ATOMWAFFENVERBOT
Gesundheitsfolgen von Atomwaffen Prof. Masao Tomanaga erhebt Gesundheitsdaten der Überlebenden von Hisroshima und Nagasaki
75 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki: Bis heute leiden die Überlebenden der Atombombenabwürfe unter dem gehäuften Auftreten von Krebs – aber auch anderen Erkrankungen. Mit Prof. Masao Tomonaga hat ein renommierter Arzt und IPPNWVertreter nun Gesundheitsdaten bis in die jüngste Vergangenheit zusammengetragen.
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Quelle: M. Tomanaga
n Hiroshima und Nagasaki sind in den ersten fünf Monaten 210.000 Menschen an den Folgen der Atombombenabwürfe gestorben. Japanische und US-amerikanische Wissenschaftler fingen bereits wenige Tage bzw. Wochen nach den Atombombenabwürfen damit an, klinische Daten über die Auswirkungen von Atomwaffen zu sammeln. Diese unterlagen in den ersten Jahren jedoch strenger Geheimhaltung durch die US-amerikanische Besatzungsmacht.
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ine umfassende epidemiologische Datenerhebung begann erst 1950 mit der Life-Span-Studie, die seitdem ca. 120.000 Menschen mit ihren Krankheitsgeschichten nachverfolgt. Unser heutiges Wissen über die Folgen radioaktiver Strahlung auf den menschlichen Körper stammt im Wesentlichen aus dieser Langzeituntersuchung. Die gewaltige Druckwelle und der mehr als einen Tag anhaltende Feuersturm machten jeweils aus einer Fläche von vier Kilometer Radius eine Wüste. Schreckliche Szenen spielten sich ab. Kleinkindern wurden auf dem Rücken der Mütter die Köpfe abgerissen. Von manchen Menschen blieb buchstäblich nur noch ein Schatten als Erinnerung. Im Zentrum der Explosion wurden die Opfer Strahlendosen von über 100 Gray kombinierter Gamma- und Neutronenstrahlung ausgesetzt, die durch die Kernspaltung freigesetzt worden war. Derartig hohe Strahlendosen führen bei Menschen zum sofortigen Tod durch Schädigung des zentralen Nervensystems. Nur wer von der Strahlung z.B. durch eine Mauer teilweise abgeschirmt war, hatte eine Chance zu
überleben. Die durch die Explosion erzeugte Pilzwolke schleuderte Staub, Asche und verschiedene radioaktive Spaltprodukte in die Atmosphäre, die in den folgenden Tagen und Wochen als schwarzer Regen herunterkamen und große Landstriche radioaktiv verseuchten. Die medizinische Infrastruktur war unmittelbar nach den Bombardierungen in beiden Städten weitgehend zusammengebrochen. Im Umkreis von 500 Metern von Ground Zero starben 100 Prozent aller Menschen, innerhalb eines Kilometers 90 % und innerhalb von 1,5 Kilometern 50 %. Das Nagasaki Medical School Hospital befand sich nahe des Epizentrums der Detonation. Den dicken Gebäude-Mauern war es zu verdanken, dass die Menschen dort immerhin eine 50-%ige Chance hatten, den unmittelbaren Bombenabwurf zu überleben. Die meisten der Überlebenden waren dennoch so stark verletzt, dass das Krankenhaus nicht mehr 26
einsatzfähig war. In Hiroshima war die Lage noch schlimmer. Alle Krankenhäuser waren zerstört, über 90 Prozent des medizinischen Personals waren tot.
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u den multiplen schweren Verletzungen durch Feuersturm und Druckwelle traten bei vielen Menschen, die bisher gehofft hatten, dem Schlimmsten entgangen zu sein, nach Tagen bis Wochen Symptome der akuten Strahlenkrankheit auf. Es war zu dem Zeitpunkt gar nicht bekannt, dass es sich um Atombomben gehandelt hatte, deren Radioaktivität schädlich war. Erst allmählich wurden die „atomic bomb symptoms“ als solche erkannt. Überlebende und Ärzte erkannten mit Grauen, dass plötzlicher Haarausfall in der Regel den baldigen Tod ankündigte. Auch die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts wurden durch die Strahlung geschädigt. Es kam zu blutigen Durchfällen, schwerem Wassermangel und Anämie.