziell zum „Atomausstieg“ bekennt und auf der anderen Seite die Urananreicherungsanlage in Gronau (NRW) und die Brennelementefabrik in Lingen (Niedersachsen) unbegrenzt weiter betreiben lässt, ist nicht nachvollziehbar. Viele Menschen empört besonders, dass die Atomfabriken ausgerechnet die gefährlichsten Reaktoren in Europa beliefern, deren Standorte sich nahe der deutschen Grenze befinden – so auch Doel 1 und 2.
bestückt, doch irgendwann nicht mehr – die AKW-Betreiber hatten den Lieferanten gewechselt. Die Meiler Doel 1 und 2 dagegen sind abhängig von den speziellen Brennstäben, die nur in Lingen angefertigt werden, davon ist auszugehen.
K
Eine solche Schließung auch umzusetzen, ist innerhalb der großen Koalition jedoch undenkbar. Auch der letzte Vorstoß von Umweltministerin Svenja Schulze, ein teilweises Exportverbot für Brennelemente im Atomgesetz zu verankern, stieß beim Koalitionspartner auf Granit.
Proteste, juristische Argumente und die wachsende Aufmerksamkeit der Medien schienen zeitweise die Politik in Bewegung zu bringen. Die Umweltminister der Länder forderten 2016 gemeinsam das baldige Ende der Urananreicherung und Brennelementfertigung, Linke und Grüne brachten das Thema im Bundestag zur Diskussion, bis schließlich sogar das Bundesumweltministerium mit einem Gutachten aufzeigte, dass eine Schließung der Atomfabriken bis 2022 sehr wohl rechtssicher möglich wäre.
lar ist, im Falle einer Kernschmelze wären höchstwahrscheinlich große Teile der Bevölkerung in Deutschland vom radioktivem Fallout betroffen. Nach dem Atomgesetz jedoch dürfen nukleare Exportgüter zu einem derartigen Risiko gar nicht beitragen. Eine Ausfuhrgenehmigung für „Kernbrennstoffe“ darf nicht erteilt werden, wenn durch deren Verwendung die „innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ gefährdet werden könnte. So stellte es die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm in einem Gutachten dar, das die IPPNW 2016 in Auftrag gegeben hatte. Wurden und werden also diese Brennstoff-Exporte vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) rechtswidrig genehmigt? Das in diesem Fall weisungsbefugte Bundesumweltministerium bestritt dies von Beginn an und sah sich offenbar doch im Zugzwang, denn es beauftragte ein aufwändiges – und schlussendlich wenig überzeugendes – Gegengutachten.
D
as BMU hätte es in der Hand, die Brennstoff-Exporte zu unterbinden. Einerseits. Andererseits – so hört man hinter vorgehaltener Hand – steht Schulzes Ministerium unter dem Druck des politisch einflussreicheren Wirtschaftsministeriums, des Hauses Altmaier. Es ist eine verfahrene Situation, ein politisches Schachmatt. Und so mag es nur auf den ersten Blick verwundern, dass das BMU – wenn man seine Aussagen richtig deutet – über die Klage gar nicht unglücklich ist. Im Gegenteil, scheinbar hofft man auf eine endgültige Klärung vor Gericht, also auf ein Präzedenz-Verfahren bis zur letzten Instanz.
Währenddessen verlor der Brennelement-Hersteller Aufträge für Belgien, denn die hoch umstrittenen Rissereaktoren Tihange 2 und Doel 3 wurden zwar 2017 noch mit Brennelementen aus Lingen 18